Totlachen. Komik und Ironie in Nibelungenlied und Kudrun

May 23, 2017 | Author: Stefan Seeber | Category: Humor, Heroic Poetry, Humour Studies, Irony, Nibelungenlied
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DOI 10.1515/bgsl-2014-0017

pbb 2014; 136(2): 230–253

Stefan Seeber

Totlachen Komik und Ironie im ›Nibelungenlied‹ und in der ›Kudrun‹ Abstract: ›Nibelungenlied‹ and ›Kudrun‹ display deliberate use of comic elements and of heroic irony. In a first step, my paper retraces the role that comedy and irony play in the teleological development toward the downfall in the ›Nibelungenlied‹. In a second step, I argue that ›Kudrun‹ deconstructs the ›Nibelungen‹ poetics of comedy and specifically includes them in its new, hybrid concept of storytelling. The hitherto neglected aspect of a structured use of comedy and irony in the epics allows for a new perspective not only on ›Nibelungenlied‹ and ›Kudrun‹, but also on the availability of comedy in medieval vernacular poetics in general. Dr. Stefan Seeber: Universität Freiburg, Deutsches Seminar – Germanistische Mediävistik, Platz der Universität 3, D‑79085 Freiburg/Breisgau, E-Mail: [email protected]‑freiburg.de

I. Einleitende Überlegungen Dem ›Nibelungenlied‹ ist es todernst mit dem Untergang. Der ›Kudrun‹ ist es nicht minder ernst damit, eine politische Alternative zur heroischen Apokalypse zu entwerfen.1 Das lässt – auf den ersten Blick – keinen Raum für Komik,2 nur für

1 Der Bezug der ›Kudrun‹ zum ›Nibelungenlied‹ gehört zu den Grundannahmen der Forschung und ist durch die Montagetechnik, die Kerstin Schmitt (Poetik der Montage. Figurenkonzeption und Intertextualität in der ›Kudrun‹, Berlin 2002 [Philologische Studien und Quellen 174]) herausgearbeitet hat, als Grundmuster der Dichtung anerkannt, vgl. neuerdings verfeinernd Christian Schneider: Die Latenz des Epos. Narrative Kohärenz und Kryptotext in der ›Kudrun‹, in: Johannes Keller u. Florian Kragl (Hgg.): 11. Pöchlarner Heldenliedgespräch. Mittelalterliche Heldenepik – Literatur der Leidenschaften, Wien 2011 (Philologica Germanica 33), S. 161–186. 2 Komik in der späteren Heldenepik ist besonders für ›Biterolf und Dietleib‹, ›Sigenot‹ und die Wolfdietriche herausgearbeitet worden, vgl. z. B. Ariane Mhamood: Inszenierte Komik in ›Biterolf und Dietleib‹, in: Klaus Zatloukal (Hg.): 7. Pöchlarner Heldenliedgespräch. Mittelhochdeutsche Heldendichtung außerhalb des Nibelungen- und Dietrichkreises (›Kudrun‹, ›Ortnit‹, ›Waltharius‹, Wolfdietriche), Wien 2003 (Philologica Germanica 25), S. 151–174 sowie den Beitrag von Sebastian Coxon: Komik und Gelächter in der ›Wolfdietrich‹-Epik im selben Band, S. 57–76. Vgl. außerdem Michael Curschmann: ›Biterolf und Dietleib‹. A Play upon Heroic Themes, in: Stephen J. Kaplowitt (Hg.): Germanic Studies in Honor of Otto Springer, Pittsburgh 1978, S. 77–91. Vgl.

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z. T. ins Zynische reichenden Spott im Angesicht des Feindes und des Todes. Und trotzdem gibt es auch in ›Nibelungenlied‹ und ›Kudrun‹ verschiedene Passagen, die vom allgemeinen Ernst der Lage nicht ergriffen zu sein scheinen: Gunthers Brautnacht,3 Rumolts Rat (Nl 1465–1469) und der patschnasse Kaplan, dessen Reise nach Etzelburg von Hagen frühzeitig beendet wird (Nl 1574–1580), gehören hierher. In der ›Kudrun‹ sind es vor allem Fruote und Horant mit ihren Frotzeleien und Wate, der sich den Heroenbart schmücken und bei Hof vorsprechen muss (Kd 340–345), die komische Untertöne aufweisen.4 Diese auf »Ungefährlichkeit ihrer Anlässe«5 beruhende Komik in der ›Kudrun‹ hat man lange Zeit kaum zur Kenntnis genommen.6 Und auch das Verständnis des ›Nibelungenliedes‹ ist überwiegend vom Untergangsszenario dominiert. Nur die »zahlreichen komischen Züge«7 der Brautnachtszene haben vermehrt Aufmerksamkeit erfahren8 und sind eine Art burlesker Sonderfall, dem man einen Eigenwert zubilligt. Wichtiger hingegen hat man immer schon Ironie, Spott und Hohn genommen, die Mayer als »heroische[n] Humor«9 fasst: In diesen Äußerungen wird das fasslich, was Blaicher (für englische Texte, aber durchaus auf deutschsprachige Heldenepik anwendbar) als ursprünglichste Form heldenepischen Gelächters beschrieben hat, nämlich das Lachen im Angesicht der Gefahr und zur Verspottung

weiterhin Florian Kragl: Heldenzeit. Interpretationen zur Dietrichepik des 13. bis 16. Jahrhunderts, Heidelberg 2013 (Studien zur historischen Poetik 12), S. 132–136 mit allerdings vorsichtiger Wertung. 3 Ich nutze die Ausgabe: Das Nibelungenlied. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Karl Bartsch und Helmut de Boor ins Neuhochdeutsche übers. u. komm. v. Siegfried Grosse, Stuttgart 1999 (RUB 644). 4 Ich nutze die Ausgabe: Kudrun. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch, hg., übers. u. komm. v. Uta Störmer-Caysa, Stuttgart 2010 (RUB 18639), die auf der älteren Ausgabe von Stackmann basiert: Kudrun. Nach der Ausgabe v. Karl Bartsch, hg. v. Karl Stackmann, Tübingen 2000 (ATB 115). 5 Jan-Dirk Müller: Spielregeln für den Untergang. Die Welt des ›Nibelungenliedes‹, Tübingen 1998, S. 440. 6 Für die ›Kudrun‹ ist z. B. nur Bernhard Wurzer: Das Komische in der deutschen Heldendichtung von der Frühzeit bis zum hohen Mittelalter, Diss. masch. Innsbruck 1951, S. 190–219, einschlägig. 7 Fritz Peter Knapp: Eine unsanfte Brautnacht oder Wie lustig waren die Nibelungen in alter und neuer Zeit?, in: Klaus Zatloukal (Hg.): 3. Pöchlarner Heldenliedgespräch. Die Rezeption des ›Nibelungenliedes‹, Wien 1995 (Philologica Germanica 16), S. 109–126, hier S. 110. 8 Vgl. Stephen L. Wailes: Bedroom Comedy in the ›Nibelungenlied‹, in: Modern Language Quarterly 32/4 (1971), S. 365–376, dort auch S. 365 zur älteren Forschung und Patrick Fortmann: Der Humor der Helden: Komik im ›Nibelungenlied‹, in: Sibylle Jefferis (Hg.): The ›Nibelungenlied‹: Genesis, Interpretation, Reception (Kalamazoo Papers 1997–2005), Göppingen 2006 (GAG 735), S. 89–118, hier S. 95–99. 9 Hartwig Mayer: Humor im ›Nibelungenlied‹. Diss. masch. Tübingen 1966, S. 76.

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des Gegners,10 und das ist leicht mit der generellen Tendenz des ›Nibelungenliedes‹ in Einklang zu bringen.11 Mir wird es im Folgenden darum gehen, die bislang vernachlässigte Komik in ein neues Licht zu stellen, sie mit der heroischen Ironie zusammenzuführen und in ihrer Funktion für beide Epen zu betrachten. Dabei will ich auch generelle Tendenzen der Komikverwendung aufzeigen und skizzieren, welche Möglichkeiten Heldenepik um und nach 1200 hat, um Komik, Ironie und Spott strukturiert zu nutzen.

II. Terminologie und Instrumentarium Den Begriff ›Humor‹, der immer wieder in Interpretationen zu finden ist,12 meide ich dabei mit Absicht.13 Denn Humor gehört um 1200 in den Bereich der Humoralpathologie, ist damit bereits besetzt und hat in dieser Setzung nichts mit dem modernen ›Humor‹ zu tun. Erst im 16. Jahrhundert wird in England der Humorist als derjenige, dessen humores nicht im Gleichgewicht sind, als Anlass für Gelächter gesehen und wird Humor im weitesten Sinne mit Komik und Lachen in Zusammenhang gebracht.14 Die heute vorherrschende Vorstellung von Humor als »Leitbegriff für den Bereich des Komischen, der sich sowohl auf Eigenschaften einer Person und ihre Subjektivität, als auch auf Eigenschaften einer Situation, Handlung, Rede oder Schrift beziehen läßt, die eine Verwandtschaft zur Komik ebenso einschließen wie übersteigen«15, wurde um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert geprägt. Humor dieser Art ist im deutschen Sprachraum vor allem mit der ›Vorschule der Ästhetik‹ von Jean Paul verbunden und hat mit der strukturierten, reflektierten Nutzung mittelalterlicher Komik nichts gemein.16

10 Vgl. Günther Blaicher: Über das Lachen im englischen Mittelalter, in: DVjs 44 (1970), S. 508–529, hier S. 510 f.; zur Übertragung auf deutsche Texte vgl. Fortmann [Anm. 8], S. 92. 11 Vgl. Manuel Braun: Mitlachen oder verlachen? Zum Verhältnis von Komik und Gewalt in der Heldenepik, in: Manuel Braun u. Cornelia Herberichs (Hgg.): Gewalt im Mittelalter. Realitäten – Imaginationen, München 2005, S. 381–410, hier S. 384 f. zur affirmativen Funktion von Gelächter im ›Nibelungenlied‹. 12 So zuletzt bei Fortmann [Anm. 8] im Titel, ebenso bei Mayer [Anm. 9]. 13 Vgl. auch Fortmann [Anm. 8], S. 91 mit Bezug auf überzeitliche Komikkonzepte. 14 Vgl. allgemein Patricia Keith-Spiegel: Early Conceptions of Humor: Varieties and Issues, in: Jeffrey H. Goldstein u. Paul E. McGeeh (Hgg.): The Psychology of Humor. Theoretical Perspectives and Empirical Issues, New York u. London 1972, S. 4–39 sowie Eberhard Schüttpelz: [Art.] Humor, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 4 (1998), Sp. 86–98, hier Sp. 86. 15 Schüttpelz [Anm. 14], Sp. 86. 16 Nur unter der Prämisse, dass Humor im Sinne eines heutigen allgemeinsprachlichen Gebrauchs als Passepartout für alle komischen und Lachen erregenden Phänomene angewendet

