METHODEN, WISSENSCHAFTSGESCHICHTE Uwe Flick: Triangulation. Eine Einführung. Opladen: Verlag für Sozialwissenschaften 2004, 110 S., € 14,90. Kai-Uwe Schnapp „Triangulation beinhaltet die Einnahme unterschiedlicher Perspektiven auf den untersuchten Gegenstand oder allgemeiner: bei der Beantwortung von Forschungsfragen“ (12). So definiert Flick zu Beginn seines Buches den titelgebenden Begriff. Das Ziel des schmalen Bändchens besteht einerseits in einer Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Bedeutungen, die der Begriff Triangulation inzwischen hat, und andererseits in der Lenkung des Blickes auf praktische Chancen und Probleme, die sich aus der Annäherung an untersuchte Gegenstände aus unterschiedlichen Perspektiven ergeben. Dabei geht Flick wie folgt vor: Er definiert zunächst unter Rückgriff auf Denzin (The Research Act. Chicago 1970) vier unterschiedliche Methoden der Triangulation, nämlich die Daten-, Investigatoren-, Theorien- und Methodentriangulation (13–16). Im Folgenden (17 ff.) greift er die Diskussion auf, die sich im Anschluss an Denzins „Urverständnis“ von Triangulation als Validierungsinstrument entfaltet hat. Im Ergebnis dieser Diskussion werde Triangulation inzwischen weniger als Validierungsinstrument angesehen, sondern vor allem eingesetzt, um durch die Vielfalt der Untersuchungsperspektiven umfassendere Erkenntnis über Untersuchungsgegenstände zu erlangen. Das dritte Kapitel ist der Triangulation in der qualitativen Forschung gewidmet. Flick greift hier die eben genannten vier unterschiedlichen Triangulationsverständnisse oder -möglichkeiten auf und unterlegt mit anschaulichen Beispielen, welcher Erkenntnisgewinn durch Triangulation entstehen kann. Mit Blick auf das dargestellte Beispiel fast am eindrücklichsten, auch weil es die ethnologische Forschung aus der Ferne in die Nähe holt, ist das vierte Kapitel zur Triangulation in der Ethnographie. Anhand der Untersuchung von Vergemeinschaftungsprozessen in traditionellen und neueren Sportarten zeigt Flick, wie
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die Triangulation unterschiedlicher Methoden und Datensorten zu einem umfassenderen Verständnis eines Forschungsgegenstandes führen kann. Dabei wird plastisch deutlich, wie unterschiedliche Methoden (hier Beobachtung und Interview) sich in ihren Perspektiven und Interpretationsmöglichkeiten ergänzen, wie etwa Blindflecken der einen Methode durch Ergebnisse der anderen abgedeckt werden können. Kapitel fünf ist das theoretisch m.E. spannendste und wichtigste Kapitel, denn hier wird die Triangulation als Verbindung qualitativer und quantitativer Forschung behandelt. Zunächst werden wiederum sehr systematisch Ziele und Formen dieser Zusammenarbeit aufgelistet. Flicks Verständnis geht dabei ganz offensichtlich weit über das klassische Verständnis einer Arbeitsteilung zwischen hypothesengenerierender qualitativer und diese Hypothesen testender quantitativer Forschung hinaus. Unter Rekurs auf Bryman (Quantity and Quality in Social Research. London 1988) stellt Flick insgesamt elf Varianten der „Zusammenarbeit“ vor, in denen mal die eine, mal die andere Forschungstradition zeitlich den ersten Platz einnimmt und in denen mal diese, mal jene als unterstützend oder weiterführend angesehen wird (68). Allerdings bleibt Flick hier bei abstrakten, auch im Weiteren nur teilweise beispielgestärkten Beschreibungen stehen. Hervorzuheben ist der produktiv-kritische Blick auf die Verknüpfung beider Forschungstraditionen. So macht Flick wiederholt darauf aufmerksam, dass qualitative und quantitative Methoden nicht ohne weiteres zusammenarbeiten. Häufig sei es der Fall und dennoch nützlich, dass lediglich Forschungsergebnisse aufeinander bezogen oder miteinander verbunden werden können. Eine darüber hinaus gehende Befruchtung von Arbeitsprozessen wird als voraussetzungsvoll bezeichnet. Folgende wichtige Fragen gibt Flick dem Forschungspraktiker für die eigene Verbindung qualitativer und quantitativer Erhebungs- und Analyseverfahren mit auf den Weg (85): Bekommen beide Zugänge gleiches Gewicht oder nicht? Werden Zugänge lediglich parallel verwendet oder tatsächlich miteinander vermittelt? Was ist die logische Beziehung beider Vorgehensweisen in einem Forschungsprojekt? Welche Kriterien werden zur Qualitätsbewertung der Forschung herangezogen? Gerade dieser letzte Punkt ist von großer Bedeutung, weil erstens kaum in Frage steht,
