OLDENBOURG
Soziologische Revue 2016; 39(2): 307–313
Einzelbesprechung Theorie Hans-Peter Müller, Pierre Bourdieu. Eine systematische Einführung. Berlin: Suhrkamp 2014, 372 S., kt., 18,00 € Besprochen von Dr. Franka Schäfer: Institut für Soziologie, FernUniversität Hagen, E ˗ Mail:
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DOI 10.1515/srsr-2016-0042
Schlüsselwörter: Pierre Bourdieu, Einführung, Praxistheorie, Soziologie der Praxis, empirische Feldstudien
Mit Müllers Publikation zu Pierre Bourdieu liegt eine systematische Einführung in das Werk vor, die sich in eine der ungebrochenen Popularität Bourdieus geschuldeten Reihe von Sekundärliteratur einreiht. Ich will nun nicht wie andere an den Beginn der Besprechung die heikle Frage nach dem Warum nun noch eine? stellen. Dies lenkt den Fokus stets mehr auf die Qualität der anderen Publikationen, als auf die der zu besprechenden Literatur, weshalb ich diese Frage zurückstelle. Der im Untertitel formulierte Anspruch einer systematischen Einführung in das Werk gibt dem Band die Richtung vor. Die Systematik geht dabei in der Unterteilung in einen analytischen Baukasten und die empirischen Feldstudien auf. Eine vorangestellte Einführung in Leben und Werk und ein Epilog über die Aufgaben einer analytischen, empirischen und kritischen Soziologie verleihen eine ordnende Klammer. Die erste Einordnung Bourdieus als „kritischer Ordnungsdenker, der die Produktion und Reproduktion des sozialen Lebens untersucht“ (9) und dadurch zu „selbstständigem und kritischem Denken verführt“ (9), bleibt dieser klassisch gehaltenen Linie treu. Ebenso traditionell wie sparsam didaktisiert ist die gesamte Einführung: Ein angemessen flüchtiger Blick in Bourdieus Biographie, der die bekannte Ambivalenz-These als Prädestinationselement für „einen besonders scharfsinnigen und genauen Soziologen und Beobachter wie Kritiker der Gesellschaft“ (17) stark macht; daraufhin ein noch knapperer Überblick über das Gesamtwerk, der ohne größere Betonung der Besonderheiten der französischen Soziologie auskommt. Müller unterteilt Bourdieus Schriften in die thematischen Kategorien der Reflexion von Begriffen, Theorien und Methoden, des Interesses an Bildung als kulturelle Quelle sozialer Ungleichheit, der Analytik der Sozialstruktur, der Feldanalysen zum kulturellen, politischen und ökonomischen Feld sowie des
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ethnographischen Werks. Diese arbeitet er anhand der gängigen werkgeschichtlichen These von der Kontinuität der Grundintuitionen und -ideen der frühen Schriften, der methodologischen These, wonach der praktische Sinn als archimedischer Punkt allen sozialen Lebens nicht nur Dualismen verbindet, sondern überwindet und der theoretischen These, wonach ein Zusammenhang zwischen Sozialstruktur und Kultur besteht, ab. Mit der Devise, im ersten Teil des Buches lediglich den „soziologischen Ansatz anhand Bourdieus ‚analytischen Baukastens‘ vorzustellen“ (14), trifft Müller eine folgenreiche Entscheidung. Mit Hilfe dieses Baukastens zieht er die als Grundgerüst vorgestellte Triade aus Struktur, Habitus und Praxis hoch und rekonstruiert mit dem Habitus, den Kapitalsorten und Klassen im sozialen Raum und den sozialen Feldern die Grundmauern des Bourdieuschen Bauwerks. Das Fundament bilden für Müller vor allem drei Momente: Bourdieus strukturalistische Methode mit dem Denken in Relationen, die Suche nach dichotomen Strukturen und die Suche nach strukturellen Homologien (29). Den Kitt, der die Spannung von Strukturalismus und Praxeologie zusammenhält, bilden die von Bourdieu konstruktiv gewendeten Schwächen des Strukturalismus. Müller lässt Bourdieu diesen zentralen Bruch in Auseinandersetzung mit der Mikrosoziologie begehen und stilisiert Bourdieu gekonnt zu einem Architekten, der „Strukturalismus und Praxis zusammendenkt“ (36).1 Am Ende weist der Baukasten ein Fach für den Habitus, eines für den sozialen Raum, das in das Modell der gesellschaftlichen Kapitalsorten und das Modell der sozialen Klassen unterteilt ist sowie ein Fach zur Konstruktion der sozialen Felder auf. Müller verweist in diesem Zuge vor allem auf die Anschlussfähigkeit der Bourdieuschen Bauart, der es gelang, Subjektivismus und Objektivismus zu überwinden, die Ungleichheitsforschung zu beflügeln und die Lebensstilforschung überhaupt erst hervorzubringen (88). Auf eine Restaurierung des in die Jahre gekommenen schmucken Bauwerks Bourdieus verzichtet er weitestgehend. Dennoch bekommt der Lesende, was der Autor verspricht: Nicht mehr, aber auch nicht weniger als eine „theoretische und methodologische Vororientierung“ (14), die dazu dient, die Erkenntnisse der empirischen Studien erschließen zu können. Vieles, was für Müller nicht in den analytischen Baukasten der Vororientierung passt, holt er im zweiten Teil z. B. im Fazit zu den Klassen und Lebensstilen (127) nach, wo er gängige Kritikpunkte der theoretischen Werkzeuge erläutert. Hierauf wird jedoch im Überblick zum Buch nicht hingewiesen, was bei selektiver Lektüre – wozu die Aufteilung unerfahrene Lesende verführt – fatal ist.