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Eine gezielte Auseinandersetzung mit Komik und Lächerlichem ist für mittelhochdeutsche Literatur hingegen durchaus nachzuweisen.17 Die Basis hierfür bietet die antike Rhetorik, die umfangreiche Anleitungen dazu gibt, wie Gegenstände und Personen so präsentiert werden können, dass sie Lachen erregen. Dabei gibt es keine genaue, präskriptive Anleitung zum Komischsein – jeder Gegenstand kann komisch oder tragisch bearbeitet werden,18 und jedes Stilmittel, das für ernste Zwecke zum Einsatz kommt, kann auch genutzt werden, um Lachen zu erregen.19 Die individuelle Ausgestaltung ist mithin das entscheidende Moment. Ausgangspunkt der Komik ist ein Konflikt,20 der so aufbereitet wird, dass er Lachen hervorruft – dafür ist auch eine Distanz zum Gegenstand bzw. zu der Person notwendig, die im Mittelpunkt des Konflikts steht. Die moderne Theoriebildung zur Komik fasst diesen Aspekt prägnant unter dem Stichwort der »vorübergehenden Anästhesie des Herzens«21, der Katalog von Schwächen und Fehlern, den etwa die ›Rhetorica ad Herennium‹ (IV, 9) bietet, ruht auf denselben Grundlagen. Die Grenze der Komik ist also die Toleranzgrenze des Publikums, hierauf zielt vor allem auch das Harmlosigkeitspostulat in der Prägung Ciceros ab.22 Wird diese Harmlosigkeit überschritten und ist trotzdem ein komischer Effekt intendiert, handelt es sich um sog. ›schwarzen Humor‹, eigentlich eine Abart der Komik, die Harmlosigkeit durch Schädlichkeit ersetzt, Tabus bricht und in destruk-

wird (vgl. Wolfgang Preisendanz: [Art.] Humor, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie 3 [1974], Sp. 1232–1234, hier Sp. 1232), bieten sich Anknüpfungspunkte an mittelalterliche Komik; dieser entleerte Begriff hat dann aber keinen Mehrwert, der seine Anwendung rechtfertigen würde. 17 Ich beziehe mich hier und im Folgenden auf meine Dissertation: Poetik des Lachens. Untersuchungen zum mittelhochdeutschen Roman um 1200, Berlin u. New York 2010 (MTU 140). 18 Vgl. Friedrich Georg Jünger: Über das Komische, Hamburg 1936, S. 9. Vgl. die Textsammlung: Texte zur Theorie der Komik, hg. v. Helmut Bachmaier, Stuttgart 2005 (RUB 17656) zu den antiken Überlegungen zu Tragödie und Komödie, besonders S. 12–14. Vgl. ebenfalls Braun [Anm. 11], S. 383 zur Inkongruenzthese. 19 Vgl. z. B. Quintilian, Institutio oratoria VI 3,65, ein Gedanke, der sich auch in der ›Poetria nova‹ des Galfried von Vinsauf wiederfindet, der als Rahmen einer poetischen Nutzung der res comica zudem die levitas von Gegenstand und Darbietungsweise betont: Galfried von Vinsauf, Poetria nova, in: Les Arts Poétiques du XIIe et du XIIIe Siècle. Recherches et documents sur la technique littéraire du Moyen Age par Edmond Faral, Paris 1924, S. 194–262, hier V. 1911–1916. Zu Galfrieds Kenntnis der ›Institutio oratoria‹ vgl. Ralf-Henning Steinmetz: Komik in mittelalterlicher Literatur. Überlegungen zu einem methodischen Problem am Beispiel des ›Helmbrecht‹, in: GRM N. F. 49 (1999), S. 255–273, hier S. 262. 20 Vgl. Jünger [Anm. 18], S. 9: »Alles Komische geht aus einem Konflikt hervor.« 21 Henri Bergson: Das Lachen. Ein Essay über die Bedeutung des Komischen. Aus dem Französischen übersetzt von Roswitha Plancherel-Walter, Zürich 1972, S. 12. 22 Vgl. Cicero, De oratore II,237.

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tiver Absicht bestehende Ordnungen und Wertesysteme verlacht.23 Komik liegt somit nicht nur im Gegenstand selbst begründet, sondern die in der Wahrnehmung des Konflikts durch das Publikum, und die Grenzen der Publikumstoleranz werden durchaus ausgetestet und erweitert, wenn sie nicht, wie im Fall der ›schwarzen Komik‹, gezielt überschritten und selbst instrumentalisiert werden. Das Lachen ist dabei nicht Selbstzweck, sondern dient dazu, den Rezipienten zu lenken und ihn bei der Stange zu halten (›Rhetorica ad Herennium‹ I, 10), er soll beeinflusst werden.24 Diese rezeptionssteuernde Wirkung macht den besonderen Reiz der Komik aus, der weit über die levitas hinausreicht, die ihr die mittelalterliche Poetik zuerkennt.25 Im komischen Rahmen werden durchaus ernste Dinge verhandelt und wird die wohlwollende und aufmerksame Aufnahme des Gegenstandes gesichert. Das Lachen, das durch komische Passagen evoziert werden soll, hat somit einen Mehrwert, der über die bloße Unterhaltung hinausgeht. Mit der Komik verwandt, aber nicht identisch, ist die Ironie: Sie teilt mit der Komik den Konflikt, aber nicht unbedingt das Lachen. Denn Ironie reicht »von der freundlich-witzigen bis zur sehr verletzenden bitteren, beißenden Form«26, die als Spott erscheint und als Schmährede ironische Strategien gezielt zur Abwertung des Gegenübers einsetzt.27 Vor allem die spöttische Verwendung von Ironie, die termi-

23 Vgl. Michael Hellenthal: Schwarzer Humor. Theorie und Definitionen, Essen 1989, S. 43. Humor wird dabei im Bereich des ›schwarzen Humors‹ als terminologisch nicht festgelegtes Äquivalent zur Komik verwendet. Mit Mareike von Müller: Schwarze Komik in Heinrich Kaufringers ›Drei listige Frauen B‹, in: ZfdA 142 (2013), S. 194–216, S. 197–201 bietet es sich an, von schwarzer Komik als Kombination aus Komischem und Lächerlichem unter negativen Vorzeichen (ebd., S. 215) zu sprechen, so kann der anachronistische Humorbegriff vermieden werden, der eine Weltsicht unterstellt. Allerdings ist gegen Müllers aristotelische Definition des Harmlosigkeitspostulats zu betonen, dass die ciceronische Sicht auf die Harmlosigkeit die Auseinandersetzung mit der Thematik im Diskurs bis in die Frühe Neuzeit dominiert, dass also eine rezipientenbezogene, fallweise Einschätzung von Harmlosigkeit je nach Publikum angenommen werden muss, vgl. dazu Seeber [Anm. 17], S. 50 f. Zudem ist die Differenzierung zwischen res comica und den ridicula ausgerichtet an den mittelalterlichen Poetiken zu leisten und kann eine hierarchische Beziehung, wie sie Müller annimmt, nicht vorausgesetzt werden. 24 Vgl. auch Quintilians Lob der Wirkmacht des Lachens in ›Institutio oratoria‹ VI 3,8. 25 Vgl. dazu grundlegend Joachim Suchomski: delectatio und utilitas. Ein Beitrag zum Verständnis mittelalterlicher komischer Literatur, Bern 1975 (Bibliotheca Germanica 18), S. 66–73. 26 Gerd Althoff u. Christel Meier: Ironie im Mittelalter. Hermeneutik – Dichtung – Politik, Darmstadt 2011, S. 25. Vgl. auch ebd., S. 23 den Hinweis auf das 13. Jahrhundert als »Zeit des erstarkenden literarischen Ironiegebrauchs«. 27 Vgl. Mona Alina Kirsch: Das er in spottes wise hette entpfangen. Einblicke in die literarische Darstellung von Spott und Ironie im Mittelalter, in: FMSt 44 (2011), S. 395–418, hier S. 396 mit dem Hinweis auf Isidors ›Etymologiae‹ als Brücke zwischen Ironie und Schmährede.

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nologisch von den Rhetoriken nicht erfasst wird,28 verdient besondere Aufmerksamkeit, da sie in die Bereiche führt, die in der Literaturwissenschaft gemeinhin unter ›heroischem Lachen‹ subsumiert werden und das Verlachen des Feindes und seine Verspottung beinhalten. Dieses heroische Gebaren kann bis in den Sarkasmus hineinreichen, der als »höhnische, feindselige Art des Spottens«29 Ironie instrumentalisiert, um das Gegenüber zu degradieren. Es geht bei Ironie und Schmährede dabei jeweils grundsätzlich um ein Verstellen, eine dissimulatio oder permutatio, bei der Gesagtes und Gemeintes nicht deckungsgleich sind.30 Sie sind rezeptionsbezogen und funktionieren nur dann, wenn Rezipienten die Dechiffrierungsarbeit leisten.31 Dafür ist es notwendig, dass der Rezipient den Wissensstand des Sprechenden teilt und den Widerspruch zwischen Gesagtem und Gemeintem leicht aufzudecken vermag. Komik und Ironie, auch in der beißenden Form, blicken über den Tellerrand der Texte hinaus, sie adressieren den Rezipienten, der aktiv in die Sinnstiftung der Dichtung einbezogen wird: Wer lacht, positioniert sich, wer Ironie versteht, rechnet sich zu den Eingeweihten, wer Spott goutiert, weiß sich auf der Seite des Spötters. Der Bereich des Lachens kann dabei durchaus verlassen werden, etwa wenn Ironie in Sarkasmus übergeht. Rezipientenlenkung findet aber immer statt, in der Komikverwendung wie bei der Ironie, ob ein böses Lachen erregt werden soll oder ein freundliches. Es handelt sich mithin um persuasive Textstrategien, deren Einsatz im Rahmen eines Gesamtkonzepts der einzelnen Dichtungen je gesondert zu würdigen ist. Die poetische Nutzung von Komik und Ironie lenkt den Blick auf die rezeptionsästhetische Wirkintention der Texte, die sich auf ihre Rezipienten hin öffnen und versuchen, Einfluss zu nehmen. Um diese Wirkung soll es im Folgenden gehen, wobei ich chronologisch vorgehen und zuerst das ›Nibelungenlied‹ in den Blick nehmen möchte.

