Interkulturelle Kompetenz und deren Notwendigkeit für Einsatz und Führung Workshopbeiträge 2013
12/2013 Wien, November 2013
Inhaltsverzeichnis Georg Ebner Einleitung .................................................................................................... 13 Georg Ebner und Alexander Simon Diversity erlebt, Impressionen zum Workshop 2013 ................................ 15 Wolfgang Peischel Kulturelle Diversität als Bedingungsgröße für die militärische Führung ................................................................................... 19 Frank Bannys & Hanne Seelmann-Holzmann Cultural Intelligence – Ein Qualifizierungsprogramm für international tätige Mitarbeiter ................................................................... 39 Michael Brendel Kulturelle Vielfalt und Diversity in der Bundeswehr................................ 61 Alexandre Van Acker Achten auf Kulturelle Unterschiede: nicht zu wenig und nicht zu viel .... 71 Marcin Lech Smart Defence im Rahmen des heutigen Völkerrechts ............................. 79 Dagmar Eigner Ein modernes Kulturkonzept als Basis für Wahrnehmung, Verstehen und Kommunikation ................................................................. 97
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Sara Kondert Afghanistan, ein Land mit verschiedenen Kulturen und Ethnien, einer Vielfalt von Traditionen und stark geprägtem religiösem Einfluss – Oder: ein Volk, stolz, mutig, kämpferisch, unbeugsam, zerrissen und verletzlich........................................................................... 121 Monika Himpelmann Open Space Technology – Raum geben für Initiative und Unerwartetes ............................................................................................. 177 Josef Böck und Team „Fair und sensibel“ Verein „Fair und sensibel“ und spezielle Perspektiven aus der Sicht persönlich Betroffener .................................................................... 193 Marek Pawlak Smart Defence – Interkulturelle Kommunikation aus der Perspektive der Polnischen Streitkräfte ................................................... 225 Lisa Fellhofer Integration in Österreich .......................................................................... 235 Thomas Kukovec Landraub in Afrika – Konfliktgebiet der Vergangenheit – Konfliktgebiet der Zukunft? .................................................................... 247 Caglayan Caliskan Melange versus Mokka – Business Etikette am Bosporus ..................... 269
VIII
Anton Kühnelt-Leddihn Nationen- und kulturübergreifende Kooperation in den Armeen sowie deren Implikationen zu zivilen Organisationen ........................... 295 Julius Hess Zur Wirksamkeit und Ausprägung Interkultureller Kompetenz im Einsatz – Empirische Ergebnisse ............................................................. 305 Autorenverzeichnis ................................................................................... 333
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Julius Hess
Zur Wirksamkeit und Ausprägung Interkultureller Kompetenz im Einsatz – Empirische Ergebnisse
Abstract Trotz der gestiegenen Bedeutung von interkultureller Kompetenz in militärischen Einsätzen ist in den Debatten um diese „Schlüsselkompetenz“ zuweilen unklar geblieben, welche Wirkungen interkultureller Kompetenz sich tatsächlich nachweisen lassen. Der Beitrag versucht mit einem quantitativ-empirischen Ansatz die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit interkultureller Kompetenz in Auslandseinsätzen voranzubringen. Wie lässt sich interkulturelle Kompetenz messen? Warum ist sie wichtig? Lässt sich ihre Wirksamkeit empirisch nachweisen? Der Beitrag basiert auf Ergebnissen einer quantitativen Panelstudie unter etwa 4.500 deutschen Soldaten, die 2010 in Afghanistan unter dem ISAF-Mandat eingesetzt waren. Drei grundlegende Thesen werden mit empirischen Daten untermauert: (1) Interkulturelle Interaktionen sind ein zentrales Element der Einsatzwirklichkeit. Scheiternde interkulturelle Interaktionen können zudem die Sicherheit der Soldaten gefährden und negativ auf die Auftragserfüllung rückwirken. (2) Interkulturelle Sensibilität hat einen Anteil am erfolgreichen Agieren in interkulturellen Handlungskontexten. (3) Einerseits verstärken sich interkulturelle Sensibilität und erfolgreiches Agieren in interkulturellen Situationen gegenseitig. Andererseits können negative Erfahrungen das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und die Motivation zu kultursensiblem Verhalten untergraben.
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Zur Wirksamkeit und Ausprägung interkultureller Kompetenz im Einsatz. Empirische Ergebnisse.149 „Es ist überhaupt nichts so wichtig im Leben, als genau den Standpunkt auszumitteln, aus welchem die Dinge aufgefasst und beurteilt werden müssen, und an diesem festzuhalten.“ (Clausewitz 1952, S. 890) Clausewitz sagt dies über das Verhältnis der Politik zum Krieg, man ist geneigt, es auf die aktuellen Diskurse um interkulturelle Kompetenz in militärischen Auslandseinsätzen zu übertragen.150 Vorbedingung interkulturell kompetenten Handelns sei das „Bewusstsein der eigenen kulturellen Prägung“ (BMVg 2010, S. 5). Die Reflexion der eigenen und fremden Kultur sei „wesentliche Voraussetzung der Einsatzplanung und Bedingung einer effektiven Einsatzführung auf allen Ebenen“ (Ulrich 2013, S. 87). Aber das ist nicht einfach zu bewerkstelligen. Den Clausewitzschen Satz durchzieht eine Spannung, er steht unter Belastung: hier ein Element der Orientierung und Reflexion, die eine Relativierung der eigenen Überzeugungen notwendig machen („Standpunkt auszumitteln“); dort ein Element der Solidität, des Unverrückbaren („an diesem festzuhalten“). Diese Spannung ist auch in das Konzept der interkulturellen Kompetenz eingelagert. Interkulturelle Kompetenz ist anstrengend. Sie fordert, sich dem Widerspruch zwischen eigenen und fremden Werten und Überzeugungen auszusetzen. Was den Kern interkultureller Kompetenz ausmacht – Ambiguitätstoleranz, Einfühlungsvermögen usw. – ist stets prekär und kann unter Belastung verdrängt werden durch die Verabsolutierung der eigenen Werte und Überzeugungen. Zu Recht wird interkulturelle Kompetenz daher nicht begriffen als Fähigkeit, die man einmal lernt und dann kann, sondern als Ergebnis eines „auf Dauer angelegten und ganzheitlichen“ (Ulrich 2013, S. 85) Lehr- und Lernprozesses. Für eine Untersuchung interkultureller Kompetenz im Auslandseinsatz ist daher nicht nur relevant, wie die entsprechenden Fähigkeiten, 149
Die in der vorliegenden Publikation vorgetragenen Ansichten und Meinungen sind ausschließlich diejenigen des Autors und geben nicht notwendigerweise die Sicht oder die Auffassung des Bundesministeriums der Verteidigung wieder. 150 Das Zitat ist einem Arbeitspapier des Zentrums Innere Führung (2011, S. 2) entnommen.
