Chemie gegen Reibung und Verschleiû: Untersuchung molekularer Wirkungsmechanismen von Schmierstoffadditiven Chemistry against friction and wear: Examining surface reactions of lubricant additives F. Hipler, S. Gil Girol, R. A. Fischer und Ch. Woà ll Obwohl Fette und Oà le auch ohne ZusaÃtze reibungsmindernd wir- ken, ist fuÃr die heute geforderten Hochleistungsschmierstoffe die Zugabe von Additiven unerlaÃsslich. Erst diese synthetischen Zu- satzstoffe verleihen den Fertigprodukten die, haÃufig auf den spe- ziellen Einsatzzweck genau zugeschnittenen, erwuÃnschten Eigen- schaften. Der zugrundeliegende chemische Wirkmechanismus je- doch ist meist nicht genau verstanden. Am Beispiel der Anti-Ver- schleiû-Additive wird gezeigt, wie die moderne OberflaÃchenche- mie helfen kann, die Wirksamkeit dieser Substanzen zu verstehen und die Voraussetzungen fuÃr eine systematische Additiv-Optimie- rung zu liefern. Although greases and oils are able to reduce friction without other substances being added, blending with additives is essential for todays high-performance lubricants. Only these synthetic addi- tives yield the desired characteristics of the final product, which is often designed specially for a particular application. In most cases, however, the underlying chemical mechanism is not exactly under- stood. For anti-wear additives it will be shown how modern surface chemistry can help to understand the effectiveness of those sub- stances and thus contribute to a systematic additive optimization. 1 Einleitung Die PhaÃnomene Reibung, Schmieren und Verschleiû besit- zen eine enorme praktische Bedeutung. Die groûen Material- und Energieverluste, die durch Verschleiû verursacht werden, versucht man durch sorgfaÃltige Werkstoffauswahl, OberflaÃ- chenbeschichtung, OberflaÃchenhaÃrtung und Schmieren zu verringern. Die wichtigste Anforderung an einen solchen Schmierstoff besteht darin, einen effektiven OberflaÃchen- schutz der Werkstoffe zu leisten. An ungeschmierten Metall- oberflaÃchen, die sich unter Belastung gegeneinander bewe- gen, treten verschiedene Reibungserscheinungen auf, in vie- len FaÃllen wird ein abrasiver Verschleiû bis hin zu einem Mi- kroverschweiûen der WerkstuÃcke beobachtet [1a ± c]. An stark belasteten mechanischen Kontakten kann es zu einem Aufbre- chen der Schutzschicht (z. B. Oxide) kommen und es treten PhaÃnomene auf, die auch bei der BeruÃhrung sauberer Metall- oberflaÃchen im Vakuum beobachtet werden: Es bilden sich spontan chemische Bindungen aus. Bei sehr glatten OberflaÃ- chen fuÃhrt dies zu einer flaÃchenhaften Kaltverschweiûung, bei rauhen OberflaÃchen bilden sich Punktkontakte aus. Als Folge- erscheinung tritt ein massiver Verschleiû auf, u. U. kann es auch zu einer totalen Blockierung (¹Kolbenfresserª) kommen. Der Einsatz von Schmierstoffen dient dazu, den Material- verschleiû durch Abrieb, der eine trockene Reibung begleitet, deutlich zu reduzieren. Im Idealfall eines fluÃssigen Schmier- stoff-Filmes zwischen zwei WerkstuÃcken resultieren die noch verbleibenden Reibungsverluste aus der inneren Reibung der FluÃssigkeit und werden von der ViskositaÃt der Substanz be- stimmt. In Abb. 1 sind verschiedene Reibungsbedingungen illustriert. Je nach Belastung kann sich jedoch die Dicke des Schmierfilmes verringern, so daû es bei kleinen Gleitge- schwindigkeiten oder starker Beanspruchung wieder zu Fest- koÃrperkontakten kommt [18]. Die Erkenntnis, daû reine GrundoÃle, gleich ob MineraloÃle oder synthetische