Zwischen den Welten Intermediale Grenzüberschreitungen zwischen Animationsund Realfilm
In den filmtheoretischen Diskursen des 20. Jahrhunderts wurde dem Animationsfilm bzw. seinem populärsten Vertreter, dem Zeichentrickfilm, wenn überhaupt, dann nur eine untergeordnete Rolle eingeräumt. Erst in den letzten Jahren konnten sich im angloamerikanischen Raum die animation studies etablieren, deren Vertreter für eine Anerkennung des Animationsfilms als gleichberechtigten Untersuchungsgegenstand neben dem „realen Film“ eintreten und für eine theoretische Unterfütterung der Diskussion sorgen.1 Die deutsche Film- und Medienwissenschaft dagegen schenkt dem Animationsfilm nach wie vor kaum Beachtung. Abgesehen von einigen Werken mit eher filmhistorischer Perspektive2 widmen sich nur wenige Publikationen dezidiert der theoretischen Untersuchung des Phänomens Animationsfilm3 oder spezieller dessen Verhältnisses zum Realfilm.4 Zu den wichtigsten Veröffentlichungen gehören: Donald Crafton: Before Mickey. The Animated Film 1898-1928. Chicago 1982; Alan Cholodenko (Hg.): The Illusion of Life: Essays on Animation. Bloomington, IN 1993; Jayne Pilling (Hg.): A Reader in Animation Studies. London 1997; Paul Wells: Understanding Animation. London und New York 1998; Maureen Furniss: Art in Motion. Animation Aesthetics. Revised Edition. London 2008. Seit 1987 existiert mit der Society for Animation Studies (SAS) ein Forum, das Wissenschaftler mit Interesse an Animation und am Animationsfilm international vernetzt. Zudem widmen sich drei englischsprachige wissenschaftliche Zeitschriften dem Thema: das von der SAS herausgegebene E-Journal Animation Studies, das Animation Journal sowie seit 2006 Animation. An Interdisciplinary Journal. 1
Vgl. etwa Annika Schoemann: Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001. Remscheid 2003 oder Ralf Schenk, Sabine Scholze (Hg.): Die Trick-Fabrik. DEFA-Animationsfilme 1955-1990. Berlin 2003. In der Reclam-Reihe Filmgenres erschien 2007 ein Band mit Kritiken zu einer Auswahl populärer Animationsfilme, vgl. Andreas Friedrich (Hg.): Filmgenres. Animationsfilm. Ditzingen 2007. Für weiterführende Literaturhinweise vgl. Jeanpaul Goergen: Bibliografie zum deutschen Animationsfilm. Berlin 2002. 2
Die einzige deutschsprachige medienwissenschaftliche Monografie zum Animationsfilm liegt mit Jan Sieberts Dissertation vor, die sich auf komische Formen des Zeichentrickfilms beschränkt, vgl. Jan Siebert: Flexible Figuren. Medienreflexive Komik im Zeichentrickfilm. Bielefeld 2005. Vgl. a. ders.: Self-Reference in Animated Films. In: Winfried Nöth, Nina Bishara (Hg.): SelfReference in the Media. Berlin, New York 2006, S. 155-164; sowie ders.: Der mediale Schein des Komischen im Zusammenspiel von gezeichnetem und fotografiertem Film. In: Andreas Böhn (Hg.): Formzitat und Intermedialität. St. Ingbert 2003, S. 73-104. 3
Oben: Final Fantasy: The S pirits Within (USA/Japan 2001, R: Hironobu Sakaguchi). Mitte: Kill B ill: Vol. 1 (USA 2003, R: Quentin Tarantino). Unten: The Mask (USA 1994, R: Chuck Russel).
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Speziell zu Kopplungen von Zeichentrick- und Realfilm zuletzt: Nicola Glaubitz: Reanima-
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Ziel dieses Aufsatzes ist die Analyse und Systematisierung dieser Beziehung zwischen den zwei so unterschiedlichen Formen des Mediums Film unter Gesichtspunkten der Intermedialitätsforschung. Anhand einiger Filmbeispiele soll eine Taxonomie möglicher Bezüge entworfen werden, wobei der Schwerpunkt auf solchen Filmen liegt, die als „Hybride“ bezeichnet werden können, da sie Elemente aus Animations- und Realfilm miteinander kombinieren und dadurch die beiden „Welten“ miteinander konfrontieren. Aber auch an scheinbar „reinen“ Animationsfilmen lässt sich bereits ein intermediales Potenzial beobachten. Die aktuell verbreitete Tendenz zur Verschmelzung von Real- und Animationsfilm per Computertechnik5 erschwert die Unterscheidung zwischen den beiden Formen zunehmend, wenngleich die Abgrenzung noch nie so unkompliziert war, wie man zunächst vielleicht annehmen könnte, denn das Prinzip der Animation – die Erzeugung der Illusion von Bewegung – bildet streng genommen die mediale Grundlage für jegliche Form von Filmproduktion. Zusätzlich erschwerend wirkt sich auf die Untersuchung aus, dass alle in diesem Zusammenhang wesentlichen Begriffe – also vor allem „Animationsfilm“, „Realfilm“ und „Intermedialität“ – in verschiedenen Kontexten sehr unterschiedliche und sich zum Teil widersprechende Bedeutungen annehmen können, weshalb sich die nächsten beiden Abschnitte der Definition dieser Termini widmen und die wesentlichen ontologischen Unterschiede zwischen Animationsfilm und Realfilm erörtern. Intermedialität. Der Begriff „Intermedialität“ baut auf dem Konzept der Intertextualität auf, das in den späten 1960er Jahren vor allem von Julia Kristeva geprägt wurde und eine Theorie der Beziehungen zwischen Texten formuliert. In diesen „intertextuellen Dialog der Schriftmedien haben sich die Bilder ‚eingeschaltet’, deren Interaktion nicht mehr nur textuell, sondern darüber hinaus medial verstanden werden will.“6 So wird aus dem Konzept der Intertextualität ein Teilbereich der umfassenderen Intermedialitätstheorie, deren Anwendungsbereich nicht auf Texte beschränkt bleibt, sondern auf die Beziehungen zwischen Medien erweitert ist. Intermedialität steht nach
Siebert „für eine produktive Medienkollision, die manifest oder verdeckt operiert und sich vom verwandten, lediglich akkumulierenden Prinzip der Multimedialität unterscheidet.“7 Eine durchgängige Definition des Begriffs hat sich in der Forschung nicht durchsetzen können. Nach Joachim Paech ist das Konzept „dabei, zu einem Marktplatz für Anschluß suchende geisteswissenschaftliche Disziplinen zu werden.“8 Aus diesem Grund propagiert er eine begriffliche Engführung des Intermedialitätskonzepts, das er von Luhmanns Medium-Form-Relation ausgehend betrachtet. Paech versteht Intermedialität in erster Linie als „Konzept postmoderner Ästhetik der multimedialen Hybridisierung, der Dekonstruktion und Auflösung isomorpher Strukturen in heteromorphe Prozesse, die vor allem ihre heterogenen medialen Bedingungen reflektieren.“9 Er begreift Intermedialität als „Differenz-Form des Dazwischen“10 und im Gegensatz zu anderen Intermedialitätsforschern11 als den Transformationsprozess des Medienwechsels selbst, inhaltliche Kriterien treten dabei in den Hintergrund. Gegenstand seiner Untersuchungen sind vor allem Brüche und Diskontinuitäten, Situationen, in denen das „ansonsten unsichtbare Medium an die Oberfläche tritt“12. In Anlehnung an Jens Schröter propagiert Paech eine Typologie des Begriffs, die vier verschiedene Formen der Intermedialität unterscheidet:13 synthetische, formale oder transmediale, transformationale und ontologische Intermedialität, wobei die letzten beiden Kategorien „als verschiedene Seiten derselben Medaille aufzufassen“14 sind. Synthetische Intermedialität bezeichnet die „Entstehung einer neuen künstlerischen Praxis aus der Verschmelzung älterer medialer Praxen“15, formale/transmediale Intermedialität liegt dann vor, wenn Phänomene oder Strukturen medienunspezifisch genug sind, um ohne Transformation von einem Medium in ein anderes übernommen werden zu können, während bei transformationaler bzw. ontologischer Intermediali-
Jan Siebert: Intermedialität. In: Helmut Schanze (Hg.): Metzler Lexikon Medientheorie/Medienwissenschaft. Ansätze. Personen. Grundbegriffe. Stuttgart, Weimar 2002, S. 152-154, hier: S. 152. 7
Paech: Intermedialität, S.14.
