Strahlentherapie und Onkologie
Editorial
Teilbrustbestrahlung nach brusterhaltender Operation bei Brustkrebs Rolf Sauer1, Frederik Wenz2, Vratislav Strnad1, Wulf Haase3, Rainer Souchon4, Marie-Luise Sautter-Bihl5 Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie, der Deutschen Gesellschaft für Senologie (D. Wallwiener und M. Bamberg, Tübingen) und der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (M.W. Beckmann, Erlangen, M. Kaufmann, Frankfurt/M., und G. von Minckwitz, Neu-Isenburg)
Einleitung Die Lokaltherapie des frühen, d.h. lokal begrenzten Mammakarzinoms hat sich in den letzten 30 Jahren grundlegend verändert. Die radikalen Operationen wurden zunehmend von konservativen chirurgischen Strategien verdrängt, so dass heute die brusterhaltende Therapie (BET) mit nachfolgender Homogenbestrahlung der Brust (WBRT [„whole breast radiotherapy“]) bei Karzinomen bis 3 cm Größe Standard ist [23]. Dabei beträgt die Standarddosis 45–50,4 Gy in Einzeldosen von 1,8–2,0 Gy, in definierten Fällen gefolgt von einer örtlichen Dosiserhöhung am Tumorbett, je nach Rückfallrisiko, mit 10–20 Gy (Boost). Auf die Indikationen und Durchführung einer Lymphabflussbestrahlung [15, 16] wird in unserem Bericht nicht eingegangen. Die Abkehr von der radikalen Chirurgie wurde durch die Ergebnisse sorgfältig geplanter klinischer Studien bewirkt, die eine Äquivalenz der brusterhaltenden Operationen mit Nachbestrahlung gegenüber einer modifizierten radikalen Mastektomie bezüglich der lokalen Kontrolle und des Gesamtüberlebens nachwiesen [2, 7–9, 30, 41]. Die Homogenbestrahlung der ganzen Brust (WBRT) plus Boost senkt dabei das Risiko für ein intramammäres Rezidiv auf etwa ein
Viertel gegenüber der alleinigen brusterhaltenden Operation ohne Nachbestrahlung; d.h., die Rate an intramammären Rezidiven innerhalb von 8–10 Jahren liegt nach alleiniger Operation und ggf. adjuvanter systemischer Therapie bei 30–40% und verringert sich nach Bestrahlung auf 5–10% (Übersicht bei [37]). Diese Tatsache bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die adjuvante Radiotherapie für 60–70% der Patientinnen eine Übertherapie darstellt, weil diese nie ein lokales Rezidiv bekommen würden. Während die Sinnhaftigkeit einer Chemo- und Hormontherapie kaum je zur Diskussion gestellt wird, obwohl auch hier nur ein kleiner Teil der Frauen profitiert, wurde die Rechtfertigung der routinemäßigen WBRT, die heute allen Patientinnen nach brusterhaltender Operation angeboten wird, immer wieder hinterfragt. Mit verschiedenen Studien wurde versucht, unter den Frauen diejenigen herauszufinden, die aufgrund vermeintlich günstiger Prognosekriterien des Karzinoms keine Radiotherapie benötigen. Am bekanntesten dürfte wohl die NSABP B 21 sein [10]. Aber auch die deutsche GBSG-V-Studie [49] und eine kürzlich publizierte kanadische Studie [12] stellten sich dieser Frage. Alle Ansätze verliefen jedoch bisher im Sinne der Fra-
