Wintersemester 2015/16 Humboldt Universität Berlin Institut für Geschichtswissenschaften Autor: Georg Lilie
Plantagenwesen der Südstaaten Eine spezielle Form der kapitalistischen Unternehmung im 19. Jahrhundert?
1
Inhalt Einleitung
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3
Was zum Markt gehört, gehört zum Kapitalismus? .
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4
Der Plantagenbesitzer als kapitalistischer Manager?.
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7
Plantagenproduktion als kapitalistische Produktionsweise?.
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10
Schlussbemerkung
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12
Literaturverzeichnis .
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2
Einleitung
“Take one part chattel bondage, add one part liberal capitalism and stir endlessly.”1
Das auf Sklaverei basierende Plantagenwesen der Südstaaten des 19. Jahrhunderts fasziniert bis heute. Das lange 19. Jahrhundert war das Zeitalter der kapitalistischen Geburtswehen. Könige
wurden
durch
bürgerliche
Revolutionen
gestürzt
und
enthauptet,
Unabhängigkeitskriege ausgefochten, sowie ein Weltmarkt und eine industrielle Wirtschaft von bisher ungekannter Qualität geschaffen. In diesem Jahrhundert erlebten Sklaverei und Plantagenwesen im Süden der USA ihren Höhepunkt, als auch ihr Ende. Die Faszination der Südstaatenplantage ergibt sich daher auch aus dem Kontext in dem sie sich bewegte. Dieser Kontext hat zu unterschiedlichen Bewertungen der Plantage und ihrer Einbindung in die
kapitalistische
Entwicklung
geführt.
Die
Plantage
schien
nicht
mit
den
Herrschaftsvorstellungen und der Produktionsweise des sich entwickelnden Bürgertums in Einklang zu stehen. Gleichzeitig war sie eine wichtige und gut eingebundene Komponente des
sich
rasant
entwickelnden
internationalen
Warenmarktes.
Die
heutige
Geschichtsforschung ist daher zu unterschiedlichen Bewertungen der Plantage gekommen. Historiker wie Mandle, die die innere Beschaffenheit und Produktionsweise auf der Plantage bei ihrer Betrachtung priorisieren, haben diese als vorkapitalistisch oder nicht-kapitalistisch charakterisiert.2 Thompson hingegen verglich in den 1930ern die Südstaatenplantage mit anderen Institutionen und kam zu der Ansicht, sie sei eine „profitorientierte Unternehmung“ gewesen.3 Neuere Publikationen wie Tomichs „Rethinking the Plantation“ hingegen sprechen sich eindeutiger für die Plantage als kapitalistischer Unternehmung aus.4 Dahinter steht die Annahme, dass was Teil eines kapitalistischen Marktes ist, auch kapitalistisch sein muss. Auch wenn dies nicht die einzige Position ist, so hat sie doch über die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte weite Anerkennung gefunden. Das Dilemma aus den sich
1 2 3 4
McDonnel, Review 522f. Vgl. Tomich, Rethinking the Plantation. Thompson, The plantation 4f. Tomich, Rethinking the plantation 36.
3
entgegenstehenden Positionen hat McDonnel Anfang der 90er Jahre mit dem oben angeführten Zitat treffend auf den Punkt gebracht. Ausnahmen stellen Publikationen wie „Kapitalismus oder Sklaverei“ von Meuschel dar. Sie versteht die Plantage als eigenständige Produktionsweise als widersprüchlichen Teil eines sich entwickelnden kapitalistischen Weltmarktes.5 Meuschel beschreibt eingehend das Wechselverhältnis der Südstaatenplantage und der Nordstaatenindustrie, als auch dem britischen Handel. Sie geht anhand der Untersuchungen der ökonomischen Verhältnisse der Plantage ebenfalls davon aus, dass diese nicht-kapitalistisch gewesen sei. Der Vorzug im Vergleich zu Mandle liegt in der Darstellung des widersprüchlichen Verhältnisses zwischen Plantage und Industrie, Sklaverei und Kapitalismus. Ich selbst habe diese Arbeit unter der Annahme begonnen, die Plantage der Südstaaten sei eine frühkapitalistische Erscheinung ähnlich dem Manufakturwesen gewesen. Mit zunehmender Sichtung von Quellen, als auch der Auseinandersetzung mit Literatur, die meine These stützen sollte, wuchsen jedoch Zweifel. Ich möchte diesem gedanklichen Werdungsprozess und der geschichtswissenschaftlichen Debatte Rechnung tragen. Daher werde ich mich sowohl mit der Einbindung der Plantage in den Warenmarkt, ihres inneren Managements und ihrer ökonomischen Produktionsweise auseinandersetzen. Bei meinen Untersuchungen bin ich methodisch von der Annahme ungleichzeitiger und kombinierter Entwicklungen ausgegangen. So können widersprüchliche Prozesse durchaus kombiniert auftreten und zu einer Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte beitragen. Diese Theorie nimmt an, dass gesellschaftliche Einheiten nicht jede historische Entwicklung gleichmäßig und in gleicher Form durchlaufen. So können aber in der Entwicklung rückständigere Produktionsweisen und Formationen auf bereits entwickelte Techniken, Methoden und politische Formen kombiniert zugreifen, die anderweitig bereits entwickelt wurden. Das bedeutet jedoch keinesfalls, dass dies zu dauerhaften und stabilen Verhältnis führt. Im Gegenteil ergeben sich daraus außerordentliche gesellschaftliche Sprengkräfte.6
5 6
siehe Meuschel, Kapitalismus oder Sklaverei. Trotzki, Russische Revolution 16-26.
