Beiträge zur Kenntniss der pharmakologischen Gruppe des Digitalins

April 28, 2018 | Author: Anonymous | Category: Documents
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VII. l rbe i ten aus dem Laboratorium fiir experimentel le Pharmakologie zu Strassburg. 42. Be i t r~ge zur Kenntn iss der pharmako log isehen Gruppe des Dig i ta l ins . Yon O. Schmiedeberg. 1. Ueber die wirksamen Bestandtheile des Oleanders. Besonders durch die Untersuchungen yon Pe l i kan (42) ist es bekannt, dass der Oleander (Nerium Oleander L.) ein naeh Art des Digitalins wirkendes ,Herzgift" enthiilt, welches yon den verschie- denen Autoren, die sieh mit der Ermittelung seiner Eigenschaften befasst haben, wie Landerer (25), La tour (33), Laeornsk i (36), Lukomsk i (39), Pe l i kan (42), G i ra rd (43), Bete l l i (44), im Allgemeinen tibereinstimmend als gelber harzartiger K(irper bezeich- net wird, wiihrend die Angaben tiber seine ehemisehe l~atur sehr weit auseinander gehen. FUr die naehstehenden Untersuchungen, deren Bedeutung unter anderen in dem Nachweis der chemischen Beziehungen zwisehen den wirksamen Bestandtheilen des Oleanders und denen des rothen Finger- huts zu suchen ist, dienten haupts~iehlieh Oleanderblatter, welche, mein inzwisehen verstorbener Freund, Prof. Dr. G u s tav Wilmanns, mir in gr~isserer Menge yon seiner Reise naeh Tunis mitgebracht hatte. Dieselben waren, zu Ballen verpaekt~ in ganz frisehem Zu- stande, kaum etwas welk, hier angekommen und warden dann erst vorsichtig getroeknet. Trotz dieses Materials konnten die giftigen Bestandtheile nur isolirt und auf ihre Eigensehaften, nieht auch auf ihre elementare Zusammensetzung untersueht werden. Blos zur Feststellung einer sicheren empirischen Formel w~iren Quantit~iten erforderlieh, welche sieh nur bei fabrikmlissigem Betriebe gewinnen liessen. Die Oleanderbliitter enthalten zwei chemiseh versehiedenartige A r c h iv f. exporimontelle Pathologie u. Pharmakologie. XVI. Bd. 11 150 VII. SCHNIIEDEBERG stickstofffreie Substanzen, die abet in gleieher Weise die bekannte Herzwirkung hervorbringen. Die eine davon seheint mit dem in der Digitalis purpurea vorkommenden Digitale'1n 1) identiseh zu sein. Da indesscn diese Identitat noch nicht mit der erforderliehen Sicherheit festgestellt ist, so kann dieser K(irper vorlafffig Ner i in heissen. Die andere wirksame Substanz~ die bis auf die basisehen Eigen- sehaften im Wesentlichen mit dem Oleandrin yon Lukomsk i (39) und B ete l l i (44) Ubereinstimmti bildet eine amorphe in Wasser sehr wenig, leieht in Alkohol~ Aether und Chloroform liJsliche Masse, welcher der Name O leandr in belassen werden kann. In ganz frisehen, im Frtihling yon hiesigen Giirtnern bezogenen Oleanderbl~ttern konnten nut ~iese beiden Bestandtheile nachge- wiesen werden. Dagegen enthielten die afrikanischen BlOtter ausser- dem in ziemlich reiehlieher Menge andere Produete, welche aus dem Neriin oder Oleandrin durch Zersetzung entstanden sein dUrften. Das eine derselben zeigt in Bezug auf seine Eigenschaften eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Diffitalin 2), ist indessen fast unwirk- sam. Es k(innte Ner iant in (Nerianthin) genannt werden~ d a es beim Behandeln mit Schwefels~iure und Brom ganz besonders leicht die schiine Fiirbung gibt~ welche der rothen BlUthe des Oleanders eigenthUmlieh ist. Ausserdem enthalten die Oleanderbl~ttter die dem Digitaliresin 8) entsprechenden Derivate des Neriins und Oleandrins. Das Verfahren bei der DarsteUung der genannten Stoffe war folgeudes. Aus den getrockneten and gepulverten Bl~ttern wurde mit Alkohol yon 50 pCt. ein Auszug bereitet und dieser mit Blei- essig and Ammoniak versetzt. Der anfangs entstehende Niederschlag hat eine citrongelbe Farbe und besteht aus der Bleiverbindung einer zur Kategorie der Gerbs~iuren gehiirenden Substanz, die nicht naher untersueht wurde. Die weitere Fallung liefert einen rein weissen Niederschlag 7 der aus einerBleiverbindung des Neriins besteht. Letz- teres wird indessen in dieser Weise nieht vollstandig aus der FlUssig- kei t niedergeschlagen; ein Theil bleibt vermuthlich in Form einer Bleiverbindung in Liisung. Aus dem gelbliehen Filtrat, welches nicht entbleit wurde~ schied sich beim Eindampfen in dem Maasse, als der Alkohol verdun- stet% das Neriantin in Form belier, leiehter Flocken aus, die man dureh Abfiltrh'en yon der Fltissigkeit trennt, bevor aller Alkohol 1) Unters. fiber die pharmak, wirksamen Bestandtheile der Digitalis purpurea. Dieses Archiw Bd. III. S. 33. 1874. 2) Vgl. dieses Archiv. Bd. III. S. 27. 1874. 3) Ibid. S. 33. Digitalin. 15 l verdunstet ist, and bovor sich andero dankel gefltrbte Substanzen ausgesehieden haben, die das Neriantin verunreinigen und sp~tter sehwer zu entfernen sind. Naehdem durch weiteres Eindampfen aller Alkohol verjagt ist~ soheidet sich noben neuen Mengen yon Neriantin das Oleandrin als harzartige Masse aus. - - Die filtrirte Fltissigkeit entht~lt jetzt noeh bedeutende Mengon yon Oleandfin und Neriin, sowio die erw~thnten Zersetzungsproducte der letzteren. 1. 19as ~Veriin oder Oleander-Digitale~,'n. Die Ausfalluag des Neriins kann entweder dutch Bleiessig bei Gegenwart yon Ammoniak odor dutch Gerbs~ture erfolgen. Es wird bei Gegenwart yon viol freier Minerals~ure auch durch versehiedene der sogenannten Alkaloidreagentien gef~tllt, besonders dutch Kalium- wismuthjodidlSsung. Dieses Verhalten stickstofffreier Glykoside hat Mar m 6 zuerst zur Isolirung des Hellebore'ins benutzt, t) Aas der fast harzartigen Gerbsaureverbindung macht man das Neriin am zweckmiissigsten dutch Zinkoxyd frei, indem man sie vorher in Alkohol lt~st und dann mit Zinkoxyd auf dem Wasserbade eintrocknet. Das freigewordene lqeriin extrahirt man mit absolutem Alkohol and fallt es aus dem letzteren dutch Zusatz yon viol Aether aus. Die weitere Reinigung dieses rohen Neriins geschieht, wie frtiher beim Digitalin angegeben2), dureh fractionirte Fallungen der alko- holischen Ltisungen mit wasserfreiem Aether. Zur Fallung des Neriins mittelst eines der Alkaloidreagentien kann man am vortheilhaftesten eine Liisung yon Kaliumwismuthjodid verwenden. Um einen Niederschlag zu erhalten~ muss man der Fltis- sigkeit sehr viol Siiuro - - am boston Sehwefelsiiure - - zusetzen. Den Niederschlag, der sich rasch zusammenballt~ wascht man auf dem Filter odor durch Deeanfiren gut mit verdtinnter Sehwefels~iure aus und zerlegt ihn in der gewiihnliehen Weiso mit Barythydrat. Die yore Ueberschuss des letzteren durch Kohlensaure befi'eite Lti- sang enthiilt neben dem lqeriin noch Jodbaryum. Dieses entfernt man durch schwefelsaures Silber, versetzt das Filtrat mit Barythy- drat~ um das Ubersehtissigo Silber zu fallen, und loiter dureh die wiederum filtrirte Fltissigkeit zuerst Kohlensliure und dann einige Blasen Sehwefelwasserstoff, um den Baryt and die letzten Spuren yon Silber zu beseitigen. 1) Ztschr. f. rat. Med. 3. R. Bd. 26. ~. 1. 1866. 2) Dieses Archly. Bd. III. S. 33. 1874. 11" 152 vii. 8C~m~)EB~aQ Die farblose oder sehwach gelblich gef~h'bte Fllissigkeit enth~lt ausser dem Neriin aueh anschnliehe Mengen yon Oleandrin, welches sich beim Eindampfen der L~sung im Vacuum tiber Schwefelsiiure allmiihlieh in Form ether glashellen, harzartigen Masse ziemlich voll- st~ndig abscheidct und dureh Filtriren yon der Fltissigkeit getrennt werden kann. Das Neriin wird dann wetter in der angegebenen Weise dutch fractionirte F~llung gereinifft. Dieses Verfahren, welches bet den einheimischen Oleanderblat- tern Anwendung land, lieferte ganz i~rblose Priiparate. Das miiglichst gereinigte Neriin besitzt alle Eiffenschaften des Digitalinsl Es hat nach dem Trocknen eine schwaeh gelbliche Farbe, ]iSst sich in allen Verhiiltnissen viillig k]ar in Wasser und Alkohol, ist dagegen unliislich in Chloroform, Aether und Benzin, ertheilt beim Kochen mit concentrirter Salzsiiure der Fltissigkeit eine gelbe, bet Anwendung wenige r reiner Praparate eine gelbgrtine F~rbung und ffibt mit eoncentrirter Schwefels~ure und Bromkalium die be- kannte rothe Farbenreaction. Auch das Verhalten zu Fallungsmitteln ist das gleiche wie beim Digitale'in, da das letztere ebenfalls dutch Gerbsaure,i durch Blei- essig bet Gegenwart von Ammoniak und dureh versehiedene Alka- loidreagentien niedergesehlagen wird. Geringe Diffcrenzen in der iiusseren Beschaffenheit und in dem Verhalten beider Substanzen gegen eoncentrirte Salzsiiure, sowie gegen concentrirte Sehwet~lsiiure und Brom sehwinden mit zunehmender Reinheit . - Naeh dem voll- st~indigen Anstroeknen tiber Schwefelsiiure bildet es im t~iseh be- reiteten Zustande eine leieht zerreibliehe Masse; naeh liingerem Auf- bewahren im wohl versehlossenen Glase verliert es diese Eigensehaft, wird gummiartig z~the und ltist sieh im Wasser nieht mehr klar auf. Das v(lllig gleiehe Verhalten zeigt aueh das Digitale~n. Beim vorsiehtiffen Kochen mit sehr verdUnnten Mineralsiiuren spaltet sich das lqeriin ohne merkliehe Farbenveriinderung in Gly- kose, die dureh die Reduction von Kupferoxyd in alkaliseher Liisung sieh kund gibt, und einen harzartigen KiJrpe5 der mit dem Digitali- resin, dem entsprechenden Spaltunffsproduet des Digitale'ins sowohl in seincn ~usseren Merkmalen und Reaetionen, als aueh in Bezug auf die Wirkungen, die es an Frtisehen hervorruft, viillig tiberein- stimmt. Obgleieh die Identit~it des Neriins mit dem Digitale'fn wegen der mangelnden analytisehen Daten~ ftir deren Gewinnung das niithige Material fchlte, nieht mit Gewissheit ausgesproehen werden darf, so Digitalin. 15 3 ergibt sich doch aus den mitgetheilten Thatsaehen mit v~lliger Sicher- belt, dass beide Substanzen wenigstens in sehr naher Beziehung zu einander stehen. 2. Das Oleandrin. Man erh~lt diesen K~rper, wie angegeben, beim Eindamptbn der Oleanderextraete, sowie als Nehenproduet bei der F~llung des Neriins durch Alkaloidreagentien, entweder farblos oder mehr oder weniger gelblich~ ja selbst br~iunlich gef~irbt. Es h~ngt das voa der grSsseren oder gcringeren Reinheit und Farblosigkeit der ur- sprtlngliehen LSsungen ab. Zum Zweck ~er Reinigung behandelt man das Oleandrin mit grossen Mengen yon Wasser, welches etwas yon tier Substanz 16st (2--3 p. M.) und entzieht die letztere der filtrirten, meist t~trblosen w~issrigen LSsung dutch Ausschtitteln mit Chloroform. Nach dem Verdunsten der filtrirten ChloroformlSsung hinterbleibt das Oleandrin als farblose, nur in sehr dieken Sehiehten noch wahr- nehmbar gelblieh gef~rbtc, glashelle, in Chloroform und Alkohol sehr leieht, "sehwerer in Aether und Benzin l~sliche Nasse, die bei BerUhrung mit Wasser allm~hlieh undurehsichtig wird, eine brSck- lige Beschaffenheit annimmt und dann nach dem Trockenen eine loekere, weisse oder schwach gelblich gcf~irbte, leicht pulverisirbare Substanz 5ildet. Bei sehr langsamem Verdunsten der w~issrig-alkoholisehen LS- sungen scheidet sieh das Oleandrin theilweise in Form dUnner, ganz unregelm~issig contourirter Tafeln aus, die keine Doppelbrechung zeigen, aueh sonst unter dem Nikroskop keine Krystallstructur er- kennen lassen. Nach l~ngerem Aufbewahren nimmt dis t~rblose Substanz eine ei~roncngelbe F~rlmng an~ dis sigh durch Bohandeln der verdtinnten alkoholischen LSsung mit Kohle nur zum Theil beseitigen l~isst. Ausscr in den genannten Fl~ssigkeiten ist das Oleandriu auch in m~ssig concentrirtcr Essigs~iure l~slich. Von concentrirter Schwe~bl- s~ure wird es mit brauner Farbe gelSst, die auf Zusatz yon Brom- kalium in tin ziemlich lebhat~es Roth tihergeht. Beim Koehen mit sehr verdtinnten S~uren entsteht eine Substanz, dis Kupferoxyd in alkalischer LSsung reducirt, also wahrscheinlich Glykose ist und ein gelber, harzartiger, in Wasser sehr wenig, leieht in Alkohol, Chloroform und Aether l~slicher KSrper, der wie das Digitaliresin dis Bromsehwefels~iure-Reaction gibt und wie dieses und das Toxiresin an FrSsehen Convulsionen und darauf Muskell~ihmunff hervorbringt. 154 VII. ~CH~IIEDI~BERG Man daft das Koehen des Oleandrins mit der verdtlnnten Saure nicht zu frtih unterbreehen~ weil sonst ein Theil desselbea unver- andert bieibt und yon dem harzartigen Spaltungsproduet sieh nicht trennen l~isst. In solchen FKllen erhi~lt man an Friisehen neben den Wirkungen des Digitaliresins (Oleandresins) aueh die des Oleandrins. Beim st~irkeren Kochen des letzteren mit eoneentrirteren Mineral- si~uren bildet sieh dagegen~ wiederum ganz wie beim Digitalin~ eine gelbe oder gelbbraune, unwirksame~ harzartige Substanz~ die eben- fails die Bromschwefelsi~arereaetion gibt. Aueh beim li~ngeren Aufbewahren erleidet das Oleandrin~ neben der erwahnten Farbenveranderung~ eine Zersetzung. Es entsteht dabei Oleandresin und~ wie es seheint~ aueh Neriant~n. Doeh konnten die Beziehungen des letzteren zu der Muttersubstanz nieht ermittelt werden. Das Oleandrin besitzt alle ftlr die Gruppe der Digitalingifte charakteristisehen Wirkungen. Zur Hervorbringung des systolisehen Stillstandes am Frosehherzen sind durehsehnittlieh Gaben von 0~25 rag. erforderlich. 