Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Unfallchirurg 2004 · 107:499–514 DOI 10.1007/s00113-004-0787-x Online publiziert: 5. Juni 2004 © Springer-Verlag 2004
D.-H. Boack · S. Manegold · N. P. Haas Sektion Fuß- und Sprunggelenkchirurgie, Klinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie, Zentrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin
Redaktion Prof. Dr. D. Nast-Kolb · Essen Prof. Dr. A. Rüter · Augsburg Prof. Dr. H. Reilmann · Braunschweig
Therapiestrategie bei Talusfrakturen
Die Beiträge der Rubrik„Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung“ sollen dem Facharzt als Repetitorium dienen und dem Wissensstand der Facharztprüfung für den Arzt in Weiterbildung entsprechen. Die Rubrik beschränkt sich auf gesicherte Aussagen zum Thema.
Zusammenfassung
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Talusfrakturen sind seltene Verletzungen, stellen aber eine therapeutische Herausforderung dar. Die gängigen Frakturklassifikationen beruhen auf der konventionellen Radiographie, das CT ist jedoch bei jeder Fraktur obligat. Offene Frakturen, Luxationen oder Talusextrusionen müssen notfallmäßig reponiert und stabilisiert werden. Alle dislozierten Talusfrakturen stellen eine absolute Operationsindikation dar. Die Zugangswahl wird vom Frakturtyp und dem Weichteilschaden bestimmt. Die anatomische Reposition der Gelenkflächen und der Talusform und die Stabilisierung mit Zugschrauben stellt meistens die Methode der Wahl dar. Das Ergebnis wird vom Dislokationsgrad bzw. dem Weichteilschaden, aber oftmals auch von der unzulänglichen Versorgung determiniert. Verzögerte Konsolidierungen, Pseudarthrosen und sekundäre Fehlstellungen sollten möglichst frühzeitig gelenkerhaltend korrigiert und notwendige Arthrodesen auf die betroffenen Gelenke beschränkt werden.
Schlüsselwörter Talusfraktur · Diagnostik · Indikation · Therapie · Ergebnisse
Treatment strategy for talus fractures Abstract Fractures of the talus are uncommon, but they present difficult treatment challenges. The classifications of fractures are based on conventional X-rays, but the CT scan is necessary for treatment decisions. Open fractures, displaced fracture dislocations, or extrusion of the talus must be reduced and stabilized as an emergency procedure. In all cases of displaced fractures, ORIF is indicated. The use of standardized approaches depends on the type of fracture and the soft tissue lesion. Precise anatomic reduction of all facets and reconstruction of the shape of the talus and stabilization with interfragmentary lag screws is the method of choice in almost all fractures. This procedure allows early mobilization postoperatively. The outcome is related to the degree of fracture displacement and the soft tissue lesion but may be poor due to inadequate treatment. Talus malunion, nonunion, and secondary deformity should be corrected early with preservation of the joints whenever possible. Arthrodeses should be restricted to the affected joints.
Keywords Talus fracture · Diagnostics · Indication · Treatment · Results Unfallchirurg 6 · 2004
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T Jeder Talusbruch ist als Gelenkfraktur anzusehen und muss als solche behandelt werden. Ausgangsqualität Prozessqualität Ergebnisqualität
alusfrakturen sind seltene Verletzungen. Sie erfordern aber von dem behandelnden Unfallchirurgen eine stadiengerechte, z. T. komplizierte Notfallbehandlung. Fehler in der Initialtherapie führen nicht selten zu Komplikationen mit schwerwiegenden funktionellen Folgen und schlechter Gesamtprognose. Die praktischen Besonderheiten der Talusfraktur resultieren aus den anatomischen Gegebenheiten und der exponierten Stellung des Sprungbeins. Jeder Talusbruch ist als Gelenkfraktur anzusehen und muss als solche behandelt werden. Der primäre Dislokationsgrad bzw. Weichteilschaden (Ausgangsqualität) und die Zugangswahl bzw. zeitgerechte, schonende aber anatomische Reposition (Prozessqualität) beeinflussen die perioperative Komplikationsrate sowie die Arthrose- bzw. Osteonekroserate der zentralen Frakturen und damit das Endresultat (Ergebnisqualität), [1, 15]. Bereits geringe Gelenkinkongruenzen oder Fehlstellungen haben erhebliche Auswirkungen auf die Gangfunktion und damit schwerwiegende soziale und berufliche Folgen. Obwohl die Fußchirurgie in den letzten Jahren bedeutsame Fortschritte gemacht hat, haben sich bei den seltenen Talusfrakturen abgestufte Therapiealgorithmen noch nicht in der Breite durchsetzen können [16].
Anatomie
Der Talus hat keine Muskelinsertionen, ca. 60% der Oberfläche sind Gelenkflächen. Blutversorgung
Der Talus nimmt als Schaltknochen zwischen Unterschenkel und Fuß mit Beteiligung am oberen (OSG) und unteren Sprunggelenk (USG) sowie am Talonavikulargelenk (TNG) eine zentrale Stellung ein. Diese Gelenke sind in Form einer kinematischen Bewegungskette miteinander verknüpft. Entsprechend der asymmetrisch lateralen Fußposition ist der mediale Bandapparat wesentlich kräftiger ausgebildet als der laterale [15]. Der Talus hat keine Muskelinsertionen und ca. 60% der Oberfläche sind Gelenkflächen. Die Blutversorgung wird im Wesentlichen aus Ästen der A. tibialis posterior (A. canalis tarsi und R. deltoideus für den posteromedialen Talusanteil) und der A. tibialis anterior (A. sinus tarsi für die anterolateralen Talusabschnitte) von kaudal realisiert. Kleine Gefäße ziehen von der A. peronaea posterior direkt zum Processus posterior. Nur im Talushalsbereich verlaufen Äste der A. tibialis anterior im Kapselansatzgebiet von kranial zum Sprungbein (Talushals/-kopf). Ebenso bedeutsam erscheint aber die venöse Drainage [15].