1 Dabei betont er an dieser Stelle auch den im weiteren Text eher vernachlässigten Begriff der Praxis und dessen entscheidende Definition, die Bourdieu bekanntlich bei Marx findet (36).
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Die Zwischenräume zwischen den analytischen Grundmauern des Bourdieuschen Rohbaus stattet Müller im umfangreicheren zweiten Teil mit empirischem Dämmmaterial aus und füllt die Theorieelemente mit den Studien zu Bildung und sozialer Ungleichheit, sozialen Klassen und Lebensstilen, zu Kultur sowie zum ökonomischen und politischen Feld. Im Dachgeschoss setzt er die Studien zu den Intellektuellen und Bourdieus Formen der Kritik als Dachstuhl auf. Im Epilog wird der Rohbau mit Hinweisen für diejenigen, die im Geiste Bourdieus „gute Soziologen“ (337) werden wollen, verputzt und mit einem facettenreichen Bild des Soziologen ein traditioneller Gartenzaun um das Grundstück der Bourdieuschen Soziologie gezogen.2 Der im Untertitel formulierte Anspruch einer systematischen Einführung gibt dem Text zwar mit der Unterteilung in Theorie und Empirie die Richtung vor, wird aber nicht in allen Teilen durchgehalten. Das Minimalziel Müllers, „Probebohrungen am Werk Bourdieus vorzunehmen, in der Hoffnung, die Eigenart seines Denkens, zentrale Begriffe und Theoreme sowie einschlägige Ergebnisse und Schlussfolgerungen aus seinen Arbeiten zu gewinnen“ (14), wird dennoch erreicht, wenn hierfür – wäre der Vorsatz einer kleinen Einführung (9) ernst gemeint gewesen – nicht der stolze Umfang von 372 Seiten notwendig gewesen wäre. Nach der bereits vorliegenden Masse an Einführungsliteratur kann und muss es nicht mehr der Weg sein, das Werk mit dem Ziel der umfassenden Rekonstruktion bis ins kleinste Detail vorzustellen. Es vor dem Hintergrund aktueller Fragen und Bedürfnisse angehender SoziologInnen zu ergründen, erschiene zeitgemäßer.3 Müller geht jedoch den klassischen Weg und rekonstruiert sehr genau und detailreich die einzelnen Werke Bourdieus, um einen erschöpfenden Gesamteindruck herzustellen. Er wird dem hohen Anspruch, eine Einführung für EinsteigerInnen und KennerInnen zugleich zu schreiben, in weiten Teilen gerecht. Zu Beginn der Kapitel hätten allerdings Didaktisierungen und vereinfachende Darstellungen neben abgesetzten weiterführenden Vertiefungen für Fortgeschrittene soziologischen PionierInnen helfen können, sich nicht in den Untiefen des Werkes zu
2 Die letzten 30 Seiten teilen sich das Literaturverzeichnis, eine Zeittafel mit den wichtigsten Stationen des Lebens Bourdieu, sowie seiner Herausgebertätigkeiten, Auszeichnungen, Preise und Ehrendoktorwürden. Ein Abbildungsverzeichnis, das Namensregister und Sachregister komplettieren den Anhang. 3 Hierfür muss dann auch nicht bis in den Mariannengraben von Studien wie Der Einzige und sein Eigenheim hinabgetaucht werden. Diese sicher wegweisende Studie Bourdieus wäre möglicherweise vor dem Hintergrund der Soziologie des Finanzmarktkapitalismus oder von aktuellen Urbanitätsstudien der Stadt- und Raumsoziologie zur Immobilienkrise besser zur Geltung gekommen (234).