3. Das Neriantin. Das naeh dem oben angegebenen Verfahren erhaltene robe Neri- antin wird am zweekmassigsten in der folgenden Weise gereinigt. Man l~st es in wenig warmem wasserhaltigen Alkohol~ ve'rsetzt diese L(isung mit so viel Aether, dass eine kleine Sehieht yon wassriger Fltissigkeit am Boden des Glases abgesehieden wird~ und trennt yon dieser die alkoholiseh-atherisehe L(isung dureh Abgiessen. Versetzt man die letztere mit gri/sseren Mengen yon Aether und einer m~s- sigen QuantitKt Wasser~ so dass sieh wieder eine Sehieht wassriger FlUssigkeit am Boden des Glases bildet~ so seheidet sieh in der letz- teren naeh einigem Stehen das l~eriantin in Form einer meist v(illig weissen, fioekigen Masse ab~ die man naeh dem Abgiessen des Aethers auf einem Filter sammelt. Der abgegossene Aether liefert beim Sehlitteln mit Wasser meist weitere Mengen yon I~eriantin. Das letztere bildet naeh dem Troeknen fiber SehwefelsKure eine harte~ naeh Farbe und Besehaffenheit dem k~ufiiehen Gummi arabi- cam ~hnliehe Masse. Liist man diese in heissem absolutem Alkohol und eoneentrirt die L(isung sehr stark auf dem Wasserbade, so nimmt sie eine braunliehe FRrbung an and naeh l~ingerem Stehen unter Aussehluss der Verdunstung seheidet sieh das Neriantin am Boden des GIases in Form steeknadelkopfgrosser) halbrunder br~unlicher K(irner (Spharokrystalle) aus. Digitalin. 155 L~sst man die alkoholisehe L(Isung, ohne sie stark zu eoneen- triren~ in einem Glaskolben~ dessen Oeffnung blos mit Papier b'edeekt ist~ langere Zeit stehen~ so bildet sieh an den WKnden und am Boden des Glases allmKhlieh eine weisse Sehieht yon Neriantin, die unter dem Mikroskop aus rundliehen~ dieht aneinander liegenden Seheib- chert zilsammengesetzt erseheint. Auf diese Weise erhalt man die Substanz am siehersten vSllig rein. Sie bildet in diesem Falle naeh dem Troeknen eine kreideweiss% brlleklige Masse. Aus der L(Isung in wassrigem Alkohol scheidet sieh das Neff- antin naeh einiger Zeit in Form einer weissen~ Jgallertartigen Sub- stanz aus~ die unter dem Mikroskop aus ~iusserst feinen~ aber sehr langen, filzartig verflochtenen Faden zusammengesetzt erseheint. Bei reiehlieherem Wassergehalt der heiss concentrirten L(isung erstarrt die ganze Masse oft sehr rasch gallertartiff~ so dass eine Trennung des ausgesehiedeuen Bleriantins yon der Fliissigkeit nicht m~iglieh ist. Durch dieses Vcrhalten unterscheidet sich das Neriantin in seinen Eigenschaften sehr wesentlich yon dem Digitalin, welches unter i~hn- lichen Vcrh~ltnissen in Form mehr oder weniger grosser K~rnchen auftritt, wiihrend es bei sehrlangsamer, monatelanger Yerdunstung in schr dUnnen, rhombischen Tafeln krystallisirt, denen stets die Kiirnchcn beig'emengt sind. Deutliche krystallinische Struetur zeigt das Neriantin bei dieser Art der Gewinnung nieht. Es ist aber in geringer Menge in ~ither- haltigem Wasser l(islieh und scheidet sich aus dieser LiJsung beim allmahlichen Verdunsten des Aethers in langen, feinen, weichen Kry- stallnadeln aus. Doch lassen sieh in dieser Weise grSssere Mengen krystallisirten Neriantins nicht gewinnen. In Bezug auf die Liisliehkeit in Alkohol, Wasser~ Aether~ Chlo- roform und verdtinnten Si~uren verhiilt sich das Neriantin~ soweit sieh das ohne quantitative Bestimmung besehreiben li~sst~ wie das Digitalin. Es ist stickstofffrei und ffibt beim Erw~irmen mit concen- trirter Salzsaure eine grtlnlieh-gelbe Fi~rbung~ beim Behandeln mit coneentrirter Sehwefelsi~ure und Bromkalium jene seh(ine rothe Far. benreaetion~ die dem Digitalin eigenthtimlieh ist. Es kann in dieser Beziehung auf das ehemiseh reine Digitalin verwiesen werden. Dagegen uuterseheidet sieh das Neriantin vom letzteren ausser dutch die oben angegebenen Eigenschaften aueh dutch seine Spal- tungsproducte. Koeht man eine Liisung desselben in w~ssrigem A1- koh@ welehe auf 20 cem. 2--3 Tropfen Salzsiiure enth~tlt~ bis zum Verdunsteu des Alkohols, so seheidet sieh schon wahrend des Sie- dens ein farbloser~ pulverF6rmiger Niederschlag ab, der bei der 156 VII. SC~aMIED~aG mikroskopischen Betrachtung aus zlemlich grossen, theils mehr odor weniger unregelmRssigen, theils gut ausgebildeten vierseitigen Pyra- miden zusammengesetzt erscheint. Die nach dem Erkalten yon dem krystallinisehen :Niederschlag abfiltrirte Fltissigkeit reducirt sehr stark Kupferoxyd in alkalischer L~sung, so dass das Neriantin als Gly- kosid angesehen werden muss, welches sieh bei jener Behandlung in Zucker und den erw~ihnten krystallinisahen Kiirper spaltet, den man in Analogie mit .dem Sapogenin und Digitogenin l) Ner ian- to g e n in nennen kann. Das letztere verhalt sieh gegen concentrirte SalzsRure und gegen Schwefelsiiure und Brom, wie das unverRnderte Neriantin und ist wie dieses ohne besondere Wirkung aaf das Frosch- herz., Eine eingehendere chemische Untersuchung des Neriantogenins konnte aus Mangel an Material nicht ausgefiihrt werden, wtirde aber ftir die ehemische Kenntniss aueh der eigentlichen wirksamen Bc- standtheile der Digitalis and des Oleanders yon besonderer Wiehtig- keit sein. Die eigenartigen Reactionen mit eoncentrirter Salzsiiure and mit Schwefels~iure-Brom, welehe fast alle Oleander- nnd Digi- talisbestandtheile, die zur pharmakologischen Gruppe des Digitalins gehilren, auszeichnet und dem Neriantogenin in gr(isster Reinheit and vollster Seh(inheit zukommen, deueen darauf hin, dass wires bier vielleicht mit dem Kern zu thun haben, der durch seine Ver- bindung mit anderen Atomgruppen, namentlich mit Glykosen, die wirksamen Stoffe jener Pfianzen hervorbringt. Das Neriantin, welches noeh Glykosid ist, b~ngt keinen systoli- schen Stillstand des Froschherzens hervor; hiichstens tibtes schwache Wirkungen nach Art des Saponins und Digitonins aus. Es ist aber nicht unwahrscheinlieh, dass es aus dem sehr wirksamen Oleandrin hervorgeht. Auch das DigitaleYn und Digitalin geben Spaltungs- producte, welche die beiden Reactionen mit Salzsaure und Sehwefel- s~ure-Brom in schSnster Weise zeigen und ebenfalls unwirksam sind, aber bisher nieht krystallisirt erhalten werden konnton. Die Ursaehe \ scheint die zu sein, dass die vollstandige Spaltung dieser K~rper nur bei Einwirkung st~rkerer Sauren erfolgt, welehe zugleich, wie bei der vielfach erw~hnten Reaction mit eoncentrirter Salzsaure, eine Umwandlung dieses Kerns hervorbringen. Die Spaltungsproducte sind daher alle ziemlich gelb oder gelb-grUn gef~irbt. Aus dem Digitale'ln and dem Digitalin entsteht beim Erhitzen mit verdtinnten S~iaren zuniichst Digitaliresin und aas diesem erst 1) vgl. dieses Archiv. Bd. III. S. 24. 1874. Digitalim 157 durch anhaltendes Koehen mit eoneentrirteren Siiuren das gelb grUn gef~irbte unwirksame, amorphe Spaltungsproduct. Doch Wird es wohl miiglieh sein, durch andere Mittel aueh bier eine Spaltung ohne tiefer- greifende Zersetzung herbeizuftihren und gut eharakterisirte krystalli- sirbare Derivate zu gewinnen. Beim Aufbewahren des Digitale'/ns erleidet dieses, wie erw~thnt, allmRhlich eine Veranderung, wobei kin in Wasser unl~isl~cher, farb- loser flockiger Kih'per entsteht, weleher die entsprechenden Reae- tionen mit Salzsiiure und Schwefelsaure-Brom gibt. Es scheint sieh hier um das dem Neriantin entsprechende Spaltungsproduet zu handeln. Die Sehwieriffkeit, diese Substanzen in tier erforderliehen Menge zu beschaffen, maeht es zun~chst fast Unmiiglich, eine eingehende chemisehe Untersuchung derselben auszafiihren. Am leiehtesten liesse sich das Diffitale'fn in gr(isseren Mengen gewinnen, und zwar aus dem sogenannten deutsehen Digitalin des Handels. Doch wtirde allein das Material fur I kg. Substanz auf reichlieh 10--]2000 Mark zu stehen kommen. Zur Gewinnung yon 1 kg. Digitalin w~tren we- nigstens 5000--6000 kg. trockener Digitalisblatter erforderlieh, fiir die ebenfalls ein Kapital verausgabt werden mtisste. Pharmakologisehe Literatur des Oleanders. 1. Scrib0nius Largus, Compositiones medicamentorum, ed. Bernhold. Ar- gentorati 1786. Cap. X. Compos. LV. [Ad dentium dolorem] item commanducare proderit herbam rhododaphnen etc. 2. Pliniu s, Nat. hist. rec. Detlefsen. Beroliai iSliS, lib.XVI. 79. u. XXIV. 90. Rim- dodendron.., alii nerium vocarunt, alii rhododaphnen . . . . jumentis caprisque et ovibus venenum est, idem homini contra serpentium venena remedio (lib. XVI). 3. D ioscor ides , Demater. medic, libriV, liber IV. cap. LXXXII. ed. C. Spren- gel. Lipsiae 1829. t. I. p. 578. Vim habent flores et folia (nerii) in canibus, asinis mulisqffe et in plerisque quadrupedibus letiferam; homines ~ero noxis eripiunt a bestiarum venenatarum morsu orris, si e vino bibantur, eoque magis ruta addita. Imbecilliores autem animantes, ut caprae et oves, si aquam biberin~, in qua illa maduerint, moriuntur. Fast das Gleiche bei Plinius, Cap. XXIV. 4. Galenus, De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus, lib. VIII. cap. XVII. 7. ed. Ktilm. t. XII. Dieselben Angaben wie bei Plinius und Di0scorides. Ausserdem erw~hnen Apulejus, Lucianus, Palladius und Andere der giftigen Eigenschaften des Oleanders. Vgl. bes. bei Lochner(No. 10) u. Morgagni (No. 11). 5. E b n B a i t h a r (t 1248), Grosse Zusammenstellung tiber die Kr~fte der bekannten einfachen Heil- u. Nahrungsmittel. Aus d. Arab. yon J. v. Sontheimer. Stuttgart 1840. I. Bd. S. 420. Zusammenstellung der Angaben des Dioscorid~s, Galen und verschiedener arab. Aerzte fiber die Wirkung und die Anweadung des Oleanders (arab. Difla), besonders bei Hautkrankheiten (Gesehwtilsten, Geschwtiren, Kr~tze, Kopfgrind). 158 VII. SC~MIEDEB~Re 6. Pet rus de Abbano, Libeltus de venenis. Paduae 1487. Cap. 32 und 38. Cul sueeus oleandrl et ejus eornua vel ejus cortex data fuerit patietur sincopin] et tribolationes cordis et anxietaten] (Cap. 32). 7. Ardoynus (1426), Opus de venenis, lib. III. cap. XXI. Syn]pton]atologie der Oleandervergiftung: Angustia vehen]ens, rugitus, et inflan]n]atio ventris, dolor ventris, alienatio n]entis, aestuatio, et inflan]matio et ventris flaxus et syncope et n]ors. Er nennt beider Behandlnng der Oleandervergiftung yon arabischen Aerzten: Rasis, Aln]ansoris, Albucasis, Avicenna, Haliabas. 8. M a t t h io 1 u s, Comment. in lib. IV. Dioscoridis de m~t. n]ed. Lugduni 1562. lib. der Angaben des IV. cap. 74. Zusan]n]enstellung ~ Dioscorides, Pliaius, Apuleius und Galen. 9. L ibaut ius , Comment. de venenis. Macht ~uerst die Angabe, dass die Aus- diinstung der Bli]then in gesehlossenen Schlafr~un]en seh~dlieh sei und Tod be- dinge. Giftigkeit des am Oleanderspiess gebratenen Fleisches (assatura). (bTach Plenck, vgl. No. 15). 10. Michael Fr iedr . Lochner , Neriun] sire Rhododaphne veteran] et reeen- tiorum etc. I~orin]bergae 1716. Ueber den Ursprung des Nan]ens ,,Neriun]". Botanische, toxikologische und medicinische Geschichte des Oleanders, mit Stellen aus verschiedenen Schriftstell.ern. 11. Morgagni , De sedibus et causis morborun]. Lugduni Batavorum 1767. Epist. LIX. Art. 12 u. 13. LeiehenSffnung einer Frau (1745), die sieh durch den ausge- pressten Salt der BlOtter getOdtet hatte. Tod naeh 9 Stunden. Die Syn]pton]e whhrend des Lebens yon Mediavia beobaehtet. ~ Erbrechen, Sopor, kelne be- n]erkenswerthen Verandernngen der Respiration. ,,Pulsus erant parvi, debiles, subduri." Bei der Section keine Ver~nderungen der Magen- und Darn]schleim- haut nachweisbar. Morgagni nin]n]t daher eine Wirkung des Oleanders auf die Magennerven an. 52. Geoffroy, Trait~ de la mati~re m~d~cale, t. I--XVI. Paris 1743--47. Suite de la n]ati~re n]~dieale de Geoffroy, par . . . . , Dr. en mSd. t.I. sect. II. p. 169. Paris 1750. Einige Syn]pton]e. Die BlOtter in den] ,,poudre sternutatoire" der Pariser Pharn]aeop. enthalten. 13. An dreas W.~hlin, Odores medican]entorum, in Linn~'s an]oenitates acade, micae, t. lII. No. XXXYIII. p. 200. 1764. ,,Nerii floris odor intra conclave incarceratum, oeeidit saepe dormientes". 14. J. Pu ihn, Materia venenaria regni vegetabilis. Lips. 1785. Einige Syn]ptome anscheinend nach Ardoynus (vgl. No. 7}. 15. P lenck , Toxicologia, giennae 1785. p. 119. EntbgI~ nur die unter No. 9 er- wghnte Angabe des Libautius fiber die Giftigkeit des Bliithenduftes und des an einen] 01eanderspiess gebratenen Fleisches. Dabei wird auch ,,Schenkius, De venenis" citirt, gine Arzneikraft des Oleanders sei unbekannt. 16. Sehulze, Toxicologia veteran]. Halae 5788. cap. XXIV. 8. Wiedergabe der auf den Oleander beztiglichen Stellen aus Galen, Dioscorides, Pllnius. 17. Gn]el in, Allgen]. Geschiehte der Pflanzengifte. 2. Aufl. Ntirnberg 1803. S. 234. Nach Puihn (vgl. No. 14). 