Schlüsselwörter: Experimentelle Therapie · Multikatheter-Technik · Externe Strahlentherapie 3-D · Ballonkatheter · Intraoperative Bestrahlung · Intrabeam™ · Klinische Studien Key Words: Experimental treatment · Multicatheter technique · External Beam 3-D · MammoSite™ · IORT/IOERT · Intrabeam™ · Clinical studies Strahlenther Onkol 2005;181:417–23 DOI 10.1007/s00066-005-5701-0
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Universitätsklinikum Erlangen, Universitätsklinikum Mannheim, 3 St. Vincentius-Kliniken Karlsruhe, 4 Allgemeines Krankenhaus Hagen gGmbH, 5 Städtisches Klinikum Karlsruhe. 2
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gestellung negativ. Selbst bei älteren Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven Tumoren, die < 1 cm im Durchmesser waren, traten trotz zusätzlicher Tamoxifentherapie bereits innerhalb von 8 Jahren in 15–16,5% der Fälle Lokalrezidive auf [10, 12]. Nach adjuvanter Radiotherapie dagegen betrug die Rate an In-Brust-Rezidiven 3,6–8%. In keiner prospektiven Studie und bei keiner Subgruppenanalyse konnten bisher Kriterien definiert werden, die einen Verzicht auf eine Bestrahlung nach brusterhaltender Operation rechtfertigen würden. Aufgrund der Beobachtung, dass die überwiegende Mehrzahl der In-Brust-Rezidive nach BET im Bereich des Tumorbetts auftritt [3, 9, 18, 35, 41] und die distant hierzu sich in derselben Brust entwickelnden Karzinome häufig als Zweittumoren („second primaries“ [19]) gedeutet werden, wurde die Hypothese formuliert, dass es Patientinnen geben könnte, die mit einer Teilbrustbestrahlung ausreichend behandelt sind. Dies wird derzeit in verschiedenen klinischen Studien geprüft. Dabei werden ganz unterschiedliche Konzepte und Techniken eingesetzt [1, 13, 20–22, 24, 26–29, 36, 38, 39, 42–48]. Es handelt sich immer um akzelerierte Teilbrustbestrahlungen (APBI [„accelerated partial-breast irradiation“]), und zwar um die interstitielle Brachytherapie mit der sog. Multikathetertechnik im LDR-, PDR- oder HDRVerfahren [21, 27–29, 36, 44], die dreidimensionale konformale perkutane Strahlentherapie [1, 11, 47], die Ballonkathetertechnik (Proxima-Katheter) mit dem sog. MammoSite™ [14, 20], die intraoperative Radiotherapie mit Elektronen (IOERT) eines Linearbeschleunigers [13, 26, 27, 42, 43] und das IntraBeam™, eine Anlage mit 50-kV-Röntgenstrahlen [22, 38, 39]. Sowohl die Rationale als auch die Technik der Teilbrustbestrahlung, die die WBRT ersetzen soll, beruht im Wesentlichen auf den Erfahrungen, die mit diesen Methoden im Rahmen einer Boostbestrahlung gewonnen wurden, z.B. mit der IOERT [31]. 1. Interstitielle Multikathetertechnik Bei der klassischen Multikatheter-Brachytherapie werden 6–12 Wochen nach BET mehrere dünne Plastikkatheter in paralleler Geometrie in das Tumorbett mit einem 20 mm breiten Sicherheitssaum an umgebendem gesundem Gewebe, dem Zielvolumen entsprechend, eingeführt. Für gewöhnlich wird in zwei oder drei Ebenen implantiert, mit einem Abstand von jeweils 10 mm. Die Bestrahlung selbst erfolgt in Afterloading-Technik mit entweder hoher Dosisleistung (HDR, 32 Gy in acht Fraktionen à 4 Gy oder 30,1 Gy in sieben Fraktionen à 4,3 Gy, zwei Fraktionen täglich) oder als PDR-Brachytherapie (ein Puls à 0,6–0,8 Gy/h, 24 h pro Tag, Gesamtdosis 50 Gy). Die Teilbrustbestrahlung mit der Multikathetertechnik setzt eingehende klinische Erfahrungen bei der Zielvolumendefinition, Dosierung, Fraktionierung und besonders bei der operativen Vorgehensweise voraus. Das Verfahren hat folgende Vorteile:
