Wirkung und Funktionen der Redegattungen in der Antike

May 28, 2017 | Author: Nico-Gabriel Klemann | Category: Philosophy, Rhetoric, Late Antique Rhetoric
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Wirkung und Funktionen der Redegattungen in der Antike Die Redegattungen in der Republik und der einhergehende Wandel mit der Kaiserzeit

Name: Klemann Vorname: Nico-Gabriel Hauptfach: Allgemeine Rhetorik Nebenfach: Philosophie

1. Vorwort..............................................................................S.2 2. Theorie der Redegattungen im Vergleich..........................S.2 2.1. Anlass, Funktion und Wirkung der Gerichtsrede............S.4 2.2. Anlass, Funktion und Wirkung der Beratungsrede.........S.6 2.3. Anlass, Funktion und Wirkung der Epideiktik.................S.9 3. Wandel der Redegattungen mit der Kaiserzeit..................S.12 4. Schlusswort......………………………………….…………………………..S.13 5. Literatur.............................................................................S.14 5. Anti-Plagiatserklärung…………………………………………………….S.15

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1. Vorwort Drei Redegattungen bilden den Kern, der die antike und auch die moderne Rhetoriktheorie ausmacht. Die genera dicendi (demonstrativum, deliberativum und iudiciale) bestimmen die Art der Rede und jede von ihnen verfolgt dabei ein anderes Telos, also Ziel, welches von ihr erreicht werden soll. Im Rahmen dieser Hausarbeit möchte ich aufführen, welche Funktionen die einzelnen genera dicendi zur Zeit der römischen Republik zu erfüllen hatten und zu welchen Anlässen sie gehalten wurden. Des Weiteren werde ich die Wirkung die sie haben konnten darstellen. Dabei werde ich zeigen wie wichtig die Redegattungen im Einzelnen für den Politiker der römischen Republik und die politische Willensbildung waren. Die konkrete Wirkung, die solche Reden entfalteten, möchte ich anhand einiger Beispiele verdeutlichen, bevor ich abschließend den Wandel, den die Rhetorik beim Wechsel von Republik zum römischen Kaiserreich durchmachen musste, skizziere.

2. Theorie der Redegattungen im Vergleich Trotz ihrer, über zweitausend Jahre andauernden Geschichte, hat die Rhetoriktheorie eine erstaunliche Einheitlichkeit bewiesen. Ob man nun Joachim Knapes Was ist Rhetorik? oder Aristoteles Rhetorik liest, wird man eine Grundtheorie finden, welche durchaus erweitert, nie aber gänzlich überholt wurde. So verhält es sich auch mit den genera dicendi, den Redegattungen. Aristoteles hält in seinem Werk Rhetorik fest, dass die Redekunst sich mit drei Gattungen befasst, und bei diesen drei Gattungen ist es während der ganzen Antike geblieben 1 . Diese drei Redegattungen sind die Gerichtsrede, die Beratungsrede und die Festrede2. Es gilt zu erwähnen, dass im Laufe der Jahrhunderte neue Redegattungen hinzukamen, wie z.B.: die Predigt3. Gerichtsrede, Beratungsrede und Festrede bilden allerdings den Grundbestand der Redegattungen und sind auch deshalb jene, welche im Verlauf dieser Arbeit näher erläutert werden.

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Vgl. Fuhrmann, Manfred: Die Antike Rhetorik -Eine Einführung-. Mannheim 2011. S. 79 nachfolgend zitiert als Fuhrmann. 2 Vgl. Aristoteles: Rhetorik. Übers. und hrsg. Von Gernot Krapinger. Stuttgart 2012. 1358b 3 nachfolgend zitiert als Aristoteles. 3 Vgl. Ueding, Gert: Klassische Rhetorik. München 2011. S. 54 nachfolgend zitiert als Ueding.