18. Hahnen]ann, Reine Arznein]ittellehre. Dresden 1811. 1. Theih S. 191. Der Oleander hon]Sopath, geprtift. 19. Verg i f tungsgeseh ichte nach der Erzghlung yon Ricord (aus d. a. 1812). Journ. de chin], n]6d. II. S~r. t. IX. 1. 393. 1843. Ein franz6sischer Soldat be- nutzte in der Nfthe yon Madrid einen yon seiner Rinde befreiten 01eanderzweig als Bratspiess. Von 12 Soldaten, die yon den] Fleisch assen, starben 7; die iibrigen erkrankten sehwer; unter welehen Syn]pton]en, ist nieht angegeben. 20. Chemische Unters . des Oleanders durch einen Apotheker in Nantes in] Digitalin. 15 9 Jahre 1818. Bullet. de Pharmac. t. IV. (Nach Girard, vgl. No. 43). Gerbs~ure, griines Harz. 21. Or f i l a , Trait~ des poisons. Paris 1818. t. II. p. 318. 4me ~dit. 1843. t. II. p. 436. Versuche an Hunden. Erbrechen, Durchfi~lle, allgem. Schwhche, convulsiv. Znck- ungen, narkotische Wirkung, locale Irritation. Pulszahlen nicht vermindert. Versuche von Grognier aus d. J. 1810 erw~hnt. 22. Buchner , Toxikologie. 2. Aufl. Niirnberg 1827. S. 287. NachPulhn u. Orfila. (vgl. No. 14 u. 21). 23. Wibmer , Die Wirkung der Arzneimittel u. Gifte. II I Bd. S. 323. NItinchen 1837. Einige unvollst~ndige Citate (z. B. Sennert) und Wiedergabe der Orfila'schen Thierversuche. 24. Verg i f tungsgesch ichte a. d. J. 1838. G io rna le deprogressi della Pa- tolo~a et della Terapeutica. Venezia 1838. Reper t . f. d. Pharmac. (nach d. Gaz. todd. de Paris) Bd. 65. p. 81. 1839. Ferner Ga l t ie r , Toxicol. reed. t.II. p. 373. Paris 1855. Vergiftung yon 3 Frauen, welche weingeistige Oleandertinctur statt Branntwein getrunken hatten. Magensehmerz, Erbrechen, Betimbung, blutige Darmentleerungen. Kleiner aussetzender, ungleicher Puls. Genesung. 25. Landerer , Repert. f. d. Pharmac. Bd. 71. S. 217. 1840. Ueber das schaff und bitter schmeckende Gummiharz des Iqerium Oleander, welches L. in Griecheuland im Rinusal des Kephissos und Ilissos gesammelt hatte. 26. Ju l ien Larue du Bar ry , Journ. de Chim. todd. II. S6r. t. IX. p. 535. 1843. Vergiftung you 5 Soldateu dutch eiueu Gersteabrei, welcher w~hrend des Ko- chens mit einera Oleanderzweige umgertihrt worden war. Erbrechen, ausser bei einem, Schwindel, Magenschmerzen (bei einem), Stumpfsinn und Unem- pfindlichkeit gegen i~ussere Eindrficke. 27. Larue du Bar ry , Joura. deChim, todd. ILSdr. t .X .p . 37. 1844. Von den Arabera gegen Kr~ttze angewendet (vgl. No. 5). Die Unseh~dlichkei$ der Bliithen ~a geschlossenen R~umen durch Selbst~ersuche erwiesen (vergl. 1~o. 9, iS und 15). 28. J o urn. d e C h ira. m 5 d. II. Sdr. t. IX. p. 629. 1843. Asphyxie par les dmanations du !~rion, Laurier-Rose. Naeh einer Zeitungsnaehricht. 29. Journ. de Chim. m~d. II. S~r. t. IX. p. 393. 1843. TSdtliche Verg i f tung e ines K in d e s dureh Kauen yon Oleanderbltithen. 30. Land er er, Buchner's Repert. fiir die Pharmac. Bd. 96. S. 9l. 1847. Oleander- blfitheusaft in Griechenland zu Einreibungen bei rheumatischen Schmerzen ge- braucht. 31. Lang lo i s , Gaz. des H6p. No. 103. 1850. Orfila, Toxikologie. Deutschv. Krupp. Braunschweig 1853. II. Bd. S. 469. Selbstvergiftung eines Gefangenen mit einem Absud yon Oleanderblhttern. Sectionsbericht: Im Oesophagus, Magen u. Duo- denum Ekchymosen. 32. Ga l t ie r , Traitd de Toxicologie m~dicale. Paris 1855. t. II. p. 370. EnthMt die sub No. 24 u. 26 erw~hnten Vergiftungsgeschichten. Ferner Beobachtungen yon Loiseleur-Deslongchamps fiber die Wirkung des Oleanderextracts an sich und an einer anderen Person. 33. La tour , Journ. de Pharmac. et de Chim. XXXII. 332. Ref. yon Chevallier in d. Journ. de Chim. mdd. IV. S~r. t. III. p. 601. 1857. Der wirksame Bestandtheil ist harzartig, mit Wasserdi~mpfen flfichtig; die Ausdfinstungen der Pflanze sind unsch~dlich. Bei Fiebern ist der Oleander nicht empfehlenswerth. 34. R~vei l , Journ. de Chim. m~d. IV. S4r, t. III. p. 249. 1857. Erkrankung yon 300 Soldaten tier franz6sischen Armee in Catalonien nach dem Genuss yon Fleisch, welches am Oleanderspiess gebraten war. Eine Anzahl der u unterlag (vergl. No. 9, 19, 26). 160 VII. SCH~mDS~Ea~ 35. L anderer , Wittstein's Vierte]jahrssehr. VII. S. 270. Canstatt's Jahresb. f. 1858. Herausgegeb. v. ~cherer, Virchow u. s .w. l . Abtb. Landerer bekam bei der De- stillation yon zerquetschten Oleanderbli~ttern einige Tropfen eines Oels, welches Brennen und Jucken bewirkte. 36. L a c o r n ski , Journ. de Chim. todd. IV. S~r. t. IV. 119. 1858. L6slichkeit des giftigen Bestandtheils in Alkohol; dureh Aether wurde aus dem Extract eine grfinlich-gelbe, giftige, Kirschgummi ~hnliche Masse erhalten, welche bei Be- rtihrung mit Wasser ,opaque" und weisslich wurde und sich ein wenig 16ste. 37. L ucas, Arch. d. Pharmac. XCVII. 147. 1859. Canstatt's Jahresb. 1859. Vorl~u- fige Mittheilung fiber einen pulverf6rmigen weissen K6rper aus dem 0le- ander. 38. Kurzak , Zeitschr. d. k. k. Gesellsch. d. Aerzte zu Wien. N. F. II. No. 40, 50 u. 5l. 1859. Geschichte; Zusammenstellung yon Vergiftungsf~llen. Versuche an V6geln, Fr6schen. Schwi~che der willktirlichen Muskeln, Abnahme der Pu ls f requenz , Kr~mpfe. Bei Fr6schen Streckkri~mpfe und d ias to l i scher Herzs t i l l s tand . 39. Lukomsk i , R~pert. de Chim. etc. de Wurtz et Bareswill. t. III. p. 77. 1861.. Im w~tssrigen Auszug des Oleanders finden sich 2 Alkaloide, Oleandrin und Pseudocurarin, welche durch Gerbshure geffallt werden. Das O leandr in ist gel~ich, harzartig, leicht 16slich in Alkohol, wenig in Wasser; das Pseudo- curarin gelblich, amorph, unl6slich in Aether. 40. Lukomsk i , Abeille m6d. 79. 1864. Wirkung des Oleandrins (vgl. No. 39) gegen Epi lepsie.- Auch yon Erlenmeyer soll eine Angabe iiber die Anwendung des Oleandrins bei Epilepsie existiren. 41. Notes ~manants du Consei l de sant~. Rec. de m6m. dem~d., deehir, et de pharmac..% S6r. t. XIII. 97. 1865. Das Conseil de sant6 bezweifelt die Mei- hung, dass die Ausdiinstungen des'Oleanders schi~diich seien und fordart die ,,ofiiciers de sant4", die dazu Gelegenheit haben, auf, die Sache z~i'unter- suchen. 42. Pe l i kan , Nouvelles recherches sur le poison du Nerium Oleander. Compt. rend. t. LXII. No. 5. p. 237. 1866. Sys to l i seher Herzs t i I l s tand bei Fr6- schen nach dem gelben Oleanderharz; nach dem spiritu6sen Extract bleibt -das Herz ausgedehnt, weil in jenem Substanzen enthalten sind, welche die eigentliche Wirkung des Herzgiftes hindern. 43. G i ra rd , Rech. ~xp~rim. sur le laurier-rose etc. Montpellier et Paris 1869. Der wirksame Bestandtheil ist eine S~ure (01eanders~ure), und diese ein Cere- brospiualgift. 44. Bete l l i , Bull. reed. di Bologna. 19. 321. 1875. Ber. d. d. chem. Ges. 8. 1197. Chem. Centralbl. 1875. 708. Ueber das Oleandrin; dasse!be, welches Lukomski (vgl. 1%. 39~ dargestellt hatte. Hellgelbe, kaum krystallin., in Wasser, Alkohol, Aether, Chloroform, Amylalkohol 16sliche Substanz, welche bei 70--75 o ein grimes Oel bildet. Das Chlorhydrat krystallinisch: In zahlreichen Schriften ~ilterer und neuerer Zeit , besonders Kr~iuterbiichern, sind die giftigen Eigenschaften des Oleanders nach den im Vorstehenden mitgethei lten Quellen erwlihnt, neben ausftihr- Digitalin. 161 lichen Besehreibungen der Pfianze. Die pflanzengeographische Ge- sehiehte bei V i e t o r H e h n , Culturpflanzen and Hausthiere. 2. Aufl. Berlin 1874. 2 Ueber die wirksamen Bestandtheile der Wurzel yon Apocynum canabinum L, l) Husemann 2) hat zaerst darauf hingewiesen, dass in dem bei Wassersuehten gebrauehten Apoeynum eanabinum L., welches wie der Oleander zur FamiUe der hpoeyneen gehtirt, ein zu dieser Ka- tegorie geh~rendes Herzgift enthalten sein ktinnte. In der That lassen sich ans der Wurzel dieser Pflanze, die in ihrer Heimath, Nordamerika, offieinell ist, mit Leiehtigkeit zwei zur Digitalisgruppe gehSrende Substanzen darstellen, die dem Oleandrin und Neriin analog sind. Das Apocyn in ist eine in Alkohol and Aether sehr leieht, in Wasser i~tst gar nicht ltisliche~ harzartig amorphe Sabstanz, welche schon in sehr geringen Mengen unter den charakteristischen Erschei- nungen den systolischen Stillstand des Frosehherzens hervorbringt. Ein Glykosid scheint das Apocynin nicht zu sein. Zwar erh~tlt man beim Kochen tier alkoholischen LSsung oder tier in Wasser vertheilten Substanz mit ziemlich concentrirter Salzsiiure eine Fliissigkeit, welehe Kupferoxyd in Gegenwart yon Alkalien in m~tssigem Grade redueirt, indess kann das yon anderen in Folge der starken Einwirknng der S~ure entstandenen Zersetzungsproducten bedingt sein. Der gr(isste Theil der harzartigen Masse bleibt dabei anscheinend unver~tndert~ doch ist sic unwirksam geworden, nicht blos in Bezug auf das Herz, sondern aueh im Allgemeinen, indem namentlich eine pikrotoxin- artige Wirkung nicht beobachtet werden konnte. Der zweite Bestandtheil ist das Apo eynein, welches ein Glykosid ist and in seinen Eigenschaften und LSslichkeitsverhi~ltnissen im We- sentlichen mit dem Iqeriin oder Digita!e'in tibereinstimmt. Nut gibt es, ebenso wenig wie dam Apocynin, irgend eine bemerkenswerthe Reaction mit coneentrirter Schwefelsliure and Brom. Die Darstellung and Reinigung der beiden Substanzen gesehieht in ~thnlicher Weise~ wie bei den Oleanderbestandtheilen. 1) Die vorliegende~ Untersuchungen iiber den wirksamea Bestandtheil des Apocynum canabinum warden non Herrn te Water, yore Cap d. g. Itoffnung, begonnen, konnten aber yon ihm /~usserer Umstande wegen nicht zu Ende ge- ftihrt werden. 2~ Dieses Archly. Bd. Y. 1876. S. 245. 162 VII. SC~ED~B~ 8. Bemerkungen Uber die Digitalis. und Digitalinwirkung in historischer und therapeut ischer Beziehung. Die im Vorstehenden beschriebenen wirksamen Oleander- und Apoeynumbestandtheile reihen sich einer Anzahl anderer Pflanzen- stoffe an, die trotz ziemlieh welt gehender Untersehiede in ihren allgemeinen ehemisehen Eigensehaften so gleichartige pharmakologi- sche Wirkungen hervorbringen, dass sie ungezwungen zu einer sehr gesehlossenen pharmakologisehen Gruppe vereinigt werden k~nnen, die wit nach dem Vorgange Buehheim's , der diese Gruppen, wie die Botaniker die Pflanzenfamilien, nach einem der bekanntesten Glieder bezeiehnete, Digitalingruppe, und deren am lebenden thieri- sehen Organismus hervorgerufenen Wirkungen sehleehtweg Digitalin- wirkungen nennen wollen. Die Stoffe, die dieser Gruppe angehSren, haben, soweit sie rein dargestellt sind, in Bezug auf ihre ehemisehe Besehaffenheit nur das gemeinsam, dass sie alle stickstofffrei und keine S~uren sind. Es ist eine bemerkenswerthe Thatsaehe, dass die meisten dem Pflanzenreiehe entstammenden sehr giftigen, stiekstofffreien pharma- kologisehen Agentien entweder der Digitalin- oder der Pikrotoxin: gruppe angeh~ren und dass mehrere Glieder der ersteren Gruppe Spaltungsprodt~cte liefern, welche pikrotoxinartig wirken. Neuerdings haben Harnaek and Zabroek i l ) naehgewiesen, dass alas in der Rinde yon Erythrophleum guineense enthaltene, yon G all oi s und H ar dy ~) zuers~ dargestellte und Erythrophle~n genannte Alkaloid gleiehzeitig digitalin- nnd pikrotoxinartig wirkt. Zur Digitalingruppe geh~ren nach unseren gegenw~rtigen Kennt- nissen folgende Substanzen. I. K rys ta l l i s i rbare Glykoside. 1. Dig i ta l in 3), (CsH~O~)n; in Wasser und Aether sehr wenig, in Alkohol leieht l~slieh; sehwer krystallisirbar. In den Bl~ittern und Frtiehten yon Digitalis purpurea L. 2. Antiarin4), CL4H200~; in Wasser ziemlieh schwer, in A1- 1) Dieses Archly. Bd. XV. S. 403. i882. 2) vgl. welter unten S. 165. 3) Dieses Archly. Bd. III. S. 27. 1874. 4) D e V r y u. L u d wi g, Unters. des Mflchsaftes der Antiaris toxicaria. Wiem akad. Sitzuugsber. II. Abth. Bd. LVII. 1868. Ob die yon Rosenthal (Reichert's u. DuboisArch. 1865. S. 601) i~ntersuchten Pfeilgifte yon Malacca Antiarin oder ein anderes Herzgift enthalten, ist bisher nicht untersucht wordem In einzelnen Proben finder sich anscheinend auch Strychnin. Digitalin. 163 kohol leieht, in Aether wenig l~slich. Im Upas Antiar, dem Milch- saft yon Antiaris toxiearia Lesch. 3. He l lebore~n 1), C26H2401~ ~ in Wasser in allen Verh~,tltnissen llislich (digitaleYnartig); undeutlich krystallinisch. In den Wurzeln und Wurzelbliitteru yon Helleborus niger, viridis und foetidus. 4. E v o n y m i n 2). In Wasser sehwer, in Alkohol leicht l~sliehes Glykosid, welches zu 1/15--1/lo rag. systolisehen Stillstand des Froseh- herzens hervorruft. Es krystallisirt in farblosen, blumenkohlartigen Massen, die aus strahlig gruppirten lqadeln bestehen, und finder sich in geringer Menge in dem yon Evonymus atropurpureus stammenden Resinoid gleichen Namens, welches in Nordamerika unter anderen gegen Wassersuehten gebraueht wird. 5. Thevet in3) , C54H4s02; liislieh in 124 Theilen Wasser yon 14 0, leicht in Wcingeist, nicht in Aether. In den Samen yon The- vetia nereifolia Juss. und vielleicht auch in den yon Cerbera Odal- lam Ham. Faro. Apocyneae. II. Nicht glykosidische, zum Theil krystallisirende Substanzen. 