Semiotik: Bilder als Zeichen

July 12, 2017 | Author: Viola Nordsieck | Category: Cultural Semiotics, Visual Semiotics, Cognitive Semiotics, Peircean Semiotics, Semiotica
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Dies ist ein Entwurf für den Text Semiotik. Bilder als Zeichen", der 2014
erschienen ist in Bild. Ein interdisziplinäres Handbuch, hg. v. Stephan
Günzel und Dieter Mersch, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart / Weimar.



Semiotik: Bilder als Zeichen

Semiotische Theorien des Bildes versuchen das Bild als eine les- oder
deutbare, mehr oder minder konventionalisierte Zeichenkonstellation zu
verstehen. Insofern decken sich ihre Prämissen mit denen der
Bildhermeneutik. Was das Bild zum Bild macht, wird über eine Konzeption des
Zeichenhaften geklärt. Vielfach ist die Bildthematik sogar von zentraler
Bedeutung für die Semiotik, da auf dem Feld des Bildhaften die Frage nach
der Kausalität und Motivation des Zeichens ausgetragen wird.
Winfried Nöth (2005, 50) weist zu Recht darauf hin, dass die viel
diskutierte Frage, ob Bilder Zeichen seien", nur in Abhängigkeit vom
jeweiligen Zeichenbegriff beantwortet werden kann. Ferner begründet Oliver
Scholz (1991, 35) die Zeichenhaftigkeit des Bildes damit, dass zum Bild-
Sehen eine Unterscheidung von Bild und Gegenstand erforderlich ist. Für
Kritiker der Bildsemiotik, etwa in dekonstruktiven Bildtheorien (vgl.
II.7), stellt sich jedoch die Frage, ob das Lesen oder Deuten von Zeichen
wirklich den Kern der Bildwahrnehmung oder des Bildverstehens ausmacht.
Semiotik schließt stets ein Verständnis von Logik ein. So lässt sich eine
Logik des Zeigens' von einer Logik des Sagens' unterscheiden (Mersch
2002, 2005) und entweder als eigenständige Bildlogik hervorheben wie bei
Charles S. Peirce (1933-35) oder als abgeleitete Repräsentationsform unter
die Norm der Aussagenlogik subsumieren wie bei Nelson Goodman (1995). Die
pragmatische Semiotik von Peirce kann mit der syntaktischen Ebene des
piktorialen Symbolsystems nach Goodman verbunden werden, das Klaus Sachs-
Hombach noch um die semantische Ebene erweitern möchte (2005, 212ff). Sein
Projekt einer interdisziplinären Bildwissenschaft lotet diese semiotischen
Ebenen des Bildes in verschiedenen Sammelbänden u.a. zu Syntax (1999),
Semantik (2000) und Pragmatik (2001) aus.

