Hepatopathien in der Schwangerschaft
May 9, 2018 | Author: Anonymous |
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Der Gynäkologe 7•2002 | 709 � Frage Eine Patientin entwickelte in einer an- sonsten unauffälligen Schwangerschaft 2 Wochen präpartal einen Pruritus gesta- tionis mit erhöhten Transaminasen (40–50 U/l). Es bestand keine Hypertonie, keine Proteinurie. Postpartal – es wurde eine Sectio caesarea bei Beckenendlage des Fötus durchgeführt – stiegen die Trans- aminasen weiter (GOT 339 U/l, GPT 797 U/l), fielen dann aber wieder auf Nor- malwerte ab. Unter Ovulationshemmer- einnahme kam es ebenfalls zu einer Erhö- hung der Transaminasewerte, die sich nach Absetzen des Präparates wieder nor- malisierten. Lebersonographie und Hepa- titisserologie waren unauffällig. Eine al- koholtoxische Anamnese konnte ausge- schlossen werden. In der Vergangenheit war eine Ebstein-Barr-Virus-Infektion aufgetreten. Im Rahmen einer erneuten Schwangerschaft stellte sich wieder eine Erhöhung der Transaminasewerte dar, die 6 Wochen nach Abort (6. SSW) rückläufig waren. Durch den Hausarzt wurde der Pa- tientin von einer erneuten Schwanger- schaft abgeraten. Ist von der Gefahr einer Leberschädigung auszugehen? Welche Differenzialdiagnosen müssen in Abhän- gigkeit vom Schwangerschaftsalter be- dacht werden? � Antwort Schwere Lebererkrankungen in der Schwangerschaft sind mit einer Inzidenz von 0,1% zwar selten, können jedoch in Einzelfällen fulminant und lebensbe- drohlich für Mutter und Kind verlaufen [1]. Aus diesem Grunde sind beim Auf- treten erhöhter Leberenzyme und/oder eines cholestatischen Ikterus differenzi- aldiagnostische Erwägungen von beson- derer Bedeutung. Hepatopathien in der Schwanger- schaft lassen sich unter 3 Gesichtspunk- ten ätiologisch aufschlüsseln: ◗ vorbestehende, meist chronische Lebererkrankungen, ◗ nicht schwangerschaftsspezifische, akute Lebererkrankungen, ◗ schwangerschaftsspezifische Lebererkrankungen. Chronische Lebererkrankungen. Da bei Frauen mit chronischen Leberkrankhei- ten (z. B. Leberzirrhose) häufig eine Ovarialinsuffizienz besteht, ist die Schwangerschaft ein seltenes Ereignis. Tritt diese dennoch ein, scheint das Risi- ko für Mutter und Kind bei kompensier- ter Erkrankung nicht signifikant erhöht zu sein [2]. Die fortgeschrittene Leber- schädigung ist durch charakteristische klinische Parameter (Leberhautzei- chen), Laborveränderungen (Hepatitis- serologie positiv, ggf. verminderte Syn- theseleistung) und abdominelle Sono- graphie (Leberstrukturunregelmäßig- keiten, Aszites) in jeder Phase der Schwangerschaft relativ leicht zu erken- nen. Im speziellen Fall einer komplizie- renden Ösophagusvarizenblutung bei portaler Hypertension besteht ein deut- lich erhöhtes Mortalitätsrisiko [3]. Akute Lebererkrankungen. Treten Pruri- tus gestationis und erhöhte Leberenzy- me im Verlauf der Schwangerschaft bei einer ansonsten lebergesunden Frau auf, ist der Zeitpunkt von entscheidender differenzialdiagnostischer Bedeutung: Virale Hepatitiden als häufigste Ur- sachen des Schwangerschaftsikterus kön- nen ebenso wie Erkrankungen des bili- ären Systems (Choledocholithiasis,PBC) zu jeder Zeit während einer Schwanger- schaft auftreten. Wie auch im vorliegen- den Fall erfolgt, sollte die Basisdiagnos- tik deshalb immer eine Hepatitisserolo- gie und eine abdominelle Sonographie einschließen. Eine antivirale Therapie während der Schwangerschaft wird der- zeit nicht empfohlen. Frauen mit Risiko- exposition und Neugeborene bei nachge- wiesener Infektion sollten allerdings si- multan aktiv und passiv gegen Hepati- tis A und B geimpft werden [4]. Schwangerschaftsspezifische Erkrankun- gen. Schwangerschaftsspezifische Hepa- topathien sind die Hyperemesis gravi- darum, die intrahepatische Schwanger- schaftscholestase, die akute Schwanger- schaftsfettleber und das HELLP-Syn- drom. Tritt die Hyperemesis charakte- ristischerweise in der Frühschwanger- schaft auf, werden die anderen Krank- heitsbilder selten vor der 26. SSW mani- fest (Tabelle 1). Leser fragen – Experten antwortenGynäkologe 2002 · 35:709–710DOI 10.1007/s00129-002-1216-2 D. Ludwig · Abteilung für Gastroenterologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum Lübeck Hepatopathien in der Schwangerschaft © Springer-Verlag 2002 Priv.