Acta Müstair, Kloster St. Johann, Band 3
Hans Rudolf Sennhauser (Herausgeber) unter Mitarbeit von Katrin Roth-Rubi und Eckart Kühne
Wandel und Konstanz zwischen Bodensee und Lombardei zur Zeit Karls des Grossen Kloster St. Johann in Müstair und Churrätien
Tagung 13.–16. Juni 2012 in Müstair
vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich
Veröffentlichungen der Stiftung für Forschung in Spätantike und Mittelalter – HR. Sennhauser
Dank Publiziert mit Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Herausgeber und Redaktion danken weiteren Institutionen und Personen für finanzielle Unterstützung, Entgegenkommen und Förderung von Tagung und Drucklegung der Acta: – Druckerei Ilg Wimmis – Kantonalbank Graubünden – Nägeli-Stiftung – Stiftung Jacques Bischofberger – Stiftung Pro Kloster St. Johann in Müstair – Vorarlbergisches Landesarchiv – sowie private Spender
Frontispiz: Der churrätische Raum im Frühmittelalter (Zeichnung E. Kühne, Stiftung FSMA; Hintergrund Bundesamt für Landestopographie, Pixelkarte 1000) Druck: ILG AG Wimmis Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http:// dnb.d-nb.de abrufbar. Das Werk einschliesslich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ausserhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt besonders für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. ISBN 978-3-7281-3583-4
[email protected] – www.vdf.ethz.ch © 2013, vdf Hochschulverlag AG an der ETH Zürich
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Inhalt
Vorspann Hans Rudolf Sennhauser
Vorwort ...............................................................................................
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Jürg L. Muraro
Anmerkungen zur Erforschung der frühmittelalterlichen Geschichte Rätiens .............................................................................
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Hans Lieb
Raetia prima und Raetia secunda ....................................................
13
Frühgeschichte und Archäologie Paul Gleirscher
Der Vinschgau im Frühmittelalter – Archäologisches ...................
19
Josef Nössing
In comitatu Recie in vallibus Venuste et Ignadine – Vinschgau und Nachbargebiete im Frühmittelalter .......................
43
Andreas Picker
Drusental und Rankweil – Karolingerzeit in der Vallis Drusiana – Bemerkungen zur archäologischen Evidenz ..................................
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Josef Semmler †
Origines Variae – Zu den Anfängen der frühen churrätischen Klöster .................................................................................................
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Hans Rudolf Sennhauser
Bemerkungen zur Gründung und zur Frühgeschichte des Klosters St. Johann in Müstair ...................................................
83
Geschichte und Recht Dieter Geuenich
Pippin, König von Italien (781 – 810) ................................................ 111
Sebastian Grüninger
Pfarrorganisation und Kirchenwesen in den frühmittelalterlichen Bistümern Chur und Konstanz ........................................................ 125
Irmtraut Heitmeier
Per Alpes Curiam – der rätische Straßenraum in der frühen Karolingerzeit – Annäherung an die Gründungsumstände des Klosters Müstair .......................................................................... 143
Walter Kettemann
Remedius und Victor – Kurzbericht zu einer laufenden Forschungsarbeit ................................................................................ 177
Helmut Maurer
Das Bistum Konstanz zur Zeit Karls des Großen im Vorfeld von Churrätien und Oberitalien ....................................................... 179
Alois Niederstätter
Herrschaftliche Raumorganisation südlich des Bodensees in der Karolingerzeit .......................................................................... 187
Hans Rudolf Sennhauser
Zur Frage nach den fünf Klöstern Bischof Viktors III................... 193
Harald Siems
Recht in Rätien zur Zeit Karls des Großen – Ein Beitrag zu den Capitula Remedii ................................................................... 199
6
Jürgen Strothmann
Der Münzfund von Ilanz, die Funktion des Geldes und die Herrschaft Karls des Großen über Churrätien ................. 239
Herwig Wolfram
Expansion und Integration – Rätien und andere Randgebiete des Karolingerreichs im Vergleich .................................................... 251
Alfons Zettler
Probleme der frühmittelalterlichen Geschichte Churrätiens im Spiegel von Memorialbüchern ..................................................... 261
Schrift und Sprache Flavia De Rubeis
Il corpus epigrafico dell’abbazia di San Giovanni di Müstair........ 285
Peter Erhart Bernhard Zeller
Rätien und Alemannien – Schriftformen im Vergleich .................. 299
Martin Hannes Graf
Beobachtungen zum churrätischen Personennamenbestand der Karolingerzeit .............................................................................. 319
Kunst und Kirche Marese Girard Sennhauser
Der Liber Viventium Fabariensis, das Memorialbuch von Pfäfers in neuer Sicht – Eine Skizze .............................................................. 331
Saverio Lomartire
Architettura e decorazione dell’altomedioevo in Italia settentrionale – Una svolta sotto Carlo Magno? ............................ 345
John Mitchell
St. Johann at Müstair – The Painted Decoration in Context ......... 373
Gisela Muschiol
Liturgie in Churrätien im Zeitalter Karls des Großen – Ein kurzer Forschungsbericht .......................................................... 397
K atrin Roth-Rubi
Zum Motivschatz der churrätischen Marmorskulptur im Frühmittelalter .............................................................................. 403
Egon Wamers
Tassilo III. von Baiern oder Karl der Große? – Zur Ikonographie und Programmatik des sogenannten Tassilokelch-Stils ................. 427
Epilog K atrin Roth-Rubi
Zur Gründung des Klosters St. Johann in Müstair – Recapitulatio von Argumenten, mit einem Beitrag von Hans Rudolf Sennhauser und Bemerkungen von Heinz Dopsch ........... 451
Irmtraut Heitmeier
Annäherung an die Gründungsumstände des Klosters Müstair – Arbeitshypothese ............................................................................... 458
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Egon Wamers
für Elisabeth
Abb. 1: Tassilokelch. Frontseite mit Maiestas Domini. Höhe 27 cm.
Tassilo III. von Baiern oder Karl der Große? Zur Ikonographie und Programmatik des sogenannten Tassilokelch-Stils
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Egon Wamers
Einführung Unter „Tassilokelch-Stil“ verstehen die Archäologen in der Regel eine Ornamentik von Tiergeschlingen, mit denen einige Felder des Tassilokelches gefüllt sind. 1951 hat Günther Haseloff in seiner Studie zum Tassilokelch solche Tiergeschlinge auf weiteren Werken der Schatzkunst, aber auch auf einer Vielzahl von kleinen Riemenbeschlägen, Sporen sowie Schmuckstücken wie Ringen und Fibeln identifiziert, die als Bodenfunde vorwiegend im ehemaligen karolingischen Ostreich zu Tage kommen.1 Inzwischen hat sich die Zahl der entsprechenden Fundstücke vervielfacht.2 Stil- und motivgeschichtlich führte Haseloff diesen „Tierstil“ auf die angelsächsische „inhabited vine scroll“-Ornamentik zurück und brachte sein Vorkommen in Austrasien mit der insularen Mission in Zusammenhang. Das Auftreten dieser „Tierornamentik“ auf hochrangigen Werken der sakralen Schatzkunst des Alpenraums, die einmal mit dem Baiernherzog Tassilo III. in direkte Verbindung gebracht werden kann, oder aber in der Müstairer Steinmetzkunst, die andererseits – über den Klosterbau – mit Karl dem Großen in Zusammenhang gebracht wird, wirft die Frage auf, ob diese Zierkunst wirklich einer herrscherlichen oder gar politischen / kulturpolitischen Programmatik zugeschrieben werden kann. Im Gegensatz zu den meisten Archäologen, die alternativ auch die Bezeichnung „anglo-karolingischer Tierstil“ oder „insularer Tierstil kontinentaler Prägung“ verwenden, habe ich in den letzten zwei Jahrzehnten versucht – angeregt durch die Studien des Kunsthistorikers Victor H. Elbern –, den Begriff Tassilokelch-Stil umfassender zu definieren.3 Der Tassilokelch Als „Tassilokelch“ 4 wird ein 27 cm hoher Abendmahlskelch 5 (Abb. 1) aus der Schatzkammer des Benediktinerstifts Kremsmünster in Oberösterreich bezeichnet, der auf dem Fuß eine umlaufende Inschrift trägt (TASSILO DVX FORTIS · LIVTPIRC VIRGA REGALIS = Tassilo, kraftvoller Herzog, Liutpirc aus königlichem Geschlecht). Sie weist ihn als eine Stiftung des letzten Baiernherzogs Tassilo III. (748 – 788) und seiner Frau Liutpirc aus, der Tochter des Langobardenkönigs Desiderius – eine Stiftung, die wahrscheinlich anlässlich der Gründung des Stifts Kremsmünster 777 getätigt wurde, des „glanzvolle[n] Höhepunkt[es] der Herrschaft Tassilos III.“; durch diese hoheitliche Inschrift wird dieses liturgische Gerät gleichsam zu einem „Staatsdenkmal“.6 Der Kelch aus getriebenem Kupfer ist außen silberplattiert, nielliert und mit Glaseinlagen versehen sowie partiell feuervergoldet. Die gesamte Außenwandung von Kuppa, Nodus und Fuß 7 ist von einem geometrischen Rahmenmuster überzogen und gegliedert; die einzelnen Felder sind figural und ornamental gefüllt. Dieses Oberflächen-Muster verleiht dem Gefäßkorpus eine architektonische Gliederung, die ein zweigeschossiges Bauwerk mit komplizierter Dachbildung darstellt. „Illusionistische“ Gliederungen liturgischer Gefäße mit heilsgeschichtlichen Architekturen (Neues Jerusalem, Grab Christi, Fons Vitae u. a.) sind in frühchristlicher Zeit und im Mittelalter häufig (zum Beispiel: Pyxiden von Fejø Abb. 25 – 26 und Pettstadt, Eligius-Kelch von Chelles, Lebuinus-Kelch von Deventer) und verweisen gestaltbildnerisch auf den liturgischen und heilsgeschichtlichen Sinn der Gefäße.8 Eine konkrete „architektonische“ Identifizierung für den Tassilokelch ist bislang noch nicht geglückt.
