Trachtenumzug, Skulpturenboulevard oder B-750 Parade? Aushandlungsprozesse um die politische Repräsentation und ästhetische Gestaltung der 750-Jahr-Feier in West-Berlin
Trachtenumzug, Skulpturenboulevard oder B-750 Parade? Aushandlungsprozesse um die politische Repräsentation und ästhetische Gestaltung der 750-Jahr-Feier in West-Berlin Cornelia Kühn 1987 war ein Stadtjubiläum in einer geteilten Stadt zu feiern. Die anfänglichen Bemühungen West-Berlins um eine gemeinsame Jubiläumsfeier mit Ost-Berlin zerschlugen sich. Der Osten der Stadt wollte mit dem Jubiläum sein Profil als Hauptstadt der DDR stärken und bedeutete dem Westen, dass „die Stadtteile, die 750 Jahre alt würden, im Ostteil der Stadt lägen, so dass der eigentliche Geburtstag der Stadt nur dort gefeiert werden“ könne.1 Mit dieser Absage durch Ost-Berlin entwickelte sich die 750-Jahr-Feier zu einem politischen Repräsentationskampf im Wettbewerb zweier Systeme und erhielt dadurch innen- wie außenpolitisch eine besondere Aufmerksamkeit. West-Berlin als Inselstadt war mit einer problematischen Ausgangslage konfrontiert, da es in seiner Funktion als Front-Stellung zum Sozialismus vornehmlich mit vergangenheitsorientierten oder negativ besetzten Bildern von Teilung und Kaltem Krieg assoziiert wurde. Bei einer historisch angelegten Konkurrenzfeier zu Ost-Berlin bestand die Gefahr, dass der ‚geschichtslosere‘ Westberliner Teil der Stadt gegenüber dem Ostteil inszenatorisch abfallen würde. So blieb nur das Ausweichen auf eine Gegenwarts- und Zukunftsdarstellung: Während OstBerlin mit der Rekonstruktion des historischen Zentrums einen „Blick in die Vergangenheit“ bieten könne, würde West-Berlin „die Zukunft der Stadt“ illustrieren – so der Vorschlag eines Abgeordneten bei einer Ausschusssitzung zur Vorbereitung der 750-Jahr-Feier.2 Entsprechend verständigte sich das Abgeordnetenhaus auf den Fokus „750 Jahre Berlin – Stadt der Gegenwart“ 3 und auf die Betonung der weltoffenen, liberalen und toleranten Traditionen der Stadt – in Abgrenzung zu Ost-Berlin und zur auf der Ostseite von Soldaten bewachten Mauer in der Stadt.4 Damit sollten die Feierlichkeiten ein neues Berlinbild von Weltoffenheit 1
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Protokolle des Ausschusses für Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen des Abgeordnetenhauses von Berlin 9/30, 9. Juni 1983, S. 2. Ausführlicher dazu siehe Krijn Thijs: Drei Geschichten, eine Stadt. Die Berliner Stadtjubiläen von 1937 und 1987. Potsdam 2008, S. 122ff. Zur 750-Jahr-Feier in Ost-Berlin vgl. ebd., S. 197-278. Vorschlag des Abgeordneten Wolfgang Fabig (FDP) im Protokoll des Unterausschusses „750-Jahr-Feier“ des Ausschusses für Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen 9/2, 12. Dezember 1984, S. 4. „750 Jahre Berlin – Stadt der Gegenwart“ lautete der Titel des offiziellen Festprogramms für 1987. Vgl. Ulrich Eckhardt (Hg.): 750 Jahre Berlin. Stadt der Gegenwart. Lese- und Programmbuch zum Stadtjubiläum. Berlin 1986, S. 6. Der Musiktitel „Berlin, Berlin – Dein Herz kennt keine Mauern“ wurde zur 750-Jahr-Feier 1987 komponiert und erschien unter dem Musikernamen „John F. und die Gropiuslerchen“.
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und Vielfalt präsentieren und den Status von West-Berlin als eigenständiger Metropole unterstreichen. Das Abgeordnetenhaus einigte sich außerdem darauf, die 750-Jahr-Feier als ein dezentrales Fest zu gestalten, bei dem auch die Bewohner5 in die Programmgestaltung mit einbezogen werden sollten. Bürgerinitiativen, freie Gruppen und Vereine wurden daraufhin explizit eingeladen, sich an der Gestaltung als freie Träger zu beteiligen. Damit konnten auch Gegenerzählungen oder abweichende Geschichtsdeutungen in das Jubiläumsprogramm integriert werden. Diese partizipative Form der Gestaltung eines Stadtfestes stellte einen Wendepunkt in der Repräsentation der Stadt Berlin dar. Statt einer durch die politischen Repräsentanten vorgegebenen Darstellung einer tradierten, lokal-historischen Stadt, wie sie bislang zur Herstellung und Stabilisierung einer lokalen Identität und einer kollektiven Erinnerung genutzt wurde,6 fand nun erstmalig eine Neuorientierung der Stadtpolitik hin zur Inszenierung einer kreativen Metropole als Zeichen von Vielfalt, Weltoffenheit und Bewegung statt. Trotz des Entschlusses des Abgeordnetenhauses, mit dem Jubiläum eine Vielfalt von unterschiedlichen Geschichts- und Gegenwartserzählungen über Berlin darzubieten, fand die Konzipierung der Jubiläumsveranstaltungen größtenteils auf der politischen Bühne statt. Dafür wurde ein Beauftragter für die 750-Jahr-Feier ernannt, um – gemeinsam mit einem kleinen Organisationsbüro – das Festprogramm und die zentrale Ausstellung zu konzipieren, die dann innerhalb der Senatskommission debattiert und genehmigt wurden.7 Die offiziellen Programmvorschläge wurden aber auch außerhalb der stadtpolitischen Institutionen von öffentlichen Debatten begleitet und eigene Projektideen verschiedenster Bürgerinitiativen, Interessenvertreter und Intellektueller eingereicht. In diesem Beitrag sollen die Aushandlungsprozesse bei der partizipativen Gestaltung des Stadtjubiläums sowie einige Reaktionen auf die Festveranstaltungen exemplarisch dargestellt werden. Dafür werden zum einen die Interaktionen des Beauftragten des Berliner Senats für die 750-Jahr-Feier mit Bürgervereinen, die eigene Projektvorschläge eingereicht hatten, detailliert beleuchtet. Zum anderen sollen einige Protestveranstaltungen und Gegeninitiativen im Festjahr selbst
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Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird in diesem Text auf die männliche Form zurückgegriffen, wobei diese nur auf die Funktion verweist. Die weibliche Form und alle dazwischen liegenden Geschlechterrollen werden dabei mit eingeschlossen. Vgl. dazu die Beispiele von Berliner Stadtfesten in den 1950er-Jahren in Cornelia Kühn / Dominik Kleinen: Heimatfest und Freundschaftsfeier. Die Inszenierung von Heimatgeschichte in Berliner Volksfesten der 1950er- und 1960er-Jahre. In: Zeitschrift für Volkskunde 108 (2012), H. 2, S. 215-243. Die Konzeptionsvorschläge des Büro B-750 wurden im Abgeordnetenhaus in zwei verschiedenen Ausschüssen diskutiert und genehmigt – dem Ausschuss für Kultur und dem Ausschuss für Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen. Finanziert wurden die gesamten Feierlichkeiten vorrangig durch den Bund mit einem „Sonderzuschlag“ von 70 Millionen DM. Ausführlich zu den politischen Strukturen, Verantwortlichkeiten und Finanzierungsplänen der Westberliner 750-Jahr-Feier siehe Thijs: Drei Geschichten, S. 100, 117, 119f.