Bildlogik zwischen natürlichen und konventionellen Zeichen

In der scholastischen Philosophie wurde die Zeichenhaftigkeit des Bildes
implizit in theologischen Kontexten durch Augustinus und Thomas von Aquin
behandelt, explizit durch Roger Bacon, der Bilder als natürliche Zeichen
auf Grund einer Ähnlichkeitsbeziehung begreift. Im theologischen Kontext
ist das Zeichen ein Anzeigendes: Das Bild wirkt durch Ähnlichkeit mit dem
Abgebildeten, verstanden als wesenhafte Eigenschaft, die dem
Abbildungsverhältnis entspringt. Direkt tangiert diese Auffassung die
Ikonenkunst, die etwas darstellt und damit ähnlich macht, was keiner
Darstellung fähig ist. In der scholastischen Philosophie wie generell in
der Theologie der Westkirche wird diese Problematik umgangen, wohl aber auf
die Vorstellung referiert, dass der Mensch ein Ebenbild Gottes und Christus
ein Ebenbild des Vaters' sei. Wird so die göttliche Offenbarung zum
Anzeichen der Schöpfung, begründet sich deren Gottähnlichkeit durch den
Ursprung des Abbildes im Abgebildeten und fungiert zugleich als Anzeigen
dieses Ursprungs.
Die Bildthematik betrifft also in der scholastischen Philosophie eine
Verbindung des konventionalisierten Zeichens, das in der Aussagenlogik
gebraucht wird, um die Verbindung von Ding und Eigenschaft zum Ausdruck zu
bringen, und des natürlichen Zeichens, in diesem Fall der Ähnlichkeit, die
durch eine metaphysische Basis, durch das Wesen des Menschen, verbürgt
wird. Dem entsprechend ist das deutsche Wort Zeichen" dem Zeigen"
verwandt und weist schon einen Bezug zur Frage nach dem Bild auf, da das
Sehen dessen, was das Bild zeigt, nicht vom Sehen des Bildes als Bild zu
trennen ist.
Auch in der modernen Semiotik wird die Frage nach Natürlichkeit oder
Konventionalität des Zeichens im Rahmen der Bildthematik behandelt. Das
Spezifikum der modernen Semiotik, sowohl in der an Peirce anschließenden
Tradition von Charles Morris und Umberto Eco als auch in der parallel
entstandenen, strukturalistischen Tradition nach Ferdinand de Saussure ist
die Erweiterung des Zeichenmodells von zwei auf drei bzw. vier Komponenten.
Die dritte Komponente bildet eine interpretatorische Relation, die vierte
entsteht durch eine Matrix von Differenzen. Zeichenhaftigkeit soll also
nicht länger als Ausdruck einer wesenhaften Eigenschaft verstanden werden,
sondern wird selbst als Verweisungsverhältnis gedacht. Denn das Zeichen
repräsentiert: Es drückt nicht das Wesen des Bezeichneten aus, sondern
seine Bedeutung.
Für Saussure ist es das Zeichen selbst, das sich durch die Beziehung
zwischen signifiant und signifié konstituiert (1997), sodass sein Modell
oft als binäres Modell missverstanden wird (vgl. Schönrich 1999). Vielmehr
ist ein System von Unterscheidungen überhaupt erst konstitutiv dafür, dass
ein Zeichen existiert. Allerdings bezieht sich das Saussuresche Modell auf
die Sprache bzw. auf symbolische Ordnungen, nicht auf Bilder. Peirce
dagegen macht die Dreiheit durch ein triadisches Stellensystem geltend. Ein
Zeichen oder Repräsentamen ist danach das Erste in Beziehung auf ein
Zweites, ein Objekt, wobei die Beziehung durch ein umgreifendes Drittes
allererst ermöglicht wird, den Interpretanten. Dieses Umgreifende kann je
nach Zeichentyp ein materiales Objekt sein, auf dessen Existenz Bezug
genommen werden muss (Index), es kann selbst eine bereits bestehende
Beziehung sein (Symbol), oder es kann in der Qualität als Möglichkeit der
Beziehung zwischen Zeichen und Objekt bestehen (Ikon) (vgl. etwa Peirce
1987). Wenn das Bild das Zeichen ist, in dem sich die Möglichkeit des
Zeigens aus dem Sehen des Bildes als Bild ergibt, und die Bedeutung eines
Zeichens aus drei statt aus zwei Komponenten entsteht, so wird jetzt die
Bildhaftigkeit des Bildes selbst relevant: Sie bezeichnet das Dritte, das
die Interpretation des Bildobjekts erlaubt. Die Ähnlichkeit des Bildes als
Relation wird so zum philosophischen Thema und löst die Vorstellung von der
Ähnlichkeit als natürliche Objektbeziehung ab.
Die naiven" Theorien von Ähnlichkeit, die z.B. Eco, Goodman und Scholz
kritisieren (vgl. etwa Eco 1987, 254-287), gehören also eigentlich eher in
die Scholastik und kommen in der modernen Semiotik nicht mehr vor. Niemand
will bestreiten, dass Bilder ihren Gegenständen ähnlich sein können; die
Frage ist nur, welcher Stellenwert der Relation der Ähnlichkeit beigelegt
wird. Dabei wird der mittelalterliche Universalienstreit in der modernen
Semiotik u.a. in der Frage weitergeführt, ob die Ähnlichkeit des Bildes
eine reale Beziehung ist und als solche konstitutiv für Bildhaftigkeit als
Repräsentation, oder ob sie als Beziehung erst erzeugt wird durch die
repräsentative Funktion des Bildes. Die erstere Position des Realismus
können wir Peirce zuordnen, während der prominenteste Vertreter der zweiten
Position der Nominalist Nelson Goodman ist.

