Sozialmedizinische Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit

June 4, 2017 | Author: Wolfgang Schneider | Category: Psychology, International Classification of Functioning
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Originalien Psychotherapeut 2009 · 54:37–43 DOI 10.1007/s00278-008-0646-2 Online publiziert: 6. Dezember 2008 © Springer Medizin Verlag 2008

Redaktion

M. Cierpka, Heidelberg

Wolfgang Schneider1 · Martin Firzlaff1 · Kerstin Birke2 · Thomas Klauer1 1 Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin, Medizinische Fakultät, Universität Rostock 2 Abt. Psychosomatik, , MEDIAN-Klinik Heiligendamm

Sozialmedizinische Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit Interview zur Beurteilung psychosozialer Dimensionen der Leistungsfähigkeit

Die Nachfrage für sozialmedizinische Begutachtungen nimmt generell innerhalb der Medizin, aber insbesondere auch im Bereich der psychosomatischen und der psychiatrischen Disziplinen zu. Dies ist insbesondere auch in der wachsenden Bedeutung begründet, die psychischen und psychosomatischen Erkrankungen zukommt. So stellen psychische und psychosomatische Erkrankungen den Hauptberentungsgrund bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dar. Dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer. Die Tatsache, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen somatischer Erkrankungen bis 2006 zurückgegangen sind, aber im Feld der psychischen und psychosomatischen Erkrankungen seit 1996 kontinuierlich zunehmen, legt auch nahe, dass aufgrund der Chronifizierung dieser Störungen sich daraus zunehmend relevante sozialmedizinische Fragen – auch Begutachtungsfragen – ergeben. So lässt sich wohl sagen, dass der wachsende soziale und existenzielle Druck dazu führt, dass die „Anspruchshaltung” von Mitgliedern unserer Gesellschaft in Bezug auf die soziale Versorgung durch gesetzliche oder private Renten bzw. Ausgleiche (z. B. Unfallversicherung) gewachsen ist.

Im Rahmen der sozialrechtlichen, aber auch der zivilrechtlichen Begutachtung (z. B. bei Unfällen, privater Berufsunfähigkeitsrente) stellt die Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eine zentrale Aufgabe psychosomatischer oder auch psychiatrischer Begutachtungen dar. Dabei geht es insbesondere darum, dass das Leistungsprofil eines Probanden positiv beschrieben werden soll bzw. spezifische Einschränkungen der Leistungsfähigkeit auf unterschiedlichen Dimensionen zu charakterisieren sind. Bei Fragen zur Kausalität bei gegebenen Leistungseinschränkungen ist einzuschätzen, inwieweit etwaige Beeinträchtigungen durch bestimmte Ereignisse bedingt sind oder nicht. Bei der Bewertung der Leistungsfähigkeit sollen in der Regel Fragen auf qualitativer (Welche Leistungsfunktionen sind eingeschränkt?) und auf quantitativer Ebene (In welchem Umfang sind Leistungsfunktionen eingeschränkt?) beantwortet werden. Dabei gilt grundsätzlich, dass auch sozialmedizinische Gutachten wissenschaftlichen Standards genügen müssen. Für Experten und Juristen sollen sie zudem gleichermaßen nachvollziehbar und vergleichbar sein, und zwar sowohl hinsichtlich inhaltlicher als auch formaler Kriterien. Bei der Erarbeitung solcher Begutachtungskriterien hat es in letzter Zeit verstärkte Bemühungen vonseiten verschiedener Fachgesellschaften gegeben, die in diesem Artikel zusammen-

fassend dargestellt werden sollen. Darauf aufbauend werden Mindeststandards der Leistungsbegutachtung definiert, und ein von den Autoren entwickeltes strukturiertes Interview zur Beurteilung psychosozialer Dimensionen der Leistungsfähigkeit wird vorgestellt.