Oà le, keinen wirksamen Schutz mechanisch stark belasteter OberflaÃchen gewaÃhrleisten koÃnnen, fuÃhrte schon Anfang des letzten Jahrhunderts zur Beimengung von Zusatzstoffen. Erst diese Additive verhelfen dem SchmieroÃl dann zu den gewuÃnschten Gebrauchseigenschaf- ten, wie z. B. Reibungsminderung, OberflaÃchenschutz durch Ausbildung von Reaktionsschichten auf dem Werkstoff, aus- reichender Alterungs- und OxidationsbestaÃndigkeit oder hin- reichenden Flieûeigenschaften unter Betriebsbedingungen. WaÃhrend fruÃher eine entsprechende Verbesserung der Schmiereigenschaften durch Schwefeln der verwendeten (haÃufig tierischen) Fette erreicht wurde (Einleiten von Schwe- felwasserstoff), ist fuÃr die heutigen Anforderungen der Einsatz von Spezialchemikalien erforderlich. FuÃr unterschiedliche in- dustrielle Anwendungsbereiche, etwa als MotorenoÃl, Hydrau- lik- oder GetriebeoÃl, erfolgt empirisch eine Optimierung der jeweiligen komplexen realen Systeme durch tribologische Modellversuche. Die Anpassung eines Schmierstoffes an eine Werkstoffpaarung erfolgt in zeit- und kostenaufwendi- Abb. 1. Schematische Darstellung unterschiedlicher Reibungsbe- dingungen 872 0933-5137/00/0909-0872$17.50 .50/0 Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 31, 872±877 (2000) à WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim, 2000 gen Versuchsreihen. Die Auswahl der zu untersuchenden Sub- stanzen erfolgt meist eher zufaÃllig, da unser Wissen uÃber tri- bochemische VorgaÃnge nicht ausreicht, um zuverlaÃssige Vor- aussagen zu treffen. Ein VerstaÃndnis der zugrundeliegenden Additiv-Substrat- oder Additiv-Additiv-Wechselwirkungen auf molekularer Ebene war bis vor wenigen Jahren nur in An- saÃtzen erarbeitet. Aufgrund der Weiterentwicklung oberflaÃ- chenanalytischer Methoden werden die etablierten techni- schen PruÃfmethoden zur Produktentwicklung heute zuneh- mend durch Modellbildung unter BeruÃcksichtigung der pysi- kalisch-chemischen Aspekte der Reibung ergaÃnzt: in den letz- ten 15 Jahren erlebte die Forschung nach den Ursachen des Gleitwiderstandes auf molekularer und atomarer Ebene eine Renaissance [18]. 2 Schmierstoff-Additive Wie die Auswahl in Abb. 2 zeigt, lassen sich die Additive entsprechend ihrer Funktionsweise grob in verschiedene Klas- sen einteilen. Neben der gezielten Kontrolle der physikali- schen Eigenschaften eines SchmieroÃles wie etwa der Viskosi- taÃt als hydrodynamische KenngroÃûe, ist es moÃglich Schmier- stoff und OberflaÃche chemisch zu modifizieren. Zu den wich- tigsten Anforderungen an ein Schmierstoff-Additiv zaÃhlt der OberflaÃchenschutz der Werkstoffe, der abrasiven Verschleiû und ein Mikroverschweiûen zwischen MetalloberflaÃchen ver- hindert oder zumindest stark reduziert. Diese Eigenschaft wird durch sogenannte Anti-Wear- (AW) und Extreme-Pres- sure-(EP)-Wirkstoffe gewaÃhrleistet, deren Funktionsweise der Gegenstand der hier dokumentierten Forschungsarbeiten ist. Die wohl erfolgreichsten Vertreter dieser EP/AW-Additive sind die Zink-dialkyldithiophosphate, Zink-Komplexe der Di- thiophosphorsaÃurealkylester (RO)2P(S)SH mit der allgemei- nen Summenformel Zn[(RO)2PS2]2. Diese Verbindungen ge- hoÃren zu den schichtbildenden Wirkstoffen, wobei die eigent- lich wirksamen Komponenten nicht die Komplexe an sich sind, sondern die Reaktions- bzw. Zerfallsprodukte, die bei Reibprozessen unter Belastung entstehen. Die Additive bil- den unter dem Einfluss groûer ScherkraÃfte und lokal hoher Temperaturen Reaktionsschichten, die im allgemeinen aus kohlenwasserstoffreichen sowie anorganischen Phasen be- stehen. So findet man Eisensulfide, -oxide und -phosphate, Zinkoxid, Zinksulfid und amorphe Polyphosphate in Schicht- dicken von meist einigen hundert Nanometern auf der Ober- flaÃche. Eine schematische Darstellung ist in Abb. 3 gezeigt. 