(Aus dem Agrikultur- und Physiologisch-Chemischen Laboratorium der Eidgen6s- sischen Technischen Hoehschule Ziirich.) Beitr~ige zur Kenntnis des Tabakgenusses. I. 2vlitteilung. Von Alfred Winterstein und Ernst Aronson. Mit 3 Textabbildungen. Die Erw~gungen, welche uns veranlaBten, trotz der vielen schon bestehenden Untersuchungen fiber Tabak und das Tab~krauchen, neuerdings mit einer umfassenden Arbeit an diese Frage heranzutreten, sind folgende : Erstens schienen uns die in den versehiedenen Arbeiten angewandten chemischen Methoden zur Bestimmung des Iqicotins, speziell bei den Untersuchungen des Tabakrauches, nich% genfigend zuverl~ssig, weil einerseits -- infolge der beim RauchprozeB auftretenden Zersetzungs- produkte des Nicotins -- dieses mittels der fiblichen chemischen Me- thoden nur sehr ungenau bestimmt werden kann, anderseits handelte es sich sehr oft um die Bestimmung so kleiner Mengen, dab sic auf chemischem Wege fiberhaupt nicht mehr gefaBt werden konnten. Es ~chien also wiinschenswert, mittels einer ex~kteren Bestimmungs- raethode manche auf den RauehprozeB sich beziehende Angaben nach- ~.uprtifen und auch noch auf versehiedene ungel6ste Probleme ein- zutreten. Zweitens drangte sich uns die Frage auf, welche Stellung wit ein- zunehmen haben gegeniiber den in letzter Zeit vor allem in Amerika in erh(ihtem Mal~e einsetzenden Bestrebungen, welehe eine g~nzliehe Unterdriickung des Tabakgenusses bezweeken. Bei der ungeheuren sozialhygienisehen Bedeutung, die dem Tabak als weitestverbreitetem Genul~mittel zukommt, erscheint uns die ]3etrachtung letzterer Frage als ganz besonders wichtig. Die Bek~mpfung des Tabakgenusses im Sinne einer v611igen Pro- hibition ist nach unserer Auffassung verfehlt. Wenn die amerikanische Anti-Nicotin-Liga mit besonderem Nach. druek darauf hinweist, dab seit der Einffihrung des Alkoholverbotes Zeitschr. f. Hygiene. Bd. 107. 32 488 A. Winterstein und E. Aronson: der Tabakkonsum sehr stark gestiegen ist, und den schlechten Ge- sundheitszustand der amerikanischen Nation (~.) damit in Zusammen- hang bringtl), deutet sie selbst an, welche Folgen ein Tabakverbot haben kSnnte: Der Raueher wiirde sich eben ein anderes Genul~mittel zu verschaffen suchen. Jedenfalls w~re damit zu rechnen, dal~, wie es z. B. in Deutschland in der Nachkriegszeit geschehen ist, die Tabak- gewinnung im kleinen betrieben wiirde. Dies aber birgt die groBe Gefahr in sieh, da~ infolge unfachm~nnischer Fermentation nicotin- reiehe und zudem sehlechte Tabaksorten produziert wiirden2). Bei gut geleiteter Fermentation wird bekanntlich ein Tell des Nicotins zerstSrt, um Aromastoffen Platz zu machen. Wenn auch wahrscheinlich beim Tabakrauchen aul~er dem Nicotin noch andere Substanzen eine physiologische Wirkung auf den Orga- nismus ausiiben, steht doch auBer Frage, dab bei der grol3en Giftigkei~ des Nicotins dieses die bei iiberm~Bigem Rauchen auftretenden Sch~tdi- gungen verursaeht 3). Die Qualit~t bzw. das Aroma tines Tabaks stehg, soviel wir nach unseren Untersuehungen