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PVS-Literatur
dass die Qualitätskriterien der klassischen Testtheorie nicht geradlinig auf qualitative Forschung übertragen werden können, und weil zweitens innerhalb der qualitativen Forschungstradition nach wie vor keine Einigkeit darüber besteht, was Kriterien sein sollen und können bzw. ob es überhaupt sinnvoll ist, formale Qualitätskriterien an qualitative Forschung zu legen (siehe zu dieser Diskussion etwa Steinke: Kriterien qualitativer Forschung: Ansätze zur Bewertung qualitativ-empirischer Sozialforschung. Weinheim 1999). Am Schluss des Buches wird Flick nicht nochmals generell, sondern gibt ganz konkrete Tipps zur praktischen Planung und Durchführung empirischer Projekte, die sich der Triangulation bedienen wollen. Zentraler Punkt ist hier die Frage, wann die Nutzung der Triangulation sowohl innerhalb einer als auch zwischen den Forschungstraditionen wirklich angesagt ist. Flick verwendet hier unter Rückgriff auf medizinisches Vokabular den Begriff der Indikation, fragt also, wann Triangulation „indiziert ist“ (100–101). Allein die Tatsache, dass Flick die erste buchlange Auseinandersetzung mit dem Begriff der Triangulation in deutscher Sprache vorlegt, kann als Verdienst bezeichnet werden. Es ist zu hoffen, dass dieses Werk weitere Wortmeldungen provozieren und so zu einer Verstetigung der Debatte um eine pragmatische Annäherung der beiden methodologischen Traditionen beitragen wird. Gerade die politikwissenschaftliche Methodendiskussion hält sich hier bislang stark zurück. Dabei wäre eine lebhafte Auseinandersetzung um Möglichkeiten und Grenzen, Chancen und Probleme der Verbindung dieser unterschiedlichen Zugänge zur politischen Realität im Sinne einer Verbesserung der Forschungspraxis nur zu wünschen. Wo ist der Schatten, den das bislang beschriebene Licht wirft? Das m.E. am meisten Potenzial bietende Kapitel 5 ist für die Wichtigkeit der dort diskutierten Integrationsproblematik zu kurz geraten. Flicks Darstellung ist in großen Teil sehr stark auf Machbarkeit orientiert. Das ist gut. Dabei wird aber nolens volens das eine oder andere tiefer liegende Problem unterbelichtet, wie etwa die erkenntnistheoretischen Differenzen zwischen den Forschungstraditionen. Die Frage nach der Gültigkeit und der Verallgemeinerbarkeit von Forschungsergebnissen dieser und jener For-
schungstradition taucht zwar im Kontext konkreter Beispiele auf, eine Reflexion dieser Probleme bleibt jedoch aus. Praktisch Forschenden werden diese Differenzen jedoch früher oder später bei dem Versuch der Integration qualitativer und quantitativer Methoden als zu lösendes Problem begegnen. Hier nicht wenigstens Diskussionsangebote gemacht zu haben, muss als Nachteil des Buches bezeichnet werden (verwiesen sei deshalb auf Seipel/Rieker: Integrative Sozialforschung: Konzepte und Methoden der qualitativen und quantitativen empirischen Forschung. Weinheim 2003). Insgesamt ist das Büchlein dennoch unbedingt lesenswert. Es liefert einen guten Überblick über den Stand der Diskussion und ist auf alle Fälle in der Lage, quantitativ orientierte Forscherinnen und Forscher „abzuholen“. Ob das in gleichem Maße für qualitativ Forschende gilt, kann der Rezensent wegen der eigenen Grundorientierung nicht einschätzen, hält es aber wegen der vorrangig qualitativen Ausrichtung Flicks für wahrscheinlich. Mit Blick auf die Lehre ist „Triangulation“ erst für fortgeschrittene Semester zu empfehlen. Grundlagen unterschiedlicher Erhebungsmethoden sollten bei den Studierenden in jedem Falle vorhanden sein. Möglichst genaue Vorstellungen über sinnvolle Forschungsfragen vorausgesetzt, kann das Buch dann am ehesten, dort aber mit hohem Gewinn, in einem Forschungsdesignseminar für BA-Studenten nahe dem Abschluss oder in einem MA-Studiengang eingesetzt werden.
REGIERUNGSSYSTEM DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND Büsching, Stephan: Angst vor dem Volk! Die Diskussion um die Einführung plebiszitärer Elemente in das Grundgesetz. Frankfurt a.M.: Peter Lang 2004, 165 S., € 34,–. Otmar Jung In einem größeren ersten, historisch angelegten Teil lässt Büsching die Diskussion um die Einführung plebiszitärer Elemente auf Bundesebe-
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