Witte (2016): Von Fahrstühlen und Graswurzeln: Orientierungsmetaphern in der soziologischen Zeitdiagnose

June 6, 2017 | Author: Daniel Witte | Category: Wissenssoziologie, kognitive Linguistik, metaphor analysis Metaphernanalyse, Zeitdiagnose, Metaphern, Politische Metaphorik, Orientierungsmetaphern, Gesellschaftsdiagnose, Politische Metaphorik, Orientierungsmetaphern, Gesellschaftsdiagnose
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Von Fahrstühlen und Graswurzeln: Orientierungsmetaphern in der soziologischen Zeitdiagnose Daniel Witte 1 Einleitung Die folgenden Überlegungen nehmen ihren Ausgang von drei basalen wissenssoziologischen Annahmen.1 Erstens: Gesellschaftliche Wirklichkeiten werden sprachlich und symbolisch repräsentiert – und hierdurch wesentlich mitkonstituiert (vgl. Berger und Luckmann 1980; Goodman 1969, 1978).2 Zweitens: Diese Repräsentation und Konstitution erfolgt nicht ausschließlich, aber doch in nennenswertem Umfang im Medium der Metaphorik, die damit maßgeblich dazu beiträgt, dass menschliche Akteure sich in der sozialen Welt überhaupt zu orientieren vermögen (vgl. Junge 2010a). Drittens: Sozialwissenschaftliches Wissen muss vergegenständlicht werden (wenn auch nicht ausschließlich, so doch vor allem sprachlich und bildlich); diese Vergegenständlichung durch die vermeintlich ‚externen‘ sozialwissenschaftlichen Beobachter stellt aber bereits einen essenziellen Teil der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeiten dar – und Menschen handeln entsprechend (vgl. Reinecke und Mergel 2012, S. 7 ff.). Vergegenständlichung und Konstruktion sind dabei keineswegs ‚unschuldige‘ Operationen. Vielmehr sind sie immer auch Medium bzw. Ergebnis von Kämpfen um die soziale Ordnung und die „Macht der Repräsentation“ (Barlösius 2005; vgl. Strasser 1987, S. 55; Berger 1988, S. 506 f., 2014, S. 350). Ebenso wenig kann von Für Anregungen und kritische Diskussion sei den TeilnehmerInnen der 2. Tagung des Arbeitskreises „Soziale Metaphorik“ (14.-15. Februar 2014) sehr herzlich gedankt. 2  Zur Rolle speziell der Metapher im Kontext von Goodmans Theorie der ‚Welterzeugung‘ vgl. knapp Stoellger (2010, S. 48 ff.); überdies auch Goodman (1979). 1 

D. Witte () Bonn, Deutschland E-Mail: [email protected] © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 M. Junge (Hrsg.), Metaphern soziologischer Zeitdiagnosen, DOI 10.1007/978-3-658-07080-9_3

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Metaphern behauptet werden, sie seien ‚lediglich‘ harmlose Redeweisen oder ‚nur‘ semantisches Dekor. Vielmehr sind Metaphern vielfach moralisch, ideologisch oder anderweitig übercodiert: Gerade weil sie ‚nicht sagen, was sie meinen‘ und zugleich ‚zuviel meinen‘ (vgl. Junge 2011b, S. 213) schaffen sie „politische Realitäten in den Köpfen der Hörer“ (Lakoff und Wehling 2014, S. 31), die sich dessen in der Regel nicht einmal bewusst sind, was den hier zitierten George Lakoff gar zu der These veranlasst: „Metaphern können töten“ (Lakoff und Wehling 2014, S. 30). Metaphern sind also in diesem Sinne strukturierte und strukturierende semantische Strukturen, die reale Effekte auf die Wahrnehmung, das Denken und das Handeln entfalten,3 zugleich aber auch in genau diesen Modi wiederkehrend reproduziert werden. Insofern kommt die Soziologie gar nicht umhin, sich in metaphorologischer Reflexivität zu üben und regelmäßig zu beobachten, ob und inwieweit sie selbst möglicherweise zur Reproduktion dieser Strukturen beiträgt. Diesem Anfangsverdacht an einem exemplarischen Zusammenhang nachzugehen, ist Gegenstand der folgenden, basalen Überlegungen, die den Stellenwert von Orientierungsmetaphern betreffen, und zwar im Besonderen der vertikalen Raummetaphern des ‚oben‘ und ‚unten‘. Zu diesem Zweck soll zunächst die Bedeutung dieser Metaphern für den Alltagssprachgebrauch (1) und unser ikonographisches Repertoire beleuchtet werden, um sodann anzudeuten, inwieweit auch das soziologische Denken von solchen Orientierungsmetaphern durchzogen ist – und warum dies, so die hier vorgetragene These, möglicherweise für nicht ganz unproblematisch gehalten werden kann (2). Schließlich werden einige ausgewählte soziologische Zeitdiagnosen diskutiert, an denen exemplarisch gezeigt werden soll, inwieweit die bis dahin angestellten Überlegungen auch auf diese Subgattung der soziologischen Literatur zutreffen (3).

2 Orientierungsmetaphern in der normalen Sprache „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ (Genesis 1,1), und bekanntlich lässt sich die gesamte weitere Schöpfungsgeschichte als eine frühe Differenz(ierungs)erzählung lesen (vgl. Luhmann 2009, S.  276). Ihren Ausgang „Metaphern sind nicht nur Elemente der Sprache, sondern des Denkens“ (Lakoff und Johnson 2011, S. 8), und damit auch unmittelbar handlungsrelevant: Unser Konzeptsystem spielt, so Lakoff und Johnson, „bei der Definition unserer Alltagsrealitäten eine zentrale Rolle. Wenn, wie wir annehmen, unser Konzeptsystem zum größten Teil metaphorisch angelegt ist, dann ist unsere Art zu denken, unser Erleben und unser Alltagshandeln weitgehend eine Sache der Metapher“ (Lakoff und Johnson 2011, S. 11, Hervorh. durch Verf.). Oder knapper: „Wir denken, sprechen und handeln in Metaphern“ (Lakoff und Wehling 2014, S. 14). Vgl. zudem Junge (2010a, S. 7, b, S. 267 ff., 273 f., 2011b, S. 213 f.). 3 

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nimmt sie aber von dieser Ur-Unterscheidung, der Scheidung nämlich des Himmels von der Erde, in der zugleich erstmals die Unterscheidung von Oben und Unten eingeführt und Chaos in Kosmos transformiert wird. Überhaupt lässt sich begründet behaupten, dass die Operation des Unterscheidens von fundamentaler Bedeutung für menschliche Praxis schlechthin ist, d.  h. Wahrnehmung, Bewertung, Handeln überhaupt erst ermöglicht (vgl. Zerubavel 1993, S.  1), wobei die dabei getroffenen Unterscheidungen schnell (und empirisch häufig) die Form von Antonymen, Dichotomien und dualen Klassifikationsmustern annehmen (vgl. nur Tarde 1897).4 Dabei scheint es jedoch kein Zufall, dass nach biblischem Verständnis die erste Unterscheidung überhaupt eine räumliche Gliederung relativer Ortsangaben auf einer Vertikalen gewesen sein soll. Unsere gesamte (Lebens-)Welt, unsere Wahrnehmung und unser Denken, unsere Kommunikation und noch unser Handeln sind von einer fundamentalen Geometrie des Oben und Unten durchzogen, ohne die wir gleichsam orientierungslos schienen.5 Einen metaphorologisch weiterführenden Ausgangspunkt liefert an dieser Stelle die so genannte Kognitive Linguistik im Anschluss an Lakoff und Johnson, und hier insb. die einschlägige Studie über Metaphors We Live By von 1980 (dtsch. 2011). Die Metaphorik des Oben und Unten zählt nach Lakoff und Johnson zu den so genannten Orientierungsmetaphern, die ihren Namen ebenjener Tatsache verdanken, dass sie aus der menschlichen Orientierung im Raum abgeleitet sind, in ihrer Verwendung aber gerade nicht hierauf beschränkt bleiben.6 Bereits ein oberflächlicher Blick auf den alltäglichen Sprachgebrauch vermag dabei zu verdeutlichen, wie tief die Unterscheidung ‚oben/unten‘ in unsere Vorstellung der sozialen Welt eingelassen ist: Nicht erst als Soziologen sind wir es gewohnt, Hierzu sind natürlich auch die Durkheim-Schule sowie quasi die gesamte strukturalistische und ethnologische Tradition einschlägig (dazu Schwartz 1981, S. 10 ff.). Vgl. anstelle vieler anderer in diesem Geiste nur Bourdieus klassische Analyse des kabylischen Hauses (Bourdieu 1979, S. 48 ff.). 5  Natürlich wird damit nicht die Bedeutung anderer Klassifikationen wie ‚innen/außen‘ oder ‚links/rechts‘ infrage gestellt. Zu letzterer nur Needham (1973) und insb. den klassischen Beitrag von Hertz (1973) ebenda. 6  Lakoff und Johnson beziehen sich dabei an zentraler Stelle (2011, S. 22) auf eine offenbar nie publizierte Dissertationsschrift von William Nagy. In einer persönlichen Mitteilung an den Verfasser relativiert Nagy allerdings, er habe das Thema zum Zeitpunkt des Verfassens der Dissertation ‚nicht gut verstanden‘ und Lakoff und Johnson seien mit der Erkundung der Metaphorik ‚viel weiter gekommen‘ (E-Mail vom 16. Juli 2013). Vgl. aber – durchaus lesenswert – Nagy (1987). Der Terminus der ‚Orientierungsmetapher‘ ist überdies insofern unglücklich gewählt, als Metaphern generell erst Orientierung in der sozialen Welt erlauben oder (mit-)strukturieren (vgl. Junge 2011a, S. 7 f.). Der Orientierungsbegriff bezeichnet hier also Unterschiedliches. 4 