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abgebildet werden, an denen sich die Klassifikationskämpfe um die urbane Repräsentation und die ästhetische Gestaltung des Stadtfestes darstellen lassen. An diesen ausgewählten Beispielen können die Strategien des Beauftragten für die 750-Jahr-Feier bei der Aufnahme und Ablehnung der Bewohnerprojekte nachgezeichnet werden, die genutzt wurden, um den städtischen Raum – trotz der Partizipation alternativer Projekte und lokaler Veranstalter – in der gewünschten Art zu präsentieren. Aber auch die Gegenstrategien der Bürgerinitiativen und der Bewohner zur Durchsetzung ihrer Ideen werden in diesem Beitrag dargestellt, so dass die Dynamik des Aushandlungsprozesses zumindest punktuell illustrierbar gemacht werden kann. Zwischen Senatskommission und Gegenprojekten – Die ambivalente Position der Macher des Festes Die Inselstadt West-Berlin stellte in ihrer sozial-kulturellen Strukturierung in den 1980er-Jahren für die Neuaushandlung städtischer Selbstrepräsentation die passenden Voraussetzungen bereit. In räumlich-sozialer Perspektive bestand sie aus sehr unterschiedlichen Stadtvierteln und Milieus, die zum Teil durch Parks voneinander getrennt waren. Geschichtsbedingt durch die Eingemeindung ländlicher und städtischer Gemeinden im Oktober 1920 in ein „Groß-Berlin“ und die Teilung der Stadt nach 1945 hatte West-Berlin kein traditionelles Zentrum und der Kurfürstendamm war nach dem Mauerbau eher zu einer zentralen Einkaufsund Vergnügungsmeile geworden. Daneben hatte jeder Stadtbezirk sein eigenes politisches wie kulturelles Zentrum. Wirtschaftlich war West-Berlin – nach der Abwanderung der Industrie – von den Subventionen aus der Bundesrepublik abhängig. Dem ‚Image‘ nach aber bestand der ‚Mythos der Freiheit‘ weiterhin und West-Berlin wurde durch die Heterogenität der städtischen Bevölkerung zu einem Mekka der Subkulturen. Begünstigt wurde dies durch den Zuzug bundesdeutscher Wehrdienstverweigerer, Studierender und Künstler seit den 1970er-Jahren, dem großen Ausländeranteil und dem Fortzug älterer Westberliner nach dem Mauerbau. Mit West-Berlin wurden daher vor allem die Studentenbewegung 1968, die Hausbesetzerbewegung der frühen 1980er-Jahre und die kreativen Milieus und Subkulturen in den Stadtbezirken Kreuzberg und Schöneberg assoziiert. Damit hatte sich West-Berlin – auch ohne einen stadtpolitischen Eingriff – in Form von kreativen Talenten und Praktiken sowie mit Symbolen urbaner Toleranz bereits soweit „kulturalisiert“, dass das Stadtjubiläum sowohl in der partizipativen Form der Gestaltung als auch in den dezentral organisierten Veranstaltungen mit unterschiedlichen Themen und Inhalten darauf zurückgreifen konnte.8
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Andreas Reckwitz beschreibt den Prozess der Kulturalisierung der Städte, wobei er auch auf die räumlich-soziale „Realität“ der Städte vor der Kulturalisierung als das Gegebene eingeht und betont, dass die „creative city“ keine Erfindung der politischen Stadtplanung darstellt, sondern dass sie schon vor dieser und ohne sie ansetzte. Siehe dazu: Andreas Reckwitz: Die
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Letztendlich verantwortlich für die Vorbereitungen der 750-Jahr-Feier waren der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und der Kultursenator Volker Hassemer, dem der Beauftragte für die 750-Jahr-Feier zur Seite gestellt wurde. Im Januar 1984 wurde dafür der frühere Leiter der Berliner Festspiele, Ulrich Eckhardt, eingesetzt und ihm Mitarbeiter in einem „Büro B-750“ zur Seite gestellt. Eckhardt galt seit der von ihm organisierten und stark diskutierten Preußenausstellung 1981 im Berliner Martin-Gropius-Bau als ein Vertreter einer neuen Geschichtsbewegung und damit als ein Befürworter der Vermittlung eines demokratisch-kritischen Geschichtsbewusstseins in den Ausstellungen anstelle der bisherigen Darstellung eines affirmativen Geschichtsbildes zur Konstruktion und Bestätigung einer historischen Identität.9 Eckhardt setzte als Ausstellungsleiter für die zentrale Berlin-Ausstellung den Tübinger Kulturwissenschaftler Gottfried Korff ein. Dessen Ausstellungskonzept mit dem Titel „Menschenwerkstatt Berlin“ sah eine Urbanisierungsgeschichte vor, die den Prozess der Verstädterung und die Eigenarten großstädtischen Lebens herausstellen sollte.10 Damit wurde Berlin vorrangig in den Kontext anderer Metropolen eingereiht und die Berlingeschichte nicht in eine Nationalgeschichtserzählung eingebettet, was zu erheblichen Diskussionen vor allem mit den konservativen Politikern innerhalb der Senatskommission führte.11 Neben dieser konservativen Kritik einiger Abgeordneter waren die Ausstellungskonzeptionen und Projektvorschläge von Ulrich Eckhardt aber auch der Kritik einer neuen alternativen Geschichtsbewegung ausgesetzt. So wurden von dem links-intellektuellen Verein „Berliner Kulturrat“ freie Projekte aus der „Berliner Geschichtswerkstatt“ und aus Frauenbewegungskontexten zusammengefasst und als Ideenangebot beim Senat eingereicht. Die über 50 kleinräumigen Projektideen mit dem Gesamttitel „750 Jahre Berlin – Wir schreiben unser Drehbuch selbst“ waren allerdings als Alternative zu den offiziellen Projekten des Büro B-750 gemeint und stellten damit einen Konkurrenzentwurf zu Ulrich Eckhardts Vorschlägen dar. Der Versuch des Büro B-750, mit dem Berliner Kulturrat zu
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Selbstkulturalisierung der Stadt. Zur Transformation moderner Urbanität in der ‚creative city‘. In: Mittelweg 36 (2009), H. 2, S. 2-34. Bei der Preußenausstellung mit dem Titel „Preußen – Versuch einer Bilanz“ setzte Eckhardt den Mannheimer Historiker Manfred Schenke als wissenschaftlichen Leiter und den Tübinger Kulturwissenschaftler Gottfried Korff als Generalsekretär ein. Um die Ausstellung entbrannte die große Streitfrage zur Geschichtsdarstellung in Museen. Vgl. dazu Thijs: Drei Geschichten, S. 102-107. Zu diesem Ausstellungskonzept siehe Gottfried Korff: Mentalitäten und Kommunikation in der Großstadt. Berliner Notizen zur ‚inneren Urbansierung‘. In: Theodor Kohlmann / Hermann Bausinger (Hg.): Großstadt. Aspekte empirischer Kulturforschung. Berlin 1985, S. 343-361; Gottfried Korff: Berlin – Berlin. Menschenstadt und Stadtmenschen. In: Eckhardt (Hg.): 750 Jahre Berlin, S. 144-155. Auf die Widerstände des Senats gegenüber der Ausstellungskonzeption von Gottfried Korff kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Zur Diskussion um die Ausstellung innerhalb des Abgeordnetenhauses siehe Thijs: Drei Geschichten, S. 132-147.