Unfall Epidemiologie Nur etwa 3‰ aller Frakturen und nur etwa 3% aller knöchernen Fußverletzungen sind Talusbrüche [15]. Die peripheren Fortsatzabbrüche machen nur ca. 10–15% der Talusfrakturen aus, wobei ihre Inzidenz aufgrund der häufigen primären Fehldiagnose kontrovers diskutiert wird [14].
Unfallmechanismus Zentrale Frakturen Initialer Verletzungsmechanismus ist der axiale Stoß bei blockierten Gelenken
Periphere Frakturen
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Der Sturz aus großer Höhe (Aviator’s Astragalus) und Verkehrsunfälle mit Intrusion des Fahrgastraums sind in >90% die Ursache für die zentralen Frakturen [15]. Initialer Verletzungsmechanismus ist der axiale Stoß bei blockierten Gelenken. Nach Verlust der knöchernen Stabilität durch die Talushalsfraktur und der dorsalen ligamentären USG-Verletzung kommt es zur Dislokation des Taluskörpers nach dorsal. Durch eine zusätzliche Rotationskomponente entstehen Abscherverletzungen meist des Innenknöchels. Bei Korpustrümmerfrakturen wird bei fehlender ligamentärer USG-Verletzung die Krafteinleitung im Dombereich deutlich, ggf. mit Verletzung der anterioren Tibiakante. Periphere Frakturen entstehen bei Luxationsverletzungen [14] und sind in höherem Anteil Folge von Sportverletzungen („snowboarders fracture“).
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung
Abb. 1a–e Lateral offene Talushalsluxationsfraktur (a); seitliches Röntgenbild (b); Notfalltherapie mit temporärer Kirschner-Drahtfixation (c, d) und Fixateurexterne-Anlage bei schwerem Polytrauma; zweizeitiger Verfahrenswechsel (e) mit sekundärer Zugschraubenosteosynthese (bei temporärem Belassen der Transfixation entsprechend der Weichteilschädigung)
Abb. 2a–c Malleolusmedialis-Fraktur bei Sneppen-2-Fraktur (sagittal shear fracture) prä- (a) und postoperativ (b, c)
Diagnostik Klinik Bei der klinischen Diagnostik sind in der Akutphase zunächst die Beurteilung des Weichteilschadens und des Dislokationsgrades erforderlich. Dazu gehört eine subtile Überprüfung der neurovaskulären Situation (Pulsstatus, subunguale Rekapillarisierungszeit, ggf. Oxymetrie, Sensibilität mit Zweipunktdiskriminierung der Fußsohle im Seitenvergleich) inklusive der Ausschluss eines Fußkompartmentsyndroms. Etwa 12–20% sind offene Frakturen, bei Hawkins-3-Verletzungen sogar die Hälfte und ca. 5% weisen ein Kompartmentsyndrom [15] auf. Typischerweise wirkt der Fuß bei einer Luxationsfraktur verlängert (⊡ Abb. 1a).
Überprüfung der neurovaskulären Situation
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Tabelle 1
Rückfußverletzung
Exploration des Unfallmechanismus
Bei Polytraumata muss nach der Stabilisierung der Vitalfunktionen die Rückfußverletzung einer umfassenden Diagnostik unterzogen werden, da dieses „neLokalisation Häufigkeit [%] glected injury“ später häufig das funktioKorpusfrakturen ca. 25 nelle „Outcome“ des Patienten entscheiHalsfrakturen ca. 50 dend beeinflusst. Des Weiteren gehört eiPeriphere Frakturen ca. 25 ne Exploration bezüglich des Unfallmechanismus zur Anamnese, um bei isolierten Verletzungen die seltenen neuropathischen Destruktionen von frischen Frakturen zu unterscheiden.
Frakturhäufigkeit in Abhängigkeit von der Lokalisation
Bildgebung Röntgenuntersuchung
Multi-Slice-Spiral-CT
Standard ist die Röntgenuntersuchung des OSG in 2 Ebenen (a.-p. bzw. „mortise view“ und seitlich), sowie Fuß dorsoplantar (d.-p.) und d.-p.-schräg. Die letztgenannten Aufnahmen dienen der Beurteilung des Talonavikulargelenks. Daher ist die Aufnahme auf den Taluskopf zentriert (30° Kippung der Röhre bei der d.-p.-Aufnahme) und sie ist rückfußbelichtet. Bei Verdacht auf eine „flake fracture“ kann die OSG-a.-p.-Aufnahme in maximaler Plantarflexion hilfreich sein [15]. Damit wird die Diagnose der Talusfraktur gesichert und entscheidende Informationen für die Notfalltherapie gewonnen (s. ⊡ Abb. 1b). Außerdem können begleitende regionale Zusatzverletzungen ausgeschlossen werden. Weitere Spezialaufnahmen zur Beurteilung des USG (Brodén-Serie) bzw. die CanaleAufnahme zur Beurteilung des Talushalses sind durch die CT-Diagnostik obsolet. Obligat wird bei jeder Talusfraktur ein transversales Multi-Slice-Spiral-CT durchgeführt. Für eine präzise Frakturanalyse ist eine Darstellung in koronarer und sagittaler Abbildung zur besseren Visualisierung sinnvoll. Am besten wird diese Untersuchung in einer standardisierten Form mit Hilfe eines Lagerungsgestells durchgeführt, um Bewegungsartefakte und unterschiedliche Einstellungen zu vermeiden [3].
Begleitverletzungen
Fast 50% der Patienten haben relevante Begleitverletzungen
Regionale Zusatzverletzungen sind sehr häufig. Malleolus-medialis-Frakturen (⊡ Abb. 2) werden bei etwa 15% und bei Talushalsfrakturen sogar bis zu 25% beobachtet. Zusätzliche Kalkaneusbrüche kommen in 10% bzw. weitere Fußverletzungen in 15% vor. 30% der Patienten sind polytraumatisiert, teilweise mit Kettenverletzungen der unteren Extremität (begleitende Unterschenkelfrakturen etwa 20%). Damit haben insgesamt fast 50% der Patienten relevante Begleitverletzungen.