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die Gesellschaft im vertikalen Aufriss zu denken, mit Bevölkerungsschichten (in einem weiten Sinne), zwischen denen auf der sozialen Leiter Aufstieg aber auch Abstürze möglich sind, in dem man sich hocharbeiten kann oder auch qua Geburt einem hohen oder niedrigen Stand zugehört, und auch wenn dem Hochadel in der Gegenwart keine so große Bedeutung mehr zukommt, so wird doch regelmäßig, häufig mit einer Mischung aus Neid und Misstrauen, von den oberen Zehntausend, den Oberschichten und Upper Classes gesprochen, genauso selbstverständlich wie von den Spitzen der Gesellschaft, seien sie Top-Manager oder Spitzenpolitiker. Wir mokieren uns über solche Zeitgenossen, die in beruflichen oder auch anderen Kontexten nach oben buckeln und nach unten treten, verneigen uns andererseits aber auch vor dem Hohen Gericht, befolgen die Weisungen von Obrigkeiten und jubeln Spitzensportlern zu, wenn sie Riesenleistungen erbringen; oder wir verfolgen das Leben von Prominenten, zu Deutsch: hervor-ragenden, und eben deshalb ja auch besonders gut sichtbaren, in der Hoffnung, dass diese hohen Herrschaften doch dann bitte auch aus der breiten Masse Herausragendes leisten. Dass Gesellschaft in diesem Sinne als Stufenbau gedacht und entsprechend über Gesellschaftliches gesprochen wird, kann als geradezu universeller Tatbestand gelten – es wechseln allenfalls die soziologischen Formeln und Kategorien, in die er gekleidet wird (vgl. bspw. Schwartz 1981, S. 40 ff.; Ossowski 1963, S. 19 ff.). Im engeren Sinne metaphorisch werden diese Koordinaten im Sinne der Kognitiven Linguistik aber freilich erst, wenn sie Konzepte, oder besser: ganze Komplexe und Register von Konzepten entlang des Gegensatzes von oben und unten anordnen. An diesem Punkt beginnt der Gebrauch von Metaphern allerdings bereits, seine ‚nur metaphorische‘ Unschuld zu verlieren:7 Nach Lakoff und Johnson (2011) sind ganz verschiedenartige und scheinbar Unverwandtes bezeichnende metaphorische Konzepte in einem Netz aus wechselseitigen Beziehungen organisiert, wobei der Unterscheidung ‚oben/unten‘ eine Orientierungsfunktion für weite Teile unseres metaphorischen Registers zukommt: ‚Oben‘ ist in diesem Sinne etwa „[g]lücklich sein“, „[w]ach sein“, „[g]esund sein“ (alle ebd.: 23), aber auch alles, was „[m]ehr“ ist (ebd.: 24), ferner auch der „Verstand“, die „Tugend“ und allgemein alles, was als ‚gut‘ gilt (ebd.: 25; vgl. auch Meier und Robinson 2004; Tourangeau et al. 2013). Dagegen ist ‚unten‘ „[t]raurig sein“, das „Schlafen“, „Krankheit und Tod“ (Lakoff und Johnson 2011, S. 23), schlechthin alles, was „[w]eniger“ 7  Wobei sich spätestens seit Blumenberg (1960, 1979, 1981, 1996) von der ‚Unschuld der Metapher‘ nur noch in distanzierenden Anführungszeichen sprechen lässt (dazu v. a. Stoellger 2000). Lüdemann (2004, S. 30 ff.) sieht die ursprüngliche Unterscheidung von Metapher und ‚echtem‘ Begriff (Blumenberg: ‚Mythos‘ vs. ‚Logos‘) wohl zu Recht bereits mit Nietzsche „ins Wanken geraten“ (Lüdemann 2004, S. 31). Zentral in diesem Zusammenhang auch die klassischen Beiträge von Richards (1996) und Black (1996a, b).

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ist (ebd.: 24), ferner das „Gefühl“ als ein dem Verstand entgegengesetztes, aber auch die „Laster“ und allgemein alles Schlechte und Böse (ebd.: 25). Um die Vielfalt und Omnipräsenz dieses konzeptuellen Systems, in dem wir uns ständig bewegen, nur anzudeuten: Man fühlt sich z.  B. ‚beflügelt‘, vielleicht gar auf dem ‚Gipfel der Extase‘ oder aber ‚niedergeschlagen‘; man ‚wacht auf‘ oder ‚gleitet in den Schlaf hinab‘; nach schwerer Krankheit geht es endlich ‚bergauf‘ oder aber man ‚erliegt‘ ihr schlussendlich; Verkaufszahlen ‚steigen‘ oder ‚sinken‘ (auch das ist wohlgemerkt natürlich eine Metapher!), Diskussionen ‚rutschen auf die reine Gefühlsebene ab‘ oder ‚erreichen ein hohes intellektuelles Niveau‘, usw. usf. (vgl. im Wesentlichen ebd.: 22 ff.). Für die hier aufgestellte These ist aber insbesondere eine noch weiter reichende, nämlich die moralisch-ethische Dimension der Orientierungsmetaphern ‚oben‘ und ‚unten‘ von Bedeutung (vgl. auch Brandt und Reyna 2011; Schwartz 36 ff., 79 ff., 86 f.): Man setzt auch ‚hohe Standards‘ und stellt ‚hohe Erwartungen‘ an sich und andere, ist ‚aufrecht‘, wenn man ehrlich ist und sich nicht korrumpieren lässt, was wiederum als ‚niederträchtig‘ gilt, man ‚untergräbt‘ die Vorhaben anderer oder ‚unterwirft‘ sich bestimmten Zwängen, es sei denn, dies ist ‚unter der Würde‘ des betreffenden Akteurs, wobei sich mitunter durchaus schon einmal ‚Abgründe auftun‘ können. Währenddessen wird zu moralisch vorbildlichen Personen erwartungsvoll ‚aufgeschaut‘, und wenn ein bestimmtes Niveau ‚unterschritten‘ wird – etwa weil sich die charakterlichen ‚Tiefschläge‘ häufen und man auch noch ‚niedere Beweggründe‘ vermuten kann –, so spricht manch einer von der ‚untersten Schublade‘. Nach Lakoff und Johnson (2011) sind diese Bedeutungsmuster nun aber gerade nicht arbiträr: Zwischen den verschiedenen Metaphern und Metaphertypen besteht vielmehr ein System der Kohärenz, nach dem nicht nur Gesundheit, Leben und Glück jeweils ‚oben‘ sind, sondern Gesundheit zugleich auch Leben und (ein langes) Leben Glück bedeutet. Diese Kohärenzen, so Lakoff und Johnson, seien aber wiederum kulturell gebunden: So folge beispielsweise aus den metaphorischen Aussagen „Mehr ist oben“ (ebd.: 24) und „Gut ist oben“ (ebd.: 25) zugleich, dass ‚größer‘ auch ‚besser‘ ist (vgl. ebd.: 31) – genau dieser Zusammenhang aber sei historisch und kulturell zunächst einmal kontingent und insofern auf bestimmte gesellschaftliche Figurationen beschränkt: „Die elementarsten Werte einer Kultur sind mit der metaphorischen Struktur der elementarsten Konzepte dieser Kultur kohärent“ (ebd.: 31). An dieser Stelle teilen sich allerdings die Meinungen. Kaum in Frage steht, dass die soziale Welt geradezu aus Unterscheidungen, Grenzziehungen und dem Spiel von Identität und Differenz besteht und die jeweiligen Grenzlinien dabei kulturell differieren können (vgl. Zerubavel 1993, S. 3 f.). Grundsätzlich besteht – bis in die Kognitive Linguistik hinein (vgl. Gibbs und Steen 1999) – eine weitreichende

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Einigkeit auch darüber, dass der Metapherngebrauch und ihr Verständnis kulturell gebunden und in diesem Sinne variabel sind (vgl. Junge 2010b, S.  272  ff.). Deutlich unterschiedlichere Meinungen werden indes in der Frage vertreten, wie weit der kulturelle Partikularismus bei Raumkonzepten und insbesondere ihren fundamentalsten, am weitesten verbreiteten Ausprägungen – der vertikalen Orientierungsmetaphorik – reicht, bzw. inwieweit hier vielleicht doch eher anthropologische Universalien zu vermuten sind. Gerade die Linguistik gibt sich hier erstaunlich ‚kulturalistisch‘: Lakoff und Johnson (2011, S. 33 f.) etwa behaupten ausdrücklich kulturell variierende Systeme der Orientierungsmetaphorik, in denen z. B. auch „Gleichgewicht“ oder „Zentralität“ eine bestimmende Rolle spielen können,8 und auch Majid et al. (2004) oder Haun et al. (2011) gehen eher davon aus, dass die Entwicklung von Raumkonzepten sprachlich gebunden und insofern ebenfalls grundsätzlich kulturell variabel ist. Demgegenüber finden z. B. für Alfred Schütz diese Orientierungen ihren (anthropologischen) Grund wiederum in der Beschaffenheit des menschlichen Körpers, der eben ein Oben und ein Unten besitzt (wie auch freilich ein Vorne und ein Hinten, ein Innen und ein Außen, usf.).9 So heißt es dort mit Blick auf die Konstitution ebenjener Lebenswelt und unter Bezug auf Merleau-Ponty (1945) ausdrücklich: „Mein Körper ist […] nicht ein Gegenstand im Raum, sondern die Bedingung für alle meine Erfahrung der räumlichen Gliederung der Lebenswelt. In jeder Situation wirkt mein Körper als ein Koordinatenzentrum in der Welt, mit einem Oben und Unten, einem Rechts und Links, Hinten und Vorn“ (Schütz und Luckmann 2003, S. 152).10 Ähnlich universalistisch argumentierend gehen etwa Meier et al. (2011, S. 548) davon aus, dass das Aufschauen des Kleinkindes zu den geliebten Eltern ursächlich für die enge Verknüpfung von ‚oben‘ und ‚gut‘ sei, und auch Ginzburg (1976, S. 31 f.) hält die verlängerte Kindheit und ‚Angewiesenheit‘ des Menschen und die damit implizierte, für viele Jahre bestimmende Machtbalance zwischen Kind und Im Wortlaut und differenzierter: „Im allgemeinen scheinen sich die Hauptorientierungen oben-unten, innen-außen, zentral-peripher, aktiv-passiv usw. quer durch alle Kulturen zu ziehen; welche Konzepte aber welche Orientierung haben und welche Orientierungen dabei am wichtigsten sind, schwankt von Kultur zu Kultur“ (Lakoff und Johnson 2011, S. 34). Bei Lakoff und Wehling (2014, S. 25) ist sogar vom ‚kulturellen Gehirn‘ die Rede. 9  Wobei klar ist, dass die Kategorien (und Unterscheidungen) des ‚oben‘, ‚unten‘, ‚vorne‘, ‚hinten‘ usw. noch einmal auf einer anderen Ebene anzusiedeln sind. Hier geht es zunächst um nicht mehr als die räumliche Form und Ausdehnung des menschlichen Körpers, der die Wahrnehmung der ihn umgebenden Welt insofern vorstrukturiert (und, wie Schütz betont, nicht etwa umgekehrt). 10  Barlösius (2005, S. 161) stellt einen ganz ähnlichen Zusammenhang für die Soziologie des Raumes und die Soziologie der Sinne bei Simmel (1992, S. 687 ff. bzw. 722 ff.) fest. 8 

