Zu den Fortsetzern der indogermanischen t-Stämme im Germanischen

June 11, 2017 | Author: Oliver Plötz | Category: Historical Linguistics, Germanic linguistics, Old Germanic Languages, Indoeuropean Studies
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VGS Workshop: Junge Altgermanistik, Zürich, 6.2.2014

Oliver Plötz

Zu den Fortsetzern der indogermanischen t-Stämme im Germanischen 1.  Allgemeines 2.  Awn. hera! ‘Bezirk‘ und ahd. heride 3.  Aisl. ala! ‘Ernährung; Aufzucht‘ und lat. pr"l#t$rius ‘Angehöriger der untersten freien Klasse‘

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Was ist ein t-Stamm ? a) Primärer t-Stamm Wort der Struktur: Wurzel + Suffix –!t-/-ot-/-"t-/-et-/-t- + Endung z.B. lat. teges, tegetis f. ‘Bedeckung‘ (*teg-et-) b) Sekundärer t-Stamm Wurzel + Suffix1 (-i-/-u-/-n-/-Themavokal-) + Suffix2 -t- + Endung z.B. *mel-i-t n. ‘Honig < das Gelbe‘, *h2albh-u-t- f. ‘Schwan < die Weiße‘

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t-Stämme im Germanischen urgermanische Struktur: Basis + (a/e/!/")#/$ + Endungen der Konsonantenstämme z.B. Akk.Pl. got. m!n-"#-s m. ‘Monate‘

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•  selten •  oft in vokalische Klassen übergetreten (i/u/!/a-Stämme) !  bisweilen nicht mehr von ererbten ti/tu/tah2/to-Stämmen zu unterscheiden z.B. got. mili# n. a-St. vs. gr. méli, mél-it-os ‘Honig‘

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Wie findet man trotz diverser Umbildungen alte t-Stämme? •  verschiedene Ablautstufen des Vokals vor dem Dental z.B. got. liuh-ad- n. ‘Licht‘ neben ahd. Adj. lioh-t- ‘licht; hell‘ (vgl. auch PN lat. L$cetius) ! idg. -ot-/-et-/-øABER: bisweilen auch unabhängige Bildung möglich, z.B: got. mitad- ‘Maß‘ neben aisl. mj%tu&r m. u-St. ‘Zumesser; Tod‘ ! idg. -ot- neben -!t- oder t-Stamm neben germ. *-(")-#/'u•  außergermanische Verwandte

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Fallstudien: 1) Germanische Bildungen mit verschiedenen Ablautstufen vor -#/$-

Awn. hera& ‘Bezirk‘ und ahd. heride

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Bezeugung: Aisl. hera&, D.Sg. hera&i, D.Pl. heru&um n. a-St. ‘Bezirk; Harde’ dazu: adän. hærath, aschw. hæra#, neben adän. hæræthe n., aschw. hæra#e n.; isl. héra&, dän. herred, schw. härad, nynorsk herad Lautliches: •  festes -a- der Mittelsilbe, das u-Umlaut zeigt < *-"#/'a•  Palatal-Umlaut der Wurzelsilbe ohne auslösendes i/j der Folgesilbe gängige Etymologie (s. RGA s.v. herred) : nach Falk (1888): < urnord. *(ar)ar*'a- Kompositum aus urgerm. *(ar)a- ‘Heer‘ und *r!'a- ‘Rat‘, also etwa ‘Heeresversammlung‘

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•  Es handelt sich m.E. um ein substantiviertes Adjektiv der Bedeutung ‘Einteilung habend oder abgetrennt’ > (Landes-)Teil •  vgl. gr. témenos ‘heiliger Bezirk’ zu témnein ‘schneiden’, KLuw kar+-attar/attn n. ‘Landparzelle’; nhd. Abteilung; ne. division •  vgl. ferner germ. *mark" f. ‘Grenze; Gebiet’ und kons.-St. *mark- in an. m%rk f. ‘Wald; Grenzgebiet’ (idg. *mer, ‘teilen’ in jav. mar-z-m ‘Grenzgebiet’, heth. markanzi ‘sie zerteilen’; s. Casaretto 45f.

Aber von welcher Wurzel?