4
Was zum Markt gehört, gehört zum Kapitalismus?
Die
Kolonialisierung
der
amerikanischen
Kontinente
durch
die
europäischen
Seefahrermächte führte zu einer Ausdehnung des Handels. Mit dem Dreieckshandel zwischen Europa, Afrika und Amerika wurde ein außerordentlicher Warenmarkt von bisher einzigartigem Ausmaß geschaffen. Die merkantilistische Wirtschaftspolitik der ökonomisch stärksten europäischen Mächte führte zu einer steigenden Nachfrage von Einfuhren aus den Kolonien. So war die Plantage eine Wirtschaftseinheit, die nicht oder wenig Waren für die Kolonien selbst sondern für die europäische Nachfrage produzierte. Die Südstaatenplantage importierte zu Beginn Sklaven aus Afrika. 1865 lebten Curtins Schätzungen zu Folge rund 4 Millionen Sklaven in den Südstaaten. Doch nur ein Zehntel davon wurde während des internationalen Sklavenhandels nach Amerika verschifft.7 Die Ursache lag in einer positiven Wachstumsrate unter den Sklaven. Neben Indigo, Reis, Weizen, Tabak und Baumwolle waren daher auch Sklaven eine Ware, die in den Südstaaten „produziert“ wurde.8 Diese Entwicklung war nach der Aufhebung des internationalen Sklavenhandels von 1808 umso bedeutender.9 Sklavenhalterstaaten, in denen sich die Böden bereits stärker erschöpft hatten, spezialisierten sich vermehrt auf das „slave breeding“ und den inneramerikanischen Handel mit Sklaven.10 Die Stapelprodukte hingegen wurden ausgeführt. Die Indigoproduktion verlor jedoch an Bedeutung. Die Weizenproduktion fiel hinter die der Nordstaaten zurück. Allerdings blieben die Südplantagen ein wichtiger Reislieferant und waren der größte Tabakproduzent zu Beginn des 19. Jahrhunderts.11 Die wichtigste Exportware war jedoch die Baumwolle. In England begann mit der Einführung der Dampfmaschine und dem mechanisch betriebenen Webstuhl die industrielle Entwicklung in der Tuchindustrie. Zur gleichen Zeit wurde die
7
Curtin, Slave Trade 330.
8
Potts, Weltmarkt für Arbeitskraft 71f.
9
Landauer, Sozial-und Wirtschaftsgeschichte 48.
10
Engermann, Slavery and its consequences 344f. Potts, Weltmarkt für Arbeitskraft 71.
11
Engermann, Slavery and its consequences 335, 339, 342.