3 Reaktionsschichten Die OberflaÃchenchemie metallhaltiger Dithiophosphate auf Stahl und moÃgliche Reaktionsmechanismen der Reaktions- schichtbildung sind vielfach diskutiert worden [2, 3]. Die Zu- sammensetzung dieser Reaktionsschichten auf den technolo- gisch wichtigen Eisensubstraten ist in juÃngerer Zeit mit Hilfe der modernen OberflaÃchenanalytik, unter anderem mittels RoÃntgen-Photoelektronenspektroskopie (XPS) und der RoÃnt- gen-Absorptionsspektroskopie (XAS, XANES) detailliert charakterisiert worden [4]. Verschiedene Modelle zur ErklaÃ- rung der Funktionsweise der AW- und EP-Additive gehen von einer ¹Tribofragmentationª der Additive im Oà l aus. Mit die- sem Begriff wird der Zerfall der Additive unter Reibbedingun- gen in reaktive BruchstuÃcke bezeichnet, die darauffolgend mit der MetalloberflaÃche reagieren. Alternativ diskutiert wird die vorlaÃufige Bildung einer chemisorbierten zinkarmen Dithio- phosphat-Schicht, die aus intakten MolekuÃlen besteht, die sich dann unter Belastung zu anorganischen, amorphen Polyphos- phatgruppen zersetzen [5]. Die ReaktivitaÃt der Dithiophos- Abb. 2. Einteilung der Schmier- stoff-Additive nach ihrer Funkti- on (Auswahl) Abb. 3. Anschauliche Darstel- lung einer Reaktionsschicht von Zink-dialkyldithiophos- phaten auf StahloberflaÃchen Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 31, 872±877 (2000) Schmierstoffadditive 873 phate haÃngt von der LaÃnge und von dem Verzweigungsgrad der Alkylsubstituenten R sowie von der Wahl des Metall- Ions ab. Auch der thermisch induzierte Zerfall der Additive im Oà l ohne Reibeinwirkung [4] oder der Abbau unter Hydro- lysebedingungen [6] ist betrachtet worden. Um Beweise fuÃr die Existenz hoÃhermolekularer Aggregate im Schmierstoff zu erhalten, die moÃglicherweise eine Precursor-Funktion aus- uÃben und als Additiv-Reservoir dienen koÃnnen, ist auch die Strukturchemie der Zinkdithiophosphate untersucht worden [7, 8ab]. So fand man neben den in unpolaren LoÃsungsmitteln uÃblicherweise dimer vorliegenden Struktureinheiten (s. Abb. 2) auch stabfoÃrmige Tetramere, Hexamere und Hin- weise auf groÃûere Oligomere. Uà ber die FestkoÃrperstruktur ei- nes Tetramers ist mehrfach berichtet worden [7, 9]. 4 Organische EP/AW-Additive und Korrosionsinhibitoren Wichtige metallfreie, auch als aschefreie bezeichnete Additive stellen organische Verbindungen auf Phosphor- oder Schwefelbasis dar. Klassische Verbindungen vom Diben- zyldisulfidtyp kommen heute nur noch vereinzelt in Schmier- stoffen zum Einsatz [1c]. Wichtiger sind vielmehr geschwe- felte Olefine, Terpene, FettsaÃureester, (Dithio-)PhosphorsaÃu- reester, Aminphosphate und zunehmend auch heterocyclische schwefel- und stickstoffhaltige Substanzen. Wie gerade die organischen ZusaÃtze auf molekularer Ebene als schuÃtzende Additive funktionieren, ist weitgehend unge- klaÃrt. In den hier beschriebenen Forschungsvorhaben haben wir daher die OberflaÃchen- und Kolloidchemie sowie die Koordinationschemie dieser Verbindungen untersucht. Im Falle der substituierten 1,3,4-Thiadiazole (Abb. 4) ist bei- spielsweise noch nicht geklaÃrt, welcher Mechanismus der Bildung von