8
Paech: Intermedialität des Films. In: Jürgen Felix (Hg.): Moderne Film Theorie. Mainz 2003, S. 287-312, hier: S. 299. 9
tionsversuche des Spielfilms. Kopplungen von Zeichentrick und Realfilm und das Kino der 1990er Jahre. In: Rainer Leschke, Jochen Venus (Hg.): Spielformen im Spielfilm. Zur Medienmorphologie des Kinos nach der Postmoderne. Bielefeld 2007, S. 41-66 und Erwin Feyersinger: Diegetische Kurzschlüsse wandelbarer Welten: Die Metalepse im Animationsfilm. In: montage / AV, Nr. 2, 2007, S. 113-130. Ein umfangreiches und reich illustriertes neues Standardwerk zu diesem Aspekt liegt vor mit Barbara Flückiger: Visual Effects. Filmbilder aus dem Computer. Marburg 2008.
Paech: Intermedialität, S. 16.
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Einer sehr viel weiter gefasste Begriffsauffassung vertritt etwa Irina Rajewsky: Intermedialität. Stuttgart 2002. 11
Siebert: Flexible Figuren, S. 169.
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Joachim Paech: Intermedialität: Mediales Differenzial und transformative Figurationen. In: Jörg Helbig (Hg.): Intermedialität. Theorie und Praxis eines interdisziplinären Forschungsgebiets. Berlin 1998, S. 14-30, hier: S. 14. 6
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Paech: Intermedialität des Films, S. 299.
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Jens Schröter: Intermedialität. Facetten und Probleme eines aktuellen medienwissenschaftlichen Begriffs. In: montage / AV, Nr. 2, 1998, S. 129-154, hier: S. 129. 14
Paech: Intermedialität des Films, S. 299.
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tät Phänomene, die für ein bestimmtes Medium spezifisch sind, in einem anderen Medium repräsentiert bzw. imitiert werden. Als Ergänzung dieser Definitionen kann Andreas Böhns Konzept des (intermedialen) Formzitats verstanden werden, das – von einem erweiterten Zitatbegriff ausgehend – zum einen die Möglichkeit der Bezugnahme „nicht nur auf Einzeltexte, sondern auf Codes und Subcodes, vor allem auf Textgattungen und Formelemente […], und zum andern die Möglichkeit intermedialen Zitierens, also der notwendigerweise transformativen Übertragung von Textelementen aus einem Medium in ein anderes“16 systematisiert. Ähnlich wie Paech versteht auch Böhn unter Intermedialität nur solche Thematisierungen eines Mediums in einem anderen, die „die spezifischen medialen Bedingungen und Möglichkeiten des anderen Mediums in Relation zu denen des eigenen setzen.“17 Realfilm vs. Animationsfilm. Die Definition dieser beiden Termini gestaltet sich äußerst schwierig, da die Unterscheidung gewöhnlich eher instinktiv erfolgt und die Etablierung von Realfilm und Animationsfilm fast parallel verlief: Bereits 1896, weniger als ein Jahr nach der ersten öffentlichen Filmvorführung der Brüder Lumière, verwendete der französische Zauberkünstler George Méliès zum ersten Mal die Stop-Motion-Technik,18 die die Grundlage sowohl des Animationsfilms als auch vieler realfilmischer Spezialeffekte bildet – was die konkrete Unterscheidung dieser beiden Phänomene erschwert. Mit J. S. Blacktons Humorous Phases of Funny Faces (1906)19 entstand kurz darauf schon der erste Zeichentrickfilm im engeren Sinn.20 Immer wieder wird diese Ehre auch einem früheren Film desselben Regisseurs zugeschrieben21 – wenn auch nicht ganz zu Recht, da in The enchanted Drawing (1900)22 noch keine Einzelbildschaltung verwendet wird. Der kurze Film zeigt eine (realfilmische) Person, die mit Kreide zunächst ein Gesicht und dann eine Weinflasche, ein Glas und einen Hut auf eine Tafel zeichnet, um diese Gegen16 Andreas Böhn: Einleitung. Formzitat und Intermedialität. In: Ders. (Hg.): Formzitat und Intermedialität. St. Ingbert 2003, S. 7-12, hier: S. 7. 17 Andreas Böhn: Intra- und intermediale Formzitate im Film als Medienreflexion. In: Ders. (Hg.): Formzitat und Intermedialität, S. 13-44, hier: S. 28.
