Spätantike Glasherstellung am Niederrhein – Eine Glashütte am Burgus von Goch-Asperden. In: Jörg Drauschke, Roland Prien, Sebastian Ristow (Hrsg.), Untergang und Neuanfang. Studien zu Spätantike und Frühmittelalter 3 (Hamburg 2011) 163-189

July 23, 2017 | Author: Marion Brueggler | Category: Late Antique Archaeology, Glass (Archaeology), Ancient Glass, Roman Archaeology
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Schriftenreihe

Studien zu Spätantike und Frühmittelalter

Herausgegeben von

Orsolya Heinrich-Tamaska, Niklot Krohn und Sebastian Ristow

Band 3

ISSN 1867-5425

Verlag Dr. Kova

Untergang und Neuanfang Tagungsbeiträge der Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter 3. Siedlungsarchäologie (Mannheim, 13. – 14. Mai 2008) 4. Militaria und Verteidigungsanlagen (Detmold, 1. September 2009)

Herausgegeben von

Jörg Drauschke, Roland Prien und Sebastian Ristow

Verlag Dr. Kova Hamburg 2011

V E R L AG D R. K O V A  e . K . FACHVERLAG

FÜR WISSENSCHAFTLICHE

LITERATUR

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISSN:

1867-5425

ISBN:

978-3-8300-5029-2

© VERLAG DR. KOVA in Hamburg 2011 Umschlaggestaltung: Verlag Dr. Kova Umschlagzeichnung: Michael Kinski (nach der Vorlage der Schmuckscheibe von Limons) Redaktion: Hrsg.; Schlussredaktion und Satz: archaeoplanristow (M. Hundt/S. Ristow) Printed in Germany Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, fotomechanische Wiedergabe, Aufnahme in OnlineDienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträgern wie CD-ROM etc. nur nach schriftlicher Zustimmung des Verlages. Gedruckt auf holz-, chlor- und säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. Archivbeständig nach ANSI 3948 und ISO 9706.

Inhalt

Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I Klaus Wirth Ausgrabungen in Ilvesheim, Mahrgrund II (Rhein-Neckar-Kreis). Funde und Befunde des 4./5. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Uwe Gross Neufunde aus der Wüstung Botzheim bei Ladenburg, RheinNeckar-Kreis. Ein Beitrag zur frühmittelalterlichen Siedlungsgeschichte am unteren Neckar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 Antje Gillich Elsass und Breisgau von der Spätantike bis zum Frühmittelalter . . . . . . . . 37 Gertrud Kuhnle Straßburg in spätrömischer und frühmittelalterlicher Zeit. . . . . . . . . . . . . . 51 Petra Mayer-Reppert Zur Frage der spätantiken Siedlungskontinuität im unteren Neckarraum – Stand der Forschung und Methodendiskussion. . . . . . . . . . 55 Marko Kiessel Die Architektur des spätantiken Palastareals nordöstlich und östlich der spätantiken Aula in Trier. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 Stefan Eichert Zur frühmittelalterlichen Besiedlung des Ostalpenraums am Beispiel Kärntens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 Stefan Eismann Siedeln in römischen Ruinen – Formen und Motive im Wandel der Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Marion Brüggler Spätantike Glasherstellung am Niederrhein – Eine Glashütte am Burgus von Goch-Asperden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 Sebastian Ristow Frühmittelalterliche Nutzung über römischen Resten im westlichen Suburbium des römischen Köln – Ausgrabungen unter und in der Umgebung der Kirche St. Pantaleon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191

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Antonia Maria Glauben, Martin Grünewald und Lutz Grunwald Mayen zwischen Spätantike und frühem Mittelalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 Sebastian Gairhos Von Säumern, Lavezdrehern und Kirchenburgen – Siedlungen der Spätantike und des frühen Mittelalters im Alpenrheintal . . . . . . . . . . 213 Sunhild Kleingärtner Siedlungsarchäologische Untersuchungen zwischen Schwentine und Oder in frühgeschichtlicher Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Markus C. Blaich Werla – Pfalz und königlicher Fronhof des 10.–12. Jahrhunderts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 Georg Breitner Wohnen im spätantiken Trier: Eine Standortbestimmung. . . . . . . . . . . . . . 273 Dieter Bischop Römische Militaria aus dem Bremer Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 Annette Paetz gen. Schieck Über das Bildnis eines römischen Offiziers aus Ägypten und pfeilförmige Clavi als militärische Rangabzeichen im 3. Jahrhundert n. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Stefanie Hoss Zwei außergewöhnliche Funde von der Insula Batavorum. . . . . . . . . . . . . 335 Steve Bödecker und Sebastian Ristow Spätantike Bronzenadeln der Zeit um 400 aus dem Rheinland und Westfalen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Alfred Schäfer Der Nordwestturm des römischen Kastells Divitia und der preußische ‚Schinkenkessel’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 Georg Eggenstein Elemente frühmittelalterlicher Schwertbewaffnung aus dem zentralen Ort Balhorn bei Paderborn. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Annette Frey Glefe oder Baummesser? Überlegungen zu Waffen und Geräten in frühmittelalterlichen Gräbern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385

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Marion Brüggler

Spätantike Glasherstellung am Niederrhein – Eine Glashütte am Burgus von Goch-Asperden Schlagwörter: Niederrhein, burgus, Glasofen, Glasherstellung, Technikgeschichte, Kontinuität Keywords:

Lower Rhine, burgus, glass furnace, glass production, production technique, continuity

Der valentinianische burgus im Reichswald bei Goch-Asperden, Kreis Kleve, ist seit der Veröffentlichung der Ausgrabungen von 1964/65 in die Literatur eingegangen (Abb. 1)1. Die Publikation erwähnt einen ‚technischen Ofen (Glasherstellung?)’, der aus Zeitgründen zunächst nicht untersucht wurde2. Eine eigene Ausgrabung zu einem späteren Zeitpunkt war vorgesehen, fand aber zunächst nicht statt. Der Befund wurde jedoch leider weder zeichnerisch oder fotografisch festgehalten, noch wurde die Lage des Grabungsschnitts notiert. Neuere Oberflächenfunde, darunter Glashafenfragmente, bestätigten die Vermutung, dass es sich um einen Glasofen gehandelt haben muss3. Außer den Werkstätten im Hambacher Forst westlich von Köln mit acht Glaswerkplätzen und über 40 Glasöfen ist dies erst die zweite spätantike Glashütte mit Glasofenbefunden in den Nordwestprovinzen des römischen Reichs4. Über 40 Jahre nach den ersten wissenschaftlichen Untersuchungen fanden 2006/07 erneut Ausgrabungen an der altbekannten Fundstelle statt. Konkreter Anlass für die neuen Grabungen durch die Außenstelle Xanten des LVR-Amtes für Bodendenkmalpflege im Rheinland waren anhaltende Raubgräberaktivitäten, begünstigt durch das im dichten Wald schwer ein1 2 3 4

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H. Hinz/I. Hömberg, Ausgrabungen eines spätrömischen burgus in Asperden, Kreis Kleve. Rhein. Ausgr. 3 (Düsseldorf 1968) 167–212. Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) 170. C. Bridger, Nachweis von Glasherstellung beim Burgus Asperden. Arch. Rheinland 2003, 85 f. W. Gaitzsch u. a., Spätrömische Glashütten im Hambacher Forst – Produktionsort der ECVA-Fasskrüge. Archäologische und naturwissenschaftliche Untersuchungen. Bonner Jahrb. 200, 2000 (2003) 83–241.

