Vier Männer und ein Bild. Was verbindet Kunz von der Rosen, Gonsalvo di Cordova, Klaus Störtebeker und Florian Geyer? Über das sogenannte Störtebeker-Porträt, in: Jörgen Bracker (Hg.): Gottes Freund – Aller Welt Feind. Von Seeraub und Konvoifahrt. Störtebeker und die Folgen, Hamburg 2001, S. 36-51.

May 26, 2017 | Author: Gregor Rohmann | Category: Public History, History of Piracy, Piracy, Mittelalter-Rezeption, The Hansa League, Hamburg, Rezeptionsgeschichte, Hansa, Hamburg, Rezeptionsgeschichte, Hansa
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Vier Männer und ein Bild Was verbindet Kunz von der Rosen, Gonsalvo di Cord ova, Klaus Störtebeker und Florian Geyer? Über das sogenannte Störtebeker-Porträt. Gregor Rohmann I : ;

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Der Fall ist bekannt. Jede und jeder in Hamburg mit einem gewissen Interesse für die Geschichte der Stadt kennt das Porträt des Klaus Störtebeker. Und wie es bei allgemein bekannten historischen Sachverhalten oft der Fall ist, hat wohl jede und jeder eine eigene Version der Geschichte zu erzählen. Dinge, über die jeder Bescheid zu wissen meint, gelten schnell als erledigt, auch wenn sie bei näherem Hinsehen alles andere als klar sind. In der populären Wahrnehmung wird das bekannte Bildnis wohl immer als das des berühmt-berüchtigten Seeräubers Klaus Störtebeker gelten. Um als Experte durchzugehen, genügt in aller Regel der Hinweis, dass es sich vielmehr um ein Bildnis des Kunz von der Rosen, des "Hofnarren" Kaiser Maximilians 1., handele - eine Erkenntnis, die immerhin in das Jahr 1808 datiert (Bartsch 1808,493, Nr. 87).

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Wenn der vorliegende Versuch die kunsthistorische Forschung der seitdem vergangenen zweihundert Jahre recht überblickt (und um mehr kann es hier keinesfalls gehen), zeichnet sich jedoch ein vielschichtigeres Bild ab. Des Kaisers Kumpan: Kunz von der Rosen Kaiser Maximilian I. (dt. König ab 1486; erwählter röm. Kaiser 1508-1519) war nicht nur "der letzte Ritter", sondern vor allem der erste Kaiser der Neuzeit - ein Herrscher, der sehr gezielt das Bild manipulierte, das sich die Öffentlichkeit - soweit es eine solche in den Anfangstagen des Drucks schon gab - von ihm machte. So war das Bild vom "letzten Ritter" Produkt eines ganz "modernen" Umgangs mit den neuen Medien der 36

Zeit, mit Buchdruck und Druckgraphik (vgl. Müller 1982). In Augsburg, das viele für die heimliche Hauptstadt Maximilians hielten (vgl. Böhm 1998), wollte der Kaiser sich vor allem als leutseliger Kumpan gesehen wissen. Der lebende Beweis für diese ständeübergreifende Unkompliziertheit des Habsburgers war Kunz von der Rosen (um 1460-1519), seit seiner Hochzeit 1509 Bürger von Augsburg und seit 1478 in Diensten des Erzherzogs und späteren Kaisers. Kunz von der Rosen hatte sich vom Söldner zum Berater und Dolmetscher Maximilians hochgedient (ADB 29, 195ff.; Panofsky 1942, 47; Schaar 1991, 56; Rohmann 2001). In der Entourage des Kaisers war er bald für die besonders waghalsigen und besonders amüsanten Draufgängereien zuständig. Wenn er offiziell als Hofnarr firmierte, so interpretierte er diese Rolle doch ganz neu: Kunz von der Rosen war dafür zuständig, in der Öffentlichkeit die Bodenständigkeit des Kaisers zu vermitteln. Zahlreiche Anekdoten über seine derben Scherze und riskanten Kriegslisten vermitteln einen Eindruck von seiner Popularität. Ausdruck dieser Bekanntheit sind mehrere überlieferte Porträts des Kunz von der Rosen, so vier Silberstift-Porträtskizzen von Hans Holbein dem Älteren (Tietze-Conrat 1935, 100; Panofsky 1942, 47; Hofmann 1983, Nr. 73), und eine hölzerne Matrize für eine Medaille von der Hand des Hans Schwarz (Tietze-Conrat 1935,100, Anm. 2; Panofsky 1942, 47). 1. (?) Als nun im Jahr 1512 der Kaiser mit seinen Beratern die Publikation einer großen Kupferstichserie zur Verherrlichung seines Hofes plante, des sogenannten "Tri-