Das Bild nach Peirce' pragmatischem Realismus

Peirce' pragmatischer Realismus fordert zwar den Bezug auf reale Objekte,
konstatiert aber die Existenz von Universalien nicht unabhängig von diesem
Bezug. Jede Zeichenbeziehung steht im Prozess der Semiose und bezieht sich
auf reale Relationen, z.B. auf andere Zeichenbeziehungen. Bildhaftigkeit
kann als ein bestimmter Typ von Semiose beschrieben werden, der seine
eigene Logik hat und eine eigene Art des Verhältnisses zur Welt erzeugt.
Diese Logik des Visuellen wird heute als bisher zu wenig beachteter Aspekt
der Erkenntnistheorie hervorgehoben.
Für Peirce ist die Logik des Visuellen aber bereits ein zentraler Aspekt
der relationalen Logik, die er Semiotik nennt. Bild und Gedanke bilden
keine Gegensätze. Das Ikonische zeichnet nicht in erster Linie das gemalte
oder darstellende Bild aus, sondern eine logische Struktur der
Bildhaftigkeit, die auch für Gedankenbilder und Vorstellungsgebilde eine
Rolle spielt. Ein Bild im üblichen Sprachgebrauch, z.B. ein Gemälde, aber
auch ein mentales Bild oder eine Vorstellung, entsteht für Peirce aus
komplexer Verknüpfung von Ikons, Indices und Symbolen, wobei das genuine
Ikon" selbst sein eigenes Objekt ist und gar nicht auf Anderes verweist
(vgl. Nöth 2005, 56). Bilder als Zeichen sind triadische Modelle, die zwar
ikonische Relationen einschließen, dennoch nicht darauf zu reduzieren sind.
Bilder [sind] [...] Konstellationen von ikonischen Zeichen, deren
Relationen zueinander durch den gestalterischen Prozess zu individuellen
Bildern führen." (Bisanz 2010, 19)
Das Ikon ist ein Zeichen, das die Realität des Objektbezuges durch die
Wahrnehmung leistet, aber nicht durch die Gleichzeitigkeit der Wahrnehmung
in einer Situation wie bei den Indizes, sondern durch eine Übereinstimmung
in Struktur, Form oder Qualität zwischen dem Zeichen und seinem Objekt, die
die Möglichkeit einer Beziehung bietet. Sie betrifft also nicht unbedingt
eine an und für sich bestehende Ähnlichkeit zwischen dem Bild als Objekt
und dem anderen Objekt, das es darstellen soll.
Ikons lassen sich nochmals dreiteilen gemäß der Art und Weise, wie sie
repräsentieren; in Peirce' logischer Sprache nach ihren Modi der Erstheit,
Zweitheit und Drittheit (vgl. CP 2.277). Images oder einfache Bilder
repräsentieren durch einfache Qualitäten, die nicht erst durch ihre interne
Relationalität expliziert werden müssen (Erstheit). Diagramme
repräsentieren durch Relationen zwischen Teilen eines Ganzen, die in der
Repräsentation wiederholt werden (Zweitheit). Metaphern schließlich, für
Peirce ebenfalls Elemente einer visuellen Logik, repräsentieren durch
Relationen zwischen Relationen, wobei Metaphern Diagramme und Diagramme
Bilder (images) funktional einschließen (Drittheit). Bildwahrnehmung spielt
sich auf dieser letzten Ebene ab und ist also in Peirce' Verständnis ein
komplexer, dynamischer und individueller Prozess der Semiose, wobei sich
auch und gerade in abstrakten Bildern indexikalische und symbolische
Verweisungsstrukturen ausmachen lassen (vgl. Nöth 2005, 55ff). Auf dieser
Basis schlägt Göran Sonesson vor, den von Morris geprägten Begriff der
Ikonizität in Bezug auf Bilder durch Piktoralität zu ersetzen (u.a. 1995).
Was geschieht, wenn wir das Bild eines roten Balles sehen? Für Peirce
befinden wir uns in einem pragmatischen Prozess der Bedeutungsentstehung,
indem wir die Qualitäten des abgebildeten Balles wahrnehmen (der Ball ist
rot), den Ball als Ball identifizieren (ein Token vom Typ Ball), die
Struktur des Bildes als solches erkennen (das Bild ist begrenzt, flächig,
perspektivisch dargestellt) und deuten (der Ball auf dem Bild ist ein
abgebildeter Ball). Diese verschiedenen, in einander greifenden Schritte
führen schließlich zu einem individuellen Erfassen dieses Bildes von diesem
Ball. Sie verwirklichen sich durch ihre Anwendung in der jeweiligen
Situation, lassen sich aber durch ihre Relationalität charakterisieren: Die
ikonische Relation der Qualität der Farbe, der Begrenzung und
Dimensionierung der Darstellung; die indexikalische Relation der
Auslassungen von Teilobjekten, der Perspektive, der Kontraste zwischen
Flächen und Farben; die symbolische Relation der konventionalisierten
Bedeutungszusammenhänge, in denen ein Ball stehen kann, sowie die Typ-Token-
Relation, die den Ball und auch das Bild vom Ball jeweils als solche zu
erkennen ermöglicht.
Typ-Token-Relationen sind Kombinationen aus indexikalischer Verweisung
(Token auf Typ) und symbolischer Relationalität, die die interne
Strukturierung des Typen" ausmacht. Darüber hinaus kann es viele weitere
Schritte geben, die zwischen dem Bild als Bild und dem Bild als Objekt
Verknüpfungen herstellen. Auf dieser Ebene können z.B. indexikalische
Beziehungen zum Fotografen oder Maler bzw. zu dem realen, abgebildeten Ball
hergestellt werden. Zu verstehen, was ein Bild überhaupt ist, muss daher
als symbolische Beziehung aufgefasst werden: Es gibt Konventionen, die die
Bedeutung von Gemälden, Fotografien, Abbildern, abstrakten Bildern,
Collagen, Buchdeckeln etc. regeln. Ähnlichkeit ist also keine simple Abbild-
Beziehung, sondern das Ergebnis einer Semiose, die ikonische Relationen
einschließt.