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Haltungen und Kompetenzen in der Ausbildung vermittelt werden, sondern auch, was bei der Anwendung dieser Fähigkeiten in interkulturellen Handlungskontexten passiert. Wie schlagen sich positive oder negative Erfahrungen in interkulturellen Interaktionen auf die Wahrnehmung der eigenen Kompetenz und die Zuversicht in das Gelingen interkultureller Kommunikation nieder? Werden hierdurch Lernprozesse in Gang gesetzt oder folgen eher die Stereotypisierung des kulturell Fremden und ein Schwinden der Motivation zu interkulturell aufgeschlossenem und sensiblem Verhalten? Die konzeptionelle Aufarbeitung und Ausbildung von interkultureller Kompetenz in der Bundeswehr ist bereits weit fortgeschritten. Grundlegende Dokumente binden das Konzept an die Innere Führung (BMVg 2006, 2008, 2010, 2011; Zentrum Innere Führung 2011). Seit 2008 koordiniert die Zentrale Koordinierungsstelle Interkulturelle Kompetenz (ZKIkK) des Zentrums Innere Führung alle Maßnahmen zur interkulturellen Kompetenzentwicklung für den Gesamtbereich Bundeswehr. Interkulturelle Kompetenz ist integraler Bestandteil der Ausbildung in der Bundeswehr (Ulrich 2013, S. 90f.). Die wissenschaftliche Forschung zu interkultureller Sensibilität und Kompetenz in der Bundeswehr ist unter anderem im Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) institutionalisiert. Bereits seit Ende der Neunziger-Jahre begleitet das ehemalige Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SOWI), das Anfang 2013 im ZMSBw aufging, die Auslandseinsätze der Bundeswehr mit sozialwissenschaftlicher Forschung. 2007 wurde ein eigenständiges Projekt Ausprägung und Wirksamkeit interkultureller Kompetenz initiiert (Menke 2008). Aussagekräftige qualitative und quantitative Studienergebnisse liegen vor (siehe etwa Langer 2012; Seiffert 2012; Seiffert et al. 2011; Seiffert/Heß 2013; Menke/Langer 2011; Tomforde 2010). Das vorliegende Papier greift die dort dargestellten empirischen Ergebnisse, Thesen und Methoden auf (siehe insbesondere Langer 2012 und Seiffert et al. 2011) und führt diese fort: Wie sind interkulturelle Sensibilität und angemessenes, kompetentes Agieren in interkulturellen Handlungskontexten verknüpft? Gibt es empirische Hinweise auf eine Wirksamkeit interkultureller Kompetenz im Einsatzkontext? Wie schlagen sich positive und negative Erfahrungen in interkulturellen Interaktionen auf die
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Motivation zu kultursensiblem Verhalten und die Einschätzung der eigenen entsprechenden Kompetenz nieder? Dem Umfang des Papiers ist die Konzentration auf eine bestimmte Art interkultureller Handlungskontexte im Einsatzkontext geschuldet: der Interaktion zwischen Soldaten151 der Bundeswehr mit afghanischer Zivilbevölkerung außerhalb der Feldlager. Ebenfalls fokussiert die Darstellung auf quantitativ-empirische Ergebnisse. Es ist beklagt worden, dass das Training interkultureller Kompetenz in der Einsatzvorbereitung einen viel geringeren Stellenwert einnimmt als die Vermittlung genuin militärischer Fähigkeiten (vgl. Chiari 2010; Tomforde 2010, S. 272). Der empirische Nachweis der Wirksamkeit interkultureller Kompetenz in herausfordernden, für die Auftragserfüllung relevanten Handlungskontexten, wäre geeignet, die Argumente der Befürworter einer intensiveren interkulturellen Ausbildung zu untermauern. Nach einer kurzen Darstellung von empirischer Grundlage und Methodik wird umrissen, welchen Stellenwert interkulturelle Interaktionen im Erfahrungskontext der Einsatzsoldaten spielen und welche positiven und negativen Erfahrungen in diesen Handlungskontexten gemacht wurden. Dabei wird auch geprüft, inwiefern scheiternde interkulturelle Kommunikation zu einem Risiko für die Sicherheit der Soldaten werden und negativ auf die Auftragserfüllung rückwirken kann. Nach einem Exkurs über die Messung interkultureller Sensibilität und Kompetenz folgt die deskriptive Darstellung, wie die interkulturelle Sensibilität der Soldaten vor dem Einsatz, während des Einsatzes und nach dem Einsatz ausgeprägt ist. Im abschließenden empirischen Teil wird der Wirksamkeit interkultureller Kompetenz sowie den Auswirkungen negativer und positiver Erfahrungen in interkulturellen Interaktionen nachgegangen. Eine Diskussion der Ergebnisse sowie eine Zusammenfassung mit Ausblick schließen den Beitrag ab.
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Mit dem Wort Soldaten sind im Folgenden stets weibliche und männliche Soldaten gemeint.
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Daten und Methodik Die Ergebnisse basieren auf dem Langzeitprojekt ISAF 2010, das seit 2010 zunächst am ehemaligen SOWI und nun am ZMSBw durchgeführt wird. Für das Projekt wurde das 22. ISAF-Kontingent der Bundeswehr vor, während und nach dem Auslandseinsatz in Afghanistan befragt. Wesentliche Ergebnisse aus diesen Befragungen liegen vor (Seiffert et al. 2010a, 2010b, 2011, 2012). Das vorliegende Papier greift die dort dargestellten Thesen und Ergebnisse zur interkulturellen Kompetenz auf und schreibt sie fort. In dem Projekt wird eine Vielzahl sozialwissenschaftlicher Methoden angewandt. Den Kern bildet eine quantitative Panelstudie, für die den Soldaten des Kontingents vor, während und nach dem Einsatz Fragebögen vorgelegt wurden. In den drei Panelwellen antworteten 1.303, 1.246 und zuletzt 1.165 Befragte, wobei die Grundgesamtheiten etwa zwischen 4.000 und 4.500 realistischerweise erreichbaren Personen schwanken. Die Rücklaufquoten betragen 33, 28 und 25 Prozent. Über einen von den Befragten individuell anzugebenden Code konnten die anonymisierten Datensätze verknüpft werden. Der übergreifende Paneldatensatz umfasst 685 Angehörige des 22. Kontingents. Eine vierte Panelwelle zwei Jahre nach Rückkehr aus dem Einsatz befindet sich derzeit in der Erhebungsphase. Interkulturelle Herausforderungen im Einsatz Dass kulturelle Aspekte im Rahmen von militärischen Auslandseinsätzen über Erfolg und Misserfolg entscheiden können, wird in zahllosen Veröffentlichungen, Strategiepapieren und militärischen Handbüchern behandelt (Heuser 2007; Gilmore 2011). Die Bundeswehr ist eine Armee im Einsatz (Seiffert/Heß 2013; Seiffert et al. 2012; Chiari 2012). In Afghanistan sind viele Soldaten der ISAF mit einem komplexen Einsatzumfeld konfrontiert, das „zwischen Aufstandsbekämpfung und (Staats)Aufbau, zwischen Kampfsituationen, Stabilisierungs- und Ausbildungsaufgaben changiert“ (Seiffert 2012, S. 81). Hieraus können sich „entgegengesetzte Anforderungen an Handlungs- und Verhaltensweisen“ (ebd.) ergeben. Neben militärischer Kampffähigkeit müssen sich Solda-