beurteilen kOnnen, in keiner direkten Be- ziehung zum Nieotingehalt. Die grol~e Masse der Raueher isg nicht in der Lage, den Nieotingehalt eines Tabaks beim Rauchen sicher erkennen zu kiSnnen. In einer grOgeren Versuchsreihe, fiber die wir in anderem Zusammenhange berichten werden, konnten wir z. B. fest- s~ellen, daft yon geiibten Rauchern Zigaretten mit einem Nico~in- gehalt yon 1,1% als schwer, solche mit einem Gehalt yon 2,4% als sehr leicht bezeichnet wurden. Fiir unsere Zweeke war die Ermittelung des Nicotingehaltes von Tabak und Rauch also hinreichend. Ffir die Bestimmung des Nicotins auf chemischem Wege sind eine gr61~ere Anzahl yon Methoden ausgearbeitet worden, die jedoeh aus den oben angegebenen Griinden fiir unsere Untersuehungen nicht in Betracht kamen. Die quantitative Bestimmung des Nicotins auf biologischem Wege ist auf verschiedene Weise versucht worden. Storm .van Leeuven 4) erhielt gute Resultate bel Versuchen an der dekapitierten Katze, indem er die bei Nicotinzufuhr eintretende Blut- drucksteigerung miBt. Er konnte bis 1/1 o mg Nicotin nachweisen. 1) Tabakzeitung 40, 121. 1926. 2) Rhode, C. 1, 543. 1923. - - Heller, Umschau 28, 75. 1924. - - Sattler, Dtsch. med. Wochensehr. 70, 701. 1923. ~) Rather, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 113, 198. 1906. - - Lehmann, Arch. f. Hyg. 6S, 321. 1909. - - Habermann, H. 33, 955. 1901; 40, 148. 1903. - - Ehrenleld, H. 56, 363. 1908. - - MendenhaU, Ber. ges. Physiol. u. exp. Pharmakol. 32, 683. 1925. 4) Starm van Leeuvsn, Geneesk. bluden ui~ -ldiniek en ]aborafl. 1916, Nr. 5. Beitr~ge zur Kenntnis des Tabakgenusses. I. 489 Hahn und Langer 1) fiihrten die Bestimmungen am Kaninchendarm aus. Es gelang ihnen noeh 1/20 mg l~ieotin naehzuweisen. Bogner und Silberbauer 2) versuchten die Bestimmung in der Weise durehzuffihren, dab sie aus den am l ebenden Frosche beobachgeten Nicotinvergiftungserscheinungen Rfickschliisse auf die Nicotinmengen zogen. Die yon uns ausgeffihrte Nachprfifung dieser Methode ergab, dab sie durchaus unzul~nglich ist und kaum Naherungswerte liefert, da die FrSsche, auch wenn sie gleichaltrig sind und gleiches Gewicht be- sitzen, ganz verschieden stark auf die gleichen Nicotinmengen reagieren. Toscanoa) empfiehlt die Anwendung yon Muskulatur des Ascaris lumbricoides fiir exakte Nieotinbestimmungen. .Fi~hner 4) besehreibt eine Methode zur Bestimmung des Nicotins am Musculus gastrocnemius, mit der er jedoch keine befriedigenden Resultate erzielen konnte. In neueren Arbeiten empfiehlt _Fi~hned') die Verwendung yon Blutegelmuskulatur. Er konnte nach dieser Methode noch 1/10o mg Nicotin nachweisen. Die Bestimmung geschieht in der Weise, dal~ man die Kontraktion beobachtet, die der Muskel auf Zusatz einer zu untersuchenden NicotinlSsung ausffihrt, dann das Nieotin aus dem Muskel ausw~ischt und nun eine I~icotinlSsung be- kannten Gehaltes auf ihn einwirken li~l~t. Dutch Vergleieh der St~rke der Kontraktionen l~l]t sich der Nicotingehalt einer LOsung sehr genau bestimmen. Es ist mit