Politische Narrative. Konturen einer politikwissenschaftlichen Erzähltheorie Frank Gadinger, Sebastian Jarzebski und Taylan Yildiz
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Die Hinwendung zur Erzählung in der Politik
Gegenwärtig lässt sich sowohl in einigen geistes- und sozialwissenschaftlichen Disziplinen als auch in den öffentlichen Debatten zur Politik eine Hinwendung zur Erzählung erkennen. In beiden Sphären findet der Begriff der Erzählung bzw. des Narrativs, der sich bisher auf die literaturwissenschaftliche Erzähltheorie (Narratologie) beschränkt hatte, zunehmende Verwendung. Zwar ist die Verbreitung des Erzählbegriffs keiner theoretischen Reflexion entsprungen, die dann in die publizistischen Auseinandersetzungen mit der Politik durchgesickert wäre. Allerdings lässt sich seit den 1990er Jahren sowohl in der sozial- und politikwissenschaftlichen Forschung als auch im Handeln politischer Akteure durchaus eine gesteigerte Sensibilität für die Bedeutung von Sprache beobachten. Der gemeinsame Nenner liegt in der Annahme, dass Sprache nicht nur im Prozess der Politikvermittlung bedeutend ist, sondern viel grundsätzlicher als elementares Medium des Weltverstehens und Weltveränderns funktioniert. Demnach steht menschliches Denken und Handeln immer in einem sprachlichen Bezug. Dies gilt eben auch für die Politik, deren komplexe Aushandlungsprozesse gar nicht jenseits der Sprache denkbar, sondern vielmehr als Sprachspiele (oder eben Erzählungen) zu rekonstruieren sind. Es ist F. Gadinger () · S. Jarzebski · T. Yildiz Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Deutschland E-Mail:
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[email protected] T. Yildiz E-Mail:
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F. Gadinger et al. (Hrsg.), Politische Narrative, DOI 10.1007/978-3-658-02581-6_1, © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014
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nun gängige Praxis in der Politikwissenschaft, von der Macht der Diskurse oder der sprachlichen Rahmung politischer Probleme (framing) zu reden. Auch ist das empirische Studium solcher Sprachkonstrukte keine Seltenheit mehr, sondern ein längst etabliertes Feld, das innerhalb qualitativer Analysen umfangreich bedient wird. Es liegt eher die Vermutung nahe, dass die linguistische Wende (linguistic turn), die sich im vergangenen Jahrhundert als breitere Bewegung im Umfeld solch unterschiedlicher Denker wie Wittgenstein, de Saussure, Barthes, Austin, Searle, Kristeva oder Rorty formiert hatte und in das Alltagsverständnis vieler Sozialwissenschaftler gewandert ist, eine Voraussetzung dafür geschaffen hatte, dass sich der Erzählbegriff in völlig unterschiedlichen Feldern der Wissensproduktion etablieren konnte. Dass Sprache also Realität nicht nur beschreibbar macht, sondern auch als Medium ihrer Konstruktion funktioniert, gehört mittlerweile zum Kanon einer sprachwissenschaftlich interessierten Politikforschung. Doch bei aller Sympathie sind die forschungspraktischen Konsequenzen einer solchen Annahme keinesfalls geklärt und bilden in theoretischer wie methodologischer Hinsicht nach wie vor ein offenes Forschungsprogramm. Zwar hat die bemerkenswerte Zunahme diskurstheoretischer Studien in den letzten Jahren sicherlich dazu beitragen, dass sich ein sprachwissenschaftlich adäquates Forschungsfeld in der Politikwissenschaft konstituieren konnte. Aber dieses Feld etablierte sich als ein konzeptionell vielstimmiges Feld, das heute hauptsächlich zwischen den theoretischen Positionen von Derrida, Foucault und Habermas verhandelt wird und eher als Resonanzraum für neue Fragen und Ideen im Hinblick auf die Bewertung politischer Geschehnisse funktioniert. Der Großteil dieser Studien setzt die These von der Performativität der Sprache voraus, lässt aber die Frage offen, mittels welcher Techniken sich diese Performativität eigentlich vollzieht und wie sich die Praxis des sprachlichen Erschaffens politischer Realitäten rekonstruieren ließe. Diese sprachtheoretische Erklärungslücke kann als eine der zentralen Beweggründe gesehen werden, warum sich neuerdings ganz unterschiedliche Disziplinen wie Literaturwissenschaft (Bal 2009; Fludernik 2010; Martinez und Scheffel 2012; Kreiswirth 2000; Rath 2011), Geschichtsphilosophie (White 1987; Koselleck 2010; Mulsow und Mahler 2010), politische Kommunikationsforschung (Fisher 1987; Dörner 2002), Filmwissenschaft (Branigan 1992), kognitive Psychologie (Bruner 1990; Polkinghorne 1988; Westen 2012), Organisationsforschung (Gabriel 2000; Czarniawska 1997; Fenton und Langley 2011) und auch die Politikwissenschaft (Roe 1994; Stone 1988; Patterson und Renwick Monroe 1998; Fischer 2003; Wagenaar 2011) sukzessive mit Erzählungen beschäftigen und ihrer wirklichkeitskonstruierenden Kraft auf die Spur zu kommen versuchen. An diesen Prozess anzuknüpfen, ihn konstruktiv fortzuführen und erste Konturen
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einer politikwissenschaftlichen Erzähltheorie zu entwickeln, ist das Anliegen des vorliegenden Bandes.1 Bei diesem Vorhaben sollte einerseits nicht vorschnell die Rhetorik eines narrative turns (Czarniawska 2004) bemüht werden, da allzu oft Versuche dieser Art auf Abgrenzungsdebatten hinauslaufen, die mühsam, jedoch nicht unbedingt produktiv sind. Andererseits sollte zugleich vermieden werden, die postmoderne Ernüchterung gegenüber großen Erzählungen (Lyotard) zu reproduzieren, als ob das Erzählen nur als Aktivierung überfälliger Sinnstrukturen funktionieren würde. Es geht uns hier vielmehr um eine erzähltheoretische Neubeschreibung, in der neugierig der Beobachtung gefolgt wird, dass sich die Politikwissenschaft bisher nur wenig für die Art und Weise interessiert hat, in welcher Form und mithilfe welcher Sprachtechniken politische Akteure in die gesellschaftlichen Verhältnisse eigentlich intervenieren. Das Interesse vieler sprachbezogener Politikstudien liegt deutlich stärker auf den Inhalten des Sprechens als auf dem Wie einer Sprechhandlung (vgl. Hülsse 2003). Doch welche sprachlichen Techniken werden in der Politik eigentlich verwendet und welche Rolle spielt ihr Einsatz im Hinblick auf die Legitimierung politischer Optionen und die Herstellung kollektiver Verbindlichkeiten? Welche Bedeutung kommt dabei dem Prozess des Erzählens und den Narrativen zu und inwieweit verändert sich das Bild vom politischen Geschehen, wenn wir nicht mehr von nutzenmaximierenden (homo oeconomicus) oder normbefolgenden (homo sociologicus), sondern von erzählenden Akteuren (homo narrans) ausgehen? Wie wären überdies solch etablierte Kategorien wie Staat, Nation, Ideologie, Religion oder Institution ihrerseits zu erzählen? Welche forschungspraktischen Herausforderungen ergeben sich daraus und kann eine solche Bewegung auf das theoretische und methodologische Repertoire der Politikwissenschaft zurückgreifen oder müsste nicht vielmehr eine Modifikation oder gar substantielle Erweiterung interpretativer Methoden vorgenommen werden? Die Vermutung liegt jedenfalls nahe, dass sich an den entscheidenden Stellen politischer Kommunikationen – also dort, wo sich 1 Der vorliegende Konzeptband ist das Ergebnis eines Autorenworkshops, der am 23.11.2012 in Duisburg an der NRW School of Governance stattfand und aus einer Kooperation mit dem Käte Hamburger Kolleg/Centre for Global Cooperation Research und dem Profilschwerpunkt der Universität Duisburg-Essen „Wandel von Gegenwartsgesellschaften“ entstanden ist. Wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Autorinnen und Autoren des Bandes bedanken. Ein besonderer Dank gilt den Diskutanten und Rednern des Workshops Christoph Bieber, Anna Geis, Wilhelm Hofmann, Frank Nullmeier und Willy Viehöver. Der Impuls, sich mit Politischen Narrativen auseinanderzusetzen, setzte jedoch früher ein und wurde als Forschungsprojekt von der Stiftung Mercator finanziell gefördert und von der NRW School of Governance institutionell und gedanklich unterstützt. Für wertvolle Hinweise zu diesem einführenden Beitrag danken wir Martin Florack und Karl-Rudolf Korte.
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soziale Bindungskräfte entfalten – gewohnte literarische Formen, Genres und Metaphern befinden und eine Poetik bzw. Narratologie von Politik das Verständnis von ihren kulturellen Grundlagen schärfen kann. Auch liegt die Annahme nicht fern, dass die Integration narrativer Analysen (Bold 2012; Riessman 2008) in das Methodenrepertoire der qualitativen Forschung die bereits vollzogene Öffnung zur rekonstruktiven Forschungslogik (Herborth 2010; Franke und Roos 2013; Yanow und Schwartz-Shea 2006) stimmig erweitern könnte. Zu behaupten, dass sich die Politikwissenschaft bisher nur wenig für die generative Wirkung von Sprachtechniken interessiert hat, wird unweigerlich Kritik hervorrufen, insbesondere unter jenen Sozialwissenschaftlern, die seit geraumer Zeit an der Überwindung eines rein instrumentellen Verständnisses von Sprache arbeiten (im deutschsprachigen Raum u. a. Keller et al. 2006, 2008; Kerchner und Schneider 2006; Baumann 2006; Yildiz 2012; Liste 2011). Deshalb möchten wir hier eine erzähltheoretische Perspektivierung von Politik mit Blick auf die einschlägigen Theorien kurz begründen. Da sich das politikwissenschaftliche Bemühen um eine adäquate Theoretisierung des Verhältnisses von Sprache und Politik derzeit weitgehend auf das Spektrum der Habermas-Foucault-Debatte beschränkt (vgl. Baumann 2006, S. 72–73; Keller et al. 2006, S. 11–12)2 , erscheint es uns sinnvoll, gerade hier zu zeigen, dass bei allen bekannten Unterschieden beider Theoriestränge doch beiderseits der Akt des Sprechens und ihre situative Kontingenz weitgehend ausgeblendet werden. Das soll keineswegs bedeuten, dass die Habermas-Foucault Debatte politikwissenschaftlich unproduktiv gewesen wäre. Schließlich ist zu würdigen, dass auf diesem Wege jenseits materialistischer und funktionalistischer Denkschulen Sprache als eigener Untersuchungsgegenstand wahrgenommen und so der Blick wieder stärker auf die disziplinären Grundsatzfragen nach Legitimität und Macht gerückt werden konnte. Zu schätzen ist ferner, dass die Debatte es möglich gemacht hatte, die methodischen „Zwänge und Fetische“ des Faches (Herborth 2011) aufzulockern, ihrem technischen Inventar innovative Verfahren hinzuzufügen und das im Zuge ihrer Professionalisierung etablierte und mehrfach kritisierte Bündnis mit den sogenannten Einheitsdisziplinen zugunsten kulturwissenschaftlicher Forschungsperspektiven aufzubrechen. Wer also heute politikwissenschaftlich arbeiten möchte, muss sich nicht zuletzt dank dieses Dialoges nicht mehr auf variablenzentrierte Verfahren beschränken und sich einem entsprechenden Legitimationsdruck aussetzen, sondern kann sich 2 Weitere Varianten des diskursanalytischen Programms wie die critical discourse analysis in der Tradition von Norman Fairclough, Gesprächs- bzw. Konversationsanalysen oder stärker kulturalistisch geprägte Diskursanalysen lassen sich als Ausdifferenzierungen dieser beiden Gegenpole verstehen.
