Parthenon und Ägineten: Fälschungen und Nachahmungen berühmter Antiken, in: K. B. Zimmer (Hrsg.), Rezeption, Zeitgeist, Fälschung - Umgang mit Antike(n), Kolloquiumsband Tübingen 2014 (Rahden 2015) 65-78

July 21, 2017 | Author: Astrid Fendt | Category: N/A
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Kathrin Barbara Zimmer (Hrsg.)

Rezeption, Zeitgeist, Fälschung – Umgang mit Antike(n) Akten des Internationalen Kolloquiums am 31. Januar und 1. Februar 2014 in Tübingen

Verlag Marie Leidorf GmbH · Rahden/Westf. 2015

VI, 364 Seiten mit 65 Abbildungen und 3 Tabellen inkl. 83 Tafeln

Gedruckt mit finanzieller Unterstützung der

VOLKSWAGEN STIFTUNG und der

VEREINIGUNG DER FREUNDE DER UNIVERSITÄT TÜBINGEN (UNIVERSITÄTSBUND) E.V. sowie des

SFB 1070 RESSOURCENKULTUREN Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Zimmer, Kathrin Barbara (Hrsg.): Rezeption, Zeitgeist, Fälschung – Umgang mit Antike(n) ; Akten des Internationalen Kolloquiums am 31. Januar und 1. Februar 2014 in Tübingen / hrsg. von Kathrin Barbara Zimmer Rahden/Westf. : Leidorf, 2015 (Tübinger Archäologische Forschungen ; Bd. 18) ISBN 978-3-89646-998-4

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier Alle Rechte vorbehalten © 2015

Verlag Marie Leidorf GmbH Geschäftsführer: Dr. Bert Wiegel Stellerloh 65 . D-32369 Rahden/Westf. Tel.: +49/(0)5771/ 9510-74 Fax: +49/(0)5771/ 9510-75 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.vml.de ISBN 978-3-89646-998-4 ISSN 1862-3484 Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, CD-ROM, DVD, I n t e r n e t oder einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages Marie Leidorf GmbH reproduziert werden oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Umschlagentwurf: Cornelius Wittke, Tübingen Titelvignette: Institut für Klassische Archäologie Tübingen, Inv. 5807; Foto: Thomas Zachmann Rückseite: Teilnehmer des Kolloquiums „Rezeption, Zeitgeist, Fälschung – Umgang mit Antike(n)“ um den monumentalen Kopf des Augustus (Werk: Michael Pfanner) im Hof des Schlosses Hohentübingen; Foto: Thomas Zachmann, Stuttgart Redaktion: Janine Fries-Knoblach, Dachau; Sibel Kioukioukali, Tübingen; Julia Krippner, Tübingen Satz, Layout und Bildnachbearbeitung: Enns Schrift & Bild GmbH, Bielefeld Druck und Produktion: druckhaus köthen GmbH & Co. KG, Köthen

Parthenon und Ägineten: Fälschungen und Nachahmungen berühmter Antiken Astrid Fendt

Berühmte antike Kunstwerke rufen die Bewunderung von Wissenschaftlern und Kunstliebhabern hervor. Sie wecken aber auch Begehrlichkeiten. Um den Bedarf an solchen Kunstwerken oder diesen ähnlichen sowie nahe stehenden Objekten zu stillen, etabliert sich gerade im Umfeld von Bildhauer- und Restaurierungswerkstätten ein eigener Markt für Kopien, Nachahmungen und Fälschungen solcher Werke. Bekannt sind sowohl aus dem Umkreis der Parthenon-Skulpturen als auch aus dem der Ägineten moderne Marmorbildnisse, die sich formal und stilistisch sehr eng an diese antiken Vorbilder anlehnen und aller Wahrscheinlichkeit nach als intendierte Fälschungen auf den Kunstmarkt des späteren 19. Jahrhunderts gelangten. Zwei dieser Objekte befinden sich heute in den Antikensammlungen der Staatlichen Museen zu Berlin. Archivalien und Publikationen dokumentieren ihren Ankauf, den damit einhergehenden, kontroversen Wissenschaftsdiskurs und ihre ›Entzauberung‹. Klassifiziert als Fälschungen fristen sie heute ihr Dasein in den Magazinen des Museums. Hingegen werden im Rahmen von Restaurierungen Kopien und Nachahmungen von Antiken bis ins 19. Jahrhundert hinein toleriert und als notwendig erachtet zur Vervollständigung antiker Torsi und Fragmente. Obwohl handwerklich den intendierten Fälschungen mehr oder weniger gleichrangig, werden Antikenergänzungen in der Regel nicht in den Kontext von Antikenfälschungen gebracht1. Im Gegenteil, Ergänzungen können sogar ein gewisses Maß an kunsthistorischer Eigen-