Verweisung und Verkörperung. Bildsemiotik jenseits von Mimesis und
Indexikalität

Historisch gesehen verliert die indexikalische Beziehung durch die
Bildsemiotik an Bedeutung. Hans Belting weist darauf hin, dass in den
mittelalterlichen Disputen zwischen Bilderverehrung und Bilderstürmen, in
denen die Zeichenhaftigkeit des Bildes gegen seine Materialität und
körperartige Präsenz ins Spiel gebracht wurde, die indexikalische Beziehung
eine tragende Rolle spielte. Bilder sollten nicht als Körper verehrt
werden, sondern auf diese verweisen. Belting (2005, 38f) beschreibt eine
semiotische Vorgeschichte, in der das Bild als Zeichen die eigentliche
Macht des Bildes verringern soll. Unter diesem Gesichtspunkt macht sich
eine semiotische Bildtheorie der Auflösung des Bildes durch seine
Einordnung in die Welt der Zeichen verdächtig. Dafür spielt heute die
Erzeugung von Bildern durch bildgebende Verfahren eine wachsende Rolle,
sozusagen das Gegenteil der Abbildung, deren Paradigma durch das der
Sichtbarmachung abgelöst wird.
In der modernen Semiotik nach Peirce wird nicht nur das Zeichen durch die
eigene Logik des Bildhaften neu definiert, sondern umgekehrt lässt sich das
Bild als Zeichen neu deuten, indem die ikonoklastische Dichotomie von
Verweisung und Verkörperung überwunden und beide Aspekte in den dynamischen
Prozess der Semiose eingebunden werden. Mit John Michael Krois (2006,
169ff) kann eine ikonische Bildtheorie nach Peirce darum als Prozess der
Sichtbarmachung statt der Imitation konstruiert werden, womit die
Problematik der Ähnlichkeitsfrage wegfällt. Bilder sind Objekte, die
körperliche Wahrnehmung einschließen. Sie können daher nicht in abstrakte
Verweisungsverhältnisse aufgelöst werden. Die Richtung der Verweisung kehrt
sich um: nicht das Bild verweist auf sein abgebildetes Objekt, sondern das
Bild wird selbst zum Objekt, das seine Bedeutung aus der Situation der
Bildwahrnehmung heraus gewinnt.
Darum spricht Krois von einer Verkörperungstheorie des Bildes (2006, 184).
Nach seiner Interpretation des Peirceschen Modelles, die er mit Bezug auf
Ernst Cassirer und Susanne K. Langer ausarbeitet, ist die sinnliche
Ausdruckswahrnehmung das wichtigste Merkmal des Ikonischen: Alles
Sinnliche ist ikonisch." (2006, 179) Diese Entwicklung des semiotischen
Bildverständnisses ist eng an die Wahrnehmung von Bildern als eigenständige
Art und Weise der ästhetischen Erfahrung geknüpft. Konventionalisierte
Zeichen bilden dabei zwar Elemente von Bildern, doch machen sie nicht die
Präsenz des Bildes selbst aus, welche mit Cassirer und Joaquim Braga (2012)
auch als symbolische Prägnanz" verstanden werden kann.

