Soukup, Barbara. 2015. Zum Phänomen \'Speaker Design\' im österreichischen Deutsch. In: Alexandra N. Lenz and Manfred M. Glauninger (eds.), Standarddeutsch im 21. Jahrhundert – Theoretische und empirische Ansätze mit einem Fokus auf Österreich, 59-79. Göttingen: V&R.
Zum Phänomen ‚Speaker Design‘ im österreichischen Deutsch1 Barbara Soukup, Universität Wien “It is a truism, but one frequently ignored in research, that how something is said is part of what is said.” DELL HYMES (1972: 59)
Einleitung Im Bereich der angloamerikanisch orientierten Forschung zur Intra-SprecherInnen-Variation ist seit nun bereits mehr als einem Jahrzehnt ein Trend hin zu sogenannten ‚Speaker Design Approaches‘ auszumachen (siehe SCHILLING-ESTES 2002).2 In traditionelleren Ansätzen wurde die Intra-SprecherInnen-Variation zunächst oftmals als Funktion bzw. Korrelat von Faktoren wie Sprechaufmerksamkeit (‚attention to speech‘ – siehe LABOV 1972) und sehr allgemeiner sozialer Gruppenzugehörigkeit beforscht (z. B. bezüglich des sozioökonomischen Status). Diese Faktoren wurden in späteren Arbeiten immer mehr ausdifferenziert und in Bezug zu lokalen Kontexten gesetzt (siehe z. B. MILROYS [1987] Forschung zu ‚social networks‘ sowie BELLS [1984] ‚Audience Design‘-Modell, welches sprachliche Variation als Reaktion auf ZuhörerInnenschaft postuliert). Im Einklang mit der Ausbreitung konstruktivistischer epistemologischer Strömungen in den Sozial- und Geisteswissenschaften allgemein (siehe z. B. ROSENAU 1992; SCOLLON 2003) konzeptualisiert der gegenwärtige 1
Dieser Beitrag stützt sich großteils auf eine Studie, die erstmals und in ausführlicherer Form (jedoch in englischer Sprache) in SOUKUP (2009) präsentiert wurde. 2 Eine Begriffsklärung für die Zwecke des vorliegenden Beitrags erscheint hier notwendig. Im Kontext von ‚Speaker Design‘ bezeichnet die angloamerikanischen Literatur die vorkommende Variation typischerweise als ‚style-shifting‘, was zumeist auf Wechsel zwischen „varieties of a single language“ bezogen wird, im Unterschied zu „[s]witching between different languages“, das zumeist unter dem Label ‚code-switching‘ beforscht wird (siehe SCHILLING-ESTES 2002: 375). Mittlerweile werden hier die Termini ‚style-shifting‘ und ‚code-switching‘ aber oftmals auch als auf das selbe Phänomen bezogen betrachtet, nämlich das Wechseln zwischen jenen sprachlichen Ressourcen (welcher Art auch immer), über die SprecherInnen verfügen können (MILROY / GORDON 2003). Dies vor allem auch wegen der Schwierigkeit, systemlinguistisch zwischen ‚varieties of a single language‘ und ‚different languages‘ zu differenzieren (siehe z. B. HUDSON 1996). Diesem Usus gegenüber steht in der germanistischen Linguistik eine komplexe Terminologiediskussion, die bezüglich der Begriffe ‚Stil‘, ‚Varietät‘, ‚Sprechlage‘, ‚Register‘, ‚Stilwechsel‘ und ‚Code-switching‘ auf präzise, wenngleich oftmals unterschiedliche, Abgrenzungen setzt, aber in diesem Unterfangen mit dem angloamerikanischen Gebrauch nicht unbedingt konform geht. Um diese Problematik dem Umfang dieses Beitrags (der sich method[olog]isch zentral auf angloamerikanische Traditionen bezieht) entsprechend zu umgehen, kommt hier bevorzugt der möglichst neutral zu verstehende Begriff ‚Intra-SprecherInnen-Variation‘ (im Unterschied zur ‚Inter-SprecherInnen-Variation‘ oder der Variation zwischen SprecherInnenGruppierungen) zum Einsatz (als Übersetzung aus SCHILLING-ESTES 2002), der sich dann im hier gegebenen Kontext des österreichischen Deutsch auf den Wechsel zwischen den ‚Vollvarietäten‘ (siehe z. B. SCHMIDT / HERRGEN 2011) Standard und Dialekt beziehen wird (siehe weiter unten). Zur weiterführenden Terminologiediskussion siehe etwa auch AUER (1986), DITTMAR (1997), GILLES et al. (2010).
Speaker-Design-Zugang die Intra-SprecherInnen-Variation nunmehr weniger wie bisher als Funktion bzw. Reaktion auf soziale und situationelle Gegebenheiten, sondern (auch und vor allem) als Zeichen und Mittel pro-aktiver kommunikativer Gestaltung und Tätigkeit der SprecherInnen, deren Sprachverwendung somit unter dem Aspekt der Rhetorik (Zielorientiertheit, Sprechstrategie) betrachtet wird. Mit anderen Worten rückt also ins Zentrum des Forschungsinteresses die Art und Weise wie SprecherInnen die sprachlichen Ressourcen, über die sie verfügen (und welche sich natürlich durchaus in ihrer jeweiligen Biographie und Sozialisierung begründen), in der Interaktion aktiv einsetzen, um gewisse kommunikative Effekte zu erzielen, so wie die Projektion von sozialen Identitäten und lokalkonversationellen Beziehungen (‚positionings‘ – VAN LANGENHOVE / HARRÉ 1999; ‚personae‘ – i. a. COUPLAND 2001; ‚alignments‘ – GOFFMAN 1981), die ihrerseits emergent die soziale Lebenswelt (re)produzieren.3 Maßgebliche Speaker-Design-Studien wie zum Beispiel jene, die SCHILLING-ESTES (2004) und COUPLAND (2007) vorgelegt haben, integrieren dementsprechend eine variationistische und eine interaktionell-diskursanalytische Perspektive. Ein Hauptziel des vorliegenden Beitrags ist es nun, das Phänomen Speaker Design im Fall von Intra-SprecherInnen-Variation im österreichischen Deutsch darzulegen und empirisch aufzuarbeiten. Konkret soll der interaktionellen, rhetorischen Verwendung von österreichischer Standardsprache versus bairisch-österreichischem Dialekt nachgespürt werden.4 Als Ausgangspunkt dient ein Ankerbeispiel, das Konversationsdaten einer Fernsehdiskussionssendung des öffentlich-rechtlichen österreichischen Rundfunks (ORF) entnommen ist. Die darauffolgende Analyse und deren empirische Zuarbeiten bewegen sich innerhalb eines interaktionell-diskursanalytischen Bezugsrahmens (‚interactional sociolinguistics‘ – siehe z. B. GUMPERZ 2001; SCHIFFRIN 1996); aus der interdisziplinären Natur des Unterfangens ergeben sich dabei dann auch zentrale Brückenschläge zu solchen Wissenschaftsdiskursen, die gegenwärtig speziell in der germanistischen Standard- und
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Siehe auch ECKERT (2012), die die entsprechende Entwicklung in der Variationslinguistik in der Form von drei Wellen – „three waves“ – beschreibt. 4 Hier wird, ähnlich wie in der gegenwärtigen Deutschland-bezogenen Regionalsprachenforschung, von einem ‚Zwei-Kompetenzen-Modell‘ ausgegangen, welches den österreichischen Sprachgebrauch allgemein im Spannungsfeld der Pole ‚Dialekt‘ und ‚Standard‘ bzw. ‚Hochsprache‘ ansiedelt (siehe u.a. WODAK-LEODOLTER / DRESSLER 1978; DRESSLER / WODAK 1982; MOOSMÜLLER 1991). Die zumeist im Folgenden unspezifiziert bleibende Verwendung des Begriffs ‚Dialekt‘ ist hier allerdings immer nur auf den bairisch-österreichischen Sprachraum zu beziehen. Die merklich anders gelagerten soziolinguistischen Gegebenheiten des Alemannischen in Österreich müssen hier leider unberücksichtigt bleiben (aber siehe z. B. KAISER / ENDER 2012 zur Weiterführung).