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Aristoteles legt fest, dass der Zweck einer jeden Redegattung auf den Zuhörer ausgerichtet ist. Dieser sei in der Verantwortung mitzudenken und/oder zu urteilen. Des Weiteren gibt er jeder Redegattung noch eine Zeitspanne mit welcher sie sich befasst, sowie ein persuasives Ziel, auf welches sie abzielt4. Geht man demnach so stellt man fest, dass der Zuhörer bei der Beratungs- und Gerichtsrede am Ende ein Urteil fällen, und bei der Festrede zum Mitdenken angespornt werden soll. Fuhrmann sieht in Aristoteles Dreiteilung eine, wie er es nennt, „gewalttätige Reduktion der Wirklichkeit“5. Dies ist nachvollziehbar, kann man doch in der Verantwortung des Zuhörers zu urteilen einen starken Praxisnutzen der Gerichts und Beratungsrede erkennen und in der Verantwortung des Zuhörers mitzudenken, ein etwas schwammig wirkendes Ziel. Der Grund dafür ist, dass der genus demonstrativum von seiner Zweckmäßigkeit nicht so klar definierbar ist, wie etwa die anderen beiden Redegattungen. Daraus ergab sich im Laufe der Rhetoriktheorie, dass die Epideiktik, wie die dritte Redegattung auch genannt wird, noch weiter in Subkategorien unterteilt werden kann. Auf einige davon, werde ich im Rahmen dieser Arbeit auch Bezug nehmen. Analysiert man die erhaltenen antiken Rhetoriklehrbücher so fällt der starke, auf die Politik und auf das Recht orientierte, Praxisbezug der Rhetorik auf. Bedeutung für die Politik hatte die Rhetorik auf Grund der in der Republik herrschenden parlamentarisch, demokratischen, Institutionen. Einen Kaiser, König oder eine andere monarchisch regierende Figur gab es nicht, stattdessen gab es Amtsträger (Magistrate) welche gewählt werden mussten und nur in zeitlich begrenzten Legislaturperioden regierten. Zwar wäre es womöglich etwas gewagt, die römische Republik als Demokratie (im Sinne einer Demokratie wie die der Vereinigten Staaten) zu bezeichnen (dafür machten die Entscheidungsträger nur einen kleinen Teil des römischen Volkes aus), parlamentarische Institutionen wie der Senat und die contiones boten jedoch eine Stätte für eine rege Debattenkultur6. Daher war die Persuasion von Bürgern für die eigene Sache für den Politiker eine Notwendigkeit, um Einfluss zu gewinnen.

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Vgl. ebd. 1358b 1- 59a 7. Fuhrmann S. 79. 6 Vgl. Fuhrmann S. 44-45. 5

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2.1. Anlass, Funktion und Wirkung der Gerichtsrede Seit dem ausgehenden 2. Jahrhundert vor Christus, war es, wie einst auch in Griechenland üblich, Strafprozesse, vor allem jene von öffentlichem Interesse, vor großen Zuschauermassen zu halten 7 . Solche Strafprozesse, auch quaestio perpetua genannt, wurden vor einem Kader aus unterschiedlich vielen, manchmal nur einem, manchmal weit über Fünfundsiebzig Richtern gehalten 8 . Da häufig auf dem öffentlichen Forum gehalten wurden, ist es wohl nicht falsch anzunehmen, dass der Politiker ein gewisses Interesse hatte, solche Gerichtsverfahren zu führen, um Einfluss beim Volk zu gewinnen, seinen Ruf zu verbessern oder politische Gegner zu denunzieren. Wie der Begriff des Gerichtsverfahrens bereits impliziert, so war ein rechtlicher Disput der Anlass für eine Gerichtsrede. Das rhetorische Setting ist dabei durch das Gericht bestimmt und das Telos war verständlicherweise den Fall, um den es geht, zu gewinnen, also Schuld- oder Freispruch zu erzielen. Genauer noch waren Anlässe entweder rechtliche Dispute zwischen Privatpersonen, etwa nach einem vermeintlichen Diebstahl oder einem Ehebruch, oder sie konnten auch größere Dimensionen einnehmen, wie etwa bei einem Verfahren wegen Hochverrats oder Verschwörung gegen den Staat. Wie auch die anderen Reden, ist die Gerichtsrede von einer Dichotomie bestimmt. So tritt der Orator entweder als Ankläger oder als Verteidiger auf. Diese Dichotomie greift Aristoteles in seiner Rhetorik auf, wobei anzunehmen ist, dass diese Gliederung auf Anaximenes zurückgeht9. Aristoteles gibt der Gerichtsrede zudem noch eine zeitliche Spanne und ein Ziel. Zunächst stellt er fest, dass bei ihr über Vergangenes gesprochen wird, „denn es ist immer schon geschehen, was Gegenstand der Anklage oder Verteidigung ist“10. Weiter fügt er dann hinzu, dass der Gerichtsredner herausfinden soll, was Recht und Unrecht ist11. Die Funktion der Gerichtsrede ist es die Richter zum gewünschten Urteilsspruch zu bewegen. Als Ankläger ist man darauf aus, mit seiner Rede einen Schuldspruch zu erzielen. Als Verteidiger gilt es seinen Mandanten frei zu sprechen oder das Strafmaß zu

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Vgl. ebd. S. 45. Vgl. Alexander, Michael C.: Oratory, Rhetoric, and Politics in the Republic. Gefunden in: A Companion to Roman Rhetoric. Hrsg. von William Dominik und Jon Hall. Malden 2007 S.100 nachfolgend zitiert als Alexander. 9 Vgl. Fuhrmann S. 7. 10 Aristoteles 1358b 4. 11 Vgl. Aristoteles 1358b 5. 8