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• Das histopathologische Gutachten über das entfernte Brustsegment und der axilläre Lymphknotenstatus sind zur Zeit der interstitiellen Katheterimplantation bekannt. • Die große Flexibilität der Methode gestattet, ein Tumorbett nahezu jeder Form und Größe individuell konformiert mit der tumorbiologisch notwendigen Dosis zu belegen und das übrige Brustdrüsengewebe und die Haut zu schonen. • Für den Fall, dass die Bestrahlung in mehreren Fraktionen erfolgt, ist die Geometrie der Dosisverteilung jedes Mal exakt reproduzierbar. • Die akute und chronische Toxizität sind minimal, das kosmetische Ergebnis ist für gewöhnlich auch langfristig ausgezeichnet. Die interstitielle Multikathetertechnik ist das einzige Verfahren der Teilbrustbestrahlung, mit dem schon Verläufe von ≥ 5 Jahren vorliegen. Verschiedene Phase-I- und -II-Protokolle zeigten, dass bei einem selektionierten Patientengut gleiche Tumorkontrollraten beim frühen Mammakarzinom erzielt werden können wie mit der konventionellen perkutanen WBRT [21, 27, 29, 36, 44]. Die lokale Kontrollrate liegt zwischen 92,3% und 100% bei einer medianen Nachbeobachtungszeit von bis zu 7 Jahren. Heute fordern wir im Rahmen von Studien für die Teilbrustbestrahlung mit der Multikathetertechnik folgende restriktive Einschlusskriterien: • Tumorgröße ≤ 3 cm (kein bilaterales oder Zweitkarzinom); • unifokaler Tumor (keine Multifokalität oder Multizentrizität); • tumorfreie Resektionsränder mit einem minimalen Sicherheitsabstand von > 2 mm (keine Gefäßinvasion); • invasive duktale Karzinome (kein Paget-Karzinom, keine Hautinfiltration, keine extensive intraduktale Komponente [EIC]) oder • limitiertes DCIS (Van Nuys Prognostic Index [34]: < 8 von 12); • niedriges Tumorgrading (G1 und 2); • negativer axillärer Lymphknotenstatus (pN0 oder pNmi); • keine Lymphangiosis carcinomatosa (L0); • Östrogen- und Progesteronrezeptorpositivität; • Alter ≥ 40 Jahre. Gegenwärtig prüft die European Brachytherapy Breast Cancer Working Group der GEC-ESTRO, ausgehend von Erlangen, Leipzig, Rostock und Wien, in einer internationalen Phase-III-Studie die Rechtfertigung, also Effektivität und Verträglichkeit, der alleinigen Brachytherapie im Vergleich mit der herkömmlichen WBRT bei einem nach den oben angegebenen Einschlusskriterien selektionierten Patientengut [27, 29, 36, 49]. Primärer Endpunkt ist die lokoregionäre Tumorkontrolle, sekundäre Endpunkte sind Inzidenz und Schweregrad von Nebenwirkungen sowie das kosmetische Ergebnis. Insgesamt sollen 1 170 Patientinnen randomisiert werden. So lange, bis diese oder ähnliche Studien nicht abgeschlossen sind und über eine mehrjährige Nachbeobachtungszeit verfügen, kann die interstitielle Teilbrustbestrahlung nicht für die tägliche klinische Praxis empfohlen werden.