Haseloff 1951. – Für redaktionelle Durchsicht danke ich Kim Hofmann, Frankfurt am Main. 2 Vgl. Haseloff 1977; Wamers 1994 a, 32 ff.; Schulze-Dörrlamm 1998; Schmauder 2005; Wamers 2008; Panum Baastrup 2012, passim; Thomas 2012. 3 Wamers 1991, 124 ff.; Wamers 1993; Wamers 1994 a, 32 ff.; Wamers 1994 b; Wamers 1999, 205 ff.; Wamers 2007; Wamers 2008, 37 ff. 4 Vgl. mit jeweils älterer bzw. weiterführender Lit.: Rosenberg 1924, 79 ff.; Stollenmayer 1949; Haseloff 1951; Elbern 1963, 13 ff.; Fillitz / Pippal 1987, Nr. 2; V. Bierbrauer 1988, 330 ff.; Elbern 1989, 210 ff.; Elbern 1998, 123 ff.; Wamers 2007; zuletzt: Prochno 2005. 5 Mit ca. 1,35 Liter Fassungsvermögen der Kuppa gehört er zu den größten bekannten frühmittelalterlichen Kelchen, vergleichbar mit dem so genannten Ursus-Kelch von Lamon / Feltre (Elbern 1963, 16 ff., 71, Nr. 18; ca. 1,5 Liter) und den mehr oder weniger zeitgleichen großen insularen Henkelkelchen von Ardagh und Derrynaflan (Maximalkapazität bis zum Rand ca. 1,4 Liter bzw. 2,1 Liter; frdl. Hinweis Michael Ryan, Dublin), die ihrerseits von byzantinischen Kelchen formenkundlich abhängen (Ryan 1990). Annähernd ihre Größenordnung erreicht von den überlieferten westlichen Kelchen des Frühmittelalters lediglich der Eligiuskelch von Chelles mit ca. 0,65 Liter Kuppavolumen (zuletzt Wamers 2012, 153 ff.). Ihre Funktion ist nur als Spendekelch (calix ministralis) denkbar. Für eine Bestimmung des Tassilokelchs als „Hochzeitskelch“ (Stollenmayer 1976, 17 f.; davon ist bei Stollenmayer 1949 noch nicht die Rede), dass es sich also um ein Trinkgefäß für die Brautleute Tassilo und Liutpirc anlässlich ihrer Vermählung gehandelt habe, gibt es keinerlei Indizien. 6 Freund 2004, 116; Elbern 1997 a, 8. 7 Die halbeiförmige Kuppa (cuppa) ist mit dem Ständerteil (pes) , der aus in eins geschmiedetem Nodus mit Fuß besteht, vernietet; beide Teile haben eine Höhe von etwa 13,5 cm. Die Nahtstelle umzieht ein kräftiger Perlkranz, der heute beweglich ist – ob schon immer, ist nicht bekannt. Diese Konstruktion aus jeweils nahezu gleich hoher cuppa und pes, verbunden mit einem Perlring, hat er mit dem so genannten Cundpald-Kelch von Petöháza (zuletzt Szöke 2008, 350 ff.), dessen Verzierung ebenfalls in den Umkreis des „Tassilokelch-Stils“ gehört, gemeinsam. – Wenig wahrscheinlich ist die Spekulation von Stollenmayer (1949, 51 ff.; 1976, 40 ff.), dass der Kelch während des Spendevorgangs (von Wein) mit einer Hand am Ring gehalten wurde und mit der anderen nach jedem Trunk für den nächsten Empfänger weitergedreht wurde. So ist der Perlring am völlig gleich konstruierten Cundpald-Kelch nicht drehbar. 8 Elbern 1963, 117 ff.; Elbern 1986; Wamers 1991, 118 ff.; Wamers 2012, 153 ff. 1
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2 Abb. 2: Christus zwischen den Evangelisten. Medaillon-Bilder von der Kuppa des Tassilokelches.
Bauerreiss 1958, 161 f.; Wolfram 1985, 347 f. Wolfram 1985, 347 f. 11 Bibliothèque interuniversitaire de Montpellier, Section Médecine, Ms. H 409: Mütherich 1988, 348 f.; Elbern 1989, 98 f.; vgl. auch K. Bierbrauer 1994, Kat. Nr. V / 1; K. Bierbrauer, in: Katalog Paderborn 1999, Bd. II, Kat. Nr. XI. 18; siehe auch: www.biu-montpellier.fr > Patrimoine > BU Médecine > Les collections numérisées... > 409. 9
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Auf der Kuppa sind fünf und auf dem Fuß vier horizontal umlaufende ovale Felder separiert, die durch breite Rahmen sowie vor allem durch den inneren glänzenden Silbergrund wie Fenster wirken, durch die der Betrachter illusionistisch in das Gefäß hineinblickt (vgl. die Pyxis von Fejø, Abb. 25). Auf diesen „himmlisch“ wirkenden Silberflächen erkennt man auf der Kuppa Halbbilder von Christus und den vier Evangelisten samt deren Symboltieren. Christus ist mit griechischorthodoxem Segensgestus vor einer Architektur aus vier Säulen mit Architrav abgebildet; er ist mit einem doppellinigen Kreuznimbus versehen und von den Initialen IS (für IESOUS SOTHÉR) sowie den apokalyptischen Buchstaben A & Ω flankiert. Die Evangelisten sitzen auf Sesseln oder Stühlen, begleitet von ihren Symboltieren, welche dominanter und dynamischer erscheinen als die Evangelisten selbst (Abb. 2). In den Ovalen auf dem Fuß sind Halbbilder von vier Heiligen wiedergegeben, nach der überzeugenden Erklärung von Romuald Bauerreiss 9� von IOHANNES BAPTISTA (I B), der Gottesmutter MARIA THEOTOKOS (M T), des PANTALEON THAUMATURGOS (P T) und des THEODOR[OS] MARTYR (T M) (Abb. 1). Herwig Wolfram hat dies als „griechisches Programm in lateinischer Gestalt“ bezeichnet, das „in die Welt irischer Gelehrsamkeit“ gehöre, „die gerne mit ihren Griechisch- und Hebräischkenntnissen prunkte“, und in Erwägung gezogen, ob dahinter das Wirken von Leuten aus dem Umkreis Virgils, wie seines Gefährten Dubdá-Chrích / Dobdagrecus, stecken könne.10 Diese figürlichen Darstellungen, die in der Buchmalerei des Salzburger Umkreises – etwa im Codex Millenarius aus Kloster Mondsee, jetzt Stift Kremsmünster, dem Cutbercht-Evangeliar oder vor allem im Psalter von Montpellier (Abb. 3, 30)11 aus Kloster Mondsee – ihre engen Parallelen haben, stehen nach Florentine Mütherich und Elbern in oberitalisch-spätantiker, vermutlich ravennatischer Tradition. Trotz kleinerer Unterschiede in den Christusdarstellungen des Kelches und des Psalters von Montpellier (Kelch: bärtiger Christus, Segensgestus der rechten Hand; Psalter: Codex links, von der Rechten geführt) sind die Übereinstimmungen gravierend: Frisur und Gesichtstyp, Kreuznimbus mit breiten goldenen Doppelrahmen sowie goldene Gewandsäume (beim Psalter sind nur noch Reste der Goldübermalung erkennbar), Buchstaben und Flechtbandrahmung – letztere im Psalter jedoch nicht flächendeckend. Bei den Evangelistenbildern sind Übereinstimmungen mit denen des jüngeren Codex Millenarius (zweites Jahrzehnt 9. Jahrhundert) nicht zu verkennen. Nach Elbern entspricht das zentrale Bildprogramm in seiner Anordnung