28 Vgl. Kirsch [Anm. 27], S. 401. 29 Burkhard Meyer-Sickendiek: [Art.] Sarkasmus, in: Historisches Wörterbuch der Rhetorik 8 (2007), Sp. 436–447, hier Sp. 436. 30 Vgl. auch die Ironie-Definition von Dennis H. Green: Irony in the Medieval Romance, Cambridge 1979, S. 9. 31 Vgl. auch die Auflistung der Erkennungsmerkmale bei Dennis H. Green: On Recognising Medieval Irony, in: A. Peter Foulkes (Hg.): The Uses of Criticism, Bern u. Frankfurt/Main 1976 (Literaturwissenschaftliche Texte. Theorie und Kritik 3), S. 11–55, hier S. 18 f. zur Decodierbarkeit.

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III. Komik, Ironie und Spott im ›Nibelungenlied‹ Üblicherweise nimmt man eine Zweiteilung der Komik im ›Nibelungenlied‹ an. Es gibt den ersten Handlungsteil, in dem Platz für eine komische Betrachtung von Minne, für burleske Szenen wie die Brautnachtepisode und für das ist, was seit Curtius als »Küchenhumor«32 gilt. Und es gibt den zweiten Handlungsteil, der dem Untergang entgegenstrebt und wo nur mehr heroischer Spott zu finden ist. Beginnt man die Analyse des Textes mit dem zweiten Teil der Dichtung und mit dem martialischen Verhalten, das vor dem Kampf, im Kampf und auch im Angesicht des Todes zur Schau getragen wird, rückt exemplarisch Hagen mit seiner »Spottlust«33 in den Vordergrund. Hagen vermag es, Konflikte vorzubereiten und Aggression hervorzurufen, indem er gezielt Spott und Schmährede einsetzt. Dieses aufputschende Gebaren ist nonverbal-zeichenhaft möglich, indem er etwa Kriemhild den Gruß verweigert, als er sie an Etzels Hof trifft, und stattdessen als performative Geste das Schwert Siegfrieds zur Schau stellt (Nl 1783).34 Es gibt aber auch ausführliche Reizreden, die seine Aktionen begleiten, etwa bei der Ermordung von Kriemhilds Sohn: Ich hân vernomen lange von Kriemhilde sagen, daz si ir herzeleide wolde niht vertragen. nu trinken wir die minne unde gelten ‘s küneges wîn. der junge vogt der Hiunen, der muoz der aller êrste sîn. (Nl 1960)

Die Ironie (im rhetorischen Sinne einer dissimulatio) besteht dabei darin, dass von Wein die Rede, aber Blut gemeint ist (vgl. auch Nl 1981,4),35 dass ein Trank zu Ehren der Toten annonciert wird, aber der Tote noch lebendig ist.36 Das hat keine komische Komponente, sondern ist nur grausam. Die ›Pointe‹ erschließt sich dem

32 Ernst Robert Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, 7. Aufl., Bern u. München 1969, S. 431–434, mit der Definition von Küchenhumor als dem Humor, »der im weiteren Sinne alles umfaßt, was mit dem Essen zu tun hat« (ebd., S. 431). Vgl. die Übernahmen sowohl bei Mayer [Anm. 9], S. 45 als auch bei Fortmann [Anm. 8], S. 99–105. 33 Kirsch [Anm. 27], S. 404. 34 Mayer [Anm. 9], S. 104 spricht vom »Spott der Gebärde«. 35 Das Einschenken von Blut anstelle von Wein findet sich auch in der ›Kudrun‹ im Rahmen einer Drohrede gegen die später doch erfolgreichen Entführer der Titelheldin (Kd 773). 36 Vgl. Jesko Friedrich: Phraseologisches Wörterbuch des Mittelhochdeutschen. Redensarten, Sprichwörter und andere feste Wortverbindungen in Texten von 1050–1350, Tübingen 2006 (RGL 264), S. 296: »die minne trinken/schenken: ›einen Trunk im Angedenken an die Toten trinken/einschenken‹, hier ironisch« mit Verweis auf diese Stelle. Fortmann [Anm. 8], S. 104 liest die Stelle als Parodie. Vgl. zur Metaphorik auch Ute Schwab: Weinverschütten und Minnetrinken. Verwendung und Umwandlung metaphorischer Hallenoptik im ›Nibelungenlied‹, in: Klaus Zatlou-

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Rezipienten direkt im Anschluss an Hagens Aussage: Dô sluoc daz kint Ortlieben Hagen der helt guot (Nl 1961,1). Die Doppeldeutigkeit der dissimulatio dient in diesem Zusammenhang dazu, die Drastik des Geschehens – »[e]s ist eine fürchterliche Szene«37 – durch die nur anzitierte Höflichkeit eines minne Trinkens besonders auszustellen. Das Schema wird aufgerufen und im Aufruf bereits destruiert, Ritual und Realität decken sich nicht.38 Dass Hagen solcher Zweideutigkeit nicht bedarf, um sich zu artikulieren, zeigt dabei deutlich sein offenes Bekenntnis zum Mord an Siegfried, den er auch begründet (Nl 1790 f.). Diese eindeutige Rede provoziert allerdings einen der dissimulatio entgegengesetzten Effekt: Obwohl Kriemhild als Reaktion ihr Gefolge ebenso unverhohlen dazu auffordert, Hagen zu töten (Nl 1792,2 f.), geschieht überhaupt nichts.39 Als movens für die Handlung taugen Bekenntnis und unverstelltes Reden nicht, stattdessen bedarf es der aufstachelnden, uneindeutigen Rede, die eine affektive Reaktion provoziert. Und so wird Hagens Spott im Lauf der Kämpfe sprichwörtlich. Niemand ist vor seinen Invektiven gefeit, auch Etzel nicht (Nl 2020). Hildebrands Männer z. B. wollen ihren Herrn schützen, sollte von Tronege Hagene […] gein iu mit spotte sprechen, des er wol kan gepflegen (Nl 2251,2 f.). Auch andere Figuren provozieren durch Spott und Schmährede,40 vor allem Volker der Spielmann ist ebenfalls eine ironische Figur (z. B. Nl 2270).41 Jedoch sticht Hagen heraus und offenbart allein eine außerordentlich komplexe Figuration der Ironie. Denn er ist als einziger von Anfang an über die Implikationen und den zu erwartenden Ausgang der Reise im

kal (Hg.): Pöchlarner Heldenliedgespräch. Das ›Nibelungenlied‹ und der mittlere Donauraum, Wien 1990 (Philologica Germanica 12), S. 59–101. 37 Jan-Philip Reemtsma: Warum Hagen Jung-Ortlieb erschlug. Unzeitgemäßes über Krieg und Tod, München 2003, S. 36. 38 Vgl. Jan-Dirk Müller: Das Nibelungenlied, 3., neu bearb. u. erw. Aufl., Berlin 2009 (Klassiker Lektüren 5), S. 166 zur weiteren Vertauschung von Blut und Wein, die im Bluttrinken in der brennenden Festhalle (Nl 2114) zum »blasphemische[n] Ritual« gesteigert wird. 39 Zur Ironie des Erzählers, die in der Beschreibung von Kriemhilds Kämpfern als die übermüeten degene (Nl 1792,4) liegt, vgl. Hugh Sacker: On Irony and Symbolism in the ›Nibelungenlied‹: Two Preliminary Notes, in: German Life and Letters 14 (1960/1961), S. 271–281, hier S. 271. 40 Vgl. dazu ausführlich Mayer [Anm. 9], S. 76–122 mit Hinweisen zu Wolfhart, Hildebrand usf.; Fortmann [Anm. 8], S. 107 zeigt für die Auseinandersetzung zwischen Volker und Wolfhart, dass Volkers Spott zur »self-fulfilling prophecy« wird und damit denselben Regeln folgt, die auch für Hagen gelten. 41 Vgl. hierzu grundlegend Braun [Anm. 11], S. 385–387. Die Metaphorik erschließt umfangreich Ute Schwab: Tötende Töne. Zur Fiedelmetaphorik im ›Nibelungenlied‹, in: Carola L. Gottzmann u. Herbert Kolb (Hgg.): Geist und Zeit. Wirkungen des Mittelalters in Literatur und Sprache. Festschrift für Roswitha Wisniewski zu ihrem 65. Geburtstag, Frankfurt/Main [u. a.] 1991, S. 77–122.

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Bilde. Er prägt bereits vor dem Aufbruch die zweideutige Zielangabe der Kriemhilde[n] hôhgezît (Nl 1511,3), der Feier, die zum Blutbad wird.42 Er benutzt den Festbegriff von Anbeginn ironisch und deutet damit auf die grundsätzliche Differenz von Anspruch und Wirklichkeit voraus, die der Erzähler am Ende unironisch und lakonisch konstatieren wird: mit leide was verendet des küniges hôhgezît, / als ie diu liebe leide z’aller jungeste gît (Nl 2378,3 f.). Heroische Ironie wird damit, um eine Formulierung von Hartwig Mayer aufzugreifen, im Munde Hagens zur »dämonischen« Angelegenheit.43 Dies weil sie erstens handlungsinitiierenden Charakter hat – Hagen spottet und bringt sodann die entsprechenden Handlungen in Gang – und weil sie zweitens den Sprecher inkludiert, denn Hagen ist von den dramatischen Ereignissen nicht ausgenommen, die den Burgundenuntergang herbeiführen, er ist als »Unglücksprophet«44 selbst betroffen. Es ist eine Zweideutigkeit, die sich aus dem Wissen um ein eindeutig vorherbestimmtes Ende speist, sozusagen potenzierte, entfesselte Ironie. Diese Ironie wirkt zusammen mit den Vorausdeutungen auch des Erzählers auf den Rezipienten ein. Dies geschieht zum einen, indem sie die Wie-Spannung, die Frage nach dem konkreten Weg in den Untergang hervorhebt. Zum anderen wird der Rezipient näher an die spottende, ironische Figur Hagen herangeführt, der er sich stärker verbunden weiß, da er ihren Wissenshorizont teilt. Über die entfesselte Ironie zweiter Ordnung wird damit auch Rezipientenbindung betrieben,45 wozu die Erzählerkommentare, die Hagen in ein heroisches Licht stellen und im Vergleich zum ersten Teil der Dichtung aufwerten (die C‑Redaktion handhabt das allerdings anders), das Ihre beitragen.46 Diese potenzierte Ironie reicht strukturell in ihrer Bedeutung über alle anderen Ironieverwendungen im ›Nibelungenlied‹ hinaus. Sie ist ein Kunstgriff, den der Nibelungendichter auch mit in den Bereich der ›schwarzen Komik‹ reichender Drastik zu verbinden weiß: Der klatschnasse Kaplan z. B. verdankt sein Leben dem Versuch Hagens, die Prophezeiung der Meerfrauen zu überprüfen. Insgesamt

42 Schwab [Anm. 41], S. 77 nennt das Fest deshalb auch »Antibankett«. Zur Vorbereitung von Hagens Ausruf in der Auseinandersetzung zwischen Dancwart und Bloedelin vgl. Braun [Anm. 11], S. 385. 43 Vgl. Mayer [Anm. 9], S. 116. 44 Müller [Anm. 5], S. 196. 45 Vgl. zur rezipientenbindenden Funktion von Ironie allgemein auch Carla Jean Love: Ironic Characterization in the ›Nibelungenlied‹. Diss. masch. Baltimore 1979, S. 9–17 unter Rekurs auf das Konzept von Wayne C. Booth. 46 Zur »Zwittergestalt« (Joachim Heinzle) Hagen vgl. Peter Wapnewski: Hagen: ein Gegenspieler?, in: Thomas Cramer u. Werner Dahlheim (Hgg.): Gegenspieler, München u. Wien 1993 (Dichtung und Sprache 12), S. 62–73, das Zitat Heinzles ebd., S. 64 und die Einschätzung Hagens S. 64 f.