Reaktionsschichten ± gewoÃhnlich sulfidischer Natur ± auf NormstahloberflaÃchen zugrunde liegt. Obwohl die erste systematische Untersuchung von Thia- diazol-Derivaten in der Funktion als potenzielle Schmier- stoff-Additive aus dem Jahre 1957 stammt [10], und einige Thiadiazol-Derivate wie etwa Thioether, Amine, Ester, Thio- acetale oder Polysulfide seit laÃngerem Anwendung finden, gibt es nur vage Vorstellungen uÃber den genauen Mechanis- mus der molekularen Wechselwirkungen. Moderne oberflaÃ- chenanalytische Untersuchungen an definierten Systemen lie- gen bislang nur in kleiner Zahl vor. Das mag daran liegen, daû die Korrosionsinhibitoren und Anti-Verschleiû-Additive all- gemein in sehr geringen Konzentrationen und oftmals in un- genuÃgender chemischer Reinheit vorliegen, und daû die Reib- prozesse sehr komplex sind [11]. Dies gilt zum Beispiel auch fuÃr Korrosionsinhibitoren auf Imidazolin-Basis, N-heterocy- clischen organischen Verbindungen, uÃber deren Wechselwir- kungen mit EisenoberflaÃchen es theoretische atomistische Studien gibt [11, 12]. Werden in der Praxis oberflaÃchenanalytische Untersuchun- gen zu einem Schmier-System durchgefuÃhrt, so handelt es sich in der Regel um Proben, die tribometrischen Testreihen entstammen, also unter chemisch-physikalischen Gesichts- punkten sehr komplexen Umgebungsbedingungen ausgesetzt waren. FuÃr die zwei Thiadiazol-Derivate 2-Amino-5-arylami- no-1,3,4-thiadiazol [13] und 2,5-Dialkoxymethylthio-1,3,4- thiadiazol [14] (s. Abb. 4) gibt es z. B. Photoelektronen-Spek- tren der Reaktionsprodukte, die diese auf OberflaÃchen gegen- einander geriebener Stahlteile bilden. Aus diesen Daten wurde die Bildung eines stickstoffhaltigen Polymerfilms auf der OberflaÃche gefolgert, der die Gleiteigenschaften des Metalls verbessert. Die Analyse der Schwefel-Region im XP-Spek- trum weist auf Sulfid- und Sulfatspezies hin. Die molekulare Wechselwirkung anderer, einfacher schwe- felorganischer Verbindungen mit EisenoberflaÃchen im Ultra- hochvakuum (UHV) und in LoÃsung ist ebenfalls beschrieben worden, zum Beispiel fuÃr n-Dekanthiol CH3-(CH2)9-SH und n-Propylthiol CH3-CH2-CH2-SH [15a± c]. Elektronenspektro- skopie und elektrochemische Analysen wie Cyclovoltamme- trie haben gezeigt, dass eine stabile Bindung zwischen den Alkanthiolen und einer oxidbedeckten EisenoberflaÃche ausge- bildet wird. Auf chemisch reinem Eisen im UHV vermoÃgen die Alkanthiole nur bei sehr tiefen Temperatur (z. B. im Fall des n-Propanthiols im Bereich um ÿ150 8C) [15c] stabile Fe- S-Bindungen auszubilden. Unter Wasserstoffabspaltung ent- steht dabei eine Thiolatschicht. Bedingt durch die hohe che- mische ReaktivitaÃt reinen Eisens brechen die Bindungen bei hoÃheren Temperaturen auf und die Thio-Verbindung zerfaÃllt in atomaren Schwefel und einen Kohlenwasserstoffrest, der so- fort mit dem Eisen Carbide bildet. Kommen die Thiole bei Zimmertemperatur mit reinem Eisen in Kontakt, erfolgt die Zersetzung der Thiole mit nachfolgender Carbidbildung so- fort. Abb. 4. Chemische Strukturen einiger im Text erwaÃhnter Thiadia- zole 874 F. Hipler, S. Gil Girol, R. A. Fischer und Ch. WoÃll Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 31, 872±877 (2000) 5 Adsorptionsverhalten von Thiadiazolen auf Gold In dem hier beschriebenen Projekt untersuchen wir das Ver- halten von Mercapto-1,3,4-thiadiazolen sowohl in LoÃsung als auch im Ultrahochvakuum auf Gold- und Eisensubstraten als Modellsysteme fuÃr die Adsorption organischer Additive an