6. D ig i tox in~) , C21H3307; in Wasscr ganz unl~islich, leicht in Alkohol und Chloroform. In den Bl~tttern yon Digitalis purpurea. 7. S t rophant inS)~ in Wasser und Alkohol 15slich, wenig in Aether und Chloroform. In dem Kombi, Manganja, InGe oder Onage genannten westafrikanischen Pfeilgift yon Strophantus hispidus DC. Fam. Apoeyneae. t) Marred, Ztschr. f. rat. Medicin. III. Reihe. Bd. 26. S. 1. 1866. (Literatur). 2) ~qach bisher unverSffentlichten Untersuchungen des Herrn Prof. Dr. Hans Meyer in Dorpat. 3) Husemann, Ueber einige Herzgifte. Dieses Arehiv. Bd.u S. 228. 1876. 4) Dieses Archiv. Bd. III. S. 35. 1874. 5) Hardy et Gallois, Sur la mati~re active du Strophantus hispidus oft In4e. Gaz. m4d. de Paris. 1877. 113. Yergleiche auch: a) Pel ikan, Sur un nouveau poison du coeur provenant de l'In4e ou 0nage et employ4 au Gabon (Afrique occidental) comme poison des fl~ches. Compt. rend. t. 60. p. 1209. 1865. b) Sharpey, Proceedings of the Royal Society. Mat 1865 (Manganja). c) Fagge u. Stevenson, Pharmaceutical Journ. and Transactions. Vol. II. 1865~66. d) Fra se r, On the Kombi arrow-poison of Africa. Journ. of Anat. and Phys. VII, 139. e) Fras e r, On the Kombi Arrow-Poison (Strophantus hispidus DC) of the Manganja district of Africa. Proceed. of the Royal Society of Edinb. Session 1869--70. f) P o ill o net Car v i 11 e, ]~tude physiologique sur les effets toxiques de l'In4e, poison des Pahouins (Gabon). Arch. dephysiol, norm. et path. 1872. p. 528. 680. g) Yalentin, Die Giftwirkungen d. Kombi. Ztschr. f. Biologie. X. 133. 1874. 16~: VII. SCrI~IIE])ErERO 8. Apocyn in0 ; in Aether und Alkohol sehr leicht, in Wasser fast gar nicht 15slich. Nicht krystallisirbar. In der Wurzel yon Apocynum eanabinum L. Faro. Apoeyneae. HI . N ieht krysta l l i s i rende, in Wasser sehr sehwer 15sliche Glykoside. 9. Scil la~n~); in Aether wenig, in Alkohol leieht l~slich. In der Zwiebel yon Urginea Seilla Steinh. Faro. Asphodeleae. 10. A d o n i d in 3); sehr wenig l~slich in Wasser und Aether, leicht in Alkohol. In dem Kraut yon Adonis vernalis L. Faro. Ra- nunculaeeae. ~I. O leandr in4) ; in Wasser sehwer, in Alkohol, Chlorbform und Aether ziemlieh leieht lt~slieh. In den Bl~tttern yon Nerium Oleander L. Faro. Apoeyneae. IV . Amorphe, in Wasser sehr le icht 15sliche, dem Saponin Khnliche Glykoside. 12. Digitale~n, 5) (Neriin)G); in den FrUchten und wahrschein- lieh auch in anderen Theilen yon Digitalis purpurea L. und in den Bl~ittern yon Nerium Oleander L. 13. Apocyne in 7); in der Wurzel yon Apocynum canabinum L. Faro. Apoeyneae. 14. Conva l lamar inS) ; dem Digitale'ln sehr ~hnlich. In der Convallarla majalis L. V. P f lanzenbestandthe i le versch iedener Ar t und zum Thei l noeh n ioht genauer untersucht. 15. Tangh in ia venen i fe ra Poiret 9), ein Baum der Insel Ma- dagaskar, dessen Fruchtkerne dort zu Gottesurtheilen benutzt werden. Ob das yon Henry und O l l i v ie r 1~ aus der Frucht dargestellte krystallisirbare und in Wasser unl~sliche giftige Tangh in in das Herzgift ist, muss noeh untersueht werden. 16. In der Rinde yon Nerium odorum W. iknd G r e e nis h ~ 0 1) vgl. oben S. 160. 2) v. J arm ers tedt , Dieses Archiv. Bd. XI. S. 22. 1879 (Literatur). 3) Cerve l lo , DiesesArchiv. Bd.XV. 8.235. 1882. 4) vgl. oben S. 153. 5) Dieses Archly. Bd. III. S. 33. 1874. 6) vgL oben S. 151. 7) vgl. oben S. 160. 8) Wa lz , Jahrb. f. Pharmac. VII. 281. VIII. 78. N. Jahrb. f. Pharmac. V. 1. X. 145. Mat in6, GfttingerNachr. 167. 1867. 9) K611iker u. Pe l i kan , Beitrhge zur gerichtl. Mediein. Toxik. u. Pha~- makodynamik yon Pelikan. Warzburg 1858. S. 169. 10) Henry u. O l l i v ie r , Arch. g6n. de m6d. IV. 351. 1824. Repert. d. Phar- mac. XX. 379. 1825. i l) Green ish , Pharmac. Ztschr. f. Russland. 1~881. S. 80. Digltalin. 165 zwei Glykoside, das Ner iodor in und Ner iodoreYn , yon denen das erstere dem Oleandrin, das letztere dem Digitale'in (Neriin) ahn- lich ist; wahrseheinlich sind sie sogar mit diesen identiseh. 17. D a s U p a s v o n S i n g a p o r e 1) soll neben Strychnin eine dem Antiarin ~hnlich wirkende, chemisch indiffe~rente Substanz ent- halten. In welcher Beziehung es zu den yon Rosentha l unter- suchten Pfeilgiften yon Malacca steht (vgl. die Anmerk. z. Antiarin), ist unbekannt. ~I . Substanzen, welche neben anderen ~r i rkungen aueh die Dig i ta l in - w i rkung hervorbr ingen. 18. E ry throph le~n. 2) Die Sassyrinde, aueh Casca-, Cassa- oder Ma~ofierinde genannt, yon Erytbrophleum guineense G. Don., aus Westafrika, enth~lt, wie bereits oben erw~ihnt ist, das auf das Herz digitalinartig und auf das verli~ngerte Mark pikrotoxin- oder digi- taliresinartig wirkende Alkaloid Erythrophle'~n, das in Aether, und dessen Salze in Wasser leicht l(islich sind. Ob die Rinde daneben noch andere stickstofffreie, digitalinartig wirkende Stoffe enthiilt, muss noch genauer untersucht werden. 19. Phryn in , ein yon Fornara 3) aus dem Drtisenseeret und der getrockneten Haut der Kr~iten (Bufo viridis und Bufo cinereus) darge- stelltes Extract, welches auf das Herz wie Digitalin wirkt und bei sub- eutaner Application Abscesse hervorbringt. Die iibrigen Wirkungen lassen sich nach dcr gegebenen Beschreibung nicht recht beurtheilen. Zahlreiehe andere Stoffe werden sich voraussichtlich den vor- stehend aufgeflihrten anreihen. Doch darf nicht jede Substanz, die als Diureticum cmpfohlen wird, was in neuerer Zeit h~iufig und mit Vorliebe geschieht, ohne Weitcres zur Digitalingruppe gerechnet wer- den. Die Ma isgr i f fe l ~) (der Griffel der Bltithen yon Zea Mais) und ein in den Schaben (Blatta orientalis) enthaltener, angeblich diuretisch wirkcndcr und Ant ihydrop in~, ) genannter Bestand- theil habcn nach vorli~ufigen Untersuchungen mit der Digitalinwir- kung nichts zu thun. 1) Hammond, Americ. med. Journ. LXXX. 163. 2) Brunton u. Py e, Bartholomew's Hospital Reports. Vol. XII. Philosophic. Transactions. Vol. 167. 1876. Ga l lo i s u. Hardy , Arch. de Physiol. norm. et path. 1876. Gaz. m~d. deParis. 1876. p. 307. Harnack u. Zabrock i , Dieses Archly. Bd. XV. S. 403. 1882. 3) Fornara , Journ. deTh~rap. IV. p. 882u. 929. 1877. 4) vgl. d. Referat v. K o b e r t. Deutsche medic. Wochenschr. No. 23. 1882. 5) Jahresb. f. Pharmacogn., Pharmac. yon Dragendorff. Jahrg. !877. S. 212. Arch iv L experimentelle Pathologie u. Pharmakologie. XVI Bd. 12 166 VII. SCHMIED~B~RG Die im Folgenden behandelten eharakteristisehen Digitalinwir- kungen and ihre nachsten Folgen sind nicht ftir alle Gliedcr der Gruppe in ausflihrlicherer oder gar erschi~pfender Weise untersueht. Aber jede einzelne bekannt gcwordene Thatsaehe hat nicht nur die pharmakologische Zusammengeh~rigkeit dieser Stoffe best~itigt, ab- gesehen yon dem oben genannten Alkaloid, das nicht zur Digitalin, gruppe gercchnet werden kann, sondern aueh dargethan, dass unter ibnen in dieser Richtung nur solche Unterschiede bestehen, die sich auf die St~irke der Wirkung bei gleicher Gewichtsmenge, auf die Abweichungen in der Liisliehkcit in Wasser and der Resorbirbarkeit bcziehen. Die Wirkung auf das Frosehherz bildct den Ausgangspunkt ftir die neucren Untersuchungen tiber die Digitalingruppe. Zu der letz- teren kann jede Substanz ohne Weiteres gcreehnet werden, die an Fr(isehen diese Wirkung zun~iehst ohne andcre Erscheinungen her- vorruft. Die crsten Versuehe tiber den Einfiuss der D igi t a 1 i sau f Fr(i- sehe sind schon am Ende des vorigen nnd am Anfang dieses Jahr- hunderts yon cnglischen Autoren angestellt women 1), indess 0hne dass dabei das Verhalten der Herzthatigkeit BerUcksichtigung gefunden h~tte. Aueh Stann ius 2) kam bci seinen viel genannten Versuchen, in denen er die Herzwirkung der Digitalis an Katzen constatirte, in Bezug auf Fr(isehe im Wcsentlichen zu negativen Resultatcn. Er land, dass die Application eines Digitalisinfuses auf die Oberfiache des ttcrzens ohnc Wirkung blicb. V ulp i a n 3) hat zuerst alle charakteristischen Herzwirkungen an Fr~sehen and Tritoncn naeh subcutancr Application yon H 0 m m 0 ll e's und Qucvcnne 's Digitalin gcnau beschrieben, namentlich die un- regelmi~ssigcn spater mit dcr Pcristaltik vergliehenen Herzeontrae- tionen and den systolischen Stillstand des Ventrikels. Diese Wirkung ist dana fUr die Digitalisbestandtheilc zun~iehst yon Dybkowsk i and Pe l i kan 4) and zule~zt in ausftihrlieher Weise 1) J. Johnson, Med: Essays and Observations. Evesham 1795. Uebersetzt von Michaelis. 1796. B e d d o~ s, Observations on the medic, and domestic manag- ment of the Consumption; on the powers of Digitalis purpurea; on the cure of Scrofula. London 180i. D~e Frosehversuche sind in Gemeinsohaft mit King aus- geftihrt. ,Cold-blooded animals appear to me to offer a more distinct scale for measuring the powers of certain substances" (p. 208). 2) Arch. d. physiol. Heilk. X. 177. 1851o 3) Gaz. m6d. de Paris. 1855. p. 559. 4) Ztschr. f. wissensch. Zoologic. XI. S. 279. 1862. Digitalin. 167 yon B ti h m ~) geschildert worden. Die Herzwirkung des Upas Antiar am Saugethier hatte Brod ie 2) schon im Jahr 1811 richtig erkannt und beschrieben. Er betont, dass die tibriffen Erscheinungen, Veritn- derungen der Respiration und der Gehirnfunction, sowie die Con- vulsionen, Folgen der dureh die Herzsehwache und den Herzstill- stand verursachten UnterdrUekung der Circulation seien. Die Vergiftungserscheinungen, die in derselben Weise durch si~mmtliche Stoffe dieser Gruppe am Frosehherzen hervorgebracht werden, lassen sieh am leichtesten Ubersehen, wenn man ihren Ver- lauf in folgende Abschnitte (Stadien) tbeilt. 1. Zunahme des Pulsvolums unter Verffrtisserung der diastoli- sehen Phase und ohne Veriinderung der absoluten Leistungsf'ahigkeit des Herzens (W i 1 li a m s).3) 2. Unregelm~tssiffe, sog. peristaltische Herzbewegungen, deren Ur- saehe darin zu suehen ist, dass nieht alle Theile des Ventrikels yon vorne herein gleiehmiissiff yon tier Giftwirkunff betroffen werden. Dieses Stadium der Digitalinwirkung ist dahcr als eine Combination des vorhergehenden und des folgendcn zu betraehten. 3. Systolischer Stillstand des Ventrikels, dem bald ein vielleicht ebenfalls systolischer Stillstand der Vorht~fe folfft. An der Rana temporaria und der Laeerta viridis kommt diese Wirkung leieht und in typiseher Weise zu Stande; weniger voll- stitndig an der Rana eseulenta 4) und noeh sehwerer oder gar nicht an Krtiten (Vulpian, a. a. 0.). Mechaniscbe Ausdehnung des Ventrikels durch den Druck einer FlUssigkeit ruft wieder regelmiissige, kriiftige I-lerzcontractionen her- vor~), die so lange dauern, als die Ausdehnung unterhalten wird, und naeh dem AufhSren der letzteren erst dann wieder vollstiindig sehwinden, wenn der Ventrikel in die systolisehe Stellung zurUck- gekehrt ist. 4. Sehliesslich tritt vollsti~ndige Li~hmung, d. h. der Tod des Froschherzens ein. Das letztere zeigt ~usserlieh dieselbe Besehaffen- heit, wie im vorig'en Stadium. Es behalt seine systolische Stellung bei und kehrt auch nach gewaltsamer Ausdehnung in diese zuriick; aber Pulsationen kiinnen durch kein Mittel mehr hervorgeruibn werden. 1) B(ihm, Pfltiger'sArchiv. Bd.V.S. 158. 1872. 2) Philosophic. Transact. p, 196w198. 18tl. 3) Dieses Archly. Bd. XIII. S. 1. 1880. 4) Ueber die Digitalinwirkung am Herzmuskel des Frosches. Beitri~ge zur Anatomic u. Physiologic. Festgube an C. Ludwig. Leipzig 1874. 5) Ueber die Digitaliuwirkung am Herzmuskel des Frosche~. a. a. O. 12" 168 Vll. SC~M~.D~ER(~ Jcncr eigenartige systolisehe Stillstand, der durch meehanische Ausdehnung des Herzens gehoben werden kann, ist offenbar yon einer Aenderung des Elasticifiitszustandes des Muskels abh~tngig. Der normalen Zusammensetzung der Muskelfasern entspricht eiu Elasti- citiitszustand, welcher derartig ist, dass das Herz nach dem Aufh~ren der activen Contraction (Pulsation) aus der systolisehen in die dia- stolische Stellung zurtickkehrt, w~ihrend Unter dem Einfluss der Di- gitalinwirkung die Systole eine dauernde ist und nur durch die An- wendung mechanischer Gewalt tiberwunden werden kann.