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verlieren.4 Für Studierende mit wenig soziologischen Vorkenntnissen ist die Einführung auf Grund der Dichte an Spezialwissen deshalb nicht ideal.5 Was Müller sehr bescheiden als „kleine Einführung in Pierre Bourdieus Denken und Forschen“ (9) mit dem Hinweis auf die Unmöglichkeit, den „ganzen“, sondern lediglich den „charakteristischen“ Bourdieu abzuhandeln (9), ankündigt, wird durch den empirischen Teil dann doch zu einer erstklassigen und vor Sachkenntnis strotzenden Tiefenanalyse. Dies ist für Kenner sehr gewinnbringend, trifft aber eben nicht den Charakter einer Einführung.6 Müller präsentiert den Lesenden in aller Breite und Tiefe die zentralen Errungenschaften Bourdieus, die er „methodisch in der relationalen Denkweise, theoretisch in der Raum- und Feldtheorie und sachlich in den umfassenden Klassenstudien […]“ sieht (339). Dabei liegt er natürlich richtig, wenn er Bourdieu hierauf basierend „[…] zu den wichtigsten Soziologen des 20. Jahrhunderts“ (339) zählt, unterschlägt jedoch nahezu den weitaus wirkungsvolleren theoretischen Kern Bourdieus: Den Entwurf einer Theorie der Praxis. Und dies ist der einzige, aber gravierende inhaltliche Punkt der Kritik, der an der Müllerschen Einführung zu üben ist, der sich jedoch folgenreich durch die gesamte Einführung zieht: Er liest die Bourdieusche Theorie nicht in erster Linie als Praxistheorie, sondern eher als strukturelle Handlungstheorie. Hieraus leitet sich auch die strikte Trennung zwischen Theorie und Empirie durch Müller ab, die in einer Praxissoziologie theoretisch begründet nicht vorgesehen ist (vgl. Daniel / Schäfer, 2015). Durch die Trennung verkennt er auch den Aspekt, dass die Dynamik der theoretischen Werkzeuge, die soziologische DebütantInnen zugegebenermaßen oftmals an ihren minimalen Nuancen verzweifeln lassen, für die Theorie der Praxis sehr viel Potential birgt. Müller interpretiert dies als defizi4 In diesem Zuge hätte versucht werden können, mit aktuellen graphischen und Möglichkeiten neuer Medien unterstützend tätig zu werden. 5 Was z. B. mit der Darstellung der Rückgriffe auf Marx gut gelingt, hätte verstärkt fokussiert werden können: Für EinsteigerInnen liefert eine Einordnung, auf wessen Schultern Bourdieu steht und wer aktuell wiederum das breite Kreuz Bourdieus nutzt, um Soziologie von seinen Schultern aus zu betreiben, enorme Orientierung. Gerade bei Weber geraten diese Hinweise zu oft in die Fußnoten und hätten vor allem im Hinblick auf die Bourdieusche Empirie zur Religion deutlicher gemacht werden können (vgl. Wienold / Schäfer, 2012). 6 Im Rahmen seiner Kritik an Bourdieus forschungsleitender Frage nach der Reproduktion von Macht und Herrschaft über symbolische Praxisformen, die die Soziologie auf die Analyse von Kämpfen reduziert, hätte Müller die Chance nutzen können, fortgeschrittene Bourdieu-LeserInnen dazu einzuladen, sich näher mit Bourdieus Feldstudien zu beschäftigen. Die Auseinandersetzung Müllers rekurriert aber deutlich zu oft in die Vergangenheit. Dass es sich dennoch lohnt, von Bourdieu bereits beackerte Felder wie zum Beispiel die Ökonomie aufzugreifen und mit aktuellen Möglichkeiten der Soziologie der Praxis neu zu bestellen, zeigen Arbeiten, die sich mit symbolischen Formen der Praxis jenseits des Macht- und Herrschaftsprinzips beschäftigen (Hillebrandt, 2009).