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Erwachsenen mit Blick auf die Verbreitung der Opposition ‚hoch‘ und ‚niedrig‘ für ausschlaggebend. Schließlich begründet auch Barry Schwartz in seiner für die hier diskutierten Fragen bahnbrechenden Arbeit über Vertical Classification (1981) die empirische Universalität des Orientierungsduals ‚oben/unten‘ mit dem Verhältnis des Kleinkindes zu seinen Eltern. Das dort vorgetragene Argument ist allerdings mit Abstand das überzeugendste: Die oben bereits angeklungene Übercodierung der Orientierungsmetaphorik spiegelt die gleichfalls übercodierte Beziehung des Kindes zu Mutter und Vater, in denen positive Emotionen, moralische Autorität, kognitive Überlegenheit, physische Stärke, Körpergröße und ‚Positionsmacht‘ in eins fallen. Das fait total der Orientierungsmetapher ‚oben/unten‘, so ließe sich im Anschluss an Schwartz (1981, S. 5, bzw. Mauss 1990) formulieren, folgt aus dem Charakter der relation totale zwischen Kind und Eltern. Doch dieser Mechanismus wird nur dann wirksam, wenn die Beziehung bereits als Ungleichheitsbeziehung angelegt ist; wo dies (in seltenen Fällen) nicht der Fall ist, kann auch das zugrunde liegende metaphorische Muster nicht etabliert werden (vgl. Schwartz 1981, S. 107 ff.). Zudem liegt seine Bedeutung in der Präfiguration einer Wahrnehmungsmatrix für weitere Erfahrungen (vgl. Schwartz 1981, S. 133 f.): Das Verhältnis des Kindes zu den Eltern bildet also nur einen besonders verbreiteten und archetypischen Sonderfall von sozialer Ungleichheit, womit Schwartz zu seiner eigentlichen These gelangt: Die Orientierungsmetaphorik des ‚Oben-und-unten‘ ist ganz allgemein das Ergebnis internalisierter Erfahrungen von Ungleichheit und Beherrschtheit;11 ihre Verbreitung korreliert entsprechend mit dem Ausmaß, in dem Gesellschaften stratifikatorisch organisiert sind.12 Wirklich problematisch wird all dies aber freilich erst, wenn die so generierten Muster der Wahrnehmung, des Denkens und Handelns und der Bewertung auf Makrophänomene übertragen werden: Wenn Glück, Gesundheit und das Leben, der Verstand, die Tugend und das Gute schlechthin ‚oben‘ sind, und wenn zudem das System metaphorischer Konzepte unserer Sprache weitreichende Kohärenzen zwischen den jeweiligen metaphorischen Teilsystemen erzeugt, so erscheint die naive, oder besser: ausschließlich metaphorische Vorstellung einer Gesellschaft, in der zugleich auch Macht, Reichtum und Status ‚oben‘ sind, zunehmend problematisch (zur Assoziation von ‚Macht‘ und ‚Größe‘ auch Schubert et al. 2009). Am 11  Genau vor diesem Hintergrund werden auch die Rede von ‚Vater Staat‘ und eine Vielzahl entsprechender Bilder des Politischen deutbar; vgl. hierzu noch einmal Schwartz (1981, S. 101 ff., 134, 136 f.), andererseits aber auch Lakoff und Wehling (2014, S. 32 ff., 40 ff.). Zur Inkorporierungsthese auch Lakoff (1987, S. 12 ff., 338 ff.). 12  Nur am Rande sei bemerkt, dass Parsons (1964) neben anderen (und an erster Stelle) ‚soziale Schichtung‘ als evolutionäre Universalie führt – aber freilich ist schon die zugrunde liegende Denkweise universalienverdächtig.

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oberen Ende der Karriereleiter verspricht diese Kosmologie nicht nur Ruhm und Geld, sondern auch Glück und tugendhafte Erhabenheit, und so verschwimmen dann beispielsweise im Begriff der Souveränität folgerichtig auch Macht, Moral und Prominenz. Wie Carlo Ginzburg (1976, S. 32 ff.) herausstellt, ist die Verknüpfung der drei Sphären von Natur/Kosmos, Gott/Religion und Macht/Politik in der Orientierungsmetapher des ‚Oben‘ von so genuin ideologischem Charakter, dass sie über Jahrhunderte von Geheimnissen, Berührungsverboten und Tabuisierungen geschützt wurde, um die bestehende soziale und politische Ordnung aufrechtzuerhalten (vgl. auch Hegy 1974, S. 331 ff.). Wenn also mit Metaphern des ‚oben‘ und ‚unten‘ ethische Wertmaßstäbe genauso aufgerufen werden wie die Unterscheidung von Ratio und Emotion, die üblicherweise (und insofern keineswegs zufällig) auch den Menschen als solchen vom Tiere (d. h. insb. den so genannten ‚niederen Arten‘) unterscheidet, dann wird jene sprachliche Praxis unmittelbar verdächtig, die Personen oder Gruppen von Akteuren (z. B. qua Kapitalbesitz) diesen Polen zuordnet. Ökonomische Merkmale, politische Kategorien und Werturteile verlieren an diesem Punkt ihre Trennschärfe; aus vermeintlich neutralen Kategorien und Klassifizierungen werden wertbeladene und praktisch wirksame Klassifikationen (vgl. Barlösius 2005, S. 95 ff.; Berger 2014, S. 358 ff.).13 Problematisch ist hier also nicht einmal so sehr die Ambiguität und Polysemie der Metaphorik von ‚oben‘ und ‚unten‘, sondern erst deren wechselseitige Verkettung und Verdichtung, die ‚Einheit ihrer Vielstimmigkeit‘ (vgl. Schwartz 1981, S. 35, 41 ff., 74 f.), die vielleicht von einem metaphorischen Paradigma zu sprechen erlaubt.

3 Bildwelten und Welt-Bilder: Symbolische Repräsentationen von Vertikalität Auch an symbolisch-piktoralen Repräsentationen des in diesem Sinne ‚hierarchischen‘ Weltbildes mangelt es kaum; vielmehr kennt die okzidentale Bildwelt eine Fülle von Darstellungen, in denen diese Kosmologie aufgegriffen und für eigene Zwecke mobilisiert wird. Schon ein flüchtiger Blick in die Kunstgeschichte ist hier instruktiv: Von mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Ständebildern (etwa der berühmten Augsburger Ständetreppe von Gerhard Altenbach, 1616) über die nicht weniger bekannten Pyramids of Capitalist System (1900/1911) (vgl. Krieger 2008, S.  1099) bis hin zu zeitgenössischen Grafiken lässt sich eine regelrechte 13  In diesem Sinne impliziert „Repräsentationsarbeit“ (Barlösius 2004, S.  175  ff., 2005, S. 169) nämlich immer auch „Klassifikationsarbeit“ (Berger 1988, S. 511). Das vorliegende Thema ist damit zugleich eingestellt in den von Castoriadis (1990) beschriebenen Zusammenhang der Mengen- und Identitätslogik der Moderne.

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Ikonographie des ‚Oben-und-unten‘ studieren, in der sich trotz Wandel der zugrunde liegenden ‚sozialstrukturellen‘ Modelle eine verblüffende Kontinuität offenbart. Auch Himmel und Hölle haben freilich ihren festen Ort in dieser Einteilung der Welt, etwa im Mittelteil von Hieronymus Boschs Jüngstem Gericht (ca. 1455–1516); und von oben geht nicht nur Gottes Segen, sondern natürlich auch geistige und religiöse Erleuchtung auf die Menschen ‚nieder‘, wie die klassischen Darstellungen der Auferstehung Christi eindrücklich demonstrieren – so etwa bei Giovanni Bellini (1475–1479) oder Garofalo (1520) –, die parallel zur Einteilung des Bildes in oben und unten sehr gezielt mit dem Wechselspiel von Licht und Dunkel arbeiten. In diese Bildwelt fügt sich auch die Visualisierung des Heiligen Geistes als Taube ein, wie man sie prominent etwa an Tizians Ausgießung des heiligen Geistes (1543–1544) oder an Berninis Cathedra Petri (1657–1666) im Petersdom studieren kann – ‚alles Gute‘, so weiß schon der Volksmund, kommt eben ‚von oben‘, was sakrale Erleuchtung ebenso einschließt wie profane Erkenntnis.14 Schließlich wird auch weltliche Herrschaft typischerweise zentral und oben im Bild inszeniert – entweder am Bildrand, oder nur noch von der Himmelssphäre von diesem getrennt – wobei das Frontispiz von Hobbes‘ Leviathan (1651) die wohl berühmteste Darstellung liefert (dazu unübertroffen Bredekamp 2012). Aber auch in der glorifizierenden Sonnenikonographie, die unter Ludwig XIV. nur ihren bekanntesten Ausdruck fand (vgl. Polleross 1987; Ziegler 2011), fallen die Repräsentation von Macht, theomorphe Anmaßung und vertikale Orientierung in eins.15 Dies regt wiederum zum Nachdenken über die Architektur der Moderne an: Die psychoanalytisch inspirierte Deutung von Wolkenkratzern ist hinreichend bekannt (vgl. nur Kuhlmann 2014, S. 67 ff.), aber wenn die ‚Chefetagen‘ der Banken geradezu in den Himmel wachsen – also auf Distanz gehen (nicht nur) zum niederen, ordinären Alltagsleben der ‚Straße‘ –, so drückt sich darin wohl nicht nur Macht und Stärke aus, sondern vielleicht auch der Wunsch nach Gottesnähe und einer utilitaristisch umgedeuteten Tugend, womit dem Substitutionsverhältnis von ‚Gott‘ und ‚Geld‘, wie es spätestens seit Simmel (1989, S. 292–337) und Benjamin (1991) thematisch ist (vgl. auch Baecker 2003), ein weiteres Argument zugeführt würde. Soweit hier von Weltbildern in einem umfassenden Sinne die Rede ist, muss schließlich auch ein besonderer Typus von Welt-Bildern Erwähnung finden: Auch 14  Platons Höhlengleichnis beispielsweise ist parallel zur Differenz hell/dunkel vollständig durch die Unterscheidung oben/unten strukturiert (vgl. nur Platon 2004, S. 273, 277). 15  Das Hobbes’sche Frontispiz ist u. a. genau deshalb von Interesse, weil es der Bildsprache des göttlich legitimierten Absolutismus eine „Herrschaft ohne Himmel“ (Bredekamp 2012, S. 114) entgegenstellt, in der das ‚Oben‘ gleichsam genau diese Leerstelle markiert.