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nun auch auf den Austausch mit kulturwissenschaftlich orientierten Kolleginnen und Kollegen aus Soziologie, Ethnologie, Geschichtswissenschaft oder eben auch der Literaturwissenschaft einlassen. In der Habermasschen Variante des Diskursbegriffs aber wendet sich die Annahme von der Performativität der Sprache in ein Interesse an der normativen Verbesserung demokratisch-rechtsstaatlicher Prozeduren. In dem Moment, in dem das Sprechen den Regeln der Diskursethik unterworfen und auf einen bestimmten Rationalitätsgehalt abgefragt wird, ist Performativität keine Qualität mehr, die dem Sprechen zugeschrieben wird, sondern eine, die den rechtsstaatlich abgesicherten Verfahren der Äußerung und Überprüfung normativer Ansprüche als eigen gilt. Auf der anderen, poststrukturalistisch geprägten Seite, verhält es sich ähnlich. Auch dort liegt der Fokus weniger auf der situativen Kontingenz des Sprechens als auf den schier unbeirrbaren Determinationskräften übersubjektiver Wissensund Diskursordnungen. Zwar wird dabei einer Vorstellung von sprachlicher Performanz gefolgt, die mit Blick auf die stets möglichen, aber in der Diskursethik vernachlässigten Machteffekte kommunikativer Verfahren formuliert ist und ihre Einbettung in unbewusste Wissensstrukturen aufzeigen kann. Aber das führt lediglich zu einer Multiplizierung von Determinationskräften und keineswegs zu einer systematischen Aufwertung des Sprechens als kulturelle Praktik. Während in der Tradition der Habermasschen Diskursethik die kleinste Einheit des Sprechens das Argument ist, das dem aufgeklärten Willen folgt und sich als verständigungsorientiertes Handeln formiert, wird in der Perspektive der Foucaultschen Fassung dagegen die kleinste Einheit des Sprechens als Artikulation konzipiert, die sich im Kontext hegemonialer Sinnbezüge behauptet und sich mit unbequemen, starren Kräften arrangieren muss. Auch wenn hier die Ambivalenz und Pluralität eines vermeintlich einheitlichen Vernunftbezuges an Sichtbarkeit gewinnt, wird die Freiheit und Kontingenz des Sprechens letztlich wieder verschleiert. Daher stellt sich aus unserer Sicht die grundlegende Frage, ob die Bedeutung des Sprechens als kulturelle Praktik nicht völlig unterschätzt wird, wenn man es auf solch mächtige Entitäten wie Diskursethiken oder Diskursordnungen beschränkt. Aus diesem Grunde sind wir nun der Ansicht, dass das Studium des Verhältnisses von Sprache und Politik durch eine dritte Perspektive, die sich um den Begriff des Erzählens formiert und Politische Narrative zur zentralen Untersuchungseinheit erhebt, erweitert werden sollte. Wir sind davon überzeugt, dass mithilfe des Erzählbegriffs und den sich daraus entwickelnden erzähltheoretischen Konzepten von Politik die Performativität des Sprechens und ihre situative Gebundenheit deutlicher als zuvor herausgestellt und bearbeitet werden kann. Um mögliche Missverständnisse zu vermeiden: Wir verstehen diesen Vorschlag weder als Mittelweg noch als Theoriesynthese. Zwar teilen wir die beiderseits postulierte
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Annahme, dass das Medium Sprache Prozesse der sozialen Realitätskonstruktion zu strukturieren verhilft. Aber unsere Vorstellung von der erzähltheoretischen Erweiterung will keine klassische Konvergenzleistung innerhalb des Diskursbegriffs erzielen, sondern die gegenseitigen Kritiken als Ausgangspunkt einer erzähltheoretischen Fundierung des Verhältnisses von Sprache und Politik nehmen. Denn wir sind einerseits im Anschluss an Foucault ebenso skeptisch gegenüber der Kontrollierbarkeit des Mediums Sprache, also über die Frage, inwiefern sich politische Kontroversen institutionell derart einhegen lassen, dass allein rationalen Ansprüchen und Argumenten der Weg zur Politikformulierung offen steht. Auch wenn wir damit die liberale Hoffnung in eine zunehmend progressiv voranschreitende Politik nicht gänzlich teilen, sind wir doch andererseits durchaus optimistischer in der Einschätzung der Möglichkeiten der Subjekte, sich den deterministischen Kräften epochal verstetigter Diskursordnungen zumindest temporär entziehen zu können. Auch wenn Akteure sich nur vor dem Hintergrund historisch verfügbarer Subjekttypen konstituieren können, wie Foucault zu Recht annimmt, so sollten doch ihre kritischen Kapazitäten auch im Hinblick auf eine mögliche Infragestellung und Dekonstruktion dieser Ordnungen nicht unterschätzt werden. Wie Luc Boltanski (2010) jüngst überzeugend dargelegt hat, sind Akteure nicht nur weitaus reflexiver, als es konventionelle sozialtheoretische Modelle eingestehen wollen. Sie sind auch „unverblümt kritisch“ und durchaus in der Lage, auf aufbrechende Kontingenzen mit der Mobilisierung moralischer Kapazitäten zu reagieren und jenseits diskursethisch begründeter Argumente und machtsensibler Artikulationen politische Handlungsperspektiven zu eröffnen (Boltanski 2010, S. 50). Ein narrativer Politikbegriff, so wie wir ihn im Blick haben, knüpft an dieses Akteursverständnis an und bietet ein flexibles Beschreibungsvokabular, das hinreichenden Raum für die gezielte Berücksichtigung des Zusammenspiels von Kontingenz und Kreativität schafft. Schließlich genügt für die Bewältigung von Ungewissheit und Unruhe, um zwei zentrale Begriffe aus Boltanskis Moralsoziologie zu verwenden, weder das Argument noch die Artikulation, da sie beiderseits eher vorkonzipierten, abstrakten Gewissheiten entspringen. Es bedarf vielmehr der imaginären, fiktionalen Kraft, um sich den situativen Ungewissheiten des politischen Gegen- und Miteinanders stellen zu können. An dieser Stelle scheint uns der Erzählbegriff ein bisher wenig erkanntes Potenzial mitzuführen, nicht zuletzt weil er – wie der Kulturwissenschaftler Albrecht Koschorke in seinen Grundzügen einer Allgemeinen Erzähltheorie (2012) völlig zu Recht anmerkte – eine ontologische Indifferenz gegenüber seinen Zweckbestimmungen aufweist. Das Erzählen ist mehr Medium als Substanz, kann „als Technik der Wissensübermittlung anerkannt oder verworfen werden, mit tieferen Wahr-
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heiten im Bunde stehen oder den Makel der Betrügerei an sich tragen“ (Koschorke 2012, S. 17). Ferner eröffnet das Erzählen die Möglichkeit „Irreales als real und Reales als irreal erscheinen“ zu lassen (Koschorke 2012, S. 17) – vor allem deshalb, weil es nicht nur Argumente und Diskurse mobilisierbar hält, sondern auch alle denkbaren Sinnressourcen (etwa Bilder, Emotionen) gleichberechtigt anzuerkennen vermag. Damit kann das Erzählen auch dort kommunikative Prozesse strukturieren, wo im streng rationalen oder diskursiven Sinne Kommunikation an den jeweiligen Beharrungskräften eigentlich scheitern müsste. Und weil damit der etablierten Kluft zwischen dem mythos und logos, dem auch Habermas noch folgt, widerstanden und zugleich vermieden wird, das Sprechen in den Bereich ideologisch motivierter Aussagen zu verbannen, kann es gelingen, seinem schöpferischen Potenzial auf die Spur zu kommen. Es mag zwar völlig pessimistisch klingen, von der Unmöglichkeit einer eindeutig verankerten Wahrheit auszugehen, Wahrheit vielmehr auf die erzählerische Tätigkeit der Subjekte zurückzubinden. Aber es ist eine große Hoffnung, die sich mit dem Gedanken der Möglichkeit eines kommunikativen Austausches zwischen zunächst unvereinbaren aber im Horizont der Ereignisse doch insgesamt flexiblen Wahrheiterzählungen verbindet.
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Das Erzählen als politische Praktik
Wenn nun die kulturelle Synthesis eine Frage des Geschichten-Erzählens ist (Koschorke), sollte nicht auch der Versuch unternommen werden, Politik als Wettkampf von Erzählungen zu konzipieren und das Politische aus der Praxis des politischen Erzählens zu rekonstruieren? Freilich kann das Erzählen nicht ohne Rückbezug zu übersubjektiven Wissensordnungen auskommen und gewiss zielt das Erzählen auch in der Politik darauf ab, möglichst rationale, nachvollziehbare Argumente zu entwickeln. Aber es steht schließlich nicht nur eine Form der Rationalität zu Verfügung ebenso wenig wie unterstellt werden könnte, dass diskursive Ordnungen kausal und ohne Umwege auf das Denken und Handeln der Subjekte einwirken würden. Sowohl Argumente als auch Diskursordnungen sind letztlich kontingent und die Kontingenz, so die Annahme, lässt sich allein durch die Plausibilisierungskraft von Erzählungen überbrücken. Dabei geht es uns weniger um die Frage, wer mit der besseren Erzählung ins Rennen geht und durch den gekonnten Einsatz narrativer Praktiken den politischen Sieg davonträgt. Es geht uns vielmehr darum, wie sich in der gesellschaftlichen Verständigung mittels literarisch-ästhetischer Verfahren – wie beispielsweise der Bildkonstruktion durch Metaphern – emergente Erzählordnungen etablieren, die sich den kollektiv verhandelten Politikoptionen und Machtansprüchen als Legitimationskontexte
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unterschieben. Das Erzählen als politische Praktik zu verstehen, bedeutet demnach, etablierte Praktiken des politischen Regierens wie etwa das Verhandeln, die Drohung, die Vereinbarung oder die Konfrontation (vgl. Rüb 2009) daraufhin zu durchleuchten, welche erzählerischen Mittel dabei zum Einsatz kommen und wie dieser Einsatz auf die politischen Einigungsprozesse wirkt. Das Politische am Erzählen lässt sich aus unserer Sicht in Form dreier charakteristischer Eigenschaften etwas näher bestimmen. Diese Eigenschaften sollten nicht als Teilaspekte einer abschließenden Definition von politischen Narrativen verstanden werden. Sie dienen hier vielmehr als offene Heuristiken, die uns eine erste Annäherung an die Leitfrage dieses Bandes (was ist das Politische am Erzählen?) ermöglichen sollen: Erstens kann das Erzählen in seiner praktischen Bedeutung für gesellschaftliche Prozesse der Sinnvermittlung und Legitimitätserzeugung betrachtet werden. Ausgangspunkt einer solchen Beobachtung ist die Annahme, dass das Politische nicht an einen festen Ort gebunden ist – an Regierungen, Parlamente, Parteien, Verbände oder soziale Bewegungen etwa – sondern aus der gesellschaftlichen Konfrontation unterschiedlich generierter Legitimitätsansprüche konstituiert wird. In der neueren Legitimitätsforschung etwa (vgl. Geis et al. 2012) wird die Herstellung kollektiver Bindungskräfte nicht mehr allein durch die Etablierung und Anerkennung von Entscheidungsverfahren seitens der politischen Autoritäten erklärt. Vielmehr wird das Prozesshafte in den Fokus gerückt und damit die Frage, wie Legitimität im alltäglichen und dynamischen Wechselspiel von Rechtfertigung und Kritik (Gadinger und Yildiz 2012) „immer wieder aufs Neue erzeugt, kommuniziert und erhalten“ wird (Nullmeier 2011, S. 9). Gerade hier ließe sich zeigen, dass sich Rechtfertigung und Kritik im Modus des Erzählens wechselseitig konstituieren, Sinnstiftung und Handlungsfähigkeit mithin eine Frage des kollaborativen Erzählens ist (vgl. Czarniawska 2004; Fisher 1987). Das wird besonders in öffentlichen Krisenmomenten sichtbar – sowohl in größeren (Terroranschläge, Umweltkatastrophen, Finanzkrise) als auch kleineren Maßstäben (Debatte zur Kinderbetreuung, Skandale, Policy-Fragen) – wenn eine klare Definition der verhandelten Probleme ebenso problematisch erscheint, wie eine Klärung der Frage, welche Maßnahmen zu ihrer Bewältigung adäquat sind. Hier erweisen sich politische Narrative als Verbindlichkeitsnarrationen (Llanque 2012) und das Erzählen als ein zwar weiches, aber anpassungsfähiges Medium, in dem sich zwischenmenschliche Einigungen jenseits festgefahrener Argumente und Artikulationen erzielen lassen. Der Narrativbegriff berührt das Thema der Legitimität aber nicht nur auf dieser prozessualen Ebene von Politik. Er umfasst auch die Frage nach der Legitimität vermeintlich feststehender Entitäten wie Familien, Freundeskreise, Organisationen, Völker oder auch Nationen, die sich allesamt durch variationsfähige Narrative des geteilten sozialen Bandes konstituieren und durch das stetige Erzählen und Wiedererzählen dieser Narrative auf Dauer