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frühchristlichen Apsiskompositionen,12 doch kann man es auch mit Darstellungen von Christus im Zentrum der Evangelistensymbole in den vier Ecken vergleichen, alle jeweils im Clipeus.13 Die Rahmen der Fensterovale überziehen Flechtbänder und Efeuranken, die Rauten des Nodus sind mit versilberten Zirkelschlagmustern gefüllt, wie sie aus der Buchmalerei und der Goldschmiedekunst der Jahrzehnte um 800 bestens bekannt sind;14 am Fußansatz gibt es Rautenmotive. Alle sonstigen architektonischen Flächen sind in Kerbschnitt-Technik mit ornamentalen Weinstöcken und bandförmigen Vierfüßlern bedeckt. Neben dem Tassilokelch gibt es weitere herausragende kirchliche Zimelien mit diesen charakteristischen Tier-Pflanzenmotiven, meist als Geschlinge, aber auch eine große Zahl von mittlerweile mehr als 120 einfachen Beschlägen des Waffen- und Reitzubehörs sowie von Schmuckstücken, die als Bodenfunde vorwiegend im ehemaligen fränkischen Ostreich zu Tage getreten sind (Abb. 5 – 11, 17 – 20). Nach Haseloff, dem die Forschung durchweg gefolgt ist, stellen diese Pflanzen- und Tiergeschlinge auf dem Tassilokelch motivischstilistisch eine Übernahme aus der insularen, in concreto aus der northumbrischen Weinstock-Ornamentik dar, die zum einen naturalistischer gestaltet ist, aber auch, vor allem in der Kleinkunst, eine ähnliche schematisierende Stilisierung wie beim Tassilokelch erfahren hat; diese kleinformatigen Metallarbeiten stammen zu einem erheblichen Teil als Importe aus skandinavischen Gräbern der Wikingerzeit und sind innerhalb des 8./9. Jahrhunderts schwer datierbar (Abb. 22).
Abb. 3 – 4: Vergleich der Christus-Darstellungen vom Psalter von Montpellier und von der Kuppa des Tassilokelches. Abb. 5 – 11: Beispiele von karolingischen Militaria und Beschlägen für liturgisches Gerät mit „insularem Tierstil kontinentaler Prägung“, 5 mit Tier im Rankenwerk.
Elbern 1989, 100. Vgl. z. B. Gudohinus-Evangeliar von 751-754 aus Corbie (Bibliothèque Municipale Autun, Ms. 3, fol. 12 v): Zimmermann 1916, Taf. 80; Stuttgarter Bilderpsalter, fol. 77 r: Mütherich 1968. 14 Vgl. z. B. Godescalc-Evangelistar fol. 3 r, 781-783; Dagulf-Psalter, fol. 25 r, 795; Evangeliar aus Saint-Médard, fol. 81 v, um 800; Lorscher Evangeliar pag. 36 f., um 810 (Mütherich 1999, Abb. 2, 9, 19, 25 f.); B-Initiale auf fol. 1 v des Psalters aus Corbie, um 800 (Katalog Paderborn 1999, Kat. Nr. XI. 20); Lorscher Evangeliar pag. 24, um 810 (Katalog Paderborn 1999, Kat. Nr. X. 21); Bogendecke im Einhardsbogen, frühes 9. Jh. (Hauck 1974, Falttafel). 12
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– 5, 6: Schwertgurtbeschläge aus Karlburg, Ldkr. Würzburg.
– 8: Messingblechbeschlag von einem Reliquiar(?) aus Christenberg, Hessen.
– 7: Sporn aus dem Hambacher Forst, Kr. Düren, mit durch Perldrähte getrennten Rechteckfeldern, die abwechselnd Vierfüßler und gleicharmige niellierte Kreuze auf flächigem Silbergrund tragen.
– 9: Fragment einer Knopfriemenzunge (Halbfabrikat) vom Königshof Karlburg am Main, Ldkr. Würzburg; Vorderseite mit kreuzförmigem Obermuster und ovalen fensterartigen Eintiefungen, in denen jeweils
ein Vierfüßler hockt; Rückseite mit Wellenranke; der gekerbte Knopf ist wie bei den mediterran-angelsächsischen Pflanzen der Jahrzehnte um 800 (Abb. 13 – 15) als Granatapfel bzw. als Pinienzapfen ausgebildet. – 10, 11: Buchbeschläge? aus Schleswig und Karlburg.
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Als besonders markante Beispiele für die angelsächsische inhabited vine scroll wird immer wieder eine Gruppe von sehr naturalistischen Darstellungen erfahren (Abb. 12 – 16), die ihre Abkunft von italischen Arbeiten deutlich zeigen, jedoch nach jüngerer Auffassung weitgehend zeitgleich mit den Werken des „Tassilokelch-Stiles“ sind, nämlich aus der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts bis um 800. Dazu gehört das monumentale so genannte „Rupertuskreuz“ aus der Pfarrkirche von Bischofshofen 15 (Abb. 16), das wohl unter dem irischstämmigen Bischof Virgil (749 – 784) in den Salzburger Raum gelangte, eventuell erst hier von angelsächsischen (Northumbria / Mercia) Goldschmieden geschaffen wurde, wie Leslie Webster in Erwägung zog.16 Ohne die typisch irische Kreuzform mit den Schaufelenden der Arme und die Glaseinsätze mit Spiralmotiven könnte man das Rupertuskreuz motivisch und stilistisch auch gut in die (ober)italische Kunsttradition mit ihren naturnahen Weinranken und der geometrischen, wenn auch weniger engzeiligen (da auf Steindenkmälern) Flechtbandornamentik stellen. Eng verwandt mit dem Rupertuskreuz ist die silberne „Ormside bowl“ (Cumbria), eine liturgische Pyxis mit ebenfalls in RepousséTechnik gearbeiteten naturalistischen Tier-Weinranken (Abb. 13).17 In denselben stilhistorischen und ikonographischen Kontext ist noch das Gandersheimer Walrosszahn-Kästchen aus den Jahrzehnten um 800 zu stellen, das wohl im Umkreis von Peterborough gefertigt wurde (Abb. 14),18 sowie das Easby Cross aus Yorkshire, das heute in die Spätzeit Alcuins um 800 gesetzt wird (Abb. 15).19 Eine stilistische Verwandtschaft mit den zeitgleichen, bisweilen eher kantigen und stärker stilisierten Tier-Pflanzen-Darstellungen des Tassilokelch-Stils ist kaum gegeben. Es stellt sich zudem die Frage nach der genaueren Datierung innerhalb des 8. Jahrhunderts auch der anderen northumbrischen Steinmetzarbeiten im mediterranen Stil: Wieweit ist die große Mehrheit der angelsächsischen vine scroll-Werke in verschiedenen Materialien nicht doch mehr oder weniger zeitgleich mit dem so genannten „Tassilokelch-Stil“? Ikonographisch ist die von Tieren belebte Wein-(oder Efeu-)ranke (inhabited vine scroll) seit alters gleichbedeutend mit dem Baum des Lebens (arbor vitae) 20 und somit Sinnbild paradiesischer Vegetation und ewigen Lebens. Beim Altar- und Vortragekreuz von Bischofshofen sollte das Kreuz selbst als Lebensbaum bezeichnet werden, wie es in zeitgenössischen Texten formuliert wurde. Beim raffiniertkomplex komponierten Gandersheimer Kästchen, vermutlich einem Chrismale, ist darüber hinaus in der Zusammenschau Elberns die Thematik von Lebensbaum und Lebensbrunnen als Symbole von Schöpfung und Neuschöpfung kunstvoll variiert. Nicht nur beim Tassilokelch, sondern bei nahezu allen größeren Kunstwerken und zahlreichen Miniaturobjekten mit „Tassilokelch-Stil“ wie Riemenzungen sind in der Regel Tiere u n d Pflanzen dargestellt, oft erkennbar Weinranken, gelegentlich voneinander getrennt wie beim Tassilokelch oder auf mehreren Riemenenden (Abb. 1, 5, 9, 17 – 22); oft durchschlingen sie einander oder gehen sogar ineinander über wie auf dem Älteren Lindauer Buchdeckel oder den Pyxiden von Fejø und Pettstadt (Abb. 5, 10, 17 – 21).21 Sehr oft auch, insbesondere auf den kleinsten Bildträgern wie den Riemenbeschlägen, erinnern nur noch vegetabile
Abb. 12 – 16: „Inhabited vine scroll“ mediterranen Typs auf angelsächsischen Werken des 8. Jh. (12) und des späten 8. Jh. bis um 800 (13-16). – 12: Motive nach Haseloff 1976/77. – 13: Silberpyxis aus Ormside, Cumbria („Ormside bowl“). – 14: Gandersheimer Kästchen. – 15: Easby Cross, Yorkshire. – 16: „Rupertuskreuz“, Bischofshofen.