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2. Dreidimensionale konformale externe Strahlentherapie Als Alternative zur interstitiellen Multikatheter-Brachytherapie wurde die dreidimensionale konformale externe Strahlentherapie als APBI eingeführt [1, 11, 47]. Damit sollten ein zusätzlicher chirurgischer Eingriff vermieden, die Dosishomogenität im Zielvolumen verbessert, das Risiko von symptomatischen Fettnekrosen vermindert und insgesamt das kosmetische Ergebnis verbessert werden. Mögliche Nachteile ergeben sich dadurch, dass die Brust ein bewegliches Organ ist und damit potentiell größere Bestrahlungsvolumina erforderlich sind, um ein Verfehlen des Zielvolumens zu vermeiden. Tatsächlich werden nach CT- und MRT-gestützter Definition des Planungszielvolumens das Tumorbett und ein 1–2 cm breiter Sicherheitssaum über mehrere Einstrahlrichtungen mit einem Linearbeschleuniger bestrahlt. Fünf bis maximal zehn Fraktionen zu 5,5–6 Gy bzw. etwa 3,5 Gy werden in 5–10 Kalendertagen bis zu einer Gesamtdosis von 30–38,5 Gy eingestrahlt. Bisher liegen nur Pilotstudien mit geringer Patientinnenzahl [1] bzw. einer relativ kurzen medianen Nachbeobachtungszeit von 10–36 Monaten vor [1, 11, 47]. Deshalb ist über den Stellenwert dieses Verfahrens momentan keine Aussage möglich. Das Vorgehen muss in prospektiven klinischen Studien gerechtfertigt werden. 3. Ballonkathetertechnik (MammoSite™) Mit dem Ballonkatheter steht neuerdings auch eine sehr einfache, allerdings von vornherein standardisierte und nicht individualisierbare Brachytherapietechnik für die intrakavitäre Teilbrustbestrahlung nach brusterhaltender Operation zur Diskussion. Es handelt sich um einen mit Kochsalzlösung auffüllbaren Katheter, in dessen Zentrum eine punktförmige 192 Ir-(Iridium)-Quelle platziert werden kann. Der Ballon wird intraoperativ in die Resektionshöhle eingeführt, unmittelbar postoperativ aufgefüllt und mit der Quelle in AfterloadingTechnik beschickt. Bestrahlt wird ein 10 mm breites, sphärisch geformtes Volumen an 5 Kalendertagen mit acht bis zehn Fraktionen bis insgesamt 32–35 Gy im HDR-Verfahren. Der Vorteil dieser Methode ist ihre einfache Anwendung, die lediglich eine kurze Einarbeitungszeit erfordert [14]. Dem stehen allerdings gewichtige Probleme gegenüber: • Wenn die Behandlung intraoperativ begonnen wird, liegen zum Zeitpunkt der Katheterimplantation noch keine Kenntnisse über die Tumorcharakteristika, den Resektions- und axillären Lymphknotenstatus vor. • Das Bestrahlungsvolumen und die Dosimetrie sind standardisiert, also nicht den individuellen Erfordernissen, die sich beispielsweise aus der Weite der Resektionsränder ergeben, anzupassen. Die kugelsymmetrische Dosisverteilung kann in der Regel keine individuell geformten Zielvolumina erfassen. • Die therapeutische Reichweite ist mit 10 mm zu kurz, da auch außerhalb eines Sicherheitssaums von 10–20 mm noch ein substantielles Rezidivrisiko von bis zu 50% – je nach Tumorcharakteristik – besteht [2, 3, 18, 35].