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1 Topografie, Quadrat: Burgus, Punkt: Glasöfen. M 1:3000. – Grafik: H. Berkel, M. Brüggler.

sehbare Gelände, die drohten, den Befund vollständig zu zerstören5. Ziel der Untersuchungen war die Ermittlung der genauen Lage der Befunde – die Grabungen waren in den 1960er Jahren lediglich in ein lokales Messsystem eingehängt worden – und des Zustands 40 Jahre nach den Ausgrabungen. Der spätantike burgus lag topografisch vorteilhaft auf einer Hochfläche 17 m oberhalb des Flüsschens Niers, das wenige Kilometer flussabwärts in die Maas mündet. In römischer Zeit floss die Niers dichter am Hangfuß entlang, der jetzige Verlauf geht auf eine Begradigung des 20. Jhs. zurück. Am Fuß des steilen Hangs unmittelbar neben dem ehemaligen Flussufer fanden sich die Befunde der Glashütte. Die Niers, die mit flachbodigen Booten befahrbar ist, muss auch in spätantiker Zeit eine gute verkehrstechnische Anbindung geboten haben. Außerdem war der burgus wohl auch auf dem Landweg angebunden: So wird eine Straße vermutet, die, an Asperden vor5

In wenigen Fällen erlangte die amtliche Bodendenkmalpflege Kenntnis von Funden, welche die hohe Bedeutung des Bodendenkmals unterstreichen. So wurde eine fast vollständig erhaltene Kamee vom Xantener Römermuseum angekauft: H.-J. Schalles, Ein spätantiker Glaskameo aus Goch-Asperden. In: Xantener Ber. 5 (Köln 1994) 251–261. Außerdem wurde dem Amt eine Liste übermittelt, in der über 600 Münzen aufgeführt sind, die vom burgus stammen sollen.

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beiführend, die vici Quadriburgium (Qualburg) am Rhein und Ceuclum (Cuijk, NL) an der Maas verband. Möglicherweise hat sich unterhalb des burgus eine Querung der Niers befunden6. Heute ist das Gelände dicht mit einem Kiefernwald bestanden, der erst in den 1950er Jahren angepflanzt worden ist. Die Vegetation in der Spätantike ist unbekannt, doch muss die Sicht auf das flache Vorland damals frei gewesen sein. Andererseits benötigt eine Glashütte viel Brennholz, sodass zumindest Gestrüpp in der Nähe zugänglich gewesen sein muss. Der heutige Baumbestand, die Hangsituation sowie der hohe Grundwasserstand im Bereich der Niersaue setzten den Grabungen technische Grenzen. Nichtsdestotrotz ist es gelungen, den burgus zu lokalisieren und zwei Glasöfen sowie weitere Befunde des Umfelds der Glashütte zu dokumentieren.

Burgus Obertägig ist von dem Bauwerk nichts mehr sichtbar, da nachantiker Steinraub zum vollständigen Abbruch des Mauerwerks geführt hat. Die Befunde wurden auch durch Stellungen des 2.  Weltkriegs beeinträchtigt, als der Reichswald Kampfgebiet war. Nicht zuletzt haben sie aber 150 Jahre unsystematischer Schürfungen, zunächst durch Heimatforscher, dann durch Raubgräber in ihrem Bestand reduziert7. An der Südseite der Anlage ist zudem der Hang stellenweise abgerutscht und hat Teile des burgus mitgerissen. Anhand von Ausbruchsgräben konnten seine Ausmaße jedoch ermittelt werden. Der burgus besaß einen quadratischen Kernbau von 16,5  ×  16,5  m Größe (Abb. 2). Zentral in seinem Inneren fanden sich Ausbruchsgruben von vier Pfeilerfundamenten8. Im Abstand von 11 m war der Kernbau von einer Umfassungsmauer umgeben. Sie besaß Rundtürme von 4,5 m Durchmesser an den Ecken sowie in der Mitte der Flanken und umschloss ein Areal von 38,5  ×  38,5  m. Sowohl die Außenmauer als auch die Mauer des Kernbaus waren durch einen Pfahlrost fundamentiert, von dem sich noch Spuren als Verfärbungen im sandigen Untergrund fanden. Es handelte sich um kleine 6 7 8

Bridger 2004 (Anm. 3) 85. Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) 167. Ebd. 172.

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2 Gesamtplan der Grabungen von 1964/65 und 2007 im burgus. – Grafik: D. Koran, M. Brüggler.

Pfosten von 8–12 cm Durchmesser, die im Abstand von 10–20 cm standen und bis maximal 0,9 m unter die Fundamentsohle herabreichten9. Die Westund Nordseite waren von einem doppelten Spitzgraben geschützt, während an der Ostseite nur zwei kleinere Gräbchen erfasst wurden. Möglicherweise machte ein hier vorhandener Taleinschnitt größere Gräben fortifikatorisch unnötig. An der Südseite hat sich wahrscheinlich kein Graben befunden, da hier der Hang als Annäherungshindernis ausreichend gewesen wäre. Spu-

9

Ebd. 173. Eine Parallele zu diesem Befund befindet sich beispielsweise in Breisach: M. Zagermann, Der Breisacher Münsterberg. Die Befestigung des Berges in spätrömischer Zeit. In: H. Steuer/V. Bierbrauer (Hrsg.), Höhensiedlungen zwischen Antike und Mittelalter von den Ardennen bis zur Adria. Ergbd. RGA 58 (Berlin 2008) 165–183.

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ren einer älteren Bauphase, die auf ein Holzbauwerk schließen lassen, sind unter dem Nordostturm nachgewiesen10. Die Datierung des burgus basiert auf zahlreichen Münzen, die im seinem Bereich sowie am Hang unterhalb – zumeist nicht stratifiziert – gefunden worden sind. Diese Münzfunde lassen auf eine Gründung unter Kaiser Valentinian I. schließen11. Die jüngsten Münzen sind Prägungen des Kaisers Honorius12. Die Keramik bestätigt diese Datierung: Es sind keine Typen der mittleren Kaiserzeit zu finden. Darüber hinaus zeigen die Randformen innerhalb des spätantiken Spektrums eher entwickelte Ausprägungen, die in das letzte Drittel des 4. und erste Drittel des 5. Jhs. verweisen.

Glaswerkstatt Die Überreste der Glaswerkstatt befanden sich unterhalb des burgus am Fuß des Hangs und direkt am Ufer der Niers. Sie bestanden aus den Resten zweier sich überlagernder Glasöfen sowie weiterer Befunde im Zusammenhang mit der Glasherstellung. Durch die Überdeckung mit erodiertem Material aus dem Hangbereich waren die Glasofenreste vergleichsweise gut erhalten.