Ein verlorenes Blechfragment vom Kreuz, das bei Ausgrabungen 1998/99 in der Pfarrkirche von Bischofshofen entdeckt wurde, belegt den ursprünglichen Standort des monumentalen Altarkreuzes (frdl. Hinweis Prof. Dr. Martina Pippal, Universität Wien). 16 V. Bierbrauer 1978; V. Bierbrauer 1985 (1978 noch mit Datierung in die Jahrzehnte um 700, 1985 eine Datierung ins letzte Drittel des 8. Jhs. nicht ausschließend, wenn auch nicht präferierend); Webster, in: Katalog London 1991, Kat. Nr. 133; Fillitz / Pippal 1987, Kat. Nr. 1. 17 Webster, in: Katalog London 1991, Kat. Nr. 134; Wamers, in: Katalog Paderborn 1999, Bd. II, 455 f., Kat. Nr. VII. 18. – Diese aus einem Wikingergrab, wo sie sekundär wohl als Trinkgefäß fungierte, stammende Schale ist ansonsten morphologisch und stilistisch singulär auf der Insel. 18 Vgl. die Beiträge im Braunschweiger Kolloquiumsband von 1999: Marth (Hg.) 2000. 19 Lang 2001, 98 ff. 20 Bauerreiss 1938. 21 Die von V. Bierbrauer (2001, 120 f., 129) angeführten Zweifel sind auch angesichts der hier vorgestellten Beispiele unverständlich. 15
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Abb. 17 – 21: Beispiele von Tier- und Pflanzenmotiven im „insularen Tierstil kontinentaler Prägung“ und angelsächsische Parallele (22). – 17: Pyxis von Pettstadt, Bodendekor. – 18: Riemenzunge aus der Aula der Pfalz Ingelheim, Vorder- und Rückseite. – 19: Riemenzunge aus der Waal bei Rossum (Niederlande). – 20: Riemenzunge von Gornji Vrbljani (Dalmatien), Vorderseite und Rückseite. – 21: Tassilokelch. – 22: Reliquiarbeschlag von Lilleby (Norwegen).
Elbern 1989; Elbern 1997 a; Elbern 1999 a. Elbern 1999 b. 24 Vgl. Wamers 2008, 38 ff. mit Abb. 7 a-b. 25 Vgl. etwa mit weiteren Hinweisen: Wamers 1991, 117 ff.; Wamers 2005, 86 ff. 22
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Details wie vereinzelte Ranken oder Blätter oder blattförmige Körperendigungen an das pflanzliche Element dieser Motivik. Aus der Kombination von Tier-Pflanzenornamenten, die aus der insularen Motivik des mit Tieren belebten Weinstocks entwickelt wurde, ergibt sich jedoch die zentrale Schlussfolgerung, dass – zunächst auf den bedeutenden Schlüsselwerken wie dem Tassilokelch, dem Älteren Lindauer Buchdeckel, der Engerer Burse und den Pyxiden, alles kirchlich-liturgisches Gerät – der so genannte Tassilokelch-Stil ein primär christlicher Kunststil ist mit christlicher Bedeutung. Die Schatzkunst des Tassilokelches und verwandter Denkmäler Ein „ganzheitlicher“ Blick auf diese Hauptwerke der Schatzkunst der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts offenbart uns aber auch, dass die Bereiche mit dem so genannten „insularen Tierstil kontinentaler Prägung“, anders als bei den kleinen Ornamentträgern wie Riemenbeschlägen, nur einen Teil des Gesamtdekors einnehmen, im Grunde nur eine untergeordnete Stellung als Dekor für bestimmte Zierfelder, welche nicht die eigentliche Verzierung der Gegenstände ausmachen. Elbern formulierte treffend, dass bei ihnen der „insulare Tierstil“ nur in „dienender Funktion“ stehe.22 Bei der künstlerischtechnischen Komplexität des Tassilokelches stellt er nur eins von vielen polykünstlerischen und heterogenen Stilelementen dar. So wurzelt der Tassilokelch selbst nach Morphologie und Figurenschmuck in italisch-mediterraner Tradition. Beim Älteren Lindauer Buchdeckel flankieren zellencloisonnierte Vögel, Vierfüßler und Fische insularen Typs das große dominante Krückenkreuz mit zentralen Halbfiguren Christi (Abb. 23 – 24). Abgesenkt als Hintergrund für das Kreuz fungieren die vier kerbgeschnittenen Zwickelfelder mit einem dichten Gewimmel verschiedener Tierarten und vegetabiler Geschlinge. Die Tiere und die Pflanzen spielen auf die in Genesis 1, 20 – 25 genannten drei Tiergattungen (tria genera animantium) und auf das „Gras, Kraut und die fruchttragenden Bäume“ der Schöpfung (Genesis 1, 9 – 12) an; die Bildaussage dieses für ein Evangelistar vorgesehenen Prachteinbandes ist die recapitulatio mundi, die Neuschöpfung der Welt unter dem Zeichen des Kreuzes (Christi Kreuzestod) – ein Hauptthema der Theologie des frühen Mittelalters.23 In ganz ähnlicher Weise ist das Bursenreliquiar von Enger mit einer zentralen Kreuzkomposition dekoriert, umgeben von den drei Tiergattungen und von stilisierten Pflanzen, der Vegetation der Schöpfung, wiederum in farbigem Email.24 Beim Becher aus Fejø ist das Hauptmotiv ein zweigeschossiger Arkadenbau mit zwölf Toren, in denen Pflanzen, Lamm, Taube stehen – eine Darstellung des „Neuen Jerusalems“ aus der Offenbarung des Johannes, wobei die „paradiesische“ Tier-Pflanzen-Kerbschnittornamentik den Gebäudekörper überzieht (Abb. 25 – 26). Ähnlich ist auch die viersäulige Architektur auf dem Pettstädter Becher als Grab Christi oder als Lebensbrunnen zu deuten. Beide „Becher“ besaßen ursprünglich einen Deckel und fungierten als Pyxiden, vermutlich für die Brotspezies.25 Ein weiteres multistilistisches sakrales Werk aus dem Alpenraum bildet das Bursenreliquiar von Chur, das – neben sparsamen Steineinlagen
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Abb. 23 – 24: Älterer Lindauer Buchdeckel, Ende 8. Jahrhundert, und Umzeichnung der Zellenschmelzfelder mit den drei Tiergattungen am Rand.
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25 Abb. 25 – 26: Hostienpyxis von Fejø, Dänemark, letztes Drittel 8. Jahrhundert, mit Umzeichnung der Arkadenarchitektur.