Ansätze zur Systematisierung der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung Die Forderung nach einheitlichen Begutachtungsstandards seitens der Leistungsträger, aber auch der Gutachter ist nicht neu: Bereits Anfang der 90er Jahre weist Peters auf Unterschiede in der praktischen Durchführung beamtenrechtlicher Begutachtungen hin und fordert klare ärztliche Richtlinien für die Begutachtungspraxis, auch um „Ungerechtigkeiten für den Begutachteten und Konflikte für den Gutachter zu vermeiden” (Peters 1992). In seiner Pilotstudie zur Erfassung der Arbeitsanamnese anhand 426 systematisch untersuchter sozialmedizinischer Gutachten konstatiert auch Seger (1994) einen eklatanten Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der sozialmedizinischen Begutachtung und regt schon 1994 sozialträgerübergreifend ein Entwicklungsprojekt zur Standardisierung der Arbeitsanamneseerhebung an. Im gleichen Jahr diskutierten Sieber u. Stelzer Psychotherapeut 1 · 2009 

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Originalien Tab. 1  Zentrale diagnostische Kategorien der International Classification of Functioning (ICF) Kategorie 1 Somatische und psychische Dimensionen 2 Aktivität

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Partizipation

Funktionelle Folgen der (chronischen) Erkrankung Berücksichtigt werden Schweregrad- und Verlaufskriterien; das Vorliegen von Komorbidität muss beachtet werden Aktivitäten bzw. deren Störungen in unterschiedlichen Lebensbereichen sollen beurteilt werden. Diese sollen möglichst konkret beschrieben werden. Zu fragen ist, welche Art von Assistenz (Unterstützung) zur Umsetzung von aktuell noch nicht realisierbaren Aktivitäten notwendig ist. Zentral ist die Frage, inwieweit eine Aktivität zukünftig möglich sein wird oder nicht (Prognose) Hier wird gefragt, ob und in welchem Ausmaß der Betreffende an bestimmten Lebensbereichen teilnimmt. Die Partizipation kann hinsichtlich der Art, der Dauer und der Qualität eingeschränkt sein und ist als ein Resultat der Wechselbeziehung zwischen der Gesundheitsstörung (Beeinträchtigungen der Funktion/Struktur und Aktivität) und den Bedingungen des jeweiligen Lebensbereiches anzusehen

(1994) ein Qualitätssicherungsprogramm in der Rentenbegutachtung. Foerster (1992) und Konrad (1997) haben einen Zusammenhang zwischen dem Schweregrad einer psychischen oder einer psychosomatischen Erkrankung sowie der Leistungsfähigkeit postuliert und haben gleichzeitig Kriterien zur Beurteilung des Schweregrades vorgeschlagen. Weitere Kriterienkataloge zur Leistungsbeurteilung sind von Widder u. Aschoff (1995), Schulte (1995), Arbeitsgruppen der Rentenversicherer (Bundesversicherungsanstalt für Angestellte 1999; Deutsche Rentenversicherung 2001; Deutsche Rentenversicherung 2006) sowie Stadtland et al. (2003) entwickelt worden. Im Jahr 2001 wurden die Leitlinien zur sozialmedizinischen Begutachtung in der Psychosomatik und Psychotherapie (Schneider et al. 2001) herausgegeben, die zurzeit interdiziplinär überarbeitet werden. Im Jahr 2007 wurden die Leitlinien zur Begutachtung von chronischen Schmerzpatienten (Widder et al. 2007) ebenfalls von einer interdisziplinären Arbeitsgruppe veröffentlicht. Auch die Leitlinien zur sozialmedizinischen Begutachtung in „somatischen” Fachgebieten (z. B. Kardiologie und Orthopädie) nehmen bei der Leistungsbeurteilung Bezug auf psychosoziale Variablen, die jedoch sehr allgemein gehalten werden und nicht operationalisiert sind (AWMF online 2008a; AWMF online 2008b). Bei der Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen und

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ihrer Folgen in Form von Funktionsstörungen auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene spielen somatische Faktoren gegenüber psychischen Beeinträchtigungen eine geringere Rolle. Aber auch die psychischen und die psychosomatischen Symptome erklären etwaige Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit nur unvollständig; diese leiten sich nicht stringent aus den psychischen Symptomen ab. Individuen mit vergleichbaren psychischen (z. B. Ängste oder Depressionen), aber auch organischen Symptomen (z. B. kardial oder orthopädisch) zeigen häufig unterschiedliche quantitative oder qualitative Leistungseinschränkungen oder -ressourcen. Diese Unterschiede sind oftmals in den einzelnen psychosozialen Faktoren begründet, zu denen z. B. die Krankheitsverarbeitung, vorhandene oder nichtvorhandene soziale Unterstützung, berufliche Perspektive (z. B. Verfügbarkeit eines Arbeitsplatzes), aber auch personale Faktoren (wie Belastbarkeit, Frustrationstoleranz, Motivation) gehören. Die psychosomatische Begutachtung muss also das Gesamt an somatischen, psychischen und sozialen Variablen in ihren Wechselwirkungen und ihren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit berücksichtigen. Deshalb gilt, dass die psychiatrische Diagnose im Sinne der International Classification of Diseases- (ICD-)10 nur eine eingeschränkte Aussagekraft für die Leistungsbeurteilung hat. Die Leistungsfähigkeitsbeurteilung muss zusätz-