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minimieren. Der Auctor ad Herennium fügt dem Ganzen zudem noch eine zusätzliche Instanz hinzu, nämlich die Sittlichkeit des Falles. So sagt er müsse man unterscheiden ob man etwas anklage oder verteidige, was ehrenhaft (honestum), verwerflich (turpe), zweifelhaft (dubium) oder geringfügig (humile), sei12. Gerade wenn man die Wirkung der Gerichtsrede bedenkt kann man Vermutungen aufstellen, wie der Ausgang des Verfahrens sich auf den Redner auswirkt. Verteidigt ein Orator seinen fälschlich beschuldigten Mandanten erfolgreich, so kann man durchaus von einem ehrenhaften Fall sprechen, welcher sich vermutlich positiv auf das Ethos des Orators auswirkt. Verteidigt er hingegen einen Mörder erfolgreich und kann gar einen Freispruch bewirken, so kann dies sich unter Umständen negativ auf das Image des Orators auswirken. Dass jedoch eine Wirkung von Interesse für die Redner, bei solchen Gerichtsverfahren herauskam oder kommen konnte, ist sehr wahrscheinlich. Zwei Punkte sprechen dabei dafür. Zum einen ist die antike Rhetoriktheorie sehr auf die Gerichtsrede fokussiert, zum anderen ist die Praktizierung der Rhetorik zu Gericht eine Hauptaufgabe der Staatsmänner der Antike gewesen. Dies führte dazu, dass viele Historiker sich bemühten die Rolle der Gerichtsrede in der Politik zu untersuchen. Michael C. Alexander sieht darin jedoch ein Problem der Moderne, nämlich, dass dabei die Rolle der Gerichtsrede falsch eingeschätzt oder überbewertet wurde13. Er führt mehrere Gründe, für die hohe Bewertung der Gerichtsrede auf: So wurden in den quaestio perpetua üblicherweise Fälle, von Interesse für die Öffentlichkeit, behandelt. Die Verfahren entsprangen oft aus einem politischen Grund heraus, da die Ankläger oder Verteidiger nicht selten Politiker waren. Einen persönlichen, politischen Feind im Gericht zu überführen, war zudem durchaus von Vorteil für den einen oder anderen Politiker14. Betrachtet man die aufgeführten Punkte, so scheint die politische Tragweise beachtlich. Einen Feind zu diffamieren, sich selbst besser darzustellen und vor dem Volk einen guten Eindruck zu machen, waren durchaus Motivationen für den Orator der Antike, sich in die gerichtliche Arena zu begeben. Man sollte aber kritisch bewerten, wie sehr das Resultat aus einem Gerichtsverfahren sich tatsächlich auf die politische Laufbahn auswirkte. Es ist nicht zu vergessen, dass, insofern der handelnde Orator nicht persönlich angeklagt war, man die Fälle im Sinne seiner

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Vgl. Auctor ad Herennium: Rhetorica ad Herennium. Übers. und hrsg. von Friedhelm L. Müller. Aachen 1994. Buch I § 5 nachfolgend zitiert als Auctor ad Herennium. 13 Vgl. Alexander S. 101. 14 Vgl. ebd. S. 101-102.

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Klienten führte14. Der Verteidiger oder Ankläger sprach für seinen Mandanten und löste ihn damit ein Stück weit von der Eigenverantwortung des Falls15. Man vergleiche dies mit einem modernen Gerichtsverfahren, in dem ein Anwalt beauftragt ist einen Mörder zu verteidigen. Was vielleicht verwerflich klingen mag, ist für den Anwalt letztendlich nichts weiter als die Ausübung seines Berufs. Ebenfalls gemäßigter zu beurteilen ist es, wie sehr der Orator die zuschauende Menge (corona) adressierte16. Man könne durchaus vermuten, dass die corona, neben den Richtern, als eine Art zweiter Adressat fungiert. Alexander merkt jedoch an, dass Oratoren wie Cicero die corona eher als Stimmungsbarometer (um den Redner einen Eindruck seiner Wirkung zu vermitteln) sahen, als tatsächliche Adressaten die es zu überzeugen galt17. Es ist nicht falsch den Gerichtsreden eine gewisse politische Bedeutung zuzuschreiben, jedoch sollte man bei ihrer Bewertung in staatlichen Angelegenheiten vorsichtig sein. Politik wurde selten im Gericht betrieben, sondern eher in den dafür vorgesehen staatlichen Einrichtungen.