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Kathrin B. Zimmer weist darauf hin, dass die Form, die der Bildhauer mit der Ergänzung dem Kunstwerk gab, dessen Rezeption in der Folge entscheidend prägte. So kann man den modernen Zusätzen durchaus eine durch den Zeitstil bedingte Verfälschung des antiken Bestandes attestieren, Zimmer 2013b, 101. Für Paul 1962, 9 gehören die Kopie und die Ergänzung zu den Grenzfällen der Kunstfälschung. Er spricht von einer Ergänzungsfälschung, wenn die ergänzten Teile beispielsweise künstlich gealtert wurden.

ständigkeit erlangen. Bestes Beispiel dafür ist die Vervollständigung der Ägineten durch Bertel Thorvaldsen im frühen 19. Jahrhundert. Seine Nachschöpfungen der Kriegerköpfe der Ägineten gelten heute – nach ihrer Abnahme von den antiken Torsi in den 1960er Jahren – als eigene klassizistische Bildhauerwerke2. Der handwerkliche Vorgang ist bei allen diesen im 19. Jahrhundert produzierten Objekten derselbe, auch die dahinter stehende primäre Absicht, den vorbildhaften Antiken ähnlich zu sein. Jedoch unterscheiden sich Fälschungen und Ergänzungen grundlegend in der Intention. Auch heute noch werden sie unterschiedlich bewertet und präsentiert. Im frühen 19. Jahrhundert wird sowohl bei den Elgin Marbles als auch bei den Ägineten die Ergänzung dieser antiken Kunstwerke diskutiert und bei letzteren auch durchgeführt. Anhand von Thorvaldsens Ägineten-Ergänzungen kann beispielhaft demonstriert werden, wie eng beieinander Antikenergänzungen und Übernahmen von antiken Motiven und antiken Stilelementen in eigenständige zeitgenössische Kunstwerke liegen. Ab dem 2. Drittel des 19. Jahrhunderts tauchen im Zusammenhang mit den Elgin Marbles und den

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Wohl seit den 1980er Jahren ist ein von Bertel Thorvaldsen 1816–1818 gefertigter klassizistischer Kriegerkopf als Leihgabe der Staatlichen Antikensammlungen und Glyptothek München in der Neuen Pinakothek in München im Rahmen des Thorvaldsen-Oeuvres ausgestellt. Dieser Kopf ist einer von insgesamt acht Kriegerköpfen, die Thorvaldsen für die Ergänzung der Ägineten schuf. Er orientiert sich eng an dem antiken Kopf des Kriegers W III des Westgiebels. Zuletzt ausgestellt in Frankfurt/Main: Brinkmann 2013, 312 Nr. 5 (A. Filges). Ebenfalls als eigenständige ›barocke‹ Bildhauerwerke gelten inzwischen zwei großflächig ergänzte antike Torsi von einem Kind und einem jungen Mädchen, die heute in der Skulpturensammlung im Bodemuseum in Berlin als Bildhauerwerke von Edmé Bouchardon und Lambert-Sigisbert Adam präsentiert werden: Fendt 2012, Kat.-Nr. 2 Taf. 1, 3. 4; 2, 1. 2; Kat.-Nr. 20 Taf. 33. 34.