umphzuges Kaiser Maximilians", sollte auch der zum Hofnarren avancierte Söldner abgebildet werden, als Standartenträger zu Pferde dem Wagen mit den Schalksnarren vorwegreitend. Der Augsburger Maler Hans Burgkmair (1473-ca. 1531; vgl. Thieme-Becker V, 252-258), der diese Partie des Triumphzuges zu bearbeiten hatte, wird nun, so hat Erwin Panofsky schlüssig angenommen, Vorstudien zu dem Porträt des Kunz von der Rosen gemacht haben. Da er ein Reiterporträt vorbereitete, skizzierte er Kunz von der Rosen breitbeinig auf einer Mauer sitzend, in einer Haltung, der im Grunde nur das Pferd fehlt (Panofsky 1942, 49f.; vgl. jedoch Tietze-Conrat 1935, 100). 2. Wohl im Jahr 1515 nahm der Augsburger Kupferstecher, Radierer und Maler Daniel Hopfer (um 1470-1536; vgl. Thieme-Becker XVII, 474ff.) die - von Panofsky angenommene, aber nicht überlieferte - Vorstudie für Burgkmairs Reiterporträt als Vorlage zu einer Radierung mit dem Porträt des Kunz von der Rosen. Es handelt sich bei dieser Radierung um die älteste Fassung des uns bekannten Porträts, nach rechts blickend, vor einem Wolkenhimmel im Hintergrund und bis auf die Signatur des Künstlers unten links neben dem rechten Oberschenkel der Figur ohne Inschrift (Hol1stein 1986, Nr. 97, I). Ausgeführt wurde dieses Porträt nicht als Kupferstich, sondern als Radierung. Die Druckvorlage wurde nicht in eine Kupferplatte mittels eines Grabstichels eingraviert, sondern in eine aus gehärtetem Eisen geschmiedete Platte geätzt - eine Technik, deren Anwendung für die Vervielfältigung von Bildern gerade erst im Aufkommen begriffen war. Porträts als Kupferstich oder Radierung - in einer Auflage von vielleicht 100 bis 500 Stück - wurden gerade Anfang des 16. Jahrhunderts modern. Man konnte sie bei den Buchhändlern erstehen und sammeln oder sich an die Wand hängen. Vielfach wurden sie auch von den Dargestellten in Auftrag gegeben und an Freunde und Bekannte verschenkt (Panofsky 1942, 53ff.). Ihre Herstellung war wie der Buchdruck in erster Linie

ein Geschäft und somit abhängig von der Marktlage. Kunz von der Rosen scheint um 1515 zumindest in Augsburg so populär gewesen zu sein, dass man ihn auch ohne die sonst vielfach übliche Namenslegende wiedererkannte. Unklar ist, wie oft nun Hopfer oder seine Nachfolger mit der betreffenden Platte druckten. 3. Dass Kunz von der Rosen sich gut verkaufte, dokumentiert ein Nachstich der Hopferschen Radierung: dieses mal als Kupferstich, im Gegensinn, d.h. seitenverkehrt, mit kleinerem Bildausschnitt, der den Unterleib und die Ellenbogen abschneidet (Bartsch 1808,493, Nr. 87; Hollstein 1986, Nr. 97A).