2.2. Anlass, Funktion und Wirkung der Beratungsrede Die Beratungsrede ist eine, wenn nicht sogar die wichtigste, Redegattung in der politischen Willensbildung der römischen Republik gewesen. Zwei Faktoren für die Wichtigkeit dieser Redegattung sind dabei zu beachten. Zum einen war die mächtigste und einflussreichste Institution des Staates der Senat, in welchem über alle Angelegenheiten die den Staat betreffen diskutiert und beraten wurde. Zum anderen wurde von einem Politiker im antiken Rom erwartet, dass er der Rhetorik mächtig war. Nur die Feldherrenkunst galt als noch wichtiger18. Der Grund für die hohe Bedeutung der Beratungsrede lag darin, dass sie üblicherweise der Typus war, welchen eben jene Politiker und Senatoren anwandten, um in politischen Dingen zu beraten. Ziel dabei war es die anderen Akteure zu überzeugen, für die eigene Sache zu stimmen. Aristoteles bezeichnet die Beratungsrede, ihres politischen Charakters wegen, auch als Volksrede.

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Vgl. ebd. S. 102. Vgl. ebd. S. 102. 16 Vgl. ebd. S. 104. 17 Vgl. ebd. S. 105. 18 Vgl. ebd. S. 99. 15

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Auch er weist ihr eine Dichotomie zu. So gibt es nach ihm die zu und abratende Rede19 Wie auch schon der Gerichtsrede gibt er der Beratungsrede eine eigene Zeitspanne und ein Ziel. Die Zeitspanne mit der sich die Beratungsrede beschäftigt sei die Zukunft20. Das Ziel sei nach Aristoteles das Nützliche zu finden, denn „der der zuredet, rät zum Besseren, der, der abrät, rät von etwas Schlechterem ab“21. Aristoteles zeitliche und teleologische Kategorisierung

der

Redegattungen

ist

etwas,

was

auch

spätere

römische

Rhetoriklehrbücher aufgreifen. So sieht auch der Auctor ad Herennium den Nutzen (utilitas) als das Ziel der Beratungsrede. Er fügt außerdem noch zwei politische Bereiche des Nutzens ein. So gibt es nach ihm das Sichere und das Ehrenhafte. Das Sichere bezieht sich auf den Schutz und die Gewährleistung und das Ehrenhafte auf die Tugendhaftigkeit der Handlung22. Um den Anlass näher zu betrachten, gilt es zunächst die Institutionen, in welchen Beratungsreden gehalten wurden, zu charakterisieren. Zwei Institutionen werde ich dabei näher hervorheben. Zum einen die contiones und zum anderen den Senat. Bei den contiones handelte es sich um eine Zusammenkunft, welche vor den comitias (Volksversammlungen) stattfand. Während in den comitias konkrete Entscheidungen, durch Abstimmung, getroffen wurden, so wurde in den contiones das zu behandelnde Thema (z.B.: Pro und Kontra eines Gesetzesentwurfs) diskutiert23. Diese Zusammenkünfte boten den Politikern eine Plattform um ihre Position zu vertreten und Einfluss zu gewinnen. Sie waren zentral um Unterstützung, gerade vom Volk, zu erhalten24. Um eine Rede vor einem contio zu halten, war allerdings ein gewisser sozialer Rang (dignitas) nötig, da nicht einfach jeder eine Rede halten durfte25. Dies zeigt, welche Bedeutung diese Rede-Plattform für den Politiker der römischen Republik hatte, da sie nur einem ausgewählten Kreis an Oratoren, und damit potentiellen Meinungsmachern, bot. Die zweite wichtige, vielleicht sogar wichtigste, Institution der Republik war der Senat. Der Senat stellt dabei eine der ältesten politischen Einrichtungen der Republik dar, 19

Vgl. Aristoteles 1358b 3. Vgl. ebd. 1358b 4. 21 Ebd. 1358b 3-5. 22 Vgl. Auctor ad Herennium Buch III § 1-3. 23 Vgl. Alexander S. 99. 24 Vgl. ebd. Alexander S. 100. 25 Dugan, John: Rhetoric and the Roman Republic. Gefunden in: The Cambridge Companion to Ancient Rhetoric. Hrsg. von Erik Gunderson. Cambridge 2009. S. 180 nachfolgend zitiert als Dugan. 20