lich ergänzende diagnostisch bedeutsame Merkmalsbereiche berücksichtigen. Eine allgemein wissenschaftlich akzeptierte Rationale der somatischen, psychischen und sozialen Dimensionen, auf die die Leistungsbeurteilung aufbauen sollte, und ein Algorithmus zur Bewertung der Leistungsfähigkeit liegen bisher noch nicht vor. Im Feld der Rehabilitation hat das Modell der International Classification of Functioning der WHO (ICF; World Health Organization 2001; . Tab. 1) eine relativ große Verbreitung und Akzeptanz gefunden. Bei diesem diagnostischen Zugang wird der Fokus nicht primär auf die Erkrankung im engeren Sinne im Gesamt ihrer Symptome gelegt, sondern es werden die funktionellen Folgen einer (chronischen) Erkrankung auf der körperlichen, psychischen und sozialen Ebene beschrieben. In diesem Modell werden drei diagnostische Perspektiven zur Beurteilung von Menschen mit (chronischen) Erkrankungen dargelegt. Die Aktivitäten, die ein Individuum umsetzt, stehen nicht nur mit der Störung im engeren Sinn im Zusammenhang, sondern hängen auch von motivationalen Faktoren und Training ab. Für die Ebene der Aktivität sind in der ICF für unterschiedliche Störungsgruppen Kriterienkataloge entwickelt worden, die als relevant angesehene körperliche, aber auch psychische und soziale Aktivitäten (z. B. das Ausmaß, in dem ein Individuum für sich selbst sorgen kann) umfassen. Diese Kriterienkataloge eignen sich jedoch nicht zur Charakterisierung der Klientel, die im Schwerpunkt im Fach unter psychosomatisch-psychotherapeutischen Gesichtspunkten begutachtet werden. Cieza et al. (2004) haben jedoch Kriterienkataloge für die Aktivitätsbeurteilung von Individuen mit psychischen oder psychosomatischen Störungen (z. B. Schmerzpatienten) entwickelt, die den Problemstellungen näher kommen. Bei der Analyse der Partizipation eines zu Begutachtenden ist zu untersuchen, an welchen Lebenswelten dieser teilhat und an welchen nicht. Soweit er Aktivitäten im privaten Bereich erbringen kann, die auch im beruflichen Kontext gefordert sind, er diese dort jedoch hier nicht erbringen kann, ist zu fragen, warum ihm

Zusammenfassung · Abstract dies nicht möglich ist. In einem nächsten Schritt kann unter einer veränderungsorientierten Perspektive gefragt werden, unter welchen individuellen und kontextuellen Bedingungen der Transfer von Aktivitäten/Kompetenzen, die in einem Lebensbereich zur Verfügung stehen, in einen anderen Lebensbereich (z. B. die Arbeitswelt) möglich wird. Die Ebenen der Aktivität und der Partizipation an unterschiedlichen Lebensbereichen (z. B. Arbeitswelt, Vereine etc.) stellen einen Ausdruck der Wechselbeziehung zwischen personalen Faktoren (körperlichen und psychischen Variablen) und Umweltfaktoren dar. Damit wird der eingeengte Blick auf die Pathologie als hauptsächlichen kausalen Hintergrund für die Einschränkungen auf den Ebenen der Aktivität und der Partizipation aufgegeben. Mit Bezug auf die personalen und die Umweltfaktoren lassen sich im Einzelfall rehabilitative Interventionen planen, die der Förderung von Aktivität und Partizipation dienen. Das Problem bei der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit besteht darin, die Kluft zwischen der organischen oder der psychischen Erkrankung (im Sinne einer Diagnose) und der realen Leistungsfähigkeit zu überbrücken, da, wie oben ausgeführt, die Diagnose keine validen Aussagen zur Leistungsfähigkeit ermöglicht. Es geht dabei darum, Faktoren zu identifizieren, die notwendig sind, um die gegebene Leistungsfähigkeit im konkreten Fall zu klären. Für das Feld der psychosomatischen Medizin und Psychotherapie sind dabei insbesondere psychosoziale Variablen von Bedeutung. Um dies in der Terminologie der ICF auszudrücken, ist es notwendig, psychosoziale Variablen zu definieren, die die Aktivitäten, die ein zu Begutachtender umsetzen kann, bestimmen. Für die Frage der Partizipation (Was kann der Patient in welchen Lebenskontexten?) ist es notwendig, die Kontexte bzw. die Interaktion zwischen Person und Kontext zu eruieren. Dieser Ansatz wurde konzeptualisiert und in einem halbstrukturierten manualisierten Interview zur Beurteilung psychosozialer Dimensionen der Leistungsfähigkeit operationalisiert und empirisch überprüft.