Ofen I Der jüngere der beiden Öfen war zugleich der besser erhaltene13. Zu ihm gehörte auch eine durch Holzkohle schwarz gefärbte Sandschicht, die den gesamten Bereich westlich des Ofens bedeckte. Die Schicht – ein Arbeitshorizont – barg Fabrikationsabfälle aus Glas sowie einige Münzen. Der Ofen besaß eine annähernd runde Brennkammer von 0,65 m Durchmesser, deren Boden 0,3 m unterhalb des Arbeitshorizontes lag. Ihr Boden war mit Flachziegelbruch ausgelegt, ihre Wände bestanden aus in Lehm verlegten Flachziegeln und waren mit Lehm verstrichen. Wände und Boden 10 11 12 13

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Ebd. 176. Ebd. 176. Bridger 2004, 85; Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) 195. Ich bedanke mich herzlich bei Mark Taylor, David Hill, Francois van den Dries, Wolfgang Gaitzsch und Anna-Barbara Follmann-Schulz für die Diskussion der Befunde.

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3 Grabungsbefund Ofen I. – Grafik: D. Koran, M. Brüggler.

der Brennkammer waren durch Hitzeeinwirkung grau verziegelt. In den weiter außen liegenden Bereichen des Unterbaus fanden neben Ziegeln auch andere Baumaterialien Verwendung: Grauwacke, Tuff, Raseneisenerz und Kalk. Dabei handelt es sich vermutlich um Spolien, da außer Raseneisenerz keines dieser Baumaterialien in der Gegend natürlich vorkommt. In die Brennkammer führte von Westen ein schmaler Kanal (Abb. 3 A). Er setzte auf Höhe des Arbeitshorizontes an, führte dann leicht nach unten, um auf Höhe der Brennkammersohle zu münden. Er war mit einer 41 × 41 × 6 cm großen Ziegelplatte abgedeckt.

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Knapp nördlich dieses Kanals führte ein weiterer Kanal in die Brennkammer (Abb. 3 B). Er verlief waagrecht auf der Höhe des Arbeitshorizonts und mündete 0,33 m oberhalb der Sohle. Sein Boden war mit Lehm verstrichen, der durch Hitzeeinwirkung grau verziegelt war. Aufrecht gesetzte Steine (Kalk und Tuff) flankierten seine Wände. Außerhalb des Ofens direkt gegenüber der Öffnung fand sich ein großer Tuffstein von 0,5 m Durchmesser, der auf eine grob verlegte Basis aus weiteren Tuffen und Ziegeln gesetzt war. Die Größe des Steins, seine Höhe von 0,4 m über dem Arbeitshorizont und die Entfernung von 0,55 m von der Ofenwand, lassen hier eine Art Arbeitssitz vermuten. Ein dritter Kanal begann im Südsüdwesten der Brennkammer, 0,37  m oberhalb von deren Boden (Abb. 3 C). Auch dieser Kanal war mit hellgrau verziegeltem Lehm verstrichen. Seine Breite betrug ursprünglich wohl 0,3 m. Er hatte ein leichtes Gefälle von 0,2 m auf einer Gesamtlänge von 0,95 m. An seinem Südende fand sich ein rechteckiges, mit Flachziegeln ausgelegtes Feld von 0,25 × 0,3 m Größe, das zum Zeitpunkt der Ausgrabung mit feiner hellgrauer Asche bedeckt war. Auch die Ziegel waren hier, vermutlich durch die Asche, hellgrau gefärbt. Im Osten des Ofens lag unmittelbar an die Brennkammer angrenzend und 0,53 m oberhalb ihrer Sohle eine flache, ovale Wanne. Sie war aus dunkelrot verziegeltem Lehm geformt und maß 0,80 × 0,55 × 0,08 m. Ihre ursprüngliche Tiefe und ihr Fassungsvermögen sind nicht ermittelbar, da die Ränder abgebrochen waren. Der Boden der Wanne war mit einer glänzenden, opaken Substanz bedeckt. Im Ostteil saß eine weitere, kleinere Wanne, ebenfalls aus verziegeltem Lehm hergestellt. Diese war noch halbrund erhalten, da ihre Ostseite zerstört war. Vermutlich ist eine runde Form von 0,35  m Durchmesser zu rekonstruieren. Ihre Höhe betrug noch 5 cm, wobei auch hier der Rand fehlte. Die Wanne enthielt eine Schicht grünen, zersprungenen Glases. In dem Glas eingeschlossen fand sich ein halbmondförmiges Lehmobjekt, das sich als Zapfenfragment ansprechen lässt. Solche Objekte sind etwa aus dem Hambacher Forst und aus Avenches/CH, bekannt14. Sie dienten zum Verschließen kleiner Öffnungen in der Ofenwand, um so den Luftzug und 14 M. Brüggler, Villa rustica, Glashütte und Gräberfeld. Die kaiserzeitliche und spätantike Siedlungsstelle HA 132 im Hambacher Forst. Rhein. Ausgr. 63 (Mainz 2009) 77 f.; Gaitzsch u. a. 2003 (Anm. 4) 102; H. Amrein, L’atelier de verriers d’Avenches: l’artisanat du verre au milieu de Ier s. ap. J. C. Cahier d’Arch. Romande 87 (Lausanne 2001) 88.

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4 Rekonstruktionsvorschlag von Ofen I. – Grafik: T. Könings, M. Brüggler.

damit die Temperatur im Ofeninneren zu steuern. Vermutlich ist der Zapfen durch eine oberhalb der Wanne anzunehmende Öffnung in das noch zähflüssige Glas gefallen. Trotz der Störungen durch die Altgrabungen im Norden und Osten des Ofens, lässt sich folgendes Bild zeichnen (Abb. 4): Die Brennkammer war in den Boden eingegraben, um von seinen isolierenden Eigenschaften zu profitieren15. Die ovale Substruktion des Ofens hatte eine west-östliche Länge von 2,4 m und eine nord-südliche Breite von 1,7 m. Im Süden schloss sich ein halbkreisförmiger Annex an, der die Struktur um 0,85 m verbreiterte. Durch die Öffnung B wurde Brennmaterial in die runde Brennkammer eingebracht, wobei sich der ihr gegenüberliegende Stein als Sitzplatz anbot. Diese Konstruktion würde die Verwendung langer Holzscheite begünstigen, die in die Brennkammer ragten, wodurch Luft besser zirkulieren konnte als bei am Boden brennenden Scheiten16. Öffnung A im Westen kann dem Entfernen von Asche sowie der Luftzufuhr gedient haben, dabei die vorherrschenden Westwinde optimal ausnutzend. Das Feuer in der Brennkammer erhitzte das Glas in der kleinen Schmelzwanne. Über dieser muss sich eine Öffnung befunden haben, von der aus Glas entnommen und nachgefüllt werden konnte. Die Öffnung ist auch durch den Zapfenrest im erstarrten Glas nachgewiesen. Für diesen Zapfen muss eine weitere, kleinere Öffnung 15 Vgl. M. Taylor/D. Hill, Experiments in the reconstruction of Roman wood-fired glassworking furnaces. Journal Glass Stud. 50, 2008, 249–270 hier 259. 16 Vgl. Taylor/Hill 2008 (Anm. 15) 260.