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stammte er bereits aus der römischen Königszeit26. Setzte er sich anfangs nur aus der Aristokratie zusammen, so wurden später alle Politiker die mindestens die Quästur innehielten in den Senat aufgenommen. Wer Mitglied wurde, war dies auf Lebenszeit, es sei denn, er wurde wegen eines Vergehens oder einer anderen Missetat des Amtes verwiesen27. Der Senat war in so mancher Hinsicht eine Besonderheit der antiken Politik. So gab es keine vergleichsweise Institution in der griechischen Polis, einen Grund den Ramsey aufführt, weshalb griechische und, auf griechischer Theorie basierende, römische Rhetorikhandbücher wenig zu dem genus deliberativum vor dem Senat zu sagen hatten28. Ein anderer interessanter Aspekt war, dass der Senat selbst keine Gesetze erließ, sondern die Sitten die herrschten bestimmte29. Der Senat bestimmte außerdem über die Finanzen, die Außen- sowie die Innenpolitik der römischen Republik30. Durch die Hoheitsgewalt über die Innenpolitik behandelte er Angelegenheiten von öffentlichem Interesse. Er konnte von Magistraten zusammenberufen werden, falls diese ein zu Thema zu diskutieren hatten 31 . Der Senat konnte zudem noch den Konsuln, durch den Senatus Consultum Ultimum, höchste Aktionsgewalt zugestehen, falls er durch externe oder interne Bedrohungen, Gefahr für die Republik fürchtete33. Wie auch schon in den contiones durfte nur eine begrenzte Anzahl an ausgewählten Rednern sprechen. Umso wichtiger daher für diejenigen die es konnten, das Wort zu ergreifen. Anlässe für die Beratungsrede boten sich zahlreiche. Sei es nun um einen Gesetzesentwurf zu diskutieren oder eine Staatskrise abzuwenden. Das rhetorische Setting ist dabei abhängig vom Grund der Rede. Ging es um konkrete Gesetzesfindung, so wurde dies üblicherweise in den stattfindenden contiones besprochen, wohingegen bei Angelegenheiten wie einer Staatskrise man vor dem Senat sprach oder der Senat sogar das Treffen einberief. Die Funktion der Rede war dabei, wie zuvor erwähnt, den besten Nutzen zu stiften, also mit der jeweiligen Situation am besten umzugehen. Freilich war dies von der Einstellung des jeweiligen Politikers gefärbt. Ramsay weist darauf hin, dass Ciceros Briefe uns als Quelle für die Vorgehensweise der Politiker im Senat dienen. So hält er fest, dass von den 26

Vgl. Ramsey, John T.: Roman Senatorial Oratory. Gefunden in: A Companion to Roman Rhetoric. Hrsg. von William Dominik und Jon Hall. Malden 2007. S. 122 nachfolgend zitiert als Ramsey. 27 Vgl. Ramsey S. 122. 28 Vgl. ebd. S. 122. 29 Vgl. Heitland, W. E.: The Roman Republic -Volume I-. Cambridge 2014. S. 126 nachfolgend zitiert als Heitland. 30 Vgl. ebd. S. 126. 31 Vgl. Ramsey S. 122. 33 Vgl. Dugan. S. 183.

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Senatoren erwartet wurde, dass sie über ein breites Spektrum an Themen, ohne große Vorbereitung, sprechen konnten32. Die Reden sollten damit innerstaatliche Konflikte oder Probleme zügig abarbeiten und den Mitgliedern ein Bild geben können um zu einer Entscheidungsfindung zu gelangen. Gerade in Kriegsangelegenheiten (etwas das dem Senat unterstand) oder drohenden Krisen, kam es zu vielen Tagungen des Senats, oft mehrere Tage am Stück33. Die Funktion der Beratungsrede war dabei unerlässlich um zu einem Ergebnis zu gelangen. Für den Politiker selbst hatte die Rede zudem noch die Funktion sein Ansehen zu erhöhen und seinen Einfluss zu verbessern. Die Wirkung der auctoritas (die Autorität oder Würde des Politikers) wurde so vergrößert, was dem Orator ein größeres Ethos verlieh, etwas das Notwendig war um in den contiones sowie vor dem Senat Gehör zu finden34. Die Wirkung die eine solche Rede haben konnte, lässt sich am besten an einem Beispiel verdeutlichen. Ein Gutes ist dabei die erste Rede gegen Catilina, die Cicero am 7. November 63 v. Chr. vor dem Senat hielt

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. Dabei bezichtigte er Catilina der

Verschwörung gegen die Republik und warf ihm vor, einen Staatsstreich durchführen zu wollen. Obwohl er Konsul war, fehlten ihm handfeste Beweise um eine Verurteilung zu rechtfertigen, weswegen er die Rede im Stile einer Beratungsrede, mit Elementen einer Gerichtsrede, hielt38. Die Rede muss dabei eine enorme Wirkung entfesselt haben, so schreibt Sallust, dass die Senatoren Catilina einen Mörder und Verräter schimpften und dieser aus dem Senat und noch am gleichen Abend aus der Stadt floh, was Cicero den endgültigen Beweis für dessen Schuld lieferte 36 . Das Beispiel stellt dar, zu welcher Wirkung eine Beratungsrede im Stande ist und wie ein Orator sein inneres Zertum geltend machen kann. Er überzeugte nicht nur die übrigen Senatoren von Catilinas Schuld, sondern brachte diesen noch dazu ihm den benötigten Beweis zu liefern.