dieser physiologischen Methode mSglieh, den Nicotingehalt eines Tabaks bis auf 0,05~/o genau zu ermitteln. Die beim Arbeiten mit biologischem Material in der Regel auf- tretenden Schwierigkeiten konnten wir nach relativ kurzen Vorver- suchen fiberwinden. Die Tatsache, dal3 wir in ca. 6 Monaten fiber 1000 Nicotinbestimmungen am Blutegelpr~parat ausfiihren konnten, ist der beste Beweis fiir die Brauchbarkeit dieser Methode. In etwa 10~/o der Versuche erwies sich der Blutegel aus unbekannten Griinden als unbrauchbar, in ebensoviel F~llen arbeitete der Muskel, wie z. B. aus Kurvenserie 1 und 3 ersichtlieh ist (s. exp. Tell), fast mit mathemati- seher Genauigkeit. Es gelang uns, w~hrend einer Versuehsdauer yon 8 Stunden 16 auswertbare Kontraktionen an ein und demselben Prapa- rate zu erzielen. Gew6hnlieh nimmt d ie Empfindlichkeit des Muskels anf~nglich etwas zu, um yon der 8.--10. Kontraktion an wieder ab- zunehmen (s. Kurvenserie 2). Auch in diesen Fi~llen lassen sieh die Kon- traktionen bei einiger Erfahrung gut auswerten. 1) Hahn und Langer, Zeitschr. f. Hyg. u. Infektionskrankh. 90, 22. 1920. 2) Bogner, Silberbauer, Dissertationen. Erlangen 1921. a) Toscano, Cpt. rend. des s6ances de la soe. de biol. 94, 918. 1921. 4) Fiihner, i~aehweis und Bestimmung yon Giften auf biologisehem Wege. Berlin 1911. ~) $'iihner, Biol. Zeitschr. 92, 355. 1918. - - ~'iihner und Tesehendor/, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 192, 135. 1921. 32* 490 A. Winterstein und E. Aronson: Wie aus Kurvenserie 2 ersichtlich ist, reagierte der Muskel noch schr stark auf eine Nicotintartratl6sung yon 1 : 1 Million (1 g Nieotin- ~ar$rat = 0,325 g Nicotin); es w~re an diesem PrKparat auch eine Nicotinl6sung halber St~rke bestimmbar gewesen. ])a wir fiir ehmn Versuch 25 ccm L6sung ben6tigen, lassen sich also Mengen yon 1/200 mg Nicotin noch gut nachweisen und bestimmen. Von ganz besonderem Vorteil ist die Anwendung dieser Methode zur Bestimmung des Nicotins im Tabakrauch, da die Blutegelmuskulatur, wie unsere Versuchc ergeben haben, auf die verschiedenen Nicotin- zersetzungsprodukte wie Pyridin, Pyrrolidin, Methylpyrrolidin, Am- moniak usw. erst in 1000mal h6heren Konzentrationen als auf Nicotin reagiert. ])iese Stoffe wirken bei der chemischen ]~estimmung des Nicotins sehr st6rend. Urn uns ein Bild fiber den Nicotingehalt der im Handel befind- lichen Zigarettensor~en machen zu k6nnen, untersuchtcn wir nach der oben angegebenen Methode 85 dem schweizeI%chen Markte ohne be- sondere Wahl entnornmene Zigaretten. Dabei ergaben sich sehr groBe Unterschiede bezfiglich des Nicotingehaltes: als nicotinreichste fanden wit die als ,,Gauloises" bezeichnete Marke der franz0sischen Regie mit einem Gehalt yon 2,9% Nicotin (Marylandtabak), als nicotin- Krmste erwies sich die ,,Edib-Turmac" mit einem solchen yon 0,85O/o . Die Mehrzahl der untersuchten Zigaretten besitzt einen Nicotingehalt yon ca. 1,6%. Interessant ~st, dab die Marke ,,Hygis"-Waldorf-Astoria, welche als besonders nicotinarm ffir ,,nicotinempfindliche Raucher" empfohlen und auf kfinstlichem Wege entnicotinisiert wird, nicht aul3er- ordentlich nicotinarm is$, sie enth~ilt 1,1%. Die Bezeiehnung ,,besonders nicotinarm" sollte nur fiir l~auchprodukte statthaft sein, die weniger als 0,5% Nicotin enthalten. ])urch das Entgegenkommen des Kiaz im-Emin-Konzerns waren wit in dcr Lage, die zur Fabrikation der ,,Edib-Turmac" verwendeten 25 verschiedenen naturrcinen Tabaksorten zu untersuchen. Es handelt sich um Tabake aus Bulgarien, Mazedonien und der Tfirkei. 1gicotingehalt der lu/ttrockenen Tabake in Prozent. Herkunf t 5 Iazedon ien : a b c d e Zichna . . . . . 1,0 0,8 0,8 0,75 Kir . . . . . . 0,85 0,85 0,85 Pravi . . . . . 0,95 0,95 1,05 1,05 ]3ulgarien: :Djebel (Losblatt) 0,6 ])jebel (Basma). 0,7 0,6 0,75 0,5 0,5 Stanimaika . . 0,75 0,75 0,7 0,7 0,75 Tiirkei: Smyrna . . . . 0,75 0,5 Beitr~ge zur Kenntnis des Tabakgenusses. I. 491 Verschiedene dieser nieotinarmen Tabaksorten besitzen ein sehr angenehmes Aroma. Es ist bemerke~swcrt, daft die Erzeugung nicotinarmer Zigaretten Iediglich dutch geschickte Mischung geeigneter Tabalce erziett werden kann. Das Ziel, das wir anstreben, ist die FSrderung der Produktion von Tabaken, die einen •icotingehalt yon weniger als 1% aufweisen. Wenn man bedenkt, dal~ die Mehrzahl der yon uns untersuch- ten 85 Zigarettensorten einen wesentlich hSheren Iqicotingehalt als 1% besitzt, wiirde der Ersatz dieser, durch nicotinarme, wie sie z. B. aus den oben angegebenen Tabaken hergestellt werden k6nnen, einen ganz wesentliehen Fortsehritt in der Hygiene des Rauchens bedeuten. Es ist dabei noeh zu beachten, dal~ beim Rauchen nicotinreicher Zigarren und Zigaretten in der gleichen Zeiteinheit mehr Nicotin resorbiert wird als beim Rauchen nicotinarmer, und dal~ aueh aus diesem Grunde nicotinarme Produkte vorzuzieher~ sind. Die im Gange befindlichen Untersuehungen, mit denen wit dem uns" gesteckten Ziele: FSrderung der Kultur nicotinarmer, aroma- tisch vollwertiger Tabaksorten n•herzukommen hoffen, erstrecken sich nach zwei Richtungen: 1. Verminderung des Nieotingehaltes durch besondere Fermen- tation. 2. Z/ichtung and Sortenauswahl nicotinarmer Tabakpflanzen. Im Zusammenhange mit diesen Betrachtungen ergi~be sieh die wichtige Forderung, daB, im Sinne einer Aufklarung des l~auchers, der Nicotingehalt yon Tabakfabrikaten bekannt gegeben werden miiBte. Der Staat selbst h~tte es in der Hand, die Verarbeitung nicotinreicher Tabaksorten zu erschweren oder zu verunmSglichen. Merkwfirdiger- weise erhebt die Eidgenossensehaft auf die zum Teil sehr nieotinreichen Marylandtabake einen niedrigeren Zoll als auf andere nicotinarmere Soften. Manche Bestrebungen, den Raucher dadurch vor den Nieotin- seh~digungen zu bewahren, dab das Nieotin in geeigneter Weise vor dem Eintritt in die MundhOhle absorbiert wird, sind ziem- lieh erfolglos geblieben, trotzdem nach uriseren Befunden z. B. mit FeC1 a getrankte Watte einen groBen Teil des Nicotins zuriiek- halt. Einige Versuche, welehe feststellen sollten, ob