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wenn die Geschichte der Kartographie bis in prähistorische Zeiten zurückreicht, hat sich die ‚moderne‘, uns vertraute Weltkarte mit Nordausrichtung erst ab dem späten 16. Jahrhundert mit der Mercator-Projektion sowie dem ersten modernen Atlas (dem Theatrum Orbis Terrarum des Abraham Ortelius, 1570) begonnen durchzusetzen (vgl. Snyder 2007; Monmonier 2004). Dabei muss vergegenwärtigt werden, dass zwischen Himmelsrichtungen und Vertikalität kein Zusammenhang besteht – und dass also diese Ausrichtung von Karten, bei der Norden oben liegt, reine ‚Konvention‘ und im Grunde vollständig arbiträr ist (vgl. Klinghoffer 2006, S. 21 f.). So kennt die Geschichte dann auch zahlreiche Beispiele für andere Orientierungen, etwa die berühmte nach Süden ausgerichtete sog. Tabula Rogeriana von Al-Idrisi (1154, vgl. Ahmad 1992) oder zahlreiche mittelalterliche Karten, die (etymologisch tautologisch!) nach Osten orientiert sind und Jerusalem im Zentrum positionieren (sog. T-O-Karten, vgl. nur Kliege 1991). Zugleich konnte sich mit der Qibla-Kartographie in der Arabisch-Islamischen Welt über viele Jahrhunderte eine Darstellungslogik durchsetzen, in der die bekannte Welt um das Zentrum Mekka herum gruppiert war (vgl. King und Lorch 1992; King 1999, S. 47–127). Aber freilich heißt ‚arbiträr‘ hier keineswegs zufällig oder grundlos: Der intime Zusammenhang von Kartographie, Geopolitik und Herrschaftsstrukturen ist umfassend belegt (vgl. Harley 1988; Klinghoffer 2006; Schneider 2006; Akerman 2009), und es steht kaum in Frage, dass ‚Weltkarten‘ zugleich auch ‚mental maps‘ darstellen, die neben dem geographischen Raum auch die Vorstellungswelt einer bestimmten sozialen Figuration und Epoche repräsentieren und somit auf jeweils dominante Deutungsmuster verweisen. Ebenso wenig besteht Zweifel daran, dass die Nordausrichtung von Landkarten im Allgemeinen wie auch die Position Europas im nördlichen Zentrum der vertrauten Weltkarte im Besonderen als historische Produkte der Durchsetzung einer spezifischen epistemischen Ordnung zu verstehen sind.16 Insofern überrascht es auch nicht, wenn etwa ‚Himmelsrichtungen‘ und das Einnorden von Landkarten im Kontext europäischer Gründungsmythen und ‚Erinnerungsorte‘ diskutiert werden (vgl. Kreis 2012). Die Logik des ‚Oben = Macht‘ und des ‚Oben = gut‘ (und damit eben auch: des ‚Oben = Macht = gut‘) findet hier auf anschaulichste Weise Niederschlag;17 sie wird im Übrigen gestützt Vor diesem Hintergrund wird auch die subversive Kraft so genannter ‚south-up‘ oder ‚upside down maps‘ ersichtlich. Die wohl berühmteste Darstellung dieser Art, die Universal Corrective Map of the World des Australiers Stuart McArthur von 1979, ist nicht zuletzt auch wegen ihrer ironischen Erläuterung instruktiv (siehe http://www.odt.org/southupmaps.htm; letzter Zugriff: 19.01.2015). 17  Nur am Rande sei daran erinnert, dass die englische Umgangssprache die Formulierung ‚north of‘ auch im Sinne von ‚mehr als‘ verwendet (z. B. ‚somewhere north of 10.000 $‘). 16 

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durch sozialpsychologische Studien, die die Effekte von (vertikalen) Metaphern auf Wahrnehmung, Emotionen und Entscheidungsverhalten belegen (vgl. Meier und Robinson 2004; Landau et  al. 2010). Dabei kann ferner nicht nur gezeigt werden, dass Akteure regelmäßig die Himmelsrichtungen Norden und Süden mit vertikalen Kategorien wie ‚oben‘ und ‚unten‘ assoziieren (vgl. Carreiras und Gärling 1990; Nelson und Simmons 2009), sondern auch die affektiv wirksame Dimension des Zusammenhangs lässt sich experimentell belegen und etwa am Beispiel eines ‚Nord-Süd-Bias‘ bei der innerstädtischen Wohnungssuche illustrieren (vgl. Meier et al. 2011). Hinsichtlich der allgemeinen Bedeutung kultureller Repräsentationen auch und gerade für die politische Sphäre und die Stabilität sozialer Strukturen muss wohl nicht mehr viel hinzugefügt werden. „In hochkulturellen Gesellschaften“, so Habermas (1995, S.  89), „haben Weltbilder unter anderem die Funktion der Herrschaftslegitimation.“ Die ‚ontologische Komplizenschaft‘18 von Herrschaft und Repräsentation lässt sich aber auch umkehren und damit weiter zuspitzen: Unsere Bilder der Welt ahmen dann nicht diese ohnehin immer schon vorhandene Welt nach, sondern umgekehrt ist es die soziale und politische Wirklichkeit, die unseren Bildern von ihr folgt. „Gesellschaftliche Organisation“ erscheint dann als „praktisch gewordene Metaphorik“ (Koschorke et al. 2007, S. 57; Hervorh. im Orig.).19 Von der Kartographie führt, vielleicht nicht bloß metaphorisch, der Weg in die Soziologie und zur Kartographierung der Gesellschaft. Dort zeigt sich die Macht der Oben/Unten-Metaphorik freilich am deutlichsten im Bereich der Sozialstrukturanalyse. Die hier mehr oder weniger methodisch kontrolliert produzierten Bilder der Gesellschaft – mit den Worten von Eva Barlösius (2005, S.  12): „wissenschaftsgenerierten Repräsentationen sozialer Ungleichheit“ – sind ebenso wenig ‚neutrale‘ Abbildungen einer hiervon vermeintlich unabhängigen ‚Realität‘. Vielmehr beinhalten diese Repräsentationen stets explizit oder implizit „Stellungnahmen darüber, wie die Ungleichheitsverhältnisse zu bewerten sind“, also „immer auch eine Beurteilung dessen, was sie darstellen“ (Barlösius 2005).20 18  Diese Formulierung bei Bourdieu (1985, S. 75), dort aber bezogen auf die Abgestimmtheit von Habitus und Feld. 19  Seit Black (1996a, b, S.  404  ff.) stellt dies unter dem Stichwort der ‚Kreativität‘ von Metaphern eine zentrale Annahme dar. Von einem Primat der Metapher – gegenüber der postulierten einseitigen Vorgängigkeit sozialer Strukturen bei Durkheim (1994, 1996) bzw. Durkheim und Mauss (1987) – geht auch Junge (2010b, S. 267 ff.) aus. Lüdemann (2004, S. 28, 30 ff.) spricht auch von der ‚Performanz von Metaphern‘. 20  Eine in diesem Sinne wissenssoziologisch aufgeklärte Soziologie sozialer Ungleichheit (vgl. Berger 1988, 2014; komparativ auch Schultheis et al. 1996) kommt also nicht umhin,

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Besonders prominent sind hier sicherlich die klassischen Schichtungsmodelle der 1960er-Jahre, die im ‚Dahrendorf-Haus‘ und der ‚Bolte-Zwiebel‘ zu hoher Anschaulichkeit – und damit auch, wohl intendiert: einem enormen Diffusionsgrad – gefunden haben (vgl. Berger 2014, S. 351 ff., 362 ff.). Damit zählen sie vermutlich zu den deutungsmächtigsten Bildern des Sozialen überhaupt;21 sie sind dabei gleichermaßen Ergebnis wie auch Grundlage ganz spezifischer, topographischer Vorstellungen von Gesellschaft (vgl. Barlösius 2005, S. 69 ff.).22 Aber auch neuere Sozialstrukturmodelle operieren wie selbstverständlich mit Visualisierungen, die die Gesellschaft in ‚Oben‘ und ‚Unten‘ einteilen, selbst wenn ihr Anliegen gerade die Überwindung dieser letztlich monovariablen Darstellungen ist: Dies gilt etwa für die Milieus des Sinus-Institutes, die ‚vertikal‘ noch immer an der Einteilung in Ober-, Mittel- und Unterschicht festhalten, und es gilt ebenso für Bourdieus (1987) sozialen Raum, der vertikal entlang der Achse ‚Kapitalbesitz‘ von ‚viel‘ nach ‚wenig‘ aufgespannt wird – wie könnte es anders sein: von oben nach unten – und der so auch noch Praktiken und Lebensstile geometrisch zu verorten erlaubt. Dieser Fall ist insofern von besonderem Interesse, als die sogenannten ‚hochkulturellen‘ Praktiken von Bourdieu ja gerade in ihrer Arbitrarität entlarvt werden sollen; beachtlich ist dabei ferner auch, dass die Ergebnisplots der zugrunde liegenden Korrespondenzanalyse häufig erst einmal von Hand rotiert werden müssen, um der ‚richtigen‘ metaphorischen Logik des ‚Oben-und-Unten‘ überhaupt zu entsprechen. Für den Fall Bourdieu wird dies noch einmal erstaunlicher, wenn man sich die empirisch ausgearbeiteten Studien zu einzelnen Feldern ansieht, die graphisch in der gleichen Weise aufbereitet sind, auch wenn die dahinter stehende Operation des ‚Einnordens‘ der Darstellungen dort noch willkürlicher erscheint: so etwa der ‚Raum der Fakultäten‘ im Homo academicus (Bourdieu 1992b, S. 114 f.) oder die Darstellungen des ‚Felds der Hochschuleinrichtungen‘ sowie des ‚Raums der Unternehmensvorstände‘ im Staatsadel (Bourdieu 2004, S. 325, 364 ff.), wobei letzterer vertikal entlang einer ‚Anciennitäts‘-Dimension strukturiert ist.

immer auch mitzureflektieren, in welcher Weise Repräsentationen von Ungleichheit wirklichkeitswirksam sind – und ggf. sogar an der Reproduktion von sozialer Ungleichheit mitbeteiligt (vgl. nochmals Barlösius 2005, S. 13 ff., 30 ff., 92 f.). 21  Zum Konzept der ‚Deutungsmacht‘ vgl. nur Stoellger (2014) und Berger (2014). Felix Keller (2012) deutet die ‚Bilder des Sozialen‘ als Grenzkommunikation der Soziologie in ihre Außenbereiche hinein – diagnostiziert aber gleichzeitig einen soziologischen ‚Ikonoklasmus‘ im Inneren. 22  Es handelt sich hierbei also erneut – und in genauer Parallele zur Funktionsweise der Metapher – um strukturierte und strukturierende mentale Strukturmodelle im Sinne Bourdieus. Berger (2014, S. 363 f.) lässt ‚Dahrendorf-Haus‘ und ‚Bolte-Zwiebel‘ sogar explizit als Metaphern gelten. Im Übrigen begegnen sich beide Formen in ihrer sinnlichen Anschaulichkeit.