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Vgl. Ramsey. S. 126. Vgl. ebd. S. 125. 34 Vgl. Dugan. S. 179. 35 Vgl. Knape, Joachim: Was ist Rhetorik? Stuttgart 2012. S. 13 nachfolgend zitiert als Knape 38 Vgl. ebd. S. 14. 36 Sallust: The War with Catiline. Gefunden in: Sallust. Übers. und hrsg. von J. C. Rolfe. London 1995. XXXI 5XXXII 1 nachfolgend zitiert als Sallust. 33

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2.3 Anlässe, Funktion und Wirkung der Epideiktik Wie zuvor bemerkt, ist die Rolle des genus demonstrativum, auch bekannt als Epideiktik, in vielerlei Hinsicht eine Sonderbare. Aristoteles behandelt sie vergleichsweise knapp und spricht ihr ebenfalls eine Sonderposition zu. So sei es die einzige Redegattung, bei welcher der Zuhörer kein Urteil fällt, sondern mitdenken soll 37. Der Zuhörer nimmt also augenscheinlich eine gänzlich passive Rolle ein. Auch die Zeitspanne ist undeutlich, so bevorzugt „der Festredner die Gegenwart, denn alle preisen und tadeln gegenwärtiges Vorliegen, erinnern allerdings oft zusätzlich an Vergangenes oder vermuten Zukünftiges“38. Das Ziel sieht Aristoteles dabei herauszufinden, was das ehrbare oder schändliche ist und trennen tut er die Rede in Lob- und Tadelrede39. Hier muss man jedoch erwähnen, dass die Lobesrede jene ist, die Aristoteles dann näher erörtert, vermutlich da die reine Tadelsrede selten, bis gar nicht vorkam40. Was auffällig ist, ist das Aristoteles der Festrede eine sehr starke moralische Komponente zuschreibt. So sei es die Rede, die sich am stärksten mit Tugend und dem Edlen befasst. Auch erwähnt er, dass die moralische Integrität und der Charakter (Ethos) des Orators eine starke Rolle spielen, beim Vortrag dieser Redegattung41. Auch der Auctor ad Herennium greift die Bedeutung der Tugend und des tugendhaften Orators auf. Er erwähnt, dass die Lob- oder Tadelrede im täglichen Leben seltener vorkommt, rät aber dennoch diese zu erlernen, da in der gerichtlichen- sowie in der beratenden Rede häufig gelobt und getadelt wird42. Dies ist ein nicht zu missachtender Aspekt, denn auch wenn die drei Redegattungen voneinander getrennte Ziele und Maßnahmen haben, so überschneiden sie sich häufig in manchen Punkten, so dass eine Gerichtsrede durchaus beratende Elemente haben kann (wie etwa am besten bei einer Verurteilung mit dem Angeklagten zu verfahren ist) oder eine Beratungsrede auch gerichtliche, verurteilende Elemente haben kann (man sehe sich nur die erste Rede Ciceros gegen Catilina an). Daher können auch die lobenden, oder tadelnden Elemente in einer Rede durchaus persuasiv teleologisch sein. So hält Ueding fest, dass die Festrede in abgeschwächter Form „Konsens oder Dissens, verstärkend, schwächend oder relativierend wirken kann“43. Man sollte aber hierbei trennen ob man

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Vgl. Aristoteles 1358b 2. Vgl. ebd. 1358b 4. 39 Vgl. ebd. 1358b 5. 40 Vgl. Fuhrmann S. 80. 41 Vgl. ebd. 1358b 1-8. 42 Vgl. Auctor ad Herennium Buch III $ 15. 43 Ueding S. 54-55. 38