Klassifikation
Klassifikation nach Marti
Nach der topographischen Lokalisation der Hauptfrakturlinie können die in ⊡ Tabelle 1 aufgelisteten Frakturen differenziert werden: Eine globale Einteilung, in der alle Frakturformen erfasst werden können, stellt die Klassifikation nach Marti [9] dar: Typ 1 distale Hals- und Kopffrakturen, sowie periphere Frakturen inklusive „Flake-“ bzw. Avulsionsfrakturen, Typ 2 undislozierte proximale Hals- und Korpusfrakturen, Typ 3 dislozierte Hals- und Korpusfrakturen, Typ 4 dislozierte Halsfrakturen mit kompletter OSG-USG-Luxation oder Korpustrümmerfrakturen. Aufgrund der verschiedenen Entstehungsmechanismen, der betroffenen anatomischen Strukturen, der differenten Therapieform und Prognose sind für verschiedene spezielle Bruchtypen weitere Einteilungen und Subklassifikationen etabliert.
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Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Eine spezielle Klassifikation der Korpusfrakturen wurde von Sneppen [12] erarbeitet. Es wird unterschieden zwischen:
Einteilung der Korpusfrakturen nach Sneppen
1. (osteochondralen) Kompressionsfrakturen, 2. koronaren, sagittalen und transversalen Korpusfrakturen („shear fractures“), 3. Frakturen des Processus posterior, 4. Frakturen des Processus lateralis und 5. Trümmerfrakturen. Die Halsfrakturen werden nach der Hawkins-Klassifikation [5, 6] beurteilt (⊡ Abb. 3). Die peripheren Frakturen im erweiterten Sinne beinhalten neben den Fortsatzbrüchen auch die osteochondralen Abscherverletzungen sowie die in ca. 5–10% vorkommenden Taluskopffrakturen. Die peripheren Talusfrakturen gehen mit ligamentären Verletzungen unterschiedlicher Schweregrade einher. Neben den Bandverletzungen des OSG sind insbesondere die subtalaren Luxationen mit knöchernen Talusverletzungen kombiniert. Die Taluskopfverletzungen finden sich sowohl im Rahmen von Talusluxationsfrakturen bzw. subtalaren Luxationen als auch bei einer transtalaren Chopart-Luxationsverletzung [10]). Die Talusluxationen stellen die Maximalvariante der ligamentären Verletzung dar. Hier kann zwischen der
Klassifikation der Halsfrakturen nach Hawkins Periphere Frakturen
Talusluxationen
▂ Luxatio pedis cum talo (Luxation im OSG), ▂ Luxatio pedis subtalo (Luxation im USG und TNG) und der ▂ Luxatio tali totalis mit/ohne Talusextrusion (Luxation im OSG, USG und TNG) differenziert werden. Bei den osteochondralen Abscherverletzungen hat sich aufgrund der therapeutischen und prognostischen Bedeutung das Schema nach Berndt u. Harty [2] durchgesetzt. In ebenfalls 4 Typen werden die subchondrale Kompression (1), das unvollständig (2) bzw. vollständig (3) gelöste und das vollständig dislozierte (4) Fragment unterschieden. Differenzialdiagnostisch sind die meist postero-/zentromedial lokalisierte Osteochondrosis dissecans von den hier besprochenen frischen meist antero-/zentrolateral gelegenen osteochondralen „flakes“ des Talusdoms abzugrenzen.
Osteochondrale Abscherverletzungen nach Berndt und Harty
Behandlung Therapieziele Für eine ungestörte OSG- und Fußfunktion ist eine normale Talusanatomie, eine ligamentäre Stabilität und Gelenkmotilität als strategisches Ziel erforderlich. Die einzelnen Schritte der definitiven Behandlung sind daher die anatomische Rekonstruktion der frakturierten Facetten und Wiederherstellung der Talusform mit möglichst übungsstabiler Osteosynthese, die anatomische Einstellung des Talus im OSG, USG und TNG, die Protektion der ligamentären Konsolidierung und die adäquate physiotherapeutische Nachbehandlung.
Definitive Behandlung Wichtig ist die anatomische Rekonstruktion der frakturierten Facetten und Wiederherstellung der Talusform mit möglichst übungsstabiler Osteosynthese
Notfallbehandlung Der Weichteilschaden und der Dislokationsgrad haben im „Timing“ die entscheidende Bedeutung. Aufgrund der kritischen Perfusion der dislozierten Talusfragmente ist die Restitution des primären und Verhinderung eines sekundären Weichteilschadens in allen Therapiephasen ein Hauptelement der Behandlungstaktik. Bei einer offenen Fraktur, einer bestehenden Luxation bzw. Extrusion, bei weichteilkompromittierender Fehlstellung oder einem Kompartmentsyndrom ist eine notfallmäßige Intervention erforderlich.
Entscheidende Bedeutung im „Timing“ haben Weichteilschaden und Dislokationsgrad
Notfallmäßige Intervention
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Abb. 3 ▲ Modifizierte Hawkins-Einteilung der Talushalsfrakturen [5, 6]. (Mod. aus [1])
Primäre Phase Schonende Reposition von Luxationen in Allgemeinanästhesie und Relaxation Transfixation mit Fixateur externe und Wundverschluss mit Kunsthaut Talusextrusion
Kompartmentspaltung
Jede Talusluxationsfraktur als Monoverletzung sollte primär definitiv osteosynthetisch versorgt werden Subtalare Luxationen Komplexes Fußtrauma
Abb. 4a–c Medialer Standardzugang mit gezügelter Postikussehne und Primärfraktur (a); Defekt der anterioren USG-Facette nach Reposition der Talushalsfraktur vor (b) und nach Spaninterposition (c)
In der primären Phase erfolgt die Entlastung kompromittierter Weichteile, insbesondere durch die schonende Reposition von Luxationen in Allgemeinanästhesie und Relaxation. Nach dem Débridement und der Notfallreposition wird eine gelenkübergreifende Transfixation mit einem Fixateur externe und der temporäre spannungsfreie Wundverschluss mit Kunsthaut durchgeführt (s. ⊡ Abb. 1c, d). Bei partieller oder kompletter Talusextrusion sollte nach entsprechender Lavage der Talus replantiert und sofort mit pantalarer Kirschner-Draht-Transfixation stabilisiert werden. Der Zugang erfolgt, als Schutz vor weiterer Denudierung des Talus, durch die meist offene Wunde bzw. über der subkutanen Extrusion. Bei einer notwendigen Kompartmentspaltung muss die spätere Zugangswahl zur Frakturversorgung berücksichtigt werden. Falls die strukturellen Voraussetzungen bestehen und eine adäquate und vollständige Diagnostik sofort durchführbar ist, sollte jede Talusluxationsfraktur als Monoverletzung primär definitiv osteosynthetisch versorgt werden. Dadurch kann die Osteonekroserate der Luxationsfrakturen (Hawkins-3-Verletzung) gesenkt werden. Geschlossene frustrane Repositionsmanöver ohne Relaxation kompromittieren die Weichteile und damit die Perfusion und verschlechtern die Prognose [15]. Bei reinen subtalaren Luxationen ist ein geschlossener Repositionsversuch sinnvoll. Beim komplexen Fußtrauma sowie bei schweren Polytraumata muss zumindest die Notfallreposition und eine Transfixation mit einem Fixateur externe inklusive des oben genannten Weichteilmanagements erfolgen. Die definitive Therapie erfolgt frühelektiv.