-Doz. Dr. D. Ludwig Abteilung für Gastroenterologie, Medizinische Klinik I, Universitätsklinikum, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck Redaktion K. Diedrich, Lübeck M. Ludwig, Lübeck Leser fragen – Experten antworten Diskussion In dem hier präsentierten Fall handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine intrahepatische Schwangerschafts- cholestase. Charakteristisch für diese zweithäufigste Ursache des Schwanger- schaftsikterus sind Pruritus in der Spät- schwangerschaft,aber auch die erneuten Transaminasenanstiege unter einem Antikonzeptivum und im Rahmen einer weiteren Gravidität (60–70%), [5]. Ur- sächlich wirken hohe Östrogen- und Progesteronspiegel bei entsprechender (genetischer?) Prädisposition cholesta- tisch [6]. Die akute Schwangerschafts- fettleber als wichtigste Differenzialdi- agnose rezidiviert dagegen äußerst sel- ten. Außerdem stehen Oberbauch- schmerzen, Übelkeit und Erbrechen im Vordergrund; Pruritus ist die Ausnah- me. Leukozytose, Normoblasten im Dif- ferenzialblutbild und Gerinnungsstö- rungen als Zeichen des beginnenden Le- berausfalls erlauben die weitere Diffe- renzierung im Verlauf [7]. Andere schwangerschaftsspezifi- sche (s. Tabelle 1) und interkurrierende Lebererkrankungen (virale Hepatitis, Gallenwegserkrankung) sind bei nor- motonen Blutdruckwerten, negativer Hepatitisserologie und regelrechter ab- domineller Sonographie weitestgehend ausgeschlossen. Eine primär biliäre Zir- rhose oder Autoimmunhepatitis könn- ten durch Autoantikörperbestimmun- gen (M2-AMA, ANA etc.) relativ leicht erkannt werden. Rezidive einer EBV-He- patitis sind unbekannt, Herpes-simplex- Infektionen bei immunsupprimierten Patientinnen dagegen sind gefährlich und behandlungsbedürftig (Sektio, ggf. Acyclovir), [8]. Die intrahepatische Schwanger- schaftscholestase ist eine für die Mutter ungefährliche Erkrankung,die sich nach der Schwangerschaft zurückbildet und keine bleibenden Schäden hinterlässt. Symptomatisch können zur Behandlung des Pruritus Ursodeoxycholsäure oder Cholestyramin verabreicht werden [9]. Um dem charakteristischen Risiko von Frühgeburt und erhöhter perinata- ler Mortalität entgegenzuwirken, sind engmaschige Kontrollen des Fötus er- forderlich [1]. In Abhängigkeit des Schweregrades ist die Einleitung der Ge- burt ab der 37. SSW zu erwägen [10]. Die Mutter sollte außerdem über die Mög- lichkeit des Rezidivs der intrahepati- schen Cholestase in nachfolgenden Schwangerschaften bzw.nach Einnahme oraler Antikonzeptiva aufgeklärt wer- den. Es gibt jedoch keinen medizini- schen Grund, von einer neuerlichen Konzeption abzuraten. Literatur 1. Knox TA, Olans LB (1995) Liver disease in pregnancy. N Engl J Med 335: 569 2. Varma RR (1987) Course and prognosis of pregnancy in women with liver disease. Semin Liver Dis 7: 59 3. Britton R (1982) Pregnancy and esophageal varices. Am J Surg 143: 421 4. Strobel D (1996) Leber und Schwangerschaft. In: Hahn EG, Riemann JF (Hrsg) Klinische Gastroenterologie.Thieme, Stuttgart New York, S 1806 5. 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Am J Obstet Gynecol 170: 890 | Der Gynäkologe 7•2002710 Tabelle 1 Schwangerschaftsspezifische Lebererkrankungen Erkrankung Leitsymptom Ikterus Trimenon Inzidenz Transaminasen Prognose [%] [U/l] Hyperemesis Übelkeit, Mäßig I–II 0,3–1,0
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