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von der Epideiktik als eigenen genus spricht, oder ob man von den epideiktik-typischen Topiken spricht. Wo letztes durchaus seinen Nutzen in der Rede fand (gerade Cicero war für seinen Gebrauch von epideiktischer Rhetorik in beratenden und gerichtlichen Reden bekannt44), so war der reine genus demonstrativum vergleichsweise selten vertreten. Ein Grund dafür mag vielleicht sein, dass die Epideiktik im Vergleich zur Gerichts oder Beratungsrede kaum einen praktischen Nutzen hatte. Die genera deliberativum und iudicale fanden ihre Bedeutung im politischen Alltag und die Epideiktik eher weniger. Einen anderen Grund sieht Roger Rees in der Abneigung der Römer gegenüber der „ausschweifenden (self-indulgent) und nutzlosen (lack of utility)“ epideiktischen Beredsamkeit der Griechen45. Wenn der festliche Stil eher mit Argwohn betrachtet wurde, so war dies womöglich Grund genug sich nicht näher damit zu befassen. Trotz ihrer Sonderstellung boten sich Anlässe für die Epideiktik. Ein besonderer Anlass war dabei ein Begräbnis zu dem eine laudatio funebris, eine Grabesrede gehalten wurde. Die laudatio funebris wurde dabei häufig von einem nahen Familienmitglied gehalten und nicht selten wurde im Laufe der Rede das ganze Familiengeschlecht lobend hervorgehoben. Bei Staatsbegräbnissen wurden die Redner häufig vom Senat gestellt und später in der Kaiserzeit waren es üblicherweise Mitglieder der kaiserlichen Familie46. Die Funktion war dabei, wie schon angedeutet, die Bedeutung des Familiengeschlechts hervorzuheben und lobend darzustellen. Ebenso war auch die Würdigung des Toten und seine Leistungen ein zentrales Thema. Für eine durchaus beachtliche Wirkung, die eine laudatio funebris entfalten konnte, kann man die Rede die Marcus Antonius zum Begräbnis von Julius Caesar hielt heranziehen. Der authentische Wortlaut dieser Rede ist uns zwar nicht mehr erhalten, eine literarische Darstellung und ihre Wirkung aber wurde von William Shakespeare, in seinem Werk Julius Caesar, nach Angaben von Plutarch, aufgearbeitet47. So war Antonius in der Lage, durch konkrete Veranschaulichung (evidentia), das direkte Zeigen der blutgetränkten Tunika Caesars, und durch eine flammende Rede in der er die Mörder Caesars als

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Vgl. Rees, Roger: Panegyric. Gefunden in: A Companion to Roman Rhetoric. Hrsg. von William Dominik und Jon Hall. Malden 2007. S. 139 nachfolgend zitiert als Rees. 45 Ebd. S. 137. 46 Vgl. Kierdorf, Wilhelm: "Laudatio funebris." Der Neue Pauly. Herausgegeben von: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester. Brill Online 2016. Reference. Universitaetsbibliothek Tuebingen. online unter: http://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/laudatio-funebris-e632640 (Datum: 14 Mai 2016). 47 Vgl. Knape S. 17.

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Staatsfeinde diffamierte, höchste Affekte zu erzeugen48. Dies führte letztendlich dazu, dass die Menge in Rage geriet und den Tod der Mörder verlangte49. Freilich war eine solche krasse Wirkung eine Seltenheit, nichts desto trotz ist es eine erwähnenswerte Leistung. Mehr noch für eine Redegattung welche eher mit kritischem Argwohn betrachtet wurde50.

3. Wandel der Redegattungen mit der Kaiserzeit Mit dem Untergang der Republik, änderte sich auch das Rhetorikverhalten in Rom, welches ich hier nur kurz skizzieren möchte. Es herrschte fortan ein Kaiser und dieser hatte als primus inter pares (Erster unter Gleichen) eine Vormachtstellung gegenüber den Mitgliedern des Senats, und allen anderen staatlichen Institutionen, was ihn faktisch zum Alleinherrscher machte. Für die Rhetorik der Gerichtsrede und Beratungsrede bedeutete das ein Einbruch in ihrer Wirkung und ihrem Einfluss für den Orator 51 . Dies ging allerdings einher mit einem Zuwachs an politischer Bedeutung für die Epideiktik 52 . Anlässe boten sich zahlreiche, seien es Festreden nach erfolgreichen Feldzügen, Danksagungen oder andere, fast propagandistische Reden zugunsten des Kaiserhauses53. Diese Form der Epideiktik, welche eher der griechischen Panegyrik (also einer festlichen Lobrede54) entsprach, gewann an Bedeutung und bot dem Orator und der Rhetorik immer noch einen festen Platz im politischen Gefüge. In der Entwicklung der Epideiktik sieht Thomas Zinsmaier zudem eine „Erweiterung des Gegenstandsbereichs der Epideiktik, die bereits auf ihre breite Ausfächerung in der Spätantike vorausweist“55. Was die anderen beiden Redegattungen anging, so gerieten sie nicht in Vergessenheit oder wurden nicht mehr praktiziert. Sie waren immer noch Bestand des Rhetorikunterrichts und wurden als sogenannte declamationes (Übungsreden) gelehrt.