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ten auch interkulturell kompetent verhalten können (ebd.). Wie häufig sind interkulturelle Interaktionen für die Soldaten des 22. Kontingents? Und ist das erfolgreiche Agieren in diesen Situationen relevant für die Auftragserfüllung und die Sicherheit der Soldaten? Die Relevanz interkultureller Handlungskontexte für die Einsatzsoldaten wird zunächst über die Häufigkeit des Kontakts mit der afghanischen Bevölkerung außerhalb der Feldlager der Bundeswehr operationalisiert. Interaktionen mit afghanischen Sicherheitskräften sowie mit innerhalb der Feldlager arbeitenden afghanischen Angestellten sind somit aus der Betrachtung ausgeklammert. Dieses grobe Maß kann einen ersten Eindruck davon vermitteln, ob – und welche – Soldaten regelmäßig mit interkulturellen Herausforderungen konfrontiert werden. (Abbildung 36)
Abbildung 36: Häufigkeit interkultureller Interaktionen mit der Zivilbevölkerung; N=1138 Datenbasis: Befragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr des 22. Kontingents ISAF August/September/November 2010. Nach Dienstgradgruppe gewichteter Datensatz. Angaben in Prozent. Daten erstveröffentlicht in Langer (2012, S. 127f.). Die Verteilung zeigt, dass deutlich über die Hälfte der Angehörigen des 22. Kontingents mindestens wöchentlich mit afghanischen Zivilisten
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in Kontakt trat (55%) (vgl. Langer 2012, S. 127). Ein Viertel berichtet von täglichen Kontakten mit der lokalen Bevölkerung (24%). Die Häufigkeit der Kontakte ist für Soldaten bestimmter Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche sogar noch höher. Dies gilt vor allem für Soldaten mit Ausbildungs- und Schutzaufgaben. Von diesen berichten 83 Prozent von täglichen oder wöchentlichen Kontakten mit Zivilisten. Andererseits gibt ein Viertel der Befragten an, nie außerhalb der Feldlager mit afghanischen Zivilisten in Kontakt gekommen zu sein (24%) (vgl. Seiffert et al. 2011; Langer 2012; Seiffert/Heß 2013). Interkulturelle Interaktionen außerhalb des vergleichsweise geschützten Raumes des Feldlagers sind somit für manche Soldaten wesentlicher Bestandteil der Einsatzerfahrung, während sie für andere schlichtweg keine Rolle spielen. Inwiefern stellen diese interkulturellen Handlungssituationen die Soldaten vor Herausforderungen? Inwiefern kann das Agieren in diesen Situationen die Sicherheit der Soldaten einschränken? Wie bewerten die Einsatzsoldaten die Interaktion mit der Zivilbevölkerung? Die Ergebnisse sind polarisiert: Während der überwältigende Teil der Befragten von positiven Erfahrungen berichtet, hat ein substantieller Anteil der Einsatzsoldaten daneben auch Missverständnisse, Auseinandersetzungen und Gewalt erlebt (Abbildung 37).
Abbildung 37: Häufigkeit von Vorkommnissen beim Kontakt mit der Zivilbevölkerung; N=863–867 Datenbasis: Befragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr des 22. Kontingents ISAF August/September/November 2010. Nach Dienstgradgruppe gewichteter Datensatz. Angaben in Prozent. Daten erstveröffentlicht in Langer (2012, S. 132f.).
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Beinahe alle Soldaten, die außerhalb der Feldlager Kontakt mit afghanischen Zivilisten hatten, berichten von positiven Erfahrungen hierbei (95%). Gleichwohl sind interkulturelle und sprachliche Missverständnisse beinahe ebenso häufig aufgetreten (87%). Verbale oder gar gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Zivilbevölkerung, die die Sicherheit der Beteiligten einschränken, sind seltener, dennoch waren insgesamt etwa die Hälfte der Soldaten hiervon betroffen. Fast jeder zweite Soldat berichtet von verbalen Auseinandersetzungen: 43 Prozent haben dies manchmal oder selten erlebt, 5 Prozent oft oder sehr oft. Gewaltsame Zwischenfälle im Rahmen von Interaktionen mit der lokalen Bevölkerung sind zwar seltener, dennoch kann jeder dritte Soldat davon berichten. 30 Prozent haben im Kontakt mit der lokalen Bevölkerung manchmal oder selten Gewalt erlebt, 4 Prozent oft oder sehr oft (vgl. Seiffert et al. 2011, S. 43; Langer 2012, S. 132f.). Auch hier fällt die Häufigkeit für Angehörige bestimmter Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche wie Ausbildung und Schutz wesentlich höher aus (Seiffert/Heß 2013). Interkulturelle Situationen sind also nicht nur wesentlicher Bestandteil der Einsatzwelt vieler Soldaten, sie können zudem relevant werden für die Sicherheit der Soldaten und auch negative Rückwirkungen auf die Auftragserfüllung haben. Es kann hier also von interkulturellen Herausforderungen gesprochen werden, die sich für einen substantiellen Teil der in Afghanistan eingesetzten Soldaten des 22. Kontingents belegen lassen. Interkulturelle Kompetenz soll – nach ihrer Begriffsdefinition – helfen, sich in Situationen wie diesen angemessen und umsichtig zu verhalten und interkulturelle Herausforderungen erfolgreich zu bewältigen. Begriff und Messung interkultureller Kompetenz Wie die meisten westlichen Streitkräfte hat auch die Bundeswehr ein Konzept entwickelt, um mit der Notwendigkeit interkulturell angemessenen Verhaltens umzugehen. (BMVg 2010) Dieses Konzept ist auch für militärische Auslandseinsätze relevant, die – wie in Afghanistan – „amongst the people“ (Smith 2006, S. 335) durchgeführt werden und die Soldaten mit komplexen Herausforderungen konfrontieren (Seiffert 2012, S. 81). Interkulturelle Kompetenz umfasst nach diesem Konzept