5
Egreniermaschine erfunden, die in den Südstaaten den Anbau von Baumwolle in großem Stil profitabel machte. Die industrielle Revolution in England beförderte die Plantagenexporte nach Europa. So wurden die Südstaaten der weltweit größte Baumwollhersteller. Sie deckten allein 75 Prozent der englischen Nachfrage.12 Die kapitalistische Entwicklung in England beförderte so die Expansion der Plantage und die Ausdehnung der Sklavenhalterstaaten des Südens. Auch konnten die großen Plantagenbesitzer einen beträchtlichen Reichtum erwirtschaften.13 Gleichzeitig stiegen die Importe von Manufakturprodukten aus den Nordstaaten. Die Einnahmen der Plantagenbesitzer kurbelten wiederum die industrielle Entwicklung im Norden an. Die Unionsstaaten erlebten im langen 19. Jahrhundert ein beträchtliches Wirtschaftswachstum von durchschnittlich 4 Prozent pro Jahr. Zwischen 1774 und 1909 vergrößerte sich das Nationalprodukt laut Gallman um das 175fache.14 Der Export von Stapelwaren und der Import von Manufakturprodukten hatten demnach nicht nur einen stimulierenden Effekt auf den sich entwickelnden Warenmarkt. Sie lieferten auch Rohstoffe für die kapitalistische Industrieentwicklung in England und nahmen Endprodukte der entstehenden Industrie der Nordstaaten ab. Diese Aspekte verlocken dazu, die Plantage als kapitalistische Unternehmung zu charakterisieren. Diese Annahme ist jedoch nur haltbar, wenn es tatsächlich die Zirkulation und Konsumption ist, die gesellschaftliche Formationen prägt. Ich gehe hingegen davon aus, dass es die Produktionsweise von Gütern im Allgemeinen und von Waren im Speziellen ist, die gesellschaftliche Prozesse dominiert. Zirkulation und Handel hat es in unterschiedlicher Ausprägung seit jeher gegeben. Dennoch waren die Produktionsweisen, gesellschaftlichen Institutionen und Klassen durchaus verschieden. So kann nach Marx der Handel auch in der kapitalistischen Entwicklung die längste Zeit die Produktionsorganisation nicht bestimmen. Später beeinflusst er die Produktion, insofern der Verkauf von Produktionsmitteln das Produktionsvolumen bestimmt, bis mit der Entwicklung von Industriekapital das Handelskapital auf eine reine Zirkulationsfunktion beschränkt wird.15
12 13 14 15
Engermann, Slavery and its consequences 337f. Engermann, Slavery and its consequences 343. Gallman, Economic growth 2. Meuschel, Kapitalismus oder Sklaverei 20.
6
Natürlich spielte dieses Handelskapital auch in den USA eine außerordentlich wichtige Rolle in der Entwicklung des Kapitalismus. Doch es waren die Nordstaaten, in denen sich dieses Handelskapital herausbildete. Sie waren es, die Versicherung, Verschiffung und Verkauf der Plantagenprodukte der Südstaaten organisierten. Der durch Handel akkumulierte Profit floss in die Entwicklung von Banken und Industrie in den Nordstaaten.16 Doch der Fortschritt der kapitalistischen Entwicklung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sollte nicht überschätzt werden. Handel, Banken und Industrie machten zwar schnelle Fortschritte im internationalen Vergleich. Aber in den USA war nach wie vor die einfache Kleinwarenproduktion in Land und Stadt prägend, der sich die großen Plantagen einerseits und die sich entwickelnde Industrie andererseits gegenüberstellten.17 Die Südstaatenplantage war also kein integraler Bestandteil einer voll ausgeformten allgemeinen kapitalistischen Warengesellschaft, sondern Warenlieferant einer sich entwickelnden kapitalistischen Industrie in einigen wenigen Zentren.18 Die Einbindung in den Warenmarkt allein kann also noch kein abschließendes Argument für die Plantage als kapitalistische Unternehmung sein.
Der Plantagenbesitzer als kapitalistischer Manager?
Das beschriebene Verhältnis der Südstaatenplantage zur Außenwelt, hat den Vergleich zwischen Plantagenbesitzer und kapitalistischen Managern nahegelegt.19 Tatsächlich sahen sich etliche Plantagenbesitzer als Unternehmer. Olwell berichtet über den Plantagenbesitzer Henry Lauren, der bis zu 300 Sklaven und mehrere Plantagen in Carolina und Georgia besaß. Lauren beschrieb sich selbst als Kommissionär, der sowohl mit seinen Sklaven als auch den Abnehmern der Plantagenprodukte handelte.20 Lauren war eine jener Persönlichkeiten, die
16
Tatsächlich war der Süden insgesamt sogar Schuldner des Nordens, siehe Landauer, Sozial-und Wirtschaftsgeschichte 83. 17
Vgl. Margo, Labor force 234. Meuschel, Kapitalismus oder Sklaverei 9.
