Nervenarzt 2002 · 73:659–664 DOI 10.1007/s00115-002-1321-4
Originalien D. Althaus1 · J. Stefanek1 · J. Hasford2 · U. Hegerl1 1 Psychiatrische Klinik der Ludwig-Maximilians-Universität München, Kompetenznetz „Depression,Suizidalität“,München 2 Institut für medizinische Informationsverarbeitung,Biometrie und Epidemiologie (IBE) der Ludwig-Maximilians-Universität München
Wissensstand und Einstellungen der Allgemeinbevölkerung zu Symptomen, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten depressiver Erkrankungen Zusammenfassung Als Teil des Kompetenznetzes „Depression, Suizidalität“ findet derzeit im Rahmen des „Nürnberger Bündnis gegen Depression“ ein depressions- und suizidpräventives Aktionsprogramm statt.Dabei wird eine intensive Aufklärungskampagne für die Allgemeinbevölkerung zum Thema „Depression“ durchgeführt.Vor Kampagnenbeginn wurden 1426 zufällig ausgewählte Personen aus Nürnberg und Würzburg mit einem vollstrukturierten computergestützten Telefoninterview (CATI) u.a.zu Symptomen, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten depressiver Störungen befragt.Es gab keine relevanten Unterschiede zwischen Nürnberg und Würzburg.Depression wird nur von einer kleinen Minderheit der Befragten bagatellisiert.Dennoch liegt in vielen Bereichen ein beträchtliches Wissensdefizit vor. Insbesondere bei der Gruppe der Männer über 60 zeigen sich ungünstige Einstellungsmuster.Allgemein besteht große Unkenntnis in Bezug auf antidepressive Medikamente. 80% der Befragten sehen bei Antidepressiva die Gefahr von Abhängigkeit, 69% von Persönlichkeitsveränderungen. Schlüsselwörter Depression · Wissen · Einstellungen · Antidepressiva
W
issensstand und Einstellungen der Allgemeinbevölkerung zu depressiven Erkrankungen haben einen wichtigen Einfluss auf das Hilfesuchverhalten Betroffener und die damit verbundene Versorgungsqualität. Obwohl die Fragestellung von großer Relevanz ist, liegen nur wenige Studien vor, die sich auf größere Stichproben stützen können.Angermeyer et al. [1, 2, 3] befragten 1990 rund 3000 Personen in Deutschland Ost und West mit Hilfe von Fallvignetten u. a. zu Depression. Bei der Frage nach geeigneter Behandlung wurde eindeutig Psychotherapie vor Pharmakotherapie genannt. Psychopharmaka wurden häufig als Mittel zur Ruhigstellung betrachtet und stellten für die meisten keine Kausaltherapie dar. In einer Befragung von 2176 Personen durch das Allensbach Institut für Demoskopie [4] im Jahr 1992 gab ein Drittel der Befragten an, depressive Symptomatologie aus eigener Erfahrung (Familie, Freunde oder selbst) zu kennen. Wenn jemand als „sehr traurig, hoffnungslos und lebensmüde“ vorgestellt wurde, sahen nur 4% der Befragten Medikamente als hilfreich an. 65% nannten Psychotherapie als empfehlenswert und 26% glaubten, dass Behandlung entweder nicht möglich oder nötig sei. Jorm et al. [5, 6] befragten 2031 erwachsene Australier mit Fallvignetten zu Depression. 28% der Befragten erkannten nicht das Vorliegen einer psychischen Beeinträchtigung, sondern betrachteten den Fall innerhalb der Grenzen von „Normalität“. Während 57% der Befragten Vitamine,
Mineralien und Naturheilmittel als sinnvolle Behandlung ansahen, empfahlen nur 29% Psychopharmaka; 42% sahen sie als schädlich an. Als Ursachen von Depression wurden vor allem soziale Umstände und Stress gesehen. Genetische und biologische Faktoren wurden nur von der Hälfte der Befragten genannt. Priest und Kollegen [8] führten eine Haustürbefragung von 2003 Menschen in Großbritannien zur Thematik Depression durch.Als Auslöser einer Depression wurden auch hier vor allem „life-events“ gesehen. 60% gaben ihren Hausarzt als mögliche Hilfe im Falle einer Depression an. Als wichtigste Behandlung wurde von 91% der Befragten Beratung genannt und nur 16% hielten Antidepressiva für sinnvoll. Ergebnisse der Defeat Depression Campaign [7] zeigten, dass Wissen und Einstellungen der breiten Öffentlichkeit beeinflussbar sind. Nach Durchführung einer Aufklärungskampagne in Großbritannien wurden 2000 Personen repräsentativ zu Depression befragt (Präpost-Vergleich). Depression wurde danach öfter als „normale“ Krankheit gesehen, die behandlungsbedürftig ist. Neben Stress und Beziehungsschwierigkeiten wurden vermehrt auch mögliche © Springer-Verlag 2002 Dipl.-Psych. D. Althaus Psychiatische Klinik der LMU, Nußbaumstraße 7, 80336 München E-mail:
[email protected] Der Nervenarzt 7•2002
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Nervenarzt 2002 · 73:659–664 DOI 10.1007/s00115-002-1321-4
Originalien
D. Althaus · J. Stefanek · J. Hasford U. Hegerl
Tabelle 1
Knowledge and attitudes of the general population towards symptoms, causes, and treatment of depressive disorders
Wie sehr würden Sie den folgenden Aussagen zustimmen?