Form, L~nge und Wassergehalt der Zigarette einen EinfluB auf die im Stummel zuriick- gehaltene Nieotinmenge ausiibt, ergab folgende Resultate (Mittelwerte yon je drei Versuchen): 492 A. Winterstein und E. Aronson: lm Stummel zurtickge- haltene Nicotinmengen Zigarettenform Stummell i inge in Proz. des im ge- in mm in mm rauchten Tell ent- haltenen Nicotins 68 • 7,5 15 6 136 • 7,5 15 10 80 • 8,5 15 8 flachoval 80 • 8,5 12 10 flachoval 80 X 7,5 15 8 rund 80 • 7,5 9 9 fund 68 X 9,5 15 7 hoehoval 68 • 7,5 15 6 flachoval 65 • 9,5 15 5 Bei Zigaretten mit einem Wassergehalt vort 15--18% werden 10--15~ mehr Nicotin im Stummel zurfickgehalten als bei Zigaretten, die bei 80 ~ getrocknet worden waren. Die im 15 mm ]angeri Zigarettenstummel zurfickgehaltene Nicotin. menge ist relativ klein und betriigt z. B. f fir Zigaretten normaler Gr61~e (68 • 7,5ram) mit einem Gesamtnicotingehalt yon 14mg 0,Tmg, bezfiglich der verrauchten Menge also ca. 6% . Form, L inge und Wassergehalt einer Zigarette fiben auf die im Stummel zuriickgehaltene Nicotinmenge keinen grol3en Einflul~ aus. In der demnichst erscheinenden zweiten Mitteilung werden wir fiber einen weitgehende n Vergleich zwischen Zigarren-, Zigaretten- und Pfeifenrauchen berichten. Experimenteller Teil. I)er Blutegel wird nach der yon Fiihner und Teschendor] (1. c.) an- gegebenen Methode pripariert, indem ein Muskelstfick yon ca. 15 Ringeln herausgeschnitten und dieses vollst~ndig von Nerven und anhaftendem Gewebe befreit wird. Im Gegensatz zu Fi~hner, der die Rfickenmusku- latur empfiehlt, verwandten wir ausschliel~lich die Bauchmuskulatur, da sich bei vergleichenden Versuchen gezeigt hatte, dal3 das Nicotin aus der dickeren Riick'enmuskulatur schwerer ausgewaschen wird als aus der dfinneren Bauchmuskulatur. Aus einem Blutegel konnten wir vier brauchbare Pr iparate herstellen. Der nicht sofort verwendete Teil des Blutegels kann, in Ringer-LSsung bei 0 ~ aufbewahrt, gut noch nach einer Woche gebraucht werden. Wie wir in einigen Vorversuchen feststellten, scheint eine Aktivierung weniger gut reagierender Muskeln durch Bestrahlung mit der Quarz- Beitr~ge zur Kenntnis des Tabakgenusses. I. 493 lampe m~glich zu sein. Eine ~hnliche Beobachtung machte Zwaarde- makerZ), der eine Aktivierung des tterzmuskels durch Poloniumstrah- lung feststellen konnte. Diese Angabe wird allerdings yon 1Viederho//~) bestritten. Das Muskelstfiek wurde in bekannter Weise an der Aufh~ngevor- iichtung befestigt. Die Belastung w~hlten wir etwas niedriger als Fiihner, namlieh nur 2--3 g. Hebelfibertragung 1:10. Umdrehungs- gesehwindigkeit des Kymographions: ca. 10 cm pro Stunde. War der Muskel zu Anfang des Versuches stark kontrahiert, so erwies sieh eine Vorbehandlung desselben mit 3proz. alkoholischer Ringer-LSsung als vorteilhaft. Die Dilatation des Muskels durch sthrkere Belastung zu erzielen, ist unzweckm~l~ig. Wir liel~en das Nicotin in jedem Versuch 10 Min. lang auf den Muskel einwirken, eine Zeit, die wir durch vergleichende Versuche als die giinstigste erkannt