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Ägineten die ersten Kunstwerke auf, die aller Wahrscheinlichkeit nach als Fälschungen anzusprechen sind. Sie wurden im Stile dieser Antiken neu angefertigt und gelangten als vermeintliche Antiken auf den Kunstmarkt. Grundsätzlich ist es bei manchen Kunstwerken, die sich eng an antike Vorbilder anlehnen, ohne weiterführende Quellen zu den Erwerbungsmodalitäten schwierig, zwischen den großen Kategorien der Kopie, Nachahmung und intendierten Fälschung3 zu unterscheiden. Bei letzterer ist in der Regel nicht ihr materieller Wert wichtig, sondern es sind die in dem Werk mitschwingenden relativen Werte wie das Alter, die Stilepoche, die Zuschreibung an Meisterwerke und die aktuelle Nachfrage auf dem Kunstmarkt. Ist eine Fälschung einmal als solche erkannt worden, brechen all diese Gefühlswerte zusammen, und es bleibt in der Regel nur der Wert eines Kuriosums übrig4. Auch weisen Fälschungen in spezieller Weise auf den Zeitgeschmack hin. Sie werden nur produziert, wenn einerseits ein Markt für gewisse Kunstgegenstände und gleichzeitig ein Mangel an denselben vorhanden ist. Im späteren 19. und frühen 20. Jahrhundert sind im Vergleich zu den vorhergehenden Epochen besonders viele Fälschungen entstanden, da bedingt durch die großen Ausgrabungen nochmals ältere Epochen der Antike entdeckt worden sind. Der Zeitgeschmack schätzte diese, und zugleich gelangten aufgrund der restriktiveren Antikenhandelsgesetze weniger Antiken auf den Markt5.

Parthenon und Ägineten: Ergänzung und Nachahmung im frühen 19. Jahrhundert 1804 brachte Lord Elgin die Reliefs und Skulpturen des Athener Parthenons nach London. 1816 wurden sie im British Museum ausgestellt. Elgin diskutierte mit seinerzeit bekannten Bildhauern eine Vervollständigung der Skulpturen, die letztendlich aus verschiedenen Gründen unterblieb. Dieser für das frühe 19. Jahrhundert ungewöhnliche Umgang mit nur fragmentarisch erhaltenen Antiken kann in der

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Zur Klärung dieser Begriffe s. Seidl 2013. Paul 1982, 11 f. Türr 1984, 7. 13 f. Dazu auch Zimmer 2013a, 11. Auch Eva Badelt betont den finanziellen Gewinnaspekt bei der Herstellung von Fälschungen: Wie Antikenfälscher sich verraten. Forscher und Kenner behalten schließlich immer die Oberhand, Beitrag in: Die Zeit (23.7.1953).

Rückschau als bahnbrechend bewertet werden. Er strahlte aus auf die während des ganzen 19. Jahrhunderts virulente Diskussion um die Ergänzung oder die Beibehaltung des fragmentarischen Zustands von Antiken6. Lediglich im Rahmen von eigenständigen, das Vorbild jedoch imitierenden Kunstwerken sowie als Souvenirs anzusprechenden Verkleinerungen hat der schottische Bildhauer John Henning Reproduktionen des Parthenonfrieses vervollständigt und zum Verkauf angeboten7. Anders stellte sich die Situation bei den Ägineten dar. Entdeckt 1811, erwarb sie 1816 der bayerische Kronprinz und spätere König Ludwig I. Unbeeinflusst von den neueren Tendenzen im zeitgenössischen Ergänzungsdiskurs ließ er die Skulpturen von einem der besten Bildhauer der damaligen Zeit, Bertel Thovaldsen, in Rom restaurieren. Nur als vermeintlich vollständige Antiken wollte er sie 1830 in seiner neu eröffneten Glyptothek in München präsentieren. Die zunächst gefeierten Ergänzungen gerieten im Laufe des 19. Jahrhunderts in die Kritik der Gelehrten. Auch der einstige Direktor der Glyptothek, Adolf Furtwängler, bemängelte im Jahr 1900 die Gesamtkomposition der Giebelfiguren sowie deren moderne Ergänzungen. Neu arrangiert wurden die Figuren aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg unter Dieter Ohly. Er ließ damals, in den 1960er Jahren, auch die Ergänzungen abnehmen8. Thorvaldsens Beschäftigung mit den Ägineten wirkte sich direkt auf sein künstlerisches Schaffen aus. Seine Figur der ›Spes‹9 (Abb. 1) ist nicht nur, aber zu großen Teilen von äginetischen Motiven abhängig. Er hat sie 1817 während der Ergänzungsarbeiten geschaffen. Die ›Spes‹ rekurriert auf zwei nicht zusammengehörende antike Vorbilder: zwei