Definitive Behandlung Alle dislozierten Talusfrakturen müssen einer operativen Reposition und Osteosynthese zugeführt werden. Aber auch die Retention nicht verschobener aber vollstän-
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Abb. 5a–g ▲ Trümmerfraktur (Hawkins 3/Marti 4/Sneppen 5) im Röntgenbild (a, b), sowie im CT (c, d, e) und postoperatives Röntgen (f, g)
diger Talushalsfrakturen (Hawkins 1) sollte mit einer Kompressionsosteosynthese erfolgen. Nach präziser CT-Diagnostik kann – ggf. unter arthroskopischer Kontrolle – perkutan mit 2 3,5-mm-Kortikaliszugschrauben eine sichere Stabilisierung erzielt werden. Damit kann funktionell nachbehandelt und eine sekundäre Dislokation vermieden werden. Bei gering dislozierten Hawkins-2-Frakturen mit einfacher medialer Primärfraktur und ohne Frakturkomponente im Bereich der posterioren Facette kann die Reposition über einen medialen Zugang kontrolliert werden (⊡ Abb. 4) und ggf. mittels offener Arthroskopie bei minimiertem Zugang ein besserer Überblick erreicht werden
Hawkins 1
Hawkins 2
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Hawkins 3
Hawkins 4
Taluskopffrakturen
Taluskorpusfrakturen Periphere Frakturen
[4]. Bei subtalaren Frakturkomponenten wird über den adjuvanten Ollier-Zugang die posteriore USG-Facette reponiert. Bei Hawkins-3-Frakturen ist meist eine stärkere knöcherne Destruktion der OSGund/oder USG-Facetten vorhanden (⊡ Abb. 5). Daher werden in der Regel der mediale und der Ollier-Zugang für die anatomische Rekonstruktion [4] benötigt. Mit ihnen lassen sich ggf. auch die Frakturkomponenten im Taluskopfbereich schonend reponieren. Für die sehr seltenen Hawkins-4-Frakturen gelten die gleichen Versorgungsprinzipien. Hier sollte zur Protektion der ligamentären und vaskulären Konsolidierung eine temporäre Kirschner-Drahtgelenktransfixation von USG und TNG erfolgen. Diese ist auch bei Taluskopffrakturen als Teil einer kompletten transtalaren Chopart-Luxation nach der anatomischen Rekonstruktion und Zugschraubenosteosynthese (⊡ Abb. 6) als kalkaneokuboidale und TNG-Transfixation erforderlich. Bei den Korpusfrakturen muss in Abhängigkeit von der Hauptpathologie über den medialen bzw. lateralen Zugang ggf. mit Malleolarosteotomie (OT) vorgegangen werden [4]. Auch periphere Frakturen sollten möglichst mittels Kompressionsosteosynthese versorgt werden (⊡ Abb. 7), um die sonst relativ hohe Pseudarthroserate zu reduzieren [14]. Der Processus lateralis wird über den Ollier-Zugang und der Processus posterior über die dorsalen Zugänge erreicht [4]. Frische osteochondrale Abscherfragmente werden ebenfalls refixiert und nur bei Knorpelzerstörung entfernt. Die Repositionstechniken und die Stabilisierungsmethoden werden detailliert beschrieben [4].
Salvageverfahren
Plantigrade Fußposition Reorientierung der Facettenpositionen
Talusextrusion Primäre pantalare Arthrodese
Bei offenen Weichteil-Knochen-Defekt-Situationen muss die plastische Rekonstruktion zum Weichteilverschluss mit der Minimalosteosynthese abgestimmt werden [4, 15]. Hier kommt der Einstellung einer plantigraden Fußposition mit Reorientierung der Facettenpositionen unter Vermeidung jeglicher Subluxationsstellungen die Hauptbedeutung zu. Einzelne osteochondrale oder kortikale Defekte werden belassen [4, 15]. Frühsekundär muss nach Abschluss der Weichteilkonsolidierung kritisch die Indikation zur Revision mit Spongiosaunterfütterung ggf. osteochondralem Transfer oder Korrekturosteotomie bzw. postprimärer Arthrodese überprüft werden [4, 15]. Eine primäre Talektomie sollte auch bei schweren Trümmerfrakturen nicht durchgeführt werden. Bei kompletter offener Talusextrusion mit primärer Verlustsituation muss nach dem Weichteilmanagement ggf. ein homologer Talusersatz mit dem Patienten diskutiert oder sicherer eine primäre pantalare Arthrodese durchgeführt werden (⊡ Abb. 8). In Abhängigkeit vom Lokalbefund, Begleiterkrankungen und biologischem Patientenalter sollte der Längenausgleich mit simultaner tibialer Distraktionsosteogenese erfolgen, um lange Konsolidierungs-Remodellierungs-Phasen nach Megaspaninterpositionen mit sekundärer Sinterung zu vermeiden.