Regionalsprachenforschung Virulenz besitzen, nämlich jenen der sprachlichen Salienz und Abgrenzung, bzw., ganz allgemein, der Perzeptionslinguistik (siehe z. B. ANDERS et al. 2010; SCHMIDT / HERRGEN 2011). Die folgende Diskussion soll somit nicht nur dem aktuellen soziolinguistischen Forschungsstand zum österreichischen Deutsch Rechnung tragen, sondern auch auf generellerer Ebene als Katalysator für Fragestellungen dienen, die der Variationslinguistik im 21. Jahrhundert bezüglich Epistemologie und Empirie angetragen sind.
Speaker Design im österreichischen Deutsch: Ein Beispiel Wöchentliche Live-Fernsehdiskussionssendungen, in denen sich ein kleinerer, heterogener Kreis von ExpertInnen, PolitikerInnen und sonstwie Betroffenen unter ORF-Moderation zu einem aktuellen Thema austauscht, gibt es seit mehreren Jahrzehnten im öffentlichrechtlichen österreichischen Fernsehen; und obwohl sich die Details des Formats über die Jahre immer wieder geändert haben, besteht es auch heute noch, gegenwärtig (2013) unter dem Titel ‚Im Zentrum‘. Im Jahr 2004, aus dem die nun zu präsentierenden Daten stammen, hieß die in Essenz (und auch Sendeplatz – Sonntag abends) gleiche Sendung ‚Offen gesagt‘. Die vorliegend herangezogene, wie üblich circa einstündige Ausgabe wurde am 18. Jänner 2004 zum Thema des damals laufenden Präsidentschaftswahlkampfes produziert und ausgestrahlt, und stand demnach unter dem Titel ‚Wer soll in die Hofburg‘. DiskussionsteilnehmerInnen waren jeweils zwei Unterstützende der zwei Präsidentschaftskandidierenden sowie ein politischer Kabarettist und der ORF-Moderator (also sechs Personen insgesamt – davon fünf Männer). Ein guter Teil der Sendung wurde damit bestritten, die Amtseignung der beiden Kandidierenden zu diskutieren, und zwar der Lagerspaltung entsprechend auch sehr hitzig. Im nun vorliegenden Exzerpt ist Diskussionsteilnehmer AT gerade dabei, seine Einschätzung der Verhaltensweise jener Kandidatin darzulegen, die er selbst eben nicht unterstützt, nämlich der damaligen Außenministerin, und zwar im Kontext der Ereignisse des tumultuösen G8-Gipfels in Genua im Jahr 2001. Damals wurde eine österreichische AktivistInnen-Theatergruppe in Italien verhaftet, was somit in den Zuständigkeitsbereich der Außenministerin fiel, die sich aber, zumindest nach ATs Einschätzung, nur sehr zögerlich um eine Freilassung bemühte:
Exzerpt 1, ‚Offen gesagt‘, ORF, 18. Jänner 2004 a
AT: Das ist sozusagen ein echter Megafettnapf [...]
b
Da geht‘s nämlich um nicht mehr
c
um nicht weniger als dass dort ein paar linke Theaterleute im Zuge
d
dieser Veranstaltung festgenommen wurden österreichische
e
Staatsbürger und Staatsbürgerinnen und dass die Frau
f
Außenminister nichts anderes zu tun hatte als zu sagen najo und
g
zwar öffentlich nachzulesen auf der Homepage des
h
Außenministeriums der Text steht fest najo des san kane Guatn
i
gegen die liegt eh äh sozus- gegen die liegen eh sozusagen
j
Anzeigen vor im Innenministerium und denen wird scho recht
k
gschehn (.) das war ihre Ant- das war ihre Reaktion zum Schutz
l
österreichischer Staatsbürger die im Ausland verhaftet werden [...]
Wie im Exzerpt anhand der Hervorhebungen ersichtlich, produziert AT in dieser Passage einige Features, die sich der gängigen sprachwissenschaftlichen Literatur nach (siehe u.a. DRESSLER / WODAK 1982; MOOSMÜLLER 1991) ‚genetisch‘ dem Dialekt zuordnen lassen: In den Zeilen f und h sind dies die ‚Input-Switches‘[a] ↔ [ɔ] in najo (vs. Std. naja); des Weiteren in Zeile h die Input-Switches [das] ↔ [de:s], [sind] ↔ [san], [aɛ] ↔ [a:] in „kane“ (vs. Std. keine) und [u:] ↔ [ʊɐ] in Guatn (vs. Std. Guten). In Zeile i folgen zwei Tokens des dialektalen Diskursmarkers eh, dann ein [ʃo:n] ↔ [ʃɔ:] switch in Zeile j und schließlich eine ge-Reduktion in g'schehn (vs. Std. geschehen), vor einer kurzen Pause (.). Über den Verlauf der gesamten etwas mehr als einstündigen Sendung erfasst, beträgt ATs Rate an Wörtern mit mindestens einem derart identifizierbaren Dialektfeature 10,8 Prozent (= 480 von 4.426 im Transkript gezählten gesprochenen Wörtern insgesamt). In sehr ähnlicher Weise beträgt die Dialektrate in Exzerpt 1, Zeilen b-l, 10,3 Prozent (= 10 von 97 Wörtern). Betrachtet man nun aber Exzerpt 1 etwas genauer, so scheint die Dialektrate allein nur eine sehr unvollständige Geschichte über die sich darin entfaltenden interaktionellen Geschehnisse zu erzählen. Tatsächlich konzentriert sich ATs Dialektproduktion ja genau auf jene Passage, in der er die Außenministerin angeblich direkt ‚zitiert‘, also (mit kurzer Unterbrechung) Zeilen f-k („[...] dass die Frau Außenminister nichts anderes zu tun hatte als zu sagen najo [...] des san kane Guatn gegen die liegt eh äh sozus- gegen die liegen eh sozusagen Anzeigen vor im Innenministerium und denen wird scho recht gschehn“). Dies
allein legt bereits die Vermutung nahe, dass ATs Dialektgebrauch in Exzerpt 1 nicht ‚zufällig‘ oder aus einer gewissen „Grundvariation“ (AUER 1986: 119) in Standard-intendierendem Sprachgebrauch erwächst, sondern strategischer (rhetorischer) Natur ist – also einen Fall von Speaker Design darstellt.5 Zudem erscheint es ja auch nahezu unmöglich, dass die Außenministerin selbst die Urheberin des Zitats im von AT gewählten Wortlaut war: wie in Österreich allseits bekannt, würde auf keiner österreichischen Ministeriumshomepage je eine Verlautbarung des oder der Amtsinhabenden im Dialekt veröffentlicht; und zusätzlich war ein standardsprachliches ‚Auftreten‘ der damaligen Außenministerin in der Öffentlichkeit der absolute Regelfall. ATs diesbezügliche Darstellung ist in ihrer Unwahrhaftigkeit also nur allzu transparent - das ‚Zitat‘ kann in dieser dialektalen Form nicht wirklich der Realität entsprungen sein. Dies ist wohl ein weiteres Indiz dafür, dass dieses Zitat in der Interaktion nicht nur rein inhaltlich eine Rolle spielt. Was könnte nun aber die rhetorische Funktion von ATs Dialektgebrauch sein? Ist es bloß eine Art Bruch und Markierung des Übergangs in die ‚Worte‘ einer anderen Sprecherin, wie schon oftmals im Zusammenhang mit Sprachwechseln konstatiert (siehe z. B. AUER 1995), oder steckt noch mehr dahinter? Immerhin ist in der Diskursanalyse die Ansicht lange etabliert, dass selbst sogenannte ‚direkte‘ Zitate in der Interaktion immer einen Akt des ‚Reframing‘ darstellen (im Sinne GOFFMANS 1974), der vielmehr den kommunikativen Motiven des Zitierenden unterworfen ist als jenen des Zitierten: „In the deepest sense, the words have ceased to be those of the speaker to whom they are attributed, having been appropriated by the speaker who is repeating them“ (TANNEN 1989: 101). TANNEN (1989, mit Bezug auf BAKHTIN 1981 [1975] und 1986 [1952-53]) präferiert dementsprechend den Terminus ‚constructed dialogue‘ anstatt des für sie missverständlichen ‚direct quotation‘, FAIRCLOUGH (1992) in ähnlicher Weise den Begriff ‚represented discourse‘, um auf diese