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Aber auch über diese klassischen Modelle hinaus ist das soziologische Denken gesättigt von Orientierungsmetaphern im hier verstandenen Sinne. Als besonders prominentes Beispiel mag Simmels (1992, S.  160  ff.) Vorschlag zur Konzeptualisierung von Macht und Herrschaft dienen, die den insofern geradezu plakativen Titel einer Soziologie der Über- und Unterordnung trägt. Interessant scheint aber auch die Figur des ‚trickle-down‘, wie sie – wenigstens der Idee nach – auch schon bei einer Vielzahl von Protosoziologen wie Adam Smith oder von Jhering zu finden ist und etwa durch Bourdieu (1987) lebensstiltheoretisch, durch Giddens (1984, S. 95, 1995, S. 26 f.) wissenssoziologisch prominent gemacht wurde: Die Figur nämlich eines ‚Durchsickerns‘ von Praktiken, Moden oder auch Wissenselementen ‚von oben‘ (nämlich ihrem Quell in den ‚oberen‘ Gesellschaftsregionen) in die ‚Niederungen‘ des gemeinen Volkes ‚hinab‘, was – und genau dies ist hier der entscheidende Punkt – regelmäßig mit Prozessen der Entwertung zusammen gedacht wird: Aus Haute Couture werden primitive Imitate, Hoch-Kultur wird banalisiert und wissenschaftliches Wissen trivialisiert, wenn es einmal auf ein schlichteres Niveau ‚heruntergebrochen‘ und sodann aus dem Elfenbeinturm nach unten, in die Gassen und auf die Marktplätze gelangt ist. Ebenso formuliert Zygmunt Bauman in diesem Zusammenhang mit der ihm eigenen Sprachgewalt, dass die Bilder des Lebensstils der Reichen und Schönen „medial gefiltert durch die Kanäle des elektronischen Synoptikums [sickern], bis in die Regionen der Armut, wo sie schließlich als Karikatur oder monströse Mutanten ankommen“ (Bauman 2003, S. 107). Ein anderes Beispiel liefert die Kriminalsoziologie, die eine ganze Familie von Erklärungsansätzen kennt, die unter dem Dach der Subkulturforschung firmieren (vgl. nur Lamnek 2001, S.  142  ff.).23 (Nicht nur) bei Studierenden lässt sich regelmäßig und verlässlich Erstaunen, fast schon Empörung provozieren, wenn nur die Frage aufgeworfen wird, ob nicht auch Investmentbanker oder die Münchner Schickeria als ‚Subkulturen‘ verstanden werden können, mit eigenen Ritualen, Symbolen, Hierarchien, einem eigenen Ethos usf. Auch wenn dies zu interessanten Diskussionen und letztlich auch Zustimmung führen mag: Die anfängliche Irritation zeigt gleichwohl, wie eng der (ohnehin ja schon zweifelhafte) Begriff der Subkultur mit Bildern vom ‚Bodensatz‘ der Gesellschaft verknüpft ist, mit italienischen Jugendbanden im Chicago der 1930er-Jahre, mit Kriminalität, Drogenkarrieren und Bahnhofsvorplätzen. Die Verschmelzung sozialstruktureller und wertmäßiger Implikationen der Orientierungsmetaphern ‚oben‘ und ‚unten‘ tritt hier ebenfalls deutlich zu Tage. Auch wenn mittlerweile eher von ‚Gegenkulturen‘ oder (je nach Kontext) von ‚Jugendkulturen‘ die Rede ist.

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4 Orientierungsmetaphern in der soziologischen Zeitdiagnose Im Folgenden soll nun mit zeit- und gegenwartsdiagnostischen Texten eine spezifische Gattung soziologischer Literatur hinsichtlich der Verwendung von Orientierungsmetaphern in den Blick genommen werden. Dabei wurden in exemplarischer Absicht vier sehr unterschiedliche Zeitdiagnosen ausgewählt, wobei damit keine Systematik, d. h. auch keine Typologie von Diagnosen o. ä. anvisiert wird. Vielmehr geht es bei diesem Versuch darum, zu zeigen, dass ganz verschiedenartige Beschreibungen der modernen Gesellschaft von Orientierungsmetaphern durchdrungen sind – auch wenn dies in ganz unterschiedlicher Form und möglicherweise auch unterschiedlichem Umfang der Fall sein mag. a. Ulrich Becks Risikogesellschaft Am deutlichsten von der Orientierungsmetaphorik ‚kontaminiert‘ scheinen jene Zeit- und Gesellschaftsdiagnosen, die unmittelbar an sozialstrukturelle bzw. sozialstrukturanalytische Kategorien und Bilder anknüpfen, etwa weil das in den Mittelpunkt gerückte Kennzeichen moderner Gesellschaft in diesem Bereich ausgemacht wird. Ein anschauliches Beispiel hierfür liefert Becks Risikogesellschaft von 1986. Zunächst scheint die Diagnose Becks eher auf die Sach- und Zeitdimension abzuzielen – das „Thema dieses Buches ist die unscheinbare Vorsilbe ‚post‘“ (Beck 1986, S. 12), heißt es zu Beginn des Vorwortes, doch wird der Diskurs um die Zweite Moderne bereits nach wenigen Zeilen ins Räumliche verfrachtet: Die Postmoderne verweise „auf ein Darüberhinaus“, dass sie gleichwohl „nicht benennen kann“ (ebd.), weshalb es neuer Begrifflichkeiten bedürfe, die im harten Ringen gegen die alten, „mit ‚post‘ über sich selbst hinausverlängerten Theorien“ (ebd.) erstritten werden müssten, um die „Schwerkraft des alten Denkens“ (ebd.) zu überwinden (alle Hervorh. durch Verf.). Den Blick verstellt dabei die falsche aber verbreitete Annahme, dass die klassische Industriegesellschaft bereits den „Gipfelpunkt der Moderne“ darstelle, „über den ein Hinaus sinnvollerweise gar nicht erst in Erwägung gezogen werden“ könne (ebd.: 15, Hervorh. durch Verf.). Dringender als je zuvor bedürfe es angesichts des „Zerfall[s] der alten“ Begriffe (ebd.: 16, Hervorh. durch Verf.) daher neuer Konzepte, die sowohl gute „Beziehungen zu den ungehobenen Schatzkammern der Tradition“ unterhalten als auch erlauben, „das uns überrollende Neue neu [zu] denken“, nachdem die Welt des 19. Jahrhunderts nun bereits „mehrfach zugrunde gegangen“ und untergegangen ist, und „eigentlich schon begraben“ wurde, „bevor sie so recht geboren“ war (alle ebd., alle Hervorh. durch Verf.).

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Man mag dies für eine reine façon de parler halten und damit in systematischer Hinsicht für letztlich irrelevant; und doch vermag die Tatsache, dass Becks im engeren, eigentlichen Sinne zeitlich gemeinte Beschreibung regelrecht getränkt ist mit Raum- und Orientierungsmetaphern, gerade angesichts seiner berühmt-berüchtigten Rhetorik zum Nachdenken anregen. Für das hier vorgetragene Argument ist aber vor allem ein anderer Ausschnitt aus Becks Zeitdiagnose von Bedeutung, die bekanntlich wesentlich von der zuerst 1983 in Jenseits von Stand und Klasse ausformulierten Individualisierungsthese (Beck 1983) getragen wird. Diese basiert wiederum auf dem Postulat des berühmten „Fahrstuhl-Effekt[s]“ (Beck 1986, S.  122, im Orig. kurs.), einer „Besonderheit der sozialstrukturellen Entwicklung in der Bundesrepublik“, derzufolge die Klassengesellschaft als Ganze „insgesamt eine Etage höher gefahren“ werde (Hervorh. weggel.), was – so der emanzipatorische Hintergedanke – bekanntlich „das Hierarchiemodell sozialer Klassen und Schichten“ unterlaufe und in Frage stelle (alle Beck 1986; vgl. hierzu kontextualisierend Volkmann 2007, S. 33 ff.; ferner auch – metaphorologisch sensibel – Schnierer 1996). Auch in den weiteren, an das Fahrstuhlbild anschließenden Ausführungen wird dabei durchgehend von Raummetaphern Gebrauch gemacht: In Frage steht eine globale „Niveauverschiebung“ die zu einer „Anhebung der Lebensstandards“ (beide ebd.) geführt habe, „wobei der größte Sprung in die Zeit nach 1950 fiel“ und die Arbeiterschaft v. a. in den 1960er-Jahren das „Joch“ (beide ebd.: 123) ­abschütteln konnte, das bis dahin ihr Leben bestimmt hatte – um sich sodann „[m]it einem kräftigen historischen Ruck“ aus „traditionalen Klassenbindungen heraus[zu]lös[en]“ (ebd.: 123  f.). Hieraus muss dann aber auch eine Fundamentalkritik der soziologischen Begriffe von Klasse und Schicht resultieren, und in der Tat ist der Schichtbegriff für Beck nicht mehr als eine „Wabbelmasse mit operationaler Superausstattung“ (ebd.: 141), letztlich ungeeignet, die eigentliche Tendenz der bundesdeutschen Gesellschaft adäquat zu erfassen: Den in der „Konstanz der Relationen sozialer Ungleichheit und Verschiebungen im Niveau“ zugleich bestehenden Fahrstuhleffekt (ebd.: 141 f., Hervorh. weggel.). Angesichts dieses terminologischen Radikalvorhabens, das ja mit der Überwindung von Schichtbegriffen einen Zweck verfolgt, der mit der hier vorgetragenen Problematisierung von Orientierungsmetaphern in der Beschreibung von Gesellschaft eigentlich harmonieren sollte, stellt sich aber doch die simple Frage, wohin eigentlich Becks Aufzug fährt (ganz abgesehen einmal von Butterwegges Paternoster-Einwand24). Das alles überlagernde Argument der Risikogesellschaft aber

24  „In demselben Maße, wie die einen nach oben gelangen, geht es für die anderen nach unten. Mehr denn je existiert im Zeichen der Globalisierung bzw. der neoliberalen Modernisierung ein soziales Auf und Ab […]“ (Butterwegge 2012, S. 141, Hervorh. durch Verf.).