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vorhanden gewesen sein, die vermutlich nicht weit von der eben erwähnten Entnahmeöffnung platziert war. Die Funktion der größeren, ovalen Wanne, in dem die kleine, runde Wanne saß, ist bislang nicht klar. Öffnung C wird hier als Heißluftkanal für eine Kühlkammer gedeutet, in der geblasene Glasgefäße auf Umgebungstemperatur langsam abkühlen konnten – ein zu schnelles Abkühlen würde die Gläser zerspringen lassen. Möglicherweise war der Kanal auch mit einer Abriegelung versehen, um die Temperatur zu regulieren und zu verhindern, dass die Abgase direkt mit dem Glas in Kontakt gerieten, da dies zu einer Trübung der Glasoberflächen führt17. Im Süden der vermuteten Kühlkammer war keine Aussenwand nachzuweisen. Eventuell war die Kammer mit einer losen Ziegelplatte verschließbar. Auf dem gemauerten Unterbau war höchstwahrscheinlich eine längliche Kuppel aus Lehm errichtet. Dies ist einerseits aus Ofenbauteilen aus gebranntem Lehm zu schließen, andererseits aus der Überlegung, dass eine Kuppel den Hitzeverlust des Ofens so gering wie möglich hält. Die Kühlkammer im Süden hatte vermutlich einen eigenen kleinen Bau, der mit der Brennkammer durch einen Kanal (C) verbunden war. Außer den bereits genannten Öffnungen kann die Ofenkuppel noch eine weitere Öffnung im Scheitelpunkt der Kuppel besessen haben, um Abgase abzuleiten und dadurch einen Zug zu erwirken, der neue Luft einsaugte18. Die ursprüngliche Höhe der Kuppel ist nicht klar, im Analogieschluss zu frühneuzeitlichen Glasöfen werden hier 1,5 m ab Brennkammersohle vorgeschlagen19. Die Dicke der Lehmwände wird anhand von rezenten Versuchen zu römischem Glasofenbau mit 0,2–0,3 m angegeben20.

Glasofen II Der ältere der beiden Öfen war durch die Überprägung durch den jüngeren weniger gut erhalten (Abb. 5, re.). Seine Brennkammer war mit Lehm und 17 Ebd. 262. 18 Ebd. 250. 19 Die frühneuzeitlichen Öfen sind allerdings etwas anders gestaltet: G. Agricola, Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen (Basel 1556, Deutsche Ausgabe Berlin 1928) 502. 20 Mündl. Mitteilung M. Taylor.

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5 Glasofen I (li.) und II (re.). – Foto: M. Thuns.

Ofenbauteilen verfüllt worden, um so das Mauerwerk als Basis für den jüngeren Ofen weiterbenutzen zu können. Von Ofen II konnte nur die Südseite untersucht werden, da eine weitere Freilegung in der Zerstörung des jüngeren Ofens resultiert hätte. Soweit die Erhaltung Aussagen zulässt, war der ältere Ofen ähnlich dem jüngeren aufgebaut. Die runde Brennkammer hatte einen Durchmesser von 0,6 m und eine Öffnung im Westen. Boden und Wände waren aus flachen Ziegeln in Lehm errichtet, die durch Hitze und Holzkohle dunkelgrau verfärbt waren. Die Höhe des Mauerwerks an der Südseite betrug noch 0,26 m, die Mauer war dort 0,5 m dick. Die Südseite war annähernd rund bis leicht oval. Vorrichtungen für den Einsatz von Glashäfen oder Schmelzwannen waren nicht erhalten. Außerhalb des Ofens befand sich eine schwarze, sandige Schicht, die als Arbeitshorizont für diesen Ofen anzusprechen ist. Anders als bei dem jüngeren Ofen lag der Arbeitshorizont aber auf dem Niveau der Sohle der Brennkammer, diese war also nicht in den Boden eingetieft.

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6 Befunde im Umfeld der Glasöfen. – Grafik: D. Koran, M. Brüggler.

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Weitere Befunde Mehrere Pfostengruben längs der beiden Glasöfen lagen in zwei parallelen, knapp 5 m voneinander entfernten Reihen (Abb. 6) Von der westlichen Reihe wurden 5,6  m aufgedeckt, von der östlichen 2,6  m. An der Innenseite der östlichen Reihe und in einem knappen halben Meter Abstand zu dieser, waren noch schwache Spuren von einer weiteren Reihe von kleineren Verfärbungen zu beobachten. An der Innenseite der westlichen Reihe saßen weitere einzelne Pfostengruben. Die Pfostengruben waren von den Ablagerungen des Arbeitshorizonts von Ofen I bedeckt und sind daher stratigrafisch dem älteren Ofen II zuzurechnen. Sie gehörten zu einem Schutzbau, ohne den Glasöfen bei den regionalen Witterungsbedingungen kaum auskommen konnten: Regen hätte den Lehmstrukturen geschadet, zumal im beheizten Zustand. Solche Schutzbauten wurden auch im Hambacher Forst gefunden. Der vergleichsweise gut erhaltene Bau von Fundplatz HA 132 war anscheinend nach Osten offen, um das Entweichen von Abgasen zu ermöglichen21. Ein vergleichbarer Schutzbau dürfte auch in Asperden zu rekonstruieren sein. Nördlich von Ofen I war in den Hang eine Art Kammer mit getreppten Wänden eingegraben worden (Abb. 7). Zur Stabilisierung der Wände dienten in Lehm gesetzte Steine. Die Kammer war am Boden 1 m breit, oben 2,3 m breit und reichte, gemessen ab der Nordwand von Ofen I, ca. 3 m in den Hang hinein. Der Boden lag auf Höhe der oben genannten Glaswannen und war mit großformatigen Ziegelplatten ausgelegt. Bis zu einer Höhe von 2  m oberhalb dieser Platten waren die Wände verziegelt. Aufgrund einer Störung durch die Altgrabung ließ sich nicht mehr ermitteln, zu welchem der beiden Öfen dieser Befund gehörte. Auch die Funktion ist nicht ganz klar. Es könnte sich um einen Arbeitsbereich oder Stauraum handeln, wobei die Verziegelungen noch zu erklären wären: Außer unbeabsichtigtem Abbrennen könnte auch an gezieltes Feuern zu denken sein, um den Lehm an den Wänden zu festigen und ein Abrutschen des Hangs zu vermeiden. Südlich der Glasöfen wurden zwei Suchschnitte im Niersbett angelegt, worin sich direkt südlich der Glasöfen drei Pfahlreihen fanden. Zwei der Reihen aus Erlenpfählen verliefen parallel zum Hang und im rechten Win21 Gaitzsch u. a. 2003 (Anm. 4) 98; Brüggler 2009 (Anm. 14) 67.

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7 Glasöfen I und II (vorne) sowie Verziegelung im Hangbereich. – Foto: M. Thuns.

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kel zu den Pfostenreihen des Schutzbaus, eine Reihe aus Birkenpfählen verlief senkrecht zum Hang und in gleicher Flucht wie die Pfostenreihen des Schutzbaus. Parallel zum Hang lag außerdem ein größerer Eichenstamm, an dem ein Pfosten saß22. Die hölzernen Befunde lagen in und unter Schichten mit einer hohen Konzentration von Fabrikationsabfällen wie verziegeltem und ungebranntem Lehm, Glasfabrikationsresten und Glashafenscherben, sodass eine Gleichzeitigkeit mit der Glasherstellung zu vermuten ist. Die Funktion der Pfosten ist nicht eindeutig zu ermitteln. Es wird sich wohl um einen Landungssteg oder eine Uferbefestigung gehandelt haben. Vermutlich entspricht der Befund dem „Bohlenbelag eines Uferwegs“23 der Altgrabung. Etwas weiter östlich wurden weitere Holzreste aufgedeckt. Hier lagen teilweise bearbeitete Hölzer auf einer Fläche von 5,6  ×  3,5  m lose im rechten Winkel und übereinander, die dendrochronologisch jedoch nicht datierbar waren. Die Ausrichtung der Hölzer entspricht nicht ganz derjenigen der benachbarten Holzstrukturen. Zwar wurde eine Keramikscherbe des spätantiken Typs Alzey 28 in der umgebenden Schicht gefunden, eine jüngere Datierung kann aber nicht ausgeschlossen werden: Im Zusammenhang mit einer benachbarten Steinsetzung aus wiederverwendetem Baumaterial fand sich eine spätmittelalterliche Kugeltopfscherbe. Hier ist an eine mögliche wasserbauliche Maßnahme des nahen Zisterzienserinnenkloster Graefenthal zu denken.