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N.B.: In Österreich ist die allgemein mit (öffentlichem) Fernsehen verbundene und somit erwartete Sprechweise die Standardsprache (siehe z. B. STEINEGGER 1998). Tatsächlich manifestieren sich allerdings sowohl in Sprechsituationen, in denen Standardsprechen erwartet wird, als auch bei SprecherInnen, die aufgrund ihres sozialen Hintergrunds (Prestiges) als standardnormgebend angesehen werden könnten (z. B. LehrerInnen, HochschulprofessorInnen, FernsehsprecherInnen) in der Produktion immer wieder Dialektfeatures, sodass mittlerweile in linguistischen Beschreibungen das Österreichisch-Standardsprachliche als durch ein gewisses Level von ‚Grundvariation‘ (Integration dialektaler Elemente in überwiegender Hochsprache) charakterisiert dargestellt wird (siehe dazu weiterführend auch die entsprechenden Beiträge im vorliegenden Band). Wie im Folgenden weiter ausgeführt, wird im gegenwärtigen Beitrag zwischen solcher Grundvariation und strategischen Sprachwechseln unterschieden (ähnlich wie in AUER 1986), auf Letztere fokussiert, und in deren Exegese, ausgehend vom bereits erwähnten Zwei-Kompetenzen-Modell, die Abgrenzung von österreichischem Standard und Dialekt als empirisch-perzeptionslinguistisch zu behandelnde Fragestellung betrachtet.
Aneignung und Rekontextualisierung hinzuweisen.6 In diesem Sinne liegt es also nahe, dass AT den Wortlaut, den er der Außenministerin in den Mund legt, irgendwie für interaktionelle Zwecke nutzbar macht, die über ein bloßes Abgrenzungssignal hinaus gehen. Tatsächlich ist in der Erklärung des Phänomens Speaker Design ein wichtiger Bezugspunkt GUMPERZ‘ (1982) Konzept der ‚Kontextualisierung‘, welches besagt, dass der Einsatz einer bestimmten Sprechform auch immer deren soziale Bedeutung für die Interpretation des Gesagten indiziert. Variiert nun eine Sprecherin innerhalb einer Interaktion zwischen verschiedenen Sprechformen, ist eines der ausgesendeten Signale die entsprechend gekoppelte Variation sozialer Assoziationen (wie z. B. der jeweiligen Stereotype und Spracheinstellungen). Durch strategisches Spiel mit dieser ‚Intertextualität‘ (KRISTEVA 1986 [1966])7 zwischen Sprachgebrauch und Sprachassoziationen können nun gewisse Konnotationen (kommunikative meta-messages) suggeriert werden. In ATs Fall kommt also die Variation in der sozialen Bedeutung von österreichischer Standardsprache und Dialekt zum Tragen: Wie aus der Literatur zu ersehen, wird der (bairisch-österreichische) Dialekt, obwohl als wichtiger Identifizierungsanker dienlich (DE CILLIA 1997), von den ÖsterreicherInnen in mancher Hinsicht durchaus viel negativer eingeschätzt als der Standard, vor allem in Bezug auf Bildung, Kultiviertheit und ‚Korrektheit‘ (siehe z. B. MOOSMÜLLER 1988, 1991; STEINEGGER 1998). Gemäß den Mechanismen der Kontextualisierung sind dies somit auch Assoziationen, die ATs Dialektgebrauch indiziert. (Dass negative Stereotype hier insbesondere impliziert sind, ergibt sich dabei aus dem unmittelbaren sprachlichen Kontext – schließlich leitet AT seine Geschichte ein mit den Worten „Das ist sozusagen ein echter Megafettnapf“ – siehe Exzerpt 1, Zeile a). Allerdings fallen diese Assoziationen nicht auf AT selbst zurück, sondern auf die Ministerin als vorgeschobene ‚Urheberin‘ und ‚Autorin‘ (‚principal‘ und ‚author‘ – GOFFMAN 1981), also als ‚deictic center‘ (SCHIFFRIN 2002) des ‚Zitats‘. Kurz gesagt lässt AT die Ministerin in der ‚derben‘, ‚ungebildeten‘, ‚groberen‘ Form sprechen – und stellt sie somit, in Extension, als ebensolche Person dar. Der kommunikative Effekt des Sprachwechsels ist also augenscheinlich der einer Verkörperung einer negativen Evaluierung der ‚zitierten‘ Person, und somit letztendlich der Ausdruck eines antagonistischen ‚alignments‘ zwischen AT und der Ministerin. 6
Der Prozess lässt sich typischerweise gut mittels GOFFMANS (1981) Konzepts des ‚production format’ und der damit verbundenen Ausdifferenzierung von SprecherInnenrollen weiter sezieren (siehe z. B. TANNEN 1989; siehe auch weiter unten). 7 mit Verweis auf BAKHTINS (1986 [1952-53] Konzept der ‚Dialogizität‘
Es ist zu hoffen, dass die Analyse von ATs Sprachwechsel als strategisches Speaker Design soweit schlüssig erscheint. Allerdings ist in der Argumentation bis dato ein wichtiger Aspekt noch gänzlich zu kurz gekommen, so wie in (wie sich behaupten lässt) den meisten Speaker-Design-Studien, der jedoch ein sine qua non der Bedeutungsgenerierung durch rhetorischen Sprachgebrauch darstellt: die Perspektive des ‚Publikums‘. Tatsächlich wird im hier herangezogenen theoretischen Rahmen der interaktionellen Diskursanalyse die Interaktion als dialogischer Prozess aufgefasst, der Sprecher und Hörerin gleichermaßen impliziert. ERICKSON (1986: 316) fasst dies kurz und prägnant in das Bild: “talking with another person [...] is like climbing a tree that climbs back.” Interaktion ist demnach keine ‚Einbahnstraße‘ sondern ein verhandelndes ‚Hin und Her‘. Dabei lösen sich eigentlich die Sprecher- und Hörerinnen-Rolle ineinander auf: „When constructing my utterance, I try to actively determine [the listener's] response. Moreover, I try to act in accordance with the response I anticipate, so this anticipated response, in turn, exerts an active influence on my utterance” (BAKHTIN 1986 [1952-53]: 95). Der Sprecher wird also gleichzeitig zum Hörer im Sinne einer (wenngleich antizipierenden) Reaktion, die Hörerin zur Sprecherin im Sinne einer aktiven Beeinflussung des somit ko-produzierten kommunikativen Geschehens. Gemäß diesem Ansatz beruht nun proaktive, strategische Kontextualisierung (Speaker Design) nicht einfach darauf, dass seitens des oder der Sprechenden ein Sprachwechsel vollzogen wird. Vielmehr ist auch bereits in der Produktion die Perspektive des oder der Hörenden zu berücksichtigen – „the apperceptive background of the addressee's perception [...]: the extent to which he [sic!] is familiar with the situation, whether he has special knowledge of the given cultural area of communication, his views and convictions, his prejudices (from [the speaker’s] viewpoint), his sympathies and antipathies - because all this will determine his active responsive understanding of [an] utterance” (BAKHTIN 1986 [195253]: 95-96). Soll also ein Sprachwechsel ‚Erfolg’ haben im Sinne eines (inhärent koproduzierten) kommunikativen Effekts (wie z. B. der Projektion eines gewissen ‚alignments‘), müssen auch folgenden Kriterien von SprecherInnen-Seite berücksichtigt und vom Publikum erfüllt sein:
1.) Das Publikum muss wahrnehmen, dass der/die Sprechende einen sprachlichen Wechsel vollzogen hat.