Psychotherapeut 2009 · 54:37–43  DOI 10.1007/s00278-008-0646-2 © Springer Medizin Verlag 2008 Wolfgang Schneider · Martin Firzlaff · Kerstin Birke · Thomas Klauer

Sozialmedizinische Begutachtung der beruflichen Leistungsfähigkeit. Interview zur Beurteilung psychosozialer Dimensionen der Leistungsfähigkeit Zusammenfassung Das „Interview zur Beurteilung psychosozialer Dimensionen der Leistungsfähigkeit“ kann zukünftig ein brauchbares Instrument bei der Begutachtung der Leistungsfähigkeit in unterschiedlichen Kontexten darstellen. Es ist vom Zeitaufwand her sehr praktikabel und ohne größeren Schulungsaufwand anwendbar. Die testtheoretischen Parameter sind gut. Die faktorenanalytisch modifizierte Form muss weiteren Reliabilitäts- und insbesondere Validitätsstudien unterzogen werden.

Jedoch eignet sich das Instrument bereits als Rationale für die Begutachtung der Leistungsfähigkeit, stellt einen Algorithmus für die gutachterliche Bewertung dar und zeigt einen Bezug zur International Classification of Functioning (ICF). Schlüsselwörter Leistungsbeurteilung · Begutachtung · Reliabilität

Sociomedical assessment of occupational performance capability. Interview for the evaluation of psychosocial dimensions of performance capability Abstract The „Interview for the Evaluation of Psychosocial Dimensions of Performance Capability“ represents a potentially suitable instrument for the assessment of performance capability in various contexts. Regarding time expenditure, it is very viable and can be applied without special training. Test statistics for subscales derived from factor analysis are satisfying. The modified scales should be subject to further studies of validity and reliability. How-

ever, the instrument is already suited as a tool for the assessment of performance capability, represents an algorithm for decision-making and is related to the concepts of the International Classification of Functioning (ICF). Keywords Medical expertise · Assessment of performance · Reliability

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Originalien Interview zur Beurteilung psychosozialer Dimensionen der Leistungsfähigkeit

Tab. 2  Achsen des Interviews zur Beurteilung psychosozialer Dimensionen der   Leistungsfähigkeit Achse 1 Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit in unterschiedlichen psychosozialen Dimensionen

2

Beanspruchung in der beruflichen Tätigkeit

3

Ressourcen in Bezug auf die berufliche Leistungsfähigkeit

4

Äußere Bedingungen, die die Leistungsentwicklung beeinflussen

5

Bedeutung der Erkrankung für den Arbeitsprozess

Items A B C D E F A B C D E F A B C D E F A B C D E A B C

Emotionale Ebene Motivationale Ebene Dysfunktionale Leistungskonzepte Kognitive Ebene Verhaltens- und Handlungsebene Psychosoziale Kompetenzen Scheitern an Anforderungen Erleben eigener Grenzen/Fehler Erleben negativer Veränderungen Erleben emotionaler Belastungen Auseinandersetzung mit Kollegen Innere Auseinandersetzung Erreichen beruflicher Ziele Erleben eigener Ressourcen Umsetzen eigener Ressourcen Bereitschaft zur Veränderung Motivation für medizinische Maßnahmen Erleben kollegialer Unterstützung Arbeitsplatzbezogene Belastungen Arbeitsplatzbezogene Ressourcen Chronifizierungsbegünstigende Faktoren Private/familiäre Belastungen Private/familiäre Ressourcen Letzte Tätigkeit (Proband) Letzte Tätigkeit (Gutachter) Allgemeiner Arbeitsmarkt (Proband)