Das Bild nach Nelson Goodmans analytischem Nominalismus

Der Hauptwiderspruch zwischen dieser Tradition der Semiotik nach Peirce und
Cassirer und den Arbeiten Nelson Goodmans, der sich in der Bildthematik
manifestiert, liegt in der Relationalität des Zeichens. Für Peirce sind
Zeichen immer durch den realen Objektbezug in den pragmatischen Umgang mit
der Welt eingebunden. Sein Realismus besteht in dieser notwendigen
Verknüpfung, sodass die Frage nach der Existenz des Bezeichneten nicht
durch den Zeichenbezug selbst zu klären ist. Jeder Zeichenbezug ist eine
reale Relation, wenn er gebraucht wird: auch Träume und Fiktionen
existieren', insofern sie als Zeichen fungieren.
Der Nominalismus dagegen verortet die Allgemeinbegriffe, die die
repräsentative Funktion des Zeichens ermöglichen, im menschlichen Geist,
unabhängig von realen Objekten. Das Zeichen steht also für etwas nur durch
die mentale Aktivität, die es darauf bezieht. So ist z.B. die Type-Token-
Beziehung der Peirceschen Semiotik verzichtbar, da ein Typ von etwas nicht
für sich selbst existiert, sondern nur der Verknüpfung von Tokens dient.
Goodmans nominalistische Position steht in der Tradition der Analytischen
Philosophie nach Gottlob Freges Begriffsschrift (1879) und Rudolf Carnaps
Der logische Aufbau der Welt (1928), nämlich durch eine Verbindung zwischen
natürlicher Sprache und formalisierter Prädikatenlogik. Auch die Logik des
Bildes funktioniert nach Goodman prädikativ. Das bedeutet, dass es möglich
sein muss, eine extensional festgelegte, eindeutige Zuordnung von Elementen
vorzunehmen, die sich formal darstellen lässt. Das gilt auch für die
sinnliche Wahrnehmung von Bildern, ihren Ausdruckssinn und ihre
Individualität.
Goodman will dieses Problem durch den Entwurf eigenständiger Symbolsysteme
lösen, die jeweils eigene Typen eindeutiger Zuordnung von Etiketten, analog
zur Prädikation in der Sprache gestatten. Darum betitelt er sein Hauptwerk
zu diesem Thema Sprachen der Kunst. Zugleich strebt er jedoch danach, diese
eigenständigen Symbolsysteme als dynamische Systeme zu erfassen, die auch
in der Lage sein sollen, bildhaften Ausdruck, Metaphorizität, d.h. die
prozessuale Entstehung von Sinn und Bedeutung zu reflektieren. Darin sieht
er sich in einer Linie mit Peirce, Morris, Cassirer und Langer (vgl.
Goodman 1985, 10). Es geht also um Integration einer prozessualen Semiotik
in die formale Notation der Analytischen Philosophie.
Nominalismus bedeutet für Goodman, dass es keine realen Relationen gibt,
sondern nur die prädikative Zuordnung von Etiketten (engl. Labels) in zwei
Richtungen: Denotation und Exemplifikation. Im Falle des Bildes ist die
Denotation seine Referenz, die Exemplifikation seine Funktion der
Darstellung: eine Bezugnahme, die über qualitative Präsenz funktioniert.
Etiketten denotieren etwas und werden ihrerseits exemplifiziert, und zwar
so, als seien sie qualitative Eigenschaften (properties): [w]ährend alles
denotiert werden kann, können nur Etiketten exemplifiziert werden" (Goodman
1985, 63). Denotation ist der Kern der Repräsentation und unabhängig von
Ähnlichkeit", lautet dann die These von Goodmans semiotischer Bildtheorie
(1985, 17).
Ähnlichkeit kann, wie Goodman mit Bezug auf James J. Gibson und Ernest
Gombrich (vgl. II.4) zeigt, nicht die Basis für Repräsentation liefern,
vielmehr folgt sie aus ihr. Ähnlichkeit ist mithin symmetrisch,
Repräsentation nicht. Auch muss das Verständnis bildhafter Repräsentationen