Summary Within the German research network on depression, the Nuremberg Alliance against Depression aims at informing the public about depressive illness and preventing suicidality by carrying out a city-wide information campaign.Before the prevention program started, public attitudes and knowledge had been assessed in a public opinion survey in Nuremberg and in a control region. A total of 1426 randomly chosen inhabitants of Nuremberg and Würzburg completed a computer-assisted telephone interview during November and December 2000.They were asked about their knowledge and attitudes towards symptoms, causes, and treatment of depression.No relevant differences between Nuremberg and Würzburg were found.Depression is regarded as a serious illness.People seemed to be more knowledgeable as compared to the results of earlier surveys, but there are still important information deficits.This is especially true for males over 60, who show unfavorable attitudes.Eighty percent of the population consider antidepressants to be addictive, and 69% were convinced that the use of antidepressants would lead to personality changes. Future information campaigns should aim at describing depression as an often chronic disease similar to hypertonia or diabetes. Public knowledge about antidepressants must be improved. Keywords Depression · Attitudes · Lay beliefs · Antidepressants
Einstellungen zu Depression
„Depression ist eigentlich gar keine richtige Krankheit“
Stimmt gar nicht
17,3%
74,0%
5,1%
17,4%
77,5%
„Wenn man eine Depression hat, muss man sich zusammenreißen, um sie wieder loszuwerden“
15,6%
28,9%
55,5%
„Einer Depression ist man ohne äußere Unterstützung hilflos ausgeliefert“
57,7%
33,2%
9,1%
„Depression ist eine Erkrankung wie Asthma oder Diabetes, die vom Arzt oder Psychotherapeuten behandelt werden sollte“
77,0%
14,6%
8,4%
biologische Ursachen der Depression genannt (43%). Die Zahl derer, die Antidepressiva für sinnvoll hielten, stieg um 50%, war aber mit insgesamt 24% nach Abschluss der Kampagne immer noch niedrig. Weiterhin glaubten 74%, Antidepressiva würden abhängig machen. Im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Kompetenznetzes „Depression, Suizidalität“ findet in Nürnberg ein 2-jähriges depressionspräventives Aktionsprogramm statt. Teil davon ist eine intensive Aufklärungskampagne der Öffentlichkeit zu Symptomen, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten depressiver Störungen, die mit Hilfe einer Bevölkerungsbefragung zu 3 Messzeitpunkten evaluiert wird. In dieser Arbeit werden Ergebnisse der Baseline-Erfassung vorgestellt, die erhoben wurde, um den Erfolg des Programms später kontrolliert messen zu können. 1426 zufällig ausgewählte Erwachsene aus Nürnberg und Würzburg wurden befragt.Von besonderem Interesse sind dabei Wissen und Einstellungen bei der männlichen Bevölkerung über 60 Jahre, da diese eine besondere Risikogruppe für Suizid darstellt. Implikationen für die Umsetzung eines Aufklärungsprogramms werden diskutiert.