Tab. 3  Reliabilität (Beobachterübereinstimmung) für Achsen und Gesamtwert des   Interviews Achse 1 2 3 4

Itemzahl k

Mittlere IC-Korrelationa 0,42 0,78 0,77 0,71

Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit 6 Beanspruchung am Arbeitsplatz 6 Individuelle berufsbezogene Ressourcen 5 Äußere Bedingungen des beruflichen Leistungsver5 mögens 5 Bedeutung der Erkrankung in spezifischer Arbeits4 0,41 situation Gesamte Itemliste 26 0,58 a Über fünf Beobachter bzw. zehn Beobachterpaare gemittelte Intraklassen- (IC-)Rangkorrelationen.

Tab. 4  Faktorenanalytisch gewonnene Skalen der Itemliste zur Beurteilung der psychosozialen Leistungsfähigkeit (n=99) Name

Itemzahl k und Kennwerte k M SD rtt 1 Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit 9 26,95 11,59 0,80 2 Belastungen am Arbeitsplatz 5 16,28 7,38 0,80 3 Leistungsbezogene Ressourcen 6 26,46 6,11 0,72 α Cronbachs α, M Mittelwert, rtt Testwiederholungsreliabilität, SD Standardabweichung.

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α 0,89 0,85 0,77

Definition relevanter psychosozialer Merkmalsbereiche Die (berufliche) Leistungsfähigkeit eines Individuums ist von den vorliegenden somatischen und psychosozialen Voraussetzungen, einschließlich eventuell vorliegender Erkrankungen, abhängig. Das konkrete Leistungsvermögen lässt sich jedoch auf der Basis dieser allgemeinen Charakteristika auf der biopsychosozialen Ebene nicht zufrieden stellend beschreiben oder bewerten. Es wurden relevante psychosoziale Merkmalsbereiche definiert, die aus Sicht der Autoren das konkrete berufliche Leistungsvermögen eines Individuums vor dem Hintergrund seiner Lebensgeschichte sowie seiner Erkrankung beeinflussen und einen engen Bezug zur beruflichen Leistungsfähigkeit aufweisen. Diese Merkmalsbereiche wurden aus inhaltlichen Erwägungen fünf Achsen zugeordnet, die in . Tab. 2 dargestellt werden. Die Beurteilung der einzelnen diagnostischen Kategorien wird auf einer 7-stufigen Likert-Skala mit den Ausprägungen von 0 (nicht vorhanden) über 3 (mittlere Ausprägung) bis 6 (hohe Ausprägung) vorgenommen. Zusätzlich können die Merkmale ggf. als „nicht beurteilbar” eingestuft werden. Die unterschiedlichen diagnostischen Merkmalsbereiche wurden in einem ersten Schritt in einem Manual durch Kriterien zur Beschreibung des Merkmals sowie dessen Ausprägung operationalisiert. In einem nächsten Schritt beurteilten erfahrene Gutachter im Rahmen von Weiterbildungsveranstaltungen zur Begutachtung das Interview. Ergänzend wurde das Instrument auf der Basis von videodokumentierten Fällen in diesen Workshops erprobt. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse ist das Instrument modifiziert worden. Diese Fassung des Interviews ist dann in einem nächsten Schritt in zwei empirischen Studien zu Fragen der Reliabilität und Validität untersucht worden.

Reliabilität und Validität

Tab. 5  Ergebnisse der Itemanalysen der Itemliste zur Beurteilung der psychosozialen Leistungsfähigkeit (n=99; sortiert nach Skalen)