2.) Das Publikum muss die mittels diesen Wechsels implizierten differenzierten sozialen Assoziationen (Stereotype, Spracheinstellungen) aktivieren.8 3.) Der rhetorische, pro-aktive, strategische Charakter des sprachlichen Wechsels muss erkennbar sein. (Dies, im Sinne einer Unterscheidung auch von HörerInnenseite zwischen ‚Grundvariation‘ ohne erkennbare Systematik und einem vollfunktionalen ‚Wechsel der Gangart‘ – siehe wiederum Auer 1986: 120, der ersteres als ‚Code-Fluktuation‘ und zweiteres als ‚Code-Switching‘ bezeichnet).9
Kurz gesagt, ein von einem/r Sprechenden eingebrachter rhetorischer Effekt, der vom intendierten Publikum nicht als solcher realisiert wird, kann nicht als erfolgreich (oder wohl überhaupt als erfolgt) bezeichnet werden. Die genannten Kriterien sind dementsprechend auch in einer empirischen Beforschung des Phänomens Speaker Design zu berücksichtigen. Es genügt hier also nicht, die Ausformungen der Sprachproduktion eines Sprechers oder einer Sprecherin zu erfassen und zu beschreiben. Rückschlüsse auf die Funktionalität strategischer Sprachwechsel müssen in gleichem Maße die HörerInnenperspektive einbeziehen, also zusätzlich zentral auf dem beruhen, was man heutzutage oftmals als Agenden der ‚Perzeptionslinguistik‘ betrachtet. Im Folgenden soll nun dargelegt werden, wie eine entsprechende Untersuchung methodisch gestaltet werden kann. Dabei werden die oben gelisteten drei Kriterien in ihrer Folge nun einzeln betrachtet und abgehandelt, in Zuarbeit auf eine sowohl von Produktions- als auch Perzeptionsseite adäquate Analyse von Speaker Design im vorangegangenen Ankerbeispiel.
1.) Das Publikum muss wahrnehmen, dass der/die Sprechende einen sprachlichen Wechsel vollzogen hat. Bis vor Kurzem wurde die Sprachperzeption in der Variationslinguistik sehr stiefmütterlich behandelt (THOMAS 2002); dies ist wohl ein Hauptgrund dafür, dass die Methodik speziell zur perzeptionistischen Identifizierung und Abgrenzung von Sprachwechseln in der Intra8
Siehe hierzu auch IRVINES (2001: 22) Postulat, dass Sprachwechsel auf ‚systems of distinction‘ basieren, „in which a style contrasts with other possible styles, and the social meaning signified by the style contrasts with other social meanings.” 9 AUER (1986) verweist zum Begriff ‚Gangart‘ auf Goffmans Überlegungen zur (Re-)Konstruktion von lokalen interaktionellen Positionen und Beziehungen in seinem Kapitel ‚Footings‘ (GOFFMAN 1981).
SprecherInnen-Variation noch der Entwicklung bedarf. Wohl hat vor allem aufgrund der immer einfacheren Verfügbarkeit der notwendigen technischen Hilfsmittel die Forschung zur perzeptionsbasierten Sprachunterscheidung in der Soziolinguistik in den letzten Jahren einen starken Aufschwung erlebt (siehe z. B. CAMPBELL-KIBLER 2010, DRAGER 2010). Jedoch basiert die Mehrzahl entsprechender Studien auf der (zumeist künstlichen) Manipulation von einzelnen oder wenigen sprachlichen Variablen (z. B. LABOV et al. 2012). Wie AUER (2007: 12) hingegen moniert, „we do not interpret single variables but a gestalt-like stylistic expression.” Dementsprechend gehört zur Erfassung der perzeptiven Kompetenz aus soziolinguistischer Sicht auch die Frage danach, welche Konstellationen von sprachlichen Features im Ermessen der Benutzer eine Sprechform eigentlich konstituieren bzw. von einer anderen unterscheiden. Dies ist natürlich von besonderer Bedeutung in Bezug auf sprachliche Systeme, die einander in vielerlei Hinsicht überschneiden bzw. schon aus der Produktionsperspektive heraus nur schwer eindeutig abgrenzbar sind – eben wie österreichischer Dialekt und Standard (zum Problem siehe z. B. auch MOOSMÜLLER 1991, REIFFENSTEIN 1977, SCHEURINGER 1997).10 COUPLAND (1980) scheint der erste zu sein, der sich des Themas der Perzeption interaktioneller sprachlicher Intra-SprecherInnen-Wechsel in ihrer ‚Gesamtheit‘ methodisch angenommen hat. Seine InformantInnen wurden gebeten, neun Sprechproben einer englischsprechenden Reisebüroangestellten aus Cardiff mittels eines in Standardenglisch gehaltenen Transkripts bezüglich Sprachwechsel zu markieren und jede halbe Zeile auf einer Skala (von 1 – sehr Standard-nahe bis 5 – am wenigsten Standard) einzuschätzen. Die Ergebnisse dienten Coupland dann zu einer perzeptionistisch unterstützten Analyse der IntraSprecherinnen-Variation der Angestellten, welche damals schon das Potential der traditionellen Faktoren ‚topic‘ und ‚amount of attention paid to speech‘ (aus Labovs Arbeit) für die Erklärung von Sprachwechseln in Zweifel zog und hingegen auf die lokalinteraktionelle Bedeutung solcher Variation hinwies. In Zuarbeit zur Exegese von Speaker Design im österreichischen Deutsch soll hier nun ein Test zur Elizitierung von Sprachperzeptionen (‚speech perception elicitation test‘ – SOUKUP 2011) kurz vorgestellt werden, der, in Anlehnung an Couplands Methodik, 10
Siehe weiters PURSCHKE (2012) für einen detaillierten Überblick über den aktuellen Forschungsstand der Perzeptionslinguistik speziell im Kontext der Deutschland-bezogenen Regionalsprachenforschung. Im dort erfassten Methodenkanon wird allerdings dem proaktiven interaktionellen Speaker Design, wie im gegenwärtigen Beitrag beschrieben, kaum (außerhalb Umfragen zur reaktiven Situationsbezogenheit von Sprechlagen) Rechnung getragen.