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Fendt 2012, 449–451; Wünsche 2011, 67–72; Cook 1984, 60–64. Zur Ergänzung der sich im Louvre befindlichen Parthenonreliefs s. auch Fendt 2012, 451; Wünsche 2011, 71 f. Cook 1984, 64 mit Abb.: Die ergänzten Repliken des Frieses wurden an diversen Gebäuden in London (Hyde Park Corner Arch, Athenaeum, Royal College of Surgeons etc.) angebracht. Auch die kleinformatigen, vollständig ergänzten Gipsrekonstruktionen des Frieses standen zum Verkauf (British Museum, London, Inv.-Nr. GR 1938. 11–18. 27). Wünsche 2011, 78–103. 153–178. Spes (›Die Hoffnung‹), Gips 1817, Marmor 1818– 1829, s. Hartmann 1979, 64–74 Taf. 18, 5 (Originalmodell aus Gips; Thorvaldsen-Museum, Kopenhagen); Taf. 19 (Marmororiginal; Berlin, Schloss Tegel; ebenda auch die Marmorkopie von Carl Heinrich Möller als Grabfigur).

Parthenon und Ägineten: Fälschungen und Nachahmungen berühmter Antiken

kopflose Mädchenakroterfiguren10 (Abb. 2) vom westlichen Giebel des Aphaiatempels und den Kopf der Sphinx11 (Abb. 3) von der nordöstlichen Dachecke. Im Vorfeld hatte Thorvaldsen die beiden Mädchenfiguren mit Köpfen nach dem Sphingenkopf ergänzt (Abb. 4–5)12. Erneut transformiert kehrte das Motiv der ›Hoffnung‹ in die Glyptothek zurück und wurde schließlich zu Thorvaldsens Kennzeichen. Der Künstler selbst und Martin von Wagner griffen es für den figürlichen Bauschmuck der Glyptothek auf: Im Giebelfeld arbeiten der Skulpturenmaler und der Metalltreibarbeiter an einer Statue der ›Spes‹13. In seinem Selbstbildnis in einer der Nischen auf der Ostseite der Glyptothek stützt sich Thorvaldsen auf die Figur (Abb. 6)14. In dieser Pose stellte ihn auch der Maler Carl Joseph Begas 1823 in einem Porträtbildnis dar15.

Parthenon und Ägineten: Fälschungen im Verlauf des 19. Jahrhunderts Dieser kurze Blick auf die Restaurierung und die zeitgleiche bildhauerische Rezeption der Elgin Marbles und der Ägineten verweist auf das Bemühen der zeitgenössischen Bildhauer, sich der antiken Formensprache anzunähern und sich diese anzueignen – sei es in transformierter Form für eigenständige neue Kunstwerke, sei es um antike Objekte möglichst korrekt zu ergänzen und zu kopieren. Bei letzterem ist der Unterschied zwischen einer Nachahmung und einer bewussten Fälschung von Antiken sehr gering. Anhand von zwei Objekten in der Berliner Antikensammlung sollen meines Erachtens tatsächlich als Fälschungen anzusprechende Kunstwerke im Stile der Elgin Marbles und der Ägineten vorgestellt werden.