Im November/Dezember 2000 wurden mit Hilfe eines computergestützten Telefoninterviews Personen über 18 Jahre in Nürnberg und Würzburg zu Wissensstand und Einstellungen hinsichtlich Depression befragt. Die Befragung erfolgte Der Nervenarzt 7•2002
8,7%
Stimmt teilweise
„Wer eine Depression hat, ist selbst dran Schuld“
Methode
660 |
Stimmt voll und ganz
in Kooperation mit der „Projektgruppe CATI“ innerhalb des Bayrischen Forschungsverbunds Public Health – Öffentliche Gesundheit. Die Personen wurden mit Hilfe der Telefon-CD-ROM „KlickTel 2000“ zufällig ausgewählt. Von den 2746 kontaktierten Personen zwischen 18 und 99 Jahren waren 1426 zur Teilnahme bereit (Response: 51,9%). Die Ergebnisse wurden auf Grundlage der vom Statistischen Landesamt Bayern für Nürnberg und Würzburg herausgegebenen Bevölkerungsstatistik in Bezug auf die Merkmale Alter und Geschlecht gewichtet und stellen somit Schätzungen für die Nürnberger und Würzburger Bevölkerung dar. Das vollstrukturierte Interview umfasste folgende Bereiche depressiver Störungen: ● ● ● ● ●
Krankheitswert, Symptome, Ursachen, Behandlungsmöglichkeiten und Pharmakotherapie.
Die Frageformulierung ist in den nachfolgenden Grafiken und Tabellen jeweils im Wortlaut wiedergegeben. Durchschnittlich dauerte ein Interview 15 Minuten. Der Altersdurchschnitt der Befragten betrug 47,6 Jahre (SD=19,0); 53,2% waren Frauen, 46,8% Männer; 46.8% waren berufstätig, 23,2% berentet, 11,9% in Ausbildung; 9,7% gaben an, im Gesundheitswesen tätig zu sein.
Ergebnisse Zwischen Nürnberg und Würzburg konnten keine relevanten Unterschiede festgestellt werden. Die folgenden Er-
Abb.1 Einschätzung der Symptome von Depression
gebnisse wurden für die Gesamtstichprobe ermittelt.
Krankheitswert von Depression Dieser Themenkomplex wurde befragt, um zu erforschen, ob Depression in der Bevölkerung überhaupt als behandlungsbedürftige Erkrankung wahrgenommen wird (Tabelle 1). Die große Mehrheit der Befragten sieht in Depression eine Störung mit Krankheitswert. Aussagen, die die Schuld auf den Einzelnen abwälzen, werden von mehr als 3/4 der Befragten abgelehnt. 90% stimmen teilweise oder ganz der Aussage zu, dass man einer Depression ohne äußere Unterstützung hilflos ausgeliefert ist. Behandlung durch einen Arzt oder Psychotherapeuten wird von der großen Mehrheit als wichtig erachtet.
Symptomatik Mit dem 2. Fragenkomplex (Abb. 1) sollte herausgefunden werden, wie gut Laien in der Lage sind, Depression anhand von Symptomen zu erkennen. Dies hat erhebliche Auswirkungen darauf, ob im Bedarfsfall professionelle Behandlung gesucht wird. Die große Mehrheit der Befragten erkannte depressive Kardinalsymptome wie Freudlosigkeit, Schuldgefühle und körperliche Symptome. Jedoch auch Halluzinationen wurden von der Mehrheit als typisch angesehen; knapp die Hälfte ordnet hier ebenfalls zwanghaftes Putzen ein.
Ursachen von Depression Von den Ursachenzuschreibungen hängen vielfach auch Behandlungsempfeh-
lungen ab. Von besonderem Interesse ist hier,inwiefern eine multikausale Sichtweise, die sich unter Experten etabliert hat, auch bei Laien anzutreffen ist (Tabelle 2). Über die Hälfte (53,1%) der Befragten halten mehr als 5 von 11 vorgegebenen Ursachen für „mittelmäßig wichtig“,„wichtig“ oder „sehr wichtig“. Psychosoziale Faktoren und kritische Lebensereignisse werden dabei als wichtigste Ursachen betrachtet. Den biologischen Faktor „Stoffwechselstörung“ sehen 64% der Befragten als wichtig an. 48,3% glauben, dass bei der Genese von Depression Vererbung eine Rolle spielt. Selbstdisziplin oder Charakterschwäche sehen 46–60% als unwichtig an.