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Awn. hera& könnte rein lautlich auf urgerm. *(az"#/'a- zurückgehen dabei R-Umlaut von a > e Wurzel wäre dann idg. *k‘es ‘schneiden’ (vgl. lat. castrum ‘Lager < abgeteilter Bereich’, ?myk. ke-ke-me-no‘aufgeteilt: vgl. LIV 229) ABER: Aon. Formen sollten keinen Umlaut zeigen, es müsste sich um ein innerskandinavisches LW handeln Wurzel sonst im Germanischen nicht bezeugt

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Alternativ: jüngere Ableitung auf *-"'a- von einem Grundwort *(er- der Bedeutung ‘Teil’ (vgl. her-na&r m. ‘Plünderung‘) diese wohl identisch mit *(ar-)a- ‘Heer < Abteilung’ Wurzel dann idg. *(s)ker(H) ‘schneiden; teilen’, die auch in germ. *(eru- m. ‘Schwert < Zerteiler’ [got. hairus] vorliegt. Oder der Vokal -e- nur (volksetymologisch) übertragen? Oder -e- aus einer ehemaligen Kasusform verallgemeinert? Wie passt ahd. heride dazu?

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ahd. heride Dat.Sg. f. •  nur 1x bezeugt in 2. Würzburger Markbeschreibung (8.Jh.): in daz houc in dero heride ‘zum Hügel in der ?’ •  Bedeutung unklar ! aber lokalisierbar

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Bedeutung entweder ‘Bezirk’, ‘abgetrenntes Stück Land; Weide’ oder ‘Wald’

Würzburg heute:

" houc in dero heride

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Herleitung: feminines Abstraktum a) *(aze/i#i- oder b) *(are/i#i- ‘Einteilung’

weiter wohl zu verbinden mit ahd. hart m. ‘lucus; Hain; Bergwald, ae. hara&, -o& m. ‘id.’, aisl. PN H%r&ar (Formen nach Schaffner 2001, 135 und Kümmel 294), die auf ein *(ar/zu#/'a- neben *(ar/z'a- weisen Haine oft als etwas ‘Zugeteiltes‘ bezeichnet: vgl. kelt. nemeton, lat. nemus ‘Hain‘, as. nimidas ‘sacra silvarum‘ zu idg. *nem ‘zuteilen‘ ! etliche Ablautstufen: -"#/'a-, -e#i-, -u'- (? < *-a'u- van Heltens Gesetz, oder < *-e'u- wie in aisl. h%l&r ‘Mann‘), -'akann idg. -!t-/-ot-/-et-/-t- fortsetzen

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Ergebnis: Awn. hera. n. und ahd. heride können zusammen mit einigen anderen Belegen auf einen urgermanischen amphikinetischen t-Stamm der Bedeutung ‘abgetrenntes, eingeteiltes Stück Land‘ weisen: N.Sg. *(ar/z-"#/'-, Akk.Sg. *(ar/z-o#/'-un, Lok.Sg. *(ar/z-é#-i, G.Pl. *(ar/z-'-/ Ein Nebeneinander von -"#/'-a und -i/e#i- findet sich auch in ahd. wizz"d n. ‘Gesetz‘ neben wizzid f. ‘id.‘ (zur Deutung von wizz"d als amphikentischer t-St. s. Vij%nas 204ff.) Vergleichbar ist ferner: ae. dara#, -o#, -e# m. a-St. ‘Speer’ : an. D%rru&r ‘bespeert = Odin’, ahd. tart ‘kleiner Speer‘ ! *'ar-a#- : *'ar"#- : *'ar'a-

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Fallstudien: 1) Germanische Bildungen mit verschiedenen Ablautstufen vor -#/$2) Bildungen mit außergermanischen Verwandten

Aisl. ala! ‘Ernährung; Aufzucht‘ und lat. pr"l#t$rius ‘Angehöriger der untersten freien Klasse‘

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Aisl. ala! ‘Ernährung; Aufzucht‘

<

ali-heri

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Bezeugung: •  Aisl. ala& Akk.Sg. [hapax Ynglingatal 13,4] ‘Ernährung; Unterhalt, alimentum’ •  im Kompositum ala&s-festr ‘Blutgeld‘ •  daneben gibt es ein Nomen el&i (n.) ‘Ernährung; Nachkomme’ •  zusätzliche Evidenz liefert das Kompositionsvorderglied ali-, z.B. in ali&0r ‘zahmes Tier’