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„die individuelle Fähigkeit und Bereitschaft der Angehörigen der Bundeswehr, sich im Grundbetrieb und Einsatz im Bewusstsein der eigenen kulturellen Prägung mit anderen Kulturen, Religionen, Lebenswelten und deren Besonderheiten angemessen auseinanderzusetzen, entsprechende Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben, sowie Verständnis und Sensibilität für fremde Werte, Ansichten und Handlungsweisen zu entwickeln“ (BMVg 2010, S. 10). Interkulturelle Kompetenz (IKK) beruht hiernach auf Eigenschaften wie Ambiguitätstoleranz, Einfühlungsvermögen, Rollendistanz und Kontaktfreudigkeit (Langer 2012, S. 129; Tomforde 2010, S. 269; Seiffert 2005, S. 303) und verknüpft diese Eigenschaften mit spezifischen Fähigkeiten und Problemlösungskapazitäten. IKK soll kein bloßes Tool zur Optimierung der Auftragserfüllung in Einsatzländern wie Afghanistan sein. Obwohl IKK auch „wesentliche Voraussetzung für die Auftragserfüllung und den Eigenschutz“ (BMVg 2008, Ziffer 620) im Auslandseinsatz ist, weist sie über den Kontext Auslandseinsatz hinaus. Auch „die zunehmende kulturelle und religiöse Vielfalt in der Bundeswehr und die multinationale Zusammenarbeit mit Verbündeten und Partnern aus der ganzen Welt erfordern interkulturelle Kompetenz“ (BMVg 2010, S. 4). Eine so breit angelegte Definition einer Kompetenz, die bestimmte grundlegende Eigenschaften, aber auch Fähigkeiten und Problemlösungskompetenzen einschließt und einen Zusammenhang zwischen beiden voraussetzt, birgt jedoch auch Unklarheiten. Der angenommene Zusammenhang zwischen den beschriebenen Eigenschaften wie Einfühlungsvermögen usw. und erfolgreichem Agieren in interkulturellen Situationen und tatsächlicher Problemlösungskompetenz harrt noch der empirischen Überprüfung. Dasselbe gilt für die Bedeutung von IKK für „die Auftragserfüllung und den Eigenschutz“ (BMVg 2008, Ziffer 620). Die vorliegenden Daten bieten erstmals die Möglichkeit, diese Zusammenhänge zu untersuchen und sich einer Bestimmung der Wirksamkeit interkultureller Kompetenz zu nähern. Das Papier nutzt dabei die Erkenntnisse früherer Studien (v.a Langer 2012; Seiffert et al. 2011, 2010b, 2010a), versucht nun aber die Wirksamkeit interkultureller Kom-
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petenz im Einsatz empirisch zu messen. Der Fokus liegt dabei auf Interaktionen von Bundeswehrsoldaten mit der afghanischen Zivilbevölkerung. Für die Messung und die Erhebung von Ausprägungen interkultureller Kompetenz hat das SOWI ein psychometrisches Testverfahren entwickelt, das in allen drei Befragungen des 22. Kontingents ISAF zum Einsatz kam (vgl. hier und im Folgenden Langer 2012, S. 130; Seiffert et al. 2011, S. 37, Seiffert et al. 2010a, S. 24ff.). Dieses Testverfahren, an dessen Ende ein individueller IKK-Score steht, basiert auf der Intercultural Sensitivity-Skala von Chen und Starosta (2000).152 Chen und Starosta benutzen 24 Items, die fünf Dimensionen interkultureller Sensibilität abbilden: interaction engagement, respect for cultural differences, interaction confidence, interaction enjoyment und interaction attentiveness. Diese Skala wurde an den Forschungsbedarf angepasst und auf sieben Items reduziert.153 Mit Cronbach’s Alpha-Werten zwischen 0,72 und 0,75 ist die Reliabilität der Skala in den drei Befragungen ausreichend hoch. Zur Auswertung wurden die Werte der einzelnen Items gegebenenfalls umkodiert, addiert und anschließend reskaliert, um einen IKK-Score zu bilden, der von 0 bis 100 reicht. Je höher der Wert, desto stärker die individuelle interkulturelle Sensibilität. In der Studie „ISAF 2010“ wird IKK über einen Fragebogen erhoben. Die Befragten geben also ihre eigene Einschätzung ihrer interkulturellen Sensibilität an. Der Score erlaubt eine Quantifizierung und einen Vergleich der Ausprägung interkultureller Sensibilität zwischen Gruppen, Individuen und unterschiedlichen Zeitpunkten. Durch ein standardisiertes Messin152
Einen Überblick über Messverfahren interkultureller Kompetenz haben u.a. Abbe et al. (2007) sowie Ross/Thornson (2008) vorgelegt. 153 Die (übersetzten) Items gingen folgendermaßen in den Fragebogen ein: „Mir gefällt der Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen”, „Ich vermeide Situationen, in denen ich mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun habe”, “Ich respektiere, wie sich Menschen aus anderen Kulturen verhalten”, „Ich denke, dass Menschen aus anderen Kulturen weniger weltoffen sind”, „Im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen fühle ich mich sicher”, „Ich fühle mich unwohl, vor Menschen aus anderen Kulturen zu sprechen”, „Ich beobachte sehr aufmerksam, wenn ich mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun habe” (vgl. Chen/Starosta 2000).
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strument eröffnet sich die Möglichkeit, den Effekt von Trainingsmaßnahmen abzuschätzen, Trainingsdefizite zu identifizieren, Lerneffekte zu bestimmen sowie die Auswirkung bestimmter Erfahrungen auf die interkulturelle Sensibilität zu untersuchen (vgl. Langer 2012, S. 130). Langer hat darauf hingewiesen, dass die Skala jedoch zuvorderst interkulturelle Sensibilität misst und nicht interkulturelle Kompetenz (2012, S. 129f.). Wie verhalten sich beide Begriffe zueinander? Die Kommunikationswissenschaftler Chen und Starosta meinen mit interkultureller Sensibilität vor allem die affektiven Aspekte interkultureller Kommunikation: „the subjects‘ active desire to motivate themselves to understand, appreciate, and accept differences among cultures“. (Chen/Starosta 1998, S. 231) Hier geht es also vor allem um die Motivation, die Bereitschaft und Akzeptanz, sich interkulturell aufgeschlossen und sensibel zu verhalten und die eigenen Werte sowie Überzeugungen in angemessenem Maß zu relativieren. Der Begriff ist jedoch erstens getrennt von den primär kognitiven Aspekten interkultureller Kommunikation, d.h. dem Verstehen von und Wissen um kulturelle Praktiken. Kulturspezifische Wissensgehalte über Geschichte und Gegenwart bestimmter Regionen, Gesellschaften oder Gruppen können einen bedeutenden Beitrag zur Herausbildung interkultureller Kompetenz leisten, sind jedoch nicht Teil interkultureller Sensibilität (vgl. Chiari 2010). Sie lassen sich nur einschränkt auf andere Regionen, Gesellschaften oder Gruppen übertragen und verweisen auf einen mehr oder weniger „static body of knowledge to be acquired and stored for future reference, when, in fact, culture reflects a dynamic set of processes”. (Abbe/Harpin 2009, S. 24) Interkulturelle Sensibilität ist aber vor allem eine kulturallgemeine Eigenschaft154 (vgl. Selmiski 2007, S. 12).
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Diese Systematisierung von Komponenten interkultureller Kompetenz entspricht weit gehend dem vom United States Army Research Institute for the Behavioral and Social Sciences entwickelten Schema. Interkulturelle Sensibilität fällt in dessen AffektMotivations-Komponente. Da die von Chen und Starosta entwickelte Skala zudem Selbstvertrauen in interkulturellen Situationen abbildet, umfasst sie zudem einige Aspekte der Fähigkeiten-Komponente (vgl. Abbe et al. 2007, S. 2).