Funde Keramik Das Spektrum des keramischen Fundmaterials ist charakteristisch für einen spätantiken Fundplatz im Rheinland. Es überwiegt rauwandige Ware Mayener Art. An Formen kommen Töpfe mit Sichelrand (Alzey 27), Schüsseln mit verdicktem und nach außen gebogenem Rand (Alzey 28), Teller mit ein22 Das Holz ließ sich nicht dendrochronologisch datieren. Holzartenbestimmung durch U. Tegtmeier, Universität zu Köln, Institut für Ur- und Frühgeschichte, Paläobotanik; dendrochronologisches Gutachten durch Th. Franke, ebd., Dendrolabor. 23 Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) 170.

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8 Argonnensigillata aus den Arbeitshorizonten, a) zugehörig Ofen I und b) zugehörig Ofen II. – Foto: T. Könings.

wärts geknicktem Rand (Alzey 34) und kleine Krüge mit Bandrand (Alzey 30) vor. Diese Formen sind in das späte 4.  und die 1. Hälfte des 5.  Jhs. zu datieren24. Als Lesefund kommt auch die Form Alzey 32/33 vor, die erst ab 400 n. Chr. vorkommt25. Außerdem fand sich Argonnen-Sigillata in Form von teils rollstempelverzierten Schüsseln (Alzey 1), Reibschalen und Tellern (Chenet 304). Stratifizierte Keramikfunde grenzen die Datierung der Glasöfen ein. In der Verfüllung der Brennkammer von Ofen I fand sich eine Randscherbe der Schüssel Trier-Umbaukeramik Typ 40a (Abb. 9,1), eine weitere desselben Typs wurde in der ‚Holzkohleschicht über dem Ofen’26, vielleicht identisch mit dem jetzt festgestellten Arbeitshorizont, bereits 1964 geborgen. Die Form

24 L. Bakker, Gefäßkeramik in spätrömischer und frühmittelalterlicher Zeit. In: A. Wolff (Hrsg.), Die Domgrabung Köln. Altertum − Frühmittelalter − Mittelalter. Stud. Kölner Dom 2 (Köln 1996) 217−234 hier 228. 25 Ebd. 230. 26 Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) fig. 9,11.

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9 Keramikfunde. M 1:4. – Grafik: M. Brüggler.

datiert um das Jahr 37527. Ebenfalls in der Verfüllung lag eine Randscherbe mit Sichelrand aus dem späten 4./frühen 5. Jh. (Alzey 27, Abb. 9,2)28. Aus der 27 I. Hussong/H. Cüppers, Die Trierer Kaiserthermen. Trierer Grabungen u. Forsch. 1,2 (Mainz 1972) 79. 28 M. Redknap, Die römischen und mittelalterlichen Töpfereien in Mayen, Kreis MayenKoblenz. Ber. Arch. Mittelrhein u. Mosel 6 = Trierer Zeitschr., Beih. 24 (Trier 1999) 11–401 hier 152; Bakker 1996 (Anm. 24) 230.

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Betriebszeit von Ofen I dürften die Funde aus dem Arbeitshorizont stammen: eine Scherbe rollrädchenverzierter Argonnen-Sigillata mit Schrägstrichund Vierpunktmuster (Abb. 8a). Eine weitere Argonnen-Sigillata-Scherbe mit Vertikal-/Horizontal-/Schrägstrich- und Sechspunktmuster stammt aus dem Arbeitshorizont von Ofen II (Abb. 8b). Diese Verzierungen werden in das 3. Drittel des 4. und das 1. Drittel des 5. Jhs. datiert29. Im Arbeitshorizont von Ofen I fanden sich außerdem ein Reibschüsselfragment Trier-Umbaukeramik 41 (Abb. 9,3), eine Scherbe eines Argonnen-Sigillata-Tellers Gellep 40 (Abb. 9,4) sowie ein Topffragment Alzey 30 (Abb. 9,5), die um 37530, in das 4./ frühe 5. Jh.31 bzw. die 2. Hälfte des 4. Jhs. und das 5. Jh.32 zu datieren sind. In der bereits erwähnten ‚Holzkohle-Schicht über dem Ofen’ wurden 1964 weitere Ränder von Töpfen Alzey 27 und Schüsseln Alzey 28 gefunden33, die in das späte 4. und frühe 5. Jh. zu datieren sind.

Glashäfen Es wurden 197 Glashafenscherben gefunden sowie der komplette Boden eines noch 21 cm hohen Glashafens (Abb. 9,6). Seine Innenseite war im oberen Teil von einer dünnen, krakelierten, grünlichen Glasschicht bedeckt, während sich am Boden noch Glasmasse erhalten hat. Es hat auch Glashäfen mit einer Lehmummantelung gegeben, bei der es sich entweder um eine Opferschicht gehandelt hat, um den Glashafen zu schonen, oder aber um

29 L. Bakker, Rädchenverzierte Argonnen-Terra-Sigillata. In: S. Ristow, Die frühen Kirchen unter dem Kölner Dom. Stud. Kölner Dom 9 (Regensburg 2002) 109–123 hier 119, 122. 30 Hussong/Cüppers 1972 (Anm. 27) 79. 31 R. Pirling/M. Siepen, Die Funde aus den römischen Gräbern von Krefeld-Gellep. Germ. Denkmäler Völkerwanderungszeit B 20 (Stuttgart 2006) 73. 32 W. Dijkman, La terre sigilée décorée à la molette à motifs chrétiens dans la stratigraphie maastrichtoise (Pays Bas) et dans le nord-ouest de l’Europe. Gallia 49, 1992, 129−172 hier 155; F. Siegmund, Merowingerzeit am Niederrhein. Die frühmittelalterlichen Funde aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf und dem Kreis Heinsberg. Rhein. Ausgr. 34 (Köln 1998) 147; Pirling/Siepen 2006 (Anm. 31) 198. 33 Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) 197.

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seine Standfestigkeit zu erhöhen34. Die Glashäfen bestanden ausnahmslos aus Mayener Ware, die sich durch besondere Hitzebeständigkeit auszeichnet35. Es handelt sich um gängiges Haushaltsgeschirr, und nicht um speziell für den technischen Einsatz bei der Glasherstellung gefertigte Gefäße. Da keine einzige Randscherbe eines Glashafens erhalten ist, ist der verwendete Gefäßtyp nicht gesichert. Das oben genannte Gefäß könnte ein Topf der Form Alzey 27 gewesen sein, dessen Rand entfernt wurde, um eine breitere Öffnung zu erhalten. Dieses Vorgehen war auch an Hambacher Fundplätzen zu beobachten36. Obwohl also nachweislich Glashäfen in der Asperdener Glaswerkstatt eingesetzt wurden, scheint Ofen I keine Vorrichtung für ihren Einsatz gehabt zu haben. Hier wurde vielmehr Glas in einer Wanne geschmolzen. Möglicherweise handelte es sich bei dem älteren Ofen um einen Hafenofen, oder aber ein weiterer Ofen muss existiert haben, der bislang trotz intensiver Suche nicht entdeckt worden ist.