stände dann aus dem Tafelbild herauszugreifen, wodurch sie per Stopp-Trick zu dreidimensionalen realen Gegenständen transformiert werden. Gleichzeitig reagiert das gezeichnete Gesicht mit veränderter Mimik. Es findet also bereits in diesem sehr frühen Beispiel eine Grenzüberschreitung zwischen den ontologisch getrennten Welten des Gezeichneten und des Realen statt.23 In den ersten Jahren des Kinos, als das primäre Ziel der kurzen Filme noch nicht das Erzählen von Geschichten, sondern vielmehr das Präsentieren von – sowohl fiktionalen als auch nichtfiktionalen – Attraktionen war,24 gab es noch keine strenge Unterscheidung zwischen Animations- und Realfilm. Bis etwa 1908 war Animation lediglich ein „Spezialeffekt“ unter vielen25 und Misch- oder Hybridfilme, die gezeichnete und aufgezeichnete Elemente miteinander kombinierten, nicht unüblich. Erst danach kam es zur funktionalen Ausdifferenzierung der beiden ontologischen Register des Films, die zur heute üblichen – wenn auch problematisch gewordenen – Unterscheidung in Real- und Animationsfilm geführt hat. In beiden Fällen handelt es sich um „bewegte Bilder“, also Folgen von damals noch 16 oder 18, heute 24 Bildern je Sekunde, die von einem Apparat so projiziert werden, dass der Eindruck einer kontinuierlichen Bewegung suggeriert wird. Per Einzelbildschaltung werden beim Animationsfilm Gegenstände oder Zeichnungen in der Folge von Bewegungsphasen aufgenommen, wodurch für den Zuschauer der Eindruck einer flüssigen Bewegung entsteht. Die Erzeugung der Illusion von Bewegung beim Zuschauer kann daher als die wichtigste Grundvoraussetzung des Animationsfilms bezeichnet werden.26 Auch bei der digitalen Animation geschieht letzten Endes genau dasselbe: Der Computer errechnet lediglich einzelne Bilder eines Bewegungsablaufs. Schwieriger gestaltet sich eine klare Abgrenzung zum „Realfilm“, da dieser Begriff in der Praxis ausschließlich als Gegenteil zum „Animationsfilm“ verwendet wird und entsprechend vage definiert ist. Auch Siebert bietet für die Unterscheidung eine nur bedingt auf empirischen Kriterien basierende Definition an: Ihm zufolge beinhaltet die Gattung „Realfilm“ alle filmischen Formen, „die mit fotografisch aufgezeichnetem Material ohne sichtbare animationsfilmische Intervention arbeiten.“27 Diese Definition stößt jedoch schnell an ihre Grenzen, da mit der Sichtbarkeit des animationsfilmischen Eingriffs
Paul Wells: Animation. Genre and Authorship. London 2002, S. 114.
18
http://www.youtube.com/watch?v=8dRe85cNXwg, Zugriff am 14.7.2009.
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Vgl. Siebert: Flexible Figuren, S. 43. Die Frage nach dem ersten Animationsfilm ist jedoch nach wie vor umstritten. Der amerikanische Filmhistoriker Donald Crafton etwa spricht von Emile Cohls Fantasmagorie (1908) als „arguably the first true animated cartoon.“ Vgl. Donald Crafton: Before Mickey, S. 60. 20
Zum Topos der zeichnenden Hand vgl. Feyersinger: Diegetische Kurzschlüsse.
23
Tom Gunning: The Cinema of Attractions. Early Film, Its Spectator and the Avant-Garde. In: Thomas Elsaesser, Adam Barker (Hg.): Early Film. Space, Frame, Narrative. London 1990, S. 5662. 24
Crafton: Before Mickey, S. 9.
25
Zum Beispiel bei Rolf Giesen: Lexikon des Trick- und Animationsfilms. Berlin 2003.
26
http://www.youtube.com/watch?v=rYDmH2B9XJw, Zugriff am 14.7.2009.
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Wells: Animation, S. 5. Siebert: Der mediale Schein des Komischen, S. 73.
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das wichtigste – und einzige – Kriterium ein rein subjektives und von diversen Faktoren abhängiges bleibt, wie an folgendem Beispiel deutlich wird: Die Bewegungen des Riesengorillas im Abenteuerfilm King Kong (USA 1933) von Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack wirken aus heutiger Perspektive unbeholfen und schwerfällig, die einzelnen Bilder der Stop-Motion-Sequenzen sind für das von nahezu perfekten Computeranimationen verwöhnte Auge deutlich als solche zu erkennen, dennoch empfand das Publikum der 1930er Jahre den Film als äußerst überzeugend. Die „Sichtbarkeit der animationsfilmischen Intervention“ ist also offenbar eng an die Sehgewohnheiten des Rezipienten gekoppelt. Der Einsatz von „CGI“ (computer generated imagery) und die damit verbundene Möglichkeit einer quasi fotorealistischen Qualität der Animation hat ebenfalls weit reichende Konsequenzen auf die „Sichtbarkeit“ im Sinne Sieberts, wie Paul Wells beschreibt: „CGI could once again make the art of the animator invisible, using animation within live-action contexts in a way that makes it indistinguishable from its context. All this, after many years in which animators, critics and lobbyists have fought for its elevation and the recognition that animation operates as a distinctive art-form in its own right.“28 Hier stellt sich die Frage, ob es sich bei aktuellen Großproduktionen wie etwa der Lord of the Rings-Verfilmung von Peter Jackson (2001-2003) überhaupt noch um „Realfilme“ handelt, wenn sie den größten Teil ihrer Wirkung doch dem Einsatz von Computeranimation in der Post-Produktion verdanken und die von ihnen präsentierten Bilder somit alles andere als Abbilder einer vorfilmischen Wirklichkeit sind. Von Spezialeffekten kann hier allein schon aus quantitativen Gründen kaum noch die Rede sein. Obwohl sich das Publikum in den meisten Fällen einer bewusst wahrgenommenen Täuschung hingibt, sollen die gezeigten Bilder zumindest für die Dauer der Filmvorführung den Eindruck von Authentizität erwecken. Hierin liegt die wesentliche Differenz zwischen Filmtrick und Trickfilm und damit auch zwischen Real- und Animationsfilm. Den Realfilm nimmt der Zuschauer als Aufzeichnung einer sichtbaren Welt wahr, den Animationsfilm dagegen kann er nicht losgelöst von seinen formalen Eigenschaften betrachten – in dieser Hinsicht lässt sich im Verhältnis von Realfilm zu Animationsfilm eine Analogie zum Verhältnis von Fotografie und Malerei bemerken. Zwar muss sich der Rezipient auch auf einen Animationsfilm und dessen Inhalte einlassen, er muss in gewissem Sinne die Gesetzmäßigkeiten des Animationsfilms anerkennen, aber er ist sich dabei stets der künstlichen Natur des Gezeigten bewusst. Die Illusionsbereitschaft und der Realitätseindruck al-