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sechs Strophen widmet der Text der Auseinandersetzung zwischen Hagen und Kaplan, inklusive einer Beschreibung, wie Hagen den schlechten Schwimmer auf den Grund des Flusses drückt (Nl 1575–1580). Bî dem kappelsoume er den pfaffen vant. ob dem heilectuome er leinte an sîner hant. des moht er niht geniezen. dô in Hagen sach, der gotes arme priester muose lîden ungemach. (Nl 1575) […] Der pfaffe swam genôte; er wolde sîn genesen, ob im iemen hülfe. des mohte dô niht wesen, wan der starke Hagene vil zornec was gemuot. er stiez in zuo dem grunde; daz endûhte niemen guot. (Nl 1578)

Gott rettet seinen Diener (Nl 1579,3), der Text kontrastiert den am Ufer stehenden und seine Kleider auswringenden Priester mit Hagens Schlussfolgerung, dass alle übrigen Reisenden verdammt seien (Nl 1580,4) und mit der Zerstörung des Bootes bei der Ankunft am anderen Donauufer (Nl 1581,3). Die Komik der Situation entsteht aus dem Kontrast zwischen nassem Elend und umfassender Untergangsvision, von Kleinem und Großem. Hier wird Komik im Sinne der übergeordneten martialischen und heroischen Ironie, die den zweiten Teil des ›Nibelungenliedes‹ prägt, instrumentalisiert. Dass Hagen ausgerechnet versucht, einen Gottesmann zu ersäufen, ist dabei gezielte Provokation und bewusstes Spiel mit Harmlosigkeit und Angemessenheit. Die Komik wird an die Grenzen geführt und instrumentalisiert: Sie dient dazu, die Gottverlassenheit und Hoffnungslosigkeit der Reise besonders zu betonen, die durch die vorangehende Prophezeiung der Meerfrauen (Nl 1542) bereits in ernster Weise dargestellt worden ist. Da nur dem Kaplan eine sichere Heimkehr vorausgesagt worden ist (Nl 1542,3), bestätigt Hagens handgreifliches Experiment die Gültigkeit der Prophezeiung.47 Das Komische affirmiert in diesem Zusammenhang das Tragische, Komik und Ironie lenken den Rezipienten nicht ab vom Untergang, sondern tragen dazu bei, die Absolutheit der bevorstehenden Ereignisse noch deutlicher zu konturieren, indem sie amplifizierend die Tragik48 deutlicher

47 Müller [Anm. 5], S. 195 nennt die Konstellation »ein Bild jammervoller Komik« und den Pfaffen »eine Figur, die nichts weiß, aber an der das mythische Wissen, das der Heros erpreßt hat, ausprobiert werden kann.« 48 Anders als der übrigen mittelhochdeutschen Literatur hat man dem ›Nibelungenlied‹ seit Hegel Tragik zuerkannt. Ein neues Fundament für die Auseinandersetzung mit Tragik in der Epik bietet Regina Toepfer: Höfische Tragik. Motivierungsformen des Unglücks in mittelalterlichen Erzählungen, Berlin 2013 (Untersuchungen zur deutschen Literaturgeschichte 144), vgl. dort zur

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ausstellen. Um dies unmissverständlich zu gewährleisten, bettet der Erzähler das Komische in den Zusammenhang heftiger Kritik an Hagen auf der einen Seite (Nl 1576 f.) und ernster Auseinandersetzung mit dem Untergang auf der anderen Seite ein. Die Komik kann auf diese Weise nicht überhand nehmen, sie wird begrenzt und gezielt eingesetzt und punktgenau funktionalisiert. Ganz ähnlich funktioniert auch der bekannte Rat Rumolts (Nl 1465–1469), nicht zu Etzel zu fahren und stattdessen das geordnete Leben in Worms zu genießen.49 Hier wird ein Idealbild höfischen Wohllebens gezeichnet, das mit den vorangehenden Gesprächsbeiträgen kaum in Einklang zu bringen ist, auch wenn Rumolt eigentlich nur eine positive Aussage zur selben Thematik machen will, die Hagen zuvor negativ und warnend umreißt.50 Hagen hatte das Thema bereits abgearbeitet und erregt sich direkt vor Rumolts Redebeitrag über Giselhers Angebot, als einziger aus der Runde daheim zu bleiben: Dô begonde zürnen von Tronege der degen (Nl 1464,1), dann spricht Rumolt, der Zeitpunkt könnte nicht unpassender gewählt sein. So geraten seine maßvollen, aufs Positive ausgerichteten Bemerkungen in einen Konflikt mit der allgemeinen Grundstimmung, der durchaus als komisch zu lesen ist: Wein, Weib und Gesang sind die kleine, harmlose Alternative zur tragischen Festfreude in Etzelburg.51 Rumolts Worte finden folgerichtig keinerlei Widerhall, seine Argumente werden in der Erwiderung Gernots nicht zur Kenntnis genommen (Nl 1470) und schlichtweg übergangen. Das macht seine Einlassung zu einem isolierten, kurzen Exkurs in eine mögliche Handlungsentwicklung, die man mit Schulz als »abgewiesene Alternative«52 bezeichnen kann. Der Kontrast zum tragischen Ausgang, der an dieser

Struktur tragischer Handlung S. 59 f. und spezifisch zum ›Nibelungenlied‹ S. 161 und S. 211 f. (als Einleitungen zu detaillierteren Analysen von Kriemhild und Rüdiger). 49 Alan Murray hat in zwei (inhaltlich gleichen) Beiträgen die Ernsthaftigkeit von Rumolts Rat betont und eine komische Lesart abgelehnt: Alan V. Murray: Der König und der Küchenmeister. Überlegungen zur Rolle Rumolts im ›Nibelungenlied‹, in: Dietz-Rüdiger Moser u. Marianne Sammer (Hgg.): ›Nibelungenlied‹ und ›Klage‹. Ursprung – Funktion – Bedeutung. Symposium Kloster Andechs 1995 mit Nachträgen bis 1998, München 1998, S. 395–410, hier S. 402 und ders.: Rumolt’s Counsel and the Concept of Royal Responsibility in the ›Nibelungenlied‹ and the ›Klage‹, in: Forum for Modern Language Studies 33/2 (1997), S. 142–155, S. 143 mit Anm. 3 zu komischen Lesarten der Figur. 50 Vgl. Murray [Anm. 49], Küchenmeister, S. 402 und Murray [Anm. 49], Responsibility, S. 143. 51 Vgl. schon die Bewertung von Emil Kettner: Die österreichische Nibelungendichtung. Untersuchungen über die Verfasser des ›Nibelungenliedes‹, Berlin 1897, S. 262, der Rumolts Rat als Beispiel für den »heitere[n], gemütliche[n] Scherz« ansieht, der sodann wieder (das sagt Kettner nicht) kontextualisiert werden muss, um adäquat gelesen zu werden. 52 Armin Schulz: Fragile Harmonie. ›Dietrichs Flucht‹ und die Poetik der ›abgewiesenen Alternative‹, in: ZfdPh 121 (2002), S. 390–407.

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Stelle bereits mitschwingt,53 macht Rumolts Rat zu einer lächerlichen Angelegenheit – erst die ›Klage‹ wird ihm als Verwalter des Reiches, als den ihn Gunther vor der Abreise einsetzt, Recht widerfahren lassen,54 hier sorgt er für die geregelte Nachfolge in Burgund und erweist sich als der helt zer hant (Nl 1518,1), als den ihn bereits das ›Nibelungenlied‹ in der 25. Aventiure preist. Die kritische Frage Murrays: »Kann man wirklich annehmen, daß der Dichter in einer so ernsthaften und verhängnisvollen Szene Komisches beabsichtigte?«55 möchte ich deshalb bejahen – genauso wie beim ›Kaplan über Bord‹ geht es hier darum, auf eng begrenztem Raum Komik einzusetzen, um die Dramatik der Handlung, den Zug in den Untergang, besonders auszustellen. Die komische Einlage dient dazu, das Geschehen neu zu beleuchten, gerade auch indem Erwartungen unterlaufen werden. Eine Sonderstellung nehmen die Werbungsbemühungen Gunthers um Brünhild ein. Hier lässt das ›Nibelungenlied‹ mehr Raum für komische Darstellungen, die sich über einige Passagen des Textes zu regelrechten Selbstläufern entwickeln, bevor sie wieder ›eingefangen‹ werden. Dies verleiht den entsprechenden Szenen einen geradezu ekphrastischen Charakter.56 Die ›Bedroom Comedy‹ (Wailes) mit ihren burlesken Zügen macht sich vordergründig über die Unfähigkeit Gunthers lustig, der seine Braut nicht zu entjungfern vermag und Siegfried zu Hilfe holt. Gunther wird dabei immer deutlicher zur Witzfigur überzeichnet: Das beginnt auf Isenstein, wo ihm Siegfried die Arbeit abnehmen muss, und findet seinen Höhepunkt in der Hochzeitsnacht. Die Situation wird überpointiert geboten: Der Kontrast zum Einvernehmen von Siegfried und Kriemhild steht am Anfang (Nl 629), gefolgt von einer vorausdeutenden Feststellung des Erzählers: Gunther hete sampfter bî andern wîben gelegen (Nl 630,4). Betont wird sodann Gunthers Vorfreude: er wânde, er solde triuten ir minneclîchen lîp (Nl 631,3), die auch seine Gedankenrede beherrscht: nu hân ich allez hie, / des ich ie dâ gerte in allen mînen tagen (Nl 632,2 f.). Die Ablehnung Brünhilds frustriert den König, er versucht über sie herzufallen, sie reagiert mit gewohnter Leibeskraft:

53 Anders als Murray halte ich die Katastrophe für unabwendbar, es handelt sich hier also nicht um einen Wendepunkt der Handlung, sondern um einen Moment, der die Unausweichlichkeit des Folgenden ausstellt. 54 Vgl. Murray [Anm. 49], Responsibility, S. 153. 55 Murray [Anm. 49], Küchenmeister, S. 402. 56 Wailes [Anm. 8], S. 367 spricht von »scenic clarity«. Ich nutze den Ekphrasis-Begriff im Sinne des progymnasmatischen Vor-Augen-Stellens, also des Evozierens von Bildern im Kopf, nicht im Sinne der Bildbeschreibung, vgl. dazu Ruth Webb: Ekphrasis, Imagination and Persuasion in Ancient Rhetorical Theory and Practice, Burlington 2009, bes. S. 27.