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stellen. Der Vorteil einer erzähltheoretischen Perspektive auf Legitimitätsfragen liegt insbesondere darin, dass sie diese beiden noch weitgehend lose verbundenen Bereiche der politikwissenschaftlichen Legitimitätsforschung elegant zusammenzuführen erlaubt. Denn in jedem Versuch, politische Probleme zu konkretisieren und eine verbindliche Einigung zu erzielen, lassen sich erzählerische Techniken finden, die darauf abzielen, die Kraft institutionell eingeschliffener Narrative zu mobilisieren („Im Namen der Demokratie“ oder „Im Namen des Volkes“ etwa sind gängige Formeln dafür). Eine Erzähltheorie jedenfalls wäre darum bemüht, nachzuvollziehen, wie mittels dieses Wechselspiels konfrontative Sprachstrategien in Prozesse der kollektiven Selbstverständigung übergehen und wie dadurch emergente Erzählordnungen entstehen, in deren Sinnbezügen sich eine kollektiv verbindliche Entscheidung einrichten und mit Legitimität versorgen kann. Eine gute Geschichte beschäftigt sich deshalb primär mit erzählerischen Repertoires und weniger mit vermeintlich abschließenden Gewissheiten (vgl. Wagenaar 2011, S. 211). Das Geheimnis einer großen Erzählung liegt schließlich nicht so sehr in ihrer ereignisunabhängigen Kohärenz, sondern in ihrer Unschärfe und in ihren inneren Spannungen. Anders wäre es jedenfalls kaum möglich, in überraschenden Momenten gängige Erzählungen situativ anzupassen und daraus politische Legitimität zu beziehen. Zweitens kann die politikwissenschaftliche Relevanz des Erzählens auch mit Blick auf die Verkörperung von Machtansprüchen aufgezeigt werden. Denn das Erzählen vollzieht sich besonders in umkämpften Politikfeldern, wo ihr die Aufgabe obliegt, einzelne Deutungsschritte so aufeinander abzustimmen, dass kollektives Problemverstehen und -handeln auch dann möglichen wird, wenn sich die Streitparteien unablässig um eine Existenzialisierung ihres Konfliktes bemühen. Dieser Aufgabe werden narrative Konstruktionen insofern gerecht, „als sie in ihrer Suche nach Plausibilitäten wenig wählerisch sind (und) auf synkretistische Weise alle verfügbaren Evidenzen“ zusammenziehen (Koschorke 2012, S. 238) und den „Erfolg oder das Scheitern von Wahrheitsansprüchen [. . .] weniger von empirischer Verifikation als von der inneren Logik und der rhetorischen Überzeugungskraft der Erzählung“ (Somers 2012, S. 280) abhängig machen können. Der Begriff des politischen Narrativs ordnet sich damit in eine Konzeption von Machtpolitik ein, die nicht auf materielle Verteilungsfragen beschränkt ist, sondern ihre Einbettung in die allgemeineren Kämpfe um Artikulationschancen zum Fokus hat (vgl. Barnett und Duvall 2005; Haugaard 2002). Allerdings werden diese Kämpfe nicht aus der Perspektive kampfbereiter und bereits aufgestellter Akteure rekonstruiert, da theoretisch vorgefertigte Handlungsmodelle die kreativen, umstrittenen und oftmals auch destruktiv verlaufenden Formierungsprozesse realer, um Deutungssicherheit und -macht bemühter Akteure weitgehend ausblenden. Es verbindet sich damit
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vielmehr eine relationale Perspektive auf Machtprozesse, die nicht den Besitz von Macht, sondern ihre situative Formung in kommunikativen Interaktionsbeziehungen in den Fokus zieht. Macht wird in politischen Narrativen hauptsächlich durch die Einführung und Vereinnahmung mitreißender Figuren erzeugt – das Volk oder den Staat etwa, in deren Namen man zu agieren oder deren Willen man zu befolgen vorgibt. Diese narrative Machttechnik, die sich auf den Umgang mit Gründungsmythen konzentriert, hat in der Geschichte von Volks- oder Staatswerdungen nicht selten massive Gewaltdynamiken entfesselt.3 Macht lässt sich aber auch mithilfe einer narrativen Arbeit an der Zeitlichkeit der Ereignisse formen. Nimmt man etwa das Beispiel jener Versuche, in denen die Folgen solcher Gewaltdynamiken öffentlich problematisiert werden, zeigt sich, dass bereits die Wahl eines Ereignisanfangs einen machtpolitischen Akt darstellt, mit dem wichtige Vorentscheidungen darüber getroffen werden, was überhaupt in eine „Gesamtrechnung von Schuld und Rache“ einbezogen werden kann oder gar muss (Koschorke 2011, S. 40 f.; Yildiz 2014). Beide Fälle machen deutlich, dass im Medium der Erzählung Legitimität und Macht untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass sie aufeinander reduziert werden könnten. Denn zu legitimieren bedeutet, gleichzeitig darüber zu befinden, „welche Geschehnisse überhaupt in die gesellschaftliche Semiosis Eingang finden und tatsächlich Konsequenzen nach sich ziehen“ (Koschorke 2012, S. 62). In jedem Versuch also, prekäre Situationen durch erzählerische Praktiken zumindest temporär auszubalancieren, lassen sich nicht nur Verbindlichkeitsnarrationen, sondern auch Machtansprüche identifizieren. Drittens kann das Politische am Erzählen durch die Bedeutung von Fiktionalität und Polyphonie in der Politik hervorgehoben werden. Denn wenn Legitimität und Macht aufeinander verweisen, ist eine politiktheoretische Vorstellung von Vielheit und Heterogenität anzubinden – nicht additiv, eher programmatisch. Denn andernfalls wäre das Zusammenwirken von Legitimität und Macht so konzipiert, als ob es in einer höheren Einheit endgültig aufzulösen sei. Da damit aber eine historisch belastete Vorstellung vom Verlauf der menschlichen Geschichte reaktiviert und eine theoretisch hochgradig problematische Position vertreten wäre, nimmt in herkömmlichen Politiktheorien der Begriff des Pluralismus einen zentralen Stellenwert ein. Zwar ist Vielheit und Heterogenität auch für die Erzähltheorie von elementarer Bedeutung. Aber für sie stellt sich dieses Phänomen nicht als Pluralismus dar, sondern als Polyphonie! Im Unterschied zu den klassischen Texten der Politikwissenschaft folgt der Begriff der Polyphonie einer relationalen Vorstellung von Macht, in der sich Vielheit nicht als plurale Ordnung einheitlicher Kategorien wie Akteure 3
Vgl. hierzu etwa die Staat-als-Gärtner-Metapher und ihre besondere Performativität, die Zygmunt Bauman (2005) beschrieben hat.
Politische Narrative. Konturen einer politikwissenschaftlichen Erzähltheorie Abb. 1 Dimensionen des politischen Erzählens. (Quelle: Eigene Darstellung)
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Legitimität
Sinnvermittlung
Politische Narrative
Verkörperung
Macht
Fiktionalität
Polyphonie
und Strukturen, sondern als ein Bewegungsprinzip äußert, das sich ähnlich wie in poststrukturalistischen Ansätzen im Nexus von Einheit und Differenz verortet (vgl. Marchart 2010). Mit Polyphonie wird also eine durchaus stärkere Vorstellung von Vielheit angeboten, als es konventionelle Politiktheorien vorsehen, insofern damit ermöglicht wird, in den textlich vermittelten Tendenzen der Vereinheitlichung auch jener Verzweiflung auf die Spur zu kommen, die mit der Suche nach einem einzigen, abschließenden Vokabular der Weltbeschreibung meist einhergeht (vgl. Rorty 1992, S. 16–17). Dafür stellt die Erzähltheorie variable Beschreibungsformeln zur Verfügung, die aufgrund ihrer Beweglichkeit auch gut dafür geeignet sind, „die kulturelle Improvisation im Vorfeld und an den Rändern systemischer Ausdifferenzierung in den Blick zu bekommen“ (Koschorke 2008, S. 553). Denn Unschärfen, Mehrdeutigkeiten und Begriffstrübungen erhöhen die Lebensdauer von Narrativen und es scheint so, als ob ein bestimmter Grad an Polyphonie das „Stimmvolumen einer Erzählung (. . .) erweitern“ und ihre „Suggestivkraft“ geradezu erhöhen würde (Koschorke 2012, S. 21). Nimmt man etwa die dominanten Erzählungen des 20. und 21. Jahrhunderts, wird durchaus erkennbar, dass die Erzählung vom Kalten Krieg, von den Grenzen des Wachstums, der unsichtbaren Hand des Marktes oder der gegenwärtig wohl wirkungsmächtigsten Erzählung vom Krieg gegen den Terror in ihrer Plot-Struktur unscharf angelegt sind, aber dadurch eine vielfach anschlussfähige Lebendigkeit erhalten. Unschärfen und Mehrdeutigkeiten scheinen geradezu die Kraft des Fiktionalen heraufbeschwören und das Imaginäre am Politischen erkennbar machen zu können. Es ist nun nicht von der Hand zu weisen, dass in dieser Konzeption (siehe Abb. 1) eine weitreichende epistemologische Konsequenz enthalten ist, die die Würde der
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alteuropäischen scientia universalis auszuhebeln droht (Koschorke 2008, S. 550). Schließlich werden damit die artifiziellen Grenzziehungen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Fakt und Utopie, Prosa und Poesie aufgelöst und dadurch die gängige Spaltung von Subjekt und Objekt, von Kultur und Natur unterlaufen. Dass im Erzählen derartige Zuordnungen ihre Stabilität verlieren und Sprache weder an Objekte noch an vorgelagerte Zweckbestimmungen fixierbar erscheint, sollte als eine Herausforderung dafür betrachtet werden, den Umgang mit politischen Problemen als kulturelle oder eben narrative Praxis zu rekonstruieren. Denn die Radikalität, mit der Hayden White in seiner Metahistory den Objektivitätsanspruch der Geschichtsforschung als fiktiv entlarven konnte, scheint sich in vergleichbarer Form auch auf die Politik und ihre Dynamik zu übertragen; stellt sie sich doch häufig als eine Arena des Erzählens dar, in der alles Reale fiktiv werden kann und umgekehrt vermeintliche Fakten nur durch Erzählweisen Sinn zu ergeben scheinen. Demnach sind faktisches und fiktionales Erzählen aufeinander angewiesen,4 so dass Erzählstrategien nicht als rein imaginäre Phänomene zu behandeln sind, sondern ihr Erfolg meist davon abhängt, ob sie die Evidenz des Faktischen durch konfigurative Eingriffe absorbieren können (Koschorke 2012, S. 334). Polyphonie und Fiktionalität laufen also nicht auf einen kulturellen Relativismus hinaus, so als ob alles, was erzählt werde, allein deshalb realisierbar wäre; oder – schlimmer noch – den Akteuren keine normativen Kategorien mehr zur Verfügung stünden, die sie zur Legitimation und Universalisierung ihrer Äußerungen nutzbar machen könnten. Es bedeutet nur, dass erzählende Wesen nie alternativlos sind, sie vielmehr fortwährend unterschiedliche Projekte und Ideen mobilisieren können und ihnen selbst die Möglichkeit zur Verfügung steht, scheinbar eindeutige Tatsachenbehauptungen zu hinterfragen und Kritik und Zweifel gegenüber etablierten Gewissheiten zu verbreiten. Wenn Pluralismus eine elementare Bedingung für die Teilnahme an öffentlichen Entscheidungsprozessen ist, dann ist Polyphonie eine zentrale Voraussetzung für die Konstitution öffentlicher Gespräche (vgl. Koschorke 2012, S. 338). Mit der Konzeption eines erzählenden Akteurs wird das Verhältnis von Legitimität und Macht nun so ausformuliert, dass jene erzählerisch-kreativen Techniken fokussierbar werden, die sich in einem funktional noch unberührten Raum „des Dazwischen oder Davor“ (Koschorke 2008, S. 552) ereignen und für die Konstruktion sozialer Tatsachen (im Sinne getaner Sachen) als elementar erachtet werden können. Der Vorteil eines solchen Ansatzes liegt insbesondere darin, dass es den zwischenmenschlichen Raum nicht auf das funktional und semantisch 4 Anders Martinez und Scheffel (2012), die die Unterscheidung in faktuales und fiktionales Erzählen dezidiert herausgearbeitet haben und für eine klare Differenzierung beider Erzählformen plädieren.
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durchdrungene beschränkt, sondern in seiner Vielstimmigkeit zu denken erlaubt und als jenen Ort begreifen lässt, in dem sich die Konstitution und Übertragung von Sinn jenseits rein systemischer Zwänge und Imperative vollziehen kann.