lein können jedoch noch nicht als hinreichende Kriterien zur Definition von Realfilm dienen, da es auch Animationsfilme gibt, deren Ansatz es ist, die Affinität zur sichtbaren Welt, die den Realfilm im Sinne Siegfried Kracauers mit der Fotografie verbindet, möglichst perfekt nachzuahmen – entscheidend ist demnach in erster Linie, wie die Zuschauer das filmische Endprodukt wahrnehmen. Eine sinnvolle Ergänzung zu der bisher erarbeiteten Definition von „Realfilm“ kann aus dem äquivalent verwendeten englischen Begriff Live-Action abgeleitet werden. Dieser richtet den Fokus auf ein empirisches Kriterium, nämlich die Körperlichkeit der Akteure des Films und deren Bewegungen (bzw. Aktionen), die im einen Fall tatsächlich von einem lebenden Wesen und im anderen von einem leblosen animierten – also künstlich zum Leben erweckten – Objekt ausgeführt werden. Somit ergibt sich ein brauchbares Instrumentarium, um zwischen Animations- und Realfilm unterscheiden zu können, ohne jeden zweiten Hollywood-Blockbuster als Animationsfilm bezeichnen zu müssen. All jene Filme, die auch mit dieser Definition noch nicht eindeutig der einen oder anderen Form zuzuordnen sind – so z.B. Who framed Roger Rabbit von Robert Zemeckis (1988) –, werden im Folgenden als „Hybridfilme“ bezeichnet und sind in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse, da sie „in der Gegenüberstellung und Durchdringung beider Welten immer auch Fragen nach der relativen […] Verortung der einen Ausdrucksform gegenüber der anderen stellen.“29 Anhand einiger Filmbeispiele soll nun versucht werden, die möglichen Beziehungen zwischen Real- und Animationsfilm zu systematisieren und unter Gesichtspunkten der vorgestellten Definitionen von Intermedialität zu untersuchen. Realfilmische Durchdringung des „reinen“ Animationsfilms. Die Relationen von Animations- und Realfilm sind vielfältiger und komplexer als es zunächst scheint, denn selbst im „reinen“ Animationsfilm lassen sich verschiedenste Spuren realfilmischer Verfahren nachweisen, wie bereits Kracauer bemerkte. Ihm zufolge liegt die eigentliche Stärke des Zeichentrickfilms darin, „das Unwirkliche darzustellen, das, was nie geschieht“30. Typische Elemente besonders des frühen, komischen Zeichentrickfilms sind daher gerade die extremen Deformationen und übertriebenen Metamorphosen, wie etwa die so genannte „Squash-and-Stretch-Animation“, bei der die scheinbar elastischen Körper der Figuren regelmäßig größten Belastungen ausgesetzt werden, ohne dabei bleibende Schäden zu erleiden – darin durchaus vergleichbar Siebert: Der mediale Schein des Komischen, S. 73.
29
Siegfried Kracauer: Theorie des Films. Die Errettung der äußeren Wirklichkeit. Frankfurt am Main 1985, S. 130. 30
Wells: Animation, S. 2 f.
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mit frühen Formen des realfilmischen Slapsticks. Siebert stellt in diesem Zusammenhang die These auf, dass „der komische Zeichentrickfilm eine Vielzahl seiner komischen Strategien aus der (körperlichen) Flexibilität seiner Figuren […] bezieht, die wiederum auf die Besonderheiten des Herstellungsprozesses zurückverweist.“31 Diese Flexibilität der Figuren und ihrer Umgebungen schätzt Kracauer am Zeichentrickfilm, denn dieser nimmt im Sinne seines Konzepts der „Errettung der äußeren Wirklichkeit“ eine Position ein, die diametral entgegengesetzt zu seinen Forderungen an den (Real-)Film zu verstehen ist: Er vertritt die Auffassung, die Darstellung des Fantastischen und Unmöglichen sollte dem gezeichneten Film vorbehalten sein, da nur dieser über die adäquaten Mittel verfüge. Genauso wie er Realfilme kritisiert, die sich „unfilmischer“ Mittel zur Darstellung ihrer Inhalte bedienen, beanstandet Kracauer auch die Annäherung der Ästhetik des Zeichentrickfilms an die des Realfilms – ein Trend, den er vor allem in Disneys abendfüllenden Spielfilmen beobachtet.32 Seine Kritik beschränkt sich jedoch keineswegs auf die quasi-realistische – und in Kracauers Augen deshalb konservative – Darstellung der menschlichen Figuren, wie an einer Filmkritik, die er 1941 für die Neue Zürcher Zeitung über Disneys Dumbo (1941) schrieb, deutlich wird. Auf den ersten Blick wirkt dieser Film alles andere als realistisch, ist doch die Hauptfigur ein fliegendes Elefantenbaby mit überdimensionierten Ohren. Doch Kracauer wirft ihm vor, er vermittle nicht nur eine konformistische Weltanschauung, sondern verrate auch das eigentlich anarchische Wesen des Zeichentrickfilms, da er für das Unmögliche Legitimationsstrategien entwerfe, anstatt die Deformationen und Metamorphosen der Charaktere, wie in der Logik der früheren Zeichentrickfilme, als selbstverständliche Prozesse, die keiner besonderen Erklärung bedürfen, darzustellen.33 Der Zeichentrickfilm wird nach Kracauer bei Disney ab den späten 1930er Jahren zur gezeichneten Kopie des Realfilms degradiert, da er versuche, „eine Wirklichkeit zu vergegenwärtigen, die zu ihrer Darstellung den Zeichenfilm gar nicht benötigt.“34 Tatsächlich werden in den Disney-Filmen seit Snow White and the Seven Dwarfs (1937, Regie: David Hand) die Figuren von der – imaginären – Kamera so behandelt, als wären sie „echte“ Schauspieler. Die Kamera- und Montageregeln des klassischen Hollywood-Kinos werden im „Realismus“ der DisneySpielfilme auf den Zeichentrickfilm übertragen.