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kommunizieren, endete in Beschimpfungen.12 Das Büro B-750 löste das Problem, indem es sich – bei Umgehung des Kulturrats – direkt an die im Gegendrehbuch aufgeführten Projekte wandte und einige der Ausstellungsvorschläge in zum Teil zusammengefasster Form genehmigte.13 So fand zum einen die Ausstellung „Kein Ort nirgends“ als gebündelte Version verschiedener Frauenprojekte zu Frauenalltag und zur Geschichte der Berliner Frauenbewegung im Künstlerhaus Bethanien am Mariannenplatz in Kreuzberg statt. Zum anderen wurden Projekte der Berliner Geschichtswerkstatt mit ihrer lokalen Spurensuche genehmigt, wie zum Beispiel die Ausstellung „Die Rote Insel“ in Berlin-Schöneberg.14 Das Gesamtkonzept des Berliner Kulturrats mit seinem „eigenen Drehbuch“ konnte somit abgelehnt werden, ohne auf einzelne Projektideen und Initiativen daraus verzichten zu müssen. Ähnlich diplomatisch ging Ulrich Eckhardt bei der Einbeziehung des ‚Gestapo-Geländes‘ neben dem Martin-Gropius-Bau in das Jubiläumsprogramm vor. Die Gebäude des Prinz-Albrecht-Geländes, die im Nationalsozialismus zentrale Dienststellen der Gestapo und der SS gewesen waren, wurden nach 1945 abgerissen und waren bis in die 1980er-Jahre Brachland im Schatten der Mauer. Die Überlegungen des Senats zur Gestaltung des Geländes wurden von dem Verein „Aktives Museum“ als Teil der neuen Geschichtsbewegung scharf kritisiert, wobei eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Verbrechen des Dritten Reiches gefordert wurde. Den Vorstellungen des Vereins Aktives Museum entsprechend sollte der Ort Werkstattcharakter haben und einer kritischen Aufarbeitung dienen. Zwischen 1983 und 1987 wurden daher vom Verein in Zusammenarbeit mit der Akademie der Künste Diskussionsabende und Rundgänge über das Gelände veranstaltet.15 Für die 750-Jahr-Feier wollte Eckhardt das Gelände einerseits begehbar und für eine Ausstellung nutzbar machen, andererseits sollte aber der provisorische Charakter der Ausstellung deutlich werden. In seinen Überlegungen zu dem ehemaligen ‚Gestapo-Gelände‘ sah sich Eckhardt wiederum dem Widerstand sowohl der Senatoren auf der einen Seite (mit Ausnahme des Kultursenators Hassemer) und der Bürgerinitiative auf der anderen Seite ausgesetzt. Während sich Eckhardt im Senat um die Genehmigung eines temporären Ausstellungsbaus bemühte, schrieb eine „Initiativgruppe zum Umgang mit dem Gestapo-Gelände“ einen offenen Brief an den Regierenden Bürgermeister und forderte die Offenlegung der Planungen zu diesem Gebiet.16 12
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Bericht von Börries von Liebermann an Ulrich Eckhardt, 7. März 1984. Landesarchiv Berlin (LA), B Rep. 150, Nr. 216, o.P. Ausführlicher zu dem Streit und den (wissenschafts-)politischen Kontexten siehe Thijs: Drei Geschichten, S. 165-170. Siehe dazu Berliner Geschichtswerkstatt (Hg.): Die Rote Insel. Berlin Schöneberg. Bruchstücke einer Stadtgeschichte. Berlin 1987. Siehe dazu Aktives Museum Faschismus und Widerstand e.V. (Hg.): Zum Umgang mit dem Erbe. Berlin 1985; Akademie der Künste: Zum Umgang mit dem „Gestapo-Gelände“. Dokumentation. Berlin 1986. Initiative zum Umgang mit dem Gestapo-Gelände, Dezember 1985. LA, B Rep. 150, Nr. 140.
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Dem Drängen der Initiative nachgebend, genehmigte der Kultursenator Hassemer im Sommer 1986 eine ‚Spurensicherung‘, ehe das temporäre Ausstellungsgebäude errichtet werden sollte. Bei den dabei stattfindenden archäologischen Grabungen wurden die Kellerräume des Gestapo-Hauptquartiers freigelegt und weitere Folterkeller gefunden, so dass die Gestaltungspläne für die temporäre Ausstellung umgestellt werden mussten. Für die 750-Jahr-Feier wurden die ausgegrabenen Räume provisorisch geschützt und mit in die Begehung des Geländes integriert sowie ein hölzernes Ausstellungsgebäude aufgebaut. Die Ausstellungseröffnung am 4. Juli 1987 unter dem Titel „Topographie des Terrors“ war damit Teil des Jubiläumsprogramms und erhielt durchweg positive Reaktionen.17 So konnte ein weiteres Projekt der ‚Geschichte von unten‘ in das offizielle Festprogramm aufgenommen werden.18 Wasserkorso oder Trachtenumzug? Aushandlungen um die zentralen Festveranstaltungen Neben Kunst- und Ausstellungsprojekten wurden dem Büro B-750 auch Vorschläge zu verschiedenen Festveranstaltungen von Bewohnern und Bürgergruppen gemacht.19 So hatte beispielsweise der „Berliner Bürger-Verein“ (BBV), ein Zusammenschluss aus 40 Landsmannschaftsverbänden, bereits im Sommer 1983 – vor der Benennung von Eckhardt als Beauftragten für das Jubiläum – privat einen historischen Festzug mit Volks- und Trachtengruppen geplant. In einem Brief an den damaligen Fraktionsvorsitzenden der CDU im Berliner Abgeordnetenhaus, Eberhard Diepgen, erläuterte der Vorsitzende des Berliner BürgerVereins, Karl Georg Welker, seinen Vorschlag, wobei er durchaus Bezug zu der Senatskonzeption der Jubiläumsfeier nahm und die „Vielfalt“ und „Weltoffenheit“ seines Projektes betonte: Unter dem Motto: ‚So ist Berlin‘ soll ein Festzug gestaltet werden, an welchem sich beteiligen: Alle in Berlin ansässigen Verbände, Vereine, die sich zur Aufgabe gemacht haben, traditionelles Brauchtum zu pflegen. […] Der Sinn ist, zu zeigen, dass in Berlin alle deutschen Länder, Landsmannschaften leben und damit den Charakter der eigentlichen Hauptstadt aufzeigen. […] Was für Berlin dabei besonders wertvoll wäre, ist die Möglichkeit, dass jede dieser Gruppen eine entsprechende [Gruppe] aus dem Bundesgebiet einlädt [und] somit auch hilft, die Verbindung zur Heimat
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Siehe dazu Gottfried Korff / Reinhard Rürup (Hg.): Berlin, Berlin. Bilder einer Ausstellung. Berlin 1988, S. 166-184. Ausführlich zu den Diskussionen um die Ausstellung siehe Thijs: Drei Geschichten, S. 172179. Die Vorschläge reichten vom Abriss der Mauer bis zur Organisation eines Eröffnungsballs. Auf die einzelnen Interaktionen kann an dieser Stelle nicht ausführlich eingegangen werden. Vgl. dazu: Auswertung des Preisausschreibens zur 750-Jahr-Feier Berlin. LA, B Rep. 150, Nr. 194.