1.2
Politische Erzählpraktiken unter Beobachtung
Dass das Erzählen keine dem Gegenstand Politik fremde Kategorie ist, wird im politisch-publizistischen Geschehen besonders gut erkennbar. Denn dieses Geschehen vollzieht sich in einem kommunikativen Feld, das sich nicht durch die strategischen Interessen der Beteiligten vollständig kontrollieren lässt. Wenngleich die strategische Kommunikation zu einem wichtigen Geschäftsfeld der Politikberatung geworden ist und über die Metapher des über Bande Spielens durchaus wirksame Strategien verkauft werden können, geht es in öffentlichen Kontroversen doch vielmehr um die kritische Prüfung der Gründe, die zu ihren Legitimierungen vorgebracht werden. Und gerade an diesem Ort lässt sich immer wieder beobachten, dass das Aussprechen plausibler Gründe und Ansprüche stets in den Modus der Erzählung wechselt und auch ihre kritische Sichtung sich durchaus mit dem Hören und Sagen von Geschichten vergleichen lässt. Dies kann etwa mithilfe dreier Beispiele aus der Politik etwas näher veranschaulicht werden: Erstens lassen sich die bisherigen konzeptionellen Ausführungen am Beispiel der Finanzkrise und den daran anschließenden narrativen Verständigungsprozessen empirisch plausibilisieren; zweitens möchten wir kurz auf den Deutungskonflikt zur NSA-Überwachungsaffäre eingehen, der derzeit insbesondere über die Frage ausgetragen wird, ob es sich im Falle des Enthüllers nun um einen Helden oder um einen Verräter handelt. Gerade hier sind literarische Konstruktionen am Werk, die von außerordentlicher politischer Relevanz sind. Als drittes Anschauungsmaterial dient uns eine knappe Rekonstruktion der Narrative des deutschen Bundestagswahlkampfs 2013. Polyphonie der Finanzkrise Nicht zufällig wurde mit der globalen Finanzkrise die „Stunde der Literatur“ (Nils Minkmar) ausgerufen. Denn offensichtlich fehlen uns die sprachlichen Mittel, derart komplexe Phänomene jenseits mathematischer Formeln adäquat darzustellen und zum Gegenstand öffentlicher Kommunikationen zu erheben. Minkmar (2008) etwa plädierte dafür, die Finanzkrise als Niedergang einer bis dahin geglaubten Abenteuergeschichte von Geld und Magie zu begreifen, deren Optimismus man nur allzu unhinterfragt gefolgt sei. Ihre Hauptfiguren waren schließlich Helden, mit denen sich erfolgsorientierte Menschen identifizieren konnten. Denn sie arbeiteten hart, waren tüchtig und brachten es zu Etwas, ganz
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„ohne Gewalt und Blutvergießen, einfach weil sie gut rechnen (. . .) und die Nerven bewahren“ konnten. In seinen Beiträgen erweist sich Minkmar als reflektierter Erzähler, der sich den Wirkungsweisen literarischer Formen durchaus bewusst ist. Denn eine gute Geschichte erweise sich, wie er betont nicht deshalb als gut, weil sie imstande wäre, die Wirklichkeit der Phänomene objektiv zu fassen. Einer Erzählung gehe es vielmehr um „Trost“ und um das „Bändigen der unbekannt nahen Zukunft, damit man sich einen Reim macht auf die Dinge des Lebens“. Unter den Bedingungen der globalen Finanzmarktkrise eigneten sich nun weder die Investmentbanker, die wir etwa in der allwissenden Figur eines Gordon Gekko aus dem Film Wall Street kennen, noch die typischen High-Society Figuren aus Dallas oder dem Denver-Clan als glaubwürdige Helden. Vielmehr war das Bild, das die Krise bot, in der Lage, aus Helden gescheiterte, gar arglistige Figuren zu machen und eine Erfolgsgeschichte binnen weniger Wochen in eine Tragödie zu verwandeln. Das einflussreichste Bild dafür war sicherlich jenes, in dem der gescheiterte Held gesenkten Hauptes mit einem Schuhkarton unter dem Arm aus seiner Wirkungsstätte floh (Lehman Brothers)5 , während die Occupy-Bewegung mit der Kraft mitreißender Slogans (We are the 99 %) ein alternatives und marktkritisches Narrativ etablieren konnte. In diesem Zusammenhang beklagte sich Peer Steinbrück darüber, dass man es in Europa versäumt habe, eine neue Erzählung zu verbreiten, die den Menschen verständlich machen könne, was solche Metaphern wie Rettungsschirme oder Schuldenbremsen bedeuteten. Andernfalls drohe das Projekt Europa am „Klein, Klein“ der Bürokraten zu scheitern. Im Anblick der Krise aber begaben sich nicht nur Journalisten und Politiker auf narrative Sinnsuche. Auch die harte Wissenschaft stand vor dem Problem, eindeutige Aussagen über die Ursachen und Verlaufsmuster der Krise anzubieten. Selbst eine spieltheoretische Reformulierung der Krise konnte dabei nicht von sich behaupten, tiefgründiger als die Annahme zu sein, „die Euro-Krise gleiche einer griechischen Tragödie.“ Die Spieltheorie, so ein prominenter Vertreter, sei schließlich selbst nicht mehr als „eine Ansammlung von Fabeln und Sprichwörtern“ (Rubinstein 2013). Das Hauptproblem der narrativen Arbeit an der Krise bestand insbesondere darin, ihren Anfang und ihre Zukunft zu bestimmen. Zwar hatte sich Europa in einer Art „Rückwärtsgeschichte“ konstituiert, die sich als Friedens- und Kriegsverhinderungsnarrativ erfolgreich verbreiten konnte. 5 Dieses Bild wird in den zwei eindrucksvollsten Filmen zur Finanzkrise Margin Call und Inside Job insoweit bekräftigt, da die Protagonisten allesamt auf die Mechanismen und Kräfte des Marktes nur hilflos reagieren können und in ihrer Mischung aus Zynismus und Unverständnis das Gegenbild zum unantastbaren Strippenzieher Gordon Gekko aus Wall Street bilden.
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Aber im Anblick der Krise fehlte schlicht eine „Vorwärtsgeschichte“, die sich der Frage Wo wollen wir hin? zu widmen in der Lage war, wie Steinbrück feststellte (zitiert nach Bahners 2011). Denn die Rückwärtsgewandtheit schien Erzählungen zu bevorzugen, die die Nord-Süd-Spaltung Europas thematisierten. Giorgio Agamben etwa empfahl nicht zufällig die erneute Lektüre einer 1945 verfassten Schrift des französisch-russischen Philosophen Alexandre Kojève, in dem der Autor für ein lateinisches Imperium plädierte, das sich seiner mediterranen Kultur bewusst wird und sich in diesem Bewusstsein der deutsch-protestantisch-angloamerikanischen Kontinentalmacht widersetzt. Für Gustav Seibt (2013) ist sein reaktiviertes Plädoyer ein Zeichen dafür, dass Menschen in Krisen dazu tendierten, die „vergangene Zukunft wieder zum Leben“ zu erwecken. Zwar setzt die narrative Arbeit an der Krise, wie Seibt völlig zu Recht bemerkt, historische Empfindsamkeit voraus. Aber sie muss diese Ressource im Sinne einer „Vorwärtsgeschichte“ auswerten, um aus der Lethargie und inaktiven Folgsamkeit ausbrechen und eine werbende Sprache entwickeln zu können, die „über Budgetziffern“ hinausgeht 6 . Die Snowden-Affäre Es sind nicht immer epochale Meistererzählungen, die in das politische Geschehen hineinwirken. Oft sind es kompakte Geschichten, die dem Umgang mit kollektiven Handlungsproblemen imaginäre Energien zuführen. Das lässt sich etwa am Beispiel der jüngeren Lebensgeschichte von Edward Snowden zeigen, der innerhalb kurzer Zeit von einem tüchtigen, eher unauffälligen Datenverwalter zu einer gejagten Figur der Weltpolitik wurde. Er hatte der Maschinerie westlicher Geheimdienste sensibles Datenmaterial entlockt und die Weltöffentlichkeit in ein Moment nachdenklicher Ratlosigkeit gestürzt, das gewöhnliche Beobachter des politischen Geschehens gleichermaßen überforderte wie professionelle Politiker und Journalisten (vgl. Bieber 2013). Ist er nun ein Held, der die Welt vor einem listig heranrückenden Totalitarismus warnt, oder eher ein Verräter, der die demokratische Welt in Aufruhr versetzt und die Sicherheit des Westens durch ein falsches Moralempfinden gefährdet? Die schwer fassbare Metapher des Enthüllers verdeutlicht diese Ambivalenz wohl am besten und verweist auf eine neue Figur im politischen Geschehen. Durch seine abenteuerliche Flucht und die vorläufige Annahme seines Asylgesuchs in Russland ließ sich seine Tat zunächst in die Struktur der klassischen Erzählung des Kalten Krieges zwingen, die ihm die Rolle eines Spions verlieh, der zum Feind übergelaufen war. Aber das Enthüllen eignete sich nicht nur für Hochverrat und Komplott. Sie ließ sich auch in eine Ge6 Ein Beispiel für eine solche Vorwärtsgeschichte kann der neuen Schrift von Claus Leggewie und Harald Welzer (2011) entnommen werden, die umgekehrt die Zukunft Europas in der wachsenden Kooperation mit den Mittelmeerländern sehen.
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schichte setzen, die vom Betrug am Volk, von demokratischen Selbsttäuschungen, bröckelnden Rechtsfassaden und sich global verselbständigenden Überwachungspraktiken berichtete. In dieser Erzählung präsentierte sich das Enthüllen nicht als Verrat, sondern als aufopferungsvolle Heldentat, die sich der realweltlichen Manifestation eines orwellschen Bedrohungsszenarios entgegenstellte. So ist es kein Zufall, dass kaum ein Kommentator der Ereignisse sich den Verweis auf George Orwells Klassiker 1984 nehmen ließ und das Buch gerade zu dieser Zeit in den einschlägigen Bestseller-Listen wieder rasch emporsteigen konnte. James Bamford (2013) beispielsweise nutzte Orwells Idee des Doublethink, um die Aussagen von US Geheimdiensten und Politikern als ein Projekt zu entlarven, in dem der aufrichtige Glauben an die Wahrheit durch eine sorgfältige Konstruktion von Lügen hintergangen wird. Nun könnte man vermuten, dass es der kritischen Erzählung doch gelingen müsste, den aufrichtigen Glauben an die Wahrheit von den Lügen zu befreien, da sie schließlich nicht im Gewand herkömmlicher Verschwörungstheorien artikuliert und verbreitet wurde, ihr vielmehr hartes und authentisches Material zur Verfügung stand. Da sich aber in der Geschichte vom übergelaufenen Verräter jede Ansammlung von Fakten als Beweis für das unerträgliche Ausmaß des Verrats darstellen lässt, liegt eher der Verdacht nahe, dass durch die jeweiligen Erzählungen und die ihr eigenen Logiken des Konfigurierens von Fakten imaginäre Eigenwelten entstehen können, die einen von der objektiven Faktenlage völlig unabhängigen Umgang mit Erzählstoffen organisierbar machen. So betrachtet, ist das Enthüllen vom Verrat nicht weiter entfernt, als von der Aufklärung. Es kommt offenbar allein auf die narrative Navigation der Aufmerksamkeit an und auf die imaginäre Führung durch ein unsichtbares Geschehen. Allerdings bedeutet dies nicht, dass das Faktische rein passiver Natur wäre und sich den narrativen Eigenwelten vollständig unterordnen ließe. Denn die Befreiung von Realitätszwängen ist eine narrative Strategie, die immer wieder scheitern kann; sei es, weil der Lauf der Geschichte ständig neue Bilder erzeugt und damit stets neue Kapitel erzwingt (etwa das Bild einer dauerüberwachten und hinters Licht geführten Bundeskanzlerin, das Snowden in die Rolle eines Zeugen und Gesprächspartners der deutschen Bundesregierung brachte), oder weil die Logik der narrativen Sinngebung eine gewisse Form der Finalität mit sich führt und dem erzählenden Wesen vollkommene Offenheit irgendwann völlig unerträglich wird. Eine Erzählung, in der „zu jeder Zeit alles passieren könnte“ (Koschorke 2012, S. 50), ist jedenfalls auf Dauer nicht auszuhalten und so kommt es, dass sich der Horizont möglicher Deutungen im Zuge narrativer Verhandlungen sukzessive zuzuspitzen tendiert, sei es in Episoden oder anderen Formen vorläufiger Enden. Zur Kontingenz des Erzählens ist schließlich noch anzumerken, dass Erzähler nie in einem narrativen Vakuum, sondern immer nur im Kontext anderer, sich oft
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überlagernder Geschichten erzählen, die zwar mobilisiert, aber nicht vollständig kontrolliert werden können. Einschlägig für die kritische Deutung der SnowdenAffäre etwa war der Versuch, die Tragödie vom Krieg gegen den Terror mit einer komödiantischen Erzählung von einer Konsumgesellschaft zu verbinden, in dem aus reinen Genuss- und Komfortzwecken auf Privatheit gänzlich verzichtet wird. Dass das Erzählen gerade in seiner Möglichkeit, diverse Geschichten miteinander verknüpfen zu können, an politischer Relevanz gewinnt, lässt sich an der hinkenden Tragödie deutlich machen. Denn was sich als beunruhigende, fast lächerliche Machtkonzentration von IT-Konzernen wie Google, Microsoft und Facebook erzählen und damit in den Einzugsbereich eines tragischen Überwachungsnarratives stellen lässt, kann sich rasch in eine faszinierende Erfolgsgeschichte ihrer Protagonisten (u. a. Steve Jobs, Mark Zuckerberg) wenden. Und umgekehrt ist der narrative Weg von einem American Dream, dem jedes Maß und jede Vorstellungskraft für die Effekte globaler Überwachungspraktiken fremd ist, zu einem American Nightmare, dem diese Vorstellung schweißtreibt, meist auch nicht weit. Erzählungen des Wahlkampfes Zur Illustration eines erzähltheoretisch erweiterten Begriffs von Politik eignen sich auch Wahlkämpfe. Schließlich werden sie mit der Macht der Worte geführt und können damit verdeutlichen, dass Sprache wahlund damit auch politikentscheidend werden kann. Für die Wahlkampfforschung ist Sprache als Forschungsgegenstand deshalb von besonderem Interesse (Sarcinelli 1987, 2011) – geht es ihr doch um die Frage, wie das Volk auch auf einer primär nicht rationalen Ebene in die Wahlkalküle der Parteien eingebunden werden kann, wie Kombattanten auch emotional argumentieren und mit Gefühlen wie Angst und Zuversicht umgehen, welche politischen Rollen sie im Blick haben und mittels welcher narrativer Techniken sie ihre politischen Amtsansprüche öffentlich oder auch innerhalb der eigenen Parteien legitimieren. Der Wahlkampf eröffnet damit eine vergleichsweise klare Sicht auf politische Narrative, weil Akteure unter Wahlzwang dazu tendieren, von sich zu erzählen und ihre politischen Vorhaben preiszugeben, die sonst öffentlich nicht verhandelt werden. Dazu entwerfen sie Geschichten, die mehr oder weniger dazu taugen, ein als unentschlossen wahrgenommenes Wahlvolk für sich zu gewinnen. Jedoch ist ein auf die wahlkämpfende Akteursperspektive zugeschnittener Begriff von politischen Narrativen noch reduktionistisch, sofern sie ihre „diskursstrukturierende Kraft“ (Viehöver 2012) unterschlägt und so tut, als ob sich die Magie der Sprache zweckrational fesseln ließe. So wäre neben dem strategischen Potenzial von Narrativen auch daran zu denken, dass die darin artikulierten Grundbotschaften polyphon sind und jede erzählerische Leistung auf mehr als nur einen strategisch motivierten Erzähler verweist.