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Ohly 2001, 53 f. Abb. 17. Wünsche 2005, 60 f. mit Abb.; Ohly 2001, 47 Nr. 4. Bott – Spielmann 1991, 657–659 Nr. 8.6 und 8.7 mit Abb. (R. Wünsche). Fendt 2013a, 5 f. mit Abb.; Sieveking 1980, 545–559 Nr. 220.2 und 220.4 mit Abb. Marmorausführung Arnold Hermann Lossow 1857: Fendt 2013a, 12 Nr. 17; Sieveking 1980, 571 Nr. 247 mit Abb.; Modell von Thorvaldsen 1839, dazu: Hartmann 1979, 72 f. Taf. 21; Bott – Spielmann 1991, 523 f. Nr. 4.19 mit Abb. (H. Mildenberger). Berlin, Alte Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 16 und St. Petersburg, Eremitage, Inv.-Nr. 5761: Bott – Spielmann 1991, 514–516 Nr. 4.9 mit Abb. (H. Mildenberger); Hartmann 1979, 73 Anm. 74 Taf. 1.

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Als Fälschungen nach den Elgin Marbles ist eine Gruppe von fünf Reliefs bekannt geworden, die Bernard Ashmole 1954 publizierte16. Anzunehmen ist, dass sie alle in den 1830/40er Jahren in einer Athener Werkstatt entstanden sind. Anstoß dafür waren damals neu gefundene, in Athen verbliebene Friesplatten des Parthenons17. Zu dieser Gruppe gehört auch ein sich in der Berliner Antikensammlung befindliches Reliefbruchstück mit Knabenkopf (Abb. 7)18. Es gelangte 1884 aus der Sammlung von Peter Alexander Sabouroff dorthin mit der Provenienzangabe »angeblich auf der Akropolis von Athen gefunden«. Sabouroff war in der Zeit nach 1870 bis 1879 russischer Gesandter in Athen und hat das Relief vermutlich dort erworben19. Bereits Alexander Conze hielt es 1891 in seinem neuen Sammlungskatalog für modern und klassifizierte es als »Fälschung nach dem sog. Apollon [vom Ostfries, Platte VI, 39] des Parthenonfrieses.« (Abb. 8)20. Im Unterschied zum Apollon21 ist der Berliner Kopf stärker geneigt, seine Augen sind größer und sein leichtes, kraus gelocktes Haar ist zu schweren Bündeln zusammengefasst22. Das Berliner Relief kann stilistisch an ein Relief mit einem Knabenkopf mit Schultern und Brustansatz23 (Abb. 9) aus dem British Museum angeschlossen werden. Beide weisen denselben elegischen Ausdruck, dieselbe Asymmetrie des Dreiviertelprofiles sowie dieselbe harte Linie auf, die die Figuren vom Reliefgrund trennt. Ungewöhnlicherweise ist bei dem Kopf die Nase ergänzt. Es wurde 1889 »für wenig Geld« erworben mit der Provenienzangabe »angeblich aus Athen«. Es galt damals als Bruchstück eines Grabreliefs und wur-

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Ashmole 1954, 177: »Of these five forgeries four are clearly direct copies from the frieze of the Parthenon, […]«. Paul 1982, 131 f.; Türr 1984, 23. Antikensammlung SMB, Inv.-Nr. Sk 1360, H. 27 cm, weiß-gelber, mittel- bis großkristalliner Marmor mit blau-grauer Äderung. Fendt 2013b; zuvor: Ashmole 1954, 177 (der Autor hat das Relief nicht selbst gesehen, sondern nur eine Zeichnung davon); Paul 1962, 93; Paul 1982, 132 Abb. 113; Türr 1984, 123 f. Nr. K5 mit Abb. Conze 1891, 526 Nr. 1360. Dem schlossen sich an: Ashmole 1954, 177; Paul 1982, 132 Abb. 113; Türr 1984, 124 Nr. K5 mit Abb. Akropole 2009, 160 Abb. Türr 1984, 124. British Museum, London, Inv.-Nr. 673, H. 25,4 cm, weißer Marmor.