entwickelt wurde, um die Abgrenzung von Dialekt und Standard in ganzheitlicher Form auf Basis der Einschätzungen österreichischer HörerInnen festzusetzen. Für diesen Test wurden 42 InformantInnen mit einer Abfolge von 12 Audioexzerpten aus verschiedenen ‚Offen gesagt‘-Sendungen konfrontiert und gebeten, in einem schriftsprachlichen Transkript jene Passagen mittels Unterstreichung zu markieren, die ihrer Meinung nach in „Dialekt bzw. Umgangssprache, also nicht Hochsprache“ gehalten waren.11 Die Länge der Audioexzerpte variierte zwischen 35 und 100 Sekunden (Durchschnitt: 72s); jedes wurde zweimal hintereinander vorgespielt, mit kurzer Zwischenpause. Die InformantInnen rangierten im Alter zwischen 20 und 70 Jahren, wobei 27 in die Altersgruppe 20-35 und 15 in die Altersgruppe 50-70 fielen. Alle waren aus dem mittelbairisch-österreichischen Sprachraum; etwa die Hälfte hatte einen tertiären Bildungshintergrund. In seiner Konfiguration entsprach dieses Sample ziemlich gut dem Zielpublikum der Sendung ‚Offen gesagt‘ (gemäß Daten aus persönlicher Kommunikation mit dem ORF), nachdem in jenem ältere und höher gebildete ZuseherInnen überrepräsentiert sind – somit erscheint eine Anwendung der Testergebnisse auf die Exegese des oben präsentierten Ankerbeispiels besonders gut argumentierbar. Zur Testauswertung wurden dann zunächst alle jene Wörter im Transkript identifiziert, die von den InformantInnen als ‚Dialekt/Umgangssprache/nicht Hochsprache‘ markiert worden waren. Tatsächlich traf dies auf 68,6% aller Wörter im Transkript (1.536 von 2.240) zu. Um nun einen gewissen perzeptuellen Konsens zu ermitteln, der sich den zu erwartenden, ‚durchschnittlichen‘, ‚typischen‘ Gepflogenheiten eines österreichischen Fernsehpublikums annähert, wurden in der weiteren Analyse schließlich nur jene Wörter berücksichtigt, die von mindestens einem Viertel der InformantInnen (genauer: 11 von 42) unterstrichen worden waren. Diese Grenze wurde vor allem mit Bedacht darauf gesetzt, sowohl den detaillierten Antworten jener InformantInnen, die die Aufgabe am schnellsten und effizientesten erledigten, Rechnung zu tragen, als auch den Klagen vor allem älterer InformantInnen über den Druck der hohen (natürlichen) Sprechgeschwindigkeit in den Audioexzerpten (was aber augenscheinlich nur zu weniger, nicht aber qualitativ anders gearteten Markierungen führte). Die Auswertung bezieht sich daher auf verbleibende 350 Wörter (15,6%) des Transkripts, die im oben definierten Sinne ‚konsensuell‘ von den InformantInnen als nicht 11
Diese Anweisung ergab sich in Anwendung des ‚Zwei-Kompetenzen-Modells‘ sowie auch der Tatsache, dass speziell die Termini ‚Umgangssprache‘ und ‚Dialekt‘ auch laienlinguistisch kaum klar abgrenzbar sind bzw. im Gebrauch kaum klar abgegrenzt werden. Für nähere Details in Bezug auf Test-Design, -Durchführung und -Auswertung siehe SOUKUP (2011).
standardsprachlich gekennzeichnet worden waren. Um die möglichen Gründe zu eruieren, aus denen diese Wörter als dialektal markiert worden waren, wurden diese dann aus den Audioproben phonetisch transkribiert und mit der gängigen Literatur zum österreichischen Deutsch abgeglichen (insbesondere DRESSLER / WODAK 1982; ZEHETNER 1985; MOOSMÜLLER 1991; AMMON et al. 2004; WIESINGER 2006; EBNER 2008). Es zeigte sich in der Folge, dass die allermeisten unterstrichenen Wörter, nämlich 151 (43,1%), einen InputSwitch aufweisen, und diese auch durchschnittlich von mehr als der Hälfte der InformantInnen (55%) markiert wurden (angeführt von einem Token des [da:f] ↔ [dɛɐf] Switches, das zu 100% unterstrichen worden war). Durchschnittlich noch häufiger (von über 70% der InformantInnen) wurden sieben Wörter, die eine ge-Reduktion aufweisen (wie z. B. in [kʃe:n] vs. Std. [ge'ʃe:n]),12 markiert, gefolgt von zwölf Wörtern, die lexikalisch dem Dialekt zuzuordnen sind (wie z. B. hatschen) – 62% der InformantInnen hoben diese hervor. Auf der Liste jener Wörter, die von mehr als einem Viertel der InformantInnen unterstrichen wurden, finden sich des Weiteren solche, die l-Vokalisierungen beinhalten (z. B. in ['fɔeʃɛ] vs. Std. ['falʃɛ]), sowie morphosyntaktische Dialektfeatures (z. B. tun-Periphrase), diverse Kontraktionen (z. B. ['tskœnen] vs. Std. [tsu 'kœnen]) und Reduktionen (z. B. [jɛ:ts] vs. Std. [jɛtst]), Silbenreduktion gemeinsam mit Konsonantenassimilierung und Tilgung wie in [ham] (vs. Std. ['ha:ben]), und natürlich auch solche mit Mehrfachkombinationen aus all diesen.13 Im Vergleich dazu kommen die gelisteten Features so gut wie gar nicht in jenen 704 (31%) Wörtern des Transkripts vor, die von keinem/keiner einzigen der InformantInnen unterstrichen worden waren, trotz vielfacher sprachlicher Möglichkeit des Auftretens (‚potential places of occurrence‘) - (nur zwei Input-Switches, zwei Konsonantenassimilierungen mit Tilgung und eine Cluster-Reduktion machen die Ausnahme). Andere Features hingegen kommen sowohl in den vollkommen unmarkierten als auch in den markierten Wörtern vor. So z. B. die Angleichung der Realisierung von Lenisund Fortisplosiven in bestimmten Kontexten (sodass Dank und Tank zu Homophonen werden: [da k]), r-Vokalisierung ([vɪɐd]), und Silbenreduktion gemeinsam mit Konsonantenassimilierung, aber ohne Tilgung (in [lebm] vs. Std. ['le:ben]). Diese Features werden demnach offensichtlich nicht generell als dialektal perzipiert.