Glas Während der Fabrikation von Gefäßglas entstehen Abfälle aus Glas, die Rückschlüsse auf Produkte und Produktionsprozess zulassen. Ausgangspunkt der Gefäßglasherstellung ist Rohglas. Dieses wurde in der Antike in Primärhütten aus den Ausgangsstoffen Sand, Kalk und Natron bei hohen Temperaturen gewonnen. Sekundärhütten importierten das Rohglas in Form von Bröckchen oder Barren und schmolzen es bei deutlich niedrigeren Temperaturen erneut ein37. Nur wenige Rohglasbrocken wurden in Asperden gefunden: Sechs Bröckchen mit einem Gesamtgewicht von 77,2 g bestanden aus grünem Glas, zwei mit 36,4  g Gewicht aus schwarzem Glas, und

34 S. Payne, Experiments in the reconstruction of Roman wood-fired glassworking furnaces: Waste production and their formation processes. Journal Glass Stud. 50, 2008, 271–290 hier 285 f.; Taylor/Hill 2008 (Anm. 15) 261. 35 M. Brüggler/M. Daszkiewicz, Spätantike Glasherstellung im Hambacher Forst. Ergebnisse der Laboranalysen vom Fundplatz HA 132. Kölner Jahrb. 37, 2004 (2006) 805–818 hier 817. 36 Brüggler 2009 (Anm. 14) 75; Gaitzsch u. a. 2003 (Anm. 4) 110. 37 Zur Diskussion vgl. Brüggler 2009 (Anm. 14) 86 ff.

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10 Glas, Fabrikationsabfall. – Foto: T. Könings.

zwei mit 7,8 g Gewicht sowie ein möglicher Barrenrest von 13,6 g Gewicht aus braunem Glas. Wird das geblasene Gefäß von der Pfeife getrennt, so entstehen bei offenen Gefäßen wie Bechern und Schalen sog. Kappen, die aussehen wie sehr flache Schüsseln. 76 Bruchstücke dieser Art sind aus Asperden bekannt. Ihre Randdurchmesser, die denjenigen der fertigen Glasgefäße entsprechen müssen, betragen zwischen 6 und 16 cm, meist jedoch 12–13 cm. Durch das Abplatzen von Glasmasse von der Glasbläserpfeife entstehen charakteristische Abschläge, die Hinweise auf die Durchmesser der benutzten Glasbläserpfeifen geben können. Insgesamt wurden 106 Pfeifenabschläge aus Asperden identifiziert. Das Blasen von Gefäßen ist durch diese Fundgattung also nachgewiesen. Von den Werkzeugen der Glasmacher wurden außer einem unten noch zu besprechenden, möglichen Pfeifenstück nichts gefunden. Von den Pfeifenabschlägen lassen zwei auf eine 1,5 cm im Durchmesser messende Pfeife schließen, zwei weitere stammen offenbar von einer kleineren, 1 cm breiten Pfeife. Außerdem ließen sich Abdrücke der Werkzeuge auf einigen Glasstücken finden, die Rückschlüsse auf diese Werkzeuge zulassen. So wurden

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Zangen mit unterschiedlichen Enden benutzt: Eine Zange hatte 10  mm breite, trapezoide Enden mit quergeriffelter Fläche. Eine dritte Zange hatte 4  mm breite, glatte Enden und einen gerundeten Kopf. Außerdem wurde ein spitzes Werkzeug benutzt, wie an mehreren Tropfen mit Einstichen zu sehen ist (Abb. 10). Die Farbe der Glasgefäßscherben ist durchsichtig grün, gelblichgrün und grünlichgelb. Die Scherben sind meist leicht mit Blasen durchsetzt und zeigen wenige Verschmutzungen. Die grünlichen Färbungen der Gläser sind durch Verunreinigungen im Rohmaterial und die Ofenatmosphäre bedingt. Sie ist typisch für die Spätantike38. Bläulichgrünes Glas, wie es charakteristisch für die mittlere Kaiserzeit ist, kommt ebenfalls vor, so in Form eines Bandhenkels und des Bruchstücks einer Rippenschale. Es handelt sich hierbei jedoch sicherlich um Recyclingmaterial. Außerdem ist in Asperden schwarzes Glas in Form von zwei Rohglasbrocken und dem Bruchstück eines Armrings vorhanden. Für Verzierungen wie Nuppen und Fäden ist braunes und kobaltblaues Glas belegt. Diejenigen Glasscherben, deren Gefäßform sich noch ansprechen ließ, gehörten meist zu Bechern oder Schalen, seltener zu Flaschen und Krügen. Mit 18 Exemplaren kommen einfache kugelige Becher der Form Isings 96 am häufigsten vor. Die Ränder waren zumeist abgesprengt, in einem Fall auch überschliffen. Solche Becher sind eine sehr geläufige Form, die sich im gesamten 4. Jh. sowie in der 1. Hälfte des 5. Jhs. findet. Eine seltene Form ist die Schale Typ Helle (Gellep 238), benannt nach einem Fundplatz bei Oldenburg. Sie hat einen breiten, leicht bauchigen Körper mit meist nach außen umgeschlagenem Rand, Spiralfadenauflage am Hals und längliche, herausgekniffene Nuppen auf dem Gefäßkörper. 16 Fragmente dieses Typs wurden in Asperden identifiziert. Zwei weitere rundgeschmolzene Ränder mit Spiralfadenauflage könnten ebenfalls diesem Typ zugerechnet werden. Böhme rechnet die Form seiner Gruppe B zu, die er in das 2. Drittel des 5. Jhs. datiert39. Konische Trinkschalen mit länglichen Dellen sind mit vier Fragmenten nachgewiesen (Isings 117/Gellep 221). Zwei von ihnen haben abgesprengte

38 Vgl. auch Brüggler 2009 (Anm. 14) 85 f. 39 H. W. Böhme, Forschungen zum Ende der Römerherrschaft in den westlichen Provinzen. Jahrb. RGZM 34,2, 1987, 770–773.