~) Dass das Herz aus dem normalen Elasticitiitszustand, der in der Ruhe die diastolische StelluDg bedingt, in jencn anderen tibergehen kann, ohne dass die Contractilit~it eine nachweisbare Veriinderung zu erleiden braueht, ist leicht versfiindlich, wenn man erwiigt~ dass die Muskelfaser kein chcmisch einheitliches Gebilde ist, sondern arts einer griisseren Anzahl unter einander locker verbundener Substanzen, wie Wasser, Salzen, Protoplasmaeiwciss u. a., bcsteht. Schwankun- gen ira Wassergehalt, z. B. die dutch Eintroeknen bei gew~ihnlicher Temperatur oder durch miissige Grade der Quellung hervorgerufen werden, kiinnen derartig sein, dams die Contractilit~it des yore Wasser dnrchtriinktcn Protoplasmas nicht verniehtet wird, withrend der Ela- sticitatszustand des ganzen Gebildes bereits merkliche Abweiehungcu yon dem normalen ze ig t . - Auch der Eintritt eigenartiger MolecUle in die Substanz der MuskeIfaser kann einen iihnlichen Eriblg haben. Wit Mind bci dem Zustande unserer gegenw~irtigen Erkenntniss gezwungen, die Wirkungen zahlreicher pharmakologischer Agentien, insbesondere der Nerven- und Muskelgifte, yon molecul~iren Ver~in- derungen der physiologischen Elementarorgane abzuleiten. Die letz- teren bestehen aus einer Anzahl. Substanzen, welche unter einander nur yon Molectil zu Molectil verbunden Mind. Man kann eine Muskel- laser oder eine l~ervenzelle als eine moleculare Verbindung yon eiweiss- artigen Stoffcn, Wasscr, Salzen und anderen Bcstandtheilen ansehen. Der normale Zustand, insbesondere die normale Function, ist an eine 1) Ueber d. Digitalinwirkung am Herzmuskel des Frosches. a. a. O. Charles S. Roy (J0urn. of Physiology. Vol. I. No. 6) hat bei der l~eurtheilung dieser Anschauung die in Frage kommenden Yerhaltnisse missverstanden. Auch halt er die einzelnen Stadien der Wirkung nicht auseinander und wendet bei seinen Yersuchen statt der chemisch reinen wirksamen Stoffe die Digitalis in Form clues Aufgusses an, was heute zu Tage bei derartigen Versuchen nicht mehr statthaft ist, da die rohe Drogue Substanzen enthalt (Digitonin, Kalisalze), welehe dem Di- gitalin entgegengesetzt wirken. Roy hat daher Erscheinungen beobachtet, die ihn veranlasst haben, die Digitalinwirkung am Froschherzen mit der Wirkung des Alkohols, Atropins, Veratrins und Coffeins zusammenzuwerfen. Digitalin. 169 bestimmte moleeulare Constitution gebunden, die sehon durch gering- fUgige Eingriffe erhebliehe St0rungen erleiden kann. Von den letz- teren hi~ngen die Ver~inderungen der Functionsfahigkeit und andere Abweichungen yon der normalen Beschaffenheit ab. Es kann nun die normale molecularo Constitution innerhalb der physiologisehen Elementarorgane unter anderen dadurch eine St,- rung erleiden und zu Abweiehungen in der Leistungsfahigkeit ftihren, dass besondere. dem Organismus ganz fi'emdartige Substanzen yon aussen her in jene gelangen, zu den bereits vorhandenen chemisehen Bestandtheilen in moleculare Beziehung treten und den normalen Molecularzustand der betroffenen Gebilde in Unordnung bringen~ gleiehsam wie ein Stein, welcher in das Getriebe einer compligirten Masehine gerRth. Solche Vorgiinge kSnnen wir allerdings vorlaufig und vielleicht auf sehr lange hinaus weder durch eine mathematische, noch durch eine chemische Formel ausdrticken. Auch wissen wir nicht, warum z. B. das Strychninmolectil nach seiner Aufnahme in die Nervenzcllen des RUckenmarks eine erhOhte Errcgbarkeit dersclben hervorbringt, wRhrend zahlreiche andere Stoffe entwcder gar nicht oder in entgegengesetzter Weise wirksam sind. Es kommt jedenfalls auf die Beschaffenheit der MolecUle der wirk- samen Substanzen an. Wir sind hier in Bezug auf die Erkl~irung in einer i~hnlichen Lage, wie der Thatsache gegcnUber, dass die eine chemische Verbindung rothes, eine andere grtines und wieder eine andere wcisses Licht rcflcctirt. Die Herzwirkungcn sind in der Regel die einzigen directen Wir- kungen, welche die Agentien der Digitalingruppe an FrSsehcn her- vorbringen. Diese hUpfen bekanntlich nach dem Eintritt des Herz- stillstandes zuni~chst so taunter und krRftig umher, wie normale Thiere. Dann beginnt in Folge dcr UnterdrUckung der Circulation die Li~h- mung des centralen Nervensystems. Schon vor dem Zustandekommen einer stRrkeren Herzwirkung zeigt sich eine Abnahme der Reflex- erregbarkeit, die nach Durchsehneidung des verli~ngerten Marks unter- halb dcr Rautengrube wieder hergestellt wird, wi~hrend die Reflex- erregbarkeit des vorher decapitirten Thieres dutch das Gift nicht alterirt wird (W eil). J) Hier handelt es sich also um eine Reflexhemmung durch Erre- gungen im Gehirn, die wahrscheinlich nur yon den verRndcrten CirculationsverhRltnissen abhRngig sind. Denn wenn W eil die Re- flexdepression vor der Verlangsamung der Herzschl~tge eintreten sah, i) Archivf. Anat. u. Phys. 1871. 252. 170 VII. SCH~IEDEBERG so h~mgt das nieht yon einer directen erregenden Wirkung der Di- gitalis auf das Gehiru ab, sondern ist dem Umstande zuzusehreiben, dass das Gift an Fr~sehen Ver~tnderungen der Herzth~ttigkeit ohne Pulsverlangsamung hervorbringen kann. Das Digitoxin bringt naeh Gaben yon 1--3 mgrm besonders an R. temporaria LKhmung der Skeletmuskeln hervor, die sieh gleieh- zeitig mit. der Herzwirkung ausbildet (K o p p e).~) Ob die ttbrigen Stofle dieser Gruppe nnter geeigneten Bedingungen, namentlieh naeh sehr grossen Gaben ~thnliehe Wirkungen aufweisen, ist nieht fest- gestellt. Jedenfalls k~tmen sie erst naeh dem Eintritt des HerzstiU- standes zur Erseheinung und verlieren dadureh das unmittelbare Interesse. An S~ugethieren, an denen das Herz der direeten Beobaohtung wenig oder gar nieht zug~nglich ist, l~sst sieh die Digitalinwirkung nur aus den VerRnderungen der Pulsfrequenz und des Blutdrueks ableiten, daher hat man yon jeher an Mensehen auf die erstere, an Thieren auf den letzteren ein grosses Gewicht gelegt. W. W ith e r i n g 2), der durch seine sorgf~ltigen Beobachtungen an Kranken die Digitalis in die Reihe der geseh~tztesten Arznei- mittel r erw~hnt zuerst der Pulsverlangsamung am Menschen. S e h i e m ann 3), der die ersten Versuche mit der Digitalis an Thieren anstellte - - wenn man yon den vielfaeh eitirten Experimenten S o- le rne 's an Truthtihnern aus dem Jahre 1748 absieht --~ sah sie aueh an der Katze und am Hunde eintreten. Seitdem hat diese Er- seheinung, die sich regelmKssig am Krankenbett best~tigen liess~ die ungetheilte Aufmerksamkeit aller Beobaehter und Ferscher auf diesem Gebiete in hohem Maasse auf sieh gezogen. Eine grosse Zahl yon Praktikern glaubte in dieser Pulsverlangsamung das Wesen der Digitaliswirkung suehen zu mttssen and leitete yon ihr alle heilsamen Wirkungen der Drogue ab, so dass darnaeh aueh die Indicationen flir ihre Anwendung in Krankheiten gestellt wurden. Indessen hatten bereits am Ende des vorigen Jahrhunderts einige ausgezeichnete englisehe Aerzte ihr Augenmerk auf das Verhalten der HerzthRtigkeit unter dem Einfluss der Digitalis und auf die Be- schaffenheit des Pulses geriehtet. Durch ihre sorgf~ltigen Beob- aehtungen an Mensehen war sehon damals, fast ohne jede experi- mentelle Grundlage, das Richtige im Wesenflichen erkannt, wenn 1) Dieses Archly. III. 274. 1875. 2) Wi ther ing , An Account of the Foxglove. Birmingham and London 1785. 3) S c h i e m a n n, Diss. inaug, reed. de Digitali purp. Goettingae 1786. Digitalin. 171 auch nicht allgemein, namentlich nicht auf dem Continenti anerkannt worden. Es, mUssen in dieser Beziehung besonders B e d d 0 ~ s, M 0 s s- man und R. K ing lake genannt werden, l) Beddo~s 2) liess sich yon einem Mechaniker ein nicht weiter beschriebenes Instrument construiren, mit dessen Httlfe er sich davon Uberzeugte, dass die Digitalis die Starke der Circulation vermehre~ wenn sic nicht in nauseoseu Gaben angewendet wird. Er ist geneigt anzunehmen, dass die Contractilitat der organischen Faser vermehrt werde. Nach Mossman3) muss die heilsame Wirkung dieser Pflanze ausschliesslich dem Eiufluss auf das Herz und die Artcrien zuge- sehrieben werden. Die Digitalis verlangsame die Pulssehli~ge, ohne die Starke der Herzthatigkeit zu vermindern. K ing lake 4) spricht sich tiber diese u am klarsten und bestimmtesten aus. Der Puls, obgleich weniger schnell und we- niger ~equent, ist deshalb nicht weuiger kraftig; im Gegentheil, die Thi~tigkeit des Herzens und der Arterien ist vermehrt, der Puls roller, elastischer, besser cntwickelt; die Wandungen des Herzens nahern sich starker bei jeder Systole und entfernen sich ebenso sehr bei der Diastole; dadurch wird eine grSssere Blutmenge in die Ar- tericn UbergefUhrt. Derartige, zum Theil auf vortreffliche Beobachtungen gegrtin- dete Versuche, die Digitaliswirkung zu erkliiren, konnten indessen damals keinen reehten Boden gewinnen, weil man sieh auf diesem wie auf anderen Gebieten viel lieber in allgemeinen Speculationen bowegte, die den gangbaren pathologischen Systemen angepasst wur- den, als sich um die beobachteten Thatsachen ktimmerte. Wahrend With e r in g in seinem noeh hcute mustergtiltigen Buehe sieh damit begntigt, seine Beobachtungen einfach mitzutheilen uud 1) Trotz vielfacher Bemfihungen ist es mir nicht gelungen, auch nur den grSsseren Theil der wichtigeren englischen Originalarbeiten fiber die Digitalis aus dieser Epoche zu erlangen. Sie bergen eine Ftille yon guten Beobachtungen, die viele spi~tere und selbst neueste Arbeiten i~bertti~ssig machen. 2) Beddo~s, Observations on the medical and domestic management of the Consumptive; on the powers of Digitalis parpureai and on the cure of Scro- fula. London 180t. Derhbschnitt: On thePower andAgency of Digitalis. p. 115. 3) b~ach Bidault de :Villiers, Essai sur les propri6t6s m~dicales de la digitale pourpr~e. 3me 6dit. Paris 1812. 4) R. Kinglake, Cases and Observations on the medical efficacy of Digi- talis purpurea in phthisis pulmonalis, with speculations on its modus operandi, and on analogous remedies. London 180l. Als Appendix ]~o. 1 enthalten in dem oben citirten Werke you Beddo~s. 172 VII. SCHMIEDEBERG aus denselben nur die am n~ehsten liegenden Sehltlsse zu ziehen erz~hlt uns Seh iemann in seiner oben angeftlhrten, sonst recht guten Dissertation, die ein Jahr naeh Wi ther ing 's Arbeit er- sehien, dass die Digitalis ein Resolvens sei, welches das schleimige Blut und den Nierensehleim aufl~se, Verstopfungen entferne und den Flttssigkeiten einen bequemeren Ausweg er~ffne. John Fer r ia r t ) , weleher, wie es seheint, zuerst das gleieh- zeitige Auftreten tier Cireulationsver~tnderungen und der Vermehrung der Nierensecretion betont, gesteht, dass er diese Erscheinung nieht zu erkl~iren im Stande sei, meint aher, dass das Wesen der Digi- taliswirkung in der Verlangsamung des Pulses and night in der Diu- rese bestehe. 2) Auf Grund yon Versuchen an Thieren versuehte es zuerst Traube, eine Erkl~trung far die Pulsverlangsamung zu geben, die ihm als Kliniker das I-/auptinteresse zu haben schien. Er wies nach, dass sic yon einer Vagusreizung abhangig ist. Da abet die "letztere den Seitendruck im arteriellen System vermindert, wie kurz zuvor H o f fa und Ludwig nachgewiesen hatten, so folgerte T raube, dass aueh die Digitalis den arterlellen Druck herabsetzen mttsse. Er war zu diesem Sehlusse gelangt, ohne das Verhalten des Blutdrueks unter dem Einfluss der Digitalis geprUft zu haben. Zwar hat er bald darauf derartige Versuehe ausgeftthrt und nach der Einspritzung yon Digi- talisaufguss in die Vene zuerst eine vorttbergehendo Senkung und dann eine Steigerung des Blutdrucks beobachtet, indessen seheint er auf diese Thatsaehe kein grosses Gewieht gelegt zu haben, denn es findet sieh darttber nut eine beil~tufige 'Mittheilung an V o lk - mann, die dieser0 ebenfalls nur beilaufig erw~thnt. Bereits im Jahre 1839 hatte B lake 5) in Edinburgh mit Htilfe des Hiimodynamometers Versuehe an Hunden fiber den Blutdruek bei Digitalisinfusion angestellt. Er beobaehtete entweder sofortigen Herz- stillstand, oder ein Absinken des arteriellen Drucks, auf welches sehr bald eine betr~ichtliehe Steigerung desselben tiber die Norm ei~trat (auf 160 pCt.) und sehliesst aus diesen Thatsaehen, dass die Digi- 1) Ferrlar, An Essay on the medical proporties of the Digitalis purpurea or Foxglove. London and Manchester 1799. 2) The diuretic power of Digitalis does not appear to me a constant and essential quality of the plant; the power of reducing the pulse is the true Cha- racteristic, 1. c. p. 13. 3) Berliner Charit~-Annalen. Jahrg. 1851. 4) Miiller's Archly. Jahrg. 1852. S. 301. 5) Edinburgh ]ned. Journ. April 1839. Digitalin. 