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Als Referenz für die zum Vergleich angegebenen standardsprachlichen Ausspracheformen dient hier das DUDEN AUSSPRACHEWÖRTERBUCH (2000) mit Spezifizierungen von EBNER (2008). 13 Zur Bezeichnung der Features hier und im Folgenden siehe vor allem MOOSMÜLLER (1991). Diese weist unter anderem auch bereits auf die perzeptionelle Salienz von Input-Switches hin.
77% (n = 268) jener 350 Wörter, die von mehr als einem Viertel der InformantInnen unterstrichen wurden, lassen sich wie gezeigt, auf Basis der etablierten Literatur zu österreichischem Dialekt und Standard, erklären. In den verbleibenden 82 Wörtern finden sich interessanter Weise dann noch neun solche, die als ‚hesitation particles‘ (ähm, äh, ah) und ‚false starts‘ zu identifizieren sind. Dies mag auf eine offensichtliche Tendenz österreichischer HörerInnen hinweisen, auch zögerliche und fehlerhafte Sprache als nichtstandardsprachlich bzw. als dialektal zu kategorisieren, was wiederum mit dem Stereotyp der geringeren sprachlichen ‚Korrektheit‘ des Dialekts in Verbindung zu stehen scheint (zur weiterführenden Diskussion siehe SOUKUP 2013). Unter Abzug dieser verbleiben dann noch 73 Tokens, die zwar häufig unterstrichen wurden, aber in denen sich keines der gelisteten Dialektfeatures identifizieren lässt; ihre Markierung lässt sich wohl noch am ehesten in ihrer physischen Nähe zu deutlich dialektalen Wörtern begründen (siehe SOUKUP 2009). Aus dieser Analyse kann man insgesamt nun also eine perzeptionsbasierte Liste jener Features ableiten, die mit aller Wahrscheinlichkeit und typischerweise österreichischen HörerInnen als ‚Diagnoseinstrumente‘ in der österreichischen Standard-DialektUnterscheidung dienen. Diese Liste kann wiederum auf das Ankerbeispiel weiter oben rückgeführt werden. Dort produzierte Sprecher AT insgesamt sieben Input-Switches, zwei ehs und eine ge-Reduktion im ‚Zitat‘ der Ministerin. All diese finden sich unter den eben erstellten Dialekt-diagnostischen Features. Somit lässt sich jetzt auch auf empirischer Basis gut argumentieren, dass ATs Sprachwechsel von einem österreichischen (Fernseh-)Publikum aller Wahrscheinlichkeit nach sehr wohl als solcher wahrgenommen wird, in Erfüllung von Kriterium 1 des Speaker-Design-Prozesses.
2.) Das Publikum muss die mittels diesen Wechsels implizierten differenzierten sozialen Assoziationen (Stereotype, Spracheinstellungen) aktivieren Der soeben präsentierte ‚speech perception elicitation test‘, also die perzeptionslinguistische Methodik zur Identifizierung von Sprachwechseln speziell unter den Umständen natürlicher Interaktion, befindet sich noch in seinen Anfängen und ist durchaus noch weiterzuentwickeln (siehe auch SOUKUP 2011 für kritische Diskussion). Im Gegensatz dazu kann aber in Bezug auf die Erforschung von sozialen Assoziationen, die Hörende mit gewissen Sprechweisen verbinden, auf einen in der Soziolinguistik lange und gut etablierten empirischen Kanon
zurückgegriffen werden, nämlich den der Spracheinstellungsforschung (‚language attitude study‘). Speziell die Tradition der SprecherInnenevaluierung mittels der ‚matched-guise technique‘ (LAMBERT et al. 1960) ist ja bereits inhärent darauf angelegt, jene sozialen Bedeutungen aufzuzeichnen, die aktiviert werden, wenn eine HörerInnenschaft mit einem Wechsel zwischen zwei Sprechformen konfrontiert ist. Es lässt sich somit durchaus argumentieren, dass die Evaluierungsaufgabe, die InformantInnen im Zuge eines solchen Experiments bewältigen, jener sehr nahe kommt, die sie in diesem Hinblick auch in der Interaktion als HörerInnen zu leisten haben. Allerdings gibt es einige Voraussetzungen dafür zu beachten, dass ein ‚matchedguise‘-Experiment auch tatsächlich für die Exegese von Speaker Design in einem gegebenen interaktionellen Kontext herangezogen werden kann. Neben der Verwendung von Sprechproben, die speziell die perzeptionistisch als differenzierend ermittelten Features beinhalten (siehe die vorangegangenen Ausführungen), bezieht sich das auch auf die Notwendigkeit, im experimentellen Design eine ähnliche (parallele) Konfiguration der Sprechsituation herzustellen wie in der zu analysierenden Interaktion. Dieses Erfordernis ergibt sich aus der Tatsache, dass, dem ‚state-of-the-art‘ der (diskursiv orientierten) Sozialpsychologie gemäß, die Elizitierung von (Sprach-)Einstellungen aus einer konstruktivistischen Perspektive heraus, nämlich als ‚evaluative process‘ (z. B. POTTER 1998), zu betrachten ist (siehe auch SOUKUP 2012a). Da solch ein als kommunikativ zu verstehender Prozess so wie jeder andere (z. B. auch die Konversation) situationsspezifische Ergebnisse liefert, können diese nur dann in der Exegese von Sprechdaten weiterverwendet werden, wenn letztere unter ähnlichen Umständen entstanden sind. Dementsprechend kommt nun in der empirischen Zuarbeit zur Analyse von Speaker Design im gegebenen Ankerbeispiel ein Spracheinstellungsexperiment zur Anwendung, in dessen Design in Bezug auf Faktoren wie u. a. Themenwahl der Sprechproben, InformantInnensample und vorzustellender Sprechsituation möglichst viele Parallelen zum Kontext der Fernsehdiskussionssendung ‚Offen gesagt‘ hergestellt wurden. Die InformantInnen waren 123 österreichische Universitätsstudierende (ein Sample, das zwar noch nicht im Alter, aber sehr wohl im hohen Bildungsgrad der typischen ZuseherInnenschaft der Sendung entspricht – siehe weiter oben). Diese wurden gebeten, sechs Sprechproben zum Thema ‚genetisch veränderte Lebensmittel‘ (also ein Thema, das durchaus für die
Fernsehdiskussion plausibel wäre)14 in einem Fragebogen mittels semantischer Differenzialskalen (OSGOOD et al. 1957) einzuschätzen. Ein der Sendung nahekommender Bezugsrahmen wurde eingeführt, indem die zu beurteilenden SprecherInnen als ‚Teilnehmende in einem Kommunikationsseminar‘ vorgestellt wurden, für die Feedback gesammelt werden sollte in Bezug auf den Eindruck, den sie auf ein ‚öffentliches Publikum‘ machen würden. Um des Weiteren speziell eine Situation der Intra-SprecherInnen-Variation zu simulieren, wurde dabei eine neue Variante der ‚matched-guise technique‘, nämlich die sogenannte ‚open-guise technique‘ verwendet, bei der die InformantInnen explizit darauf aufmerksam gemacht wurden, dass sie die gleichen Sprechenden in unmittelbarer Folge in zwei verschiedenen Aufnahmevarianten hören würden. Damit sollte also so wie in der Sendung eine Situation erzeugt werden, in der es für alle ersichtlich ein und der/dieselbe Sprechende ist, der einen Sprachwechsel vornimmt. Aufnahmen von zwei weiblichen Sprecherinnen und einem männlichen (alle aus dem mittelbairisch-österreichischen Sprachraum) wurden für das Experiment verwendet; die SprecherInnen präsentierten den selben Text einmal im Dialekt und einmal in Standardsprache (wobei in den standardsprachlichen Aufnahmen keine der berichteten Dialekt-diagnostischen Features vorkamen).15 Die Ergebnisse zeigen, dass alle SprecherInnen als signifikant gebildeter, aber auch als arroganter eingeschätzt wurden, wenn sie standardsprachliches österreichisches Deutsch verwendeten. Dagegen klangen sie im Dialekt für die InformantInnen natürlicher, lockerer, ehrlicher und humorvoller, aber auch vergleichsweise derber. Weitere Tendenzen zeigen (allerdings mit geringerer Effektgröße), dass der Dialekt mit mehr Emotionalität, der Standard dafür mit mehr Ernst und Fleiß assoziiert wird. Eine der Sprecherinnen sowie der Sprecher wurden im Standard auch als signifikant intelligenter, kompetenter und schlauer eingeschätzt (wobei die Ergebnisse der zweiten Sprecherin hier unschlüssig, weil generell negativer, sind). Dieses Experiment hat nun zwei Hauptimplikationen für eine Rückführung in die Analyse von Speaker Design, so wie im Ankerbeispiel. Erstens ist es ein empirischer Beleg dafür, dass österreichische HörerInnen selbst im Fall der Intra-SprecherInnen-Variation, also 14
So wurde z. B. erst am 17. 02. 2013 im Nachfolgeformat eine Sendung zum zeitaktuellen ‚Pferdefleischskandal‘ (Pferdefleisch landete in mehreren EU-Ländern als ‚Rindfleisch‘ in Fertigprodukten) produziert und ausgestrahlt. 15 Siehe SOUKUP (2012b) für weitere Details zur Methode, zu diesem Experiment und zu seinen Ergebnissen, bzw. SOUKUP (2009) für eine ausführliche Diskussion des Designs in Anlehnung an die Fernsehdiskussionssendung, wenn auch im Kontext eines gleich gestalteten anderen Experiments.