18
Meuschel, Kapitlismus oder Sklaverei 25f.
19
Engermann, Slavery and its consequences 340f. Olwell, Reckoning of accounts 33f, 36f.
20
7
als Händler zu Reichtum im Süden gelangt waren und denen so der Aufstieg zur Pflanzeraristokratie gelang.21 Die Produktion von Waren mit einem Tauschwert für den Markt steigerte scheinbar das Bewusstsein der Plantagenbesitzer als Unternehmer. Die Auswirkung der Konkurrenz untereinander, die Auswirkung zyklischer Krisen der Industrie und Preisschwankungen auf dem Markt für den sie produzierten, bewegten sie dazu, möglichst effizient zu wirtschaften. Überhaupt waren sie im Gegensatz zum europäischen Landadel nicht nur im Besitz des Landes, sondern ließen es unter dem Einsatz eigener Produktionsmittel betreiben. Sollte sich der Kauf von Land, Sklaven und Technik aus den Mitteln der Plantagenbesitzer rentieren, musste auch gewinnbringend für den Markt produziert werden. Daher griffen sie lenkend in den Produktionsprozess ein.22 Die Plantagenbesitzer verlangten regelmäßige Berichte über den Stand der Bewirtschaftung, die Situation auf der Plantage und eine genaue Buchführung über Ausgaben und Einnahmen von ihren Aufsehern. Telfair, ein Plantagenbesitzer aus Georgia, wies seinen Aufseher an, ein regelmäßiges Journal zu seinen Händen anzufertigen.23 Auch der Plantagenbesitzer Weston aus South Carolina gab das wöchentliche Ausfüllen vorgedruckter Formulare vor.24 Neben dem Einblick in Einkünfte und Ausgaben sollte der effektive und bedachte Einsatz der Produktionsmittel überwacht werden.25 Dazu zählten wohlgemerkt auch die Sklaven selbst. In zahlreichen Briefen und Notizen steht der sorgsame und effiziente Umgang mit den Sklaven an erster Stelle. Weston verwies seinen Aufseher darauf, dass er einschätzen müsse, wie viel ein Sklave leisten könne und wie viel nicht.26 Er schloss seine Überlegungen damit, dass „ein System strikter Gerechtigkeit für gutes Management unerlässlich sei.“ 27 Die Gerechtigkeit diente also der Profitabilität des Unternehmens, nicht dem Wohlbefinden des Sklaven. So hielt der Plantagenbesitzer Semple aus Virginia fest, dass seine Sklaven einen
21
Olwell, Reckoning of accounts 33.
22
Curtin, Rise and fall 47.
23
Andrews, Documentary of History 127. Andrews, Documentary of History 122. Andrews, Documentary of History 121. Andrews, Documentary of History 117. Andrews, Documentary of History 120.
24 25 26 27
8
vollen Bauch haben sollten. Die Aufseher sollten jedoch darauf achten, dass keine Verschwendung bei der Ernährung betrieben werde.28 Darüber
hinaus
hatten
die
Plantagenbesitzer
klare
Vorstellungen
über
den
Produktionsprozess auf ihrer Plantage. Sie statteten ihre Aufseher mit detaillierten Regelwerken über die Abläufe der Produktion sowie der angebrachten Benutzung oder Nichtbenutzung
von
Maschinerie
aus.