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In politischen Wahlkampfreden kommen beispielsweise Erzählmuster zum Ausdruck, die auf den intentionalen Haushalt der Akteure einwirken können und die politischen Akteure dazu zwingen, sich in ihren Strukturen glaubhaft einzurichten und zurechtzufinden. Es ist nicht so, dass politische Sprache ein weitgehend sprachunabhängig zustande gekommenes Motiv unverzerrt transportieren könnte. Vielmehr wirkt Sprache schon auf der Ebene der Konstitution von Sinn und auch das Reden im Wahlkampf bleibt davon schließlich nicht unberührt. So bediente die CDU im vergangenen Bundestagswahlkampf etwa ein narratives Muster, das einen Prozess der „Immunisierung“ dadurch in Gang setzte, in dem sie die soziale „Realität in eine gesellschaftliche und eine individuelle Sphäre“ aufspaltete (Heitmeyer 2012, S. 22). Den Wahlkampf einzig auf Angela Merkel auszurichten, sollte es der CDU erlauben, sich von parteipolitischen Rechtfertigungszwängen zu befreien und ein „weiter so“ mit der Kraft einer verheißungsvollen Romanze auszustatten. Auf diese Weise versorgte sich der Status-Quo mit einem wohligen Gefühl der Sorglosigkeit für gesamtgesellschaftliche Probleme, wohingegen dem politischen Problembewusstsein als Gestaltungsraum allenfalls der eigene Vorgarten bleib. Nun könnte man argumentieren, dass der Wahlerfolg der CDU den Beweis dafür liefere, dass Sprache strategisch formbar sei. Aber dieses Argument wäre, sofern es nicht zum weiteren Nachdenken animierte, eine insgesamt doch oberflächliche Einschätzung, die das Wie einer strategischen Formung ausblendet und sich ihrer Komplexität gar nicht bewusst werden kann. Deshalb ergibt es durchaus Sinn, sich mit der Polyphonie der narrativen Immunisierung auseinanderzusetzen. Erstens, weil neben professionellen Wahlkampfstrategen heterogene Kräfte am Werk waren, die imstande waren, der vorartikulierten Grundbotschaft lokales Wissen hinzufügen und damit ihre Akzeptanz situativ zu steigern: Konservative Medien, ehrenamtlich tätige Wahlkampfhelfer in Fußgängerzonen, Webseiten und Wahlwerbespots bis hin zu Plakaten und Wahlwerbeslogans waren an der Konstitution und am Erfolg der Botschaft schließlich beteiligt. Da Polyphonie nicht nur Ausdruck der Existenz unterschiedlicher Schreiber und Erzähler ist, wäre zweitens auch die narrative Arbeit des politischen Gegners mitzudenken. Auch sie floss in die Konstitution der CDU-Narrative ein und wirkte an ihrer Verbreitung und an ihrem Erfolg mit. Dies geschah zwar auf einer anderen Aktivitätsstufe, in der nicht intuitive, sondern eher kontraintuitive Effekte erzeugt werden. Da sich Profilierung aber meist durch die bewusste und meist zugespitzte Abgrenzung zu einem antizipierten Gegennarrativ vollzieht, wäre Polyphonie in ihrer vollen Heterogenität zu beachten; d. h. nicht als eine zur Einheit laufende Vielheit, sondern auch als eine ihr gegenläufige Praxis. Denn für die Immunisierung war es keinesfalls belanglos, dass der politische Gegner vom Zerfall des gesellschaftlichen Zusammenhangs erzählte und der Erfolgsgeschichte der Merkel-CDU nicht mehr als eine soziale Tragödie
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entgegenstellen konnte, in der die Wähler als ökonomische Verlierer, sozial Ausgegrenzte und als politische Hilfsfälle dargestellt wurden. Während im konservativen Erzählangebot die vergleichsweise gute ökonomische Performanz des Landes in einen alleinigen Erfolg der CDU transformiert und die amtierende Bundeskanzlerin Angela Merkel in die Rolle einer international anerkannten Problemlöserin versetzt werden konnte, übernahm Peer Steinbrück die Rolle eines eher schlecht gelaunten Herausforderers und eines stümperhaften Intellektuellen. Sie ließ sich als Heldin inszenieren. Er wurde als Störfaktor wahrgenommen. Narrative sind also immer in der Lage, Emotionalitäten Raum zu geben, Authentizität zu arrangieren und dadurch Machtverhältnisse zu verkörpern. Die Analyse politischer Narrative bietet damit die Möglichkeit, das gestiegene Grundrauschen des Wahlkampfes zu sortieren. Diese drei Illustrationen demonstrieren trotz ihrer Skizzenhaftigkeit wie bedeutend das Erzählen für politische Einigungen und Meinungsbildungen ist, und dass es sich dabei um eine universelle kulturelle Aktivität handelt, die politikwissenschaftlich erschlossen werden sollte – insbesondere für jene Ansätze, die sich im Anschluss an kulturwissenschaftliche Forschungsperspektiven dem Verhältnis von Sprache und Politik weiterhin annähern möchten. Was sich außerdem zeigen sollte, und in den vielfältigen Anwendungsbeispielen in diesem Band noch deutlicher herausgearbeitet wird, sind die methodischen Schwierigkeiten einer Analyse narrativer Praktiken. Dabei geht es weniger darum, den Raum des Gesprächs abschließend zu rekonstruieren, wie dies in argumentations- und diskursanalytischen Studien stärker angelegt ist, sondern den fluiden Charakter und die Vielstimmigkeit von Erzählungen einzufangen und sie nicht vorschnellen Kontrollversuchen zu unterziehen. Eine Narrativanalyse pendelt deshalb stets zwischen der erzählenden Aktivität von Subjekten – der Narration als Prozess – und den Strukturen des Erzählten – dem Narrativ als Produkt – und folgt damit keiner chronologischen Ordnung, sondern eher dem Lauf der Geschichten und ihren charakteristischen Zeitsprüngen. Eine gute Analyse politischer Narrative entzieht sich deshalb einer klaren literarischen Gattungsbezeichnung. Vielmehr steht für sie die Lebendigkeit der erzählerischen Praxis im Vordergrund und die Motivation, möglichst viele Stimmen zu hören und in die eigene Geschichte zu integrieren. Ein gutes Beispiel für ein solches Vorgehen ist etwa der Versuch von David van Reybrouck (2012), die Geschichte Kongos so zu erzählen, dass der historische Bogen von der Kolonialherrschaft über die Mobutu-Diktatur zur Gegenwart nicht äußerlich, künstlich vereinheitlicht wird, sondern die vielen hundert Stimmen von Rebellenführern, Kindersoldaten, Kriegsverbrechern, Politikern und Missionaren vernommen werden, die
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durch ihre Träume, Hoffnungen und Erzählungen letztlich ein widersprüchliches, jedoch vielstimmiges Bild Kongos zeichnen. Bevor im dritten Abschnitt in Form einer offenen Heuristik Leitfragen einer Narrativanalyse skizziert werden, geht es im nächsten Abschnitt noch um bisher eingeschlagene Pfade der politikwissenschaftlich orientierten Narrativforschung, die aus unserer Sicht nicht nur in ihren entsprechenden Forschungsfeldern zwischen Policy-, Organisationsund Diskursforschung jeweils innovative Vorschläge unterbreitet haben, sondern auch in gewinnbringender Weise Anschlussmöglichkeiten zur Entwicklung eines interdisziplinären Forschungsprogramms bieten.