26 Zuletzt: Katalog Paderborn / Würzburg 2008, Kat. Nr. 64. 4 mit guten Farbabb. 27 Dazu zuletzt: Wamers 2013 (im Druck). 28 Wamers 1999, 207 ff. 29 Helmbrecht 2008. Die von Helmbrecht mehrfach vorgelegte Deutung der Marquartsteiner Beschläge als Produkte oder zumindest Zeugnisse skandinavischer Kunst („nordischer Greiftierstil“) ist angesichts des eindeutig karolingischen Charakters der Beschlagtypen abwegig. Vielmehr bestätigt dieser Fund die vor Jahren geäußerte Vermutung (Wamers 1999), dass nicht nur der frühwikingerzeitliche südskandinavisch-gotländische „Vendelstil E/F“, sondern auch der mit ihm symbiotisch auftretende früheste Greiftierstil ohne die Anregung aus dem Kunstkreis des alpin-kontinentalen aristokratischen Tassilokelch-Stils nicht denkbar sind. Auch die Flechtband-gesäumten pilzförmigen gotländischen Portalsteine mit bunten, weitgehend ungelesenen Bildszenen des späten 8. und frühen 9. Jahrhunderts haben ein frappantes Vorbild in den pilzförmigen Altarnischen des Kirchleins von Mals im alpenländischen Vinschgau aus dem späten 8. Jahrhundert (Vortrag von A. Pesch auf dem Sachsensymposion 2008 in Frankfurt am Main; Pesch 2012, 669).
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auf der Frontseite – hauptsächlich mit Goldblechen überzogen ist, in welche verschiedenste Motive eingepresst sind: Flechtbänder, weltbildliche Muster aus schlangenartigen Tieren, naturnahe Tiere am Lebensbaum sowie insulare Tierpaare, die ein Kreuz beziehungsweise eine Triquetra flankieren.26 Stichwortartig lassen sich folgende Stil- und Motivmerkmale für die Schatzkunst aus dem Umkreis des Tassilokelches aufführen: Mediterran-insulares Tier-Pflanzen-Ornament in Kerbschnitttechnik, das mit glatten Flächen kontrastiert, in welche feinlinige Niello-Zeichnungen eingebracht sind; italisch-langobardischer Figurenstil; Flechtbandornamentik; Rautenmuster; Kreisschlagornamente, InschriftenVerwendung und ein illusionistischer „Fensterstil“; Polychromie. An Goldschmiedetechniken fanden unter anderem Feuervergoldung, Nielloinkrustation, Zellen- und Senkschmelz von transluzidem Kolorismus sowie solitäre, gereihte oder kumulierte Steineinlagen Anwendung, gelegentlich auch kleine runde mugelige Glaseinlagen für die Markierung von Augen oder von Linien-Kreuzungen. Daneben findet man weitere motivische und stilistische Elemente, die vermutlich erst in seiner Spätphase gegen Ende des 8. Jahrhunderts das bunte Ensemble dieser Kunst noch erweiterten: eine Rankenornamentik, die als „westliche Stäbchenranke“ auf entsprechende byzantinische Ranken zurückgeht,27 sowie Tendenzen einer Plastifizierung der insularen Tiere. Solche zeigen sich in Durchbruchstechnik am Älteren Lindauer Buchdeckel, auf dem First der Engerer Burse, an Schwertknäufen und an einigen verstreuten Riemenbeschlägen 28 und können jetzt durch weitere süddeutsche Neufunde aus Marquartstein im Landkreis Traunstein, keine 50 km westlich von Salzburg, bestätigt werden (Abb. 27).29 Angesichts der künstlerischen Komplexität des Tassilokelches und der anderen hier genannten Hauptkunstwerke kann man diese Schatzkunst nicht auf die Tiergeschlinge insularer Provenienz reduzieren, noch sollte man diesen „insularen Tierstil“ aus seinem künstlerischen
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und motivischen Umfeld und Kontext isolieren und als solitäre Erscheinung betrachten. Auch die Müstairer Steinskulptur belegt das ganz eindeutig: Neben den insularen Flechtbandtieren stehen mediterrane Rolltiere und Greifen – das Ganze eingebunden in eine Gesamtanlage mit antiken Wellenbändern und naturalistischen Vierbeinern mediterranen Typs in geflochtenen Medaillons, Rosetten, dazu Kreuze, Flechtbänder und anderes mehr: Dies ist ein polystilistisches Motivensemble an ein und demselben monumentalen Kunstwerk, den Chorschranken für die Klosterkirche St. Johann (Abb. 28).30 Nur die „insularen“ Tiergeschlinge isoliert zu betrachten, verbietet sich aus methodischen Gründen. Es stellt sich hier vielmehr die Frage: wieweit wurden diese Tiergeschlinge Ende des 8. Jahrhunderts von den Müstairer Künstlern überhaupt noch als „insular“ wahrgenommen, mit anderen Worten: hat man mit ihnen irgendeine insulare „Botschaft“, zumindest eine insulare „Mode“ bewusst ausdrücken wollen, etwa um auf das geistige Erbe des insularen Kulturraums hinzuweisen?
Abb. 27: Schwertgurtbeschläge von Marquartstein, Ldkr. Traunstein, mit flächigem und plastischem Tassilokelch-Stil („Greiftierstil“). Ende 8. Jh. / um 800.
Es ist deshalb sinnvoll, den Begriff „Tassilokelch-Stil“ von seiner ausschließlich auf die Tierornamente reduzierten Bedeutung zu entkleiden und auf die Gesamtheit der pluri-stilistischen künstlerischen Phänomene auszuweiten, die Elbern als „insulare Kunstprovinz“ bezeichnet und die neben den charakteristischen Tier- und Pflanzenmotiven auch die anderen Stilelemente dieser Schatzkunst der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts einschließt, wobei andere Kunstformen wie Steinmetzarbeiten technisch natürlich weniger differenziert auftreten. Doch es ist bemerkenswert, dass neben den Zeugnissen aus der Buchmalerei und der monumentalen Steinmetzkunst und Wandmalerei 31 auch die Schatzkunst in ihrer besten Qualität (Lindau und in Kremsmünster) schwerpunktmäßig im nördlichen Alpenraum beheimatet sind; auch die Engerer Burse kann nur aus dieser Region stammen. Eine Entstehung dieser Zimelien ist in einem fränkischen Zentrum am Rhein oder in Westfalen kaum denkbar. Für die Datierung des Tassilokelch-Stils geben der namengebende Kelch (768/69 – 788, wahrscheinlich 777) und die ChorschrankenFragmente von Müstair in Graubünden (ca. 775 – 788) klare Daten vor, die die zweite Hälfte des 8. Jahrhunderts markieren, wenn nicht nur das letzte Drittel. „Frühformen“ aus der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts 32 haben sich bislang nicht nachweisen lassen; auch gibt es keinen Hinweis darauf, dass der „insulare Tierstil“ der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts sich organisch aus dem späten „germanischen Tierstil II“ entwickelt habe, wie öfters vermutet wurde.33
30 Roth-Rubi 2010; vgl. den Beitrag von RothRubi mit der neuen Rekonstruktion in diesem Band. – Für die Vorlage zu Abb. 28 danke ich Frau Roth-Rubi herzlich. 31 Vgl. Elbern 1999 a. 32 Vgl. hierzu die Überlegungen von Haseloff 1984, 121; V. Bierbrauer 1988, 333; V. Bierbrauer 2000; V. Bierbrauer 2001, 98, 121 ff.; Schulze-Dörrlamm 1998, 132 ff. 33 So etwa V. Bierbrauer 2001, 116 ff.
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Abb. 28: Chorschrankenfragmente vom Kloster St. Johann in Müstair. Rekonstruktion der „Greifenschranke“ mit „insularen“ Tiergeschlingen und Wellenranken-Rolltieren, nach Roth-Rubi (vgl. ihren Beitrag in diesem Band).