Werkstoff-OberflaÃchen und fuÃr die Ausbildung von Reakti- onsschichten. Im Fall der GoldoberflaÃchen konnten wir ein Adsorptionsverhalten finden, das in charakteristischer Weise von dem der chemisch aÃhnlichen Thiole abweicht. WaÃhrend z. B. Alkanthiole spontan unter Wasserstoffabspaltung hoch- geordnete Alkanthiolschichten (self-assembled monolayer, SAM) ausbilden [19], zeigen die Thiadiazole eine hoÃhere Re- aktivitaÃt; schon bei Zimmertemperatur sind Zersetzungpro- dukte zu beobachten. So gelingt es nicht, Thiadiazole intakt bei Raumtemperatur aus ethanolischer LoÃsung auf Gold zu adsorbieren. Die Lage und IntensitaÃten der Signale in den Photoelektronenspektren der Proben belegen eine Reaktion an der OberflaÃche. Diese im Hinblick auf die an sich milden Reaktionsbedingungen uÃberraschenden Befunde veranlassten uns, das zugrundeliegende Reaktionsverhalten im Ultrahoch- vakuum zu untersuchen. Auf diese Weise ist es moÃglich, die Adsorptions- bzw. Reaktionsschritte kontrolliert und tempera- turabhaÃngig nachzuvollziehen. Auûerdem kann so der Ein- fluss von Verunreinigungen, die unter UmstaÃnden schon in kleinen Konzentrationen OberflaÃchenprozesse beeinflussen koÃnnen, sicher ausgeschlossen werden. Bei den von uns durchgefuÃhrten UHV-Experimenten wurde zunaÃchst bei 250 K eine Multilage des 2-Mercapto-5-methyl- 1,3,4-thiadiazols auf ein temperierbares Goldsubstrat aufge- dampft und anschlieûend mit der RoÃntgen-Photoelektronen- spektroskopie (XPS) untersucht. Im Kohlenstoffspektrum (C 1s) sind zwei Linien unterschiedlicher IntensitaÃt zu erken- nen. Das niederenergetische Signal bei 287 eV ist der termi- nalen Methylgruppe zuzuordnen, wohingegen die intensivere Struktur bei 298,5 eV zwei Komponenten enthaÃlt, die den un- terschiedlich substituierten Kohlenstoffatomen des Rings zu- zuordnen ist. Die in Abb. 5 dargestellte Gauss-Anpassung er- gab Bindungsenergien von 289,7 eV und 288,9 eV fuÃr den mit der Thiolgruppe und Methylgruppe substituierten Kohlen- stoff. Das Schwefelspektrum (S 2p) mit Signalen bei 167,1 eV und 164,8 eV laÃsst auf zwei unterschiedliche Schwefelspe- zies schlieûen (Abb. 6). Hierbei ist zu beachten, daû es sich jeweils um ein Dublett aus 2 p1/2- und 2 p3/2-Signalen han- delt. Die hoÃhere Bindungsenergie ist dem Schwefelatom im Ring zuzuordnen, die niedrigere Bindungsenergie der Thi- ol-Gruppe. Die Stickstoff-Region enthaÃlt eine symmetrische Linie bei 403,3 eV, die den beiden chemisch aÃquivalenten Stickstoffatomen zuzuordnen ist. Die durch ihre unterschiedliche chemische Verschiebung differenzierbaren atomaren Spezies lassen sich den entspre- chenden funktionellen Gruppen im MolekuÃl zuordnen. Die Daten belegen somit, daû 2-Mercapto-5-methyl-1,3,4-thia- diazol unter UHV-Bedingungen bei 250 K unzersetzt als Mul- tilage auf eine Gold-OberflaÃche aufgebracht (kondensiert) werden kann. Um zur eigentlich interessierenden Monolage des Thiadia- zols zu gelangen, wurde die Probe schrittweise aufgeheizt. Zwischen 270 K und 280 K kommt es zu einer sichtbaren Ver- aÃnderung der Spektren. ZunaÃchst ist allgemein eine Verringe- rung der IntensitaÃten der einzelnen Linien zu beobachten, was mit der Desorption der Multilage zu erklaÃren ist, jedoch kommt es zusaÃtzlich zu einer Aà nderung der IntensitaÃtsverhaÃlt- nisse fuÃr die einzelnen Komponenten. Im C 1s-Spektrum, Abb. 6, nimmt die IntensitaÃt der Linien bei 289,5 eV wesent- lich staÃrker ab, als die des Signals bei 287,5 eV. Dies spricht fuÃr einen