Es handelt sich also in gewisser Weise bereits um eine Form von figurativer Intermedialität, da sozusagen eine „fremdmediale Inszenierung im aktuellen Medium“35 vorliegt. Diese ist jedoch nur bedingt als solche zu erkennen und fällt vor allem aus heutiger Sicht kaum noch auf, da der große Erfolg Disneys die konventionelle Wahrnehmung von Zeichentrickfilmen nachhaltig geprägt hat. Allerdings findet in diesem speziellen Fall der intermedialen Beziehung weder eine Konfrontation der Formen noch eine Reflexion über die Verwendung des Instrumentariums des Realfilms im Animationsfilm statt. Einen sehr großen Schritt weiter gehen die per Computergrafik generierten Filme im Stil von Final Fantasy: The Spirits Within (2001, Regie: Hironobu Sakaguchi),36 in denen nicht nur Methoden des Realfilms, sondern gleich dessen ganzes System imitiert werden. [Abb. Seite 4] Das intermediale Verhältnis scheint zunächst ein ähnliches wie bei Disney zu sein, da auch hier keine Konfrontation der Formen stattfindet, es gibt jedoch einen gravierenden Unterschied: In Final Fantasy wird im Gegensatz zu Disneys Filmen versucht, die komplett künstliche Herkunft der Bilder zu kaschieren, nichts ist mehr stilisiert, da das Ziel die absolute Mimesis fotografischer Wirklichkeit ist. Eine der Werbezeilen, mit denen für den Film geworben wurde, lautete dementsprechend: „No more fairy tales, this is reality!“ Es handelt sich um transformationale Intermedialität, da eine Repräsentation des Realfilms im Animationsfilm vorliegt, „die sich explizit auf das repräsentierte Medium bezieht.“37 Noch aus einem weiteren Grund ist der Film Final Fantasy für die Untersuchung der intermedialen Beziehungen zwischen Real- und Animationsfilm interessant: Nach Paech sind „Formen von Intermedialität […] Brüche, Lücken, Intervalle oder Zwischenräume, ebenso wie Grenzen und Schwellen, in denen ihr mediales Differential figuriert.“38 Eine solche Diskontinuität lässt sich auch bei Final Fantasy beobachten: Obwohl die Handlungsorte und Objekte des Films erstaunlich „real“ bzw. authentisch wirken, entsteht bei den menschlichen Figuren nie ganz der Eindruck von organischem Leben - zu steif wirken die Bewegungen der Charaktere trotz Motion-Capturing,39 zu maskenhaft das Minenspiel der mit großer Detailverliebtheit animierten Gesichter. Der Bruch besteht nun darin, dass der Zuschauer unfreiwilligerweise immer wieder an die künstliche Natur des Gezeigten erinnert wird, was ihn in gewisser Weise aus dem Partizipationsprozess reißt, den der scheinbar realfil-
Siebert: Flexible Figuren, S. 165.
35
http://video.google.de/videoplay?docid=-4747223420939375550, Zugriff am 14.7.2009.
36
Ebenda, S. 79.
37
Kracauer: Theorie des Films, S. 131. Hervorhebung im Original.
38
Siegfried Kracauer: Kino. Essays, Studien, Glossen zum Film. Frankfurt am Main 1979, S. 57-61.
39
31
Schröter: Intermedialität, S. 144.
32
Paech: Intermedialität, S. 22.
33
Ebenda, S. 59.
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Bei diesem Verfahren werden die Bewegungen „echter“ Schauspieler auf ein dreidimensionales Computermodell übertragen.
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mische Charakter der Produktion beim Rezipienten evoziert. Das ansonsten unsichtbare Medium wird plötzlich sichtbar und zerstört die diegetische Illusion. Zu betonen ist allerdings, dass dies nicht gezielt geschieht wie in einer Vielzahl von autoreflexiven Zeichentrickfilmen, die in ironischer Weise ihre eigene Herstellung thematisieren, so etwa besonders anschaulich Tex Averys Dumb Hounded (1943),40 in dem eine Zeichentrickfigur scheinbar unbeabsichtigt aus dem markierten Rahmen des Filmbilds rennt und plötzlich außerhalb der filmischen Welt, also im „Nichts“, steht.41 Animationsfilmsequenzen im Realfilm. Selbstverständlich gibt es auch weniger komplexe Formen der intermedialen Bezugnahme zwischen den beiden Medien. Eine der ältesten dieser Formen ist zweifellos die Verwendung von animationsfilmischen Elementen zur Visualisierung von Träumen etc. innerhalb eines Realfilms. So ließ etwa Fritz Lang für seinen ersten NibelungenFilm (1924) Kriemhilds „Falkentraum“ von Walter Ruttmann als animierte Sequenz realisieren. Für einen sehr ähnlichen Zweck verwendete auch Alfred Hitchcock in Vertigo (1958) eine kurze abstrakte Zeichentrickeinlage: Hier ist es eine Halluzination des unter Schock stehenden Protagonisten, die zeichnerisch dargestellt wird. In beiden Fällen handelt es sich um stark grafische Sequenzen, die zwar außerhalb der eigentlichen Filmhandlung stehen, aber durch ihre Formen einen großen ästhetischen Bezug zu derselben aufbauen. So findet der animierte „Falkentraum“ bei Fritz Lang seine Entsprechung in der ornamentalen Gesamtästhetik des Films, während der sich spiralenförmig auflösende Blumenstrauß in Vertigo nicht nur das Motiv der Schwindelanfälle des Protagonisten wieder aufnimmt, sondern auch als Metapher auf den Handlungsablauf allgemein gesehen werden kann. Eine Konfrontation von Real- und Animationsfilm findet in diesem Kontext nicht statt, dennoch wird auch hier bereits in gewisser Weise ein mediales Differential figuriert, da deutlich wird, dass der Animationsfilm sich für die Visualisierung bestimmter Affekte und Gefühlslagen besser eignet als der Realfilm. Lang und Hitchcock entsprechen damit in gewissem Sinn der im letzten Kapitel beschriebenen puristischen Maxime Kracauers, dass „jede Kunstgattung im Einklang mit ihren besonderen Mitteln eine spezifische, nur ihr vorbehaltene Funktion zu erfüllen habe.“42 Auch in der deutschen Vorabendserie Berlin, Berlin (2002-2005) werden durch kurze gezeichnete Sequenzen extreme Emotionslagen der Protagonistin zum Ausdruck gebracht – meist in Form von wörtlich genommenen Sprich-
wörtern. Mehr als nur Kommentarfunktion haben animierte Bilder dagegen in Tom Tykwers „Techno-Tryptichon“43 Lola rennt (1998), in dem im Vorspann und zwischen den drei unterschiedlichen Versionen der Geschichte jeweils eine kurze Zeichentricksequenz zu sehen ist, die für die Exposition der jeweils folgenden Handlung eine entscheidende Rolle spielt. Dass Tykwer zu diesem Zweck auf den Animationsfilm zurückgreift, ist jedoch eher der „Baukasten- oder bricolage-Ästhetik“44 des Films geschuldet, der in nur 70 Minuten versucht, sämtliche verfügbaren Filmtechniken zu integrieren,45 als einer tatsächlichen Medienreflexion. Wesentlich komplizierter verhält es sich mit Quentin Tarantinos Kill Bill:Vol.1 (2003). Hier ist der animierte Teil knapp acht Minuten lang und erzählt ausführlich die Hintergrundgeschichte einer Nebenfigur mit dem Namen „O-Ren“. Die Sequenz ist eine Referenz an die japanische Anime- und Mangakultur, bei der Tarantino sich besonders für diesen Film ausführlich bediente, und hätte prinzipiell genauso gut auch als Realfilm erzählt werden können. Doch Tarantino möchte hier offensichtlich einen analytischen Beitrag zum Medium leisten: Er dekonstruiert gewissermaßen den Realfilm, indem er zunächst das Bild in einem Freezeframe anhält und die Kamera dann aus einer Fotografie herauszoomen lässt, die anschließend in den Zusammenhang zweier gezeichneter Bilder, die nacheinander links und rechts von ihr erscheinen, gestellt wird. [Abb. Seite 4] Auf diese Weise entsteht in einem fließenden Übergang die Form eines klassischen Comicstrips, der aus drei horizontal angeordneten Panels besteht. Im Folgenden wird die Geschichte, deren Determinierung in diesen drei Bildern bereits angedeutet ist, in Form eines Zeichentrickfilms dargestellt, erzählt von einer Stimme aus dem Off und unterlegt mit der melancholischen Mundharmonikamusik eines Italowesterns. Aus dem filmischen Bewegungsbild wird also zunächst das unbewegte Bild des Vorgängermediums Fotografie, das nur einen einzigen Moment festhält. Dieses wird dann durch die Kontextualisierung mit zwei weiteren Bildern zu einem Comic, aus der sich dann mit dem Animationsfilmteil wiederum das direkte Nachfolgemedium ergibt. Am Ende des gezeichneten Einschubs verfährt er ähnlich – die Bilder werden in ihre Grundstruktur zerlegt und neu zusammengesetzt. Tarantino hält den Zeichentrickfilm mitten in einer Bewegung an, sodass wieder das Panel eines Comics entsteht, aus dem die Kamera herauszoomt. Erst nach einigen Sekunden mit schwarzem Bild geht dann der Film weiter. Peter Körte: Ein bißchen außer Atem. Tom Tykwers deutsches Techno-Triptychon Lola mit Franka Potente. In: Frankfurter Rundschau, 19.8.1998, S. 8.