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de wohl nach dem Motiv des stierführenden Knabens vom Nordfries (Platte IV, 10)24 (Abb. 10) gearbeitet. Diese Platte hat man 1840 gefunden 25. Wahrscheinlich sind also sowohl das Berliner als auch das Londoner Relief zeitlich danach entstanden. Zu der Fünfergruppe gehört ein weiteres Marmorrelief mit einem Jünglingskopf 26 aus der Sammlung Northumberland, ehemals Alnwick Castle (Abb. 11). Seine Herkunft ist unbekannt. Der Kopf hat sein Vorbild in dem stierführenden Knaben vom Nordfries (Platte II, 3) des Parthenons27 (Abb. 12), dessen geneigter Kopf hier aufgerichtet scheint. Sein direktes Pendant hat er in einem im Hochrelief gearbeiteten, modernen Relief mit Artemiskopf. Mit ihm teilt er die welligen Haare, den kleinen Mund und das schwere Kinn, den schmalen Hals sowie den partiell fehlenden Reliefhintergrund28. Dieses Reliefbruchstück mit Artemiskopf (Abb. 13) ist heute verschollen. Es stammt wohl aus der Sammlung Giovanni Barracco in Rom. Diese entstand seit 1870 und wurde 1905 der Stadt Rom zum Kauf angeboten. Um 1950 befand sich das Relief im Schweizer Kunsthandel. Der Kopf ist eine Nachbildung der Artemis vom Ostfries (Platte VI, 40) (Abb. 14)29. Gegenüber diesem ist das Haar in fassbare Wellen gelegt und der Stoff der Haube zu bandartigen Streifen reduziert30. Ein weiterer weiblicher Reliefkopf31 (Abb. 15) lässt sich dieser Gruppe anschließen. Er gelangte 1862 als Geschenk ins British Museum. Zuvor befand er sich in der Sammlung Hartwell in Buckinghamshire, wohin er 1837 aus dem Besitz der Familie Athanasi in Athen gelangt sein soll. Auffällig daran sind die Zerstörung der Nase, die vollen, wie aufgeblasen wirkenden Gesichtsformen und das nur oberflächlich gearbeitete Haar. Sein Vorbild

ist die Wasserträgerin32 vom Nordfries (Platte VI, 18) (Abb. 16)33. Alle fünf Reliefs haben Vorbilder innerhalb des Ost- und Nordfrieses vom Parthenon, und zwar genau von den Platten, die erst später gefunden wurden und nicht nach London gelangten, sondern in Athen verblieben sind. Die Platte VI des Ostfrieses wurde 1833 gefunden, die Platten II und IV vom Nordfries 1840. Sie waren danach offen zugänglich auf der Akropolis. Wahrscheinlich wurden die vier Reliefs, die diese Vorbilder haben, alle im selben Zeitraum hergestellt, also nach 184034. Die Platte VI vom Nordfries mit den Wasserträgerinnen hat man 1833 gefunden. Sie war auch offen auf der Akropolis zugänglich. Wahrscheinlich wurde also das Relief aus der Athanasi-Sammlung, das 1837 nach Großbritannien gelangte, in dem kurzen Zeitraum zwischen Auffindung und Verkauf angefertigt. Somit wäre es das erste der fünf Fälschungen und Nachahmungen nach Motiven vom Parthenonfries35. Diese modernen Reliefs stehen alle im Zusammenhang mit Neufunden von Antiken, die in Athen verblieben und im restlichen Europa nicht so bekannt waren. Sie repräsentieren das Bedürfnis der Sammler in der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts nach direkt aus dem Gebiet des antiken Griechenlands stammenden Kunstwerken aus der klassisch-griechischen Epoche. Lange Zeit stand ihnen nur der italienische Kunstmarkt offen, auf dem überwiegend römische Repliken von griechischen Skulpturen verkauft wurden. Direkt aus Griechenland brachten Reisende seit Lord Elgins Zeiten antike Originale oder dafür gehaltene Stücke, schon wegen der damit assoziierten Authentizität, als Andenken in die Heimat mit36. Diese Stücke könnte man, insofern sie nicht antik sind, zwischen einer Fälschung