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Anknüpfungspunkte einer erzähltheoretischen Forschungsagenda
Will man erste Konturen einer politikwissenschaftlichen Erzähltheorie bestimmen, empfiehlt es sich, bisherige Überlegungen aus dem politikwissenschaftlichen Feld als Anknüpfungspunkte zu identifizieren. Die Schwierigkeit besteht jedoch darin, dass ein Gesamtüberblick zu bestehenden Forschungsansätzen nicht nur quer durch die Teilbereiche der Politikwissenschaft verläuft, sondern auch an benachbarte sozial- und geisteswissenschaftliche Disziplinen angrenzt. Die Beiträge von Dominika Biego´n und Frank Nullmeier sowie der erste Beitrag von Willy Viehöver in diesem Band leisten hierzu einen ausgezeichneten Überblick. Zudem ordnen auch alle weiteren Autorinnen und Autoren in diesem Band ihren narrativen Zugang in den entsprechenden Stand der Forschung ein und liefern damit Einblicke in verschiedene Verwendungsweisen des Narrativbegriffs beispielsweise Marlon Barbehön und Sybille Münch in Bezug auf die Policy-Forschung. Deshalb soll in diesem Abschnitt lediglich auf einige zentrale Ausschnitte weniger Referenzautoren eingegangen werden, die uns im Hinblick auf die aktuelle Forschungsdebatte besonders wichtig erscheinen und hier eigens hervorgehoben werden. Zunächst ist zu erwähnen, dass sich der Begriff des politischen Narrativs in bestehende Forschungsdesigns nicht reibungslos integrieren lässt, sondern eine kulturwissenschaftliche Erweiterung des politikwissenschaftlichen Methodenund Theorievokabulars erfordert. Besonders die kulturwissenschaftliche Sprachphilosophie hatte in den letzten Jahren starke Impulse an die interpretative Politikforschung ausgesendet, wie Willy Viehöver in diesem Band darlegt. Ähnlich wie Viehöver sieht auch Koschorke die sprachliche Verfasstheit der Welt als Ausgangspunkt einer kulturtheoretischen Forschung, die er dann in seiner Allgemeinen Erzähltheorie konsequent weiterentwickelt. Die Erzähltheorie – so sein
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Argument – könne etwa aufzeigen, wie das Bezeichnen als kulturelle Aktivität in die Welt interveniert. Schließlich sei das Erzählen keine „reproduktive, den erzählten Inhalten gegenüber nachrangige Tätigkeit, [. . .] kein bloßes Rekapitulieren after the fact“, vielmehr ein aktiver Vorgang, in dem die Kraft des Imaginären für menschliche Projekte zugänglich gemacht wird (Koschorke 2012, S. 22). Der vorliegende Konzeptband lässt sich als Versuch lesen, diese Interventionskraft im Feld der Politik nachvollziehbar zu machen. Hierzu liefert Koschorke wichtige Handreichungen. Dazu zählt zunächst das Konzept des homo narrans, des erzählenden Wesens, das er der Literaturtheorie und der hermeneutischen Psychologie entnimmt und im Sinne einer Abkehr von den gängigen Handlungsmodellen eigens ausformuliert. Das Konzept dreht sich hauptsächlich um die Frage, inwieweit das Erzählen einen grundlegenden Modus des Wissens und der Wissensvermittlung darstellt (vgl. Meuter 2009, S. 246–248). In einer starken Variante ließe sich etwa argumentieren, dass die menschliche Erfahrungsorganisation grundsätzlich einem „narrative mode of thought“ unterläge (Bruner 1990). Alles, was um den Menschen herum geschehe, werde mit Erzählungen aufgearbeitet und so in zeitliche und kausale Ordnungen überführt, die zwar kontingent, aber doch handlungsrelevant werden könnten (vgl. Somers 1994). Das Narrative wird damit zu einer epistemologischen Konstante und zu einem allgemeinen Modus der Sinnvermittlung erhoben, der über die diskursiven Verfahren hinausweist, unter denen der Narrativbegriff üblicherweise subsumiert wird. Denn es wird nicht mehr nach den Erzählungen eines spezifischen politischen Problemkomplexes gefragt. Eher geht es um die Ideen und Konstrukte, die durch das Erzählen geschaffen, verändert oder auch überwunden werden. Aber auch eine vergleichsweise schwache Annahme schmälert keineswegs die sozialwissenschaftliche Relevanz des Narrativbegriffs, wie Barbara Czarniawska (2004, S. 2) verdeutlicht: „This need not to be an ontological claim; life might or might not be an enacted narrative but conceiving of it as such provides a rich source of insight.“ Dabei sind wir nicht die Einzigen, die an unseren Narrativen arbeiten. Viel wird über uns erzählt und oft werden unsere Erzählungen ergänzt, verteidigt, abgelehnt oder schlicht geglaubt und weitererzählt. Der Einfluss auf unsere kommunikativen Prozesse, die wir als Erzählungen oder Erzählpraktiken identifizieren können, ist dabei eng an die Machtfülle der handelnden Akteure geknüpft. Macht bedeutet in diesem Zusammenhang, glaubhafte und mitreißende Geschichten über Andere erzählen zu können (Czarniawska 1997, S. 14). Damit wären wir bei einem weiteren Aspekt, den es zu berücksichtigen gilt. Narrative sind immer Prozess und Gegenstand, Inhalt und Form zugleich. Viehöver hatte dies in den ersten Debatten zur diskursanalytischen Forschung angemerkt und ausführlich beschrieben. Für ihn ist eine Erzählung ein „zentrales diskursstrukturierendes Regelsystem“, das „im Hinblick auf ihre Strukturen und Inhalte“
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einerseits als opus operatum funktioniere, andererseits aber zugleich die Charakteristiken eines modus operandi aufweise, insofern die Erzählung stets auch „als Prozeß beschreibbar“ ist (Viehöver 2006, S. 180–181). Viehöver schließt dabei an die narrative Semiotik von Roland Barthes und Algirdas Julien Greimas an und bettet diese Tradition in die sozialwissenschaftliche Diskursforschung ein. Auf diese Weise kann er die Struktur ebenso wie die Strukturierung von Diskursen sichtbar machen. Allerdings steht ein solcher Versuch vor dem Problem, das analog zur physikalischen Unschärferelation darin besteht, den erzählenden Akteur im Prozess des Erzählens zu betrachten, ohne das Erzählte selbst aus dem Blick zu verlieren. Im Prozess verlieren Strukturen ihre Stabilität, wohingegen der Blick auf die Struktur meist nur Stasis erkennen lässt. Genau hier liegt die große Schwierigkeit im Umgang mit Narrativen. Sie wirken offenbar auf unterschiedlichen Ebenen, hängen voneinander ab, können aber unmöglich gemeinsam betrachtet werden und so muss der Forschende sich den Ort seines Forschungsgegenstandes stets mühsam vergegenwärtigen können. Der Gegenstand muss im Rahmen einer Analyse also stets genau benannt werden: Erforsche ich momentan das Erzählen als Praktik, oder das Erzählte in seiner Struktur und wie lassen sich beide Perspektiven miteinander verbinden? Diese Schwierigkeit sollte nicht als Ärgernis, vielmehr als reflexive Aufgabe verstanden werden, die mit einem Verständnis dafür lockt, im Gegenpol zu funktionalistischen Sprachtheorien das Bewusstsein für die kontingenten Prozesse des Politischen zu schärfen. In der Übertragung auf das Feld des Politischen lassen sich durch eine derartige Pointierung die Grauzonen und das Unbestimmte näher untersuchen sowie Momente der „Reproduktion (Integration, Distinktion, Mobilisierung) als auch der Transformation und Kritik“ (Viehöver 2006, S. 181) identifizieren. Entscheidend ist dabei, dass man seine „Zweifel an der Durchsetzbarkeit einer glatten Trennung zwischen Vernunft & Wahrheit einerseits, Erzählung & Lüge andererseits“ (Koschorke 2012, S. 18) nicht preisgibt und stets den Versuch unternimmt, sich der Polyphonie der Erzählungen möglichst nahe am Fall zu vergegenwärtigen. Das Interesse an politischen Narrativen geht damit deutlich über die oftmals an Taxonomien orientierte Narratologie hinaus. Die Politikwissenschaft sollte sich unserer Ansicht nach nicht allein dafür interessieren, „ein immer genaueres Raster an Klassifikationen für alle erdenklichen Textsorten auszuarbeiten“ (Koschorke 2012, S. 21). Viel eher sollte man Fragen folgen, die die Bedeutung von Erzählungen für derart komplexe Vorgänge wie Legitimierungen, diskursive Vermachtungen und Differenzbildungen thematisieren. So adaptierte beispielsweise Deborah Stone in der Policy-Forschung das Konzept der Plot-Muster, die der Geschichtswissenschaftler Hayden White maßgeblich bekannt gemacht hatte. White hatte die These vertreten, dass sich die Geschichtsschreibung in ihren Erklärungen literarischer
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Plot-Muster bediene und es einen großen Unterschied mache, ob man ein historisches Ereignis nun als Romanze, Tragödie, Komödie oder Satire modelliere (White 2008). Denn im Plot-Muster selbst, so White, sei ein narrativer Erklärungsansatz (bias) enthalten, der meist unbewusst die Bewertung der Ereignisse durch den Historiker mitbeeinflusse. Für die Analyse politischer Kontroversen ist der Hinweis auf die Verfügbarkeit unterschiedlicher Erzählmuster von besonderer Bedeutung. Stone konnte etwa aufzeigen, dass selbst Problemdefinitionen in Form verschiedener storylines identifiziert werden können, beispielsweise wenn politische Akteure in der Bewältigung einer Situation eine Erzählung des Niedergangs oder des verhinderten Fortschritts bemühen (Stone 2002, S. 138; Fischer 2003, S. 161). In solchen Momenten, in denen die politischen Probleme nicht für sich sprechen, sondern erst zur Sprache gebracht werden müssen, äußert sich bereits die Kontingenz kommunikativer Prozesse und vor diesem Hintergrund lässt sich für die interpretative Policy-Forschung das Erzählen als erklärender Faktor durchaus hilfreich heranziehen. Sie sind ein heuristisches Werkzeug, mit dessen Hilfe sich Policy-Diskurse aufschlüsseln lassen. Was aber erzählt uns die Forschung über die Gestalt von Narrativen? Womit haben wir es zu tun, wenn wir als Forscher die politische Sprache, so wie sie uns im Modus des Erzählens entgegentritt, untersuchen wollen? Für Margaret Somers (2012, S. 279) sind Erzählungen „Netzwerke von strukturierten Beziehungen, die durch Zeit und Raum verbunden und konfiguriert sind“. Die Konfiguration folgt einer charakteristischen Sequenz, die vom Anfang über eine Mitte zu einem abschließenden Ende führt; und zwar so, dass eine anfängliche Krise über einen gegenwärtigen Kampf zur (Auf)Lösung gebracht wird. Das Performative am Erzählen liegt Somers zufolge darin, dass das temporale und räumliche Arrangieren von Elementen einen theoretischen und normativen Gehalt besitzt. Denn aus der kausalen Modellierung von Sinneseindrücken (causal emplotment) und der entsprechenden Verbindung von Elementen lässt sich nur ein beschränktes Set an Handlungsvorgaben und -gründen ableiten. So wird die Zukunft „in Begriffen gegenwärtiger Forderungen“ bestimmt, die ihre Bedeutung und ihren Wahrheitsgehalt aus eben jener narrativen Sinnorganisation beziehen (Somers 2012, S. 280). Nicht nur Somers erhebt das emplotment zum wesentlichen Merkmal von Erzählungen. Auch bei Koschorke ist die sequentielle Ordnung die „Grundoperation des Erzählens“ (Koschorke 2012, S. 236). Das emplotment als zentrales Organisationsprinzip von Erzählungen, das „aus Ereignissen etc. eine bedeutungsvolle Konfiguration macht“ (Viehöver 2006, S. 189), ist exakt die Handlung, die politische Akteure befähigt, sich den strukturellen Fängen der Diskurse zu entziehen. Hier ist der Kreativität ein Zugang zur Wirklichkeit gelegt, die gerade durch das Erzählen formbar wird. Dies wird im Moment der Problemdefinition ebenso deut-
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lich, wie bei der Gewichtung der Argumentationsmuster, die in konkurrierende Narrative eingewoben werden. Um Narrative als Analysekategorie anzuwenden, bildet Somers nun vier idealtypische Dimensionen, die auf verschiedenen Ebenen des Diskurses ihre Wirkung entfalten. So gäbe es ontologische Narrative, die definieren, wer wir sind; öffentliche Narrative, die an kulturelle und institutionelle Formationen gebunden seien und über das Individuum hinausgingen; Metanarrative, die als übergeordnete Sinnordnungen Orientierung für „kleinere“ Erzählungen bieten und schließlich konzeptuelle Narrative, unter welche wissenschaftliche Paradigmen und Theorien fallen, die uns helfen das komplizierte (narrativ konstruierte) Weltgeschehen zu ordnen (vgl. Somers 1994, S. 617–620; Viehöver 2006, S. 181). Somers kann sich dank dieser Sortierung dem Gegenstand der Erzählungen nähern, der – würde er im Status einer „ontologische[n] Bedingung des sozialen Lebens“ verhaftet bleiben – eher einer wenig greifbaren Tiefenstruktur gleichen würde. Viehöver (2006, S. 185–187) zeigt wiederum, wie diese Typologisierung zur Eingrenzung des Forschungsgegenstandes herangezogen werden kann. In seinen Narrativanalysen widmet er sich explizit den öffentlichen Narrativen (Viehöver 2006, 2012), konnte dabei aber wesentliche Fortschritte bei der sozialwissenschaftlichen Handhabung des Narrativen erzielen. Damit gelingt es ihm, die sprachphilosophischen Aspekte einer Narrativanalyse zu ordnen, sie in einen Gesamtzusammenhang zu stellen und überdies konkrete Anleitungen zu ihrer Durchführung anzubieten. Interessant ist dabei, dass er stets die Diskursanalyse als Ausgangspunkt seiner Beschäftigung mit Narrativen wählt. So stehen bei ihm die Klärung des verwendeten Diskursbegriffes und eine Entscheidung zwischen konkurrierenden Theorien jeweils am Anfang einer Analyse von Erzählungen (Viehöver 2006, S. 180–185, 2012, S. 82–92). Der Bezug zum Diskurs ist bei ihm Ausdruck einer Tradition, die im Anschluss an Roland Barthes und Paul Ricœur die Komplexität von Sprache jenseits reiner Aussagesysteme und institutionalisierter Redeweisen in ein Konzept des Narrativen einhegen möchte. Die große Chance in dieser Überwindung sieht Viehöver in der legitimierenden Wirkung öffentlicher Narrative, die auf „Konzepte und Verfahrensordnungen einer deliberativen oder diskursiven Demokratie“ einwirken (Viehöver 2012, S. 125). Und genau hier werden aus alltäglichen Erzählungen politische Narrative, die dann ihrerseits zum Gegenstand politikwissenschaftlicher Forschung werden. In seinen Texten versucht er „die narrative Konfiguration und Refiguration von Sachverhalten, Institutionen, kategorialen Grenzziehungen und intervenierenden Ereignissen“ zu rekonstruieren (Viehöver 2012, S. 191). Konkret widmete er sich beispielsweise dem Klimadiskurs, in welchem er letztlich die narrative Aushandlung einer Grenzziehung zwischen Natur und Gesellschaft sieht. In diesem Modell der narrativen Diskurse erhält das erzählende Wesen als krea-
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tiver und handlungsfähiger Akteur zentrale Bedeutung. Aber dieser Hinweis läuft nicht auf einen herkömmlichen Intentionalismus hinaus. Vielmehr trägt er dem Tatbestand Rechnung, dass in jedem Akt des Erzählens auch stille und schreckhafte Teilhaber am Werk sind, die sich dem erzählenden Wesen meist verbergen (beispielsweise die verwendeten Erzählmuster, Erzähltechniken und Erzählstoffe). Die Narrativanalyse bezieht sich also immer auf eines der grundlegendsten Probleme der Sozialwissenschaften: die Beziehung von structure und agency (vgl. Viehöver 2012, S. 73–74). Nimmt man die oben skizzierten Ansätze des „narrative mode of thought“ und der „ontological condition of social life” ernst, so wird man um das kreative Potenzial der Akteure nicht herumkommen. Denn es sind die Akteure, die Erzählungen aufgreifen, um durch ihre Verwendung Einfluss auf Denk- und Handlungsschemata nehmen zu können (vgl. Viehöver 2004, S. 259). Ein weiteres Feld narrativer Ansätze bildet sich derzeit in der neueren Organisationssoziologie heraus. Hier wird die analytische Kraft des Narrativbegriffs nicht nur theoretisch begründet. Sie wird auch empirisch expliziert. Vor allem Barbara Czarniawska (1997) tat sich mit einer Sammlung von Narrativen über das Leben in Organisationen hervor, mit der sie die komplexe Dynamik von Organisationen – die bis dahin im Schatten einer theoretisch aussortierten black box stand – als organizational storytelling einfangen konnte (siehe auch Gabriel 2000). In einer methodologischen Weiterführung identifizierte sie acht mögliche Arbeitsschritte, die je nach eigener Forschungsanlage selektiv angeeignet oder auch teilweise miteinander kombiniert werden können: „Watch how the Stories are being made; Collect the stories; Provoke story telling; Interpret the stories (what do they say?); Analyze the stories (how do they say it?); Deconstruct the stories (unmake them); Put together your own story; Set it against/together with other stories“ (Czarniawska 2004, S. 15). Christopher Fenton und Ann Langley (2011, S. 1190 f.) konkretisieren diese Forschungsagenda mit Blick auf die Frage nach den strategischen Praktiken in Organisationen und liefern damit einen guten Überblick über die aktuellen Anwendungen des Narrativansatzes in der Organisationssoziologie (vgl. auch Rhodes und Brown 2005). Die hier ausschnitthaft versammelten Forschungsperspektiven zeigen in ihrer jeweils unterschiedlich verorteten erzähltheoretischen Fundierung einen alternativen Weg der Erforschung sprachlich vermittelter Realitäten auf, der rationalistischen Theoriesträngen eine kulturwissenschaftlich geprägte Alternative gegenüberstellt. Gerade die Sensibilisierung für die Kontingenz kommunikativer Situationen ist ein verbindendes Element der Forschungsarbeit, die für den vorliegenden Band den Grundstock legt.