43
http://www.youtube.com/watch?v=ghG0lWxRABM, Zugriff am 14.7.2009.
rennt
Vgl. Siebert: Flexible Figuren, S. 132.
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Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films. Frankfurt am Main 1984, S. 103. 42
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David Bordwell: Visual Style in Cinema. Vier Kapitel Filmgeschichte. Frankfurt am Main 2003, S. 194. Ebenda, S. 184.
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Es handelt sich bei dieser Animationssequenz um ein gezieltes Spiel mit medialen Verortungen und Entwicklungen, und damit um eine intermediale Interferenz – unter anderem – zwischen Real- und Animationsfilm. Die Inszenierung der vergleichsweise einfachen Geschichte vom Mord an O-Rens Eltern auf mehreren medialen Ebenen könnte als Transmedialität bezeichnet werden, da es sich bei dem Stoff um ein medienunspezifisches Phänomen handelt, das innerhalb verschiedener Medien – hier Realfilm, Animationsfilm und Comic (und orale Narration) – mit den jeweils spezifischen Mitteln ausgetragen werden kann, was Tarantino spielerisch vorführt. Der Begriff kann der Sequenz jedoch nicht wirklich gerecht werden, da alle diese verschiedenen Medien wiederum in einem einzigen repräsentiert und in einem komplizierten Beziehungsgeflecht miteinander verknüpft sind: Auf die Zeichentricksequenz in Kill Bill:Vol.1 trifft genau das zu, was Paech als „Dekonstruktion und Auflösung isomorpher Strukturen in heteromorphe Prozesse, die vor allem ihre heterogenen medialen Bedingungen reflektieren“, bezeichnet.46 Remakes, Spin-Offs und Adaptionen. Unter dieser Kategorie sollen solche Fälle zusammengefasst werden, in denen sich das Verhältnis zwischen Realfilm und Animationsfilm als zwei voneinander unabhängig auftretenden Medien vor allem in inhaltlichen Faktoren konstituiert, etwa bei Interpretationen derselben Vorlage eines nicht festgelegten Ursprungsmediums sowohl durch Animations- als auch Realfilm. Für die Untersuchung des intermedialen Verhältnisses der beiden Formen sind Filme dieser Kategorie jedoch nur von geringem Interesse, da nicht Ausdrucksformen des Mediums Animationsfilm aufgegriffen werden, sondern nur medienunspezifische Phänomene, wie z.B. die Mise-en-scène einer bestimmten Szene: Als Peter Jackson etwa J.R.R. Tolkiens Roman The Lord of the Rings verfilmte, lag bereits eine filmische Adaption des Stoffes durch den Animationsfilmpionier Ralph Bakshi aus dem Jahr 1978 vor, an deren Szenengestaltung sich die spätere Verfilmung zum Teil offensichtlich orientiert. Ein weiteres Beispiel für inhaltliche Bezüge zwischen Real- und Animationsfilm sind die so genannten Spin-Offs von erfolgreichen Realfilmen. So produzierte das amerikanische Animationsstudio Hanna-Barbera in den 1960er Jahren mehr als 150 Episoden der Laurel and Hardy Cartoons,47 in denen die beiden Slapstick-Ikonen als Zeichentrickfiguren posthum weitere Sketche spielen. Auch hier bleiben die Bezugnahmen jedoch inhaltlicher und ästhetischer Art: Die Gründe für den Medienwechsel liegen vor allem in der Vermarktbarkeit bereits erfolgreicher Stoffe oder Figuren.
Form- und Genrezitate. Besonders im japanischen Anime lassen sich unzählige Genreelemente finden, die nicht in der gewohnten Weise gebraucht werden, sondern „in einen neuen Kontext eingebettet auf ihre früheren Manifestationen verweisen.“48 Solche Zitate sind, sofern sie sich auf Genres beziehen, die durch den Realfilm geprägt wurden, per definitionem intermediale Zitate, verweisen jedoch häufig nur bedingt auf ein mediales Differential. Interessanter sind deshalb Verweise formaler Natur, also nach Böhn intermediale Formzitate, in denen stereotype Ausdrucksformen eines Mediums in ein anderes übertragen und so mit diesem konfrontiert werden. Streng genommen handelt es sich bereits bei den im letzten Kapitel beschriebenen Phänomenen um intermediale Formzitate, da hier auf bestimmte Muster des Realfilms angespielt wird. Es gibt jedoch eine ganze Reihe von Filmen, bei denen solche intermedialen Formzitate deutlicher markiert sind: Am Ende von John Lasseters CGI-Animationsfilm A Bugs Life (1998) werden z.B. so genannte Outtakes – Dokumentationen komischer Missgeschicke während der Dreharbeiten – präsentiert, obwohl der Film komplett im Computer entstanden ist und daher auch nicht von Schauspielern gespielt wurde, denen Fehler unterlaufen sein könnten. Hier werden nicht nur Genreelemente zitiert, sondern bestimmte Abspannkonventionen, die sich im Realfilm herausgebildet haben. Das Paradoxe an diesen Outtakes ist, dass sie im Gegensatz zum Realfilm erst extra produziert werden müssen und nicht sozusagen zwangsläufig entstehen.49 Seltener treten intermediale Formzitate des Animationsfilms im Realfilm auf. Eines der wenigen Beispiele ist Chuck Russels The Mask (1994), in dem ein cartoonbesessener Verlierertyp eine Maske findet, die es ihm erlaubt, sich genauso wie die Figuren früher Zeichentrickfilme elastisch zu deformieren [Abb. Seite 4], dabei bleibt seine „mediale Oberfläche zwar stets realfilmisch, evoziert aber wegen der extremen körperlichen (und folgenlosen) Deformierung die Nähe zum Zeichentrickfilm“.50 The Mask bleibt im Sinne der oben erarbeiteten Definitionen ein Realfilm, der allerdings „prototypische Manifestationen“51 des Zeichentrickfilms zitiert und in Relation zu den eigenen ontologischen Merkmalen setzt. Hybridformen. Begriffe wie „Hybridisierung“ und „Hybride“ finden sich häufig im Kontext von Theorien der Intermedialität oder der Postmoderne und werden dementsprechend inflationär verwendet. Nach Irmela Schneider bezeichnet der Prozess der Hybridisierung „erstens die Kombination von Mate Böhn: Intra- und intermediale Formzitate, S. 13.