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750-Jahr-Feier in West-Berlin drüben herzustellen. Wir rechnen mit 40 Berliner Verbänden. Es wird dabei eine große Trachtenschau geben, wie sie in dieser Vielfalt nur Berlin zeigen kann.20
Diepgen ließ den Brief an den damaligen Senator für Kulturelle Angelegenheiten, Winfried Fest, weiterleiten und den Vorschlag mit folgenden zustimmenden Worten kommentieren: „Herr Diepgen hält es für richtig, durch eine populistische Veranstaltung Berlin als Zentrum und Anziehungspunkt der deutschen Nation darzustellen.“21 In weiteren Gesprächen zwischen den Senatsvertretern und dem Bürgerverein im September 1983 wurde der Vorsitzende des Vereins, Herr Welker, „darin bestärkt, Vorbereitungen in dieser Richtung voranzutreiben, die durchaus auf der Grundlinie des Jubiläumsprogramms“22 lägen, was dieser auch tat und die Bereitschaft zur Teilnahme verschiedener Vereine aus dem gesamten Bundesgebiet einholte.23 Mit diesen Planungen wurde Ulrich Eckhardt konfrontiert, als er im Januar 1984 seinen Posten als Beauftragter für die Jubiläumsfeier antrat. Ein Trachtenumzug passte dabei allerdings gar nicht in seine eigene zur Reflexion über die Geschichte auffordernde Konzeption der Jubiläumsfeier. Eckhardt und sein Büro waren außerdem bestrebt, jegliche Ähnlichkeit mit der nationalsozialistischen 700-Jahr-Feier von 1937 zu vermeiden.24 Um einen solchen historisierenden Massenumzug zu umgehen, entwarf Eckhardt als neue Festform einen Festzug auf dem Wasser. Für den geplanten Bootskorso sollten historische Schiffe aus ganz Europa nach Berlin eingeladen werden und als langer Zug verschiedenster Schiffe auf den Gewässern der Spree durch die Stadt ziehen. Im Vordergrund der Darstellung standen – ähnlich wie in der Ausstellungskonzeption – weniger die historischen Etappen der Geschichte Berlins als vielmehr das Thema Wasser und Schiff selbst. In seinem Vorschlag zur Genehmigung des Programms durch den Senat formulierte Eckhardt daher: „Kein Jubiläum ohne Festzug! Doch diesmal muss nicht marschiert werden, denn der Umzug findet auf dem Wasser statt, auf den Kanälen, den Havelseen und natürlich auf der Spree, die unbeeindruckt von Grenzen die Stadt wie vor 750 Jahren in ihrem alten Bett durchfließt.“25 Diese Entscheidung für einen Wasserkorso wurde auch vom Senat genehmigt26 und die veränderte Konzeption eines Schiffskorsos anstelle eines Trach20
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Brief der BBV an die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, 15. August 1983. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Brief des Chefs der Senatskanzlei an den Senator für Kulturelle Angelegenheiten, 19. August 1983. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Vermerk des Planungsreferenten Bernhard Schneider des Senators für Kulturelle Angelegenheiten, 16. September 1983. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Siehe dazu die Briefe des BBV an den Planungsreferenten des Senators für Kulturelle Angelegenheiten vom 2. November 1983 und 20. November 1983. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Zur Berliner 700-Jahr-Feier siehe Thijs: Drei Geschichten, S. 35-94. Planung zum Wasserkorso, B-750 Büro, 26. September 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. In der endgültigen Ankündigung im Infoblatt zur 750-Jahr-Feier wurde explizit auf den „Respekt vor der Geschichte“ verwiesen, weshalb der Festzug auf das Wasser verlegt wurde. Vgl. Wasserkorso. Informationsblatt zur 750-Jahr-Feier. LA, B Rep. 150, Nr. 53.
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tenumzugs dem Berliner Bürger-Verein mitgeteilt.27 In der Antwort des BBV zu dieser veränderten Situation wurde zwar geschrieben, dass ein solches Projekt „durchführbar“ sei, allerdings wäre dafür sowohl die finanzielle Hilfe des Senats als auch die Stellung von Schiffen und Booten erforderlich, da es sich um 45 Gruppen handele und man „mit 10.000 Personen auf den Schiffen rechnen“ müsse.28 Zur weiteren Diskussion der innerhalb des BBV versammelten Gruppen fand am 7. Mai 1984 eine interne Zusammenkunft statt. In einer Gesprächsnotiz, die für Eckhardts Organisationsbüro angefertigt wurde, war über die Zusammenkunft zu lesen, dass sich im BBV „massiver Protest gegen den Wasserkorso“ regte, da sich die Landsmannschaften „übergangen und in die Ecke gedrängt“ fühlten und dass sie einen „autonomen Gegenfestzug auf dem Kudamm“ planten.29 Auch in zwei Briefen, die im Anschluss daran vom BBV-Vorsitzenden an Eckhardt verfasst wurden, zeigte sich, dass der Bürgerverein die Idee eines Festzugs nicht so einfach aufgeben wollte. In den Schreiben wurde im Sinne der Landmannschaftsverbände auf das „gerüttelte Maß an Vor- und Eigenleistungen“ des Berliner Bürger-Vereins verwiesen und um die Genehmigung eines „Kurfürstendamm-Bummels“ gebeten, bei dem sich die einzelnen Gruppen am Vortag des Wasserkorsos in Tracht zeigen und kleine Vorführungen oder Standkonzerte geben wollten.30 Eckhardt lehnte diesen Vorschlag mit Verweis auf den engen Zeitplan ab,31 doch der Berliner Bürger-Verein ließ sich auch jetzt nicht so leicht umstimmen. In einer offiziellen Information zur Tätigkeit des Vereins, die auch beim Büro B-750 einging, wurde noch im Sommer 1984 – ungeachtet der Absage durch das offizielle Veranstaltungsbüro für die Jubiläumsfeier – formuliert: Wir haben hier in Berlin etwas, was sichtbar macht, dass Berlin die deutsche Hauptstadt ist. Aus allen deutschen Gauen gibt es Landsmannschaften, Verbände und Vereine, die das Andenken an die Heimat und altes Kulturgut, Trachten, Tänze, Bräuche pflegen. […] Der Berliner BürgerVerein e.V. hat sich daher, als es hieß Vorschläge für die 750-Jahr-Feier einzureichen, an den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen gewandt und folgenden Vorschlag gemacht: Berlin zeigt in einem Festzug all die Vielzahl der Trachten aus allen deutschen Ländern, um zu zeigen, dass Berlin von allen deutschen Gauen geprägt wurde. […] Eines ist bis-
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Brief von Andreas Nachama an den BBV, 13. Februar 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. In dieser Stellungnahme werden alle 45 Gruppen, Landsmannschaften und Heimat- und Bürgervereine einzeln aufgeführt. Vgl. Brief des BBV an den Beauftragten des Senats von Berlin für die 750-Jahr-Feier 1987, z. Hd. Herrn Dr. Andreas Nachama, 23. März 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. B-750, Gesprächsnotiz, Wasserkorso Berliner Bürger-Vereine, 7. Mai 1984, Sitzungssaal der BVV Tiergarten. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Briefe BBV an den Beauftragten des Senats von Berlin für die 750-Jahr-Feier 1987, z. Hd. Herrn Dr. Andreas Nachama, vom 9. Mai 1984 und 16. Mai 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Handschriftliche Notiz von Eckhardt auf Brief des BBV an den Beauftragten des Senats von Berlin für die 750-Jahr-Feier 1987, z. Hd. Herrn Dr. Andreas Nachama, vom 16. Mai 1984 sowie die Absage des „Kurfürstendamm-Bummels“ in dem Brief von Nachama an den BBV vom 9. Juli 1984. Beides in: LA, B Rep. 150, Nr. 54.