verstaÃrkten Verlust des Ring-Kohlenstoffanteils bzw. fuÃr einen Verlust der AromatizitaÃt. Hieraus ergibt sich der Hin- weis auf ein Aufbrechen des Ringes oder eine Fragmentie- rung, was beides als eine Folge der Wechselwirkung mit der GoldoberflaÃche angesehen werden kann. Auf die Bildung einer neuen OberflaÃchenverbindung deutet auch die bei 280 K bereits gut sichtbare neue C 1s-Komponente mit einer Bin- dungsenergie von 285,5 eV hin. Mit zunehmender Tempera- tur verschwindet das Signal der Ring-Kohlenstoffatome voÃl- lig, der Methyl-Anteil wird schwaÃcher und die neue Kohlen- stoffspezies nimmt weiter zu. Die FlaÃche des neuen C 1s-Si- gnals bleibt von im Bereich von 300 K bis 500 K nahezu un- veraÃndert und belegt die Bildung einer in diesem Temperatur- bereich stabilen OberflaÃchenspezies. Das Verhalten des Schwefel-Signals bei der TemperaturerhoÃhung ist aÃhnlich (Abb. 6). Das thiophenanaloge Schwefelatom des Rings ist fast nicht mehr nachzuweisen, was wiederum das Aufbre- chen des Ringes belegt. Die Thiol-Komponente verliert erst uÃber 300 K deutlich an IntensitaÃt. Auch hier entsteht eine neue Schwefelspezies auf der OberflaÃche, was sich durch ein zusaÃtzliches Signal bei 162,5 eV bemerkbar macht. Im N 1s-Spektrum laÃsst sich ebenfalls das Verschwinden der ur- spruÃnglichen Linie und das Entstehen einer neuen Spezies beobachten. Abb. 7 veranschaulicht die hier gemachten Beobachtungen zum Verhalten des 2-Mercapto-5-methyl-1,3,4-thiadiazols auf der GoldoberflaÃche. Bei Temperaturen unterhalb von 270 K Abb. 5. RoÃntgen-Photoelektronenspektrum der Kohlenstoffregion von 2-Mercapto-5-methyl-1,3,4-thiadiazol auf Gold bei 250 K. Dargestellt sind Messdaten und Gauss-Anpassung Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 31, 872±877 (2000) Schmierstoffadditive 875 laÃsst sich nach den bisherigen Untersuchungen eine Multilage der Substanz unzersetzt auf die GoldoberflaÃche aufdampfen. Die TemperaturerhoÃhung bis 280 K fuÃhrt zu einer weitgehen- den Desorption der Multilage, die eine chemisorbierte Mono- lage hinterlaÃsst, auf der vermutlich noch einzelne intakte Thiadiazol-MolekuÃle physisorbiert sind. Durch weitere Tem- peraturerhoÃhung entsteht eine neue OberflaÃchenspezies durch Fragmentierung des ThiadiazolmolekuÃls, wie die neue spek- trale Komponente im XP-Spektrum und der Verlust der Aro- matizitaÃt belegen. Es kommt demnach bereits ab 280 K zu Zerfallsreaktionen des adsorbierten Thiadiazols an der Gold- oberflaÃche und es bildet sich eine Reaktionsschicht aus. Betrachtet man die Schwefelsignale genauer, so faÃllt aller- dings auf, daû es bei 300 K noch immer eine Thiolatspezies geben muss, da diese Komponente in ihrer IntensitaÃt annaÃ- hernd unveraÃndert bleibt, waÃhrend die uÃbrigen Anteile des Kohlenstoffs und Stickstoffs deutlich an IntensitaÃt verloren haben. UnabhaÃngig vom organischen Rest der Thiolatgruppe ist hier ein Verhalten zu beobachten, das bereits von einfachen Alkanthiolen, etwa Heptanthiol auf Kupfer [16], bekannt ist. In diesem Fall erfolgt eine Abspaltung des Thiol-Wasserstoff- fatoms mit nachfolgender Ausbildung einer Thiolatbindung zum Substrat. Zwischen 350 K und 400 K wurde daruÃber- hinaus die Bildung von elementarem Schwefel beobachtet. Auch die hier auf dem Goldsubstrat gefundene Thiolatspe- zies veraÃndert sich in analoger Weise oberhalb von 300 K, bei 400 K ist kein Thiolat mehr vorhanden. Es wird daher in Analogie auch in diesem Falle auf die Bildung von elemen- tarem Schwefel