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Ränder, eines einen rundgeschmolzenen Rand mit Spiralfadenauflage40. Schalen dieses Typs sind allgemein in die 2. Hälfte des 4.  Jhs. und die 1. Hälfte des 5. Jhs. zu datieren41. Dabei besitzen die späten Exemplare wie eines der Fragmente aus Asperden rundgeschmolzene Ränder und Fadenauflage. Zwei weitere Randscherben mit 14 und 16  cm Randdurchmesser könnten ebenfalls diesem Typ zuzurechnen sein. Ohne die Erhaltung des eingedellten Körpers kann es sich aber auch um einfache Kugelabschnittschalen handeln. In Asperden wurde mit Bechern, Schalen und Krügen sowie Flaschen also vornehmlich Trinkgeschirr hergestellt, ein Charakteristikum spätantiker Glasfundkomplexe42. Die Herstellung von Fensterglas im Zylinderglasverfahren ist hingegen nicht gesichert. Lediglich zwei Scherben ohne jegliche Krümmung wurde gefunden, die jedoch auch von einer quadratischen Flasche stammen können. An weiteren Produkten kommen gläserne Armreifen in Frage: Aus dem Arbeitshorizont von Ofen I stammt das Fragment eines schwarzen Armreifens mit D-förmigem Querschnitt. Armreifen dieses Typs wurden auch in den Gräbern der Hambacher Fundplätze HA 132 und HA 382, die beide im Zusammenhang mit Glasherstellung standen, dokumentiert43. In Analogie zu subrezenten Glaswerkstätten in Indien, wo durch Verunreinigung fehlerhaft gefärbte Glasmasse mittels Zusatz von Eisen schwarz gefärbt und zu schwarzen Objekten weiterverarbeitet wurde44, wurde vorgeschlagen, dass auch die Glasarmreifen im Hambacher Forst ein Nebenprodukt der dortigen Werkstätten darstellen45. Durch die Lage des Armreifs im Arbeitshorizont 40 Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) fig. 9,40. 41 Frühe Exemplare kommen bereits in der 1.  Hälfte des 4. Jhs. vor: H. E. M. Cool/​ J. Price, Roman vessel glass from excavations in Colchester, 1971–85. Colchester Arch. Report 8 (Colchester 1995) 218; U. Koch, Der Runde Berg bei Urach 6. Die Glas- und Edelsteinfunde aus den Plangrabungen 1967–1983. Heidelberger Akad. Wiss., Komm. Alamann. Altkde., Schr. 12 (Heidelberg 1987) 186; J. Price/S. Cottam, Romano-British Glass Vessels: A Handbook (York 1998) 128 f.; Siegmund 1998 (Anm. 32) 164: Phase 1 (400–440); Böhme 1987 (Anm. 39) 770–773; Pirling/Siepen 2006 (Anm. 31) 298; Brüggler 2009 (Anm. 14) 167f. 42 Cool/Price 1995 (Anm. 41) 223. 43 Brüggler 2009 (Anm. 14) 173, Gaitzsch u. a. 2003 (Anm. 4) 195. 44 T. Sode/J. Kock, Traditional raw glass production in Northern India: The final stage of an ancient technology. Journal Glass Stud. 43, 2001, 155–169 hier 158. 45 Brüggler 2009 (Anm. 14) 173.

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11 Röhrchen aus Buntmetall. – Foto: T. Könings.

und das Vorhandensein zweier schwarzer Rohglasbrocken lässt sich auch für Asperden eine Herstellung dieses Schmucks annehmen.

Sonstige Funde Bereits 1964 wurde ein Objekt gefunden, das hier noch einmal erwähnt werden soll: Es handelt sich um ein leicht konisches Röhrchen aus einem Kupfer(legierungs)blech von 20,5 cm Länge und 0,4  bzw. 1,0  cm Dicke. Es wurde in der oben bereits genannten ‚Holzkohlenschicht über dem Ofen’ gefunden46. In diesem Fundkontext lässt sich ein Zusammenhang mit der Glasherstellung als Glasbläserpfeife vermuten, wie bereits in dem Vorbericht von 1968 vorgeschlagen47. Allerdings sind Vergleichsfunde 12 Granitobjekt, mögliche Märdeutlich größer und bestehen aus Eisen48. belplatte. – Foto: T. Könings. Problematisch ist auch die geringe Länge, die eine sichere Bearbeitung des heißen Glases nur durch die Verwendung als Aufsatz auf ein längeres Rohr erlaubt. Zwei Pfeifenabschläge belegen jedoch einen Pfeifendurchmesser von 1  cm

46 Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) 197. 47 Ebd. 189. 48 Amrein 2001 (Anm. 14) 79 f.

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13 Teilverglaster Sand. – Foto: M. Brüggler.

und zeigen auch keine Verunreinigungen durch Eisen. Sie könnten von dem Kupferröhrchen stammen (Abb. 11). Ein bearbeiteter Granit aus der unmittelbaren Umgebung der Glasöfen könnte im Zusammenhang mit der Glasherstellung stehen: Der Stein hat zwei gegenüberliegende, glatte, jedoch nicht ganz parallel liegende Flächen mit einer Länge von 30,7  cm, einer Breite von 21  cm und einer Höhe vom 8,7–10  cm. Alle Kanten sind abgebrochen. In der einen Fläche findet sich eine tropfenförmige Mulde mit glatter Sohle, in der gegenüberliegenden Fläche eine runde Mulde. Der Stein könnte als Märbelplatte zum Vorformen des Glaspostens verwendet worden sein (Abb. 12). Er stammt allerdings aus einem Testschnitt 13 m östlich der Glasöfen und aus keinem stratigrafischen Kontext, sodass seine Verwendung nicht gesichert ist. Ein flaches Objekt aus halbverglastem, weißem Sand mit glatter, weißlichlila verfärbter Oberseite und grauer poröser Unterseite wurde im Bereich der Glashütte geborgen (Abb. 13). Im Bruch zeigt sich knapp unter der Oberfläche einer Seite grünes Glas, darunter weißer Sand. Unklar ist, ob das Objekt zufällig entstand, oder einen Versuch darstellt, Sand und weitere Zutaten zu Rohglas zu schmelzen. Nach dem bereits erwähnten Modell waren die Glas-

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hütten römischer Zeit in primäre, Rohglas herstellende Hütten einerseits und sekundäre, Glas verarbeitende Hütten getrennt. Möglicherweise ist dieses Objekt ein Beleg für einen Versuch, Rohglas herzustellen, vielleicht, weil man Nachschubprobleme für fertiges Rohglas hatte. Calcite, mehrfach im Versturz des Ofens geborgen und als Stabilisator eine wichtige Zutat im Rohglas, könnten ebenfalls in diese Richtung deuten.

Münzen Mehrere stratifizierte Münzen wurden im Zusammenhang mit dem Glasbetrieb geborgen. So werden bereits in der Altgrabung zwei Münzen ‚aus dem Ofenversturz’ genannt, namentlich eine Maiorina des Gratian (378–383) und ein Cententionalis des Valentinian (364–375)49. Aus der Verfüllung des älteren Ofens stammt ein Halbfollis-/Cententionalisfragment des 4. Jhs. Sechs Münzen sind dem Arbeitshorizont von Ofen I zuzuweisen50. Bei der ältesten Münze des 1. Jhs. muss es sich um ein Altstück handeln, die übrigen stammen aus dem 4. Jh.