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Vgl. ebd. S. 19. Vgl. ebd. S. 20 Anmerkung: Knape zitiert aus dem Brutus der mir nicht zur Verfügung stand. 50 Vgl. Rees S. 136. 51 Vgl. Zinsmaier, Thomas: Epideiktik zwischen Affirmation und Artistik -Die antike Theorie der feiernden Rede im historischen Aufriß-. Online unter: http://www.rhetorik.unituebingen.de/wpcontent/uploads/2013/05/Zinsmaier_Epideiktik.pdf (Datum: 14.05.2016) S. 19 nachfolgend als Zinsmaier. 52 Vgl. ebd. S. 19. 53 Vgl. ebd. S. 19-20. 54 Vgl. Ronning, Christian: Herrscherpanegyrik unter Trajan und Konstantin. Tübingen 2007. S. 24. 55 Ebd. S. 21. 49

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Diese wurden von Schülern kreiert zu meist fiktiven Fällen oder Themen56. Die Rhetorik sollte also weiterhin im Bildungs- und Kulturkanon der Antike (und noch weiter darüber hinaus) bestehen.

4. Schlusswort Die drei Redegattungen bilden, wie eingangs bereits erwähnt, den Kern der Redekategorien und auch der Rhetoriktheorie. Ob nun bei Ciceros Redesammlung oder einzelne Reden aus der Antike, an wohl den meisten sind die Redegattungen als Grundstruktur zu erkennen. Auch wenn die antike Gattungstheorie stellenweise etwas stark reduktionistisch erscheinen mag, so ist die Orientierung nach beratender, gerichtlicher, und epideiktischer Rede sicherlich nicht falsch. „Die Rhetorik sei also als Fähigkeit definiert, das Überzeugende, das jeder Sache innewohnt zu erkennen“ 57, stellt Aristoteles fest. Verfolge ich nun als Orator ein persuasives Ziel, so werde ich meine Rede stets um dieses konstruieren und mich daran orientieren ob ich abraten oder zuraten, anklagen oder verteidigen oder es positiv oder negativ darstellen möchte. Auch wenn die Rede sich dabei der Stilmitten und Topiken der anderen Gattungen bedient, so wird es aber wohl immer einen roten Faden, in Form einer Grundstruktur und eines Telos geben, welchen die Rede beinhaltet und verfolgt. Dazu vermochten und vermögen die drei Redegattungen als Schema gut zu dienen.

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Vgl. Fuhrmann S. 65. Aristoteles 1355b 1.

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4. Literaturverzeichnis -Aristoteles: Rhetorik. Übers. und hrsg. Von Gernot Krapinger. Stuttgart 2012. -Alexander, Michael C.: Oratory, Rhetoric, and Politics in the Republic. Gefunden in: A Companion to Roman Rhetoric. Hrsg. von William Dominik und Jon Hall. Malden 2007. -Auctor ad Herennium: Rhetorica ad Herennium. Übers. und hrsg. von Friedhelm L. Müller. Aachen 1994. -Dugan, John: Rhetoric and the Roman Republic. Gefunden in: The Cambridge Companion to Ancient Rhetoric. Hrsg. von Erik Gunderson. Cambridge 2009. -Fuhrmann, Manfred: Die Antike Rhetorik -Eine Einführung-. Mannheim 2011. -Heitland, W. E.: The Roman Republic -Volume I-. Cambridge 2014. -Knape, Joachim: Was ist Rhetorik? Stuttgart 2012. -Kierdorf, Wilhelm: "Laudatio funebris." Der Neue Pauly. Herausgegeben von: Hubert Cancik, Helmuth Schneider, Manfred Landfester. Brill Online 2016. Reference. Universitaetsbibliothek Tuebingen. online unter: http://referenceworks.brillonline.com/entries/der-neue-pauly/laudatio-funebris-e632640 (Datum: 14 Mai 2016). -Ramsey, John T.: Roman Senatorial Oratory. Gefunden in: A Companion to Roman Rhetoric. Hrsg. von William Dominik und Jon Hall. Malden 2007. -Rees, Roger: Panegyric. Gefunden in: A Companion to Roman Rhetoric. Hrsg. von William Dominik und Jon Hall. Malden 2007. -Ronning, Christian: Herrscherpanegyrik unter Trajan und Konstantin. Tübingen 2007. Ueding, Gert: Klassische Rhetorik. München 2011. -Zinsmaier, Thomas: Epideiktik zwischen Affirmation und Artistik -Die antike Theorie der feiernden Rede im historischen Aufriß-. online unter: http://www.rhetorik.unituebingen.de/wpcontent/uploads/2013/05/Zinsmaier_Epideiktik.pdf (Datum: 14.05.2016).

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