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Möglichst ökonomische Herleitung: •  el&i n. ist ein *-i)a-Ableitung von ala& !  letzteres kann auf *al-!#/'-a- oder *al-a#/'-a- zurückgehen •  ali&0r ‘zahmes Tier‘ kann auf *al-e#/'a-'eu1za- ‘Zuchttier’ zurückgehen (ohne Umlaut wie tale&r ‘gezählt’) ! danach andere Bildungen auf ali- wie ali-bj%rn ‘zahmer Bär‘ Zusammengenommen: Ableitungen eines t-Stammes idg. *h2a/ol-!t-/-et- ‘Ernährung oder Ernährer‘ Andere Evidenz für den t-Stamm?

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Lat. pr"l#t$rius ‘der mit der Aufzucht (seines Nachwuchses) beschäftigt ist’

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Herleitung: •  pr"l!t*rius (schon in leg. XII) < *pr" + *o/al!t*rius •  gehört irgendwie zu pr"l!s, -is f. ‘Nachkommenschaft‘ < *pr" + *o/al!s •  *o/al!t*rius: Ableitungen auf -*rius typischerweise von thematischen Stämmen produktives Suffix *-t*rius gibt es nicht! Bildung wäre singulär ! *o/al!to- ‘Aufzucht‘ anzusetzen •  *o/al!to- ‘Aufzucht‘ kann eine Gleichung mit aisl. ala& bilden! •  aber wo ist der eigentliche t-Stamm?

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pr"l!s, -is f. ‘Nachkommenschaft‘ (auch subol!s ‘id.‘, indol!s ‘Begabung‘) •  sieht aus wie ein (hysterokinetischer) i-Stamm *h2a/ol-!) / *h2a/ol-)ABER: in diesen Deklinationstyp wurden sekundär andere Typen eingegliedert, z.B.: verr!s, -is m. ‘Eber‘ < n-Stamm *u12s-!n + s •  *o/al!s kann auch der N.Sg. eines alten t-Stamms *o/al!t-s ‘Aufzucht (aktiv/ passiv)‘ sein !  hysterokinetischer t-Stamm: *h2a/ol-!t-/-ét-(/-t-´-) ‘Aufzucht < das was ernährt wird, d.h. Ernährung hat’ (sollte das /o/ in lat. (sub)-ol!s ursprünglich sein, ergäbe sich ein Ansatz *h2olét-)

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Ergebnisse: Interne Rekonstruktion und Sprachvergleich können zu 2 neuen t-Stämmen führen: 1) urgerm. *(ar/z-"#/'- ‘abgetrenntes, eingeteiltes Stück Land‘ 2) idg. *h2a/ol-! t-/-ét-(/-t-´-) ‘Aufzucht < das was ernährt wird, d.h. Ernährung hat’

Oliver Plötz Stipendiat der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Institut für Sprachwissenschaft Universität Wien [email protected]

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Literaturverzeichnis: Boutkan D.: Altgermanisch „Held“ und die Entwicklung von unbetontem *e im Altnord- und Westgermanischen, in: ABäG 41 (1995), 1-7. Casaretto A.: Nominale Wortbildung der gotischen Sprache, Heidelberg 2004. Kümmel M.J.: Ungeklärtes *u neben Liquida in germanischen Nomina, in: Hyllested A. u.a. (Hg.): Per aspera ad asteriscos, Innsbruck 2004, 291-303. LIV = Rix H. et al. (Hg.): Lexikon der indogermanischen Verben, Wiesbaden 2001. Nussbaum A.J.: A -t- Party: Various IE nominal stems in *-(o/e)t-. Handout. Rieken E.: Untersuchungen zur nominalen Stammbildung des Hethitischen, Wiesbaden 1999. Schaffner S.: Das Vernersche Gesetz und der innerparadigmatische grammatische Wechsel des Urgermanischen im Nominalbereich, Innsbruck 2001. Vij%nas A.: The Indo-European Primary T-Stems, Innsbruck 2009.

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Danke für ihre Aufmerksamkeit

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