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Ashmole 1954 Taf. 35, 2. Ashmole 1954 177 Taf. 35, 1; Türr 1984, 120 f. Nr. K1 mit Abb. Zuvor: Paul 1962, 93. Von Alexander Conze als Bruchstück eines attischen Grabreliefs angesehen: Ashmole 1954, 180 Anm. 11. Leider liegen mir keine Maße und Informationen zum Material vor. Ashmole 1954 Taf. 34, 2. Ashmole 1954, 177 Taf. 34, 1; Paul 1962, 93; Türr 1984, 123 Nr. K4 mit Abb. Akropole 2009 Abb. 160 f.; Ashmole 1954 Taf. 36, 2. Ashmole 1954, 177 f. Taf. 36, 1; Paul 1962, 93; Paul 1982, 131 f.; Türr 1984, 122 f. Nr. K3 mit Abb. British Museum, London, Inv.-Nr. 2235, H. 15,3 cm.

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Ashmole 1954 Taf. 38, 1. Ashmole 1954, 178–180 Taf. 37, 1–4; Paul 1962, 93; Paul 1982, 132; Türr 1984, 121 f. Nr. K2 mit Abb. Ashmole 1954, 178 Taf. 38, 2 zeigt eine Fotografie von 1883, auf der die Friesplatten II und VI des Nordfrieses sowie VI des Ostfrieses gut zugänglich zu sehen sind. Ashmole 1954, 178 f.; Türr 1984, 121. Beispielsweise befinden sich in der Berliner Antikensammlung mehrere kleine Architekturfragmente von Bauten auf der Athener Akropolis und Agora. Sie wurden zwischen 1845 und 1878 von Reisenden aus Athen mitgebracht. Siehe Conze 1891, Nr. Sk 995 (Fragment der Kassettendecke vom Theseion in Athen); Sk 994 (dorischer Tropfen angeblich von den Propyläen oder vom Parthenon); Sk 1017 (Fragment eines Eierstabes angeblich von der Akropolis).

Parthenon und Ägineten: Fälschungen und Nachahmungen berühmter Antiken

und einer frühen Form des Souvenirs ansiedeln. Sie scheinen jedoch alle in dem guten Glauben, dass es sich um ein antikes Produkt handele, erworben worden zu sein. In unserem heutigen Sinne echte Souvenirs in antikem Stil sind in Griechenland erst etwa ab 1950 produziert worden37. Fälschungen nach den Ägineten hingegen – und insgesamt nach archaischer Kunst – sind in der Regel ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und vor allem in der 1. Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden, also sowohl vor, als auch nach den Ausgrabungen von Adolf Furtwängler im Jahr 1901 auf Ägina38. Die Wertschätzung der archaischen Kunst ist vor allem durch die spektakulären Funde auf der Athener Akropolis schlagartig gestiegen. Da es von diesen Neufunden anfangs kaum gute Fotodokumentationen und keine Gipsabgüsse gab, orientierten sich Fälscher gerne an den Ägineten, von denen Abgüsse weit verbreitet waren39. Furtwängler selbst erklärte diese Fälschungen archaischer Kunst gegen Ende des 19. Jahrhunderts folgendermaßen: »Dem Wetteifer, den die verschiedenen Nationen in Ausgrabungen auf dem klassischen Boden gegenwärtig bethätigen, entspricht der nicht minder rege Eifer, den die grossen Museen und Sammler entwickeln, um käufliche Altertümer zu erwerben. Aber Manchem sind die Antiken nicht recht, wie sie der Boden immer noch in wunderbarer Fülle liefert, die schlichten, edlen, oft unscheinbaren und verletzten Werke. Sie wollen aufregende neue, sogenannte ›exceptionelle Prachtstücke‹, die auch durch vollständige Erhaltung ›ästhetisch befriedigen‹ sollen. Es wäre ein Wunder, wenn dieser Nachfrage nicht auch ein Angebot entgegenkäme. Denn wenn sie der Boden nicht hergeben will – warum sollte man sie nicht neu machen können, diese begehrten ›ästhetisch befriedigenden Prachtstücke‹?!«40 Zu den ersten nachweisbaren großplastischen Fälschungen archaischer Plastik gehört ein weiblicher Kopf in der Berliner Antikensammlung (Abb. 17–19), der die beiden Athenastatuen vom Westund Ostgiebel der Ägineten (Abb. 20–21) zitiert41.