Konservative Therapie Nur reine Fissuren im Taluskorpus oder Kopfbereich können konservativ behandelt werden
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Nur reine Fissuren im Taluskorpus oder Kopfbereich können konservativ behandelt werden. Hier wird eine Immobilisierung im Caststiefel mit Bodenkontakt für mindestens 6 Wochen empfohlen. Alle anderen Frakturen sollten mit einer übungsstabilen Osteosynthese versorgt werden. Nur so kann die Konsolidierung trotz funktioneller Nachbehandlung gesichert und eine Pseudarthrose bzw. sekundäre Fehlstellung verhindert werden. Konservativ wird primär auch die (diabetisch) neuropathische Osteoarthropathie (DNOAP) des Talus im Akutstadium (Eichenholtz 1) behandelt. Hier ist eine Immobilisierung im Vollkontaktcast und komplette Entlastung bis zur Remineralisierung (Eichenholtz 3) und klinischen Konsolidierung (Temperatur, Schwellung, Rötung) erforderlich.
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Abb. 6a–c Taluskopffraktur rechts nach Reposition der subtalaren Luxation: Röntgen (a), axiales CT rechts (b beachte die typische CT-Betrachtung von unten) und nach Konsolidierung (c)
Abb. 7a–f Nach geschlossener Reposition der offenen subtalaren Luxation zeigt das a.-p.- (a) bzw. seitliche (b) Röntgenbild die peripheren Frakturen nur schlecht; CT zeigt deutlich die Frakturkomponenten des lateralen (c) und posterioren Processus (d) mit Lufteinschlüssen; postoperative Kontrolle (e, f)
Nachbehandlung Maßnahmen Nach Weichteilkonsolidierung erfolgt eine frühfunktionelle krankengymnastische aktive Nachbehandlung ab dem 3. bis 5. postoperativem Tag. Nach Abschwellen erfolgt die Mobilisierung mit 15 kp Teilbelastung für 6 Wochen bei den peripheren und 8–12 Wo-
Frühfunktionelle krankengymnastische aktive Nachbehandlung
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Abb. 8a–h Offene Talusextrusion mit primärem Talusverlust: Röntgen (a), Weichteilbefund (b); TNCArthrodese mit simultaner Tibiadistraktionsosteogenese mit Ilizarov-Fixateur im „Mono-rail-Verfahren“ zum Längenausgleich (c, d), Ausheilungsbefund (e–h)
Nach Frakturkonsolidierung ist ein zügiger Belastungsaufbau indiziert
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chen bei den zentralen Frakturen. Eine längerfristige Entlastung hat keinen protektiven Einfluss auf die Perfusion, sodass nach Frakturkonsolidierung ein zügiger Belastungsaufbau indiziert ist. In Abhängigkeit von den ligamentären Begleitverletzungen erfolgt bis zu 6 Wochen eine Ruhigstellung im Softcaststiefel. Während dieser Zeit werden aktive Bewegungs-
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Abb. 9a, b ▲ Fehlstellung nach konservativer Therapie einer Hawkins-3-Fraktur ohne Reposition des nach dorsal luxierten Taluskorpus
übungen aus dem Cast heraus vorgenommen und Lymphdrainagen, Kryotherapie etc. durchgeführt. Bei beidseitigen Verletzungen wird mit Rollstuhlmobilisierung begonnen und nach Weichteilkonsolidierung Entlastungsorthesen angelegt. Nach Belastungsaufbau kommen zunehmend die Muskelfunktionstherapie, Gangschule und propriozeptives Training zur Anwendung.
Bildgebung Postoperativ werden die gleichen Standardröntgenbilder wie präoperativ angefertigt. Auch ein CT ist zur Stellungskontrolle und Beurteilung der Implantatlage empfehlenswert, um ggf. rechtzeitig die Indikation für eine Revision stellen zu können. Als Hawkins-Zeichen wird die ab der 6. Woche sichtbare subchondrale Demineralisierung als sicheres Vitalitätszeichen angesehen, sodass keine totale Talusnekrose zu erwarten ist. Der Umkehrschluss gilt aber nicht [8]. Nach 6 und 12 Wochen sowie bei Behandlungsabschluss werden die Röntgenuntersuchungen im Stehen angefertigt. Ein MRT als Verlaufsuntersuchung hat nur Sinn, wenn daraus Behandlungskonsequenzen gezogen werden.
CT zur Stellungskontrolle und Beurteilung der Implantatlage empfehlenswert Hawkins-Zeichen
Nach 6 und 12 Wochen sowie bei Behandlungsabschluss Röntgenuntersuchungen im Stehen
Implantatentfernung Transfixierende Kirschner-Drähte nach replantierter Talusextrusion werden aus dem OSG nach Weichteilkonsolidierung nach spätestens 3–4 Wochen simultan mit dem Fixateurabbau aus dem OSG zurückgezogen. Bei kompletter ligamentärer subtalarer bzw. Chopart-Instabilität werden die Kirschner-Drähte spätestens nach 6 Wochen entfernt. Eine routinemäßige Implantatentfernung nach Frakturheilung ist nicht erforderlich und wegen der Zugangsmorbidität auch nicht empfehlenswert. Bei auftretenden Beschwerden ist eine sorgfältige klinische und radiologische Abklärung mit den oben genannten Belastungsaufnahmen im Stehen und CT erforderlich. Im Rahmen von notwendigen Revisionseingriffen kann die Implantatentfernung durchgeführt werden.Reine Implantatentfernungen verändern bestehende Beschwerden in der Regel nicht.
Reine Implantatentfernungen verändern bestehende Beschwerden in der Regel nicht
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Abb. 10a, b ▲ Osteonekrose mit deutlicher Sinterung
Abb. 11a, b ▲ Konzentrische OSG-USG-Arthrose bei Sklerose ohne Kollaps
Prognose
Funktionelle Ergebnisse
Die Prognose hängt neben der Verletzungsschwere (Weichteilschaden, Dislokation, osteochondrale Destruktion) insbesondere von der zielgerichteten und schonenden chirurgischen Therapie ab. Die funktionellen Ergebnisse sind nach Bewertung mit gängigen Sprunggelenkscores bzw. nach subjektiver Einschätzung der Patienten gut oder sehr gut bei 80–90% der Hawkins-1-, in 50% der Hawkins-2- bzw. in 25% der Hawkins-3-Frakturen. Insgesamt finden sich nur bei etwa 1/4 bis 1/3 der Patienten sehr gute und in bis zur Hälfte gute Resultate [11, 13], aber vielfach auch schlechtere Ergebnisse. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten liegen durchschnittlich bei 4–6 Monaten und sind berufsabhängig.