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Die füeze unt ouch die hende si im zesamne bant, si truoc in z’einem nagele unt hienc in an die want, do er si slâfes irte. die minne si im verbôt. jâ het er von ir krefte vil nâch gewunnen den tôt. (Nl 637)

Gunther wird festgebunden und bittet um Gnade, erst am Morgen macht ihn Brünhild los, wobei sie ihn verspottet. Die Szene zieht mithin wenn nicht alle, so doch zahlreiche Register der Komik und spöttischen Ironie: Das Geschlechterverhältnis (anschließend an die ersten Darstellungen auf Isenstein) wird umgekehrt57 und mit ihm das Machtverhältnis, Sexualität wird als verweigerter Dienst thematisiert, der König wird in demütigender Position abgelegt. Als Siegfried die Szene betritt, wird zudem eine allgemeine Bedeutung dieses außerordentlich singulären Vorgangs insinuiert, da Siegfried fürchtet, dass, wenn er unterliegt, in Zukunft alle Frauen ihren Männern auf dem Kopf herumtanzen werden (Nl 673) – das gibt der Szene einen fast märenhaften Charakter, denn die Exorbitanz der amazonenhaften Brünhilde ist keineswegs verallgemeinerbar. Hier wird der ernste Rahmen, in den die Komik in den bereits vorgestellten Passagen eingebettet erscheint, aufgegeben und bricht sich die Komik ungehindert Bahn. Der nächtliche Kampf im Schlafzimmer ist eine unangemessene Auseinandersetzung in unangemessener Umgebung, das Kampfvokabular und die Gewalt geben dem Ganzen einen drastisch-komischen Anstrich. Gunthers Schwäche wird auch nach der Entjungferung betont, wenn Brünhilds Verlust ihrer übermenschlichen Kräfte kommentiert wird mit daz het ir allez Gunther mit sînen minnen getân (Nl 682,4)58 – angesichts des vorausgegangenen Geschehens eine kaum nachvollziehbare Beurteilung, die der Rezipient als Ironie zu Lasten des Königs zu decodieren hat. Die breit aufgefächerte Palette komischer und ironischer Darstellungsmuster mündet aber im letzten Ende nicht in einen burlesken Abschluss, die Komik ist, auch wenn sie breit ausgeführt wird, nicht um ihrer selbst willen da. Sie illustriert vielmehr in drastischen, schillernden Farben das Grundproblem, das den ersten Teil des ›Nibelungenliedes‹ prägt und das bei der Ankunft auf Isenstein im bildmächtigen Stratordienst in ernster Weise verhandelt worden ist (Nl 420), nämlich das Verhältnis zwischen König und Heros. Damit wird nicht ein heroischer Stoff durch komische Verzerrung kommensurabel gemacht,59 sondern der Grundkonflikt durch die komische Beleuchtung besonders erhellt: die un-

57 Vgl. auch Fortmann [Anm. 8], S. 97: »Die Szene schwelgt in der Verkehrung von Handlungslogik und Geschlechterrollen«. 58 Auch der Kommentar von Grosse in der Edition [Anm. 3] (S. 802) klassifiziert diesen Satz als ironisch. 59 So liest Wailes [Anm. 8], S. 376 die Szene. Vgl. zur Kritik an Wailes auch Knapp [Anm. 7], S. 113.

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überbrückbare Differenz zwischen Siegfried und den Burgunden, zwischen Heros und König, zwischen absoluter mythischer Figur und relativer politischer Figur. Dabei überwiegt immer (zumeist durch enge, im Falle der Brautnacht durch eine ausgesprochen lockere Rahmung) die ernste Sicht auf die Dinge,60 die Komik wird nie in Reinform geboten, sondern immer mit anderen Deutungsangeboten und Perspektivwechseln verwoben: So folgt auf die Bezwingung Brünhilds der fatale Gürtelraub, der das Bild des schwachen Herrschers Gunther auf eine neue Weise akzentuiert und den Weg in den Tod beschleunigt. Die Komik und Ironie bieten damit zusätzliche, punktuelle Aussichten auf die Konflikte und Probleme, die den Weg in den Untergang ebnen. Dabei ist eine sukzessive Verengung der Perspektive zu bemerken: Koexistieren Ironie und Komik zu Beginn der Dichtung noch, dominiert gegen Ende die immer deutlicher ins Bittere und Zynische reichende Ironie und verliert die Komik jegliche Relevanz. Dabei nutzt das ›Nibelungenlied‹, vor allem in Person Hagens, die Möglichkeiten einer potenzierten, entfesselten Ironie, die dem eindeutig determinierten Schicksal, dem Untergang, mit Zweideutigkeit begegnet. Diese potenzierte Ironie ist die Zuspitzung einer instrumentalisierten Komik, die Tragik ausstellt, statt sie zu übertünchen oder zu relativieren. Ihr Ziel ist die Rezipientenlenkung auf dem Weg der Helden in den Untergang.

IV. Komik, Ironie und Spott in der ›Kudrun‹ »Die ›Kudrun‹ steht im Schatten des ›Nibelungenliedes‹«,61 sie ist ihm aber nicht sklavisch verpflichtet, sondern bezieht auch chanson de geste, Legende und höfischen Roman in ihr Erzählen ein. Das macht sie zu einer »eigenartige[n] Geschichte«62, einem »strukturelle[n] Experiment«63 und weist sie als Schmelztiegel literarischer Traditionen64 und Innovationen des 13. Jahrhunderts aus.

60 Vgl. auch Knapp [Anm. 7], S. 113 f. 61 Die Auseinandersetzung hierüber skizziert einleitend Heike Sahm: Wer sieht wen? Zum Erzählverfahren in der ›Kudrun‹, in: Christiane Ackermann u. Ulrich Barton (Hgg.): »Texte zum Sprechen bringen«. Philologie und Interpretation. Festschrift für Paul Sappler, Tübingen 2009, S. 131–141, hier S. 131, die den Text als »fehlendes Zwischenglied auf dem Weg von der Dialogizität des Liedes zur Narrativik des Epos« (ebd., S. 141) liest. 62 Uta Störmer-Caysa: Nachwort, in: Kudrun [Anm. 4], S. 640–663, hier S. 643. 63 Franziska Wenzel: Die Geschichte des gefährlichen Brautvaters. Ein strukturalistisch-anthropologisches Experiment zur ›Kudrun‹, in: Euphorion 99 (2005), S. 395–422, hier S. 399. 64 Vgl. Gisela Vollmann-Profe: Kudrun – eine kühle Heldin. Überlegungen zu einer problematischen Gestalt, in: Mark Chinca [u. a.] (Hgg.): Blütezeit. Festschrift für L. Peter Johnson zum 70. Geburtstag, Tübingen 2000, S. 231–244, bes. S. 235 f.

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Diese besondere Position drückt sich auch in ihrer Verwendung von Komik, Ironie und Spott aus, die durchaus auch heldenepisch ist, sich darin aber keineswegs erschöpft: Vielmehr nutzt die ›Kudrun‹, so meine These, die Komik heldenepischer Prägung gezielt und reflektiert im Sinne ihrer Kombination unterschiedlichster poetischer Modi und Darstellungsweisen, die als »Poetik der Montage« (Schmitt) herausgearbeitet worden sind. Wenn das stimmt, lässt sich an Hand der Komik in der ›Kudrun‹ zweierlei beweisen: zum einen, dass Muster spezifisch heroischer Komikverwendung zum poetologischen Arsenal nachklassischer Dichtung gehören, zum zweiten, dass Komik auch hier nicht Selbstzweck ist, sondern eine Funktionalisierung in größerem Zusammenhang erfährt. Einen Hinweis in diese Richtung liefert bereits der Befund, dass Komik in der ›Kudrun‹ keinen ›roten Faden‹ in der Verwendung aufzuweisen hat wie dies für das ›Nibelungenlied‹ zu konstatieren war. Der grundlegende Unterschied zwischen ›Kudrun‹ und ›Nibelungenlied‹ besteht in den verschiedenen Zielpunkten, die auch eine Teleologie der Komik unterbinden: An der Stelle des unausweichlichen Untergangs steht die Serialität des generationenübergreifenden Geschehens und findet sich die mehrfache Aufspaltung u. a. der Brautwerbungsthematik.65 So wird Unausweichlichkeit unmöglich gemacht und die Dominanz des heroischen Kampfes gebrochen, ›politische‹ Übergänge zwischen den Generationen gewinnen an Bedeutung, Nachkommenschaft steht gegen völlige Auslöschung. Dies führt dazu, dass das Höfische in der ›Kudrun‹ nicht als »Scheinhaftigkeit«66 abgewertet wird, sondern in eine neue Spannungsbeziehung zum Heroischen tritt und als Wert eigener Ordnung erscheint. Folgerichtig kommt dem Heroischen in der ›Kudrun‹ eine andere Bedeutung zu als im ›Nibelungenlied‹. Es wird weiterhin ausgestellt, erscheint aber auf spezifische Residuen des Kampfes reduziert, in denen sich Tragik und Unausweichlichkeit finden. Die nibelungisch-wuchernde, überbordende Kraft des Heroischen sucht man in der ›Kudrun‹ vergeblich. Nur an einer Stelle findet sich heroisches Lachen im Angesicht des Feindes (Kd 1420,4). Und auch heroische Ironie ist nur situativ, eng begrenzt und gebunden an spezifische Anlässe zu finden,67 etwa wenn Ludwig, der Vater von Kudruns Entführer, einen Kampf