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• In der rigiden kugelförmigen Dosisverteilung liegt auch die Gefahr für ein ungünstiges kosmetisches Ergebnis, weil es zu unbeabsichtigten Überdosierungen im Bereich der Haut kommen kann. Auf einen ausreichenden Sicherheitsabstand von 10–15 mm zwischen Ballonoberfläche und Haut ist streng zu achten. Die schon kurz nach der Einführung des Systems berichtete Inzidenz von akuten und chronischen Nebenwirkungen scheint höher als bei der Multikathetertechnik zu sein. Bisher untersuchte nur eine Studiengruppe die Durchführbarkeit an 43 Patientinnen in einer Phase-I-Studie [20]. In 1–57% wurden Erythem, Brustschmerz, Brustödem und Serombildung berichtet. Eine Aussage zur Spättoxizität war wegen der erst kurzen Nachbeobachtungszeit noch nicht zu treffen. Es liegen also zur alleinigen Teilbrustbestrahlung mit der Ballonkathetertechnik weder eine randomisierte Studie noch aussagekräftige Daten vor, die deren Einsatz außerhalb von klinischen Studien oder gar im Routinebetrieb rechtfertigen würden. Erst im Herbst 2004 initiierte die NSABP eine prospektive, randomisierte Multicenterstudie, die die alleinige Teilbrustbestrahlung mit Hilfe der Multikathetertechnik oder der Ballonkathetertechnik mit der konventionellen perkutanen WBRT vergleicht. Es ist zu hoffen, dass die Ergebnisse dieser Studie nach ausreichender Nachbeobachtungszeit die Technik des MammoSite™ beurteilen und deren therapeutischen Stellenwert einschätzen lassen. 4. Intraoperative Radiotherapie (IORT) Für die IORT stehen derzeit entweder LinearbeschleunigerElektronen oder 50-kV-Röntgenstrahlen (Intrabeam™) zur Verfügung. Beide Methoden wurden sowohl für die lokale Dosisaufsättigung (Boost) nach perkutaner WBRT als auch für die alleinige Teilbrustbestrahlung nach brusterhaltender Operation vorgestellt. Die Intention für diese Verfahren entspringt der richtigen Einschätzung, dass die Strahlentherapie des Tumorbetts ohne Verzögerung sofort nach dem brusterhaltenden operativen Eingriff erfolgen sollte und dass mit einer intraoperativen radiotherapeutischen Maßnahme die Applikation einer hohen, zielgerichteten Dosis in einem begrenzten Volumen ohne wesentliche Belastung kritischer Strukturen grundsätzlich möglich ist. Das eröffnet auch bessere Bedingungen für eine gute posttherapeutische Kosmetik. 4.1 Intraoperative Bestrahlung mit LinearbeschleunigerElektronen (IOERT) Prinzipiell eignet sich jeder mit der Möglichkeit zur Elektronenbestrahlung ausgerüstete Linearbeschleuniger für die IOERT. IOERT als Boostbestrahlung Dobelbower et al. [5] stellten 1989 die IOERT mit Elektronen als Boost vor der Homogenbestrahlung der Restbrust vor; erste Langzeitresultate wurden 1997 gemeinsam mit einer französischen Arbeitsgruppe veröffentlicht [6, 25].
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Das Verfahren wurde 1998 in Salzburg mit einem herkömmlichen, jedoch exklusiv für die intraoperative Therapie eingesetzten Beschleuniger etabliert. Nach der Exzision des Tumors wurden die Schnittränder temporär mit einer Naht gerafft und mit einem Sicherheitsabstand unter Sicht in das Bestrahlungsfeld einbezogen [31]. In Mailand kam ab 1999 ein speziell für die IOERT entwickelter mobiler Elektronenbeschleuniger (Novac7) zum Einsatz, der Energien von 3–12 MeV liefert [13, 26, 42]. Die Patientinnen erhielten mit 10–15 Gy Einzeitdosis eine IOERT als antizipierten Boost, danach folgte die homogene WBRT. Kürzlich stellten Sedlmayer et al. [33] ihre Daten mit der IOERT für die Boostbestrahlung aus einem großen Patientinnenkollektiv vor. Bei 541 Patientinnen gab es nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 30,5 Monaten kein Lokalrezidiv. IOERT als ausschließliche Teilbrustbestrahlung Nach der oben erwähnten Pilotphase, in der die IOERT