erlernt werden, wenn auch auf andere Weise als das Erlernen einer Sprache.
Scholz spricht hier von induktivem semantischen Lernen durch instantane
Verallgemeinerung: Es können, sobald eine kleine Menge von Beispielen
richtig verstanden wurde, oft schnell große Teile des gesamten Systems
beherrscht werden" (1991, 38). Repräsentationen, die als Kopie von
Seinsweisen des Gegenstandes fungieren, wären unmöglich, da die Seinsweisen
des Gegenstandes eben nicht abschließend aufgeführt werden können: der
Gegenstand bleibt dynamisch mit den Weisen seiner Wahrnehmung verbunden.
Darum ist Ähnlichkeit ein Verhältnis, das durch die Betrachtungsweisen
entsteht, und der Realismus nur eine Konvention einer jeweiligen Kultur.
Selbst scheinbar natürliche Aspekte wie die Perspektive im Bild sind
konventionalisiert, wie Goodman mit Erwin Panofsky gegen Gombrich betont.
Klaus Rehkämper und Klaus Sachs-Hombach kritisieren diese Reduktion des
semantischen Bereichs auf Konventionalität (u.a. Sachs-Hombach 2005).
Allerdings weist Sachs-Hombach darauf hin, dass Goodman nicht wie Scholz
als reiner Konventionalist" verstanden werden darf (2005, 204). Während
Scholz piktoriale Symbolsysteme generell als konventional bezeichnet und
nur den Grad der Arbitrarität als skalierend beschreibt (1991, 121ff),
liegt für Goodman das Gewicht der Analyse darauf zu zeigen, dass sich
Bilder in semantischer Hinsicht nicht von sprachlichen Zeichen
unterscheiden. Sie müssen in ein Symbolsystem passen" oder in diesem
verankert sein, d.h. aber nicht, dass das System vollständig
konventionalisiert sein muss.
Goodmans Nominalismus bringt die Funktionen des Zeichens mit der Frage nach
der Existenz eines Gegenstandes in Verbindung, was dazu führt, dass er
diejenigen Bilder, deren Gegenstände nicht existieren, als im Sachbezug
leer bezeichnet. Bilder von Einhörnern haben keinen Bezug auf reale
Entitäten und sind in einem sprachlogischen Sinn daher keine Bilder von
etwas', sondern Bilder von nichts': Sie denotieren nicht. Sie sind Einhorn-
Bilder, aber nicht Bilder von Einhörnern, da es keine Einhörner gibt. Damit
wird die semantische Ebene, entsprechend der Definition von Morris (vgl.
Scholz 1999, 36) mit dem verknüpft, was bei Peirce indexikalisch" heißt:
Denotation wird als Bezug auf ein real existierendes Objekt genommen.
Goodmans und Scholz' Annahme, ein Bild von einem Einhorn habe
Nulldenotation, weil es keine Einhörner gibt, wirft jedoch intuitiv die
Frage auf, warum wir die Denotation eines Objekts durch ein Bild mit der
Existenz des Objektes verbinden sollten (vgl. Sachs-Hombach 2005, 221).
Abstrakte Bilder (z.B. Jackson Pollock, Mark Rothko oder Kasimir
Malewitsch) haben keine Objektreferenz, auch keine Nullreferenz, wohl aber
das, was Goodman Exemplifikation nennt: Denn ein unverständliches Bild hat
mindestens einen expressiven Sinn." (Krois 2006, 171f)
Wir haben also auf der einen Seite Bilder, die etwas repräsentieren, was
nicht existiert, damit also nichts repräsentieren, und auf der anderen
Seite Bilder, die nicht etwas repräsentieren, die also nichts
repräsentieren. Beides sind nur dann semantische Mängel, wenn die
semantische Referenz indexikalisch verstanden wird. Erlaubte man aber einen
semantischen Bezug auf Sinnzusammenhänge statt auf Objekte, so könnten auf
der einen Seite konventionalisierte, aber auch kreative Fiktionen denotiert
werden, auf der anderen Seite könnten Zusammenhänge, die dem Symbolsystem
intern sind, in die semantische Bezugnahme Eingang finden.