65 Vgl. Corinna Dörrich: Die Schönste dem Nachbarn. Die Verabschiedung des Brautwerbungsschemas in der ›Kudrun‹, in: PBB 133 (2011), S. 32–55, hier S. 33 spricht von einer »›Arbeit‹ am Brautwerbungsschema«. 66 Vollmann-Profe [Anm. 64], S. 237. 67 Interessant ist in diesem Zusammenhang die ironische Anklage, die Hartmut gegen seine Mutter vorbringt, als der Feind vor den Toren von Ormanie steht (Kd 1380). Hier wird der Entführer Kudruns im Vorfeld des Kampfes zum »Heros Hartmut« stilisiert, wobei politisches Denken und heroische Einstellung kontaminiert erscheinen. Vgl. zur Figur: Friedrich Michael

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durch eine spöttische Bemerkung einleitet.68 Auch im abschließenden Gemetzel findet sich Überheblichkeit und werden markige Sprüche geklopft, insbesondere Wate sticht dabei heraus. Er führt nach dem Blutbad, bei dem er auch die Kinder in den Wiegen nicht verschont (Kd 1501,4), die letzten der besiegten Übeltäter ihrer Strafe zu. Bevor er Gerlint tötet, führt er sie spöttisch vor dem gesamten Hof vor, er sprach: »sagt mir, frou Gêrlint, welt ir der weschen mêre gewinnen?« (Kd 1521,4), seine Berechtigung hierzu zieht er auch daraus, dass ausgerechnet er als kameraere das frouwen ziehen (Kd 1528,3) in seiner Verantwortung habe. Trotzdem bleiben Einlassungen wie diese die Ausnahme. Sie entwickeln keine Dynamik, die über den einzelnen Kampf hinausgehen würde, und es gibt keine negative Grundstruktur der Dichtung, für die sie einstehen, keinen Sog in Richtung Untergang.69 Am konsistentesten wird die heroische Ironie, allerdings in einer Form von Genderbrechung, angewandt, als Kudruns dreizehnjährige Entführungszeit zu Ende geht.70 Die Heldin weiß um die bevorstehende Rettung und lässt sich zum Schein auf das Ansinnen ihrer Entführer, nämlich Hochzeitsplanungen, ein. In diesem Zusammenhang finden sich gehäuft doppeldeutige Formulierungen und Hinweise auf das Bevorstehende (Kd 1279,4; 1285,4; 1311,4). Diese sind allerdings so unzureichend chiffriert, dass die Gefahr einer Entdeckung der Befreiungspläne besteht; der heroische Spott, die Reizrede und die Ironie gefährden das Unternehmen eher, als dass sie es befördern. Damit weisen sie über den Rand der Dichtung hinaus, sie fungieren als Mittel, um den Rezipienten gespannt zu halten: Er teilt Kudruns Wissensstand und weiß zugleich um die Gefahr, die in letzter Minute noch droht, weil die Heldin zu eindeutig agiert. Auch die kintlîchen listen (Kd 1312,1) Kudruns sind nicht unbedingt zielführend, dasselbe gilt für ihr Lachen, das [e]in teil ûz ir zühten (Kd 1320,1)

Dimpel: Hartmut – Liebling des Dichters? Sympathiesteuerung in der ›Kudrun‹, in: ZfdA 141 (2012), S. 335–353, Zitat S. 350. 68 Vgl. zu dieser Passage die Interpretation von Kirsch [Anm. 27], S. 413. 69 Wichtiger als Handlungs-stimulans ist der übermuot der Helden, der oftmals genutzt wird, um Kämpfe zu beginnen und die Entwicklung der Geschichte voranzubringen. übermuot ist dabei, anders als heroischer Spott, außerordentlich ambivalent. Zum einen ist er unhinterfragter Angriffsgrund (Kd 195,3) und führt zum Tode (Kd 201,2), er bringt als strategischer Fehler die vermeintlich überlegene Partei in Gefahr (Kd 700,3). Zum anderen ist er auszeichnendes Kennzeichen von Heroen wie Hagen (Kd 478,4) und Wate (Kd 238,3), das macht ihn zu einer Art KippPhänomen, das zwischen Leichtsinn und Heldenmut schwankt und der heroischen Ironie in der ›Kudrun‹ den Rang abläuft. Vgl. zum übermuot auch Werner Hoffmann: ›Kudrun‹. Ein Beitrag zur nachnibelungischen Heldendichtung, Stuttgart 1967, S. 330–342. 70 Vgl. Gunda S. Lange: Nibelungische Intertextualität. Generationenbeziehungen und genealogische Strukturen in der Heldenepik des Spätmittelalters, Berlin u. New York 2009 (TMP 17), S. 110 schreibt der Figur deshalb u. a. auch »unerbittlich-heroische Komponenten« zu.

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geschieht und als heroisches Lachen gemeint sein dürfte.71 Dieses Lachen führt fast zur Aufdeckung des geheimen Befreiungsplans, da Gerlint es hört (Kd 1320,3) und anfängt, sich Gedanken über seine Bedeutung zu machen. Nur der Umstand, dass Hartmut seine Mutter zu beschwichtigen vermag und ihre Sorgen zerstreut, rettet Kudrun (Kd 1323,1).72 Heroisches Gebaren erscheint hier deplatziert und gefährdet den Erfolg der strategischen Planungen. Es findet sich mithin eine Einfriedung des Heroischen, dem nur noch eng begrenzte Räume zur Verfügung stehen. Sobald diese Räume verlassen werden, wird heroisches Verhalten problematisch. Die entsprechenden Eingrenzungen setzt die ›Kudrun‹ auch mithilfe von Komik um: Im Mittelpunkt einer der wenigen komischen Passagen der Dichtung steht Wate, der Heros alten Schlags und klischeehafte Krieger,73 bei dessen Anblick den jungen Frauen mulmig wird, denn er hête die gebaerde daz im lachens gebrach (Kd 334,4). Hilde muss ihn zu Beginn der fünften Aventiure begrüßen und findet das mehr als unangenehm: […] jâ sîn bart was im breit, sîn hâr was im bewunden mit borten den vil guoten. si hiez si sitzen beide Waten und von Tenemarke Fruoten. (Kd 341)

Das ist eine Reminiszenz, eine Anspielung auf eine entsprechende Passage im ›Nibelungenlied‹, in der es Rüdigers Tochter vor Hagen graust, den sie begrüßen soll: Diu junge marcgrâvinne kuste die künige alle drî; alsam tet ir muoter. dâ stuont ouch Hagen bî. ir vater hiez in küssen; dô blihte si in an. er dûhte si sô vorhtlîch, daz siz vil gerne hete lân. (Nl 1665)

71 Vollmann-Profe [Anm. 64], S. 238 nennt es das »verräterisch triumphale Lachen«. Anders wertet Uta Störmer-Caysa: Kommentare zum heroischen Handeln. Sinnangebote für weibliche Rollenmuster in der Tradition der Hilde- und Kudrun-Erzählungen, in: Johannes Keller u. Florian Kragl (Hgg.): 10. Pöchlarner Heldenliedgespräch. Heldinnen, Wien 2010 (Philologica Germanica 31), S. 185–203, hier S. 198 und S. 200, die von einer Hoffnungslosigkeit der Heldin ausgeht und annimmt, dass Kudrun heroisch den eigenen bevorstehenden Untergang beweine. Diese Sichtweise berücksichtigt allerdings nicht die biblischen Allusionen (vgl. unten) und die übrigen Vorausdeutungen Kudruns, die als Drohungen gegen die Entführer kaum codiert sind und nicht als Zeugnis von Hoffnungslosigkeit gewertet werden können. 72 Dass dieses Lachen Zeichencharakter hat, erweist sich auch zu Beginn des Kampfes, wieder perspektivisch gebrochen: Die Entführerseite muss konstatieren, dass sie das Lachen Kudruns teuer zu stehen kommen wird (Kd 1362,4), die Befreier geben der Befreiung heilsgeschichtliche Dimensionen: der vert lachte, den lât hiure weinen (Kd 1377,4). 73 Schmitt [Anm. 1], S. 51 sieht ihn als reinste Verkörperung des »heldenepische[n] Männlichkeitsmodell[s]«.

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Wate ist, wie Hagen, erschreckend, hat sich aber das Haar nach höfischer Sitte verziert und sich so gut wie möglich der höfischen Umgebung angepasst. Das macht ihn zur unterlegenen Partei in der Konfrontation mit der jungen Frau. Er fühlt sich unwohl und gibt das beim small-talk, der der Begrüßung folgt, auch unumwunden zu: Dô sprach Wate der alte: »mir zimet einez baz. wan bî schoenen frouwen sô sanfte ich nie gesaz, ich taete einez lîhter, daz ich mit guoten knehten, swenne ez wesen solte, in vil herten stürmen wolte vehten.« (Kd 344)

Hilde reagiert entsprechend: des erlachte lûte diu minneclîche meit (Kd 345,1). Wate wird durch schimphlîchen muot (Kd 343,1) von Hilde provoziert, sich zu offenbaren, dann lacht sie über ihn. So etwas würde Hagen im ›Nibelungenlied‹ nicht passieren, der alte Heros in der ›Kudrun‹ hingegen wird in seiner Rolle ridikülisiert, das Höfische dominiert in dieser Szene das Heroische und führt es vor, das außerhöfische Heldenhafte wird damit seiner Dominanz beraubt. Dass jedoch die hier ausgestellte Suprematie des Höfischen über das Heroische nicht einfach gegeben ist, sondern dass eine komplexe Spannungslage vorliegt, zeigt die direkt auf diese Bloßstellung Wates folgende Szene: Als Hildes Vater Hagen seine Besucher beeindrucken will und ihnen die militärische Exzellenz seines Hofes vorführt, kommt er auch auf die hervorragenden Fechtkünste seiner Krieger zu sprechen (Kd 357,3). Das Prahlen Hagens nimmt Wate zum Anlass, sich als Fecht-Laien auszugeben und um Unterweisung zu bitten. Hagen erkennt die Warnzeichen nicht: Wate ersmielt[] versmâhlîche, als er sich fechtunkundig und dumm stellt (Kd 357,4), und als er um Unterricht bittet, beginnt sein Begleiter Fruote zu lachen (Kd 360,4). Den Fechtlehrer bringt Wate in solche Bedrängnis, dass dieser um sein Leben fürchtet und vor ihm davonrennt (Kd 361,2). Das subabsurdum74 – das absichtliche Dummstellen Wates – entlarvt die Großsprecherei seines Gastgebers. Dieser akzeptiert die damit verbundene Hierarchisierung, in der der Gast als der Überlegene dasteht, nicht und steigt nun selbst in den Ring: Zwei Heroen treffen im Schaukampf in höfischem Kontext aufeinander. Der politische Charakter der Auseinandersetzung ist überdeutlich, der Erzähler bedient sich ausgiebig der Ironie, um die Kompetenz Wates hervorzuheben (Kd 361,4, 364,3). Es ist Wate, der wiederum unter Rekurs auf das subabsurdum den Kampf für beendet erklärt (Kd 366), Hagen löst sodann die Spannung der Situation durch einen Witz (Kd 370), der