48
Vgl. Siebert: Flexible Figuren, S. 183 ff.
49
Paech: Intermedialität des Films, S. 299.
50
Etwa http://www.youtube.com/watch?v=8tJDQ_GEJp0, Zugriff am 14.7.2009.
51
Ebenda, S. 77.
46 47
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Böhn: Intra- und intermediale Formzitate, S. 26.
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rialen oder Energien, die in Bezug auf einige Merkmale different sind, andere aber gemeinsam haben. Hybridisierung meint zweitens die Vereinigung unterschiedlicher technischer Systeme auf einem Träger, so daß dieser multifunktional wird.“52 Nach Marshall McLuhan werden durch die Kreuzung von Medien „gewaltige neue Kräfte und Energien frei“,53 außerdem biete sich durch diese Hybridisierung „eine besonders günstige Gelegenheit, ihre strukturellen Komponenten und Eigenschaften zu erkennen.“54 Diese Aussage trifft auch auf die Verbindung von Animations- und Realfilm zu, wie bereits 1978 der russische Semiotiker Juri Lotmann bemerkt hat: „Bedeutende künstlerische Möglichkeiten birgt die Verbindung von fotografischer und Trickwelt, allerdings unter […] der Bedingung, daß jede von ihnen in ihrer Spezifik zutage tritt.“55 Als Hybride zwischen diesen beiden Medien werden in Anlehnung an die weiter oben erarbeiteten Definitionen von Real- und Animationsfilm nur solche Filme (oder einzelne Einstellungen innerhalb eines Films) betrachtet, die weder dem einen noch dem anderen Medium eindeutig zugeordnet werden können, da gleichzeitig animations- und realfilmische Elemente im selben Bild vorhanden sind. Streng genommen müssten damit eine ganze Reihe von Filmen als Hybride bezeichnet werden, die auf den ersten Blick „reine“ Zeichentrickfilme zu sein scheinen, so z.B. Disneys Snow White, Fleischers Gulliver’s Travels (1939)56 oder Bakshis The Lord of the Rings. Der Grund dafür ist, dass für die Herstellung dieser Filme ein spezielles Verfahren genutzt wurde, das als Rotoskopie bezeichnet wird und unter den verschiedenen Animationstechniken des Zeichentrickfilms eine Sonderstellung einnimmt. 1918 kam es bei der Serie Out of the Inkwell,57 einer erstaunlich selbstreflexiven Produktion von Max Fleischer,58 zum ersten Mal zum Einsatz. Die Technik beruht auf Realfilmaufnahmen, die „frame by frame“ von hinten auf eine mattierte Glasscheibe projiziert werden, sodass ein Zeichner die auf diese Weise entstandenen Bilder quasi „abpausen“ kann.
Irmela Schneider: Von der Vielsprachigkeit zur „Kunst der Hybridation“. Diskurse des Hybriden. In: Dies., Christian W. Thomsen (Hg.): Hybridkultur. Medien, Netze, Künste. Köln 1997, S. 13-66, S. 19. Hervorhebung im Original.
52
53 Marshall McLuhan: Die magischen Kanäle. Understanding Media. Frankfurt am Main, Hamburg 1970, S. 56.
Die Bandbreite der möglichen Ergebnisse dieses Effektes ist groß, wie bereits an den drei eben erwähnten Regisseuren deutlich wird: So beruht der „Realismus“ vieler Disney-Filme genauso auf dieser Technik wie einige der Verfremdungseffekte Bakshis. Auch Betty Boop, eine frühe Ikone des amerikanischen Zeichentrickfilms, wurde zu bestimmten Zwecken rotoskopiert, etwa in der Folge Betty Boop’s Bamboo Isle (1932).59 Der Episode geht eine kurze realfilmische Aufnahme eines samoanischen Orchesters voraus, zu dessen Musik eine Frau tanzt. Kurz vor Ende der Episode wird exakt derselbe Tanz noch einmal aufgeführt, dieses Mal von der gezeichneten Betty Boop. Ihre Bewegungen wirken in dieser Tanzszene plötzlich sehr viel feiner und realistischer als im Rest des Films: „Betty’s Body seems strangely possessed; she moves differently […]. Although the shifts are subtle, the effect is strangely eerie […]. The framing footage of the Royal Samoan Orchestra sets up the realms of the animated and the actual as separate, with distinctly different ontologies existing on different registers of reality. However, the rotoscoped body of Miri [der Name der Tänzerin, D.S.] as Betty causes a leakage of one realm into the other. The clear borders between the animated and the actual are revealed to be permeable, allowing two-way traffic from one to the other. 60 Demnach handelt es sich bei der Rotoskopie tatsächlich um eine Form von Hybridisierung, da das realfilmische Bild zwar nicht mehr als solches sichtbar ist, aber im rotoskopierten animationsfilmischen Bild als Spur nachweisbar bleibt. Auf diese Weise wird also weniger der Film selbst zum Hybriden, sondern vielmehr nur der rotoskopierte Körper der Protagonistin, in dem sich eine fließende Grenze zwischen den beiden Medien konstituiert. Auch hier ist wieder ein Bruch bzw. eine strukturelle Inkongruenz bemerkbar, in der sich das mediale Differential von Animations- und Realfilm verorten lässt. Durch das Rotoskopieverfahren ist noch eine andere Art der intermedialen Bezugnahme möglich, wie vor allem am Werk Ralph Bakshis deutlich wird, dessen The Lord of the Rings der erste abendfüllende Film war, der komplett in diesem Verfahren hergestellt wurde. Bakshi lässt jedoch nicht nur extra für diesen Zweck gefilmte Schauspieler rotoskopieren, sondern auch Szenen aus bereits existierenden Spielfilmen. Auch Bakshis früherer Film Wizards (1977)61 macht ausführlich Gebrauch vom Rotoskopie-Verfahren. Hier werden die auf diese Weise entstandenen Bilder zudem als solche ausgestellt: Das realfilmische Ursprungsbild scheint an manchen Stellen erkennbar durch. Es
Ebenda.