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ist vor diesem Hintergrund noch einmal von besonderem Interesse: Sicher seien viele Risiken in gewisser Weise schicht- oder klassenspezifisch verteilt, sodass man den Eindruck gewinnen könne, dass Risiken die Strukturen der Klassengesellschaft verstärken anstatt sie aufzuheben: „Reichtümer sammeln sich oben, Risiken unten“ (Beck 1986, S. 46), lautete dann die Diagnose. Aber Becks Pointe ist bekanntlich eine andere, die Raumnahme der Risiken folgt einer anderen Logik, und so lautet die Quintessenz, auf eine handliche Formel gebracht: „Not ist hierarchisch, Smog ist demokratisch“ (Beck 1986, S.  48, Hervorh. im Orig.). Die Risikogesellschaft, so kann mit Blick auf diesen Schlüsselsatz resümiert werden, löst sich also substanziell von Verteilungslogiken des Oben und Unten, ohne dabei aber selbst terminologisch aus dieser Logik ausscheren zu können. b. Hartmut Rosas Beschleunigungsdiagnose Eine gänzlich andere Ausgangslage bietet sich im Fall von Diagnosen, die weniger explizit an sozialstrukturelle Variablen anknüpfen. Hartmut Rosas Beschleunigungsdiagnose ist fraglos kritisch angelegt und macht aus ihren theoretischen Orientierungspunkten bei den soziologischen Klassikern keinen Hehl, ihre Kernargumente sind aber – angesichts des Titels ist dies fast schon eine Banalität – auf der Zeitdimension angesiedelt, weniger auf der Sach- und schon gar nicht primär auf der Sozialdimension. Die Effekte des Akzelerationszirkels (vgl. Rosa 2005, S.  243  ff.) mögen mehr oder minder ungleich verteilt sein, aber dies ist nicht ­Rosas vorrangiger Punkt. Als umfassend angelegte Gegenwartsdiagnose trifft die ­Beschleunigung jeden, von radikalen Entschleunigungskünstlern wie Dropouts und Ökobauern sowie zwangsentschleunigten Modernisierungsverlierern einmal abgesehen (vgl. Rosa 2005, S. 59, 143, 146 ff.). Und doch: Die Beschleunigungsthese wird flankiert von und ergänzt um eine Theorie der Weltbeziehungen, und an diesem Punkt verlagert sich die Perspektive in bemerkenswerter Weise. Rosas Akteure befinden sich zeitlich im spätmodernen Modus des ‚rasenden Stillstands‘ (Rosa 2005, S. 460 ff., im Anschluss an Virilio), aber räumlich befinden sie sich zugleich auf ‚slippery slopes‘ (ebd.: 190), womit Rosa zum Ausdruck bringen will, dass das Daseinsgefühl der Gegenwart „durch die Wahrnehmung gekennzeichnet ist, gleichsam in allen Lebensbereichen auf einem rutschigen Abhang oder auf ‚Rolltreppen nach unten‘ zu stehen“ (ebd., Hervorh. im Orig.), wobei ihm „inzwischen die Metapher rutschender Abhänge“, also von ‚slipping slopes‘ „besser geeignet zu sein [scheine], die spätmoderne Befindlichkeit zu interpretieren: Die Akteure ­operieren unter Bedingungen permanenten multidimensionalen Wandels, die Stillstehen durch Nicht-Handeln oder Nicht-Entscheiden ­unmöglich machen“ (ebd., Hervorh. weggel.). Ausgangs- und Fluchtpunkt der ­gesamten Diagnose ist die Zeit, und doch steht im Hintergrund offenbar die altbekannte Gefahr des ­sozialen Absturzes, oder eines Abtransportes gen Untergeschoss auf einer Roll-

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treppe, die selbst noch in einer Bewegung des Abrutschens begriffen ist (also wohlgemerkt keines Hamsterrades, das demgegenüber geradezu Geborgenheit ausstrahlt): „Wie bei einem Erdrutsch ändern sich dabei nicht alle (Boden-)Schichten im ­gleichen Tempo […], und es bilden sich immer wieder einzelne ‚Entschleunigungsoasen‘, die, wie stabile Felsstücke in einem Erdrutsch, limitierte Stabilität […] versprechen“ (ebd.: 191). Wer nicht das Tempo anzieht und sich der Beschleunigung hingibt, so lautet Rosas Schlussfolgerung, der rutscht und fällt – offenbar noch immer die größte Bedrohung für soziale Akteure, auch in der Beschleunigungsgesellschaft. In der Skizze eines hier anschließenden Forschungsprogramms entwirft Rosa (2012, S. 383 ff.) sodann vier „Grundformen der Weltbeziehung“; dabei geht es ihm um die „fundamentale Art des In-die-Welt-Gestelltseins für Subjekte […], die räumliche und körperliche, soziale, emotionale und kognitive Aspekte gleichermaßen umfasst und doch zugleich nicht nur kultur- und gesellschaftsabhängig ist, sondern darüber hinaus neben der Geschlechterdifferenz vielleicht auch Schichten- und Altersdifferenzen ausweist“ (Rosa 2012, S.  377  f., Hervorh. im Orig.). Zur Illustration bedient sich Rosa dann schließlich schematischer Darstellungen und einer Semantik, die ausdrücklich „durchaus mit den physikalischen Konzepten des stabilen, des semistabilen, des labilen und des indifferenten Gleichgewichts vergleichbar“ sei (Rosa 2012, S. 386, Hervorh. im Orig.). Diese vier Grundformen des Verhältnisses von Selbst und Welt (bzw. Selbst-in-der-Welt) werden von Rosa mit den folgenden Worten bezeichnet und durch jeweils dazugehörige Abbildungsunterschriften charakterisiert: 1. Das stabile Gleichgewicht: „Die gütige Welt – Leben im Gleichgewicht: Das Existenzgefühl der Getragenheit“ ( „Was auch geschehen mag, das Subjekt ist sicher geborgen.“) (Rosa 2012, S. 387) (vgl. Abb. 1a) 2. Das semistabile Gleichgewicht: „Die apollinische Welt – Sicherheit durch Maßhalten: Das bürgerliche Existenzgefühl“ ( „Innerhalb bestimmter Grenzen herrscht Geborgenheit, die dahinterliegende Welt erscheint fremd, gefährlich oder feindlich.“) (Rosa 2012, S. 388 f.) (vgl. Abb. 1b) 3. Das labile Gleichgewicht: „Die gefährliche/feindliche Welt – Leben am Abgrund [sic!]: Das Existenzgefühl des Ausgesetztseins“ ( „Jeder Fehltritt führt zum Absturz, und das Subjekt ist von allen Seiten bedroht.“) (Rosa 2012, S 389 f.) (vgl. Abb. 2a) 4. Das indifferente Gleichgewicht: „Die indifferente, kalte Welt – Leben ohne Anker: Das Existenzgefühl der Geworfenheit“ ( „Das Subjekt findet keinen ‚Platz‘ oder keine Position in der Welt und keine Beziehung zu ihr; Selbst und Welt stehen sich stumm und gleichgültig gegenüber.“) (Rosa 2012, S. 391 f.) (vgl. Abb. 2b)

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Abb. 1a und b   „stabiles Gleichgewicht“ (l.) und „semistabiles Gleichgewicht“ (r.). (Rosa 2012, S. 387, 389)

Abb. 2a und b   „labiles Gleichgewicht“ (l.) und „indifferentes Gleichgewicht“ (r.). (Rosa 2012, S. 390, 392)

Für den vorliegenden Zusammenhang ist dabei freilich insbesondere der dritte Fall: das so genannte ‚labile Gleichgewicht‘, von Interesse, das – so kann Rosa vermutlich verstanden werden – eine enge Wahlverwandtschaft mit den rutschenden Abhängen der Beschleunigungsgesellschaft unterhält. Dieser Zusammenhang aber basiert fundamental auf einer Raummetaphorik der Balance und des drohenden Absturzes, während ein geradezu mythischer Abgrund evoziert wird (s. o.), in den jeder Fehltritt potenziell zu führen vermag. c. Zygmunt Baumans Bild der flüssigen Moderne Mit physikalischen Bildern spielt auch eine andere Zeitdiagnose, die ähnlich kritische Anliegen verfolgt wie Rosas Projekt, dabei aber der Form nach deutlich essayistischer gehalten ist: In Zygmunt Baumans Bild der flüchtigen oder flüssigen Moderne scheint zunächst kein Raum für Orientierungsmetaphern des ‚Oben‘ und ‚Unten‘; Baumans Unterscheidung ist typischer Weise die eines ‚Innen‘ und ‚Außen‘ – auch dies freilich räumliche Orientierungsmetaphern, aber ein völlig anderes Register mit einer ganz anderen, wiederum spezifischen Grammatik. Besonders deutlich wird diese Orientierung etwa in der wiederkehrenden Thema-