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750-Jahr-Feier in West-Berlin her festgelegt: Unser Festzug und unser Fest findet am Sonntag den 30. August 1987 statt. Ich finde, dies ist ein schöner Erfolg und eine Anerkennung unserer bisherigen Arbeit.32
Damit ignorierte der Vorsitzende des BBV die Gespräche mit Eckhardt und dessen Organisationsbüro und berief sich auf seine frühere Korrespondenz mit Diepgen und dessen Zustimmung.33 Es entspann sich eine lang gezogene Debatte über die Möglichkeit eines zusätzlichen Korsos auf dem Lande, in deren Verlauf der BBV mit dem „kulturellen Erbe“ der „deutschen Landsmannschaften“ argumentierte, welches „mindestens den gleichen Stellenwert, wie mancher Zweig der modernen Kunst“ hätte.34 Eckhardt und das Büro B-750 blieben aber bei ihrer Ablehnung eines Trachtenzugs. Geschickt nutzte Eckhardt ein Jahr später schließlich eine Terminverschiebung des Wasserfestes auf den 25. und 26. Juli 1987, um den offiziell veranstalteten Wasserkorso und den vom BBV privat geplanten Trachtenumzug zu Lande organisatorisch zu trennen, ohne dem BBV eine offizielle Absage erteilen zu müssen.35 Damit konnte das Büro B-750 seine Machtposition bei der Organisation des Jubiläums unter Beweis stellen, ohne der vom Senat beschlossenen partizipativen Gestaltung der Feierlichkeiten zu widersprechen. Ähnlich dem Berliner Bürger-Verein gab es weitere Anfragen von einzelnen Volkstrachtengruppen36 und von dem „Europeade Komitee Deutschland“37 – einem Verbund europäischer Trachten- und Volkstanzgruppen – zu Auftrittsmöglichkeiten während der 750-Jahr-Feier. Zwar überlegten Eckhardt und sein Büro anfangs, diese folkloristischen Gruppen in einen „Blumenkorso“ zu integrieren, der mit dem Titel „Mit Blumen und Trompeten – ein Fest der Farben und Klänge am Reichstag“ die Eröffnungsfeier des sechswöchigen Stadtfestes auf der Straße
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Schreiben des BBV ohne Adressangabe, 22. Juni 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Der Vorsitzende des BBV, Karl Georg Welker, wandte sich mit einer Bitte um Mithilfe sogar explizit noch einmal an den Regierenden Bürgermeister Diepgen und lud den Planungsreferenten der Senatsabteilung für Kulturelle Angelegenheiten, Bernhard Schneider – unter Umgehung des Beauftragten für die 750-Jahr-Feier Eckhardt – als Diskussionsteilnehmer zu einem Treffen des BBV in den Ratskeller Charlottenburg ein. Vgl. Brief des BBV an den Regierenden Bürgermeister Diepgen, 12. September 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Brief des BBV an den Senator für Kulturelle Angelegenheiten, Volker Hassemer, 15. Dezember 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Vgl. dazu das Antwortschreiben des Büro B-750 an den BBV, 18. Februar 1986. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Siehe dazu den Brief der Oberschlesischen Volkstrachtengruppe zu Berlin an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, vom 14. Februar 1984, LA, B Rep. 150, Nr. 54, sowie die Anfrage zur Beteiligung der Laienspiel- und Trachtengruppe der Donauschwaben an den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, vom 26. Februar 1986, LA, B Rep. 150, Nr. 55. Siehe dazu den Briefwechsel des Europeade Komitees Deutschland mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, vom März/April 1986. LA, B Rep. 150, Nr. 56.
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des 17. Juni einleiten sollte.38 Allerdings wurde diese Idee wieder verworfen, um mit solchen „populistischen Massenveranstaltungen“39 nicht das Erbe von 1937 anzutreten. Stattdessen fand ein „Historischer Jahrmarkt“ auf der Straße des 17. Juni als zentrale Veranstaltung des Jubiläums statt. Bei dem sechswöchigen Straßenfest vom 15. Juli bis zum 30. August 1987 wurde ein Querschnitt durch 300 Jahre Berliner Volksbelustigungen geboten. Außerdem wurde die Siegessäule auf der Straße des 17. Juni als Freiluftbühne genutzt, um Theater- und Musikrevuen unter dem Titel „Sternstunden“ aufzuführen, und am Reichstag fand das große Rockkonzert „Rock Salute to Berlin“ statt.40 Ähnlich wie im Ausstellungsbereich, bei dem durch das Einbeziehen subkultureller Gegenbewegungen in die Festkonzeption eine große Bandbreite an Stadt- und Geschichtsinterpretationen dargeboten wurde, konnten mit dem Bootskorso, dem Vergnügungsmarkt und den Sternstunden zentrale Festveranstaltungen durchgeführt werden, ohne eine vereinigend wirkende Repräsentation der Stadt aufzuführen. Stattdessen wurde eine Mannigfaltigkeit an popkulturellen und konsumorientierten Angeboten offeriert, was dem Konzept von sozialer und kultureller Vielfalt der Großstadt Berlin entsprach. Damit behielten die Jubiläumsplaner Volker Hassemer und Ulrich Eckhardt trotz des partizipativen Gestaltungsangebots die Kontrolle über die zentralen Projekte in ihrer Hand und entschieden über Freiräume oder Zurückweisungen der aus der Bevölkerung vorgeschlagenen Ausstellungs- und Veranstaltungsideen. So wurde zwar ein Bild von Berlin als pluralistischer Stadt präsentiert, der dargestellte Pluralismus wurde allerdings – wie die Beispiele zeigen – aufmerksam ausgewählt und dargeboten. Auf Anfragen der verschiedenen weiteren Trachtengruppen wurde aus planerischen Gründen nicht eingegangen. Ihnen wurden aber als Auftrittsalternative die Bezirkswochen empfohlen, da die von den Stadtbezirken organisierten Bezirksfeste nicht mehr im Verantwortungsbereich des Büro B-750 und auch nicht im Hauptfokus der lokalen wie internationalen Öffentlichkeit standen.41 Auch auf der Bezirksebene wurde versucht, Projekte und Ideen von einzelnen Bürgergruppen und Vereinen mit in das Festprogramm einzubeziehen und damit dem Konzept von Pluralität gerecht zu werden. Doch auch hier wurde von Seiten des Stadtbezirksamtes als Organisator des Bezirksfestes über die Möglichkeiten der Einflussnahme der unterschiedlichen Gruppierungen entschieden. 38
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Zum Konzept des Blumenkorsos vom Oktober 1985 siehe: B-750 / Stadtfest: Blumenkorso mit Europäischer Folk-Parade. LA, B Rep. 150, Nr. 55. Vgl. dazu das Schreiben von Ulrich Eckhardt: Problemstellung in Stichworten, 7. Februar 1985. LA, B Rep. 150, Nr. 381. Ausführlicher dazu siehe die Darstellung des Jubiläumsprogramms der 750-Jahr-Feier in Eckhardt (Hg.): 750 Jahre Berlin, S. 273-352 sowie die Überlegungen zu den zentralen Festveranstaltungen in LA, B Rep. 150, Nr. 53, 54, 178, 179, 381. Siehe das Antwortschreiben von Frank Reinhardt, Organisationsleiter des Stadtfestes, an die Oberschlesische Volkstanzgruppe und an die Laienspiel- und Trachtengruppe der Donauschwaben vom 26. Februar 1986. LA, B Rep. 150, Nr. 55. Zu den spezifischen Themen und Inhalten der Bezirkswochen siehe die ausführliche Darstellung des Jubiläumsprogramms in Eckhardt (Hg.): 750 Jahre Berlin, S. 314-339.