Komplikationen und Folgen In der Akutphase treten in der Regel weichteilassoziierte Probleme auf
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In der Akutphase treten in der Regel weichteilassoziierte Probleme bei nicht erkanntem Kompartmentsyndrom oder neurovaskulären Läsionen, Hämatome und Infektionen bei unzureichendem Débridement oder Wundrandnekrosen bei falschem Zugang bzw. schlechtem „Timing“ auf. Hier muss eine frühzeitige Revision und ggf. plastische Defektdeckung [4] durchgeführt werden. Diese Frühkomplikationen treten bei etwa bei jedem 7. Patienten auf. Infektionen werden bei geschlossenen Frakturen in 8%, bei offenen aber in 25–30% beobachtet [7]. Hier ist ein radikales mehrfaches Débridement und als extremitätenerhaltendes Verfahren bei Infekt-Defekt-Situation die Kompressions-AD mit einem Ilizarov-Hybridfixateur indiziert.
Weiterbildung · Zertifizierte Fortbildung Aus praktischen Gründen teilt Zwipp [16] die Fehlverheilungen in 5 Typen ein. 1. 2. 3. 4. 5.
Fehlverheilungen
Fehlstellung, Pseudarthrose, partielle Osteonekrose + (1/2), totale Osteonekrose + (1/2), septische Osteonekrose + (1/2).
Pseudarthrosen treten nach konservativer Therapie, fehlender interfragmentärer Kompression bzw. in Zusammenhang mit partieller Osteonekrose (ON) auf. Bei Hawkins3-Frakturen werden 12% angegeben. Hier ist rechtzeitig vor einer sekundären Fehlstellung oder Arthrose mittels Anfrischung, Spongiosaplastik und Kompressionsosteosynthese zu intervenieren [16]. Noch häufiger als bei zentralen finden sich die Pseudarthrosen nach übersehenen oder konservativ behandelten Fortsatzabbrüchen. Diese meist kleineren Fragmente werden reseziert [14]. Bei bereits eingetretener meist Varus-Adduktus-Fehlstellung (18–27% nach konservativer Therapie) muss rechtzeitig vor mechanisch induzierter Anschlussarthrose die Indikation zu einer Korrektur-OT mit trikortikaler Spaninterposition und autologer Spongiosaplastik gestellt werden (⊡ Abb. 9). Die Retention kann meist mit Zugschrauben bzw. Miniplattenosteosynthese erfolgen [16]. Relevante Osteonekrosen (ON) werden in der neueren Literatur global mit nur noch etwa 11–20% [7, 11] angegeben. Es wird eine Korrelation zum primären Dislokationsgrad gefunden (ca. 50–55% ON bei dislozierten Hals- oder Korpustrümmerfrakturen vs. 10–13% bei undislozierten Hals- oder Korpusfrakturen). Unter Verwendung der Marti-Einteilung werden beim Typ 3 1/3 und beim Typ 4 1/2 der Patienten eine ON entwickeln [8]. Aber nur bei etwa der Hälfte der Patienten mit ON kommt es zu einer sekundären Sinterung (⊡ Abb. 10). Demgegenüber muss bei allen offenen Talusfrakturen und bestehender ON mit einem Kollaps gerechnet werden. Die z. T. starken Differenzen der ON-Rate in der Literatur sind auf unterschiedliche primäre Zuordnungen innerhalb der Klassifikationen, auf differente Therapiestrategien und auf die fehlende (graduelle) Abgrenzung zwischen posttraumatischer Perfusionsstörung/Sklerosierung und (klinisch relevanter) partieller bzw. totaler Nekrose mit sekundärer Sinterung zurückzuführen. So findet sich im MRT bzw. bei histologischen Untersuchungen eine deutliche höhere Rate von Durchblutungsstörungen. Bei partieller ON ohne begleitende Arthrose kann eine autologe osteochondrale Transplantation bei Gelenkbeteiligung bzw. ein vaskularisierter autologer Span im Bereich des Taluskorpus erwogen werden [1]. Reine Sklerosierungen ohne Symptomatik erfordern keine chirurgische Intervention. Die komplette oder subtotale ON des Taluskorpus erfordert bei sekundärem Kollaps eine entsprechende Korrekturarthrodese. Hierbei wird wenn möglich nur eine Single-AD des USG oder OSG durchgeführt. Nur bei fehlender Erhaltung sollte eine Double-AD ggf. als Blair-Fusion erfolgen. Lediglich nach den seltenen Hawkins-4Verletzungen ist auch eine Taluskopfnekrose zu befürchten und ggf. eine pantalare Arthrodese indiziert. Mega-OATS und Talustransplantationen sind für diese Indikation noch keine erprobten Verfahren. Der alloarthroplastische komplette Talusersatz führt mittelfristig noch nicht zu überzeugenden Resultaten. Bei Taluspartialnekrosen (Dombereich) mit sekundärer OSG-Arthrose kann in Einzelfällen eine OSG-Individualprothese eingesetzt werden. Es liegen jedoch noch keine gesicherten Langzeitergebnisse vor. Radiologische Zeichen einer Arthrose werden bei Hawkins-1- in 20%, bei Hawkins2- in 50% bzw. bei Hawkins-3-/-4-Situationen in 75%, d. h. insgesamt bei Talusfrakturen in etwa 50–70% vorgefunden. Sie betreffen vorwiegend das USG bzw. an 2. Stelle das OSG (⊡ Abb. 11) und sind neben dem unfallbedingten Knorpelschaden häufig auf eine fehlende anatomische Reposition zurückzuführen. Nur symptomatische Arthrosen nach konservativ ausgereizter Therapie werden mit einer USG- oder OSG-Single-AD
Pseudarthrosen
Varus-Adduktus-Fehlstellung
Osteonekrosen Korrelation zum primären Dislokationsgrad
Autologe osteochondrale Transplantation Vaskularisierter autologer Span
Arthrose
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Die Arthrodeserate liegt bei etwa 15% Arthrose bzw. Instabilität sind die häufigsten Komplikationen nach Taluskopffrakturen
behandelt. Daher liegt die Arthrodeserate nur bei etwa 15% [7, 11]. Alternativ kann im Bereich des OSG bei Arthrose ohne ON auch eine OSG-TEP eingesetzt werden. Nach Taluskopffrakturen sind die Arthrose bzw. die Instabilität die häufigsten Komplikationen, während Nekrosen mit 5% selten auftreten. Weitere Folgen können das Postikus- bzw. FHL-Impingement oder ein Tarsaltunnelsyndrom nach posttraumatischen knöchernen Prominenzen sein. Diese lassen sich entweder arthroskopisch oder offen gelenkerhaltend behandeln.