Formale Kriterien des Bildbegriffs

Goodman, und mit ihm auch Scholz, ziehen aus ihrer indexikalischen Bindung
semantischer Referenz an die Existenz von Gegenständen den umstrittenen
(z.B. von Sachs-Hombach 2005) Schluss, dass Bilder nur über syntaktische,
nicht aber über semantische Kriterien zu bestimmen sind. Das Argument
(Scholz 1999) funktioniert etwa so: Nach den Definitionen von Morris und
Carnap bezieht sich die Semantik auf die Referenz der Zeichen, die Syntax
aber auf die formalen, schematischen Beziehungen der Zeichen untereinander.
Da es Bilder ohne Sachbezug gibt und diese dennoch zusammen mit Bildern mit
Sachbezug als Bilder klassifiziert werden, kann das Kriterium des Bild-
Seins kein semantisches Kriterium sein, d.h. nicht am Sachbezug des Bildes
festgemacht werden. Daraus folgt, dass es ein syntaktisches Kriterium sein
muss, das Scholz mit Goodman als syntaktische Dichte" und relative Fülle"
bestimmt. Hinzugefügt wird noch das pragmatische Kriterium einer
Gebrauchstheorie", sodass der Verwendungs- und Verstehenszusammenhang"
von Bildern für ihr Verstehen konstitutiv wird (vgl. Scholz 1991, 111ff.).
Goodman spricht in dieser Hinsicht von Welterzeugung" (1990) als
Organisation der Gegenstände durch den Gebrauch von Symbolsystemen.
Symbolisierung geschieht nicht allein durch einzelne Zuordnungen, sondern
über Ketten und Pfade (chains and routes) der Referenzen. In diesem
pragmatischen Aspekt der Semiotik stimmt er sinngemäß mit Peirce überein.
Goodmans syntaktische Beziehung der konstitutiven Elemente oder
Charaktere" untereinander soll dabei die Type/Token-Unterscheidung nach
Peirce ersetzen (vgl. Scholz 1991, 90). Eine Inskription" (mark) ist ein
Merkmal, das bei syntaktischer Disjunktheit und Differenziertheit eindeutig
einer endlichen Zahl von Charakteren zugeordnet werden kann, die es
gewissermaßen materialisiert. Piktoriale Symbolsysteme sind laut Goodman
syntaktisch weder disjunkt noch differenziert, sondern dicht", d.h.
zwischen zwei Charakteren lässt sich immer noch ein weiterer Charakter
unterbringen, und voll", d.h. es enthält relativ viele
bedeutungsunterscheidende Merkmale. Dichte (engl. density) zeigt sich etwa
in einer weiteren Variante von Blau, die eine Zwischenstellung zwischen
zwei Blautönen einnimmt; Fülle (engl. repleteness) darin, dass eine große
Zahl von Blau-Nuancen in einem Bild exemplifiziert werden und z.B. zur
Erzeugung bzw. zum Ausdruck einer Stimmung beitragen.
Sprachliche Symbolsysteme sind im Gegensatz dazu syntaktisch disjunkt und
endlich differenziert oder artikuliert", eine Partitur syntaktisch und
semantisch disjunkt und artikuliert. Goodman nennt sie darum digital",
während das Bild am anderen Ende des Spektrums analog" symbolisiert (1995,
154ff.). Jede wahrnehmbare Nuance eines Bildes kann als eigener
Zeichencharakter fungieren, wie sich umgekehrt jede Nuance des zu
Repräsentierenden im Bild exemplifizieren und als eigenen Zeichencharakter
im Symbolsystem bestimmen lässt.
So ersetzt die Abhängigkeit der Zeichenfunktion des Bildes von syntaktisch
dichten und relativ vollen Symbolsystemen die natürliche Relation der
Ähnlichkeit durch eine logische Relation der analogen Symbolisierung.
Während das Bild repräsentiert, indem es denotiert, d.h. in einer
prädikativen Semantik ganz ohne Ähnlichkeit auskommt und nur auf die
Zuordnung von Etiketten referiert, wird die Basis für die entstehende
Ähnlichkeitsbeziehung durch das syntaktisch dichte und volle Schema
geleistet, in dem jeder prägende, bedeutungsunterscheidende Zug in Analogie
zu einer zu erzielenden Wirkung steht. Denotation funktioniert durch
Exemplifikation.
Denotation und Exemplifikation lassen sich als Sagen' und Zeigen'
unterscheiden, ähnlich Wittgenstein. Aber da Goodman sowohl das Sagen' als
auch das Zeigen' in eine extensionale Ordnung bringen möchte, verliert die
Logik des Visuellen, trotz der Materialität der Exemplifikation, an
Intensität der Wirkung (vgl. Mersch 2005). Die Intensitätsbegriffe der
Dichte" und Fülle" sollen zwischen der logischen Forderung nach Extension
und der ästhetischen Forderung nach intensiver Graduierung von Wirkung
vermitteln. Doch die Möglichkeit der Bezugnahme bleibt vom jeweiligen
Symbolsystem determiniert: Extension entscheidet über Intension und nicht
umgekehrt. Systeme verändern sich durch metaphorische Verschiebung ihrer
Sphären, d.h. der Extensionsbereiche der Etiketten in einem Schema"
(Goodman 1985, 76). Dabei wird die semantische Dimension des Systems aber
nicht von der syntaktischen Dimension des Schemas bestimmt, sondern durch
die Veränderung von Gewohnheiten konstruiert. In diesem Sinn argumentieren
manche Kritiker, dass man nicht umhin kann, auf der semantischen Ebene die
Ähnlichkeitstheorie wieder aufzunehmen (vgl. Sachs-Hombach 2005, 212ff).