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„Anti-Berlin“ – Proteste und Gegenbewegungen zur Jubiläumsfeier Trotz der Beteiligung unterschiedlicher Akteure am Festprogramm und der Informierung der Berliner über die geplante Festgestaltung durch die öffentlichen Medien gab es im Festjahr selbst Proteste und Gegenaktionen. Für die 750-JahrFeier in West-Berlin wurden vom Bund insgesamt 82,5 Millionen DM investiert.42 Die Jubiläumsveranstaltungen nahmen in ihrem endgültigen Umfang sowohl zeitlich als auch in Bezug auf die Programmauswahl enorme Ausmaße an. Zwischen Ende April und November verging kein Tag, an dem nicht eine Veranstaltung im Zusammenhang mit der 750-Jahr-Feier angeboten wurde. Sowohl das Ausmaß der Veranstaltungen und die dabei investierten Gelder als auch die politische Richtung der Feierlichkeiten riefen in der städtischen Öffentlichkeit von verschiedener Seite Skepsis hervor. So fand das Eröffnungswochenende der 750-Jahr-Feier am 30. April und 1. Mai 1987 mit einem Festakt im „Internationalen Congress Centrum“ (ICC) und mit einem Festkonzert des „Berliner Philharmonischen Orchesters“ in der Philharmonie statt. Parallel dazu drang die Polizei am Abend des 30. Aprils 1987 in die Räume eines Büros im Kreuzberger Kultur- und Kommunikationszentrum Mehringhof ein und beschlagnahmte die dort für eine Protestaktion gelagerten Flyer und Broschüren.43 Als Reaktion darauf wurde von autonomen Gruppen am nächsten Tag in Kreuzberg eine Gegendemonstration zum 1. Mai-Feiertag organisiert, die abends eskalierte. Mit schweren Krawallen und Ausschreitungen, mit brennenden Autos, Gerüsten und Zeitungskiosken, mit der Errichtung von Blockaden gegen die einschreitende Polizei und der Plünderung von Läden und Supermärkten endete das Eröffnungswochenende der 750-Jahr-Feier in BerlinKreuzberg.44 Der Berliner Innensenator Wilhelm Kewenig (CDU) und der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen bezeichneten die Akteure der nächtlichen Ausschreitungen als „eine Clique von Anti-Berlinern“45 und die Berliner Tageszeitung taz titelte „Feuriger Festauftakt der ‚Anti-Berliner‘. Heißes Mai-Erwachen in Berlin-Kreuzberg“.46 Ähnliche Szenen fanden auch beim Besuch von Ronald Reagan sechs Wochen später statt. Nach einer Demonstration am 11. Juni 1987 in der West-Berliner Innenstadt gegen Reagans Politik, an der 50.000-60.000 Menschen teilnahmen, kam es zu gewaltvollen Übergriffen der Polizei auf den ‚autonomen Block‘ und zu Straßenschlachten mit Barrikaden und Plünderungen, Tränengas und Schlagstockeinsätzen. Am 12. Juni 1987, bei der Rede von Reagan vor dem Bran-
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Siehe dazu den Artikel von Hans-Martin Tillack: Schwachsinniger Schlüssel. Gelderverteilung in den Bezirken zur B-750. In: zitty (1985), H. 17, S. 14 sowie in: LA, B Rep. 150, Nr. 7. Am 25. Mai 1987 sollte eine Volkszählung in Berlin stattfinden und eine Kreuzberger Initiativgruppe wollte an diesem Tag zum Boykott aufrufen und hatte Flyer dafür vorbereitet. Vgl. die Berichte in der taz, die tageszeitung (4.5.1987), S. 1, 2, 3. Siehe dazu die Dokumentation des Ermittlungsausschusses Berlin, 1. Mai 1987-12. Juni 1987, S. 6. O.A.: Feuriger Festauftakt der ‚Anti-Berliner‘. In: taz, die tageszeitung (4.5.1987), S. 3.