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tisierung der „Ausgegrenzten“ (Bauman 2005), und auch beispielsweise der von Bauman beschworene ‚fragmentarische‘ Charakter des Lebens führt ausdrücklich „eher zu ‚lateralen‘ denn zu ‚vertikalen‘ Orientierungen“ (Bauman 2013, S. 10). Gleichwohl blitzt die Logik des ‚Oben-und-unten‘ bereits in der Semantik des ‚Wegwerfens‘ von menschlichen ‚Abfällen‘ auf (vgl. Bauman 2005; Schroer 2014).25 Für die hier verfolgte Fragestellung interessant scheint aber vor allem die Idee der Flüchtigkeit selbst (bzw. im Englischen: der Flüssigkeit der Moderne), die doch immerhin zum Namensgeber für Baumans Zeitdiagnose insgesamt taugt (vgl. einführend Junge 2006; Junge und Kron 2014). Oben war bereits einmal von der symbolischen Logik der Wolkenkratzerarchitektur die Rede, die vielleicht gerade auch in der Distanznahme zum Gewöhnlichen und Niedrigen gesehen werden kann. Auch Bauman interessiert sich für Prozesse der Selbst-Segregation privilegierter Akteure und die hieraus erwachsenden „Freiwilligenghettos in exterritorialen Garnisonen“ (Bauman 2013, S. 110). Den Charakter dieser neuen Räume zeichnet Bauman unter Verwendung eines Zitates von Manuel Castells nach: „Der Raum des höheren Rangs verfügt in der Regel über einen Zugang zur weltweiten Kommunikation und zu ausgedehnten Netzwerken, die offen sind für weltumspannende Nachrichten und Erfahrungen. Am anderen Ende des Spektrums finden sich segmentierte, oft ethnisch lokale Netzwerke […]“ (Castells 1989, S. 228, zit. nach Bauman 2013, S. 111, Hervorh. durch Verf.).26 Hier knüpft nun aber eine für Bauman selbst quintessenzielle Analyse sozialer und räumlicher Mobilität an: Die Menschen des ‚höheren Rangs‘ gehören nicht zu dem Ort, den sie bewohnen, weil ihre Angelegenheiten woanders zu erledigen sind (oder vielmehr, weil sie frei flottieren und schweben). […] Im Großen und Ganzen sind die städtischen Eliten unserer Tage an den Problemen ‚ihrer‘ Stadt desinteressiert, denn sie ist nur ein Ort unter vielen anderen, deren Probleme vom Cyberspace aus betrachtet – der eigentlichen […] Heimat dieser Eliten – allesamt klein und unbedeutend sind. (Bauman 2013, S. 112)

Damit ist die Soziologie sprachlich im „Pale Blue Dot“-Register der Raumfahrt angelangt. Für Baumans Beschreibung der modernen, dergestalt gespaltenen ­Gesellschaft ist die Dichotomie von festen Wohnsitzen, in denen sich die ­Abgehängten niedergelassen haben, und dem freien Flottieren der oberen Schichten allerdings geradezu konstitutiv. „Die Lebenswelt der anderen, ‚unteren Ränge‘ der Stadtbewohner“ ist nämlich nach Bauman „das genaue Gegenteil. Im krassen Vgl. ausführlicher dazu auch den Beitrag von Sina Farzin im vorliegenden Band. Zur Netzwerkmetaphorik vgl. insb. Schlechtriemen (2014) sowie dessen Beitrag im vorliegenden Band. 25  26 

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Gegensatz zur Oberschicht zeichnet sie sich dadurch aus, dass sie von jenem weltumspannendem Kommunikationsnetzwerk, mit dem die Menschen der ‚oberen Ränge‘ verbunden sind […], völlig abgeschnitten sind. Die Stadtbewohner der unteren Ränge sind ‚dazu verdammt, an einem Ort zu bleiben‘“ (ebd.: 113) und bleiben an „Grund und Boden gebunden“ (ebd.: 122). Auf diese Weise kommt es nach Bauman zur „Abspaltung“ einer „neuen Elite“, die nämlich „mit ihrem Wohnort nur lose verbunden ist“ und deren Mitglieder „zusätzlich zu ihrer geistigen auch ihre körperliche Unabhängigkeit und Entkoppelung vom konkreten Ort pflegen, kultivieren und genießen können“ (ebd.: 118), die einen „‚irgendwo im Nirgendwo‘ schwebenden Raum“ bevölkern, der dem „im erreichbaren ‚Hier und Jetzt‘ verwurzelten Raum der ‚Einheimischen‘“ entgegensteht (ebd.: 119). In genau diesen Abspaltungen sieht Bauman nicht weniger als – so heißt es ausdrücklich – „die grundlegendsten gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Umbrüche […], die mit dem Übergang von der ‚festen‘ zur ‚flüchtigen‘ Phase der Moderne verknüpft sind“ (ebd.: 118). In dieser flüssigen oder flüchtigen Moderne verliert, wer ‚unten‘ verharrt und Wurzeln schlägt, während sich im Spiel nur der hält, der sich der über den Dingen schwebenden, nomadischen Lebensweise hingibt. Leichtigkeit, Schwerelosigkeit und Ungebundenheit sind die Kennzeichen der neuen Elite (vgl. ausführlicher auch Bauman 2003, S. 7 ff.). Wer das Begriffspaar „Oben und unten“ bei Wikipedia nachschlägt, erfährt im Übrigen, dass diese Ortsangaben „in der Regel Bezug auf die Richtung der ­Erdbeschleunigung und die körperliche Lageorientierung des Menschen im ­Erdschwerefeld“ nehmen: „Unten bezeichnet Stellen, die sich in Wirkrichtung der Gewichtskraft befinden. Oben sind Orte in Richtung entgegen der Gewichtskraft.“27 Mit Baumans Bild der flüchtigen Moderne wird diese Erläuterung nun plötzlich auch soziologisch relevant: Zum hohen Einkommen und dem hohen Status der ‚höheren Ränge‘ gesellt sich hier nun auch noch die erforderliche Flughöhe, auf der sich erst störungsfrei durch diese Moderne navigieren lässt. d. Colin Crouchs These der postdemokratischen Gesellschaft Abschließend soll nun noch ein kurzer Blick auf jene soziologischen Erzählungen geworfen werden, in denen soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Elemente eine zentrale Rolle einnehmen, wie es prominent etwa bei Colin Crouch und seiner Diagnose der postdemokratischen Gesellschaft der Fall ist. Eingebettet ist dessen Analyse in ein anschauliches Bild für die Geschichte der Demokratie, die „geometrische Form der Parabel“ (Crouch 2008, S. 11). „Skizziert man“ nämlich „eine Parabel in einem Koordinatensystem, in dem die x-Achse den Zeitverlauf 27 

http://de.wikipedia.org/wiki/Oben_und_unten (letzter Zugriff: 12.01.2015).

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darstellt, so wird der Stift diese Achse zweimal berühren: einmal auf dem Weg hin zum Scheitel, ein zweites Mal auf dem Weg vom Scheitelpunkt weg. Dieses Bild ist für vieles, was ich über die komplexen Charakteristika der Postdemokratie zu sagen habe, relevant“, so Crouch (2008, S. 11 f.). Nach ihrem historischen „Aufstieg“ (ebd.: 12) hat es die postdemokratische ­Gesellschaft nämlich nun mit einem „Niedergang“ (ebd.) der Arbeiterklasse zu tun, mit dem „Zerfall“ ihrer Organisationen, die „zusammen mit den Errungenschaften der Jahrhundertmitte über Bord geworfen“ (ebd.) wurden. In Großbritannien und Australien erlebte die Arbeiterbewegung dabei wohl einen „besonders steilen Absturz“, in anderen Ländern „war der Niedergang sanfter“ (so etwa in den Vereinigten Staaten), dort allerdings ist der „Abstieg nun noch viel dramatischer“ (alle ebd.). Auch an Symptomen fehlt es der postdemokratischen Gesellschaft freilich nicht: Hierzu gehören bekanntlich Prozesse der Personalisierung und Medialisierung, die dazu führen, dass man die Bürger durch Werbekampagnen „‚von oben‘ dazu überreden muss, überhaupt zur Wahl zu gehen“ (ebd.: 30), was wiederum mit einem „Verfall der politischen Sprache und Kommunikation“ (ebd.: 63  f.) einhergeht, und schließlich ganz allgemein mit dem „Niedergang[…] der ernsthaften Diskussionskultur“ (ebd.: 41). Überhaupt geht bei Crouch einiges ‚nieder‘: Im „Niedergang“ befinden sich etwa all jene Berufe, aus denen sich die Gewerkschaften einmal speisten (ebd.: 42  f.), einen „Niedergang“ haben aber auch der Keynesianismus sowie die Massenproduktion erlebt (ebd.: 43), „im Niedergang begriffen“ sind überdies auch die öffentlich-rechtlichen Medien (ebd.: 66), und schließlich addiert sich all dies – natürlich! – auf zu einem „Niedergang der Demokratie“ als solcher (ebd.: 133). Die Gegenbewegung zu dieser Dekadenz bildet der „Aufstieg der Wirtschaftseliten“ (ebd.: 70) sowie der „Aufstieg des Unternehmens als sozialer Institution“ (ebd.: 50), während dieselben Unternehmen zugleich einen regelrechten „Unterbietungswettkampf“ (ebd.: 49) im Bereich des Arbeitsrechts betreiben – ein „race to the bottom“, wie Crouch (ebd., im Orig. kurs.) es nennt, was wohl technisch (im Sinne von Deregulierung) aber auch als ein moralisches Urteil verstanden werden kann. Diese parabelförmige Analyse führt dann, und hier wird es eigentlich interessant, zu einer scharfen Unterscheidung von „Parteispitze[n]“ und „Stammwähler[n]“ (ebd.: 92 f.) bzw. der ‚Basis‘. Der Kontakt zwischen beiden reißt nämlich in der Postdemokratie zusehends ab: „Die Meinungen der neuen Zielgruppen“ ­werden „top down, also von oben, erforscht“, so Crouch wörtlich (ebd.: 95, Hervorh. im Orig.), während „die Menschen an der Basis […] dabei passiv“ blieben (ebd.). Damit wird aber schlussendlich auch deutlich, von wo aus eine Rettung des politischen Systems nur erhofft werden kann: „[A]uf der lokalen Ebene“ (ebd.:

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145), an ebenjener ‚Basis‘, d. h. also gleichsam ‚von unten‘ müssen Meinungen und Identitäten mobilisiert werden, um die abgehobenen Parteispitzen wieder für den demokratischen Betrieb einzufangen, denn: Die sozialen Bewegungen bilden den „Nährboden, auf dem die vitale Demokratie der Zukunft“ (ebd.: 153) entstehen könne. Bei dieser weitverbreiteten Rhetorik einer ‚Graswurzelpolitik‘ (wegweisend wiederum Castells 1983; exemplarisch ferner Ekins 1992; Foweraker 2001), einer ‚Politik von unten‘ also, mag sich manchem Beobachter freilich die Frage stellen, ob man ihr per se Radikalität unterstellt, da sie ja qua Definition von den Wurzeln ihren Ausgang nimmt, oder ob aber letztlich doch mangelnde Übersicht und fehlender Weitblick als charakteristisch für diese Form von Partizipation gelten – Crouch (2008, S. 153) spricht trotz aller hoffnungsvollen Euphorie von einem „chaotischen und lauten Kontext“ –, auch wenn die entsprechenden Autoren häufig eigentlich Anderes zu bezeichnen suchen. Schließlich – und sozusagen aus aktuellem Anlass – muss auch die Frage gestellt werden, inwieweit die Idee einer gewissermaßen ‚unkonventionellen‘ Politik ‚von unten‘ zugleich die mitunter arg seltsamen Vorstellungen von klassischer (partei-)politischer Partizipation reproduzieren hilft, die derzeit im Kontext der so genannten PEGIDA-Bewegung in der kruden, aber gebetsmühlenartig vorgetragenen Kritik an einer verfehlten Politik durch ‚die da oben‘ mündet.28