Fazit für die Praxis Bei offener Fraktur, persistierender Luxation bzw. Extrusion, weichteilkompromittierender Fehlstellung oder Kompartmentsyndrom muss notfallmäßig interveniert werden. Nach der Notfallreposition in Narkose wird ein Fixateur externe angebracht. Bei Talusextrusion wird der Talus nach Lavage replantiert und mit pantalarer Kirschner-Draht-Transfixation stabilisiert. Beim komplexen Fußtrauma oder Polytrauma muss zumindest die Notfallreposition, Transfixation inklusive Weichteilmanagement erfolgen. Aufgrund der geringen Inzidenz dieser Verletzungen und der kritischen Prognose sollte nach der korrekten Notfalltherapie die Behandlung in einem spezialisierten Zentrum stattfinden. Übersehene Luxationsstellungen, fehleingeschätzte Verletzungsschwere, inkonsequentes Weichteilmanagement, falsche Zugangswahl, ungenügende Reposition und insuffiziente Stabilisierung tragen maßgeblich zu den insgesamt ungenügenden Resultaten bei. Beschwerden nach Talusfrakturen erfordern eine subtile Diagnostik, richtige Interpretation der (bildgebenden) Befunde und zügiges, adäquates (möglichst gelenkerhaltendes) Vorgehen. Wiederholte konsequenzlose MRT-Untersuchungen sind genauso unsinnig wie „therapeutische“ Implantatentfernungen.
Korrespondierender Autor Dr. D.-H. Boack Sektion Fuß- und Sprunggelenkchirurgie, Klinik für Unfall-, Wiederherstellungschirurgie und Orthopädie, Zentrum für Muskuloskeletale Chirurgie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus-Virchow-Klinikum, Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin; E-Mail:
[email protected] Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor versichert, dass keine Verbindungen mit einer Firma, deren Produkt in dem Artikel genannt ist, oder einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen.
Literatur 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16.
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Weiterbildung · Fortbildung
Fragen zur Zertifizierung (nur eine Antwort ist möglich) 1. An welchen Gelenken ist der Talus beteiligt? a) nur am OSG b) nur am USG c) nur am OSG und USG d) nur am OSG, USG und Chopart-Gelenk e) nur am OSG, USG und Lisfranc-Gelenk 2. Welche Bildgebung gehört neben dem konventionellen Röntgen bei jeder Talusfraktur zum Standard? a) MRT b) CT c) Szintigraphie d) Sonographie e) Angiographie 3. Wann besteht eine Notfallindikation zur Operation? a) beim Diabetiker b) bei dislozierten peripheren Frakturen des Sportlers c) bei jeder dislozierten Talusfraktur d) bei offenen Frakturen, Kompartmentsyndrom, Luxationsstellungen e) bei Verdacht auf Knorpelschaden 4. Wovon muss die Wahl des Zugangs abhängig gemacht werden? a) von der Frakturpathologie und den lokalen Weichteilverhältnissen b) vom Können des Operateurs c) vom Zeitpunkt der Operation d) vom Patientenalter e) von den vorhandenen Implantaten 5. Welcher Zugang gehört nicht zur Standardversorgung bzw. als Kombination zur Ergänzung von zentralen Talusfrakturen? a) der mediale Zugang b) der anterolaterale Zugang c) der modifizierte Ollier-Zugang
d) der posterolaterale Zugang e) der dorsomediane Zugang 6. Welche Implantate kommen bei Talusfrakturen bevorzugt zur Anwendung? a) Großfragmentschrauben (6,5/7,0 mm) b) Kleinfragment- und Minischrauben c) Kirschner-Drähte d) Großfragmentplatten (4,5 mm) e) Drahtcerclagen 7. Welche Behandlungsform sollte bei verzögerter Konsolidierung oder Pseudarthrose möglichst frühzeitig angewendet werden? a) Krankengymnastik b) abwartendes Vorgehen und regelmäßige MRT-Verlaufsuntersuchungen c) sofortige Arthrodese d) Implantatentfernung e) gelenkerhaltende Kompressionsosteosynthese
c)
Nur das radiologisch und klinisch betroffene Gelenk sollte fusioniert werden d) Bei der Arthrodese müssen Außenund Innenknöchel entfernt werden e) Nach der Versteifungsoperation muss 6 Monate im Gips entlastet werden 10. Welche beiden späten Hauptkomplikationen bestimmen die Prognose der Taluskopffrakturen? a) Arthrose und Instabilität b) Arthrose und Osteonekrose c) Instabilität und Osteonekrose d) Ankylose und Osteonekrose e) Ankylose und Arthrose
8. Nennen Sie die beiden wesentlichen Hauptfolgen nach dislozierten zentralen Talusfrakturen? a) laterale OSG-Instabilität und Peronealsehnenluxationen b) sekundäre Rupturen der Postikussehne und periartikuläre Ossifikationen c) OSG-/USG-Arthrose und Talusosteonekrose d) OSG-Ankylose und Suralisneurom e) Pes-planovalgus-Fehlstellung und fibulokalkaneares Impingement 9. Welche Aussage trifft auf eine notwendige Versteifungsoperation zu? a) Es muss immer eine pantalare Arthrodese durchgeführt werden b) Im Rahmen der Fusion muss der Talus komplett entfernt werden
Wichtige Hinweise: Geben Sie die Antworten bitte ausschließlich online über unsere Webseite ein: cme.springer.de Online-Einsendeschluss ist am 13. 08. 2004 Die Lösungen zu dieser Fortbildungseinheit erfahren Sie in der übernächsten Ausgabe an dieser Stelle. Beachten Sie bitte, dass per Fax oder Brief eingesandte Antworten nicht berücksichtigt werden können. Die Lösungen der Zertifizierten Fortbildung aus Ausgabe 4/2004 lauten: 1a, 2a, 3a, 4b, 5b, 6b, 7d, 8c, 9e, 10b Unfallchirurg 6 · 2004