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denburger Tor, wurden drei angekündigte Kundgebungen vom Senat verboten und der Stadtteil Kreuzberg von der Polizei komplett abgeriegelt. Eine Gruppe von Aktionskünstlern aus Kreuzberg nutzte die Etikettierung als „Anti-Berliner“ und gründete ein „Büro für ungewöhnliche Maßnahmen“ in Berlin-Kreuzberg, von dem aus satirische Gegenaktionen zur 750-Jahr-Feier organisiert wurden. So errichteten sie am 17. Juni 1987 an der Kottbusser Brücke einen zwei Meter hohen „Anti-Kreuzberger Schutzwall“ aus Holz, Pappe und Stoffrollen auf der Straße, der das vermeintliche „Anti-Berlin“ vom Rest der Stadt abgrenzte und der innerdeutschen Mauer zum Verwechseln ähnlich sah.47 Nach den Krawallen in Kreuzberg im Mai und Juni 1987 wurde die Kreuzberger Bezirkswoche, die eigentlich für den 23.-30. Juni 1987 geplant war, abgesagt. In einem Schreiben von Andreas Nachama und dem Büro B-750 an die Infoläden und Pressecounters hieß es dazu: „Die Bezirkswoche Kreuzberg ist vorläufig abgesagt und wird auf einen später zu benennenden Termin verschoben (Hintergrundinformation: wahrscheinlich wird sie überhaupt nicht stattfinden). Die offizielle Sprachregelung: ‚Die Bezirkswoche Kreuzberg wurde v e r s c h o b e n‘ (NICHT ‚abgesagt‘).“48 Dieser vorsichtige Umgang bei der Absage zeigt die Sensibilität der Situation: Zum einen wurde dem Berlinjubiläum aus dem politischen Kontext der geteilten Stadt und der Systemkonkurrenz eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Zum anderen waren sowohl die Inhalte der Berlindarstellung als auch die Inszenierungsformen des Stadtfestes Neuland, die zu Klassifizierungskämpfen um eine urbane Repräsentation der Stadt einluden. Daher waren Eckhardt und sein Büro B-750 als Organisatoren des Jubiläums nicht nur bei der Auswahl der Themen und Veranstalter, sondern auch bei den Reaktionen auf das Festjahr selbst zu Aushandlungen zwischen den verschiedenen Wünschen, Vorstellungen und Deutungen der Berlinbewohner als dem Publikum der Feier gezwungen. Gegenaktionen gegen die Jubiläumsveranstaltungen kamen aber auch aus einem anderen politischen Spektrum. So entluden sich gegenüber dem „Skulpturenboulevard“49 als eine der Kunstausstellungen zur 750-Jahr-Feier heftige Proteste: Bei dem Kunstprojekt wurden sieben Großskulpturen und Installationen von international renommierten Künstlern auf dem Kurfürstendamm und am Tauentzien platziert. Für die Auswahl der Skulpturen und die Organisation des Skulpturenboulevards war vom Senator für Kulturelle Angelegenheiten der „Neue Berliner Kunstverein“ (NBK) beauftragt worden. Die öffentlich ausgestellten Skulpturen trafen allerdings nicht den Geschmack einiger – in diesem Falle eher konservativer – Berliner. Dies betraf zum einen die Skulptur mit dem Titel „13.04.1981“ von Olaf Metzel, die auf eine Spontandemonstration von
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Aktionskunst: Gutes von unten. In: Der Spiegel (30.11.1987), S. 280. Schreiben von Andreas Nachama vom 18. Juni 1987. LA, B Rep. 150, Nr. 7. Zur Konzeption des Skulpturenboulevards siehe den zweibändigen Katalog des Neuen Berliner Kunstvereins (Hg.): Skulpturenboulevard Kurfürstendamm Tauentzien. Kunst im öffentlichen Raum. Bd. 1: Projekt- und Künstlerdarstellung, Bd. 2: Diskussionsbeiträge. Berlin 1987.
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Hausbesetzern am Kurfürstendamm anspielte, welche sich gegen die Wohnungsräumungen wehrten und dabei am 13. April 1981 200 Scheiben von Geschäften einwarfen. Die zweite Skulptur, die in Misskredit geriet, war Wolf Vostells Skulptur „2 Beton-Cadillacs in Form der nackten Maja“. Bereits beim Aufbau der Skulpturen Ende März 1987 gab es erste Proteste. Kritisiert wurde in einem vom „Bund der Steuerzahler“ verfassten offenen Brief die „Verschleuderung von Steuergeldern für ‚Kunstwerke‘ zweifelhaftester Art“.50 Des Weiteren wurde eine „Bürgerinitiative gegen moderne Kunst“ gegründet, die sich am 28. März 1987 zu einer Protestkundgebung auf dem Rathenauplatz versammelte und zwei Tage später eine Menschenkette um das im Bau befindliche Cadillac-Kunstwerk bildete, um die Bauarbeiter an der Fertigstellung des Projektes zu hindern.51 Auch das Ausschütten von Blumenabfällen oder Trauerkränzen mit der Aufschrift „Hier ruht in Beton und Schrott Berlins Kunstverstand“ auf der Skulptur gehörten zu den Gegenaktionen. An den Protesten waren vor allem die Anwohner beteiligt, welche die Skulpturen als „Drahtgestelle“ und „Schrotthaufen“ ablehnten und stattdessen lieber einen „schönen Springbrunnen“, Bäume oder Grünanlagen auf dem Rathenauplatz gesehen hätten.52 Neben diesen friedlich geäußerten Protesten gab es aber auch Bombendrohungen gegenüber der Skulptur sowie Gewaltandrohungen und Beschimpfungen gegenüber den Künstlern und der für die Auswahl des Skulpturenboulevards zuständigen Kulturorganisation. Dabei wurde bisweilen sogar auf nationalsozialistisches Vokabular zurückgegriffen, die Skulptur als „entartete Kunst“ bezeichnet und die Künstler und Mitarbeiter des NBK mit dem Worten „Wer das zu verantworten hat, gehört ins Zuchthaus“ angeschrieen.53 In einem Flugblatt des für den Protest neu gegründeten „Aktionskreises Kunst“ hieß es: „Den Erzeugern jener unförmigen Gebilde, die sie Plastiken nennen, und die von Kulturbonzen gekauft und öffentlich ausgestellt werden, wäre nur gedient, wenn man diese Plastiken zerschlagen würde.“54 Diese öffentliche Kritik an dem Jubiläumsprojekt wurde von verschiedenen Medien aufgegriffen. Bei einer Wetten, dass…?-Sendung am 4. April 1987 wurde
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Siehe ebd., Bd. 1, S. 244 sowie o.A.: Kunst muss provozieren. In: taz, die tageszeitung (27.3.1987), gesammelt in: Pressespiegel zur 750-Jahr-Feier, LA, B Rep. 150, Nr. 452. Die Menschenkette wurde von der Polizei aufgelöst. Vgl. Neuer Berliner Kunstverein (Hg.): Skulpturenboulevard. Bd. 1, S. 244 sowie o.A.: Die Kunst der Steuerzahler. In: taz, die tageszeitung (1.4.1987), gesammelt in: Pressespiegel zur 750-Jahr-Feier, LA, B Rep. 150, Nr. 452. Vgl. Zitate der Anwohner in o.A.: Spießiger Geschmack darf kein Kunstmaß sein. In: Berliner Morgenpost (29.3.1987), gesammelt in: Pressespiegel zur 750-Jahr-Feier, LA, B Rep. 150, Nr. 452. Ausführlicher dazu siehe den Beitrag der damaligen Projektleiterin Barbara Straka: Die Berliner Mobilmachung. Eine kritische Nachlese zum „Skulpturenboulevard“ als „Museum auf Zeit“. In: Volker Plagemann (Hg.): Kunst im öffentlichen Raum. Anstöße der 80er Jahre. Köln 1989, S. 97-115; Neuer Berliner Kunstverein (Hg.): Skulpturenboulevard. Bd. 1, S. 245 und o.A.: Die Kunst der Steuerzahler. In: taz, die tageszeitung (1.4.1987), gesammelt in: Pressespiegel zur 750-Jahr-Feier, LA, B Rep. 150, Nr. 452. Neuer Berliner Kunstverein (Hg.): Skulpturenboulevard. Bd. 1, S. 244.