54
Juri Lotman: Über die Sprache der Trickfilme. In: montage / AV, Nr. 2, 2004, S. 122-126, hier: S. 125. 55
http://video.google.de/videoplay?docid=3697572837452165920, Zugriff am 14.7.2009.
56
Etwa http://www.youtube.com/watch?v=JufTNsHc18c, Zugriff am 14.7.2009.
57
Vgl. Siebert: Flexible Figuren, S. 122 f.
Joanna Bouldin: The Body, Animation and The Real. Race, Reality and the Rotoscope in Betty Boop. In: Anu Koivunen, Susanna Paasonen (Hg.): Affective Encounters. Rethinking Embodiment in Feminist Media Studies. Turku 2001, S. 48-54, hier: S. 50-52. 60
http://www.youtube.com/watch?v=Fm1dsnTuBkM&hl=de, Zugriff am 14.7.2009.
58
18
http://www.youtube.com/watch?v=4GYV5i-OaDE, Zugriff am 14.7.2009.
59
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handelt sich hierbei also nicht um die Inszenierung eines Mediums in einem anderen, vielmehr entsteht durch die sichtbare Zweischichtigkeit bzw. doppelte Codierung des Bildes eine Art von Vordergrund-Hintergrund-Beziehung, die dem Prinzip einer Kippfigur entspricht: Der Zuschauer kann jeweils den Hintergrund, also den Realfilm, oder den Vordergrund, also den Animationsfilm, betrachten, jedoch nicht beides zugleich. Anders verhält dies sich dagegen bei der Sorte von Filmen, die der Bezeichnung als „Hybride“ wahrscheinlich am ehesten gerecht wird: jene Filme, in denen sich realfilmische und animierte Figuren gleichberechtigt gegenüberstehen. Diese besondere Konfiguration erlaubt „den direkten Dialog des Zeichentrickfilms mit dem gleichzeitig anwesenden Realfilm“.62 Das bekannteste und mit Abstand eindrücklichste Beispiel hierfür dürfte Robert Zemeckis’ Roger Rabbit aus dem Jahr 1988 sein, obwohl es bereits sehr viel früher ähnliche Versuche der Kombination fotografischer und gezeichneter Formen gab.63 In den 1920er Jahren wurde etwa in Deutschland ein der Rotoskopie verwandtes – und in mancher Hinsicht überlegenes – „Verfahren zum Herstellen von Kino-Kombinationsbildern“64 eingesetzt. In der Kurzfilmreihe Lustige Hygiene (1926-1930) ermöglicht diese Technik das Aufeinandertreffen gezeichneter und realer Figuren.65 Diese Grenzüberschreitung soll der (unterhaltsamen) Hygieneaufklärung dienen, enthält aber ebenfalls die für Hybridfilme so typischen selbstreflexiven Momente etwa des Dialogs zwischen einer Zeichentrickfigur und ihrem Schöpfer. Zeichentrick- und Realfilm sind in dieser Sorte von Hybridfilmen gleichberechtigt, durch die klar definierte Grenze werden die zwei Welten bzw. Medien einander gegenübergestellt und treten in eine Art Wettstreit miteinander ein, wodurch die jeweiligen medialen Ausdrucksformen kontrastiert werden. Im Sinne der Unterteilung nach Schröter handelt es sich um synthetische Intermedialität, also den „Prozess der […] Fusion mehrerer Medien zu einem neuen Medium, dem ‚Intermedium’, welches mehr wäre als die Summe seiner Teile.“66
tiger Natur sind und selbst das, was gewöhnlich als „reiner“ oder „purer“ Animationsfilm wahrgenommen wird, auf vielerlei Strukturmerkmale und Muster des Realfilms zurückgreift und verweist. Solche Verweise können rein inhaltlicher, aber auch formaler Natur und mehr oder weniger deutlich markiert sein. Der Animationsfilm steht grundsätzlich in einem intermedialen Spannungsverhältnis zum Realfilm, dies ermöglicht eine Perspektive auf die Filmgeschichte, die die häufig als spezifisch postmoderne Phänomene wahrgenommenen Hybridisierungsprozesse zwischen den beiden Gattungen in einem neuen Licht erscheinen lässt: nämlich als Rückkehr zu einem Zustand, der eine klare Trennung von Real- und Animationsfilm noch nicht vorsah. Termini wie Hybrid-, Misch- oder Kombinationsfilm sind, so betrachtet, in ihrer Pauschalität nicht ganz unproblematische Beschreibungen mit begrenztem Aussagecharakter. Dennoch zeigt sich gerade in den vielfältigen und höchst unterschiedlichen Filmen, die die Grenzen zwischen den beiden Welten als durchlässig präsentieren und daher mit entsprechenden Labels versehen werden, dass die Unterscheidung zwischen Real- und Animationsfilm als zwei unterschiedliche Medien mit je eigenen Ausdrucksformen nach wie vor eine sinnvolle Hilfskonstruktion darstellt. Diese sollte jedoch graduell und nicht absolut gedacht werden und genügend Spielraum für originelle Begegnungen bieten.
Fazit. Die Zahl der vorgestellten Kategorien möglicher intermedialer Relationen zwischen Real- und Animationsfilm wurde bewusst klein gehalten. Die entwickelte Systematik ist daher als Gerüst zu verstehen, das erweitert und verfeinert werden kann. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Referenzen und Wechselwirkungen zwischen Real- und Animationsfilm überaus vielfäl Vgl. Siebert: Der mediale Schein des Komischen, S. 76.
62
Ebenda, S. 78 ff.
63
zitiert nach Jeanpaul Goergen: Ein Husarenstück. Richard Oswalds Tonfilmdebüt. Exkurs: Hygienische Aufklärung im Beiprogramm. In: Filmblatt, Nr. 34, 2007, S. 39-51, hier: S. 49. 64
Ebenda, S. 46-51.
65
Jens Schröter: Intermedialität, S. 130.
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Report "Zwischen den Welten. Intermediale Grenzüberschreitungen zwischen Animations- und Realfilm (2009) "