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Fachnachrichten Broschüre über Reha-Kliniken Neue Auflage des Ratgebers „Reha-Kliniken für Kinder, Jugendliche, Mutter und Kind, Kind und Begleitperson“ Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen sind eine unverzichtbare Behandlungsform bei der Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit rezidivierenden und chronischen Erkrankungen oder mit Gesundheitsgefährdungen. Eine Voraussetzung für die Durchführung einer stationären Vorsorgmaßnahme ist die Zuständigkeit eines Trägers der sozialen Sicherung. In erster Linie sind dies die Träger der Rentenversicherung und der Krankenversicherung. Weiterhin zuständig sein können die Unfallversicherung, Arbeitslosenversicherung und die Sozialhilfe. Informationen über Zuständigkeiten und Einrichtungen gibt die Broschüre „Reha-Kliniken für Kinder, Jugendliche, Mutter und Kind, Kind und Begleitperson“. Der Ratgeber des Arbeitskreises Gesundheit e. V. ist alphabetisch nach Städten und Indikationen gegliedert. Er enthält Angaben zu den einzelnen Einrichtungen, der Klinikleitung, der Gesamtbettenzahl und den Kostenträgern und erleichtert so die Suche nach der geeigneten Reha-Klinik. Das Nachschlagewerk können Ärzte, Kostenträger und Sozialdienste kostenlos beziehen über: Arbeitskreis Gesundheit e. V. Bundeskanzlerplatz 2 - 10 53113 Bonn Fax: 0228/212211 E-Mail:
[email protected] Quelle: Arbeitskreis Gesundheit e. V.
Neuauflage der Broschüre „Cholesterinspiegel schonend senken“ Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind immer noch die Todesursache Nummer Eins in Deutschland. Plantago ovata-Samenschalen leisten einen Beitrag zur schonenden Senkung des Cholesterinspiegels. Bei den Plantago ovata-Samenschalen handelt es sich um gut verträgliche wasserlösliche Ballaststoffe, die den Cholesterinspiegel nachweislich um 10 bis 15 Prozent senken können. Zu den führenden Todesursachen bei den Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall. Ursachen dieser Erkrankungen sind krankhafte Veränderungen der Arterienwände, die Arteriosklerose. Diese Verkalkungen der Gefäße sind insbesondere auf erhöhte Blutfettwerte zurückzuführen. Anstatt direkt zu Medikamenten zu greifen, die häufig auch mit Nebenwirkungen behaftet sind, kann eine herzgesunde Ernährungsweise den Blutfettspiegel zunächst positiv beeinflussen. Die zweite überarbeitete und erweiterte Auflage der Broschüre „Cholesterinspiegel schonend senken“ liefert einen Überblick über die Zusammensetzung der Blutfette und die mit erhöhten Blutfettwerten verbundenen Gesundheitsrisiken. Ausführlich beschreibt sie die Möglichkeit, den Cholesterinspiegel durch eine herzgesunde Ernährungs- und Lebensweise unter Einbeziehung der Plantago ovata-Samenschalen natürlich zu senken. Die Broschüre enthält darüber hinaus einen Beispieltagesplan für eine herzgesunde Ernährung. Die kostenlose Broschüre kann gegen Einsendung eines mit 1,44 Euro frankierten DIN A5 Rückumschlags bei der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik angefordert werden und steht ebenfalls unter www.ernaehrungsmed. de zum Download bereit. Außerdem geben die ernährungswissenschaftlichen Berater der Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik werktags von 9 bis 15 Uhr unter Telefon 0241/9610 319 Auskunft zu weiteren Fragen. Quelle: Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Diätetik e. V., 52066 Bad Aachen
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Unfallchirurg 6 · 2004
Organisation der ÄsthetischPlastischen Chirurgen in Deutschland und weltweit Die „International Conferation of Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery“ (IPRAS) ist der offizielle Weltverband für Plastische Chirurgie. Weltweit sind alle 14 000 Plastischen Chirurgen aus 92 Nationen in der IPRAS organisiert. Die International Society of Aesthetic Plastic Surgery (ISAPS) ist eine der vier kooptierten Gesellschaften in der IPRAS. In der ISAPS haben sich 1970 diejenigen Plastischen Chirurgen zusammengeschlossen, die ihren Schwerpunkt in der Ästhetischen Chirurgie haben. Sie besteht aus weltweit 960 Mitgliedern. Wesentlicher Bestandteil des ISAPS-Trainingsprogrammes sind die ISAPS-Kurse, die weltweit zweimal jährlich abgehalten werden. Die Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen (VDPC) wurde 1968 gegründet als Arbeits- und Interessengemeinschaft von Chirurgen, die sich ausschließlich mit der Plastischen Chirurgie befassen. Sie umfasst 500 ordentliche und über 500 assoziierte Mitglieder. In ähnlicher Form wie die ISAPS als kooptierte Gesellschaft dem Weltverband IPRAS angehört, ist die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC) mit der VDPC verbunden. Ihre 120 Mitglieder sehen den Schwerpunkt ihrer Arbeit im Bereich der Ästhetik. VPDC und VDÄPC sehen es als ihre Hauptaufgabe an, die Weiterbildung im Fachgebiet auszubauen und ihre Mitglieder in deren Qualitätsmanagement zu unterstützen. Quelle: Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen, www.vdaepc.de