haben. Nach der Einwirkung des Nicotins wurde bei stillstehendem Kymographion mit 3proz. alkoholischer Ringer-L6sung ausgewaschen, und zwar so lange, bis der Muskel die urspriingliche Dilatation wieder erreieht hatte. Die Dauer des Auswasehens schwankt je nach der Dieke des Muskels und ist stark abh~tngig yon der auf ihn einwirkenden Nicotinmenge. Die Anwendung st~rkerer Nicotin- 15sungen als etwa 1:1 Million ist zu vermeiden, da sonst l~ngeres Auswaschen, bis zu 30 Min. erforderlich ist, wodurch der Muskel gesch~digt wird. In der Regel hatte der Muskel nach 5--10 Min. langer Behandlung mit alkoholischer l~inger-L6sung seinen urspriing 7 lichen Tonus wieder erreicht. Der Alkohol wurde durch zweimali- gcs Auswaschen mit Ringer-L6sung entfernt. Wichtig ist das Durch- leiten eines starken Luftstromes dutch die Versuchsl6sung, da da- durch ein rascheres Auswaschen des Muskels erreicht wird. Um jegliche Erschiitterung beim Auswechseln der Fliissigkeit zu ver- meiden, wurde dieselbe jeweils mittels der Wasserstrahlpumpe ab- gehebert. Um festzustellen, ob auger dem Nicotin noeh andere Bestandteile des Tabaks auf das Blutegelpr~parat einwirken, wurden 2 g Tabak mit 200 ccm Wasser versetzt, mit NaOH schwach alkalisch gemaeht und der Wasserdampfdestillation unterworfen. Eine bestimmte Menge des Destillates wurde mit einer LOsung, die durch direkte Extraktion derselben Menge Tabaks gewonnen worden war, vergliohen: die Kon- traktion war in beiden Fi~llen gleich stark. Der durch die Wasser- dampfdestillation yon Nicotin befreite Rtickstand reagierte in keiner Weise auf den Muskel. Mi~ Wasserdampf nieht flfiehtige Bestandteilo 1) Zwaardemaker, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 213, 757. 1926. ~) Niederho//, Pfliigers Arch. f. d. ges. Physiol. 213, 823. 1926. 494 A. Winterstein und E. Aronson: des Tabaks iiben also keinen EinfluB auf die Kontraktionen des Mus- kels aus. In anderem Zusammenhang werden wir fiber unsere Versuche be- riehten, welche dartun, dai~ aueh die flfichtigen Zersetzungsprodukte des Nieotins (Pyridin, Pyrrolidin, Methylpyrrolidin, NH 3 usw.), wie sie vor allem im Tabakraueh auftreten, keinen Einfluf~ auf die Genauig- keit der Bestimmungsmethode ausfiben. Die meisten der yon uns untersuehten Substanzen bewirkten wohl eine Kontraktion des Mus- kels, jedoeh erst in 1000 real h6heren Konzentrationen als das Nieotin. Es hatte z. B. eine PyridinlSsung yon 1 : 500 die gleiche Wirksamkeit, wie eine Nicotinl6sung yon 1:700000. Als VergleiehslSsung ffir unsere Versuche verwendeten wir Nicotin, welches fiber das Pikrat und dutch mehffaehe Vakuumdestillation gereinigt worden war. Ferner wurde chemiseh reines Nicotintartrat (l g Tartrat = 0,325 g Nicotin), fiber dessen Nicotingehalt wit uns verge- wissert hatten, angewandt. Bestimmung der beim Ziffarettenrauchen im Stummel zuriickgehaltenen Nicotinmenge. Die Versuche wurden in der Weise durehgefiihrt, dab vor dem Rauchen der Zigarette das Mundstfick in einer L~nge yon ca. 15 mm sorgfAltig abgetrennt, gewogen