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Eberhard Diepgen als damaliger Regierender Bürgermeister von Berlin von dem Moderator Frank Elstner nach dem Skulpturenboulevard gefragt. Er äußerte sich eher zögerlich gegenüber den Skulpturen und bemerkte, dass es in seiner Amtszeit keinen zweiten Skulpturenboulevard geben würde. Damit stellte er sich auf die Seite des konservativen Publikums, statt das Konzept von Berlin als Kunstund Kulturmetropole der Gegenwart zu verteidigen. Diese öffentliche Bemerkung führte zu einer medialen Debatte über die Verwendung der Gelder bei der Jubiläumsfeier, über zeitgenössische Kunst55 und über die (Kultur-)Entwicklung der Stadt. In einem Leserbrief wurde dabei sogar auf die in Ost-Berlin stattfindenden Restaurationsarbeiten in Vorbereitung auf das Berlinjubiläum 1987 Bezug genommen und – ähnlich dem Bürgerverein mit seinem Verweis auf das kulturelle Erbe der Landsmannschaften56 – die moderne Kunst dem traditionellen „Kulturerbe“ gegenübergestellt: Genügt es denn nicht schon, dass wir mit Versäumnissen und städtebaulichen Fehlplanungen sowie mit blinder Abrisswut […] der 50er und 60er Jahre leben müssen? Wäre es denn nicht sinnvoller, die 1,8 Millionen Mark für Erhaltung und Wiederaufbau historischer Gebäude zu verwenden […]? Was denken Besucher über diese Schrottansammlung? Dieser für eine Großstadt wohl sicherlich einmalige Vorgang ist deswegen auch besonders schmerzlich, da man in derselben Ausgabe ihrer Zeitung erfahren konnte, daß im Ostteil unserer Stadt erneut ein historisch wertvolles Gebäude […] im alten Glanz […] wieder aufgebaut wurde. Irgendwann werden andere das gesamte deutsche Kulturgut in Anspruch nehmen. Uns bleibt dann vielleicht noch der Beton-Cadillac am Rathenauplatz.57
Paradoxerweise konnten sich die unterschiedlichen Kritiker des Jubiläumsjahres in einem vom Büro für ungewöhnliche Maßnahmen am 25. Oktober 1987 organisierten Straßentheater vereinen und gemeinsam auftreten: Satirisch in Bezug auf das offizielle Veranstaltungsgremium des Senats als „B-750 Parade“ angekündigt, zog ein bunter Zug an linken Gruppierungen in Verkleidung über den Kurfürstendamm. 30.000 Schaulustige folgten diesem Gegen-Festzug.58 Als Höhepunkt wurde in einem Konfetti-Regen aus Volkszählungsbögen das riesige rosa Geschlechtsteil eines sechs Meter hohen Papp-Bärs enthüllt und der Bär mit den
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Es wurde eine „Bürgerinitiative Rathenauplatz“ gegründet, die als prominenten Kunstkritiker Ephraim Kishon bat, seine Einschätzung zum Skulpturenboulevard abzugeben, was dieser in einem – in verschiedenen Berliner Tageszeitungen abgedruckten und kommentierten – seitenlangen Artikel auch tat. Auf diese Debatte kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu: Antwortschreiben von Ephraim Kishon an die Bürgerinitiative vom 20. August 1987. In: Tagesspiegel (29.8.1987) sowie der Artikel: Picassos Nasen. In: Tagesspiegel (13.9.1987), beides in: Pressespiegel zur 750-Jahr-Feier, LA B Rep. 150, Nr. 438. Brief des BBV an den Senator für Kulturelle Angelegenheiten, Volker Hassemer, 15. Dezember 1984. LA, B Rep. 150, Nr. 54. Leserbrief von Konrad Haller: Beton-Cadillacs ein Kulturgut unserer Zeit? In: Berliner Morgenpost (6.4.1987), in: Pressespiegel zur 750-Jahr-Feier, LA B Rep. 150, Nr. 333. O.A.: Aktionskunst: Gutes von unten. In: Der Spiegel (30.11.1987), S. 280.
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jauchzenden Rufen „Tötet den Bären“ vor dem Café Kranzler erlegt. Die Beteiligten des satirischen Umzugs trugen Transparente mit Sprüchen wie „Nix geht über Bärenmacke – Jagdschein für alle!“ oder „Das ist die Berliner Gruft, Gruft, Gruft…“. In den Paradezug reihte sich aber auch eine gut gekleidete Dame mit ein, die mit einem Pappschild ihre Ablehnung zum Skulpturenboulevard zum Ausdruck brachte. Darauf war zu lesen: „Dr. Hassemer sucht dringend Lokomotiven, Autowracks. Zahlt Höchstpreise. Rufen Sie nicht gleich die Müllabfuhr – es könnte Kunst sein.“59 Sowohl die mediale Debatte um den Skulpturenboulevard als auch die Protest- und Gegenaktionen zeigen dabei die historische Schwellensituation von West-Berlin bei der Auswahl einer passenden Repräsentationsform: Eine „Selbstkulturalisierung“60 der Stadt als „creative city“ ist in Berlin erst ab den 1990er-Jahren eindeutig zu beobachten. Dennoch lassen sich erste Anzeichen dieser „Kulturalisierung“ bereits bei der 750-Jahr-Feier von 1987 in West-Berlin aufzeigen, die als Vorläufer für diesen Prozess beschrieben werden können. Denn die dezentralen Veranstaltungen und die partizipative Struktur der Festplanung bedeuteten eine Neuorientierung in der Stadtpolitik, bei der die gewünschte Inszenierung der verschiedenen ‚Gesichter der Stadt‘ sowohl durch die Unterschiedlichkeit der Themen als auch durch die Integration unterschiedlicher Veranstalter gewährleistet werden sollte. Die Aushandlungen um die Jubiläumsprojekte als neue Form der Präsentation der Stadt und die Protestaktionen im Festjahr als Widerstände dagegen können dabei aufzeigen, dass sich die Veränderungen der Stadtdarstellung und -inszenierung noch nicht etabliert hatten. Daher wurde mit dem Konzept von Vielfalt und Offenheit im Programm und bei den Veranstaltern eine Aushandlung um die urbane Repräsentation der Stadt erst möglich gemacht.61
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O.A.: „Tötet! Tötet! Tötet den Bären!“ In: taz, die tageszeitung (27.10.1987), S. 5. Siehe dazu auch Martin Maria Kohtes: Guerilla Theater – Theorie und Praxis des politischen Straßentheaters in den USA. Tübingen 1990, S. 227; Gottfried Korff: Zweimal 750 Jahre Berlin. Das Stadtjubiläum im Vergleich. In: Gerd Meyer / Jürgen Schröder (Hg.): DDR heute. Wandlungstendenzen und Widersprüche einer sozialistischen Industriegesellschaft. Tübingen 1988, S. 130-154, hier: S. 147. Siehe dazu: Reckwitz: Die Selbstkulturalisierung. Siehe dazu Alexa Färber: Urbane Präsenzen und Repräsentationen. Eine Einleitung. In: Dies. (Hg.): Stoffwechsel Berlin. Urbane Präsenzen und Repräsentationen. Berlin 2010, S. 7-18, bes. S. 13f.
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