74 Vgl. Cicero, De oratore II,289.

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ad hoc eine parteienübergreifende Lachgemeinschaft etabliert und die Lage deeskaliert.75 Zum einen nimmt dieser Kampf spielerisch vorweg, was am Strand von Waleis bitterer Ernst werden wird, wenn die Truppen des Brautvaters auf die Entführer Hildes treffen (VIII. Aventiure).76 Zum anderen wird im geschützten Raum des Hofes ein alternatives Bild von Heldentum vermittelt: Wate ist nicht nur der grimmige alte Heros, er kann auch sein Gegenüber bloßstellen und vermag damit politisch, d. h. indirekt und kalkulierend, zu agieren. Heroisches und Höfisches vermengen sich im Schaukampf und zeigen im Gewande der Komik, dass eine simple Hierarchisierung dichotomisch gesetzter Werte nicht mehr ausreicht. Benötigt wird nicht entweder der Heros oder der Hof, sondern beides. Der ›Kudrun‹ ist wegen dieses Kompromissverhaltens, das radikale Lösungen ausschließt und ein »Schutz- und Trutzbündnis«77 an die Stelle des Untergangs stellt, eine »Tendenz zur Entemotionalisierung und Rationalisierung«78 unterstellt worden. Es wird der Ausgleich gesucht, was nicht bedeutet, dass es an Gewalt und Leid fehlen würde – nur haben diese Komponenten nicht die prominente Stellung, die ihnen im ›Nibelungenlied‹ zukommt. Auf das Massaker folgen die Verhandlungen über die Ordnung der Zukunft, und die ernsten Passagen sind mit komischen Einlassungen durchzogen. So wird bereits zu Beginn der Dichtung der kleine Hagen in der Wildnis von den drei Jungfrauen, die ihm recht patzig begegnen (Kd 73), für ein wildez twerc (Kd 75,2) gehalten. Die Brautwerbungsfahrt zu Hilde beginnt mit dem Ärger Wates darüber, dass Fruote und Horant ihn für die Mission vorgeschlagen haben (Kd 243) – die beiden werden zuvor vom Erzähler als in Liebesdingen unerfahren bezeichnet, wenn sie mit tumplîchen witzen den ebenso ahnungslosen Hetel beraten (Kd 224,2), was der ganzen Aktion einen albernen Ausgangspunkt gibt. Während der Werbung dann ätzt Fruote über die Qualität von Horants Gesang (Kd 382), der die Damen beeindruckt, und lockt mit seiner Ablehnung die

75 Zum Begriff der Lachgemeinschaft vgl. Werner Röcke u. Hans R. Velten: Einleitung, in: dies. (Hgg.): Lachgemeinschaften. Kulturelle Inszenierungen und soziale Wirkungen von Gelächter im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit, Berlin u. New York 2005 (TMP 4), S. IX–XXXI, hier S. XII– XIV; Hoffmann [Anm. 69], S. 32 urteilt: »Der wilde Hagen hat sogar einen gewissen Sinn für Humor«. 76 Dieser Kampf wird durch Vermittlung beendet und kommt nicht zur letzten Eskalation, hier erscheint mithin auch im Ernst das Heroische domestiziert, vgl. dazu Störmer-Caysa [Anm. 71], S. 194. 77 Tobias Bulang: Visualisierung als Strategie literarischer Problembehandlung. Beobachtungen zu ›Nibelungenlied‹, ›Kudrun‹ und ›Prosa-Lancelot‹, in: Horst Wenzel u. C. Stephen Jaeger (Hgg.): Visualisierungsstrategien in mittelalterlichen Bildern und Texten, Berlin 2006 (PhStQ 195), S. 188–212, hier S. 194. 78 Vollmann-Profe [Anm. 64], S. 242.

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Gastgeber aus der Reserve und zu offen eingestandener Verehrung des Sängers: Die Brautwerber erscheinen als eingeschworenes Team, das sich übereinander lustig macht, aber auch die Gelegenheiten nicht auslässt, die sich ihnen dazu bieten, andere vorzuführen. In den abschließenden Verhandlungen, die dem Blutbad unter Kudruns Entführern folgen, finden sich auch kleine ironische, z. T. possenhafte Einlassungen, so die Überbietungstopik (Kd 1673–1678) bei den milte-Beweisen der Helden und die überstürzte Werbung Siegfrieds von Morlant (Kd 1658–1666). Dies alles setzt das Ernste, im Bereich des Politischen wie auch des Heroischen, nicht außer Kraft, es schafft nur situative Kontrapunkte in einer Handlungsführung, die ansonsten in Eintönigkeit verfallen würde: Der geübte Umgang mit der Konvention des Erzählens bietet auch Lizenzen im Kleinen, ohne den Ernst im Großen zu verlassen. Die Einfriedung des Heroischen in der ›Kudrun‹ bedingt auch eine Reduktion heroischen Spottes, der Ironie im Kampf und des Lachens im Angesicht des Feindes. In der Figur Kudruns wird das heroische Lachen aufgenommen und als der Situation nicht angemessene Verhaltensweise ausgestellt, diese Inszenierung hat programmatischen Charakter und weist über die Einzelszene hinaus. Heroisches wird in der ›Kudrun‹ problematisch, das zeigen auch die Momente, in denen Hof und Heros kollidieren und die entgegengesetzten Werte aufeinander treffen. Im Rahmen komischer Einlassungen wird Wate als Kämpfer alten Schlags vorgeführt, im Schaukampf der Heroen Hagen und Wate wird das ironische Spiel nicht nur zur Eskalation, sondern eben auch zur Deeskalation genutzt, was den Sinn heroischer Aufstachelung durch Ironie und Spott aushebelt. In der partiellen Ironisierung der Schlusspassagen kommt im Gegenzug auch ein kritischer Umgang mit dem politisch-höfischen Moment zum Tragen. Es scheint, als sei die ›Kudrun‹ darauf angelegt, beide Sphären nicht nur neu miteinander in Beziehung zu setzen, sondern auch im Gewande der Komik und Ironie für eine kritische Rezeption zu öffnen. Die Aufmerksamkeit des Rezipienten wird gezielt auf Bruchstellen der jeweiligen Konzeptionen gelenkt, Wate als Verabsolutierung eines Heros wird ebenso ridikülisiert wie die politische Neuordnung durch Kudrun einen ironischen Beigeschmack erhält.

V. Komik im Vergleich Das ›Nibelungenlied‹ hierarchisiert die Verwendung von Komik und Ironie im Gesamtrahmen der Erzählung. Komik wird instrumentalisiert, um die Grundkonflikte, die zum Untergang hinführen, aufzuzeigen; dies ist vor allem in der Brautnachtepisode der Fall. Solche Komiknutzung relativiert nicht, sie verharmlost nicht, stattdessen sorgt sie dafür, dass die Grundkonstellation sich den

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Rezipienten deutlich einprägt. Das Lachen fungiert als kognitiver Widerhaken,79 es weckt die Aufmerksamkeit für den Zusammenhang, in dem es steht und rückt die zentralen Konflikte in leichter Weise in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Da sich in der Komik zudem die Richtwerte verschieben und die Harmlosigkeit verloren geht, wird das Publikum via komische Einlassungen an die Maßstäbe herangeführt, die für den Untergang gelten werden: So hat die immer weiter aus der Harmlosigkeit sich entfernende Komik auch hinführenden Charakter, was die heroische Ironie und den Spott im Untergangsszenario betrifft. Vor allem Rumolds Rat und das Schicksal des Kaplans zeigen eine Welt auf, die von den Burgunden zurückgelassen wird. Hierarchisch über der Komik steht im ›Nibelungenlied‹ die Ironie in heroischer Verwendung, die Kämpfe forciert, Gegner degradiert die Eindeutigkeit des Schicksals besonders hervorhebt: Alle sind verdammt, alle werden untergehen, dieser eindeutigen Verdammung begegnet man mit Doppeldeutigkeit, so werden die bekannten Grundlagen von Komik endgültig ausgehebelt. Der ironische Heros ermächtigt sich in seinen dissimulationes selbst zu absoluten Taten und hebt sich heraus; damit wird, vor allem mit der Figur Hagen, der archaische Charakter dieser Art von heroischer Ironie transzendiert und die spöttische Rede mit neuem Potential versehen: Die Sinnstruktur des Untergangs, das ahnende, wissende, sehenden Auges dem Ende Entgegenschreiten wird in der Ironie so inszeniert, dass der Rezipient gezielt gelenkt wird. Er teilt den Wissensstand der Figur und macht sich ihre Sichtweise zu eigen, so dient die Ironie nicht nur der Aufmerksamkeitserregung und der intensivierten Kampfesdarstellung, sondern auch der Rezipientenbindung. Lachen spielt dabei (wohl) keine Rolle mehr, die Zuspitzung macht den Spott als aggressionsbefördernde Reizrede bitter und grausam, nur der gemeinsame Standpunkt und das geteilte Mehrwissen sind noch entscheidend für die Lenkung des Rezipienten durch die potenzierte heroische Ironie Hagens. Die Komik hat im ›Nibelungenlied‹ somit einen das Tragische unterstützenden Charakter, sie affirmiert die Darstellung des Weges in den Untergang durch perspektivische Brechungen, die die Grundkonflikte, die Ursachen für den Untergang, neu in den Blick rücken. Die potenzierte Ironie hingegen ist nicht nur affirmierend oder amplifizierend, sie gestaltet den Untergang aktiv mit und ist zentrales Moment des Soges in den Untergang, den Müller als Wuchern der nibelungischen Welt beschrieben hat.80 Weder Komik noch Ironie erlangen auf

79 Das ist eine Funktion des Lachens in der höfischen Epik allgemein, die ich in meiner Dissertation hergeleitet habe, vgl. Seeber [Anm. 17], S. 277. 80 Vgl. Müller [Anm. 5], S. 342.