in gewissem Grade in Abstraktion von der sprechenden Person, verschiedene soziale Bedeutungen differenziert mit Standard und Dialekt verknüpfen und in einer Evaluierungssituation aktivieren. Zweitens umfassen diese aktivierten Stereotype auch solche, die konkret Sprecher ATs strategischem Sprachgebrauch dienlich sind, nämlich negative Assoziationen des Dialekts wie Ungebildetheit, Derbheit, und wahrscheinlich auch Inkompetenz und geringere Intelligenz, die ja letztlich auf die Außenministerin als ‚deiktisches Zentrum‘ des (wie bereits weiter oben gezeigt perzeptuell salienten) Dialektgebrauchs projiziert werden. Somit ist abermals ein empirisch schlüssiger Beleg für die Mechanismen des Speaker Design gefunden.
3.) Der rhetorische, pro-aktive, strategische Charakter des sprachlichen Wechsels muss erkennbar sein Wie bereits oben angedeutet, ist aber nicht davon auszugehen, dass jedes einzelne Vorkommnis eines dialektalen Features (selbst wenn zu erwarten ist, dass es als solches perzipiert wird, und selbst wenn es gewisse Assoziationen hervorruft) einen Akt des Speaker Design darstellt. AUER (1986: 119ff.) verweist diesbezüglich auf die Problematik, zwischen einer gewissen „Grundvariation“ (‚Code-Fluktuation‘) und dem vollfunktionalen ‚CodeSwitching‘ (strategischem Sprachwechsel) zu unterscheiden. Aus HörerInnensicht ist es dann ja auch tatsächlich so, dass grundsätzlich viel mehr Information zur Interpretation zur Verfügung steht als bloß jene, die von Sprechenden ‚absichtlich‘ (strategisch) ‚ausgeschickt‘ wird – in GOFFMANS Worten (1959: 2): Es ist zu differenzieren zwischen ‚information given‘ versus ‚information given off‘, wobei nur erstere von einer SprecherInnenintention getragen ist (siehe auch SCHIFFRIN 1990 zur weiteren Ausführung). Zur Auflösung sowohl aus HörerInnen- als auch als AnalystInnensicht lässt sich das von AUER (1986: 114) so genannte „Prinzip der retro/prospektiven Kumulierung von Evidenzen“ heranziehen, nach dem zumindest auf Basis einer Häufung von Features aus einer anderen Sprechform als der bisherigen, aber auch aus anderen kontextuellen Gegebenheiten der Interaktion ein gewisses Maß an SprecherInnenintention abgeleitet werden kann. In Bezug auf das gegebene Ankerbeispiel ergibt sich so tatsächlich eine ganze Liste von Indizien, die auf rhetorische Sprachverwendung hinweisen. Auf der Mikro-Ebene des lokalen Interaktionskontextes ist zunächst einmal und sehr zentral ein solches Indiz die emergente
Ansammlung von zehn nicht-standardlichen Features in der Äußerung von ATs ‚Zitat‘: dass ein intendierter Sprachwechsel vorliegt, ist wohl wahrscheinlicher, wenn sich dieser über eine längere Strecke konzentriert manifestiert. (Zudem wurde ja bereits erwähnt, dass ein interaktionell-funktionaler Charakter des ‚Zitats‘ naheliegt.) Aber auch auf der Makro-Ebene des globalen Situationskontextes lässt sich auf die Wahrscheinlichkeit strategischer Sprachverwendung schließen, handelt es sich ja hier um ein ‚high performance event‘ (siehe COUPLAND 2007: 146f.). Eine Fernsehdiskussion ist im wahrsten Sinne des Wortes eine ‚Show‘, in der Faktoren wie die (wenn auch virtuelle) Präsenz eines Publikums, die Möglichkeit, live seine ‚Message‘ zu verbreiten, die inhärente Selbstdarstellung und die große Strahlkraft (aber auch das damit verbundene Fehlerrisiko) in vielerlei Hinsicht zu einem erhöht konzentrierten Kommunikationsverhalten beitragen („communicative focusing“ COUPLAND 2007: 147). Der rhetorische, strategische Sprachgebrauch ist hier nahezu programmatisch (und dementsprechend sind ‚high performances‘ wie mediale oder andere öffentliche Auftritte eine beliebte, weil robuste, Datenquelle für Speaker-Design-Analysen – siehe v. a. die Studien in COUPLAND 2007 und HERNÁNDEZ-CAMPOY / CUTILLAS-ESPINOSA 2012). Es ist aber auch denkbar, dass sich weitere Hinweise auf Speaker Design daraus ergeben, dass im allgemeinen Sprachgebrauch ein hoher korrelativer Zusammenhang zwischen einer Sprechform bzw. einem Sprachwechsel und einer bestimmten rhetorischen Funktion besteht, und dass des Weiteren diese Verschränkung schon so weit in der kommunikativen Kompetenz eines Sprach(en)systems ‚entrenched‘ ist, dass man sogar von einer beginnenden ‚rhetorischen Figur‘ sprechen kann. Oder andersherum formuliert, wenn sich ein Muster nachweisen ließe, nach dem ein Sprachwechsel z. B. im ‚Varietätensystem‘ österreichisches Deutsch immer wieder mit einem bestimmten interaktionellen ‚move‘ (GOFFMAN 1981 – im Sinne von ‚Schachzug‘) zusammenfällt, ist auch dies ein Indiz für seinen strategischen, über ‚Grundvariation‘ hinausgehenden Charakter. Solch einem Muster soll hier zu guter Letzt noch quantitativ nachgespürt werden, in einer Analyse eines Korpus von acht transkribierten Episoden der Sendung ‚Offen gesagt‘ (ausgestrahlt über den Zeitraum 2004-2005). Um herauszufinden, ob die Verwendung von Standard-Dialekt-Wechseln wie im Ankerbeispiel insbesondere mit der interaktionellen Projektion von negativen ‚alignments‘ koinzidiert, wurden aus diesen Episoden all jene Passagen herausgegriffen, die jeweils die ‚voicing zone‘ (AGHA 2005) eines direkten ‚Zitats‘ darstellten (wobei zu deren Identifikation Indikatoren wie die Präsenz quotativer Verben und