und dann mit Zigarettenpapier wieder an die Zigarette angeldebt wurde. In verschiedenen friiheren Unter- suchungen ist der Fehler gemacht worden, dab der Stumme] erst nach dem I~auchen gewogen wurde. Babel blieb unberficksiehtigt, dab der Stummel w~hrend des l~auchprozesses durch Teere usw. schwerer geworden war. Es wurde der Einflul~ der Liknge, Form und des Wassergehaltes auf die im Stummel zurfickgehaltene Nicotinmenge untersucht. Die lufttrockenen Zigaretten enthielten 14% Wasser, die fiber Wasser aufbewahrten 22% und die bei 80 ~ getroekneten 2%. Im Stummel zuriickgehal- Form 1. 68 X 7,5 mm ]lachovaL tenes Nicotln in toga. in % der Nicothagehalt des gerauohten Tells der Zigarette . . . 11,301 nag verrauehten Nicotingehal~ des Zigarettenstummels von Nicotinmenge 13 mm L~nge und 14% H20-Gehalt; vor dem Rauchen . 2,811 mg~ 0,677 = 6 nach dem Rauchen . 3,389 mg J .Form 2. 136 • 7,5 mm flachovaL Nicot[ngehalt des gerauchten Toils der Zigarette . . . 22,176 mg Nicotingehalt des Zigarottenstummels yon 20 mm Lgnge und 14% H20-Gehalt vor dem Rauchen . 4,032 mg~ 2,239 = 10 nach dem Rauchen . 6,264 mg J Beitrage zur Kenntnis des Tabakgenusses. I. Form 3. 80 • 8,5 ~ng ]Iachoval. Nicotingehalt des gerauchten Teils der Zigarette . . . •icotingehalt des Zigarettenstummcls yon 16 mm Li~nge und 14~ H20-Gehalt; vor dem Rauchen . nach dem Rauchen 16 mm L~nge und 220/o H20-Gehalt; vor dem Rauchen nach dem Rauchen 16 mm L~nge und 2~o H20-Gehalt; vor dem Rauchen nach dem Rauchen 12 ram L~inge und 14% H~O-Geha]t; vor dem Rauchen Form 4. 80 • 7,5ram rund. Nicotingehalt des gerauchten Teils der Zigarette . . . Nicotingehalt des Zigarettenstummels yon 16 mm Lange und 14~o H20-Gehalt; vor dem Rauchen . nach dem Rauchen . 11 mm L~inge und 14% tt~0-Gehalt; vor dem Rauchen . nach dem Rauchen . tZorm 5. 68 • 9,5 hochoval. NicotingehaIt des gerauchten Teils der Zigarette . . . Nicotingehalt des Zigarettenstummels yon 14 mm Lange und 14~/o H20-Gehalt; vor dem Rauchen . nach dem Rauchen . 14 mm Lange und 24% I-I~0-Gehallt; vor dcm Rauchen . nach dem Rauchen . 14 mm Lange und 2~) H~O-Gehalt; vor dem Rauchen . nach dem Rauchen . $'orm 6. 68 • 7,5 mm /lachoval. Nicofingehal~ des gerauchten Tells der Zigarette . . . Nicotingehalt des Zigarettenstummels yon t4 mm L~nge und 14% H,O-Gehatt; vor dem Rauchen . nach dem Rauchen . t'orm 7. 65 • 9,5 mm hochoval. Nicotingehalt des gerauchten Tells der Zigarette . . . Nieotingehalt des Zigarettenstummels yon 13 mm L~nge und 14% H~O-Gehalt; vor dem Rauchen . nach dem Rauchen . 495 Im St,mmel zurilekgehal- tenes Nieotin m mgu. tn% der 9,180 mg verrauchten Nicotinmenge 2,268 mg~ 0,735 = 8 3,003 mg J 2,268 mg~ 0,966 = 10 3,234 mg ! 2,268mg~ 0 ,567= 6 2,835 mg J 1,944 mg 0,990 = 10 8,528 mg 2,080 mg I 2,760 mgJ 0,680 = 8 1,456 mg[ 0,846 = 9 2,302 rag J 9,072 mg 3,136 mg} 3,780 mg] 0,644 = 7 3,136 rag/ 4,144 mg~ 1,008 = 11 3,136 mg/ 0 ,420= 5 3,556 mg / 8,250 mg 2,310 mg 2,772 mg] 0,462 = 6 8,560 mg 1,944 mg~ 0 ,414= 5 2,358 mg ! Erk l i i rung der Kurven. 