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Abb.1: Daniel Hopfer: Kunz von der Rosen. Radierung, 1515; mit der Originalplatte zwischen 1682 und 1696 nachgedruckt in: David Funck: Opera Hopferiana; Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.- Nr. 11450 (vgl. Nr. 9).

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Daniel Hopfer (7): Kunz von der Rosen. Nachstich mit der Signatur Daniel Hopfers; aus: Bents 1990 (vgl. Nr. 3).

Rechts neben dem Hals der Figur ist wiederum die Signatur Daniel Hopfers gegeben, hier jedoch mit dem sogenannten Augsburger Stadtpir, dem Wappenzeichen der Reichsstadt. Dieses zapfen- oder traubenähnliche Gebilde auf einem Kelchfuß führten Daniel Hopfer und seine Söhne in ihrem 1524 von Kaiser Karl V. verliehenen Wappen (Harzen 1859, 131). Schon zuvor nutzten sie es jedoch auch für die Signaturen ihrer Werke (TIetze-Conrat 1935, 97). Die 1802 von Silberberg in Frankfurt nachgedruckten Hopferschen Radierungen haben allesamt den Stadtpir bei der Signatur (Silberberg 1802). Der seitenverkehrte Nachstich geht also entweder ebenfalls auf Hopfer zurück, oder aber der Nachstecher legte Wert auf die Zuschreibung seines Werkes an den Augsburger Künstler (Abb. 2). 4. Und die Popularität des Draufgängers aus der Entourage des Kaisers hielt offenbar an: In den Jahren 1555 bis 1560 ließ sich Hans Jacob Fugger (1516-1575) von dem Augs38

burger Schustermeister, Ratsherren, dann Ratsdiener und zuletzt Zöllner, vor allem jedoch Geschichtsschreiber Clemens Jäger (um 1500-1560) eine Geschichte des Kaiserhauses schreiben und von Künstlern aus der Nachfolge Georg Breus des Jüngeren (um 1510-1547; vgl. Thieme-Becker IV, 596f.) in einer prächtigen zweibändigen Handschrift gestalten (Rohmann 2001). Hans Jacob Fugger, Neffe des großen Anton Fugger, Herr von Kirchberg, Graf von Weissenhorn, Kaiserlicher und Königlicher Rat, zugleich Bürgermeister und Geheimer Rat von Augsburg und Juniorchef der zunehmend in die Krise geratenden Handelsgesellschaft, nach dem Tod seines Onkels der "erste Bankerotteur des Hauses Fugger" (von Pölnitz), wollte diesen" Habsburgischen Ehrenspiegel " seinen Nachkommen als Dokument der Nähe seines Hauses zum Kaiserhaus hinterlassen. Für das prekäre Verhältnis des Bankiers zu seinem politisch übermächtigen Schuldner war nun ausgerechnet Kunz von der Rosen ein Vorbild: Wie dieser sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte für seinen Herren, dafür diesem aber auch gelegentlich ein offenes Wort sagen konnte, so stellten sich auch die Fugger ihr Treuverhältnis zu den Habsburgern vor. Der" Habsburgische Ehrenspiegel" enthält daher eine ausführliche Biographie des Kunz von der Rosen, mitsamt einigen seiner schönsten Streiche und einem ganzseitigen Porträt: Einer Feder- und Tuschezeichnung nach der Hopferschen Radierung (Abb. 3). Die älteste, nur schriftliche Fassung des" Ehrenspiegels" in der Österreichischen Nationalbibliothek Wien (cvp 8614 *) enthält dieses Porträt noch nicht, wohl aber die älteste Prachtfassung in der Bayerischen Staatsbibliothek in München (cgm 896, fol. 330r.; vgl. TIetze-Conrat 1935, 100; Panofsky 1942, 44, und Lit. zu 5./6.). 5./6. Auch die vom Ende des 16. Jahrhunderts stammende Fassung in Wien (cvp 8614, fol. 311 r.; vgl. Bartsch 1808,493; Laurent 1847, 65; Harzen 1859, 128; Hind 1978, 256) und die mit dieser gleichzeitige, im Zweiten Weltkrieg zerstörte Dresdener Handschrift enthalten bzw. enthielten das