geschlossen. FuÃr eine genaue Charakterisie- rung der entstandenen Fragmente sind weitere Untersuchun- gen erforderlich. Eine GegenuÃberstellung der UHV-Experimente mit den eingangs erwaÃhnten Untersuchungen in LoÃsung ist fuÃr die Schwefelregion der Photoelektronen-Spektren in Abb. 6 ge- zeigt. Der oberste Spektrenausschnitt entstammt einer Probe aus den LoÃsungsexperimenten bei Raumtemperatur und der Spektrenvergleich erbringt, daû deren Peaklagen mit denen der UHV-Daten bei hoÃheren Temperaturen korrespondieren. Die chemischen VerhaÃltnisse an der OberflaÃche sind also gleich. Die Ergebnisse aus den Experimenten in ethanoli- scher LoÃsung koÃnnen daher kontrolliert unter UHV-Bedingun- gen nachvollzogen werden. Die detaillierte Untersuchung der Reaktionsschritte ist nun moÃglich. Die in Abb. 7 aufgefuÃhrten Verbindungen wie CS2 stellen moÃgliche Reaktionsprodukte Abb. 6. Verhalten der XP- Spektren bei TemperaturerhoÃ- hung von 250 K auf 500 K. Kohlenstoffregion links, Schwefelregion rechts Abb. 7. Schematisches Pha- sendiagramm zum Adsorpti- onsverhalten von 2-Mercapto- 5-methyl-1,3,4-thiadiazol auf Gold 876 F. Hipler, S. Gil Girol, R. A. Fischer und Ch. WoÃll Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 31, 872±877 (2000) dar, die massenspektrometrisch bei dem Zerfall verschiedener Thiadiazole nachgewiesen und bereits in anderem Zusam- menhang [17] diskutiert worden sind. Festzuhalten ist die hohe chemische ReaktivitaÃt der Thiadiazole, auch auf dem hier verwendeten, sehr inerten Goldsubstrat. Umso plausibler erscheint unter diesem Aspekt die Verwendung als Additiv zur Erzeugung von Reaktionsschichten. 6 Zusammenfassung Anhand eines Modellsystems wurde gezeigt, wie die mo- derne OberflaÃchenanalytik zu einem besseren VerstaÃndnis der Bildung von Reaktionsschichten beim Kontakt von Schmierstoff-Additiven mit MetalloberflaÃchen beitragen kann. Da die detaillierte Analyse eines komplexen realen Tri- bosystems durch Anwesenheit mehrerer Additiv-Typen und der MoÃglichkeit von Additiv-Substrat- aber auch Additiv-Ad- ditiv-Wechselwirkungen erschwert wird, lohnen sich Untersu- chungen an begrenzten und wohldefinierten Modellsystemen. Nur dadurch, daû wir gezielt Umgebungs- und Reaktionsbe- dingungen einstellen koÃnnen, wird eine Analyse der Ausbil- dung von Reaktionsschichten uÃberhaupt moÃglich. Die hier eingesetzte Photoelektronen-Spektroskopie stellt ein wichtiges Instrument zur qualitativen und quantitativen Analyse von OberflaÃchenschichten dar und liefert in Kombi- nation mit anderen Methoden detaillierte Informationen uÃber Topographie und Zusammensetzung von Reaktionsschichten. Derartige Informationen sind fuÃr eine systematische Optimie- rung und Entwicklung von Schmierstoff-Additiven essentiell. 7 Literatur 1. a) Klamann, D., Lubricants and Related Products, Verlag Che- mie, Weinheim 1984. b) Meyer, K., Kloû, H., Reibung und Ver- schleiû geschmierter Reibsysteme, expert-Verlag, Ehningen bei BoÃblingen 1993. c) Bartz, W. J. (Hg.), Additive fuÃr Schmierstof- fe, expert-Verlag, Renningen-Malmsheim 1994. d) Persson, B. N. J., Sliding Friction, Springer-Verlag, Berlin 1998. 2. Willermet, P. A., Dailey, D. P., Carter III, R. O., Schmitz, P. J., Zhu, W., Tribology International 28 (1995) 177 ± 187. 3. McFadden, C., Soto, C., Spencer, N. 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[email protected] Eingangsdatum: 7.6.00 [T 292] Mat.-wiss. u. Werkstofftech. 31, 872±877 (2000) Schmierstoffadditive 877