5 Schlussbemerkung Gegenstand des vorliegenden Beitrags war nicht die Kritik an ausgewählten Zeitdiagnosen, sondern die Ubiquität einer metaphorischen Denk- und Redeweise, die sich bei genauerem Besehen als keineswegs unschuldig entpuppt, sondern vielmehr, so die These, auf intime Weise mit der Reproduktion und Legitimation von gesellschaftlichen Macht- und Ungleichheitsverhältnissen verknüpft ist. Sofern dieser Zusammenhang für plausibel gehalten wird, kommt allerdings der Soziologie, die immer auch in einer sprachkritischen Tradition stand, eine gewisse ­Verantwortung zu, ihr metaphorisches Arsenal regelmäßig kritischer Überprüfung zu unterziehen. Sehr grundsätzlich wäre dabei natürlich erst einmal zu fragen, welche semantischen Alternativen bei der Beschreibung sozialer Ungleichheiten überhaupt zur Verfügung stünden. Die naheliegendste Umstellung auf Unterscheidungen von ‚innen/außen‘ bzw. ‚Zentrum‘ und ‚Peripherie‘ (prominent etwa Kreckel 1990, 2004; Für den Hinweis auf dieses eigentlich offensichtliche Missverständnis danke ich Jan Christoph Suntrup.

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dazu auch Barlösius 2004, S.  80  ff.) erscheint kaum weniger ‚verdächtig‘, und ­Metaphoriken des ‚Netzwerkes‘ beispielsweise laufen fast zwangsläufig ­Gefahr, zugleich zentrale empirische Tatbestände aus dem Blick zu verlieren. Möglicherweise ist auch weniger der metaphorische Charakter unseres Blicks auf Gesellschaft problematisch als vielmehr dessen exklusiv klassifizierender, häufig gar dichotomischer Zuschnitt, sodass sich an Konzepte „gradueller ­Zugehörigkeiten“ (Berger 1988, S. 511 ff., 2014, S. 374 ff.) oder Fuzzylogik und Beschreibungsformeln von „Hybridität“ (Kron 2015) denken ließe, um die angedeuteten Risiken zu umgehen; doch auch hier bleibt das Ausbrechen aus der Vertikalität unwahrscheinlich. Jenseits dieser pragmatischen Fragestellung muss aber gleichsam präsent gehalten werden, dass weder politische Amtsinhaber noch Vielverdiener in irgendeinem nicht-metaphorischen Sinne ‚über‘ den Dingen oder gar anderen Akteuren oder Kollektiven stehen. Spätestens dann, wenn sich in solche metaphorischen Verweisungszusammenhänge Werturteile mischen, sollte die Soziologie eigentlich alarmiert sein – und es scheint beinahe unmöglich, die Orientierungsmetaphorik des ‚Oben‘ und ‚Unten‘ systematisch von solchen Implikationen zu bereinigen. Die damit verbundenen Gefahren sind nicht unerheblich: „Da Metaphern gerade in moralisch-praktischen Zusammenhängen nicht nur das lebensweltliche Wissen, sondern auch die damit verknüpften affektiven Wertsysteme repräsentieren, ist die topisch-orientierende Funktion der Metapher immer auch von der Möglichkeit des Umschlagens in manipulativ-ideologische Funktionen begleitet“ (Debatin 1995, S. 229). Oder, um ein Wort Bourdieus (1992a, S. 70) aufzugreifen, das sich durchaus auch auf die metaphorische Rede beziehen lässt: „Über die soziale Welt in vereinfachter und vereinfachender Weise zu reden, damit ermöglicht man ­unweigerlich gefährliche Manipulationen an dieser Welt.“ Ob dieses Problem in ‚Kommunikationsgesellschaften‘ je ganz gelöst werden kann, mag man bezweifeln. Kritische Reflexion des eigenen soziologischen Sprachgebrauchs, gerade auch des metaphorischen, kann diese Gefahren aber vielleicht kontrollieren helfen, auch wenn dabei die Metapher selbst letztlich unkontrollierbar und unbeherrschbar bleiben mag (vgl. Junge 2010b, S. 276 f.; Lüdemann 2004, S. 32). Dem Herausgeber ist beizupflichten, wenn er anmerkt, dass selbst noch die Analyse (und es lässt sich hinzufügen: und Kritik!) der metaphorischen Strukturierung von sozialen Wirklichkeiten im Medium der Metapher operieren muss (vgl. Junge 2010b, S.  274, 2011a, S. 7).29 Gerade deshalb scheint aber eine, wenn man so möchte: ‚doppelte metaphorologische Hermeneutik‘ von zentraler Bedeutung. Für Bourdieu, der Das ist im Übrigen wohl genau, was Derrida (1998) als den „Entzug der Metapher“ zu bezeichnen sucht.

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‚vereinfachten und vereinfachenden Redeweisen‘ an sich eher unverdächtig, lag der Schlüssel in der Aufdeckung der symbolischen Gewalt des Sprachgebrauchs und der ‚Aufkündigung der Doxa‘ (vgl. Bourdieu 2005), oder wie man auch formulieren könnte: in soziologischer Aufklärung.30 Wenn nämlich die metaphorische Rede ebenso unvermeidlich ist wie die ­Gefahr ihrer ideologischen Vereinnahmung, so ergibt sich daraus doch immerhin die Pflicht, den eigenen metaphorischen Sprachgebrauch im Rahmen einer ‚reflexiven Metaphorisierung‘ (Debatin 1995, 2011) immer wieder zu überprüfen und – wo nötig – zu remetaphorisieren (vgl. Debatin 2011, S. 198 f.) um so seinen „effet de réel“ (Barthes 1968) zu zerschlagen: dort nämlich, wo er katachretisch wird, also sein metaphorischer Charakter droht, verkannt zu werden. Für die Orientierungsmetaphorik des ‚Oben-und-unten‘ gilt dies aus zwei Gründen in besonderem Maße: Zum einen aufgrund ihrer Ubiquität schon im normalen Sprachgebrauch, dann aber auch innerhalb der soziologischen Fachsprache; und wenn diese Fachsprache und das in ihr artikulierte Wissen der Soziologie nun im Medium der Zeitdiagnose einen besonderen gesamtgesellschaftlichen Diffusionsgrad erlangen sollte – was anzunehmen nicht abwegig scheint – so ist vielleicht gerade an diesem Punkt besondere Aufmerksamkeit angeraten.31 Zum anderen gilt es aber auch deshalb, weil die hier adressierten Aspekte – das Verhältnis von wissenschaftlichen und Werturteilen, Fragen sozialer Ungleichheit sowie Macht- und Herrschaftsbeziehungen und deren Legitimation und Reproduktion – nicht randständig sind, s­ ondern die Soziologie in ihrem Innersten betreffen.

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30  Bedenkt man nun, dass – bedingt durch ihr Abstraktionsniveau und ein gewisses Maß an Zuspitzung, aber sicher auch durch ihr Potenzial zur Veranschaulichung – gerade Zeitdiagnosen als zentrale Beiträge soziologischer Aufklärung verstanden werden können (vgl. Schimank 2007, S. 17), so verschärft sich die hier angedeutete Problematik weiter. 31  Insofern wäre dann das Genre der Zeit- und Gesellschaftsdiagnosen auch als eine fünfte Repräsentationsform sozialer Ungleichheit in den Katalog bei Barlösius (2005, S. 67) aufzunehmen.

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Metaphern soziologischer Zeitdiagnosen

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Matthias Junge (Hrsg.)

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Herausgeber Prof. Dr. Matthias Junge Universität Rostock Rostock Deutschland

ISBN 978-3-658-07079-3      ISBN 978-3-658-07080-9 (eBook) DOI 10.1007/978-3-658-07080-9 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Springer VS © Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Lektorat: Katrin Emmerich Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Springer Fachmedien Wiesbaden ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media (www.springer.com)

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Inhaltsverzeichnis

Einleitung �������������������������������������������������������������������������������������������������������   1 Matthias Junge Teil I  Grundsätzliches zur Zeitdiagnostik Die Zeitdiagnose als Fingerzeig der Sozialwissenschaftler. Zur Heuristik metaphorischer Gesellschaftsbeschreibungen �������������������   7 Uwe Krähnke Von Fahrstühlen und Graswurzeln: Orientierungsmetaphern in der soziologischen Zeitdiagnose ���������������������������������������������������������������  21 Daniel Witte Zeitdiagnose als Chance der Soziologie ������������������������������������������������������� 51 Matthias Junge Teil II  Metaphern in der Zeitdiagnostik spezieller gesellschaftlicher Teilbereich Die Metapher der „Neuen Väter“. Eine Annäherung an widersprüchliche Rollenbilder ��������������������������������������������������������������������� 63 Corinna Onnen Die „Falle“ gegenwartsdiagnostischer Diskurse ����������������������������������������� 79 Florian Kreutzer

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Inhaltsverzeichnis

Die postheroische Gesellschaft und ihr Militär ������������������������������������������� 101 Nina Leonhard Die Generationsmetaphorik in soziologischen Gegenwartsdiagnosen �����������������������������������������������������������������������������������  123 Oliver Dimbath Teil III  Gesellschaftstheoretische Metaphorik „Der Auswurf, Abfall, Abhub aller Klassen“ – Müllmetaphorik und Ungleichheit in der soziologischen Zeitdiagnose ����������������������������������������� 143 Sina Farzin Die Metaphorik kommunitaristischer Zeitdiagnosen ��������������������������������� 161 Walter Reese-Schäfer Die Akteur-Netzwerk-Theorie als zeitdiagnostische Metapher ����������������� 181 Danny Otto Zur Metaphorik in Manuel Castells’ Aufstieg der Netzwerkgesellschaft ��������������������������������������������������������������������������������������� 197 Tobias Schlechtriemen Die Metapher der Immunisierung ���������������������������������������������������������������  217 Thomas Kron

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