Unwirtschaftlicher
Betrieb
und
schlechte
Durchführung der Anweisungen durch die Aufseher waren ein wiederkehrendes Thema, mit dem sich die Plantagenbesitzer auseinandersetzten.29 Die Informationen wurden auch zur Durchführung einer gezielten Arbeitsteilung genutzt. Die Besitzer waren sich über die Unterschiedlichkeit der Tätigkeiten auf ihrer Plantage durchaus bewusst. So wurden Aufgaben auf den Feldern, in der Verarbeitung des Rohprodukts in entsprechenden Anlagen, in der medizinischen Versorgung und Verpflegung der Sklaven, sowie im Herrenhaus arbeitsteilig erledigt. Nicht jeder Sklave oder weiße Beschäftigte hatte jede Aufgabe zu erledigen. Da die Plantage Waren für den Markt produzierte und Waren auf dem Markt kaufte, war die Einführung einer Buchführung unerlässlich. Ausgaben und Einnahmen wurden bis auf Centbeträge festgehalten.30 Der Plantagenbesitzer Manigault aus Georgia berechnete so beispielsweise die Kosten seiner Sklaven pro Kopf auf $21 im Jahr. Anhand solcher Werte konnten sich die Plantagenbesitzer jederzeit über die Profitabilität ihrer Besitztümer erkundigen. Das ermöglichte ebenfalls Kalkulationen über die Periode einer Ernte hinaus. Anschaffungen wurden nicht nur nach unmittelbarem Bedarf, sondern auch nach erwarteten Gewinnen oder Verlusten getätigt.31 Die Plantagenbesitzer waren also zwangsläufig daran interessiert, profitabel für die Bedürfnisse des Marktes zu wirtschaften. Sie beobachteten Preisschwankungen ihrer Produkte und kalkulierten dementsprechend ihre Produktion. So stellte Manigault aus Georgia erfreut fest, dass der Krimkrieg ihm eine außerordentliche Preissteigerung seines Reisstapels einbrachte.32 Der Einfluss „höherer Gewalten“ wie Krankheit unter den Sklaven oder ungünstige Wetterbedingungen für die Landwirtschaft wurden nicht nur als negativ für 28 29 30 31 32
Andrews, Documentary of History 111. Andrews, Documentary of History 143f. Siehe u.a. Andrews, Documentary of History 134f, 150-165. Andrews, Documentary of History 148ff. Andrews, Documentary of History 141.
9
das Einkommen einer Ernteperiode wahrgenommen.33 Sie konnten den Bankrott ihrer Plantage bedeuten. Die Plantagenbesitzer übernahmen also der Form nach Mittel zur Verwaltung ihrer Plantage, die kaufmännischen Kriterien in einer Reihe von Aspekten ähnlich war. Dennoch, das von McDonnal zu Beginn skizzierte Dilemma setzte sich auch in der unmittelbaren Tätigkeit des Plantagenbesitzers vor Ort durch. So beschrieb sich der Plantagenbesitzer Lauren eben auch als Monarchen auf seiner Plantage. Er und die Plantagenbesitzer im Allgemeinen verlangten nicht nur Arbeitsdisziplin und Buchhaltung, sondern auch die wiederkehrende Durchsetzung des politischen Herrschaftsverhältnisses, dass ihre Sklaven zu Waren und Produktionsmitteln machte. Analog betrachtet sahen sich jedoch auch die adligen Landbesitzer Europas im 19. Jahrhundert zunehmend gezwungen profitabel für den Verkauf auf den Märkten zu produzieren. Hier soll natürlich kein allgemeiner Vergleich zwischen Plantagenbesitzern und europäischen Gutsherren gezogen werden. Doch während der russische Landadel Lebensmittel für die Städte auch unter Zuhilfenahme gutsherrlicher Latifundien profitabel produzieren konnte, wurden diese bis heute von wenigen Historikern als kapitalistische Unternehmung charakterisiert.34 Der Einfluss der Warenproduktion auf Handeln und Denken der jeweiligen Akteure ist in beiden Fällen unbestreitbar. Aber diese Parameter reichen nicht zu einer ökonomischen Charakterisierung der Plantage als kapitalistischer Unternehmung aus.
Plantagenproduktion als kapitalistische Produktionsweise?