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Vgl. mit ält. Lit. Wamers 2011, 66 ff.; Wamers 1994 a, 35; Thomas 2012, 496 ff. 34
Die Schatzkunst des Tassilokelch-Stilkreises zwischen Tassilo III. und Karl dem Großen Während die meisten hochrangigen sakralen Werke des TassilokelchStils im süddeutschen oder alpinen Raum verbreitet sind, findet sich die große Zahl von über einhundertzwanzig Bestandteilen des Reitund Waffenzeugs einschließlich Schwertern sowie Schmuck und anderes in weiter Streuung im gesamten Ostteil des fränkischen Machtbereiches (Abb. 29): von Friesland und Sachsen an der Nordsee bis zur Grenze an der Unterelbe, über Westfalen und Nordhessen, in einer dichten Zone vom Mittelrhein bis nach Unterfranken und in lockerer Streuung bis in den oberen Donauraum. Der westslawische Raum ist vereinzelt berührt, ebenso wie sporadisch Ostfrankreich und Burgund. Funde in England, Irland und in Skandinavien stammen aus wikingerzeitlichen Kontexten und tragen zumeist Spuren von Zweitverwendung 34 (was auch im Paderborner Raum und an der Unterelbe zu beobachten ist) – sie indizieren nur allgemeinen kontinentalen Einfluss. Die Fundzunahme der letzten Jahre verspricht eine weitere Verdichtung – auch in bislang noch fundarmen Räumen. Die Masse der kleinteiligen Bestandteile der karolingischen Reit- und Waffenzier mit „Tassilokelch-Stil“ ist also in Gebieten vertreten, in denen fränkische Macht präsent war und fränkische Truppen operierten. Erstaunlich dicht und prägnant ist das Vorkommen im Untermain-Mittelrhein-Gebiet, im linksrheinischen und Rheinmündungsgebiet, im nordhessisch-südwestfälischen Raum sowie an unterer Elbe und Weser; zumindest die beiden letztgenannten Räume spiegeln die karlischen Eroberungen Sachsens, die umgehend missioniert wurden. Auch Mittel- und Oberitalien, Kroatien und das pannonisch-awarische Gebiet waren militärische Aktionsräume Karls des Großen, obwohl letzteres auch die militärischen Unternehmungen Tassilos spiegeln könnte. Das Verbreitungsbild ist jedoch stark von archäologischen Aktivitäten abhängig, und das Fundbild könnte sich in den nächsten Jahrzehnten deutlich verändern.
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Es liegt also nahe, den Tassilokelch-Stil, mit dem die durchweg vergoldeten und sorgsam verzierten Riemenbeschläge und Schmuckstücke bebildert waren, als den Kunststil der karolingisch-fränkischen Oberschicht zu betrachten: in aller Regel des militärischen, aber auch des geistlichen Adels, wie die mit liturgischer Formel versehene Riemenzunge von Gornji Vrbljani im heutigen Bosnien zeigt (Abb. 20), die vermutlich zu einem geistlichen Gewand gehörte.35 Auf der einen Seite dieses Beschlags steht zwischen Tieren und Pflanzen im „insularen Tierstil kontinentaler Prägung“ in rechteckigen und kreuzförmigen Silberflächen einnielliert die verkürzte liturgische Formel vom Beginn der Eucharistie Sanctus, Sanctus, Sanctus, Dominus Deus Sabaoth, und auf der anderen Seite, wiederum zwischen Tieren und Pflanzen, die lateinische Fertiger-Inschrift TETGIS FABER ME FECIT sowie ein Kreuz. Sollte der hier unternommene Versuch, diese Militaria / Liturgica mit der karolingischen Oberschicht in Zusammenhang zu bringen, zutreffen, läge der Zeitraum, in dem die überwiegende Zahl dieser Objekte in den Boden gelangte, aus historischen Gründen eher im ausgehenden als im mittleren 8. Jahrhundert. Die Massierung etwa der Funde aus Balhorn bei Paderborn sowie an unterer Elbe und Weser ist nur mit der Eroberung Sachsens und der fränkischen Machtsicherung Ende des 8. Jahrhunderts erklärbar. Auch die fränkische Mission begann hier erst nach der Eroberung ab ca. 775. Ein unmittelbarer Zusammenhang des so genannten Tassilokelch-Stils („insularen Tierstils kontinentaler Prägung“) mit der Missionstätigkeit der Angelsachsen, der immer wieder behauptet wurde,36 kann aus räumlichen und chronologischen Gründen nicht konstatiert werden. Natürlich ist die Übernahme insularer Tierornamentik in die kontinentale Kunst nicht ohne den starken kulturellen Einfluss der seit Ende des 6. Jahrhunderts im Frankenreich und im Alpenraum aktiven Geistlichen aus Irland und England denkbar, wobei von der überaus wirkungsvollen irofränkischen Klosterbewegung (ca. 590 – 750) keinerlei Impulse für die Ausbildung des „insularen Tierstils kontinentaler Prägung“ bemerkbar sind.37 Ferner kann kein direkter Niederschlag der angelsächsischen Mission um Winfrid und Bonifatius (ca. 690 – 750) auf die Verzierung der Riemenbeschläge, Schmucksachen und Liturgica verifiziert werden, denn damit sind sie weder zeitlich und räumlich in Einklang zu bringen. Es gilt zudem zu bedenken, dass diese Militaria der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts formenkundlich in spätmerowingischer Tradition stehen; lediglich ihre Verzierung ist neu. Auch gibt es keine direkten Verbindungen zu den – im Grunde spärlichen – Zierelementen in der insular beeinflussten Buchmalerei des Kontinents.38 Hier zeigt sich insularer Einfluss schon zu Beginn des 8. Jahrhunderts in der Buchkunst des von Willibrord gegründeten Klosters Echternach, wobei „insulare und kontinentale Zierformen zunächst nebeneinander stehen, dann miteinander kombiniert werden“. Deutlicher ist dieser Einfluss im letzten Viertel des 8. und zu Beginn des 9. Jahrhunderts in der so genannten „deutsch-insularen Schriftprovinz, also im engeren Bonifatianischen Missionsgebiet“ festzustellen. Zudem: „in den südostdeutschen Schreibschulen des ausgehenden 8. Jahrhunderts spielen insulare Zierelemente nur an wenigen Orten“ (bei den insularen Schreibern Peregrinus in Freising und Cutbercht in Salzburg) „eine keineswegs hervortretende Rolle“. „Auch in den linksrheinischen Skriptorien der 2. Hälfte des 8. Jahrhunderts und der Zeit um 800 treten
So M. Brandt, in Wamers 2005, 93 f. – Es wäre zu prüfen, wieweit eine für Notker in der 2. Hälfte des 10. Jhs. überlieferte (Casus sancti Galli, cap. 135) initiationsmäßige Verleihung von „Waffenstücken und Kostbarkeiten zum Geschenk“ aus den Klosterwerkstätten von St. Gallen an die „kleinen Vasallen“ (= dem hier aufgezogenen männlichen Adel) „jeweils zur Zeit ihrer Mündigkeit und Entlassung“, seit Jahrzehnten / Jahrhunderten eingespielte Praxis war. Dann wäre die stark religiöse Signierung des karolingischen Waffenzeugs besonders verständlich. 36 Zuletzt V. Bierbrauer 2001, 126 f.; Schmauder 2005, 299 ff. 37 Zu den geringen irischen Stilzügen in den illuminierten Handschriften des 7. Jhs. vgl. K. Bierbrauer 1999. 38 Vgl. zuletzt mit weiterer Lit. K. Bierbrauer 1999; K. Bierbrauer 2001; wörtl. Zitate im Folgenden: dies. 2001, 86. 35
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29 Abb. 29: Verbreitung der Objekte des „Tassilokelch-Stilkreises“ ohne Handschriften.