als Boost eingesetzt wurde, ging man in Mailand dazu über, intraoperativ höhere Einzeitdosen bis 22,3 Gy zu applizieren und auf die perkutane Homogenbestrahlung der Restbrust als postoperative Maßnahme zu verzichten. Eine Einzeldosis von 20–22 Gy ist biologisch einer konventionell fraktionierten Dosis von etwa 60 Gy äquivalent. Eine Besonderheit des Mailänder Verfahrens besteht darin, dass dort in der Regel als brusterhaltende Operation noch immer die Quadrantektomie erfolgt, was hinsichtlich der postoperativen Kosmetik ungünstig ist. Die Gruppe fordert eine R0-Resektion und einen zusätzlichen Sicherheitsabstand von > 10 mm. Nach Mobilisierung des Drüsenkörpers vom Pektoralismuskel wird vor der Bestrahlung eine Blei-platte zwischen Brustdrüsengewebe und Muskel eingebracht, um Rippen- oder Brustwandnekrosen zu vermeiden. Die Therapie ist nach Angaben der Autoren ohne signifikante Nebenwirkungen applizierbar und findet Akzeptanz bei den Patientinnen [13]. Aus unserer Sicht seien zu dem Verfahren aber doch folgende kritische Punkte angemerkt: • Zum Zeitpunkt der IOERT liegt keine definitive Information über die Beschaffenheit der Resektionsränder, die Tumorcharakteristika und den Lymphknotenstatus vor, was die Patientenselektion erschwert. • Die Präparation aller Parenchymanteile, die potentiell subklinische Tumoranteile tragen, und deren Zentrierung in das Bestrahlungsfeld erfordern besondere chirurgische und radioonkologische Expertise, vor allem wenn keine weitere Bestrahlung der Brust geplant ist. • Bei der Verwendung von Elektronentuben ist zu beachten, dass sich der von der Referenzdosis abgedeckte Bereich in der Tiefe verschmälert (Einschnürung der 80%-Isodose), d.h., es besteht die Gefahr, dass die erforderliche Breite des Elektronentubus in der klinischen Routine in Bezug auf das Zielvolumen zu klein bemessen wird.
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• Das Bestrahlungssystem sowie der in den Operationssälen erforderliche Strahlenschutz sind sehr aufwendig, die Methode ist also nicht ubiquitär verfügbar. Trotzdem sind die bisherigen Erfahrungen mit der IOERT im European Institute of Oncology in Mailand als alleinige APBI [13, 26, 42, 43] und in Salzburg als antizipierter Boost [31, 33] ermutigend. Zur Validierung der Technik und zur Bestätigung des Konzepts der alleinigen Teilbrustbestrahlung sind prospektive, randomisierte klinische Studien erforderlich. 4.2 Intrabeam™ (50-kV-Röntgen-Weichstrahltechnik) Die Intrabeam™-Technik basiert auf einer 50-kV-RöntgenWeichstrahlröhre, deren Röntgenstrahlung durch einen sphärischen Applikator so aufgestreut wird, dass er die chirurgische Resektionshöhle kugelförmig nach allen Richtungen gleichmäßig bestrahlt. Es gibt unterschiedliche Applikatorgrößen, um die verschiedenen Resektionshöhlen ausfüllen zu können. Die Dosisverschreibung erfolgt mit 20 Gy an der Applikatoroberfläche [22, 38]; dies entspricht physikalisch ca. 6 Gy in 10 mm Gewebetiefe. Niederenergetische Röntgenstrahlen haben eine höhere RBW (relative biologische Wirksamkeit), die nach Herskind et al. Werte von 2 erreichen soll [17]. Dieses System wirft, als alleinige intraoperative Therapiemaßnahme eingesetzt, eine Reihe kritischer Fragen auf: • Zur Zeit der intraoperativen Bestrahlung kennt man die pathohistologischen Risikofaktoren noch nicht: Breite der Resektionsränder, Tumorcharakteristika, Ausmaß eines eventuellen Carcinoma in situ, Lymphknoten- und Rezeptorstatus. •Wie die Ballonkathetertechnik ermöglicht auch das Intrabeam™ lediglich eine starre, kugelförmige Bestrahlung der Resektionsränder ohne individuelle Dosisanpassung an die Breite der individuellen Resektionsränder bzw. die individuelle Risikosituation. • Der Dosisabfall von der Applikatoroberfläche (20 Gy) in das umliegende Gewebe ist