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täre theoretische Unsauberkeit (37) und meint, aus der Not eine Tugend machen zu müssen, weil er das Tugendhafte einer reziproken Theorie-Empirie-Arbeit mit dynamischen Begriffen nicht anerkennt. Er verzichtet auch weitgehend darauf, aktuellere Arbeiten einzubeziehen, die sich auf die Weiterentwicklung von Teilaspekten des Bourdieuschen Werkes beziehen und die anschlussfähigen Werkzeuge aus dem analytischen Baukasten Bourdieus restaurieren (Hillebrandt, 2009, 2014; Schmidt, 2012, Reckwitz, 2008, 2013).7 Müller bleibt bei Studien stehen, die Bourdieus empirische Studien eins zu eins auf andere Bereiche übertragen. Gerade für Studierende ist es jedoch wichtig, Einführungen aus der Perspektive aktueller Theoriebezüge zu formulieren. Aktuell erhält der praxistheoretische Ansatz Bourdieus wieder erhöhte Aufmerksamkeit, eben weil Bourdieu als einer der Begründer der praxistheoretischen Forschungstradition gehandelt wird. Müller weist zwar vor allem im ersten Teil auf Bourdieus Theorie der Praxis hin, stellt aber nicht heraus, dass Bourdieus Theorie damit paradigmatisches Beispiel der aktuell aufstrebenden Theorierichtung soziologischer Praxistheorie ist. Im Zusammenspiel mit Müllers traditioneller Einordnung gehen verschiedene innovative Aspekte unter: Die Faszination Bourdieus ist doch, dass er Strukturen sozialer Ungleichheit als Praxisformen sichtbar macht, die sich in alltäglichen Formen symbolischer Praxis vollziehen. In seiner symbolischen Reproduktion von Macht und Herrschaft wird der Körper materialisierter Bestandteil von Praktiken und der Akteur, den Bourdieu ja erst wieder in die Soziologie zurückgeholt hat, zusätzlich von dem ihm anhaftenden Intentionalismus befreit. Wie stark sein Ansatz nicht nur die Rolle des Individuums als Agent in Praxis verändert hat, sondern über den Gegenstand der Praxis nach Bourdieu ganz andere soziologische Erkenntnisse generiert werden können, führen z. B. Studien wie die von Kalthoff und Vormbusch zum Finanzmarktkapitalismus (2014) oder Hillebrandts zur Praxisformation des Rock und Pop vor Augen (Daniel / Schäfer, 2015). Gerade Bourdieusche Figuren wie die Logik der Praxis und der soziale Sinn werden dabei theoretisch weiterentwickelt und das, was Bourdieus Feldtheorie angestoßen hat, in Konzepten der Praxisformationen rezipiert (vgl. Hillebrandt, 2014: 102 ff.). Trotzdem bleiben darüber hinaus viele Aspekte des Bourdieuschen Werkes ungeklärt, wie man richtig bei Müller nachlesen kann. Er weist auf die Bourdieuschen Baustellen wie das Verhältnis von Raum und Feld hin, die Bourdieu selbst unbearbeitet gelassen hat, nutzt aber nicht die Chance, die Anschlüsse hieran, wie man sie bezüglich der Kritik am Verhältnis von Klasse-Habitus und Feld bei
7 Dabei erstreckt sich der Rekurs auf Bourdieu nicht nur auf die theoretische, sondern, der Theorieanlage entsprechend, gleichzeitig auf die methodische Ebene (Schäfer, 2015).