Tatsächlich ist die Produktionsweise und die Entwicklung der Produktion nach gewissen Gesetzmäßigkeiten ein wiederkehrendes Problem in allen betrachteten Feldern. Die Plantage der Südstaaten war nicht nur eine Waren produzierende Institution für spezielle Rohstoffe nach den Bedürfnissen von Industrie und Konsum. Sie kennzeichnete sich auch durch eine bestimmte Arbeitsteilung und Produktionsweise aus, die auf der Verrichtung von Arbeit
33
Andrews, Documentary of History 141. Siehe auch Dowd, Dowd, Economics of slavery 442. Er verwendet eine ähnliche Analogie den medieval „businessmen“. 34
1 0
durch Sklaven basierte. Dass die Arbeitskraft selbst keine Ware war sondern durch den Besitz des Sklaven als Ware vermittelt wurde, war keine theoretische Randfrage. Die Südstaatenplantage war demnach keine Institution, in der sich die allgemeine Warengesellschaft durchgesetzt hatte. Lohnarbeit war nicht jederzeit käuflich und verkäuflich. Stattdessen gehörte der Sklave zum konstanten Inventar der Produktionsmittel des Plantagenbesitzers. Doch in der kapitalistischen Produktionsweise ist es gerade die flexibel veränderbare Zusammensetzung von Produktionsmitteln und Lohnarbeit, die zu einer wiederkehrenden Umwälzung des Produktionsprozesses führt. Dieses Element fehlte den Südstaatenplantagen. In der Entwicklung der Industrie in den Nordstaaten fand eine fortschreitende Intensivierung des Produktionsprozesses statt. Neue Technologie und Maschinerie wurde eingesetzt, um die gleichen Waren mit weniger Arbeitskraft herzustellen. Zwar wurden auch im Süden neue Techniken wie die Egreniermaschine und in begrenztem Maß Düngemethoden eingeführt. Die allgemeine Tendenz war jedoch nicht die Intensivierung der Plantagenproduktion, sondern ihre Ausweitung auf neue Flächen bei gleichbleibender oder nur sehr geringer Steigerung der Arbeitsproduktivität. Das hemmte nicht nur die agrarkapitalistische Entwicklung auf dem Land und die Einführung neuer Technologien in großem Stil. Es erklärt auch, warum die städtische Entwicklung in den Südstaaten im Vergleich zu den Nordstaaten außerordentlich unterentwickelt war. Die Entwicklung der Plantagenwirtschaft auf dem Land stieß nicht freie Arbeitskräfte ab. Im Gegenteil band sie immer weitere Sklaven in die Landwirtschaft ein. Unter den 15 wichtigsten Städten der USA fanden sich 1860 daher gerade einmal 3 im Süden, zwei davon direkt an der Grenze zu den Nordstaaten. Zwar gab es Fälle, in denen Plantagenbesitzer Sklaven an Manufakturen vermieteten. Stieg jedoch der Bedarf auf den Plantagen erneut, wurden sie wiederum aus den Manufakturen abgezogen. Die industriekapitalistische Entwicklung blieb in den Südstaaten aus diesen Gründen eine untergeordnete Erscheinung, war doch der Betrieb mit Sklaven dauerhaft nicht konkurrenzfähig zur intensiven Industrieproduktion mit freier Lohnarbeit. Auch aus politischen Gründen konnten solche Maßnahmen nur Probleme hervorrufen. Die regelmäßige Vermietung von Sklaven und die Produktion von Waren, deren Preis die Sklaven direkt nachvollziehen konnten, musste doch potentiell zu einem Verständnis des Wertes ihrer 1 1
eigenen Arbeitskraft führen. Eine ähnliche Bemerkung macht auch Olwell in der Entwicklung von Marktverhältnissen im Innern der Plantage.35 So ist es nicht erstaunlich, dass sich Sklavenunruhen insbesondere in den Städten und sklavenbetriebenen Manufakturen des Südens entwickelten. Ein ökonomisches Problem ergab sich für die Plantagenbesitzer auch aus dem konstanten Besitz der Sklaven als Produktionsmittel – zumindest in Konkurrenz zur kapitalistischen Produktionsweise. Während im Norden die Reproduktionskosten der Arbeiterschaft in die private Sphäre und auf die Familie abgewälzt wurden, musste der Plantagenbesitzer diese Kosten vollständig tragen. Auch Sklaven, die zu alt oder zu jung zum arbeiten waren, wurden von ihm versorgt.36 Eine Steigerung der Produktivität in der Industrie des Nordens konnte zu einer Senkung der Kosten der Lohnarbeiter in zweierlei Hinsicht führen. Erstens benötigte der Industrielle weniger Lohnarbeiter für den gleichen Arbeitsprozess. Zweitens konnte das Ausstoßen von Arbeitskräften aus dem Produktionsprozess auch zu einer Vergünstigung der Lohnkosten führen,
insofern
das
Reservoir
unbeschäftigter
Arbeitskräfte
wuchs.
Für
den
Plantagenbesitzer hätte eine derartige Entwicklung vor allem eine Wertschmälerung seines Sklavenbesitzes bedeutet. Auch politisch war eine Produktionsweise, die auf Sklaverei beruhte, aber regelmäßig Sklaven aus dem Produktionsprozess ausscheiden ließ, kaum denkbar.37 Welche politisch und ökonomisch machbaren Optionen hätten die Plantagenbesitzer zur Verfügung gehabt, um überschüssige Sklaven in einer allgemeinen Entwicklungstendenz aus der Produktion auszugliedern?