Behandlung von Depression Bei diesem Themenkomplex stand die Frage im Vordergrund, wie gut die wissenschaftlich und klinisch bewährten
medikamentösen und psychotherapeutischen Behandlungsstrategien in der Bevölkerung bekannt sind (Tabelle 3). Drei von 4 Befragten sehen im Falle einer Depression den Besuch eines Psychotherapeuten als sehr geeignet an. Zwei von 3 empfehlen einen Arztbesuch. Der Einnahme von Antidepressiva stehen 31,5% aufgeschlossen gegenüber. Der Besuch eines Heilpraktikers wird genauso häufig als geeignet eingeschätzt wie die Einnahme von Arzneimitteln gegen Depression.Autogenes Training halten fast doppelt so viele (60%) für eine sehr geeignete Strategie. Gut die Hälfte der Befragten hält „Zusammenreißen“ für ungeeignet, um einer Depression zu begegnen. 55% der Befragten sind der Ansicht, dass Depression gut vom Arzt oder Psychotherapeuten behandelbar ist. 80% geben an, sie hätten die Möglichkeit, offen über seelische Probleme mit ihrem Arzt zu sprechen
Antidepressiva Da die Einstellung zu medikamentöser Behandlung vor allem von den ihnen zugeschriebenen (Neben-)Wirkungen abhängt, wurde beim Wissen zu Antidepressiva differenzierter nachgefragt. Die große Mehrheit der Befragten glaubt, Antidepressiva zögen starke Nebenwirkungen nach sich (Abb. 2). Darüber hinaus sind 4 von 5 Befragten der Ansicht, Antidepressiva machten süchtig. Auch Veränderungen der Persönlichkeit werden mehrheitlich befürchtet (Tabelle 4).
Tabelle 2
Einschätzung der Ursachen von Depression Wenn man eine Depression hat, kann das verschiedene Ursachen haben.Welche der folgenden Ursachen halten Sie für:
Wichtig
Mittelmäßig wichtig
Unwichtig
Schicksalsschlag Probleme mit Mitmenschen Leistungsgesellschaft Stoffwechselstörung im Gehirn Vererbung Falsche Lebensführung Fehlende Selbstdisziplin Reizüberflutung Umweltgifte Charakterschwäche Ernährung
87,9% 64,2% 64,1% 64,0% 48,3% 30,0% 27,0% 26,4% 23,2% 19,2% 13,1%
9,2% 27,2% 25,1% 22,8% 27,4% 34,3% 27,1% 29,9% 25,9% 20,4% 20,8%
2,9% 8,6% 10,8% 13,3% 24,3% 35,7% 45,9% 43,7% 50,8% 60,4% 66,1%
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Originalien Tabelle 3
Einschätzung verschiedener Möglichkeiten,„etwas gegen eine Depression zu tun“ Wenn man etwas gegen eine Depression tun möchte, gibt es mehrere Möglichkeiten.Welche der folgenden Möglichkeiten halten Sie für:
Sehr geeignet Mittelmäßig geeignet
Ungeeignet
Besuch eines Psychotherapeuten Besuch eines Arztes Mit Freunden sprechen Autogenes Training Viel Sport machen In den Urlaub fahren Einnahme von Arzneimitteln gegen Depressionen Aufsuchen eines Heilpraktikers Sich zusammenreißen Einnahme von Schlaf- und Beruhigungsmitteln
77,1% 66,0% 64,3% 59,3% 55,8% 34,2% 31,5% 25,1% 18,0% 4,5%
6,2% 6,4% 2,9% 6,6% 8,9% 22,6% 29,7% 30,6% 53,7% 74,5%
16,8% 27,6% 32,8% 34,2% 35,3% 43,1% 38,8% 44,4% 28,3% 21,0%
Tabelle 4
Einschätzung der Eigenschaften von Antidepressiva Der Arzt behandelt eine Depression unter anderem mit speziellen Medikamenten, den sog. Antidepressiva.Was meinen Sie:
Ja
Nein
Machen Antidepressiva abhängig oder süchtig? Verändern Antidepressiva den Charakter? Ist man noch man selbst, wenn man Antidepressiva nimmt?