Ergebnisse Am Fundort Goch-Asperden haben in der Spätantike ein burgus, der vermutlich einen Flussübergang überwachte, und benachbart ein Glasbetrieb bestanden. Die Datierung des burgus lässt sich über das Münzspektrum auf das 3. Drittel des 4. und das 1. Drittel des 5. Jhs. eingrenzen. Die Datierung der Glasöfen ergibt sich einerseits aus stratifizierten Keramikscherben und Münzen, andererseits aus unstratifizierten Glasscherben, da auch diese den Produktionszeitraum angeben. Daraus erschließt sich ein Zeitraum ab

49 Hinz/Hömberg 1968 (Anm. 1) 200. 50 Die Bestimmung nahm C. Klages, LVR-Landesmuseum Bonn, vor, ihr sei herzlich dafür gedankt: Caligula-Agrippa-As, stark angegriffen und verbogen, RIC 58; Valentinian oder valentinianische Dynastie, Cententionalis, Münzstätte?, Typ Reparatio Republica; Constatinsöhne? Follis, Münzstätte? Typ Wirth Exerc. Romanorum; 4. Jh. (?), Minimus, Typ unkenntlich; 4. Jh., Follis/Cententionalis, Typ unkenntlich; 4. Jh. Halbfollis/Cententionalis, Typ unkenntlich.

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etwa kurz vor 400 n. Chr. und im ersten Drittel des 5. Jhs. Paläomagnetische Analysen durch E. Schnepp, Universität Leoben, konnten keine genauere Datierung als die Zeit zwischen 243–424 n. Chr. liefern, bestätigen aber den antiquarisch gewonnenen Zeitansatz51. Zumindest bislang sind lediglich zwei Glasöfen entdeckt worden, die ohne Reparatur wohl nur für zwei sieben- bis achtmonatige Kampagnen ohne substanzielle Reparaturen verwendet werden konnten52. Denkbar wäre, dass eine Substruktion mehrfach mit einer neuen Kuppel versehen wurde, was archäologisch keine Spuren hinterlassen hätte53. Aber auch so dürfte die Betriebsdauer höchstens einige Jahre betragen haben. Es stellt sich die Frage, ob burgus und Glashütte gleichzeitig bestanden haben. Trotz Datierungsunschärfen ist zu vermuten, dass sich Glasbläser in der Nähe des bemannten burgus niederließen, weil dieser einerseits verkehrsgünstig gelegen war, andererseits Schutz bot. Mehrfach wurden oben die Begriffe ‚Primär-’ und ‚Sekundärhütte’ angesprochen. Meist wird eine örtliche Trennung dieser unterschiedlichen Hütten angenommen, wobei die Rohglaserzeugung nach Ansicht einiger Forscher ausschließlich an der Ostküste des Mittelmeers erfolgte54, nach anderen Ansichten könnte sie aber durchaus auch in den Nordwestprovinzen des römischen Reichs erfolgt sein55. Die Asperdener Glashütte ist aufgrund verschiedener Fabrikationsreste eindeutig als sekundäre Hütte zu bezeichnen. Halb aufgeschmolzene Sandreste könnten aber auch andeuten, dass Versuche gemacht worden sind, selbst Rohglas herzustellen, möglicherweise weil Nachschub von Rohstoffen fehlte56. Derzeit laufen Analysen durch Th. Rehren, University College London, welche die chemische Zusammensetzung von Asperdener Gläsern zum Ziel haben. Es wird zunächst der Frage nachgegangen, wie die Gläser chemisch zu charakterisieren sind, anschließend, woher die Glasbläser ihr Rohmateri51 52 53 54

Bericht in Vorbereitung. Taylor/Hill 2008 (Anm. 15) 270. Ebd. M. D. Nenna, Production et commerce du verre à l’epoque imperiale. Nouvelles découvertes et problématiques. In: Facta. Journal Roman Mat. Stud. 1, 2007, 125–147. 55 Gaitzsch u. a. 2003 (Anm. 4). 56 In eine solche Richtung deuten Funde vom Ende des 5. Jhs. aus Hasselsweiler, Kr. Düren, vgl. B. Päffgen, Glasherstellung spätrömischer und frühmittelalterlicher Zeit im Rheinland und dessen Nachbargebieten. Beitr. Mittelalterarch. Österr. 19, 2003, 9−28 hier 14 ff.

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al bekamen. In einem zweiten Schritt werden Glasproben anderer Fundstellen eines gut erkennbaren und nicht sehr häufig auftretenden Typs (Schalen Typ Helle) gesammelt und untersucht, um zu sehen, ob diese Gläser auch in Asperden hergestellt worden sind bzw. ob sich ihre Herkunft von einer anderen Glashütte wahrscheinlich machen lässt. Die Glashütte von Goch-Asperden ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Für das Aussehen spätantiker Glasöfen sind wir vollkommen auf archäologische Befunde angewiesen, da Bild- und Schriftquellen zu dieser Zeit fehlen. Bislang bekannte archäologisch untersuchte Glasöfen sind weniger gut erhalten als der Asperdener Befund, der ein Licht auf die Technikgeschichte der Glasherstellung wirft. Zum Anderen ist die Tatsache einer bestehenden Glashütte im ersten Drittel des 5. Jhs. wirtschaftsgeschichtlich interessant. Die Anlieferung von Rohmaterial aus dem Mittelmeergebiet hat offenbar nach wie vor funktioniert, aber auch der Absatz der geblasenen Gefäße war gewährleistet. Potenzieller Abnehmer war etwa die wenige Kilometer niersabwärts gelegene Siedlung von Gennep, in der zahlreiche Glasgefäße gefunden wurden, deren Typen denjenigen in Asperden entsprechen57. Zusammen mit den Glasbetrieben im Hambacher Forst, für die ein ähnlich später Zeitansatz erwogen wird58, zeigt die Glashütte von Asperden, dass dieser Wirtschaftszweig im 1. Drittel des 5. Jhs. offensichtlich florierte.

Zusammenfassung An dem bekannten burgus von Goch-Asperden wurden jetzt die Überreste einer spätantiken Glashütte ausgegraben. Dabei wurden außer zweier Glasöfen weitere mit der Glasverarbeitung in Zusammenhang stehende Befunde freigelegt. Anhand des jüngeren, gut erhaltenen Ofens ließen sich noch Elemente des Aufgehenden rekonstruieren. Das Fundmaterial lässt Rückschlüsse auf Produktionstechniken und Produktion zu, die hauptsächlich Trinkgeschirr umfasste. Die Glashütte ist in das späte 4. und erste Drittel des 5. Jhs. zu datieren. Zusammen mit den Glashütten im Hambacher Forst bezeugt sie das Fortleben dieses 57 Y. Sablerolles, De glasvondsten van een nederzetting uit de Volksverhuizingstijd te Gennep (Limburg). Ongepubliceerde doctoraalscriptie Universiteit van Amsterdam (1992). 58 Brüggler 2009 (Anm. 14) 90ff.

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Wirtschaftszweigs noch zu diesem späten Zeitpunkt: Die Glashütten waren auf Nachschub von Rohstoffen aus dem Mittelmeerraum angewiesen.

Summary Late Antique glass-production on the Lower Rhine – a glass-furnace at the burgus of Goch-Asperden The paper describes the features and finds of a Late Antique secondary glass workshop with two furnaces that was recently excavated near the German-Dutch border at Goch-Asperden. A focus is laid on the description of the well-preserved younger furnace and a reconstruction is suggested. Also, other features belonging to the workshop are described. Furthermore, the finds are studied with regard to production techniques and products, which comprise mostly drinking vessels. The workshop, which is situated near a Valentinian burgus, can be dated to the late 4th/first third of the 5th century. Together with the workshops in the Hambach Forest it proves that this branch of craftsmanship and economy still flourished at that time. Dr. Marion Brüggler LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland Außenstelle Xanten Augustusring 3 D-46509 Xanten [email protected]

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