173 talis eine direeto Wirkung auf das Herz ausiibe, dessen Pulsationen sehw~ieher werden. Daneben nimmt er auch eine Wirkung auf die Capillaren an. B lake hat daher das unbestreitbare Verdienst, zu- erst das Verhalten des Bhtdrueks richtig beobachtet und die Herz- wirkung der Digitalis naehgewiesen zu haben, ein Verdienst, das dadurch keineswegs gesehmlilert wird, dass er sieh bei diesen Ver- suehen eines so unvollkommenen Hiilfsmittels, wie es das H~imo- dynamometer ist, bedienen musste. Aueh Br iquet 1) (1853), der gleiehfalls noeh das H~,tmodyna - mometer anwandte, sah die Erh~ihung des arteriellen Drucks w~ih- rend der Pulsverminderung eintreten. L enz 2), dessert Untersuchungen fiber den Zusammenhan~." zwi- schen Pulsfrequenz, Seitendruck und Stromgeschwindigkeit unter B i d d e r's Leitung ausgeftihrt sind und~ wie die erwahnten Versuehe yon Br iquet , aus dem Jahre 1853 stammen, benutzte auf Grund der Traube'schen Ansichten das Digitaliu und einen Digitalisauf- guss, um einen ~ihnlichen Einfluss auf den Kreislauf zu erzielen, wie bei Vagusreizung, n~imlich Pulsverlangsamung und Drucksenkung. Er fand in' allen 4 yon ihm angestellten Versuehen, in denener die genannten Praparate Hunden in die Hals- oder Schenkelvenen ein- spritzte, zwar die bekannte Pulsverlangsamung, nicht aber~ wie er erwartet hatte, w~hrend derselben eine Erniedrigung, sondern eine Steigerung des Blutdrucks, die recht betr~tchtlich war. Es stieg der Druck: im 1. Versuehe yon 136 ram. Hg auf 204 ram., also auf 150 pCt. 2. ~ ~ 102 ~ -- ~ 139 ~ ~ ~ 133 3. ~ ~ 138 ~ ~ ~ 156 ~ ~ ~ 112 4. ~ ~ 162 ~ ~ ~ 206 ~ ~ ~ 127 = Lenz tritt daher der Ansicht T raube 's entgegen, dass die Di- gitalis den Vagus erst rcize uud dana l~thme, da wohl der Einfiuss des Mittels auf die Pulsfrequenz, welche nach der vorfibergehenden Verlangsamung eine Beschleunigung erf~hrt, der Reizung und Dureh- schneidung des Vagus gieiehe, der Einfluss auf den Blutdruek da- gegen in beidea F~llen sehr versehieden sei, indem bei der Vagus- reizung der Druek bedeutend herabgesetzt, naeh Digitalis dagegen anfangs gesteigert wird. Lenz hat aber diese vou ihm am Ludwig'- sehen Kymographion gewonnenen Resultate nicht weiter zur Erklli- 1) B r iq u et, Trait6 th~rapeutique du quinquina. Paris 1853. 2) L enz, Experim. de rat. inter puls. frequeutiam, sanguinis pressionem tateralem et sanguinis fluentis celeritatem obtinente. Diss. Dorpat 1853. 174 VII. SC~IE])EBERG rung der Digitaliswirkung zu verwerthen gesucht, da seine Unter- suehungen andere Zweeke verfolgten. Ausftlhrliche Mittheilungen tiber die Blutdruckverh~ltnisse unter dem Einfluss der Digitalis stammen yon T raube aus dem Jahre 1861.1) Er besehreibt im We~entliehen dieselben Erseheinungen, wie sie Lenz beobaehtet hatte, und kommt zu dem Sehluss, dass die Veriinderungen der Pulsfrequeuz und des Blutdrucks neben einander einhergehen, und dass erstere yon einer Wirkung auf das regulatorl- sche, letztere yon einer solchen [auf das museulomotorisebe Nerven- system des Herzens abh~ingen. Beide Systeme werden erst erregt, wodurch Blutdrueksteigeruug nnd Pulsverlangsamung herbeigeftihrt werden, dann erfahren sie eine Li~hmung~ welche die umgekehrten Erscheinungen - - Blutdruekerniedrigung und Pulsbeschleuuigung bedingt. Zuletzt tritt vollstandige Liihmung und HerzstiUstand eiu. An eine Wirkung auf den Herzmuskel scheint T r a u b e nicht gedacht zu haben, aueh sparer nicht, sis er 1871 alle seine Untersuehungen gesammelt herausgab und bei dieser Gelegenheit Versuche mittheilte 2), welehe aus den Jahren 1852 und 1853 datirt sind. Weitere Untersuehungen tiber den Einfiuss der Digitalis und des kiiufiichen Digitalins auf den Kreislauf stammen yon Wine gr a- doffS), Bezold4), Marm65), Brunton ~), AekermannT), BoehmS), Boehm und Oiirz. 9) Die Frage tiber die Ursaehe der Blutdrnck- steigerung, namentlieh tiber die Betheiligung der Oefi~sse bei der- selben, ist yon versehiedenen Seiten eiugehend behandelt worden. Eine Zusammenstellung der Literatur mit umfassenden eigenen Un- tersuchungen finder sieh dartiber bei G(irz. 9) Die Frage tiber die Ursaehe der Pulsverminderung behandeln ausser Tr aub e insbeson- dere AekermannT) und A. B. Meyer. 1~ 1) Medic. Centralzeitung. 30. Jahrg. 89. Sttick. 6. u. 30. Nov. 1861. 2) T raube , Gesammelte Beitrage zur Pathologie und Physioiogio. Bd. I. S. 252. Berlin 1871. 3) Virchow's Archly. Bd. 22. 1861. S. 457. 4) Untersuchungen tiber die Innervation des Herzens. 2. Abth. Leipzig 1863. S. 205. Yers. XXXII. 5) Marred, Ztschr. f. rat. Med. XXVI. 1864. 6) Brunton , On the Digitalis. London 1868. 7) A c k e r m a n n, Tageblatt der Yersammlung der Naturforseher und Aerzte in Restock. 1871. -- Berliner klin. Wochenschr. 1872. No. 3. - - Ueber die Wir- kung der Digitalis. Sammlung klin. u yon Volkmann. No. 48. - - Deutsches Archly f. klin. Medic. Bd. XL S. 125. 1872. 8) Arch. f. d. ges. Physiolog. Bd. Y. 8. 186. 1872. 9) Of rz , Inaug.-Diss. Dorpat 1873. II. Abtheilung. 10) Unters. a. d. physiol. Laborator. d. Zttricher Hochschule. v. F i c k. Wien1869. Digitalin. 175 Von den chemisch reinen Substanzen dieser Gruppe sind die meisten in Bezug auf ihre Wirkung auf den Blutdruck bereits ge- prtift, und zwar das HelleborO'n (Marm~, 1866), das Convallamarin (Marm~, 1867), das Antiarin (v. Schro f f jun., 1874), das Digi- toxin (Koppe~ 1875), das DigitaUn, Digitale:fn (bTeriin) und Olean- drin (Schmiedeberg)~ das Scilla•n (v. Ja rmers tedt , 1879), das Adonidin (Cerve l lo , 1881). Die Erscheinungen, die man bei Blutdruckversuchen mit diesen chemisch reinen Sabstanzen an Saugethieren beobachtet, sind nach Stadien geordnet folgende: 1. Steigerung des normalen Arteriendrucks in der Regel, aber nicht nothwendig yon einer Verminderung der Pulsfrequenz begleitet. 2. Fortdauer des erh(ihten Blutdrucks '.bei einer fiber die Norm gesteigerten Pulsfrequenz. 3. Anhaltend hoher Blutdruck mit grossen Unregelmassigkeiten der Herzthiitigkeit and wechselnder Pulsfrequenz. 4. Rasches Absinken des Blutdrucks, pli~tzlicher Herzstillstand und Tod des Thieres. Dass die Steigerung des arteriellen Blutdrucks yon einer Ein- wirkung dieser Stoffe auf das Herz abh~ngt und dass dabei eine Verengerung der Gef~tsse in Fo]ge Erregung der Gef~tssnerven keine Rolle spielt, ist frtiher yon B o e hm ~) und dann ftir die reine Digi- talinwirkung yon W i i li a m s ~) mit Sicherheit nachgewiesen worden. Auch am Si~ugethier handelt es sich, wie beim Frosch, um eine Herz- muskelwirkung. Soweit reichen die experimentellen Untersuchungen fiber diese Gruppe yon pharmakologischen Agentien. Die sich hieran kntipfen- den Fragen tiber die Art der Wirkung und die rationelle Anwendung der Digitalis in Krankheiten ki~nnen ihre L(isung nur in Kliniken finden. Doch ist es die Aufgabe der Pharmakologen, diese Fragen auf Grand der Ergebnisse der experimentellen Forschung niiher zu formuliren. Es fragt sich zanachst, ob in der bisher fast ausschliesslich an- gewendeten Digitalis" die drei der Digitalingruppe angeh(irenden Stoffo (Digitalin, Digitale'in and Digitoxin) die allein in Betracht kommen- den Bestandtheile sind, oder ob noch andere in der Pfianze and deren officinellen Pr~tparaten enthaltene Substanzen zu der ftir den thera- peutischen Erfolg erforderlichen Wirkung mit beitragen. Die Frage t} Arch, f. d. ges. Physiol. Bd. u S. 189. vgl, GSrz a. a, O. 2) Dieses Archiv. Bd. XIII. S. 2. Curve 1 auf Taf. IL 176 VII: SCHBIIEDEBEI~G ist bereehtigt~ weil in der Digitalis neben den 3 genannten Stoffen noeh andere wirksame Bestandtheile enthalten sind~ und zwar das nach Art des Saponins wirkende Digitonin 1) und die zur pbarma- kologisehen Gruppe des Pikrotoxins geh(irenden, als Digitaliresin und Toxiresin 1) bezeiehneten Spaltungsproduete des Digitalins, Digitale'~ns und K)igitoxins, die sieh aueh in der getroekneten Pflanze vorgebildet finden und im Verdauungskanal dureh Spaltung entstehen k~nnten. Dass das Digitonin bei der therapeutischen Verwendung der Digitalis eine Rolle spielt, ist yon vorne herein unwahrseheinlieh, weil es in den kleinen Mengen, die hier in Betraeht kommen, keine nennenswerthen Wirkungen ausilben kann. Dagegen ist die Mtig- liehkeit nieht ausgesehlossen, dass das Digitaliresin und Toxiresin in Folge einer erregenden Wirkung auf die centralen Ursprtlnge der Gef~issnerven und der im Vagus verlanfenden Hemmungsfasern fiir das Herz ihrerseits sowohl die Verlangsamung der Pulsfrequenz als auch die Steigerung des Blutdrueks, letztere dutch Gefiissverenge- rung, mit bedingen. Dass die beiden zuletzt genannten Substanzen allein den thera- peutisehen Effect hervorbringen, liisst sieh deshalb nieht annehmen, weil dem ganz i~hnlieh wirkenden Pikrotoxin keinerlei Bedeutung naeh dieser Richtung zukommt. Von tier reinen Digitaliswirkung lasst sieh an Mensehen und Thieren das erste Stadium, die Erhr des Blutdrueks und die damit hi~ufig verbundene VerIangsamung der Pulsfrequenz, ohne Ge, fahr fur das Leben dutch geeignete kleine Gaben der hierher ge- h~renden Stoffe hervorrufen. Nut dieser Drueksteigerung kami man eine therapeutisehe Bedeutung beimessen, denn alle abrigen Ersehei- nungen dieses ersten Stadiums der Digitalinwirkung sind entweder Folgen des vermehrten Drueks in den Arterien oder treten nur ge- legentlieh unter bestimmten Bedingungen ein, wie z. B. die oft sebr lastigen entzUndliehen Vorgange an den Applieationsstellen. Aueh die Verlangsamung der Pulsfrequenz, auf die man ein so grosses Gewieht bei der Anwendung der Digitalis gelegt hat, ist im Wesentliehen als eine Folge der Blutdrueksteigerung anzusehen, da sie bei Fr(isehen fehlt und aueh an Siiugethieren nieht regel- massig beobaehtet wird. Sie hangt yon einer Erregung der een- tralen Ursprange und vielleieht aueh der peripheren Endigungen der herzhemmenden Vagusfasern ab und kommt nieht mehr zu Stande, wenn man die Hemmungsvorriehtungen im Herzen dutch Atropin 1) vgl. dieses Ar~hiv. Bd. IlL S. 18, 31, 34 u. 40. 1874. Digitatin. 17 7 unerregbar gemacht hat. ~) Aueh wtihrend der tiefsten Chloralnar- kose ruft das Digitalin nut die Blutdrueksteigerung ohne Verlang- samung der Pulsfrequenz hervor. 2) B o ehm 3) fand bei Versuehen mit kiiuflichem Digitalin an Frii- sehen, dass elektrische Striime, die vor der Vergiftung nieht stark genug waren, yore Vagus aus einen Einfluss auf das Herz auszuUben, einige Zeit naeh der Vergiftung hinreichCen, um nieht blos Verlang- samung, sondern oft minutenlange diastolisehe Stillstiinde hervorzu- rufen. Ob es sich dabei in der That um eine Steigerung "der Er- regbarkeit der Hemmungsvorrichtungen im Herzen gehandelt hat, muss dureh weitere Untersuehungen mit den chemisch reinen Sub- stanzen dieser Gruppe n~iher geprtift werden. Auch l~isst sich vor- laufig nieht mit Sicherheit entseheiden, ob die in den spateren Sta- dien der Vergiftung auftretende Steigerung der Pulsfrequenz yon einer directen Li~hmung dieser Vagusgebiete oder nur yon einer Uebermtidung derselben abhangig zu maehen ist. Jedenfalls ist die Blutdrucksteigerung ganz unabhiingig yon den Veriinderungen der Pulsfrequenz, und man kann annehmen, dass die letztere auch bei der Behandlung yon Krankheiten mit Digitalis keine oder wenig- stens keine wesentliche Rolle spielt. Die namentlich frtiher vielfaeh verbreitete Anschauung, dass in manchen Krankheiten mit frequentem Puls der Nutzen des Mittels zum Theil oder ausschliesslieh darauf zurtickzuftlhren sei, dass in Folge der Pulsverlangsamung das Herz Zeit gewinne, sich vollstandiger zu contrahiren und dem entsprechend mehr Blut in die Aorta zu entleeren, ist giinzlieh unbegriindet. Wir besitzen demnach an den zur Digitalingruppe gehiirenden Substanzen geeignete Mittel, um ohne besondere Gefahren ftir das Leben eiue Steigerung des arteriellen Druekes hervorzubringen, welehe nicht yon einer Verengerung der feineren Gef~tsse, sondern yon einer durch veri~nderte Herzthi~tigkeit bewirkten stiirkeren Ftillung der Arterien abhi~ngig ist. Dass diese Drucksteigerung auch am Men- sehen eintritt, kann auf Grund der Versuehe an versehiedenen Thier- arten yon vorne herein mit Sicherheit angenommen werden und er- gibt sich ausserdem aus der hekannten Beschaffenheit des Pulses bei der Anwendung der Digitalis. Dass in der letzteren das Digitalin, Digitale'in oder Digitoxin diese Wirkung hervorbringen, folgt aus den Versuehen yon K oppe4) an sieh selbst mit dem Digitoxin. 1) A c k e r m a n n, Deutsches Archly f. klin. Med. Bd. XI. S. 126. -- K o p p e, Dieses Archly. Bd. IIL S. 298. 1875. 2) Williams, a. a. O. Curve 1 auf Tar. iI. 3) Boehm, Arch. f.d. ges. Phys. Bd.V.S. 164. 1872. 4) a.a.O.S. 289. 