Beobachterübereinstimmung

Item

Für eine erste Reliabilitätsüberpüfung auf Itemebene wurde ein videodokumentiertes Interview von fünf in der Arbeit mit dem Interview geschulten Beurteilern (Mitarbeiter der Universitätsklinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin der Universität Rostock) beurteilt. Zur Beurteilung der Beobachterübereinstimmung wurde die über die so gebildeten zehn Beobachterpaare gemittelte Spearman-Intraklassenkorrelation herangezogen (. Tab. 3). Die Ergebnisse verweisen auf eine befriedigende bis gute Reliabilität des Interviews. Mit Korrelationskoeffizienten von r=0,71 bzw. r=0,78 ist die Interraterübereinstimmung auf den Achsen (3) „berufsbezogene Ressourcen” und (4) „äußere Bedingungen des beruflichen Leistungsvermögens” besonders überzeugend. In einer zweiten Untersuchung haben zehn Ärzte und Psychologen der Rehabilitationsklinik für Psychosomatik Heiligendamm, die in der Arbeit mit dem Interview geschult worden waren, mit insgesamt 99 Patienten zum Abschluss der Rehabilitationsbehandlung im Rahmen der obligatorischen sozialmedizinischen Beurteilung das Interview durchgeführt. Im Anschluss an eine Faktorenanalyse wurden dann teststatistische Gütekennwerte der Items (Itemschwierigkeit und -trennschärfe) im Hinblick auf die faktoriellen Skalen berechnet. Zur Untersuchung von Aspekten der Validität (vor allem Konstruktvalidität) wurden zum Therapieabschluss die Symptom Checklist-90-R (SCL-90-R; Franke 2002) und der Fragebogen zur Messung der Psychotherapiemotivation (FMP; Schneider et al. 1989) bearbeitet.

Konstruktion faktorieller Skalen

Eigenwerteverlauf und Scree-Test legten eine Dreifaktorenlösung nahe, die 50,83% der Varianz erklärte. Nach Varimax-Rotation wurden die drei Skalen (1) Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit, (2) Belastungen am Arbeitsplatz und (3) leistungsbezogene Ressourcen gebildet (. Tab. 4).

Kennwertea M SD

p Md rit p8/9 Skala 1: Beeinträchtigung 1A Emotionale Ebene 3,92 1,59 0,56 4,00 0,49 0,00 1D Kognitive Ebene 2,99 1,76 0,43 3,00 0,60 0,01 1E Verhaltens- und Handlungsebene 2,17 1,43 0,31 2,00 0,67 0,04 1F Psychosoziale und interaktionelle 2,78 1,45 0,40 3,00 0,57 0,00 Kompetenzen 2A Scheitern an Anforderungen 2,69 2,04 0,38 3,00 0,65 0,05 4C Chronifizierungsbegünstigende 2,79 2,21 0,40 2,00 0,70 0,00 Faktoren 5A Letzte Tätigkeit (Proband) 3,79 1,96 0,54 4,00 0,75 0,02 5B Letzte Tätigkeit (Gutachter) 3,20 1,75 0,46 3,00 0,70 0,01 5C Allgemeiner Arbeitsmarkt (Proband) 2,61 1,80 0,37 2,00 0,64 0,01 Skala 2: Belastung am Arbeitsplatz 2B Erleben eigener Grenzen/Fehler 3,39 1,60 0,48 4,00 0,53 0,02 2C Erleben negativer Veränderungen 3,45 2,08 0,49 4,00 0,64 0,11 2D Erleben emotionaler Belastungen 3,14 2,07 0,45 3,00 0,69 0,05 2E Auseinandersetzung mit Kollegen 2,70 1,81 0,39 3,00 0,61 0,10 2F Innere Auseinandersetzung mit 3,47 2,10 0,50 4,00 0,82 0,07 Kollegen Skala 3: Ressourcen 3A Erreichen beruflicher Ziele 4,32 1,36 0,62 4,50 0,44 0,01 3B Erleben eigener Ressourcen 3,82 1,41 0,55 4,00 0,71 0,01 3C Umsetzen eigener Ressourcen 3,84 1,43 0,55 4,00 0,65 0,10 3D Bereitschaft zur Veränderung 4,04 1,69 0,58 4,00 0,42 0,09 3F Erleben kollegialer Unterstützung 3,39 1,73 0,48 3,00 0,52 0,17 4B Arbeitsplatzbezogene Ressourcen 3,11 1,69 0,44 3,00 0,41 0,12 M Mittelwert, Md Median, p Lösungswahrscheinlichkeit bzw. -schwierigkeit, p8/9 Wahrscheinlichkeit fehlender Urteile, rit Trennschärfe, SD Standardabweichung.

Die einzelnen Items des Interviews wiesen mit Werten zwischen 0,41≤rit≤0,82 gute Trennschärfekennwerte auf, d. h. es zeigten sich enge Zusammenhänge mit den individuellen Messwerten auf den faktoriellen Skalen. Die Lösungswahrscheinlichkeiten bzw. die Lösungsschwierigkeiten (p) lagen durchweg im mittleren – also praktisch und theoretisch akzeptablen Bereich (0,20


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