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diese Weise poetologische Relevanz, die sie über die Untergangsdynamik erheben. In rhetorischem Sinne werden sie im Gegenteil gezielt genutzt, um die Aufmerksamkeit des Publikums zu lenken, wichtige Momente herauszuheben, die auf den Untergang hinweisen und um die Sogwirkung in den Untergang herzustellen, die ab der Prophezeiung der Meerfrauen die Szenerie immer weitergehend beherrscht. Das alte Mittel der heroischen Ironie wird so neu und strukturiert eingesetzt, um das spezifische Erzählen des ›Nibelungenliedes‹ zu erschaffen. Dass diese Kombination einer hinführenden Komik und der Drastik potenzierter Ironie ein fragiles poetologisches Experiment ist, zeigt die D‑Redaktion des ›Nibelungenliedes‹ deutlich auf. Hier wird in mgf 855 (Hs. b, Hundshagenscher Codex) der Effekt der hierarchisierenden Verbindung von Ironie und Komik durch eine bizarre Schlusspointe aufgehoben, die die Drastik des Nibelungenfinales ad absurdum führt:81 Hilprant mit zorn zů Krimhillden sprang, er schlůg der kuniginne ainen schweren schwertes schwang enmitten, da der borte iren leib he tumb geben: da můst die kuniginne verliesen ir werdes leben. Daz schwert daz schnaid so drate, daz sy sein nich enpfant, daz sy het gerúret unsanft. sy sprach zehant: »dein waffen ist verplawen, du solt es von dir legen. es zimpt nicht wol ze tragen aim als zierlichen degen.« Da zoch er von dem vinger ain ring rot guldein. er warf in fúr die fússe. er sprach: »hebt ir daz vingerlein auf von der erden, so habt ir war, edel wip.« sy naig sich nach dem gold: da viel enzway ir werder leib (b 2373–b 2373B)82

81 Vgl. dazu Franz R. Schröder: Kriemhilds Ende, in: GRM 42 (1961), S. 331–332, der die Geschichte der »Wanderanekdote« (ebd., S. 332) nachzeichnet, sowie die Hinweise bei Joachim Heinzle: Die Handschriften des ›Nibelungenliedes‹ und die Entwicklung des Textes, in: Joachim Heinzle [u. a.] (Hgg.): Die Nibelungen. Sage – Epos – Mythos, Wiesbaden 2003, S. 191–212, hier S. 204 und den Beitrag von Lothar Voetz: Die ›Nibelungenlied‹-Handschriften des 15. und 16. Jahrhunderts im Überblick. Mit einem Anhang zur Bebilderung des ›Hundshagenschen Codex‹ (b) im selben Band, S. 283–305, hier S. 293. Günther Schweikle: Zum ›Nibelungenlied‹, in: Das ›Nibelungenlied‹ in spätmittelalterlichen Illustrationen. Die 37 Bildseiten des Hundshagenschen Codex MS. GERM. FOL. 855 der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek Berlin, derzeit Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz. Faksimileausgabe unter Mitarbeit von Günther Schweikle hg. v. Hans Hornung. Farbaufnahmen von Edmund Theil, Bozen 1968, S. 7–9, spricht ebd., S. 8 von einem »Schwankmotiv«. 82 Zitiert nach der Ausgabe: Nibelungenlied. Redaktion D, hg. v. Walter Kofler, Stuttgart 2012, S. 479.

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Hier fungiert drastische, schwarze Komik des Einschubs als parasitäres, die eigentliche Dramatik unterminierendes Phänomen.83 Kriemhild wird in ihren letzten Momenten noch einmal als goldgierige Mörderin gezeichnet, die noch nach dem Schlag die Qualität des Schwertes bemängelt und dann in zwei Teile zerfällt. In dieser überspitzenden Zeichnung wird der Ernst der Situation durchbrochen und eine Komik inseriert, die im Spannungsbogen des ›Nibelungenliedes‹ an dieser Stelle keinen Platz hat. Zugunsten der situativ wirksamen Pointe wird die überwölbende, über große Strecken aufgebaute Struktur unterminiert. Die unikal überlieferte ›Kudrun‹ kann natürlicherweise solche Abweichungen in produktiver Rezeption nicht bieten. Der Textbefund ist hier in anderer Weise heterogen, stellt man ihn neben den des ›Nibelungenliedes‹. Zum einen wird die hierarchisierende, in eine teleologische Steigerung gebrachte Ordnung von hinführender Komik und ausführender heroischer Ironie aufgegeben. Die heroische Ironie wird nur mehr in Residuen des Heroischen punktuell wirksam und erfährt auch keine Potenzierung im Hinblick auf ein unausweichliches Ende: Es gibt keinen Untergang und nicht das Absolute, es gibt ein Danach, in dem die Folgen der Schlachten beseitigt werden müssen. Deshalb fehlt auch die letzte Zuspitzung der dissimulatio, der Heros wird zum Potentaten auf Zeit, dem keine unbeschränkte Macht mehr zukommt. Die Komik trägt dazu bei, das Element des Heroischen zu hinterfragen und zu relativieren. Die Rezipientenlenkung, die mit diesem punktuellen Einsatz von Komik verbunden ist, zielt auf eine problematisierende, das Heroische hinterfragende Wahrnehmung des Geschehens ab. Dies geschieht im größeren Zusammenhang einer neuen, abweichenden Konzeption von Heldenepik, die nicht mehr einem Muster allein verpflichtet ist. Die komische Brechung bietet dabei allerdings auch nur eine Nuance des Spiels mit dem Rezipienten, der sich auch mit anderen Strukturmustern und vor allem mit der affizierenden Kraft des Mitleids konfrontiert sieht, einem Phänomen, das das ›Nibelungenlied‹ verweigert und das alle heroische Zuspitzung relativiert: Komik ist nicht das alleinige oder gar zentrale Mittel, dessen sich die ›Kudrun‹ bedient, um den Anspruch heroischer Epik zu hinterfragen. Dies fügt sich ein in das Bild der mehrschichtigen, metapoetischen Dichtung, die über literarische Traditionen und über die Mittel dichterischer Gestaltung souverän verfügt. Die ›Kudrun‹ nutzt Komik und führt Ironie vor, nicht zum Selbstzweck einer der levitas verpflichteten Unterhaltung, sondern als Mittel einer

83 Für den Hinweis auf Hs. b danke ich Friedrich Michael Dimpel, für die griffige Formulierung von der parasitären Komik Florian Kragl. Er wertet das Verhältnis der Redaktionen anders als ich und sieht die Hundshagen’sche Variante des ›Nibelungen‹-Schlusses als Regelfall an, vor dem der auf drastische Komik verzichtende Schluss in A, B und C als Sonderfall heraussteche. Diesen und zahlreiche andere Hinweise verdanke ich seiner genauen und kritischen Lektüre der ersten Fassung dieses Textes, für die ich ihm hiermit herzlich danken möchte.

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Rezipientenlenkung, die Problembewusstsein wecken und etablierte Muster hinterfragen will. Eine Folge davon ist, dass anerkannte, im ›Nibelungenlied‹ zu neuer poetologischer Relevanz geführte Phänomene wie die (potenzierte) heroische Ironie ihrer Wirkmacht beraubt werden. Diese sind der ›Kudrun‹ offenkundig nicht wichtig, sie dekonstruiert das, was das ›Nibelungenlied‹ in diesem Zusammenhang aufgebaut hat. Wichtiger erscheint es mir jedoch, dass gerade in diesem dekonstruierenden Umgang mit der nibelungischen Teleologie von Komik und heroischer Ironie ein Bewusstsein für die Wirkmacht dieser Gestaltungsmittel erkennbar wird, das die ›Kudrun‹ auszeichnet: Der relativierende Umgang mit Heldenepik beinhaltet auch eine kritische Haltung zur heldenepischen Verwendung von Komik und Ironie. So weisen ›Nibelungenlied‹ und ›Kudrun‹ das Komische und das Ironische als wesentliche Bestandteile des heldenepischen Erzählens in klassischer Zeit aus: Im ›Nibelungenlied‹ geschieht dies durch die poetologische Potenzierung der Ironie, der ein sinnstiftender Mehrwert gegeben wird, in der ›Kudrun‹ findet sich die gezielte Dekonstruktion des Spannungsbogens, den der Bezugstext ›Nibelungenlied‹ vorgibt – auch unter Nutzung von Methoden, die in der höfischen Epik außerhalb des heldenepischen Stoffkreises vorgeprägt sind, zu denken wäre etwa an eine von Hartmann inspirierte Anwendung ironischer Erzählerrede, die eine weitere, eingehendere Untersuchung verdienen würde.84 Komik und (spöttische) Ironie sind mithin grundlegende, entscheidende Merkmale heldenepischen Erzählens, die maßgebliche Bedeutung für die Rezipientenbindung insbesondere im ›Nibelungenlied‹ haben; die ›Kudrun‹ reflektiert ihre Relevanz in der bewussten Dekonstruktion. In der Ergänzung, die das ›Nibelungenlied‹ in der Hundshagenschen Handschrift b erfährt, zeigt sich zudem ein weiterer Entwicklungspfad für die post-nibelungische Heldenepik auf: die Tendenz zur Übersteigerung, zum Absurden und zu einer Komik, die nicht in geordneten, poetologisch bewussten und damit sinnstiftenden Bahnen verläuft, sondern reiner, auf den Moment bezogener, z. T. drastischer Unterhaltung dient. In ›Nibelungenlied‹ (A, B, C) und ›Kudrun‹ ist derlei nicht zu erkennen, hier dominiert der ernste Umgang mit der Komik und der Ironie als Möglichkeiten einer gezielten Lenkung der Aufmerksamkeit und auch der Sympathie von Rezipienten. Das Lachen auf dem Weg zum Tode ist hier (noch) mit einem Ernst versehen, der Komik und Ironie an ihren Platz verweist.

84 Zur Ironie bei Hartmann vgl. Silvia Ranawake: Zu Form und Funktion der Ironie bei Hartmann von Aue, in: Wolfram-Studien VII (1982), S. 75–116 sowie Nigel F. Palmer: Poverty and Mockery in Hartmann’s ›Erec‹, v. 525 ff.: A Study of the Psychology and Aesthetics of Middle High German Romance, in: Timothy McFarland u. Silvia Ranawake (Hgg.): Hartmann von Aue. Changing Perspectives. London Hartmann Symposium 1985, Göppingen 1988 (GAG 486), S. 65–92.



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