17 8 VII. SCm~mDEB~ Wenn auf das Digitaliresin oder Toxiresin keine Rllcksieht zu nehmen ware, so stande nichts der Annahme entgegcn, dass bei der therapeutischen Anwendung der Digitalis die won der Herzwirkung dicser abhangige starkere Ftillung der Arterien das einzige heilsame Moment sei. Die rationelle Indication wtirde sieh in diesem Falle yon selbst ergeben. Wenn Krankheitserseheinungen yon einer, na- mentlich dureh Klappenfehler des Herzens bedingten unzureichen- den Fii!lung der Arterien und einer dadurch herbeigeftihrten Stau- ung des Blurs in den Venen abhangig sind, so lasst sich diese ab- norme Blutvertheilung durch die Digitalinwirkung auf das Herz be- seitigen, undes schwinden dann aueh die naheren und entfernteren Folgen jenes Zustandes, namentlieh die St~rungen der Harnabson- derung~ die Erscheinungen seitens der Respirationsorgane und die Wassersuehten. Es kann ferner die Frage aufgeworfen werden, oh nieht die Di- gitalinwirkung auch in solchen Fallen won Nutzen sei, in denen eine abnorme Blutvertheilung nicht yon Krankheiten des Herzens, sondern yon anderen Ursaehen abhangig ist. Es waren insbesondere Stau- ungen und Fluxionen im kleinen Kreislauf zu berUcksichtigen. Wenn ein Theil der Lungengefi~sse in Folge won Hepatisation und anderen pathologisehen Ver'anderungen des Lungengewebes un- wegsam geworden ist, so liesse sich ein Nutzen der Digitalinwirkung in solchen Fallen davon ableiten, dass durch die starkere Fttllung des, arteriellen Systems die mit Blur tiberftillte Lunge yon diesem entlastet und durch die relative Anamie ein gtinstiger Einfluss auf das erkrankte Gewebe ausgeiibt wird. Diese Betraehtungen beziehen sieh zunaehst allerdings nur auf die reine Digitalinwirkung, mit der die Diffitaliswirkung nieht ohne Weiteres identificirt werden darf, dennoch ist es im Anschluss an die zuletzt gestellte Frage yon besonderem Interesse, die Erfolge kennen zu lernen, die in derartigen Fallen bei der Anwendung der Digitalis bisher bcobachtet sind. Unter den Lungenkrankheiten, die am haufigsten mit diesem Mittel behandelt worden sind, stehen die Pneumonie und die Phthise oben an. Die erste Empfehlung und Anwendung der Digitalis bei Lungen- entzilndungen stammt won englischen Aerzten aus dem Ende des vorigen und dem Anfang dieses Jahrhunderts. John Fer r ia r~) empfiehlt sie statt des Aderlasses, umbei entzUndlichen Fiebern die Gesehwindigkeit der Circulation zu verlangsamen. 1) Ferriar, An Essay on the medical properties of Digitalis purpurea or Foxglove. London and Manchester t799. Digitalie. 179 James Car r ie1)9 der zuerst die Kaltwasserbehandlung des Typhus in Form ka l te r Begiessungen anwandte, gab vor dieser and dem Aderlass bei Entztindungen des Gehirns, des Herzens and der Lunge der Digitalis den Vorzug. C u m in g 2) gebrauchte sie bei der reinen Lungenentztindung nach dem Aderlass. Die weiteren An- gab6n aus der ersten Hi~lfte dieses Jahrhunderts seheinen sehr spiir- lich and oberflachlieh zu sein; ja man kann sogar annehmen, dass diese Behandlungsweise der Lungenentztindung so gut wie in Ver- gessenheit gerathen war. Das l~tsst sieh aueh aus der mit Naeh- druck betonten Angabe yon Traube 3) sehliessen, dass er dieses Mittel zuerst in der Klinik yon S ehoen le in kennen gelernt habe. T r a u b e lenkte durch seine Arbeiten tiber die Digitalis die Auf- merksamkeit der Aerzte auch wieder auf die Behandlung der Pneu- monie mit Digitalis. Seitdem ist eine gr(issere Anzahl yon Abhand- lungen tiber diesen Gegenstand ersehienen, yon denen einzelne aueh Krankengesehichten 4) enthalten, wi~hrend in anderen Urtheile und zusammenfassende Angaben tiber die gemaehten Erfahrungen mitge- theilt werden.5) Die niederste Stufe des Empirismus findet sieh in einzelnen Hand- und Lehrbtichern vertreten, deren Verfasser sich 1) Currie, Medical Reports on the effects of water, cold and warm, as a remedy in fever and other diseases etc. Liverpool 1804. u lI. p. 118. Saturn- lung auserlesener Abhandl. z. Gebr. praktischer Aerzte. 22. Bd. S. 373. 1805. 2) Cuming, Loud. reed. andphysic. Journ. Vol. XII. p. 113. 1804. Sammlung auserl. Abhandl. z. Gebr. prakt. Aerzte. Bd. 23. S. 554. 3) Ann. des Charit6-Krankenhauses zu Berlin. 1. aahrg. 1850. S. 628. Anm. 4) vgl. 1. Traube, a.a.O.S. 623ff. -- 2. Mun ck, Berichte aus der Klinik yon Traube. DeutseheKlinik. 1859. S. 465--467. - - 3. Coblentz, De la digitale pourprde comme agent antipyr~tique. Th~se. Strassbourg 1862. -- 4. Thomas, Ueber die Wirksamkeit der Digitalis. Arch. d. Heilk. Bd. VI. S. 328. 1865. (Puls- u. Temperaturcurven). -- 5. B ouqu~, De Faction de la digitale duns le traite- meet des phlegmasies poulmonaires. Ann. de la Soc. de todd, de Gand. Dec. 1869~ - - 6. L. v. S chroetter , Ueber die Wirkung der Digitalis und Tinct. veratri viridis auf die Temperaturverh~ltnisse der croupSsen Pneumonie. Sitzungsber. d' Wiener Akad. d. Wissensch. II. Abth. Juni 1870. S. 5--38. Wochenschr. d. Ges. d. Wiener Aerzte. No. 49. 1870. -- 7. Saucerot te , De l'emploi de la digitale dans le traite- ment de la pneumonie, Gaz: todd. de Paris. 1868; 1875. No. 38u. 40. 1877. No. 3, 16 u. 17. 5) i, OppoLzer~ Wien. Spitalztg. 8,9, i0. t859.--2. Duc los , Sur l'action contre-stimulante de la digitale dans la pneumonie aigu~. Tours 1861. - - 3. H i r tz , Gaz. m~d. de Strassbourg. 1861. p. 6. Bull. de Thdrap. Fdvr. 1862. p. 145. Oct 1869. - - 4. Schwarz, Bayer. hrztl. Intellig.-B1. 1865. S. 48. (Die ErhShung des Blut- drucks soll den Ausschwitzungsvorgang begtinstigen.) - - 5. Bleut er, Klin. Be- obachtungen fiber Pneumonie. Diss. Ziirich 1865. (Digitalis bedingt ein etwas frt~- heres Eintreten der Defervescenz, aber Zunahme der Y/ortaliti~t). 180 VlI. SCHMISD~ER(~ damit begnUgen, die Eindrfieke zu erzahlen, die sio fiber die Erfolge der angewandten Mittel empfingen, indem sie dlese ihre subjective Ueberzeugung mig der Erfahrung verwechseln. Eine kritische Dureh- arbeitung yon klinischer Seite hat dieses Material meines Wissens bisher nicht erfahren. Es dtirfte allerdings nieht leieht sein, auf Grund desselben sieh aueh nur ein anniihernd sieheres Urtheii fiber den Erfolg der Behandlung dieser Krankheit mit Digitalis zu bUden, weil der allergrtisste Theil der mitgetheiIten Beobachtungen an sehr seharf hervortretenden M~tngeln leidet. H~tufig ist die Digitalis nut beilaufig neben der in den betref- fenden Landern oder bei den einzelnen Praktikern tibliehen lege- artis-Behandlung oder in Verbindung mit anderen eingreifenden Mit- teln (Kaltwasserbehandlung) gegeben worden. Nicht selten erfolgt die Anwendung oh ne speeiell formulirte Indieationen, welche den Zweck haben, dutch gewisse Eingriffe bestimmte, auf die Beseitigung lastiger oder gefahrdrohender Symptome gerichtete Folgen hervor- zubfingen, sondern es wird schleehtweg die Pneumonie behandelt. Diesem Verfahren stehen solche Falle gegenUber, in denen der An- griff mehr oder weniger ausschliesslieh gegen das Fieber und die hohe Phlsfrequenz geriehtet wird, indem man der Digitalis haupt- saehlich wegen der Pulsve'rlangsamung antifebrile Wirkungen zu- sehrieb~ trotz der Stimmen, die sieh schon frtth dagegen erhoben. 1) Eine Herabsetzung der Temperatur dutch dieses Mittel kann nur dadureh bedingt werden, dass entweder die Ursachen einer ab- normen Temperaturerhi~hung beseitigt oder dutch die Herzwirkung unmittelbar die Circulation des Bluts und mittelbar der Stoffweehsel und die Warmebildung beeintr~ichtigt werden. ~) Wenn man trotz- dem versueht, dureh Mittel~ welehe in dieser letzteren Weise die Temperatur herabsetzen, das Fieber zu bekiimpfen, so~is$ es nicht zu verwundern, wenn durch eintretenden Collapsus Gefahren fiir den Kranken herbeigeftihrt werden, wie das Leyden 3) so ansehaulieh yon den Fallen sehildert, die T raube in diesel" Absieht mit Digi- talis behandelt hatte. Waehsmuth 4) gelangte zuerst bei seinen 1) ,,Kaum kann es eine rohere Gedankencombination geben, als dass, well beim Fieber gew6hnlich der Puls beschleunigt ist, die Digitalis ihn aber seltener macht, deshalb eine arzneiliehe Beziehung zwischen dieser und jener anzunehmen sei; und doeh vernimmt man solches nicht selten yon Aerzten und geistreichen Pharmakologen." S a c h s u. D u 1 k, Handw6rterb. d. prakt. Arzneimittell. II. Theil. 1. Abth. S. 398. K6nlgsberg 1832. 2) vgl. v. Boeck u. Bauer, Ztschr. f. Biologie. X. S, 350. 1874. 3) Deutsche med. Wochensehr. No. 25 u. 26. 188l. 4) Arch. d. Heilk. Jahrg. 1863. 8.79. I)igltalin. 181 vortreffliehen therapeutischen Versuchen zu dem Resultat, dasses sich bei der Veratrinwirkung offenbar viel mehr um die ktinstliehe Erzeugung eines Collapses als einer Entfieberung handle. Die hohe Fiebertemperatur, welehe selbst leicht zum Collapsus ftthrt, daft abet nieht dureh Mittel herabgedrtickt werden, welehe unter normalen Verhitltnissen dadureh die Temperatur erniedrigen, dass sic ktinst- lieh einen Collaps erzeugen. - Ob nun yon der einen Seite naeh diesem Grundsatz verfahren wird, oder ob yon der anderen der kUnstlieh erzeugte Collapsus bei der Behandlung yon Fiebern fttr nUtzlich eraehtet wird, jedenfalls sind die auf experimentellem Wege gewonnenen Kenntnisse tiber die Wirkung der betreffenden Mittel durehaus unentbehrlieh, um in dem einen Falls die geftlrehteten Folffen sieher zu vermeiden und in dem anderen sic wenigstens ohne Sehaden far den Kranken anzuwenden. Aueh dutch das Chinin kann in diesem Sinne ein Collapsus er- zeugt und die Temperatur herabgesetzt werden, wenn es in grossen Gaben gegeben wird. Ob es ohne Collapsus, d. h. ohne die Respi- ration, Circulation, Verdauung und andere Vorgitnge dieser Kate- gorie zu beeintraehtigen, den Stoffumsatz und die Witrmebildung in Folge seiner yon B inz naehgewiesenen allgemeinen Protoplasma- wirkung dureh Behinderung der Spaltungs-, Umsetzungs- und Oxy- dationsvorg~nge in den elementaren Centren des Stoffwechsels herab- setzt, ist zwar mit roller Sicherheit noch nicht erwiesen, kann abet doch ftir mSglieh, ja sogar ftir wahrscheinlieh gehalten werden, with- rend eine derartige Wirkung bei Substanzen, die sehon in sehr kleinen Iengen in erster Linie wichtige Functionen tie~greifend veritndern~ yon vorne herein nnwahrseheinlich oder selbst unmSglich erscheint. Zu dieser Klasse gehSren aneh die Stoffe tier Digitalingruppe. Ueber das u der pneumonisehen Loealerkrankung unter dem Einfluss der Digitalisbehandlung finden sich zwar bei einzelnen Autoren Angaben, aber gerade diese bedtirfen einer kritisehen, yon jeder pathologischen Dogmatik freien Beurtheilung. Eine blosse Zusammen- stellung der yon den versehiedenen Beobachtern gegebenen Sehluss- folgerungen gentigt allein nieht, um ein sieheres Urtheil zu begrtlnden. Bei der rationellen Anwendung der reinen Digitalinwirkung wird es sich vor allen Dingen um die Entseheidung der Frage handeln, ob die Besehaffenheit des Pulses dazu auffordert, dureh jene Wir- kung eine stitrkere Ftillung des arteriellen Systems und damit eine entspreehende veritnderte Blutvertheilung herbeiztffUhren, dutch welehe vielleicht neben allgemeineren gtinstigen Folgen ein Einfluss auf dig Loealisation des entztlndliehen Processes ausgeUbt warden k~nnte. Arch ly s experimentr Pathologic u. Pharmakologie. XVI.Bd. 13 182 VII. SCg~IEZ~E~ER~ Was nun die Behandlung der Lungenphthise mit Digitalis be- trifft, so wurde dieses Mittel bald nach seiner Einfiihrung in die Praxis yon englischen Aerzten, namentlieh yon B e d do ~s, derartig geriihmt~ dass der letztere behauptete, die Sehwindsucht werde dutch dassclbe ebenso regelmassig geheilt, wie das Wechselfieber durch die Chinarinde. l) In einer spateren oben bereits angefUhrten Ab- handlung vcrwahrt er sich gegen die Missverstandnisse, die dieser Ausspruch hervorgerufen butte, und bestimmt die Falle naher, in denen die Digitalis Nutzen schafft und wo dieser ausbleibt. Daaber ~liese hochgertlhmten Erfolge aus jener Zeit spater nicht bestatigt werden konnten, so liegt der Gedanke nahe, dass sie zum Theil wenigstens mit den in jener Epoehe unvcrmeidlichen Unsicher- heiten in der Diagnose in Zusammenhang zu brlngen sind, obglcich Beddo~s 2) die Annahme ftlr grundlos erklart, dass es zwei ver- schiedene Species yon Lungenkrankheiten gebe, die gewisse Sym- ptome gemeinsam haben und bisher miteinander verwechselt seien, und dass die Digitalis nut gegen die eine Art yon Krankheit, nieht gegen die wahre Schwindsucht heilsam sei. Trotz aller ungtinstigen Resultate ist es indessen nicht unmSg- lieh~ dass auf Grund einer scharf umschriebenen rationellen Indica- tion in solchen Fallen, in denen bei jagendlichen Individuen Nei- gung zu Lungencongestion und Lungenblutungen besteht, durch eine langere Zeit hindurch fortgesetzte~ dutch die Digitalinwirkung herbei- geftihrte st~irkere Ftillung der Arterien ein Nutzen erzielt werden kSnnte. In allen Fallen, bei Herzfehlern sowohl wie bei Lungenkrank- heiten, in dencn man yon der Anwendung der Digitalis cinen Nutzen beobachtete oder erwarten darf, lasst sich der heilsame Erfolg auf die Digitalinwirkung zurtickftlhren, ohne dass man die pikrotoxin- artige Digitaliresinwirkung zu Htllfe zu nehmen braucht. Bei der Be- handlung jener Lungenkrankheiten mit Digitalis kSnnen tlberhaupt nut das Digitalin and die analogen Stoffe in Betraeht kommen, well nur sie die verlangte st~irkere Ftillung der Arterien ohne Verenge- rang derselben und dadurch die gtinstige Blutvertheilung herbeizu- ftihren im Stande sind. P e r r ie r a) beobachtete in seinen Versuchen mit dem Digitali- i) Contributions to physical and medical knowledge principally from West- Country of England. Bristol and London 1799. p. 534. (An Essay on pulmonary Consumption.) 