insular geprägte Formen in verschiedenen Codices auf, ... aber ... weniger hervortretend“. Also: auch in der Buchmalerei ist nennenswerter insularer Einfluss, insbesondere bezogen auf Tierdarstellungen, gleichzeitig mit dem Auftreten des „Tassilokelch-Stils“ zu konstatieren und keineswegs als direkte Begleiterscheinung der Bonifatianischen Mission. Bei den wenigen hier beobachtbaren insularen Tierdarstellungen in der
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Initialkunst handelt es sich aber um keine direkten Vorläufer der Tiere des Tassilokelches. Allerdings ist immer wieder eine Parallelität oder gar Vermischung von merowingisch-mediterranen (vorwiegend Weinstöcke und Wasservögel) und insularen (Vierfüßler und andere Tiere) Motiven und Stilvarianten zu beobachten, sowohl auf den Inseln wie in den insular beeinflussten Schulen auf dem Kontinent, wie es ja auch für den „insularen Tierstil kontinentaler Prägung“ so charakteristisch ist. Wenngleich es als sicher gelten kann, dass die sakralen Hauptwerke mit „insularem Tierstil kontinentaler Prägung“ in Kloster- oder Residenz-Goldschmiedeateliers des Alpenraums gefertigt wurden (wie in St. Gallen, Mondsee, Kremsmünster, Salzburg, Chur), belegen Halbfabrikate einfacher Militaria aus den Königshöfen / Pfalzen von Karlburg bei Würzburg und Paderborn oder am Handelsort Dorestad, dass solche Stücke praktisch an allen größeren Plätzen im Karolingerreich hergestellt wurden. Dass diese Bild-Programmatik direkt auch in der Missionspolitik Karls zum Tragen kam, erhellt die Pyxis von Pettstadt, die nach der überzeugenden Deutung Ludwig Wamsers zum liturgischen Gerät der kurz vor 800 von Karl gegründeten „Slawenkirchen“ zwischen Main und Regnitz gehörte, mit dem dieser sie ausstattete. Diese 14 Slawenkirchen lagen unmittelbar nördlich des heutigen Pettstadt (Abb. 29).39 Zudem gibt es qualitätvolle Militaria mit Tassilokelch-Stil-Verzierung von den Pfalzen Ingelheim (Abb. 18) (wo 788 Tassilo schmachvoll abgesetzt wurde!) und Paderborn sowie vom Königshof Karlburg bei Würzburg (der den Namen Karls trug). Und solche hochwertigen Riemenzungen oder Sporen wie der aus dem Hambacher Forst (Abb. 7) spiegeln durchaus die motivische und stilistische Vielfalt, wie wir sie von den Werken der Schatzkunst kennen: Neben den Tieren finden sich Pflanzen, Kreuze, Schrift, Silberflächen, Fenstertechnik, Steineinlagen und anderes mehr. Ganz offensichtlich konnte sich die fränkischkarolingische Kriegerelite auch über ihr Reit- und Waffenzeug mit der heilsgeschichtlichen Symbolik dieses Zierstils identifizieren. Doch wie verträgt sich diese Deutung mit der Stellung der sakralen Hauptwerke dieser Schatzkunst und auch der Steinmetzkunst, die im alpinen Raum wurzelt, und warum fand diese Programmatik und Stilrichtung auch auf dem „agilolfisch-langobardischen Staatsdenkmal“ des Baiernherzogs Tassilo intensivste Anwendung? Die Forschung (Haseloff, V. Bierbrauer, vor allem Elbern) hat mehrheitlich die hochrangigen kirchlichen Objekte der „insularen Kunstprovinz in Salzburg“ der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts mit dem Wirken des einflussreichen und prägenden Iren Virgil und seines Umkreises in Verbindung gebracht, der seit 745/746 Abt des Klosters St. Peter und von 749 – 784 Erzbischof von Salzburg war. Hochgebildet und überaus engagiert in der bairischen Kirchen-, Missions- und „Kulturpolitik“, beteiligt an der Erziehung Tassilos, mit dem er bis zu seinem Tod 784 sehr gut kooperiert zu haben scheint, stand er 777 auch als erster auf der Zeugenliste der Dotationsurkunde für Kremsmünster, der das königliche Herzogspaar wohl auch den Kelch (zusammen mit einer verlorenen Patene?) zugesellte; wer, wenn nicht Virgil, der schon seinen 774 geweihten gewaltigen Dom, die ecclesia mire magnitudinis, nach langobardischem Vorbild gestaltete, hätte das „multikulturelle“ Bildprogramm für dieses bairische Staatsdenkmal entworfen haben können? 40
Wamers / Wamser 1992. Zur Frage der „Slawenkirchen“ vgl. jetzt: Andraschke 2007, 301 ff. mit Abb. 3. – Die von Katja Žvanut (2002, 281 ff.), in der Folge ähnlicher, allerdings auf Salins Stil I und II bezogener Ideen von Karen Høilund Nielsen und Lotte Hedeager, vorgeschlagene „neue Deutung“ des Tassilokelch-Stils, dass die „germanischen Stämme“ östlich des Rheins mit diesem Stil ihre - alttradierte - „politische und kulturelle Identität in Opposition zum fränkischen Teil Europas“ und einen „germanischen Ursprungsmythos“ ausdrücken wollten, findet keinerlei Stütze im ikonographischen, formenkundlichen und archäologischen Befund der Objekte dieser Stilgruppe und ist abwegig. 40 Zu Virgil vgl. Wolfram 1985 und Freund 2004, 89 ff., jeweils mit weiterer Lit. 39
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Nach Elbern war Tassilo Auftraggeber nicht nur des Kelches, sondern auch des Älteren Lindauer Buchdeckels und des Kirchleins St. Prokulus in Naturns. Auch das so genannte „Rupertus-Kreuz“ aus der Pfarrkirche von Bischofshofen (vgl. Anm. 15) hat man mit dem Wirken Virgils in Zusammenhang bringen wollen.41 Ferner dürfte noch in seiner Amtszeit der Tassilo zugeschriebene Psalter von Montpellier (Abb. 3, 30) im noch jungen Salzburger Skriptorium entstanden sein (vgl. unten). Weitere insular beeinflusste Handschriften werden erst der Amtszeit seines Nachfolgers Arn (784 – 821) zugeschrieben, als hier in den letzten beiden Jahrzehnten des 8. Jahrhunderts der aus Northumbrien stammende Angelsachse Cutbercht tätig war; im Cutbercht-Codex stehen neben insularen Flechtband-Tieren solche mediterraner Tradition. 42 Die Zone des nördlichen Alpenraumes von Tirol bis Oberösterreich sowie Altbaiern bis Regensburg bildete das geistige und kulturelle Zentrum Tassilos III. für seine bairische Herrschaft. „Das tassilonische Baiern“, schrieb Johannes Fried, „war ein blühendes Land, eine aufstrebende Macht. Die geistige Kultur entfaltete sich hier mit einer Intensität wie selbst zur Römerzeit nicht. Sein Herr, ‚der starke Herzog Tassilo‘, ... Agilolfinger von Vater- und Karolinger von Mutterseite, tatkräftig und begabt, war seinem jüngeren Vetter Karl in jeder Hinsicht ebenbürtig“ 43 – man muss einschränkend sagen: nur nicht in der Skrupellosigkeit der Machtausübung. Die seit Generationen bestehenden dynastischen und kulturellen Verbindungen mit dem Langobardenreich festigte er durch die Heirat mit einer Tochter des Langobardenkönigs Desiderus – ebenso wie, zumindest kurzfristig, sein Vetter Karl. Als Taufpate Papst Hadrians I., und damit unter dessen geistlicher Patronage stehend, fußten auch seine Beziehungen zu Rom und dem Papsttum auf einer festen Grundlage. Erst durch die konsequente und rücksichtslose Machtpolitik Karls, beginnend mit der Eroberung des Langobardenreiches 773/74, der Gewinnung Papst Hadrians 781 bis zur militärischen Unterwerfung Tassilos 787 sowie seiner ränkevollen Absetzung und „Vermönchung“ 788 in Ingelheim, der eine systematische damnatio memoriae folgte, wurden Haus und Herrschaft Tassilos beendet.