sehr steil und stark von der Größe des Applikators abhängig. Ob die Dosis von ca. 6 Gy in 10 mm Gewebetiefe ausreicht, mikroskopische Tumorreste zuverlässig zu sterilisieren, wird von Modellrechnungen suggeriert, die allerdings noch experimentell und klinisch bestätigt werden müssen. Die Datenlage zum therapeutischen Stellenwert des Intrabeam™ ist gegenwärtig noch präliminär. Immerhin wurden im Rahmen einer Phase-I-Studie etwa 200 Patientinnen nach BET in die sog. TARGIT-Studie (Targeted Intraoperative Radiotherapy) eingebracht, um die Durchführbarkeit und Sicherheit des Systems zu testen [38, 39]. Die TARGIT-Studie fordert – die o.g. Kritikpunkte berücksichtigend – u.a. einen freien Schnittrand von 10 mm, so dass eine therapeutische Verschreibung auf insgesamt 20 mm erfolgt wie bei der interstitiellen Multikathetertechnik. 163 Patientinnen erhielten die IORT als antizipierten Boost auf
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das Tumorbett vor externer Homogenbestrahlung der Brust, 22 als alleinige Teilbrustbestrahlung. Innerhalb von 42 Monaten traten zwei Lokalrezidive auf. Ermutigt von diesem Resultat wurde in Großbritannien, Australien, den USA und Deutschland im Jahr 2000 eine internationale randomisierte TARGIT-Studie begonnen, die die Frage prüft, ob bei Patientinnen nach einer die Brust erhaltenden Operation eine einmalige intraoperative Bestrahlung prognostisch gleichwertig mit einer konventionellen perkutanen postoperativen WBRT ist. Primärer Endpunkt ist die Lokalrezidivrate. Eingeschlossen werden Patientinnen mit vermutetem niedrigen Risiko für ein sog. Elsewhere-in-Breast-Failure, nämlich ältere Patientinnen (≥ 50 Jahre) mit einem kleinen unifokalen, invasiven duktalen Karzinom (≤ 2 cm). Die Randomisierung erfolgt in einen IORT- oder den Standardarm. Ergibt die endgültige pathohistologische Aufarbeitung des Operationspräparats jedoch einen Risikofaktor (Tumorgröße > 2 cm, freier Schnittrand < 1 cm, EIC > 25% des Tumorvolumens, eine Lymphangioinvasion [L1] oder eine andere Histologie), folgt nach der IORT grundsätzlich eine perkutane WBRT mit 46 Gy. Im Fall von positiven Schnitträndern wird nachreseziert. Erste Ergebnisse können wohl frühestens im Jahr 2007 erwartet werden. Diskussion Prinzipiell ist es wissenschaftlich wünschenswert, innovative Therapieoptionen in randomisierten Studien zu prüfen, sofern sie von der Rationale her ein substantielles Verbesserungspotential – primär hinsichtlich Kuration und sekundär hinsichtlich ihres Nebenwirkungsprofils – erwarten lassen. Die Idee, durch eine Teilbrustbestrahlung Nebenwirkungen, vor allem im Sinne einer kosmetischen Beeinträchtigung durch eine Homogenbestrahlung der Brust, zu vermeiden, wird in Zeiten der dreidimensional geplanten konformalen Strahlentherapie mit zunehmend vermeidbaren Strahlenreaktionen und überwiegend exzellenten kosmetischen Ergebnissen deutlich relativiert. Auch das vielfach ins Feld geführte Argument, die Teilbrustbestrahlung könne solchen Frauen die „Brust retten“ [39], die sich anderenfalls einer Ablatio unterziehen würden, da sie sich eine fraktionierte Strahlentherapie zeitlich und finanziell nicht leisten könnten [32], hat in unserem Gesundheitssystem bislang keine Gültigkeit. Die Frage, ob mit der Teilbrustbestrahlung tatsächlich ein noch besseres kosmetisches Ergebnis als mit einer WBRT zu erzielen ist, kann derzeit noch nicht beantwortet werden. Aus strahlenbiologischer Sicht ist es nämlich durchaus möglich, dass die Langzeitkosmesis hinter derjenigen nach herkömmlicher Bestrahlung zurückbleibt. Die Latenz bis zum Auftreten von radiogenen Spätfibrosen beträgt in 90% der Fälle 4,7 Jahre [4], also eine Zeitspanne, die mit der Nachbeobachtungszeit der meisten Studien zur Teilbrustbestrahlung noch längst nicht erreicht ist.