Literatur:

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Bisanz, Elize: Die Überwindung des Ikonischen. Kulturwissenschaftliche
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Bildbegriffs nach der Philosophie Ernst Cassirers, Herbolzheim 2012
Eco, Umberto: Semiotik. Entwurf einer Theorie der Zeichen, München 1987
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Goodman, Nelson: Weisen der Welterzeugung. Frankfurt a. Main 1990
(engl.1978)
Krois, John Michael: Für Bilder braucht man keine Augen. In: Ders. und
Norbert Meuter (Hg.): Kulturelle Existenz und symbolische Form.
Philosophische Essays zu Kultur und Medien. Berlin 2006, 167-187.
Mersch, Dieter: Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis, München
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Mersch, Dieter: Die Sprache der Materialität: Etwas zeigen und Sichzeigen
bei Goodman und Wittgenstein. In: Oliver R. Scholz/Jakob
Steinbrenner/Gerhard Ernst (Hg.): Symbole, Systeme, Welten. Studien zur
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Nöth, Winfried: Warum Bilder Zeichen sind. In: Stefan Majetschak (Hg.):
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Sachs-Hombach, Klaus: Über Sinn und Reichweite der Ähnlichkeitstheorie. In:
Oliver R. Scholz/Jakob Steinbrenner/Gerhard Ernst (Hg.): Symbole, Systeme,
Welten. Studien zur Philosophie Nelson Goodmans. Heidelberg 2005, 203-225.
Saussure, Ferdinand de: Linguistik und Semiologie. Notizen aus dem Nachlaß,
gesammelt, übersetzt u. eingeleitet von Johannes Fehr, Frankfurt a. Main
1997
Schönrich, Gerhard: Semiotik zur Einführung, Hamburg 1999
Scholz, Oliver Robert: Bild, Darstellung, Zeichen. Philosophische Theorien
bildhafter Darstellung. Freiburg/München 1991.
Scholz, Oliver Robert: Mein teurer Freund, ich rat' Euch drum / Zuerst
Collegium Syntacticum." In: Klaus Sachs-Hombach/Klaus Rehkämper (Hg.):
Bildgrammatik. Interdisziplinäre Forschungen zur Syntax bildlicher
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Sonesson, Göran: On pictorality. The impact of the perceptual model in the
development of visual semiotics. In: Jean Umiker-Sebeok/Thomas Sebeok
(Hg.): The Semiotic Web: An International Yearbook of Semiotics. Advances
in Visual Semiotics (1992/93). Berlin & New York 1995, 67-108.


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