UNGEWÖHNLICHE ZEUGNISSE LATÈNEZEITLICHER REIB- UND MÜHLSTEINHERSTELLUNG IM ROTLIEGEND DER SAAR-NAHE-SENKE
SABINE HORNUNG1) und ANDREAS KRONZ 2)
1) Institut für Vor- und Frühgeschichte, Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Schillerstr. 11, 55116 Mainz,
[email protected]. 2) Abteilung Geochemie des Geowissenschaftlichen Zentrums der Universität Göttingen, Goldschmidtstraße 1, 37077 Göttingen,
[email protected].
Auf dem bewaldeten Höhenrücken zwischen Löster- und Wadrilltal, nördlich der Ortslage von Oberlöstern, Kr. Merzig-Wadern, Saarland liegt ein Areal, das mit einem weitläufigen Blockfeld, Gesteinsvorsprüngen und zum Teil steil abfallenden Hängen lokal gute Voraussetzungen für eine Steingewinnung auch mit einfachsten Mitteln bietet. Entsprechend läßt sich eine Vielzahl verschiedenartiger Abbauspuren beobachten, die den unterschiedlichsten Epochen angehören. Die Nutzungsgeschichte des anstehenden Konglomerats reicht neuesten Funden zufolge über mindestens 2000 Jahre zurück.
Abb. 1: Halbfabrikat eines frühlatènezeitlichen Reibsteines (1) und Rohling einer spätlatènezeitlichen Drehmühle (2).
Bei Prospektionen in dem ausgedehnten Steinbruchareal kamen das Halbfabrikat eines Reibsteines und ein fragmentierter Rohling einer Drehmühle (Abb. 1) zutage. Der 50 cm lange und noch 26 cm breite Reibstein lag in einer auffälligen Rinne, im Nordosten des Steinbruchareals (Abb. 2). Er besitzt in der Aufsicht eine mandelartige Form und eine Höhe von maximal 15,6 cm. Die Unterseite ist leicht asymmetrisch gestaltet und wird durch eine bootskielähnliche Form mit ausgeprägtem Grat gekennzeichnet, was für eine frühlatènezeitliche Datierung spricht (Holtmeyer-Wild 2000; Joachim 1985). An einer Seite der Reibfläche ist eine etwa 12 cm breite Einkerbung zu beobachten, vermutlich die notdürftige Reparatur einer Ausbruchstelle. Da die Reibfläche im Gegensatz zu den Seiten nicht fertig ausgearbeitet wurde, hat man das Werkstück trotz dieses Reparaturversuches noch im Steinbruch aufgegeben.
Das zur Reibsteinherstellung verwendete Konglomerat wird durch eine hohe Porosität mit Löchern von bis zu 7 mm (üblicherweise 0,5-3 mm) Durchmesser gekennzeichnet, welche auch bei gebrauchsbedingter Abnutzung eine konstante Rauhigkeit der Reibfläche garantiert. Das Material enthält große Mengen von Quarz- und Gesteinseinschlüssen, die von mm- bis cm Größe (bis 3,5 cm Ø) variieren.
Abb.2: LiDAR-Scan des Steinbruchareals mit Fundstellen des Reibsteines (1) und der Drehmühle (2). Mit frdl. Genehmigung des LKVK Saarland und S. Boos/i3mainz.
Abb.3: Frühlatènezeitlicher Reibstein, Rückstreuelektronenaufnahme. Detritische Quarzklasten (beispielhaft weiße Linie) und authigen gebildeter epitaxialer Quarz (Pfeile), Porenraum: schwarz.