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F. Gadinger et al.
Forschungsstrategische Überlegungen: die Entwicklung einer offenen Heuristik
Die Beiträge des vorliegenden Bandes eint ein generelles Interesse an der politischen Bedeutung von Narrativen. Allerdings nähern sich die hier versammelten Autorinnen und Autoren diesem Interesse auf jeweils unterschiedliche Weise. Denn je nach theoretischer Präferenz und disziplinärer Verortung lassen sich unterschiedliche Aspekte des Erzählens politikwissenschaftlich in den Fokus rücken. Theorien und Forschungsprogramme lassen sich ebenso erzähltheoretisch rekonstruieren, wie die kommunikativen Prozesse in der Politik. Wie Hanna Pfeifer in diesem Band zeigt, können sich wissenschaftliche Theorien und politische Kommunikationen sogar im Medium der Erzählung miteinander verbünden. Am Beispiel des israelisch-palästinensischen Konfliktes weist sie darauf hin, dass insbesondere liberale Theorien des „Gerechten Friedens“ zur Begründung und Entwicklung politisch-diplomatischer Friedensbemühungen gebraucht werden und gemeinsam eine über erzählerische Praktiken vermittelte politische Interventionskraft entwickeln können. Überdies lassen sich erzählerische Praktiken auch auf der Ebene der Forschungspraxis beobachten. Schließlich wird nicht nur in den paradigmatischen Kontroversen der Disziplin und in den sozialwissenschaftlichen Untersuchungsfeldern erzählt. Auch das, was praktisch erforscht wird, muss innerhalb und außerhalb der Disziplinen stets erzählt werden können. Dabei lassen sich besonders im Hinblick auf die Konstruktion von Forschungsfragen (Problematisierungen), die Auswertung von Daten (Dateninterpretationen) und die Benennung weiterer Forschungsdesiderate durch sogenannte Ausblicke dramaturgische Mittel erkennen, die ihrerseits strukturierend in die jeweiligen Forschungsprozesse intervenieren können. Es geht uns an dieser Stelle nicht um die Entwicklung einer möglichst kohärenten Konzeption von politischen Narrativen und ihrer Verfügbarmachung für die unterschiedlichen Stufen oder Phasen des Forschungsprozesses. Das Ziel besteht vielmehr darin, die theoretischen und empirischen Möglichkeiten der Begrifflichkeit in einer für risikofreudige Unternehmungen erforderlichen Breite diskussionsfähig zu machen und in diesem Bemühen das Maß an anfänglicher Pluralität auch beizubehalten. Das Buch ist demnach als exploratives Werk konzipiert, das sich in ein noch weitgehend unbesetztes Forschungsterrain wagt (vgl. Gadinger et al. 2014; Hofmann et al. 2014) und dem Narrativprojekt damit unterschiedliche Perspektiven für die Arbeit am Begriff eröffnen will. Diese Breite lässt sich nun durch das Aufspannen von drei aus unserer Sicht zentralen Forschungsfragen etwas näher umreißen: Wer erzählt, wie wird erzählt und wovon hängt der Erfolg
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einer Erzählung ab? Kaum eine Arbeit, die sich narratologisch inspiriert fühlt, wird es vermeiden können, diese Fragen dauerhaft auszuklammern. Will man eine erste Annäherung an eine Heuristik oder gar Methodologie politischer Narrative, wird man also hierauf mögliche Antworten diskutieren müssen. Wir erheben hier keineswegs den Anspruch auf Vollständigkeit. Stattdessen werden wir diese Fragen vor dem Hintergrund der im Band versammelten Beiträge perspektivisch anreißen. Die Frage nach der Autorenschaft (wer erzählt?) mag zunächst trivial klingen, ist aber vor dem Hintergrund unterschiedlicher Handlungs- und Textbegriffe keineswegs leicht zu beantworten. Eine erste mögliche Präzisierung kann mithilfe einer programmatischen Unterscheidung von Akteur und Subjekt vorgenommen werden. Mit dem Akteursbegriff würde man einer weitgehend rationalistischen Konzeption folgen und sich mit einem Erzähler befassen, der einheitlich verfasst ist und von dem man erwartet, dass er intentional schreibt und allein aus eigener Kraft erzählt. Dies kann nun analog zu den in der Politikwissenschaft etablierten Handlungsmodellen in zwei Richtungen gedacht werden: Entweder man stellt sich einen Autor vor, der erzählt, um aufzuklären, um eine bestimmte normative, moralische oder ethische Reflexion zu bewirken (homo sociologicus). Oder aber man geht dem Realismus folgend eher davon aus, dass ein Autor allein aus dem Zweck erzählt, um ein möglichst leidenschaftsloses und objektives Bild von der Wirklichkeit zu entwerfen, an dem er seine Kalküle ausrichten und so sinnvolle, d. h. machbare Handlungsstrategien entwickeln kann (homo oeconomicus). Dass beide Erzähler-Modelle trotz ihrer konzeptionell unterschiedlichen Veranlagungen gar nicht so weit auseinander fallen, wie oftmals vermutet wird, zeigt sich zunächst daran, dass im Fokus beider Modelle stets eine Zentralinstanz steht, dessen Erzählmotiv dem Erzählvorgang vorgelagert ist. Dreh- und Angelpunkte beider Modelle sind Personen oder personenähnliche Handlungs- oder Erzähleinheiten, die mit teilweise prometheischen Qualitäten beschrieben werden. Eine weitere Gemeinsamkeit besteht darin, dass in beiden Modellen gleichermaßen ein repräsentatives Textverständnis angelegt ist, das die Möglichkeit unberücksichtigt lässt, dass das Erzählen eine produktive, textvermittelte Tätigkeit ist. Wie Christian Bueger in diesem Band aber vorschlägt, müsste sich eine Narrativforschung ähnlich wie eine „Praxiographie“ ein „pragmatisches und performatives“ Textverständnis aneignen, das der Wirkungskraft des Imaginären nicht hilflos oder gar ablehnend gegenübersteht. Überdies äußert sich eine gewisse inhaltliche Überschneidung in beiden Modellen, insofern jede Realitätserzählung ebenso normativ und kulturell fundiert ist, wie jeder normative Erzählanspruch nicht ohne kulturell vermitteltem Realitätsbezug adressiert werden kann. Das zeigt sich etwa im Beitrag von Anja Franke-Schwenk, die in Nazarbaevs autoritärer Herrschaft in Kasachstan die Wirkungskraft einer nationalen Selbstinszenierung aufspürt, die auf dem Muster einer
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F. Gadinger et al. Erzähler/Rezipient Verhältnis
Außenweltbezug | Intertexualität Erzählen | Politische Narrative
Akteur
[ Übersetzungsprozess ]
Subjekt
Abb. 2 Erzählen als Übersetzung. (Quelle: Gadinger et al. 2014 in Anlehnung an Koschorke 2012, S. 88)
allgemeinen Vater-der-Nation-Erzählung beruht. Nazarbaevs Variation der Erzählung, so Franke-Schwenk, sei nicht selbsterhaltend und ihre legitimitätsstiftende Wirkung nicht mit dem Willen und der poetischen Inszenierungskraft des Autors allein erklärbar. Dies hänge vielmehr davon ab, wie die Erzählung „im politischen Alltag aufgenommen und interpretiert“ werde. Ähnlich argumentiert auch Ingvild Bode, die sich in Anlehnung an Michel de Certeau für die Praktiken des taktischen storytellings in den Vereinten Nationen interessiert und darauf hinweist, dass sich die politische Wirkungskraft des Erzählens erst im „Zusammenspiel von Akteur und Struktur“, zwischen diskursiver Verfügbarkeit und authentischer Darstellung des Erzählten entfalten könne. Anders könne nicht erklärt werden, wie „die Idee der menschlichen Entwicklung Teil des politischen Diskurses der VN werden konnte.“ Damit drückt sich eine Erzählung jenseits konventioneller Erzähler-Modelle als kulturell und textlich vermittelte Subjektivierungsstrategie aus. Nun liegt es nahe, mit diesem Hinweis auf eine lebensphilosophische Verankerung des Erzählbegriffs überzugehen, die nicht personenzentriert ist, sondern ihren Zugang zu den komplexen Subjektivierungsprozessen auf der Grundlage eines ereignisund situationszentrierten Blickes sucht. Das hätte den Vorteil, dass Leser und Hörer einer Geschichte systematisch als eigenständige und am kollektiven Erzählvorgang gleichbeteiligte Wesen berücksichtigt werden könnten. Sie würde dafür sensibilisieren, dass „die Einheit eines Textes keineswegs von der Einheit einer identifizierbaren Zentralinstanz abhängen muss“, zumal die Erzähler, wenn sie als Subjekte angesprochen werden, sich oftmals als „wandernde, disperse, vielfach fragmentierte Subjektformen“ erweisen, wie Koschorke (2012, S. 84) anmerkt. Deshalb wäre in einer Konzeption von politischen Narrativen der Heterogenität der Subjekte Rechnung zu tragen; oder anders formuliert: Eine anspruchsvolle Konzeption von politischen Narrativen wäre vom Gedanken der Heterogenität der Subjekte zu entwickeln, die stets in der Lage sind, einer Erzählung etwas hinzuzufügen, sie vor dem Hintergrund neuer Ereignisse oder Situationen zu rekonfigurieren und sie in gebrochener Form in die alltägliche Kommunikation rückzubinden. Eine Erzählung, so ließe sich literaturwissenschaftlich jedenfalls einwenden, ist eher eine komplexe und widerströmige Relation zwischen Erzähler und Hörer, Text und Kontext, als dass sie intentional verkürzt werden könnte (siehe Abb. 2).