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Zweitens umfasst interkulturelle Sensibilität nicht konkrete Fähigkeiten und manifestes Verhalten, also „the ability to get to the job done” (Chen/Starosta 1996, S. 367). Gemessen wird mit dem IKK-Score also nicht das Ergebnis interkultureller Interaktionen, sondern die Vorbedingungen erfolgreicher interkultureller Interaktionen (vgl. Langer 2012, S. 129f.). Gleichwohl umfasst interkulturelle Sensibilität das Vertrauen in die eigenen konkreten Fähigkeiten.155 Wenn im Folgenden von Vertrauen in die eigene interkulturelle Kompetenz die Rede ist, ist hiermit interkulturelle Sensibilität gemeint. Interkulturelle Sensibilität ermöglicht also das erfolgreiche Agieren in interkulturellen Handlungskontexten. Die Fähigkeit zu letzterem ist dann erst interkulturelle Kompetenz. Oder präziser: „The ability to quickly and accurately comprehend, then appropriately and effectively engage individuals from distinct cultural backgrounds to achieve the desired effect […] even though fundamental aspects of the other culture may contradict one’s own taken-for-granted assumptions/deeply-held beliefs“ (Selmiski 2007, S. 12). Die Frage nach der Wirksamkeit interkultureller Kompetenz lässt sich also präziser stellen: Inwiefern führt interkulturelle Sensibilität zu interkultureller Kompetenz? In anderen Worten: Zeigen Soldaten mit hoher interkultureller Sensibilität eher als Soldaten mit geringerer interkultureller Sensibilität die Fähigkeit, in interkulturellen Handlungskontexten angemessen zu agieren? Interkulturelle Sensibilität auf der einen Seite und Erfahrungen in interkulturellen Interaktionen auf der anderen Seite sind in den Fragebögen getrennt erhoben worden. Nun werden die entsprechenden Zusammenhänge zwischen dem Einen und dem Anderen bestimmt. Im den folgenden beiden Kapiteln wird zunächst erhoben, wie die interkulturelle Sensibilität der Soldaten des 22. Kontingents ausfällt. Anschließend wird geprüft, inwiefern Soldaten mit vergleichsweise hoher interkultureller Sensibilität vergleichsweise häufig von positiven 155
Hiermit ist vor allem das Antwortverhalten zu dem Item „Im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen fühle ich mich sicher” gemeint, das interaction confidence operationalisert.
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Erfahrungen und vergleichsweise selten von Problemen bei Interaktionen mit der afghanischen Bevölkerung berichten. Hierbei wird auch untersucht, auf welche Weise positive und negative Erfahrungen auf die interkulturelle Sensibilität zurückwirken, also auf die Bereitschaft und Motivation, sich interkulturell aufgeschlossen und sensibel zu verhalten. Ausprägung interkultureller Sensibilität im Einsatzverlauf IKK-Scores wurden in der Studie „ISAF 2010“ für alle drei Befragungszeitpunkte erhoben, also vor dem Einsatz, im Einsatz und nach dem Einsatz. Somit können Anfangsniveaus von interkultureller Sensibilität von den späteren Entwicklungen im Einsatzland sowie nach Rückkehr nach Deutschland getrennt analysiert werden. In weiteren Analysen des SOWI erwies sich der Vergleich verschiedener Dienstgradgruppen als nützliches analytisches Raster (Seiffert et al. 2011, S. 19): Dienstgradgruppen korrelieren grob mit Altersgruppen, Bildungsstand und sozialem Hintergrund.156 Zudem fallen Aufgaben und Tätigkeiten im Einsatz zwischen verschiedenen Dienstgradgruppen sehr unterschiedlich aus (Seiffert 2012, S. 83). Abbildung 38 zeigt IKKScores für fünf Dienstgradgruppen und zu den drei Erhebungszeitpunkten.157 Die vertikale Achse ordnet die IKK-Scores: je höher der Wert, desto stärker die gemessene interkulturelle Sensibilität. Die horizontale Achse beschreibt den Zeitverlauf von Einsatzvorbereitung (links), Einsatzzeitraum (zentral), bis zur Zeit nach der Rückkehr aus Afghanistan (rechts). Die Linien markieren die durchschnittlichen IKK-Scores der betreffenden Dienstgradgruppe über die drei Zeitpunkte. Die anfänglichen IKK-Scores vor Beginn des Auslandseinsatzes sind links eingezeichnet. Der durchschnittliche Wert beträgt 68.1 Punkte (Abbildung 38). Der niedrigste individuelle Wert beläuft sich auf 14.3 156
Die Dienstgradgruppe der Unteroffiziere mit Portepee bildet hier die wichtigste Ausnahme. 157 Die im Folgenden dargestellten Befunde zur Entwicklung interkultureller Sensibilität über den Einsatz hinweg sind bereits dargestellt in Langer (2012) und Seiffert et al. (2011).
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Punkte, der höchste erreicht das Maximum von 100 Punkten. Eine Analyse der IKK-Score-Mittelwerte der einzelnen Dienstgradgruppen zeigt eine grobe Verteilung entlang der Dienstgrade. Stabsoffiziere erreichen mit 76.3 Punkten den mit Abstand höchsten Wert, gefolgt von Offizieren sowie Unteroffizieren mit und ohne Portepee. Mannschaften erreichen den mit Abstand niedrigsten Wert mit 62.5 Punkten. Der statistische Zusammenhang zwischen Dienstgradgruppe und IKK-Score ist höchst signifikant. Dies gilt sogar noch, wenn nach Alter kontrolliert wird und Alterseffekte somit herausgerechnet werden.158
Abbildung 38: IKK-Score nach Dienstgradgruppe und Einsatzphase; N=1280 (vor Einsatz), 1174 (im Einsatz), 1109 (nach Einsatz)
158
Spearman-Rho für die Rangkorrelation zwischen Dienstgradgruppe und IKK-Score zum Zeitpunkt vor dem Einsatz beträgt 0,288 und ist signifikant auf dem 0,1-ProzentNiveau. Unter Kontrolle nach dem Alter der Befragten vermindert sich Spearman Rho auf 0,150, ist jedoch immer noch höchst signifikant. Die entsprechende Analyse zu den beiden späteren Zeitpunkten bringt sehr ähnliche Ergebnisse. Als verbleibende Erklärungsmomente für die besseren Werte höherer Dienstgrade kommen unter anderem die bessere Kenntnis des Diskurses zu interkultureller Kompetenz in Betracht, ein höherer Grad bildungsbezogener Reflexivität und eine soziale Erwünschtheit der Antworten (Langer 2012, S. 131).