die Absenz von Merkmalen der indirekten Rede herangezogen wurden): n = 238. Als nächster Schritt wurden dann die ‚voicing zones‘ qualitativ kategorisiert in solche, die ein negatives ‚alignment‘ zwischen ‚Zitierer‘ und ‚zitierter‘ Person (bzw. Inhalt) zum Ausdruck bringen (n = 97, oder 41%), und andere. Schließlich wurde die durchschnittliche Dialektalitätsrate aller betreffenden Passagen ermittelt (Wörter, die zumindest eines der ‚diagnostischen‘ NonStandard-Features beinhalten).16 Insgesamt weisen die acht Sendungsepisoden eine durchschnittliche Dialektrate von 8,1 % auf (7.939 von 97.970 Wörtern). In den ‚voicing zones‘ erhöht sich diese allgemein bereits auf durchschnittlich 11,8% (327 von 2.779 Wörter). Pickt man nun aber noch jene Passagen heraus, in denen das ‚Zitat‘ mit einem negativen ‚alignment‘ einhergeht, so beträgt die durchschnittliche Dialektrate dort stolze 18% (207 von 1.158 Wörtern), im Gegensatz zu den übrigen ‚voicing zones‘ mit 7,4% (120 von 1.621 Wörtern). Es manifestiert sich im analysierten Datenkorpus also tatsächlich ein Muster, nach dem Dialekt dort verstärkt eingesetzt wird, wo eine negative interaktionelle Beziehung zum Ausdruck kommt.17 Dieses Muster wird von einer Vielzahl verschiedener SprecherInnen in den verschiedenen Sendungen eingesetzt (die TeilnehmerInnengruppen überlappen wenig). Dies reicht hin bis zum anekdotischen Fall der amerikanischen Urenkelin des österreichischen Schriftstellers Arthur Schnitzler, Eingeladene in einer Sendung zum Thema U.S.-Wahlen (nicht im Korpus inkludiert). Besagte Urenkelin bestritt die Sendung auf Standarddeutsch, in einem überaus starken amerikanischen Akzent; aber die Einstellung mancher amerikanischer WählerInnen, mit der sie selbst nicht übereinstimmte, repräsentierte sie letztendlich mit dem ‚Zitat‘ „Das is eigentlich mir wurscht!“ – in somit perfekt österreichischer Manier des Speaker Designs in einem antagonistischen interaktionellen ‚move‘. Sprachwechsel von österreichischem Standard in den Dialekt scheinen also zumindest in Bezug auf negative ‚alignments‘ im direkten ‚Zitat‘ tatsächlich den Status eines Tropus erreicht zu haben. Als solches scheint ihr strategischer Charakter allseits Teil der österreichischen kommunikativen Kompetenz, also wohl auch einem österreichischen 16
Es ist natürlich darauf hinzuweisen, dass die Quantifizierung von Diskursdaten viele Caveats mit sich bringt, wie in diesem Fall z. B. eine fehlende Berücksichtigung verschiedener SprecherInnen und deren sprachlicher Gewohnheiten, sowie eine Generalisierung über unterschiedliche lokale Kontexte, aber auch die Zusammenmischung verschiedener Arten von sprachlichen Features. Somit sind die hier angegebenen Zahlen mehr als richtungsweisend denn als exakt zu verstehen. 17 Ein weiteres identifizierbares Muster im Korpus stellen kurze Zwischenrufe oder Kommentare dar – auch hier erhöht sich die Dialektrate gegenüber anderen Äußerungen, und sogar sehr drastisch, wenn die Zwischenrufe/Kommentare eine negative Einstellung zur Bezugsperson darstellen. Siehe SOUKUP (2009) zur weiterführenden Diskussion.
Publikum bekannt, zu sein. Allein diese Tatsache wirft aber neue, vor allem auch kognitivsoziolinguistische Fragen, wie z. B. des Erwerbs, des systemischen Status und der Natur des Phänomens bzw. seiner Einreihung in die Hierarchien und Kategorien der deskriptiven Sprachwissenschaft auf, deren Diskussion den Rahmen des gegenwärtigen Beitrags allerdings sprengen würde. Jedenfalls ist in Summe am Ende dieses Abschnitts aber festzuhalten, dass sich auf verschiedensten Ebenen des sprachlichen, situativen und sozialen Kontextes Indizien dafür kumulieren, dass im Ankerbeispiel Speaker Design auch als solches perzipierbar, identifizierbar und von ‚Grundvariation‘ unterscheidbar ist.
Zusammenfassung und Schlussbemerkung Unter der Grundannahme, dass eine Exegese von Diskursdaten in Bezug auf Speaker Design, die nur die Produktionsperspektive mit einbezieht, die Prozesse der darin inhärenten Kontextualisierungsmechanismen kaum erfasst, ist mit diesem Beitrag nun eine hoffentlich schlüssige Indizienkette ausgelegt, die nahelegt, dass sich der rhetorische Effekt von ATs Sprachwechsel im Ankerbeispiel auch aus der HörerInnenperspektive nachzeichnen lässt. Bottom-up-Belege für die Erfüllung der für Speaker-Design-Effekte konstitutiven Kriterien der perzeptuellen Abgrenzung und differenzierten Evaluierung von österreichischem Standard und Dialekt sowie für die Erkennbarkeit der Sprechstrategie als solche wurden hier zusammengeführt, sodass das mittels Dialekt-‚Zitat‘ projizierte negative ‚alignment‘ zwischen AT und der Ministerin post hoc als erfolgreich bzw. überhaupt letztlich im Sinne der inhärent dialogischen Natur menschlicher Interaktion als erfolgt betrachtet werden kann. Gleichzeitig spiegelt das präsentierte empirische Programm, das hoffentlich als Ausgangspunkt für eine Beforschung von Speaker Design auch in anderen (regional)sprachlichen Kontexten dienen kann, die gegenwärtig richtungsweisenden Fragestellungen der variationistischen Perzeptionslinguistik, oder sogar der (Sozio-)Linguistik allgemein, wider: Immer mehr ist zu erkennen, dass das, was genau ein sprachliches System und seine Ausformungsvarianten ausmacht, vorrangig aus Sicht der Benutzer zu modellieren ist, um der Erklärung lokal-interaktioneller, also letztlich auch makro-sozialer, Phänomene dienlich zu sein.
Was ist Standard? Was ist Dialekt? Diese Frage ist unter einer zeitgemäßen konstruktivistischen Epistemologie von der Sprachwissenschaft an die ‚Laien‘ zu stellen, nicht umgekehrt – in Österreich wie anderswo.
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