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Zur Bezeichnung dieses Phänomens hatte Greimas den Begriff des Aktanten gewählt, der zwar aufgrund seiner Heterogenität – die auch nicht-menschliche Wesen wie das Merkel-Handy nicht ausschließen würde – stetigen Zerreißproben ausgesetzt ist, sich aber dem stets drohenden Existenzverlust mithilfe narrativer Verfahren entgegenstellen kann. In diesem Zusammenhang ließe sich nun prüfen, inwiefern das Aktantenmodell, das auch in der Akteur-Netzwerk-Theorie (Bruno Latour, Michel Callon, John Law) Verwendung findet, sich ebenso für die Entwicklung eines kulturtheoretischen Verständnisses von politischen Einigungs- und Legitimierungsprozessen nutzbar machen ließe. Eine weitere methodologisch bedeutsame Frage der Narrativforschung liegt in dem Wie einer Erzählung. Sie ließe sich entweder mit Blick auf die jeweiligen Erzähltechniken beantworten und das Studium von Tropen, Metaphern und anderen performativen Erzählpraktiken nahelegen. Die Frage ließe sich aber auch im Kontext der veranschlagten Erzählformate diskutieren, mittels derer die kommunikative Durchlässigkeit von Erzählungen justiert wird. Der Beitrag von Franke-Schwenk etwa ist stark auf den metaphorischen Aspekt von Erzählungen bezogen. Auch Annette Knaut konzentriert sich in ihrem Beitrag auf solche Erzähltechniken, die vortheoretische, eher kulturell und symbolisch vermittelte Wissensbestände mobilisierbar machen. Aber sie nimmt nicht die narrativen Praktiken autoritärer Regime zum Gegenstand ihrer Analyse. Vielmehr widmet sie sich der Wirkungsmacht von Imaginativen in den sozialtheoretischen Öffentlichkeitsdiskursen. Für Knaut wird das wissenschaftliche Denken und Sprechen über den Begriff der Öffentlichkeit durch ein Imaginativ dominiert, das auf einer Vorstellung von Politik als „einem klar abgegrenzten und für alle Staatsbürger jederzeit zugänglichen öffentlichen Raum“ beruht. Ihr erklärtes Ziel besteht darin, dieses Imaginativ kritisch zu hinterfragen und so ein Konzept von transnationalen Diskursräumen zu formulieren, in dem auch alternative Öffentlichkeitserzählungen, die bisher marginalisiert wurden, ihren Platz finden können. In einem ähnlichen Zugang heben Barbehön und Münch die diskursstrukturierende Funktion des Narrativen im räumlichen Kontext hervor. So zeigen sie, dass der Sinnhorizont einer Stadt die Anschlussfähigkeit narrativer Strukturen präfiguriert und Problematisierungen mit lokalspezifischen Meta-Narrativen resonieren müssen, um gehört zu werden. Mit Erzählformaten beschäftigen sich dagegen die Beiträge von Christian Meyer und Christian Bueger in diesem Band. Ähnlich wie Bueger argumentiert auch Meyer, dass Narrative auf der Ebene lokaler Praktiken insgesamt „dialogischer und kontextintensiver“ sind, wohingegen Narrative auf der Ebene globaler Diskurse meist „monologisch und weniger kontextuell“ ausgeprägt seien. Meyer macht dies an der Debatte zur Heuschreckenplage im Senegal von 2004 deutlich. Während die globale Presse, so Meyer, den Katastrophencharakter der Plage betonte,
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bezogen sich die betroffenen Wolofbauern auf ihr „sowohl epistemisch als auch pragmatisch zugängliches Umfeld.“ Im Ergebnis ließe sich festhalten, dass gerade aufgrund der unterschiedlichen Erzählformate der Austausch zwischen lokalem Wissen und globalen Diskursen oft aneinander vorbeiläuft. Offenbar konstituieren sie sich gegenseitig als Externalitäten, so dass „verzerrende“ Rezeptionsprozesse in Gang gesetzt würden. Die „narrative Praxiographie“ Buegers ist den klandestinen Praktiken und dem Grand Narrativ somalischer Piraterie gewidmet. Auch er stellt fest, dass das Grand Narrativ globaler Pirateriediskurse einseitig auf den Kriminalitätsaspekt der Praktik bezogen sei und deshalb kaum die Möglichkeit bietet, die lokalen Praktiken und ihre erzählerischen Stabilisierungen durch das bisher vernachlässigte Küstenschutznarrativ adäquat nachzuvollziehen. Beide Zugänge auf das Wie einer Erzählung führen zwei Probleme mit sich, die üblicherweise mit allen Typologisierungsversuchen einhergehen. Das erste Problem besteht in der Frage der analytischen Trennschärfe: Wie lassen sich die einzelnen Erzähltechniken und Erzählformate klar voneinander abgrenzen? Das zweite Problem geht aus dem kategorialen Arbeiten hervor: Wird mit jedem Versuch der Steigerung analytischer Trennschärfen nicht zugleich die Tendenz stabilisiert, das empirische Material in die vorab definierten Kategorien zu zwingen und damit vorgefertigten Interpretationsmustern zu folgen? Grenzfälle so unser Eindruck, könnten der Normalfall sein, also die Beobachtung, dass in der empirischen Arbeit Überschneidungen und Inkonsistenzen sichtbar werden, die daraus resultieren, dass die Erzähler stets mit heterogenen Motiven und Erzählstoffen umgehen müssen, ebenso wie sie die Rezipienten unterschiedlich ansprechen oder sich immer wieder widerspenstige Ereignisse in die Erzählungen aufdrängen. Eine weitere Ebene, die mit der Frage nach dem Wie einer Erzählung verbunden ist, bezieht sich auf ihre Träger: Können auch Bilder erzählen? Axel Heck argumentiert in diesem Band am Beispiel visueller Herrscherdarstellungen, dass Bilder eigenständig als „identitätsstiftende, visuelle Narrative in die gesellschaftlichen Diskurse hinein wirken“ können und damit eine „Kunstpolitologie“ begründen. Die Eigenständigkeit von Bildern begründet sich nicht zuletzt dadurch, so Heck, dass sie keineswegs dem dienen müssen, „wozu sie erschaffen wurden“. Auch könnten sie als „Projektionsfläche“ der Kritik funktionieren und damit Raum für „Opposition und Widerstand“ bieten. Demnach könnte man Bilder als kontingente, aber auf Dauer angelegte Erzählakte verstehen, mittels derer die variationsreichen Rechtfertigungen und Kritiken an bestehenden Ordnungen einander kommunikativ anschlussfähig werden und sich damit wechselseitig konstituieren können. Eine häufig gestellte Frage an die Narrativforschung ist die nach den Erfolgsbedingungen einer Erzählung. Unter Erfolg kann hier die gesellschaftliche Verbreitung und Akzeptanz von Erzählungen verstanden werden; also erstens, dass eine Erzäh-
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lung öffentlich kommuniziert wird, und zweitens, dass sie darüber hinaus auch akzeptiert und positiv in die alltägliche Kommunikation zurückgebunden wird. Eine plausible Antwort auf diese Frage bestünde zunächst in der Annahme, dass der Erfolg einer Erzählung von der Frage abhängig gemacht werden könne, welche Inhalte sie transportiere und ob diese Inhalte an die kulturell geprägten Voreinstellungen des Auditoriums appellieren könnten. Das aber wäre genau genommen keine narratologische, sondern eher eine diskurstheoretische Antwort, insofern damit der Erfolg einer Erzählung letztlich durch ihre diskursive Bindung erklärt wäre. Nun ließe sich diese Annahme auch narratologisch wenden, indem nicht die diskursiv geprägten Voreinstellungen, sondern eher die kollektiv verfügbaren Erzählmuster für den Erfolg oder Misserfolg einer Erzählung verantwortlich gemacht werden. Aber auch hier läge noch eine strukturalistische Engführung vor, da auch diese Antwort das Problem mit sich führt, rekonstruieren zu müssen, welche Erzählmuster in einem Kollektiv nun tatsächlich vorherrschen und welche aus der gesellschaftlichen Marginalität heraus in das öffentliche Rennen um Deutungshoheit starten müssen. Eine gegenläufige aber nicht weniger plausible Antwort könnte zudem in der These gesehen werden, dass der Erfolg einer Erzählung gerade nicht von seiner Fähigkeit zur Aktualisierung kulturell vermittelter Inhalte oder Erzählmuster abhängig ist, sondern umgekehrt, von seiner erzählerischen Neuheit und Frische. Gerade in festgefahrenen Krisensituationen könnte es doch möglich sein, dass solche Erzählungen gesellschaftlich favorisiert werden, die auf überraschende Weise neue Perspektiven auf alte Rätsel eröffnen und mit der situativen Kontingenz des Weltgeschehens besser umgehen können. Festgefahrene Diskurse und Erzählmuster könnten in bestimmten Situationen jedenfalls eher Langeweile und Resignation hervorrufen. Deshalb sind Gegenerzählungen auch so bedeutsam. Nicht nur, weil man (normativ gesprochen) stets eine Sympathie für das Ausgegrenzte pflegen sollte, sondern weil in den Gegenerzählungen gesellschaftliche Sinnüberschüsse und Kontingenzerfahrungen enthalten sind, die sich konstruktiv in die kulturelle Synthesis einbringen könnten. Nehmen wir das Beispiel des neuerlichen Aufkommens einer postdemokratischen Erzählung, in der sich die liberalismuskritischen Ressourcen des politischen Denkens neu zu verknüpfen scheinen. In der Politik wie in der Politikwissenschaft scheint dieses Aufkommen einen Punkt zu markieren, an dem vormals marginalisierte Kritiken ihren erzählerischen Impetus steigern. Wie Sabine Zelger in diesem Band darlegt, lassen sich in der literarischen Moderne bereits Spuren kritischer Gegenerzählungen finden. Diese konfrontieren die dominante liberale Erzählung, welche die Demokratie als „geglückte Errungenschaft unserer Kultur“ preist, mit ihren inneren Widersprüchen. Auch Willy Viehöver macht in seinem zweiten Beitrag zum Band deutlich, dass politische Kontroversen
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durch „einen ,Konflikt der Interpretation’ zwischen konkurrierenden Narrativen gekennzeichnet sind“. Allerdings zeigt er am Beispiel der nanotechnologischen Wissensproduktion auch, dass das Gegenerzählen nicht immer rein konfrontativer Art sein muss, sich oft auch im Stillen vollziehen kann, etwa durch narrative Strategien, die „den Plot einer Geschichte refigurieren sowie Beziehungen der Akteure und ihren Rollen (Aktanten) arrangieren und zwar auf eine Weise, die Erzählungen und Erzählmuster (Plotmuster, Aktantenstrukturen) nicht nur zu einer Quelle der (semantischen) Innovation, sondern zugleich zu einem machtvollen Strukturelement von Diskursen und Governance-Prozessen machen“. Die Vielstimmigkeit nicht nur in einer konfrontativen Gegenüberstellung konkurrierender Erzählungen abzubilden, sondern stattdessen für die Ambivalenzen und Überschneidungen zu sensibilisieren, bildet eine der zukünftigen methodologischen Herausforderungen, der sich auch Niels Hauke in seinem Beitrag stellt. Am Beispiel der Umweltpolitik veranschaulicht er, dass sich je nach Problemdefinition unterschiedliche Narrative miteinander verbinden, die sich in vielen Fällen – in seinem Fokus steht die Einführung des Biokraftstoffes E 10 – auch den herrschenden Diskursen eines stärkeren Ökologiebewusstseins widersetzen können. Ein Ausweg aus dieser Problematik, die Hauke treffend als „Narrationsdiffusion“ beschreibt, eröffnet sich möglicherweise dadurch, in dem man sich vergegenwärtigt, was eine Erzählung eigentlich ist und woraus sie besteht. All diese drei möglichen Antworten gehen schließlich implizit von der Annahme aus, dass Erzählungen kohärent und einheitlich aufgebaut sind und den Wettbewerb mit konkurrierenden Erzählungen unverändert überstehen könnten. Erzählungen aber sind fluide, polyphone Sinngebilde, die aus heterogenen Erzählstoffen bestehen und sich im Verlauf ihrer Ausbreitung sukzessive verändern können. So gesehen könnte der Erfolg einer Erzählung gerade nicht in ihrer strukturierten Kraft liegen, besondere Ressourcen des Kulturellen oder Diskursiven für sich vereinnahmen zu können, sondern in ihrer Flexibilität und in ihrer darin begründeten Fähigkeit, sich an überraschende Wendungen rasch und plausibel anpassen zu können. Deshalb halten wir es für sinnvoll, eine Erzählung nicht als abgeschlossene Erzählsubstanz zu behandeln, sondern als eine narrative Verknüpfungsformel, die Beweglichkeit schafft. Damit könnte das Studium von politischen Narrativen sowohl zur konstruktiven Erweiterung eines kulturwissenschaftlichen Politikbegriffs führen, wie dies seit einiger Zeit völlig zu Recht eingefordert wird (Nullmeier 2004; Schwelling 2004), als auch das etwas stagnierende konstruktivistische Forschungsprogramm in der Politikwissenschaft neu beleben.
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