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Angreifbar ist auch die Argumentation eines der prominentesten Fürsprecher der Teilbrustbestrahlung und Mitinitiators der TARGIT-Studie, J.S. Vaidya. Seine Arbeitsgruppe [40] hatte nämlich 1996 an systematisch untersuchten Mastektomiepräparaten festgestellt, dass sich 80% der okkulten Tumorfoci außerhalb des betroffenen Quadranten befänden. Später schloss sie aber aus der Tatsache, dass 90% der Rezidive klinisch im ursprünglich befallenen Quadranten auftreten, dass solche distanten Herde klinisch irrelevant seien und man sich deshalb in vielen Fällen auf die Bestrahlung der eigentlichen Tumorregion beschränken könne [38]. Diese Überlegung ist schon deshalb unzutreffend, weil distante Tumorherde deshalb klinisch nicht mehr in Erscheinung treten, weil ein manifestes Rezidiv im betroffenen Quadranten bereits zur Ablatio geführt hat. Diese Hypothese würde u.E. eher für eine lokale Dosisaufsättigung der Tumorregion nach WBRT sprechen als dafür, die verbliebene Brust überhaupt nicht zu bestrahlen. Dies gilt umso mehr, als neuere strahlenbiologische Vergleichsuntersuchungen Zweifel daran aufkommen lassen, ob die biologisch effektive Dosis einer APBI überhaupt einer konventionell fraktionierten Homogenbestrahlung entspricht [32]. Resümee Die bisherige Hauptindikation für die Teilbrustbestrahlung ist die umschriebene Dosisaufsättigung (Boost) der primären Tumorregion nach brusterhaltender Chirurgie und perkutaner Homogenbestrahlung der Brust. In der Mehrzahl der Fälle wird der Boost mit Elektronenstrahlung durchgeführt, aber auch mit der interstitiellen Multikatheter-Brachytherapie liegen inzwischen mehrjährige Erfahrungen vor. Die definitive Teilbrustbestrahlung nach brusterhaltender Operation unter Verzicht auf die Homogenbestrahlung der Brust ist derzeit als experimentelle Therapie einzustufen, auch bei Patientinnen mit sehr niedrigem Risiko, nämlich bei älteren Frauen mit günstigen Prognosefaktoren. Bei allen diskutierten Verfahren – interstitielle Multikathetertechnik, dreidimensionale konformale perkutane Strahlentherapie, Ballonkathetertechnik (MammoSite™) sowie intraoperative Bestrahlungen mit Elektronen (IOERT) oder mit dem Intrabeam™ – handelt es sich um eine APBI, deren biologische Effektivität, Nebenwirkungs- und chronische Komplikationsrate noch nicht abzuschätzen sind. Eine APBI, welcher Art auch immer, sollte ausschließlich in kontrollierten, randomisierten Studien erfolgen, deren Einschlusskriterien in diesem Artikel definiert sind. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Rezidive wegen einer adjuvanten systemischen Therapie u.U. erst mit deutlicher zeitlicher Verzögerung auftreten, ist eine abschließende Beurteilung von Studiendaten erst nach langjährigen Nachbeobachtungszeiten zulässig. Bis dahin stellt bei der brusterhaltenden Behandlung des Mammakarzinoms die WBRT – in definierten Fällen mit Boost – weiterhin den „Goldstandard“ dar.
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Address for Correspondence Prof. Dr. Rolf Sauer Direktor der Klinik für Strahlentherapie der Universität Erlangen Universitätsstraße 27 91054 Erlangen Telefon (+49/9131) 853-3405, Fax -9335 E-Mail:
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