2) Observations etc. 1. e. 3) Dieses Archiv. Bd. IV. S. 19l. 1875. Vers. 25~27,28, 29, 30u. 35. ImVers. 28 betr~gt die Pulsfrequenz vor der Vergfftung 180 u. nicht 100. Vergl. die S. I91 citirte Dissertation des Verfassers. Digit~lin. 183 resin und Toxiresin eine bedeutende Abnahme der Pulsfrequenz, welehe nach griisseren Gaben vor Ausbrueh der Convulsionen, nach kleineren aueh dann eintrat, wenn die letzteren tiberhaupt ausblieben. Dagegen konnte in Blutdruekversuehen an Kaninehen, die yon mir ausgeftihrt wurdeni naeh subcutaner Application yon Digitaliresin bis zum Beginn der Convulsionen weder ein Einfluss auf den Blut- druek, noch auf die Pulsfrequenz wahrgenommen werden. Vielleicht haben in diesem Falle die Versuehsbedingungen den Eintritt der Pulsverlangsamung verhindert, ~thnlieh wie bei aufgebundenen Hunden das Erbreehen ausbleibt. Ein sieherer Sehluss tiber die Wirkung kleinerer Mengen dieser Substanzen am Menschen lasst sich aus der- artigen Resultaten nicht ableiten. Jedenfalls bleibt es vorlliufig un- gewiss, ob bei der therapeutisehen Anwendung der Digitalis yon einer Digitaliresinwirkung die Rede sein kann. Eine Entscheidung wird sich abet dadurch herbeiftthren lassen, dass die Erfolge der Digi- talisbehandlung mit denen nach Anwendung der chemisch reinen Stoffe der Digitalingruppe verglichen werden. 'Dazu aber fehlt das Material gegenw~trtig noch g~tnzlieh. Zwar sind in Frankrelch vielfach Pr~tparate in Anwendung ge- kommen, die als geniigend rein angesehen wurden, wie das Digitalin yon Hommol le und Quevenne und das Nat ive l le ' sche kry- stallisirte Digitalin. Aber einerseits sind diese Pri~parate nieht frei yon Digitaliresin oder Toxiresin 1) und andererseits ist die Miiglich- keit nieht ausgeschlossen, dass diese Spaltungsproducte im Darm- kanal unter der Einwirkung der Verdauungsfltissigkeiten aus ihren Muttersnbstanzen entstehen. Ftir derartige therapeutische Versuche mtlssen daher aueh solehe Substanzen der Digitalingruppe eine be- sondere Berticksiehtigung finden, welche bei der Spaltung digitali- resinartig wirkende Produete nieht liefern. Zu diesen gehSrt unter anderen das zuerst yon Marm6 2) als Ersatz der Digitalis empfoh- lene und gegenw~trtig yon M e r e k in Darmstadt in gentigender Rein- heir in den Handel gebrachte Hellebore'in. Mit diesem sind bereits therapeutische Versuche yon L ey den 3) angestellt worden, abet mit vtillig negativem Erfolg. Man kann wohl annehmen, dass die yon Leyden verabreichten Gaben, welche im Maximum t~glieh 0~012 g betrugen~ viel zu gering gewesen sind. Die Dosirung dieser Stoffe fiir den Menschen lasst sich nicht ohne Weiteres nach den an Thieren bei Injection unter die Haut 1) vgl. dieses Archly. Bd. III. S. 33 u. 40. 1874. 2) Ztschr. f. rat. Medicin. IIL Reihe. Bd. 26. S. 93. 1866. 3) Deutsche medic.Wochenschr. No. 26. 1881. 13" 184 YII. SC~IED~BERG oder in das Blut erlangten Resultaten fiber die Starke der Wirkung bemessen, wcil dabei die Resorptionsverhaltnisse, die gerade bei dieser Gruppe yon Stoffen eine grosse Rolle spielen, nicht genligend in Rechnung gebracht werden kiinnen. Das Hellebore'in wird nach den Erfahrungen, die man an Thieren zu machen Gelegenheit hat, auscheinend leichter resorbirt und wahr- scheinlich auch rascher ausgeschieden, als die Mehrzahl der iibrigen Stoffe dieser Gruppe. Wenn daher am Mensehen solche Mengen Hellebore'in in den Magen gebracht werden, die subcutan applicirt zur Hervorbringung einer starkeren Wirkung gentigen wUrden, so tritt in Folge jener Resorptionsverhi~ltnisse leicht eine derartige Ver- theilung der Substanz im Organismus ein, dass ein Theil sich noch im Magen befindet, w~hrend ein anderer veriindert oder unverandert bereits mit dem Harn wieder ausgeschieden ist, und nur ein ge- ringer Antheil sieh im Blute und den Geweben finder, der ftir die gewtinschte Wirkung nicht ausreichend ist. Die Dosirung muss daher in solchen Fallen in der Weise vorgenommen werden, dass man mit den Gaben ansteigt, bis der Puls die einer stiirkeren Ffillung der Arterien entsprechende Beschaffenheit angenommen hat. Dabei kann es allerdings vorkommen, dass gleiehzeitig mit dieser therapeutischen Wirkung oder sogar frUher als dieselbe eine unangenehme und sti~- rende locale Einwirkung auf den Magea und Darmkanal in Form yon gastrischen StOrungen, Erbrechen und Durehfallen sich geltend macht. Die meisten, wenn nicht alle Substanzen der Digitalingruppe kSnnen an den Applicationsstellen Entztindungen hervorrufen. Es scheint dabei im Wesentliehen ihre L~slichkeit in Wasser und die Resorptionsgeschwindigkeit maassgebend zu sein. Das in Wasser vt~llig ualiisliche Digitoxin verursacht in den kleinsten Mengen (0,1 bis 0,5 mg) bei subcutaner Injection heftige phlegmon~se Entzfin- dungen.J) Ueber das Antiarin liegen zwar in dieser Richtung keine Erfahrungen vor, doch lasst sieh voraussetzen, dass dasselbe als kry- stallisirbare, in Wasser 15sliche und in kleinen Mengen wirksame Substanz yon der Applicationsstelle aus leicht resorbirt werden wird, ohne eine entztindliehe Reizung hervorzubringen. Die letztere wird voraussichtlieh bei der subcutanen Anwendung des Helleboreins in vielen Fallen ausbleiben, in anderen dagegen in Folge zufallig ver- ziJgerter Resorption mehr oder weniger heftig auftreten. Im Allge- meinen wird man yon einer subeutanen Anwendung dieser Stoffe Abstand nehmen mtissen. l) vgl. Koppe, Dieses Archly. Bd. III. S. 299. 1875. Digitalin. 185 Die drei Digitalisbestandtheile werden verhaltnissmassig sehwer resorbirt und dann aueh langsam ausgesehieden. Damit hangt die bcim Digitalisgebrauch beobachtete sogenannte cumulative Wirkung zusammen. Es kommt in solchen Fallen bei fortgesetztem Gebrauch und zum Theil unter dem Einfluss einer ge- st(irten ~ierenthatigkeit leicht zu einer Anhaufung der wirksamen Stoffe im Organismus, wodurch zuweilen ganz pli~tzlieh unangenehme und selbst lebensgeflihrliche Erscheinungen bedingt werden. Daher sind die sog. medicinalen Vergiftungen bei keinem Arzneimittel so haufig~ als bei der Digitalis, ganz abgesehen yon den gewiss sehr zahlreichen Fallen, in denen ein unerwarteter pl(itzlicher Tod bei einem mit Digitalis behandelten Herzkranken nicht auf Rechnung einer zu starken Digitalinwirkung gebraeht, sondern dem Leiden zugeschrieben wird, welches dasselbe Organ betrifft, auf welches das Mittel einwirkt. Die Dosirung eines Arzneimittels muss sich stets nach der Stiirke der gewiinschten Wirkung richten. Man soll yon jenem in anstei- gender Gabe soviel anwenden, dass die Wirkung, die ftir den the- rapeutischen Erfolg ertbrderlich erscheiut, nachweisbar eintritt. Das kann abet in sichercr Weise nur durch die Anwendung chemisch reiner Substanzen erreicht werden, yon denen der mittlere Wirkungs- werth auf cine bestimmte Gewichtsmenge bezogen, sowie die Resor- ptionsgeschwindigkeit bekannt sein mtissen. Man ist unter diesen Verhi~ltnissen ~m leiehtesten im Stande, die Wirkung so rasch wie miiglich hervorzurufen, sie auf der gewtinschten HShe zu erhalten, oder wenn niithig, zu verstarken und zu vermindern. Nur wcnn man in dieser Weise ein Arzneimittel zu handhaben im Stande ist, was allerdings eine genaue Kenntniss" seiner Eigenschaften und Wirkungen voraussetzt, wird tier Erfolg mSglichst gesic.hert und die Gefahr, so- weir thunlich, vermieden. Wet aber nieht dariiber hinaus ist, die traditionellen, in den Receptbtichern enthaltenen oder dureh die eigene subjective Ueber- zcugung festgestellten Gaben anzuwenden, wird die Saehe in keiner der beiden Richtungen beherrsehen. Bei den Stoffen der Digitalingruppe ist es im Interesse des the- rapeutischen Eriblges und der Vermeidung der grossen Gefahren einer zu starken Wirkung yon besonderer Wichtigkeit, eine chemisch reine Substanz anzuwenden, die, ohne bei subcutaner Injection locale St(i- rungen hervorzurufen, leicht resorbirt wird und dutch welehe daher jeder gewtinsehte Grad der Wirkung (Steigerung des Blutdrucks) langere Zeit hindurch unterhalten werden ktinute. 186 vii. ScHmlm)~aa Von den oben aufgeftthrten Substanzen kommen in dieser Be- ziehung zunRehst das Ant ia r in und Thevet in in Frage. Sic eig- neteu sich der obeu beim Antiarin erwghnten Eigenschaften wegen voraussichtlieh nicht nur fiir die innerliehe Anwendung, sondern aueh fur die ginspritzung unter die Haut. Doch sind sic vorltiufig im Handel nicht zu haben. Die Antiaris toxicaria, yon der das An- tiarin abstammt, wgehst im Inueren Javas und dttrfte schwer zu- gttnglich sein. Lcichter wiire wahrscheinlich das Thevetin zu be- schaffen. Das yon Gal lo is und Hardy aus der Sassyrinde dar- gestellte E r y t h r o p h 1 e:~n, dessen Salze in Wasser sehr leioht l~slieh sind, verdient ebenfalls Berticksichtigung. Es bringt nach H a r n a C k and Zabrock i 1) neben der Digitalin- allerdings auch die Pikro- toxin- oder Digitaliresinwirkung hervor. Aber wenn auch die letz- tore vielleicht keine Bedeutung in therapeutischer Beziehung hat, so braueht sic doch auch nicht stiSrend und sehttdlich zu sein. Durch geeignete Versuehe an Kranken wird sieh leicht feststellen lassen, ob sich durch dieses Alkaloid, welches ftlr die subcutane Anwen- dung ganz besonders geeignet erseheint, die gewUnschte Wirkung auf dss Herz hervorrufen 1}isst, ohne dass eine solehe auf das ver- l~ingerte Mark eintritt. Von den Digitalisbestandtheilen ist das Dig i t o x i n wegen seiner Unllisliehkeit in Wasser unbrauehbar. Seine Resorption erfolgt so unregelmiissig, dass naeh denselben Gaben die Wirkung das eine Mal ganz ausbleiben~ in einem anderen Falle dagegen zu stark wer- den kann. Das D ig i ta l in und Dig i ta le ' /n sind nur schwer rein darzustellen und werden daher zu kostspielig sein. Dasselbe gilt yon dem Sei l la~n und dem Adon id in , welehe in den betrcffendeu Droguen nut in sehr geringer Menge enthalten sind. Oh das Ma- terial fiir die Darstellung des Evonymins und des S t rophant ins billig zu haben und ob die Darstellung dieser Stoffe leieht auszu- fUhren sein wird, liisst sieh vorlliufig nieht tibersehen. Ftir die iu- nerliche Anwendung wUrden sigh die vier zuletzt genannten Sub- stanzen recht wohl eignen. Das Cova l lamar in and Apocyne in reihen sich nebst dem Digitale'in in Bezug auf ihre Eigenschaften dem Hellebore'in an and kiinnen diesem gegeniiber kaum in Frage kommen, weiI sic wegen ihrer amorphen Besehaffenheit vermuthlieh schwerer resorbirbar sind, als dieses. Es bleiben nur noch das O leandr in und Apoeyn in tibrig. 1) Dieses Archly. Bd. XV. S. 403. 1882. Digitalin. 187 Sie sind in den betreffenden Pflanzen, in dem am ganzen Mittelmeer welt verbreiteten Oleander und dem in Nordamerika einheimiseheu indianisehen Hanf (Apoeynum eanabinum), in reiehliehen Mengen ent- halten und ohne besondere Sehwierigkeiten genUgend re in darzu- stellen; das Apoeynin noeh leiehter als das Oleandrin, well aus dem letzteren beigemengtes Neriantin und Oleandresin nieht leieht heraus- zubringen sind. Diese beiden Glieder der Digitalingruppe eignen sieh ihrer L~s- liehkeitsverh~tltnisse wegen nur fttr den innerliehen Gebraueh. Sie stimmen in Bezug auf ihre Eigensehaften im Wesentliehen mit ein- ander iiberein, geben aber versehiedene Spaltungsproducte. Das Oleandrin ist ein Glykosid, das sieh beim Erhitzen mit verdUnnten Stturen in Zueker und das nach Art des Digitaliresins wirkende Oleandresin spaltet, wRhrend das Apoeynin bei dieser Behandlung in eine unwirksame Substanz tibergeht, Ob diese Unterschiede fur die Behandlung yon Krankheiten yon Bedeutung sind, wird sich durch Versuehe an Kranken feststellen lassen. Dabei werden ins- besondere auch die ResorptionsverhRltnisse der beiden Stoffe zu be- rUcksiehtigen sein. Denn es kommt auch hier darauf an, dass die gewtinsehte Wirkung sieher und leieht eintritt, ohne'Sttirungen der Magen- und Darmfunetionen zu verursachen. So wird also der klinisehe Versueh zu entseheiden haben, welche yon den bisher bekannten Stoffen der Digitalingruppe sieh vorzugs- weise ftir den praktisehen Gebrauch eignen werden. Es werden dabei in erster Linie Versuche mit dem Hellebore'~n und Erythro- phle'l'n anzustellen sein, weft diese Stoffe bereits im Handel zu haben sind. Es wird dann nicht sehwer fallen, bald aueh das Oleandrin, Apocynin, Thevetin und vieUeicht aueh manchen anderen geeigneten Stoff ftir die Praxis zugiinglich zu machen. Die Aufgabe der experimentellen Pharmakologie wird auch fernerhin darin bestehen~ einerseits die Kenntniss der Wirkungen dieser interessanten und wiehtigen Gruppe yon pharmakologisehen Agentien za fiirdern~ und andererseits immer neue hierher gehiirige Stoffe anfzusuehen und auf ihre Bedeutung and Brauehbarkeit ftir die Praxis hinzuweisen.


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