Darüber hinaus fand sich in sekundärer Fundlage (Abb. 2) der Rohling des Bodensteines einer spätlatènezeitlichen Drehhandmühle (Mangartz 2008; Wefers 2006) von rund 39 cm Durchmesser. Aus auffallend grobem Konglomerat mit Gesteinsklasten von bis zu 5 cm Größe gefertigt, ist das noch 710 cm hohe Werkstück beim Anbringen der Bohrung für die Achse in der Mitte zerbrochen. Die Oberfläche der Handmühle ist lediglich grob zugerichtet, da im Zuge des Bohrens ein großes Risiko für ein Zerbrechen des Rohlings bestand. Auch in diesem Falle wählte man als Rohmaterial ein poröses Konglomerat mit Poren von meist 1 mm Größe (selten bis 4 mm Durchmesser). Die Steinbrüche liegen nur etwa 8 km vom spätlatènezeitlichen Oppidum „Hunnenring“ bei Otzenhausen, Kr. St. Wendel, entfernt, für welches erst kürzlich die Existenz einer frühlatènezeitlichen Ausbauphase der Befestigungen nachgewiesen werden konnte. Auch eine Reihe von Fürstengräbern des späten 5. und 4. Jh. v. Chr. zeugen von frühen Zentralisierungsprozessen in der Region, vor deren Hintergrund die Entstehung einer lokalen Reib- und Mühlsteinproduktion zu verstehen sein dürfte. Die beiden Funde sind insoweit ungewöhnlich, da: (1) Grobsandsteine und erst recht derart grobklastische Konglomerate normalerweise kein geeignetes Material für diesen Anwendungsbereich darstellen und (2) das weitere Umfeld des Rheinlandes vom ”idealen” Mühlsteinwerkstoff Basaltlava aus Mayen dominiert wurde (Joachim 1985). Mineralogisch petrographische Untersuchungen (Polarisationsmikroskopie, Kathodolumineszenz- und Rückstreuelektronenaufnahmen) der Mahlsteine und Vergleichsproben lassen jedoch auf die Eigenschaften des Materials und seine Eignung schließen:
• Die Konglomeratklasten bestehen fast ausschließlich aus Gangquarzen und stark verfestigten Quarziten, die überwiegend aus dem unmittelbar benachbarten Devon des Hunsrücks stammen. Diese verleihen der jeweiligen Werkfläche eine sehr hohe Abriebfestigkeit. • Eine intensive Silifizierung des Gesteins, die überwiegend Quarzzement bildete, sorgt für eine erhebliche Verfestigung des Kornverbandes. Der sekundäre authigene Quarz umhüllt dabei epitaxial (gleiche kristallographische Richtung) die Quarz- bzw. Quarzitklasten und schafft einen intensiven Kornverbund. In die verbleibenden Hohlräume ragen idiomorphe Quarzkristalle (Abb. 3). Daneben treten Mikroquarz- und Eisenoxyhydroxidzemente als Neubildung auf. • Eine hohe Restporosität verbessert die Eigenschaften des Werkstoffes bezüglich wechselnder mechanischer Beanspruchung. Sie verleiht eine gewisse Elastizität und verhindert die Fortpflanzung auftretender Risse. Der ebenfalls hohe Porenraumanteil in den basaltischen Gesteinen von Mayen/Eifel ist für deren ideale Eignung als Mühlsteinrohstoff kennzeichnend. Der Bergbau auf die geeigneten Werksteinschichten erfolgte hochselektiv. Weniger verfestigte Konglomerate, Sandsteine und zersetzte Arkosen wurden verworfen und aufgehaldet. Daneben treten extrem stark verfestigte Konglomerate auf. Sie wurden erstaunlicherweise, obwohl leicht zugänglich, nicht abgebaut und blieben als markante Felsformation im Steinbruchareal erhalten. Dieses Gestein weist zwar ebenfalls eine extreme Härte auf, aber kaum noch Restporosität. Die Quarzauthigenese war hier so intensiv, dass der ursprüngliche Porenraum fast vollständig verfüllt wurde, was zu einem unkontrollierten Bruchverhalten des Werkstoffs führt. Geologisch sind die Konglomerate in die Wadern-Formation (früher: Tholeyer Gruppe, Unterrotliegend) einzuordnen. Die Lokalität in NW Randlage des Saar-Nahe Troges befindet sich in unmittelbarer Nähe (1 km) zum Hunsrück-Devon und damit in einer noch heute geologisch aktiven Zone. Tiefreichende Störungen, die dem Hunsrück-Taunus-Südrand Störungssystem zuzuordnen sind, sorgten für eine lokal begrenzte hydrothermale Aktivität mit Zufuhr bzw. Umlagerung von Kieselsäure. Dies erklärt auch die deutliche laterale Variabilität des Gesteinsverbandes, da gleiche Schichten in sehr unterschiedlichen Verfestigungsstufen auftreten. Die verfestigten Gesteinsbereiche sind jeweils nur auf einige 100 m entlang der Störungen begrenzt. Derart durch Quarzauthigenese verfestigte Sedimentareale finden sich an verschiedenen Stellen innerhalb der Saar-Nahe Senke und bergen somit ein hohes Potential, weitere frühzeitliche Steinbrüche aufzudecken. Holtmeyer-Wild, V. (2000): Vorgeschichtliche Reibsteine aus der Umgebung von Mayen. Reibsteine aus Basaltlava. Vulkanpark-Forsch. Bd. 3 (Mainz 2000). Joachim, H.-E. (1985): Zu eisenzeitlichen Reibsteinen aus Basaltlava, den sog. Napoleonshüten. Arch. Korrbl. 15, 1985, 359-369. Mangartz, F. (2008): Römischer Basaltlava-Abbau zwischen Eifel und Rhein. Monogr. RGZM 75 (Mainz 2008). Wefers, S. (2006): Ein latènezeitlicher (?) Drehmühlensteinbruch im Stadtwald von Borken (Schwalm-Eder-Kr.). Arch. Korrbl. 36, 2006, 65-74.