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Datenbasis: Befragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr des 22. Kontingents ISAF Februar/März, Mai/Juli und August/September/November 2010. Nach Dienstgradgruppe gewichteter Datensatz. Daten erstveröffentlicht in Langer (2012, S. 131). In Anbetracht der Häufigkeit, mit der gerade Mannschaften im Einsatz in Kontakt mit der afghanischen Bevölkerung treten, sind diese Ergebnisse nicht zufriedenstellend. Während 71 Prozent der Mannschaften von mindestens wöchentlichen Kontakten mit der lokalen Bevölkerung berichten, liegt der Vergleichswert für die höheren Dienstgradgruppen mit durchschnittlich 49 Prozent deutlich niedriger. Dennoch zeigt die Gruppe der Mannschaften im Vergleich mit höheren Dienstgradgruppen eine niedrige interkulturelle Sensibilität. Mit Blick auf den weiteren Verlauf der IKK-Scores im Einsatz und nach dem Einsatz lässt sich ein charakteristisches Muster erkennen: In der Einsatzzeit fallen die IKK-Scores für alle Dienstgradgruppen (siehe Abbildung 38). Zwischen Einsatzzeit und Rückkehr steigen sie dann wieder in allen Gruppen, außer bei Unteroffizieren ohne Portepee. Im Allgemeinen erreichen die Scores jedoch nicht wieder das Ausgangsniveau. Die Veränderung der Werte ist signifikant auf dem 10-ProzentNiveau.159 Wie lassen sich diese Befunde erklären? Die Befragten geben hier ihre eigene Einschätzung ihrer interkulturellen Sensibilität an. Die Konfrontation mit einer als fremd wahrgenommenen Kultur und die im Einsatz erlebten interkulturellen Interaktionen zwingen nun viele zu einer Neueinschätzung ihrer Fähigkeiten (Langer 2012, S. 132). Offensichtlich führt dies öfter zu einem kritischen Blick auf die eigenen Kompetenzen als zu gesteigertem Selbstvertrauen. Gleichsam ist davon auszugehen, dass die Wahrscheinlichkeit erfolgreicher interkultureller Kommunikation nun als geringer angesehen wird und Unterschiede zwischen der eigenen und der afghanischen Kultur deutlicher wahrgenommen werden. Folglich fallen die IKK-Scores.
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Der Friedman-Test ergibt eine Signifikanz von 0,087. Während der Abfall der Werte zwischen den ersten beiden Zeitpunkten nach Wilcoxon-Test höchst signifikant ausfällt, ist die Veränderung von Einsatzzeit zu Rückkehr nicht signifikant.
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Im Gegensatz zum recht düsteren Bild, das manche Studien über die gegenseitige Wahrnehmung von ISAF-Soldaten und Afghanen zeichnen (vgl. Bordin 2011), lässt sich in den Daten jedoch auch ein Lernprozess nachzeichnen. In vielen individuellen Fällen und in allen Dienstgradgruppen bis auf Unteroffiziere ohne Portepee steigt die sich selbst zugeschriebene interkulturelle Sensibilität nun wieder an (Abbildung 39). Der Anstieg der IKK-Scores zwischen Einsatz und der Zeit nach dem Einsatz ist ein erster Hinweis darauf, dass interkulturelle Sensibilität im Einsatz weiter entwickelt werden kann (Langer 2012, S. 132). Eine detailliertere Analyse des Verlaufs der IKK-Scores über verschiedene Zeitpunkte während des Einsatzes hinweg bestätigt, dass die interkulturelle Sensibilität im späteren Einsatzverlauf steigt. Abbildung 39 zeigt, dass IKK-Scores abhängig von der individuellen Einsatzdauer unterschiedlich ausfallen. Mit Einsatzdauer ist die Zeit gemeint, für die sich die Soldaten insgesamt in Afghanistan im Rahmen der Teilnahme an der ISAF-Mission aufgehalten haben. Klar zu erkennen ist das Absinken der IKK-Scores zwischen Befragten, die unter zwei Monate in Afghanistan eingesetzt waren, und solchen, die zwei bis vier Monate im Einsatz waren (67,9 Punkte gegenüber 65,9 Punkten). Dies entspricht der These einer oft ernüchternden Konfrontation mit der Einsatzwirklichkeit und einer folgenden kritischeren Einschätzung der eigenen Kompetenzen sowie einer geringeren Motivation zu interkulturell sensiblem Agieren. Es folgt dann jedoch ein annäherungsweise linearer Anstieg bis zu den hohen IKK-Scores, die Soldaten aufweisen, die mehr als acht Monate im Einsatz waren (69,3 Punkte). Dieser Verlauf entspricht somit grob gängigen Modellen kultureller Anpassung (vgl. Oberg 1960; Langer 2012, S. 132). Dass im Einsatz das Vertrauen in die eigene interkulturelle Kompetenz steigen kann, ist deutlich geworden. Wie nun ist die interkulturelle Sensibilität mit erfolgreichem Agieren in herausfordernden interkulturellen Handlungskontexten verknüpft? Und wie wirken die Erfahrungen in diesen Situationen auf die interkulturelle Sensibilität zurück?
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Abbildung 39: IKK-Score nach Einsatzdauer; N=1122 Datenbasis: Befragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr des 22. Kontingents ISAF August/September/November 2010. Nach Dienstgradgruppe gewichteter Datensatz. Daten basieren auf Berechnungen von Langer. Wirksamkeit interkultureller Kompetenz Aus früheren Studien ist bekannt, dass positive Erlebnisse in interkulturellen Interaktionen mit hohen IKK-Scores korrelieren, während Befragte mit schlechten Erfahrungen vergleichsweise niedrige Werte aufweisen (Seiffert et al. 2011, S. 42). Diese Ergebnisse beruhen jedoch auf der rückblickenden Bewertung des Erlebten im Rahmen der Befragung nach Rückkehr aus dem Einsatz. Somit ist die Richtung der Kausalität nicht zu bestimmen: Führt eine positive Einschätzung der eigenen interkulturellen Sensibilität zu positiven Erfahrungen im Umgang mit der afghanischen Bevölkerung oder andersherum? Klarere Hinweise bringt eine Analyse, die interkulturelle Sensibilität zu mehreren Zeitpunkten erhebt und diese Ergebnisse mit den Erfahrun-
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gen in Interaktionen mit afghanischen Zivilisten verknüpft. Hierüber lassen sich zwei grundlegende Fragen zur Wirksamkeit interkultureller Kompetenz bzw. Sensibilität beantworten: 1) Berichten Soldaten, die mit hoher interkultureller Sensibilität in den Einsatz gehen, von weniger Problemen im Umgang mit der afghanischen Bevölkerung während des Einsatzes? Hierfür werden die anfänglichen IKK-Scores vor dem Einsatz mit der Häufigkeit von Vorkommnissen wie verbalen Auseinandersetzungen oder Gewalt bei Interaktionen mit der Zivilbevölkerung im Einsatz in Beziehung gesetzt. 2) Verbessern sich die interkulturelle Sensibilität und die Einschätzung der eigenen interkulturellen Kompetenz durch positive Erfahrungen im Umgang mit der afghanischen Bevölkerung? Zur Beantwortung dieser Frage wird untersucht, inwiefern sich die IKK-Scores zwischen den Zeitpunkten vor dem Einsatz und nach dem Einsatz in Abhängigkeit von der Häufigkeit von Vorkommnissen wie gewaltsamen oder verbalen Auseinandersetzungen während des Einsatzes verändern. Welche Auswirkungen haben negative und positive Erfahrungen im Umgang mit der afghanischen Bevölkerung auf die Wahrnehmung der eigenen interkulturellen Kompetenz und die Motivation zu interkulturell sensiblem Agieren? Einige methodische Anmerkungen vorweg. Zur Bestimmung der Verläufe von IKK-Scores über mehrere Zeitpunkte hinweg wurden die Daten der Befragungen vor dem Einsatz und nach dem Einsatz zu einem Paneldatensatz zusammengefasst. In diesem Datensatz können nur Befragte berücksichtigt werden, die zu beiden Zeitpunkten an der Befragung teilgenommen haben, wodurch der Umfang der Stichprobe sinkt (N=371). Exemplarisch wird die Analyse anhand der Häufigkeit verbaler Auseinandersetzungen zwischen ISAF-Soldaten und afghanischen Zivilisten durchgeführt. Anschließend werden kurz die Ergebnisse einer analogen Analyse der Häufigkeit gewaltsamer Zwischenfälle und positiver Erfahrungen referiert.