80% 69% 43%
20% 32% 57%
Vergleich der Subgruppe der Männer ab 60 Jahren mit der Restbevölkerung
Diskussion Repräsentativität der Studie
42,4% der Männer ab 60 Jahren stimmen teilweise oder ganz zu, dass Depression keine richtige Erkrankung ist (Tabelle 5). Dies sind fast doppelt so viele wie in der sonstigen Bevölkerung (23,9%). Zudem wissen ältere Männer signifikant häufiger nicht, dass körperliche Beschwerden typisch für Depression sein können (29,0% versus 16,9%). Mangelnde Selbstdisziplin halten 39,5% der über 60-jährigen Männer als Ursache für wichtig und damit deutlich mehr als in der sonstigen Bevölkerung (25,5%). Fast jeder 3. sieht Charakterschwäche als mögliche Ursache, das sind 2/3 mehr als in der Restgruppe (18,0%). Fast jeder 4. (22,8%) stimmt voll zu, dass man sich zusammenreißen müsse, wenn man eine Depression hat. Das sind über 50% mehr als in der sonstigen Bevölkerung (14,8%). Zudem geben Männer ab 60 Jahren signifikant seltener an, Depression in der Familie oder im Freundeskreis begegnet zu sein (38,5% versus 50,8%).
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Die Responserate ist mit 51,9% vergleichsweise niedrig und zeigt, dass ein erheblicher Teil der Befragten über das Thema „Depression“ am Telefon nicht sprechen will. Menschen, die im Gesundheitswesen tätig sind, zeigen dagegen mehr Bereitschaft, sich über „Depression“ zu äußern und sind dementsprechend bei den Respondern überrepräsentiert (9,7%). Die Gewichtung nach Geschlecht und Alter kann eine Verzerrung der Ergebnisse nicht gänzlich ausgleichen. Somit kann die hier durchgeführte Befragung nicht beanspruchen, voll repräsentativ zu sein. Hinweise auf die Richtung der Verzerrung ergeben sich zum einen aus der unterproportionalen Antwortbereitschaft von Männern, die sich von Frauen darin unterscheiden, Behandlungsmöglichkeiten skeptischer einzuschätzen [10]. Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass dies in verstärktem
Ausmaß auf die Verweigerer zutrifft. Zum anderen weiß man, dass die in unserer Stichprobe überrepräsentierten Beschäftigten im Gesundheitswesen im Vergleich zur Restbevölkerung über ein differenzierteres Wissen hinsichtlich Behandlungsmöglichkeiten und Eigenschaften von Antidepressiva verfügen [10]. Insgesamt kann daher davon ausgegangen werden, dass Vorurteile und Informationsdefizite in der Nürnberger und Würzburger Bevölkerung eher weiter verbreitet sind, als dies in den Ergebnissen zum Ausdruck kommt.
„Depression“ – für den Laien ein Sammelbegriff In der Interviewsituation gibt die Mehrzahl der Befragten an, Depression als Erkrankung ernst zu nehmen. Nur von einer kleinen Minderheit wird Depression bagatellisiert.Auf der anderen Seite zeigt sich, dass das Wissen der Bevölkerung darüber, was eine Depression ist, in weiten Bereichen unscharf bleibt. Die Tatsache, dass Halluzinationen und zwanghaftes Putzen von vielen als typische Symptome angesehen werden, macht deutlich, dass der Begriff „Depression“ im Verständnis der breiten Öffentlichkeit deutlich vom klinischen Begriff einer depressiven Störung abweicht. Auch dass vermutlich ein Teil der Befragten nicht genau weiß, was Halluzinationen sind, erklärt nicht, weshalb fast 2/3 sie als typisches Symptom betrachten. Depression scheint für Laien ein Sammelbegriff für alle möglichen psychischen Symptome und Syndrome zu sein. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass für Laien wohl ganz andere Aspekte psychischer Störungen wichtig sind als für Experten, bei denen eine genaue Kenntnis der Symptomatik sicherlich von größerer Handlungsrelevanz ist.
Abb.2 Einschätzung der Nebenwirkungen von Antidepressiva
Tabelle 5
Männer ab 60 Jahren (n=159) im Vergleich zur Reststichprobe (n=1264) Männer ab 60 Jahre Wie sehr würden Sie den folgenden Aussagen zustimmen?
p
Stimmt teilweise
Stimmt gar nicht
Stimmt voll und ganz
Stimmt teilweise
Stimmt gar nicht
„Depression ist eigentlich gar keine richtige Krankheit“ 15,9%
26,5%
57,6%
7,8%
16,1%
76,0%