nämliche Porträt (Goetze 1744,28; Laurent 1847,66). Diese Miniaturen spielten nun für die Identifikation des von Hopfer Porträtierten eine wichtige Rolle, zeigen sie doch, dass die Radierung von 1515 Vierzig Jahre später als Bildnis des Kunz von der Rosen gesehen wurde (Hind 1978,256; Panofsky 1942,47; Bents 1990, 90f.; kritisch: TIetze-Conrat 1935, 100). Dass es sich hierbei um einen beispielhaften Zirkelschluß handelt, liegt jedoch auf der Hand: Radierung und Buchillustration belegen sich gegenseitig. Zu fragen wäre auch, ob die viel beschworene Quellentreue Hans Jacob Fuggers für die Bebilderung des" Ehrenspiegels " irgendeine Relevanz gehabt haben könnte: Der Augsburger Kaufherr und Politiker hat nicht nur die Bilder nicht selbst gemalt, er hat auch das Buch nicht selbst geschrieben (Hartig 1917, 199; Maasen 1922, 68f.; Roth 1927, 1ff., 63105; Friedhuber 1973). Und die angebliche Quellentreue Clemens Jägers steht auf einem ganz anderen Blatt (Rohmann 2001). Als 1668 der Nürnberger Poet Sigmund von Birken den "Ehrenspiegel" überarbeitete und im Druck herausgab, tilgte er die Kurzbiographie des Kunz von der Rosen bis auf einige Anekdoten, die er in die Lebensbeschreibung Maximilians I. einfügte (von Birken 1668, 980, 995f., 1273, 1360, 1385f.; vgl. Laurent 1847, 66, Anm. 43). Das Porträt hatte für den dem Kaiser Leopold I. (1658-1705) gewidmeten Druck keine Funktion mehr und wurde daher ebenfalls ausgelassen. 7. Kunz von der Rosen wurde wieder interessant, als im Jahr 1789 Friedrich Floegel seine" Geschichte der Hofnarren" veröffentlichte. Schon Floegel wusste nichts Rechtes anzufangen mit dem Hofnarren, Berater, Dolmetscher, Lebensretter und Kumpan des Kaisers (FloegeI1789, 190-203). Er ließ sich jedoch von C. F. Holtzmann (1740-1811) nach der Miniatur in der Münchener Handschrift des" Ehrenspiegels" einen Kupferstich entwerfen, den Medardus Thoenert für den Druck umsetzte (Floegel 1789, 203; vgl. Laurent 1847, 66f.; Panofsky 1942,44).

8. Die beiden Graphiken mit der Signatur Daniel Hopfers haben sich vergleichsweise selten erhalten. Häufiger überliefert und entsprechend häufiger im Bild zu sehen sind Drucke vom Ende des 17. Jahrhunderts. Der Nürnberger Buch- und Kunsthändler David Funck war in den Besitz der Eisenplatten der Hopfer-Werkstatt gelangt (zur Person vgl. Sporhan-Krempel/Wohnhaas 1973, 1039; Sporhan-KrempeI1980, 977, 998f.; Benzing 1977, 1139). Das Porträt des Kunz von der Rosen druckte er mit den Originalplatten zunächst als Einzelblatt nach (Hol1stein 1986, Nr. 97, 11 a). 9. Später versah Funck 203 der Hopferschen Original platten mit einer durchlaufenden Numerierung (in unserem Fall die 27) unten links oberhalb der Hopferschen Signatur und 39

Abb.3: Nachfolge Georg Breus d. J.: Kunz von der Rosen. Miniatur aus dem" Habsburgischen Ehrenspiegel" (15551561) nach der Radierung von Daniel Hopfer; Bayerische Staatsbibliothek München, cgm 896, fol. 330r. (vgl. Nr. 4).

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