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Die Befragten werden zunächst abhängig von positiven und negativen Erfahrungen im Umgang mit der Zivilbevölkerung in drei Gruppen zusammengefasst: Solche, die im Einsatz sehr oft, oft oder manchmal verbale Auseinandersetzungen beim Kontakt mit der Zivilbevölkerung erlebt haben; solche, die dies selten erlebt haben; und solche, die dies nie erlebt haben. Nun wird geprüft, wie die durchschnittlichen IKK-Scores dieser Gruppen vor dem Einsatz und nach dem Einsatz ausfallen und ob sich signifikante Unterschiede sowohl zwischen den Gruppen als auch zwischen den Zeitpunkten feststellen lassen (Abbildung 40). Soldaten, die im Einsatz nie verbale Auseinandersetzungen zwischen eigenen Kräften und Zivilisten erlebt haben, weisen sowohl vor als auch nach dem Einsatz deutlich überdurchschnittliche IKK-Scores auf (obere, schwarze Linie in Abbildung 40). Dies ist ein starker Hinweis auf die Wirksamkeit von interkultureller Kompetenz bzw. Sensibilität: Soldaten, die mit hoher interkultureller Sensibilität ihren Einsatz beginnen, erleben später im Einsatz weniger häufig verbale Eskalationen in Interaktionen mit afghanischen Zivilisten. Soldaten, die selten verbale Auseinandersetzungen erlebt haben (mittlere, graue Linie), erreichen vor dem Einsatz ähnlich hohe IKKScores. Soldaten, die im Einsatz jedoch sehr oft, oft oder manchmal verbale Eskalationen erleben, weisen bereits vor dem Einsatz deutlich niedrigere IKK-Scores auf (untere, rote Linie). Interkulturelle Sensibilität und die Einschätzung der eigenen interkulturellen Kompetenz vor dem Einsatz stehen also in Verbindung mit den späteren Erfahrungen im Einsatz: Je niedriger der IKK-Score vor dem Einsatz, desto häufiger die negativen Erfahrungen im Rahmen von interkulturellen Interaktionen mit der lokalen Bevölkerung im Einsatz. Diese Zusammenhänge sind hoch signifikant.
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Abbildung 40: IKK-Score nach Einsatzphase und Vorkommnissen im Einsatz (verbale Auseinandersetzungen); N=272 Anmerkung: IKK-Scores als Abweichung vom Mittelwert aller Soldaten in der jeweiligen Einsatzphase (vor dem Einsatz/nach dem Einsatz) dargestellt. Datenbasis: Befragung des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr des 22. Kontingents ISAF Februar/März und August/September/November 2010. Nach Dienstgradgruppe gewichteter Datensatz. Eigene Berechnungen. Die positiven und negativen Erfahrungen mit der zivilen Bevölkerung im Einsatzland wirken jedoch auch zurück auf das Vertrauen in die eigene interkulturelle Kompetenz und auf die interkulturelle Sensibilität. Soldaten, die einerseits nie oder andererseits häufig in verbale Auseinandersetzungen geraten sind, weisen gleichbleibende IKK-Scores zwischen den Zeitpunkten vor und nach dem Einsatz auf (die rote und die schwarze Linie sind beinahe waagerecht). Hier verstetigt sich also die anfängliche Motivation. Die Bewertung der eigenen interkulturellen Sensibilität wird durch die Erfahrungen im Einsatz bestätigt. Soldaten, die mit hoher interkultureller Sensibilität in den Einsatz starten, dann jedoch negative Erfahrungen machen, weisen deutlich sinkende IKK-
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Scores zwischen den Zeitpunkten vor und nach dem Einsatz auf (abfallende, graue Linie). Negative Erfahrungen können also ein anfangs hohes Vertrauen in die eigenen interkulturellen Fähigkeiten und eine anfangs hohe Motivation zu interkulturell sensiblem Agieren einschränken. Sehr ähnliche Ergebnisse zeigen sich, wenn statt verbaler Auseinandersetzungen die Häufigkeit gewaltsamer Zwischenfälle bei Kontakten mit der Zivilbevölkerung analysiert wird. Zudem ergeben sich bei der Untersuchung der Häufigkeit positiver Erfahrungen im Umgang mit der Zivilbevölkerung erwartungsgemäß entsprechende, nun genau andersherum gerichtete Zusammenhänge. Diskussion der Ergebnisse Die eingangs formulierten Fragen zur Wirksamkeit interkultureller Kompetenz bzw. Sensibilität können nun beantwortet werden. Die Befunde stützen die These, dass interkulturelle Kompetenz bzw. Sensibilität zum erfolgreichen Agieren in bestimmten interkulturellen Handlungskontexten beitragen kann: Soldaten, die mit hoher interkultureller Sensibilität in den Einsatz gehen, berichten im Einsatz von weniger verbalen Auseinandersetzungen und gewaltsamen Vorfällen im Kontakt mit der Zivilbevölkerung als Soldaten, die mit niedriger interkultureller Sensibilität in den Einsatz gehen. Zudem bewerten sie die interkulturellen Interaktionen mit afghanischen Zivilisten auch positiver. Positive Erfahrungen im Umgang mit der Zivilbevölkerung stärken wiederum die Zuversicht in die eigenen interkulturellen Kompetenzen und die Motivation zu interkulturell sensiblem Agieren. Negative Erfahrungen haben jedoch das genau umgekehrte Potential. Die Möglichkeiten gelingender interkultureller Interaktion werden dann häufig pessimistischer eingeschätzt. Beide Zusammenhänge können sich wechselseitig verstärken. Ursprünglich hohe interkulturelle Sensibilität und ein hohes Vertrauen in die eigenen interkulturellen Fähigkeiten führen offenbar häufig zu erfolgreichem Agieren in einem fremdkulturellen Umfeld. Diese positiven Erfahrungen bestätigen wiederum die Einschätzung der eigenen interkul-
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turellen Kompetenz und die Motivation zu einem interkulturell offenen Auftreten. In Zahlen ausgedrückt lassen sich durchgehend hohe IKKScores für Soldaten feststellen, die im Einsatz keine gewaltsamen oder konfrontativen Vorfälle bei Interaktionen mit der Bevölkerung erlebt haben. Andererseits berichten Soldaten mit anfangs niedriger interkultureller Sensibilität später im Einsatz deutlich häufiger von Konfrontation, Aggression und Gewalt im Umgang mit der afghanischen Bevölkerung. Diese Erlebnisse verstetigen wiederum das geringe Vertrauen in die Bewältigung interkultureller Herausforderungen. Die Ergebnisse sind als empirische Hinweise zu verstehen. Die theoretischen und konzeptionellen Annahmen über die Wirkungsweise interkultureller Kompetenz bzw. Sensibilität im Einsatzkontext bestätigen sich in signifikanten Ergebnissen. Das ist nicht selbstverständlich. Gleichwohl können psychometrische Messverfahren und quantitativempirische Forschung in diesem Fall keine Kausalitäten und Wirkungspfade aufdecken.160 Der Forschungsgegenstand dieses Papiers ist komplex, da es sich um Verläufe und Ausgänge interkultureller Interaktionsprozesse mit potentiell konfligierender Dynamik handelt: deutsche Soldaten, die auf afghanische Dorfbewohner, Stadtbewohner, Bauern, Autofahrer, Händler, zivile Funktionsträger usw. treffen. Mit der gewählten Methode können weder über die Vielzahl der tatsächlichen Handlungskontexte im Einsatz Aussagen gemacht werden, noch darüber, warum es etwa zu verbalen oder gewalttätigen Auseinandersetzungen im Umgang mit der lokalen Bevölkerung kam. Sehr wohl aber konnte bestimmt werden, ob Soldaten mit hoher interkultureller Sensibilität in der Gesamtheit der erlebten Situationen bestimmte interkulturelle Herausforderungen besser oder schlechter bewältigt haben. Interkulturelle Sensibilität kann demnach durchaus zur Bewältigung komplexer Herausforderungen beitragen. 160
Als methodologisches Problem tritt der geringe Umfang der Panelstichprobe hinzu. Die Berechnungen konnten nur auf Grundlage des Antwortverhaltens von 272 Befragten durchgeführt werden. Dass die Analysen der Häufigkeiten von verbalen Auseinandersetzungen, gewaltsamen Vorfällen und positiven Erfahrungen im Kontakt mit der afghanischen Zivilbevölkerung analoge Ergebnisse zeigen, spricht wiederum für die Robustheit der Befunde.