Schlussbemerkung
Die Plantagenbesitzer des Südens standen also nicht nur in gegenseitiger Konkurrenz. Sie standen auch in zunehmendem Konflikt mit der kapitalistischen Produktionsweise der 35
Olwell, Reckoning of accounts 47f.
36
Andrews, Documentary of History 126. Olwell, Reckoning of accounts 43.
37
1 2
Nordstaaten. Engermann irrt also, wenn er behauptet der amerikanische Bürgerkrieg habe keine ökonomische Ursache gehabt.38 Natürlich war das Plantagenwesen der Südstaaten in den sich entwickelnden internationalen Warenmarkt eingebunden. Die Produkte der Plantagen waren unerlässlich für die sich entwickelnde kapitalistische Industrie. Dieses Wechselverhältnis hatte auch zur Folge, dass die Plantagenbesitzer kaufmännische Formen des Wirtschaftens einsetzten. Es ist daher vollkommen legitim, die Plantage der Südstaaten als einen wichtigen Faktor der internationalen
kapitalistischen
Entwicklung
zu
betrachten,
eine
kapitalistische
Unternehmung war sie deshalb nicht. Dowd hat daher treffend festgestellt, es sei nicht das Unternehmertum gewesen, dass keine Wurzeln im Süden schlagen konnte, sondern die wesentlichen Elemente einer kapitalistischen Wirtschaft.39 Pragmatisch schienen es auch die englischen kapitalistischen Tuchfabrikanten zu sehen, die sich im amerikanischen Bürgerkrieg neutral verhielten oder auf der Seite der Südstaaten standen.40 In dem sich national entfaltenden Konflikt zwischen der auf Sklaverei beruhenden Produktionsweise der Südstaatenplantage und der kapitalistischen Industrie der Nordstaaten mussten die Verhältnisse sich freilich anders gestalten. Gerade dieser Konflikt, der im Bürgerkrieg
mündete,
bedarf
einer
größeren
Aufmerksamkeit
der
Sozial-
und
Wirtschaftsgeschichte. Über mehrere Jahrhunderte funktionierte das Plantagenwesen in den Südstaaten als untergeordnete Produktionsweise in einem sich entwickelnden nationalen und internationalen kapitalistischen System. Potts hat eindrucksvoll aufgezeigt, wie eine Reihe von Formen der nichtkapitalistischen Arbeitskraftausbeutung in einem globalen kapitalistischen System untergeordnet in diesem Prozess eingebunden werden konnten. Doch gerade die Erfolge der Südstaatenplantage und ihr innerlich angelegter Expansionsdrang brachten sie letztlich in einen unausweichlichen Konflikt mit dem
38
Engermann, Slavery and its consequences 340f. Im Gegenteil stellt Landauer fest, dass gerade der Bürgerkrieg und die Sezession politische Maßnahmen erlaubten, die den ökonomischen Aufschwung der kapitalistischen Industrie im Norden beförderten. Die politische Union mit den Plantagenbesitzern war also zu einer politischen Fessel in der ökonomischen Entwicklung der kapitalistischen Produktivkräfte geworden. Der Bürgerkrieg war offensichtlich an der Oberfläche ein politischer Krieg, diesen politischen Konflikten lagen aber ökonomische Widersprüche zu Grunde. So stellte sich der Süden einer Reihe von politischen Maßnahmen wie u.a. Zolltarifen, der Entwicklung eines zentralen Staatsbankwesens etc. entgegen, die für die Entwicklung des kapitalistischen Nordens äußerst bedeutend waren. Landauer, Sozial-und Wirtschaftsgeschichte 86f. 39 Dowd, Economics of slavery 441. 40
Marx, Amerikanische Frage in England 312f.
1 3
kapitalistischen Norden. Der Bürgerkrieg löste die ökonomischen Widersprüche und politischen Konflikte zwischen Süden und Norden am Ende gewaltsam. Der Krieg zerstörte nicht nur die starke Machtposition der Plantagenbesitzer in den USA. Er beendete auch das Plantagensystem und die Sklaverei selbst. Für die geschichtlich handelnden Akteure stellte sich nicht die Frage, ob das Plantagenwesen eine kapitalistische Unternehmung sei. Für sie lautete die Frage grundsätzlicher: Sklaverei oder Kapitalismus?
1 4
Literaturverzeichnis
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