Elbern 1997a; Elbern 2001; Fillitz / Pippal 1987, Nr. 1. 42 Wien, Österr. Nationalbibl. Cod. 1224: K. Bierbrauer 1999, 474 ff.; K. Bierbrauer 2001, 76 ff. 43 Fried 1994, 114 f. – Zu Tassilos Regentschaft und Politik zuletzt mit ausführlicher Lit. Freund 2004, 83-143. – Zum Sturz Tassilos vgl. jetzt auch Becher 2005. 41
Die Schatzkunst des Tassilokelch-Kreises, in dem Herzog Tassilo und seine Gemahlin königlich-langobardischen Geblüts den namengebenden Abendmahlskelch, den Älteren Lindauer Buchdeckel und vermutlich weitere hochrangige Kunstwerke schaffen ließen, gründet mit ihren zahlreichen Wurzeln im langobardisch-oberitalischen, byzantinisch-mediterranen und in geringem Maße im süddeutschinsularen Kunstkreis mit seinem „kontinentalen Tierstil insularer Prägung“. In dieser internationalen Kultur war diese Schatzkunst zu Hause, getragen von mobilen Geistlichen, deren spiritueller Horizont nicht ethnisch oder territorial begrenzt war. Ob man ihn eher den künstlerischen Traditionen bestimmter Ateliers zwischen Mailand, Ravenna, Salzburg, Mondsee, Kremsmünster, St. Gallen und Regensburg zuschreiben sollte, oder ob man Persönlichkeiten wie Virgil und sein Umfeld gebildeter Geistlicher (etwa Dobdagrecus, Cutbercht) namhaft machen könnte, ist wohl noch nicht beantwortet. Zu wenig wissen wir von der Organisation und Beschaffenheit der weltlichen und geistlichen Hofschulen und -werkstätten. So komplexe und wohldurchdachte Staatsdenkmäler wie der Tassilokelch oder der Ältere Lindauer Buchdeckel sind indes ohne einen
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programmatischen Kopf, wie wir ihm etwa in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts mit Eligius am Hofe Chlothars II. und Dagoberts I. in Paris oder um 800 mit Einhard an Karls des Großen Hofwerkstätten in Aachen begegnen, nicht denkbar. Wo jedoch entstand die charakteristische „Tierornamentik insularer Prägung“, die in der Schatz- und Sakralkunst des Alpenraumes und bei den nicht lokalisierten sonstigen liturgischen Geräten keine zentrale, sondern nur eine „dienende“ (Elbern) Rolle spielte, dominanter hingegen auf den kleinformatigen Bestandteilen des Reit- und Waffenzubehörs auftrat – angesichts der starken rheinländisch-sächsischen Verbreitung (Abb. 29)? Die so häufigen vegetabilen Rudimente, zu denen Kreuze, Inschriften, „Fenstertechnik“ und anderes treten, lassen nur den Schluss zu, dass die Motive auf diesem kleinteiligen Massenmaterial des kriegerischen und klerikalen Adels verkürzte Varianten dieser hochrangigen Sakralund Schatzkunst darstellen und auf diese zurückgehen – sie sind geradezu deren „Ableger“, „gesunkenes Kulturgut“. Eine Herausbildung des „Tassilokelch-Stils“ in einem rheinfränkischen Umfeld in der Mitte des 8. Jahrhunderts, wo bedeutende Denkmäler dieses Kunstkreises nicht erhalten sind, erscheint kaum vorstellbar. Wie, wann und wo fand die Rezeption dieser großen internationalen Schatzkunst der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts durch Karl den Großen statt? Bei seinem Ausgriff nach Süden nahm dieser neugierige und weltoffene Geist diese neue und gleichzeitig altverwurzelte spirituelle und hochkomplexe Kunst aus dem Süden auf; fortan wird sie – geradezu programmatisch – zur Ikonographie seiner Missionspolitik (etwa bei liturgischem Gerät für die Slawenkirchen) und seines Militärapparates.
30 Abb. 30: David-Darstellung im Psalter von Montpellier, f. 1 v.
Erst mit der Neuorientierung 44� zu einer „Renovatio imperii“, ausgerichtet am klassischen Formenschatz des augusteischen Kaisertums einschließlich ihrer Friedensverheißung, wie sie an der Ara pacis verbildlicht ist, wechselt Karl sein „Logo“. Seine Aachener Hofschule entwirft jetzt das neue Programm einer paradieses- und friedensverheißenden imperialen Kunst, sowohl für die Bronzegitter, den Bauschmuck und das liturgische Gerät, wie auch für die Ausstattung des adeligen Waffen- und Reiterschmucks. Einer der führenden Köpfe bei der Entwicklung dieses künstlerischen Programms, dieser neuen Reichsikonographie, war Einhard, der als Leiter der Hofwerkstätten unter anderem für die Ausfertigung „aller Regalien im königlichen Palast“ sowie der kirchlichen Einrichtungen zuständig war und wie der alttestamentliche Tempelbaumeister Beseleël „jegliches Werk ... in Gold, Silber und Kupfer ..., im Schnitt von Marmor, Edelsteinen und verschiedenen Hölzern ...“ zu schaffen in der Lage war. 45 Es ist bezeichnend, dass wir nun die Hauptwerke der Buch-, Bau- und Schatzkunst schwerpunktmäßig nicht mehr im Alpenraum antreffen, sondern im Herzen des Karlischen Reiches zwischen Rhein und Seine. Was bedeuten diese Überlegungen nun abschließend für die eingangs aufgeworfene Frage „Tassilo III. von Baiern oder Karl der Große?“? Der ikonographische, chronologische und archäologische Befund lässt keine ausschließliche Zuweisung des Phänomens „TassilokelchStil“, also der Schatzkunst der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts, an die Kontrahenten und Vettern Tassilo oder Karl, respektive Baiern oder Franken zu. Auch kann man keinen konkreten „realpolitischen“
Zu Karls neuer Friedenspolitik von 806 vgl. Fried 2008. 45 Elbern 1997 b, 156. 46 K. Bierbrauer, in: Katalog Paderborn 1999, Bd. 2, Kat. Nr. XI. 18. 44
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Hintergrund mit ihm verbinden. Sein Auftreten etwa auf dem Tassilokelch oder den Müstairer Steinmetzarbeiten kann keinen konkreten politischen Einfluss der einen oder anderen Seite belegen. Eine so breite Akzeptanz dieser Kunst an den Höfen Tassilos wie Karls des Großen, unabhängig von politischen oder gentilen Querelen, kann nur bedeuten, dass es sich um einen zutiefst sakralen Kunststil handelte, dessen Schöpfer, Träger und Vermittler Geistliche waren und dessen Werke in den Kloster- und Bischofswerkstätten geschaffen wurden. Die Unbekümmertheit, mit der Karl vor der Jahrhundertwende diese zunächst baiuwarisch-langobardisch-alpenländische Schatzkunst rezipierte und vereinnahmte, zeigt sich in brutaler Form auch am Psalter von Montpellier (Abb. 3, 30), der ja – wohl in Kloster Mondsee geschaffen – in engster Beziehung zum Tassilokelch steht. Aus diesem kleinformatigen Codex, der wohl aus Tassilos III. persönlichem Besitz stammte, wurden nach dessen Absetzung in Ingelheim 788 fünf Blätter, vermutlich mit Hinweisen auf die herzogliche Familie, entfernt und im Kloster Notre-Dame in Soissons durch fünf Blätter ersetzt, darunter mit den Laudes regiae, in denen die karolingische Familie genannt und gefeiert wird. 46 Tassilos bibliophiles Kleinod aus dem Kreis der „insularen Kunstprovinz um Salzburg“ wurde von allen tassilonischen Spuren „gesäubert“ und der karlischen Familie zugeschlagen – Raubkunst par excellence.
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Bakka, E. 1963: Some English Decorated Metal Objects Found in Norwegian Viking Graves. Contributions to the art history of the eighth century A. D. Årbok Univ. Bergen, Human. Ser. 1. (Bergen 1963). Bauerreiss, R. 1938: Arbor vitae (München 1938). Bauerreiss, R. 1958: Kirchengeschichte Bayerns. 1: Von den Anfängen bis zu den Ungarneinfällen (2. Aufl. St. Ottilien 1958). Becher, M. 2005: Zwischen Macht und Recht: Der Sturz Tassilos III. von Bayern 788. In: L. Kolmer, Chr. Rohr (Hg.), Tassilo III. von Bayern. Großmacht und Ohnmacht im 8. Jahrhundert (Regensburg 2005), 39–55. Bierbrauer, K. 1994: V / 1 Psalter von Montpellier. In: 794: Karl der Große in Frankfurt am Main. Ein König bei der Arbeit. Ausstellungskat. Frankfurt am Main (Sigmaringen 1994), 117–118. Bierbrauer, K. 1999: Der Einfluss insularer Handschriften auf die kontinentale Buchmalerei. In: Ch. Stiegemann / M. Wemhoff (Hg.), 799 – Kunst und Kultur der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn. Ausstellungskat. Paderborn (Mainz 1999), Beitragsbd., 465–481. Bierbrauer, K. 2001: Insulares in der kontinentalen Buchmalerei des 8. Jahrhunderts. In: M. Müller-Wille / L. O. Larsson (Hg.), Tiere, Menschen, Götter. Wikingerzeitliche Kunststile und ihre neuzeitliche Rezeption. Veröff. Joachim Jungius-Ges. Wiss. 90, Hamburg (Göttingen 2001), 63–87. Bierbrauer, V. 1978: Das „Rupertus“-Kreuz von Bischofshofen. Ein insulares Denkmal der northumbrischen Renaissance. Archäol. Korrbl. 8, 1978, 223–230. Bierbrauer, V. 1985: Das sogenannte Rupertuskreuz aus Bischofshofen. In: H. Dopsch / R. Juffinger (Hg.), Virgil von Salzburg, Missionar und Gelehrter (Salzburg 1985), 229–243.
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