1. Best immung des 2Vicotingehaltes einer Zigarette. 2 g Tabak wurden 3rea l je 15 Min . lang be i 60 ~ mi t to ta l 400 ccm Wasser ausge laugt und 10 ccm dieses Ext raktes mi t 10 ccm doppe l t s ta rker und 980ccm gewShn l i cher R inger -L6sung auf l l aufgef i i l l t . Von d ieser LOsung wurden f i i r j eden Versuch 25 ccm verwendet . Das N icot in w i rk te bei jedem Versuch 10 Min. lang auf den Muske l ein. K le ine Untersch iede in den Kurvenabstanden r i ih ren yon n icht ganz g le ichm~I~igem Gang des Kymograph ions her . 496 A. Winterstein und E. Aronson: �9 i i l ~ �9 , t ~ ~o~ ~z ~ ~z vn ~. ,m :Beitr/ige zur Kenn~nis des Tabakgenusses. I. 497 Als VergleichslSsungen wurden bei diescr, in Vorversuchen als nicotinarm erkannten Zigarette NicotintartratlSsungen von 1:500000 ( --~ 1 : 1,625000 Nicotin) ; 1 : 700 000 ( ~ 1 : 2 275000 Nicotin) und 1 : 800 000 (~- 1:2600000 •icotin) angewendet. Der bei diesem Versuche beniitzte Muskel zeigte naeh 5 Min. langer Vorbehandlung mit 3proz. alkoholischer Ringer-LSsung eine mittlere Empfindlichkeit, die sich w~hrend des 5 Stunden dauernden Versuehes nich~ ~nderte. Man ersieht aus der Kurvenserie, daft die Zigarette einen wesentlich kleineren Nicotingehalt haben mul~ als Vergleiehs- ]6sung 1:500000 Nieotintartrat. Aus Kontraktion 9 geht hervor, dab die zu untersuchende L6sung konzentrierter ist als 1:800000 Nicotin- tarbrat. Kontraktionen 4,7 und 10 1:700000 Nieotintartrat sind um ein geringes h6her als diejenige der Unbekannten. Der Nicotingehalt derselben diirfte einer Verdiinnung yon 1:2325000 Nicotin ~-0,86% entsprechen. Dieses Resultat konnten wir in 12 Versuchsreihen, bei denen wir verschiedene Bedingungen, wie Konzentration der LSsung usw. variierten, mit einer Fehlergrenze yon 0,05% bestiitigen. 2. Einwirkung yon Nicotinlarlratl6sungen verschiedener Konzentration au/ den Muskel. Kontraktionen 1 und 2 zeigen, wie der Muskel anfi~nglich an Emp- findlichkeit zunimm~. Kontraktionen 3, 4 und 5 sind bei gleicher Nico- tinkonzentration gleich. Die folgenden Kurven zeigen stiirkere Kon- traktionen mit steigendcr Nicotinkonzentration. Kurve 11 ist etwas niedriger als 9, ebenso 12 als 7 und 13 als 5, da die Empfindlichkeit des Muskels gegen Ende des Vcrsuehes wieder abnahm. Um vergleich- bare Resultate zu erhalten, miissen in solehen Fi~llen (ifters Nicotin- 15sungen bekannten Gehattes eingeschaltet werden. 3. Bestimmung des Nicotingehaltes verschiedener Zigarettensorten. I)iese Kurvenserie wurde abkopiert, da bei der L~nge des Ver- suches die einzelnen Kurven auf dem beruBten Papierstreifen ineinander zu stehen kamen. Die in den Versuchen 1, 5, 6, 8, 11, 12 und 16 untersuchten Ziga- rotten besitzen einen Nieotingehalt yon 1,4---1,6%, diejenigen yon Ver- such 2, 9 und 14 einen solehen yon 0,85%. Der Muskel fiihrte 16 Kontraktionen aus, ohne dail sich seine Emp- findliehkei$ w~ihrend des 8 Stunden dauernden Versuches wesentlich geandert h~tte. Ein sch6ncs Beispiel fiir die oft staunenswerte Leistungs- fiihigkeit biologisohen Materials!