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Zusammenfassung und Ausblick Drei Argumente konnten im Rahmen dieses Papiers empirisch untermauert werden. Zunächst sind interkulturelle Interaktionen zwischen Soldaten und afghanischer Zivilbevölkerung ein bedeutender Teil der Einsatzrealität der Angehörigen des 22. Kontingents ISAF. Über die Hälfte der Befragten ist wöchentlich oder täglich in Kontakt mit der Bevölkerung außerhalb der Feldlager. In diese Situationen ist häufig ein Konfliktpotential eingelagert, das negativ auf die Auftragserfüllung rückwirken kann. Jeder zweite Soldat hat verbale Auseinandersetzungen oder gewaltsame Zwischenfälle beim Kontakt mit der Bevölkerung erlebt. Interkulturelle Sensibilität hat einen Anteil an der erfolgreichen Bewältigung dieser Herausforderungen, der sich auch empirisch nachweisen lässt. Die Befunde liefern Hinweise auf die Wirksamkeit interkultureller Kompetenz bzw. Sensibilität im Einsatzkontext. Ferner verstärkt sich hohe interkulturelle Sensibilität in einer positiven Rückkopplung: je höher das Vertrauen in die eigenen interkulturellen Fähigkeiten, desto erfolgreicher die Bewältigung interkultureller Herausforderungen bei Interaktionen mit der Zivilbevölkerung. Je erfolgreicher die Bewertung des eigenen Handelns, desto höher in der Folge die Zuversicht in die eigene Problemlösungskompetenz. Der Auslandseinsatz kann damit ein „Lernort“ (Seiffert et al. 2011, S. 37; Langer 2012, S. 132) für interkulturelle Sensibilität sein. Oder aber das Gegenteil. Die Befunde markieren auch präzise die Bruchstellen in der Motivation und Zuversicht, in interkulturellen Handlungskontexten umsichtig und angemessen zu reagieren. Erstens ist die Entwicklung von interkultureller Sensibilität vor dem Einsatz von hoher Bedeutung für das spätere Agieren in interkulturellen Handlungskontexten im Einsatz. Hiervon wiederum hängen auch die weitere interkulturelle Sensibilität sowie die Motivation zu kultursensiblem Verhalten ab. Ein anfangs geringes Vertrauen in die eigenen interkulturellen Fähigkeiten kann sich hingegen durch folgende negative Erfahrungen in interkulturellen Handlungskontexten verstetigen. Das klingt banal, konnte hier aber erstmals empirisch nachgewiesen werden. Die Ergebnisse unterstreichen die Relevanz von Maßnahmen zur Stär-
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kung interkultureller Kompetenz und Sensibilität. Es sind dabei vor allem Mannschaftssoldaten, die im Einsatz am häufigsten mit der afghanischen Bevölkerung in Kontakt treten, vor dem Einsatz jedoch die geringste Zuversicht in ihre interkulturellen Fähigkeiten haben (Langer 2012, S. 131). Zweitens können negative Erfahrungen in interkulturellen Handlungskontexten eine anfangs vorhandene Motivation zu interkulturell sensiblem und kompetentem Agieren verdrängen. Scheiternde interkulturelle Interaktionen und Kommunikationsprozesse im Einsatzkontext können in Stereotypisierung, Verhärtung der Standpunkte und Abnahme der Kommunikationsbereitschaft enden (Bordin 2011). Diesen unerwünschten Entwicklungen sollte nicht erst nach dem Einsatz begegnet werden. Vielmehr sind Debriefings oder ähnliche Maßnahmen ein Mittel, um vor Ort im Einsatz einer Abnahme interkultureller Sensibilität und einem Schwinden der Motivation zu interkulturell sensiblem Verhalten entgegenzuwirken (Langer 2012, S. 133). Der dritte Punkt bezieht sich weniger auf die sozialen Prozesse, die interkulturell angemessenes Verhalten ermöglichen oder verhindern, sondern vielmehr auf sozialpsychologische Aspekte. Obgleich die Befunde keinen Hinweis auf einen „Kulturschock“ (Langer 2012, S. 132) liefern, kann die intensive Konfrontation mit einer als fremd wahrgenommenen Kultur eine psychische Belastung bedeuten (Azari et al. 2010). Dies kann sowohl individuelle Lern- und Anpassungsprozesse anstoßen, als auch soziale Prozesse abnehmender interkultureller Offenheit befördern. Erste Hinweise liegen vor, dass Soldaten mit hoher interkultureller Kompetenz besser auch mit psychischen Belastungen umgehen können, die das Arbeiten in einem fremdkulturellen Umfeld sowie das Agieren in herausfordernden interkulturellen Handlungskontexten mit sich bringen (Seiffert/Hess 2013). Drei wichtige Ansatzpunkte zur Förderung von interkultureller Sensibilität sowie drei entscheidende zukünftige Forschungsfelder zur interkulturellen Kompetenz im Kontext der Auslandseinsätze der Bundeswehr sind hiermit benannt.
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Report "Zur Wirksamkeit und Ausprägung Interkultureller Kompetenz im Einsatz - Empirische Ergebnisse "