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den Cultural Studies findet (mit Ausnahme Bennett / Savage, 2009), mit einzubeziehen. Die Publikation von Müller leistet dennoch als Grundlage für konstruktive Kritik einen klassisch gehaltenen, aber sehr dichten und kenntnisreichen Überblick über das Gesamtwerk. Der formale Gesichtspunkt, dass eine Publikation, die sich unter anderem mit Bourdieus Arbeit zur männlichen Herrschaft auseinandersetzt, darauf verzichtet, gendergerechte Sprachformen zu verwenden, schmälert den positiven Eindruck. Müller hält dies jedoch auch 2014 noch nicht für nötig und unterschätzt damit die Wirkmächtigkeit symbolischer Gewalt. Dass dies gerade im Genre der Einführungsliteratur nicht folgenlos bleibt, führt das Fazit vor Augen, in dem Müller in der Konsequenz Empfehlungen erteilt, „was es heißt, ein guter Soziologe zu sein“ (337). Müller entwirft auf der Folie Bourdieus das klassische Bild des Wissenschaftlers, der sich mit Leidenschaft, Erfahrungs- und Wirklichkeitshunger neugierig und mit ausgefahrenem kritischen Stachel ganz dieser zeitraubendenden Wissenschaft verschreibt (338).8 Gerade Bourdieu beweist aber doch, dass man kein/e gute/r Soziologe/in ist, sondern es durch eine gute Ausbildung und, wie Müller auf der letzten Seite zurückrudert, auch durch Andere wird. Am Ende gelingt es ihm, ein differenziertes Bild des „Kämpfers“, „konflikttheoretischen Ordnungstheoretikers“, des „Großtheoretikers wider Willen“, des „Feldforschers“ und des „engagierten und enragierten Intellektuellen“ zu zeichnen (339 ff.). Zudem ergänzt er den wertvollen Hinweis: Sich bei allen Rufen nach Public Sociology nicht anzumaßen, Bourdieus Ideal der Kooperation zwischen SoziologInnen, die das Wissen über das Wahrscheinliche bereitstellen, und Intellektuellen, die das Mögliche in Politik und Gesellschaft verwirklichen, in einer Person vereinen zu wollen. Dass Bourdieu dies tat, kritisiert Müller zu Recht auf der Basis mangelnder Empirie im Falle der feministischen und der Ideologiekritik (301). Er lässt aber nachvollziehbare Milde walten und vermeidet es, in das unerträgliche Gezeter um den vergötterten seriösen Soziologen Bourdieu und den unseriösen Intellektuellen einzustimmen (287). Um nun die eingangs zurückgestellte Frage zu beantworten: Trotz des konservativen Impetus liegt eine sehr dichte und über die Maßen kenntnisreiche Einführung in das Werk vor, die den empirischen Studien zu der Wertschätzung verhilft, die in anderen Einführungen zu kurz kommt und so hoffentlich viele angehende SoziologInnen zu theoretischer Empirie und empirischer Theorie im Sinne von Bourdieus Soziologie der Praxis anregen wird.
8 Dass Arbeiten wie von Beaufaÿs (2003), die im Anschluss an Bourdieu die wechselseitige Konstitution von Geschlecht und Wissenschaft erforschte, im Literaturverzeichnis fehlen, verwundert nicht.
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Literatur Beaufaÿs, S. Wie werden Wissenschaftler gemacht? Beobachtungen zur wechselseitigen Konstitution von Geschlecht und Wissenschaft; transcript: Bielefeld, 2003. Bennett, T.; Savage, M.; Silva, E.; Warde, A.; Gayo-Cal, M.; Wright, D. Culture, Class, Distinction; Routledge: London; New York, 2009. Daniel, A.; Schäfer, F. Methodische Herausforderungen am Beispiel einer Soziologie der Praxisformation des Rock und Pop. In Methoden einer Soziologie der Praxis; Schäfer et al., Hrsg.; transcript: Bielefeld, 2015; pp 289–314. Fröhlich, G.; Rehbein, B. Bourdieu-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung; J.B. Metzler: Stuttgart, 2009. Hillebrandt, F. Praktiken des Tauschens. Zur Soziologie symbolischer Formen der Reziprozität; VS: Wiesbaden, 2009. Hillebrandt, F. Soziologische Praxistheorien. Eine Einführung; Springer VS: Wiesbaden, 2014. Kalthoff, H.; Vormbusch, U. Soziologie der Finanzmärkte; transcript: Bielefeld, 2014. Reckwitz, A. Unscharfe Grenzen. Perspektiven der Kultursoziologie; transcript: Bielefeld, 2008. Reckwitz, A. Die Erfindung der Kreativität. Zum Prozess gesellschaftlicher Ästhetisierung; Suhrkamp: Berlin, 2013. Schäfer, F. et al. Methoden einer Soziologie der Praxis; transcript: Bielefeld, 2015. Schmidt, R. Soziologie der Praktiken. Konzeptionelle Studien und empirische Analysen; Suhrkamp: Berlin, 2012. Wienold, H.; Schäfer, F. Glauben-Machen. Elemente und Perspektiven einer soziologischen Analyse „religiöser“ Praxis nach Pierre Bourdieu. In Doing Modernity – Doing Religion; Daniel, A. et al., Hrsg.; Springer VS: Wiesbaden, 2012; pp 61–112.
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