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Hillert 2013, 24 f. Dazu Wünsche 2011, 158 f. Wünsche 2011, 145 f., so auch Türr 1984, 25. 32. Furtwängler 1899, 1. Antikensammlung SMB, Inv.-Nr. Sk 1491, H. 23 cm, weißer feinkristalliner Marmor mit ausgeprägter blauer Äderung; Hofter 2013; Wünsche 2011, 146; Türr 1984, 91–93 Kat. Nr. A 29 mit Abb.; Paul 1982, 220 f. Abb. 191; Paul 1962, 31–34 Abb. 5.

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Um die Echtheit dieses Kopfes entzündete sich letztendlich ein bayerisch-preußischer Wissenschaftsstreit. Der Kunsthändler Ludwig Pollak erwarb den sogenannten »archaischen weiblichen Marmorkopf« 1898 in Rom mit der Provenienz »angeblich aus Selinunt« für den damals sehr hohen Preis von 15.000 Lire. Er war als Einsatzkopf hergerichtet. An Nase, Kinn und Hals sind leichte Bestoßungen zu verzeichnen. Beim Kauf war die gesamte Oberfläche mit einer Art Sinterschicht überzogen, die der damalige Direktor der Berliner Antikensammlungen, Reinhard Kekulé von Stradonitz, sofort entfernen ließ. Er publizierte den Ankauf noch im selben Jahr als »überlebensgroßen, noch mit Schmutz überzogenen, im übrigen vorzüglich erhaltenen weiblichen Marmorkopf [, er] vertritt eine jüngere Stufe der archaischen Kunst. Er war zum Einsetzen vermutlich in eine sitzende Figur bestimmt […] Mit den in Athen auf derselben Stufe der Kunstentwicklung üblichen Stilrichtungen scheint der Kopf nichts zu tun zu haben […]«42 Doch schon im folgenden Jahr diente der Kopf Adolf Furtwängler, Lehrstuhlinhaber in München und Direktor der Glyptothek, als Aufhänger für seine Publikation über Neuere Fälschungen von Antiken. Seine Bilanz, bei der auch eine persönliche Animosität gegenüber Kekulé von Stradonitz mitschwang, war vernichtend: Die Schmutzkruste »erweist sich dem geübten Blick sofort als künstlich aufgetragen; aber auch der Ungeübte kann, einmal aufmerksam gemacht, leicht erkennen, dass dieser Schmutz, […], aufgeschmiert ist und sich von dem im Laufe der Jahrhunderte in der Erde ansetzenden wesentlich unterscheidet. […] Dass der Käufer freilich auch nach der Reinigung an die Echtheit glauben und dem Kopfe gar eine Ehrenaufstellung in einem großen Museum geben werde, das hatte der Verfertiger gewiss nicht zu ahnen gewagt.«43 Weitere Argumente für die Fälschung sind die drei Bohrlöcher auf dem vorderen Oberkopf, die beim Athenakopf des Ostgiebels (Abb. 21) auch vorhanden sind, dort aber der Anstückung der Haare dienten. Hauptvorlage für Stil und Frisur war der Athenakopf vom Westgiebel (Abb. 20). Allerdings scheitelte der Fälscher die Haare auf dem Oberkopf, um sie dann auf die Seiten fallen zu lassen, während sie bei spätarchaischen Koren immer entweder vom Wirbel ausgehen oder hinter der Ste-

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Kekulé von Stradonitz 1898, Sp. 54. Furtwängler 1899, 2–4.

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phane nach hinten frisiert sind, auch dann, wenn die Stephane weggelassen ist. Das erkannte Furtwängler: »Aus diesem Fehler geht allein schon hervor, dass der Fälscher nicht in Athen arbeitete und keine Kenntnis der berühmten archaischen Mädchen von der Akropolis hatte […]«44. Als Kekulé von Stradonitz sich gegenüber der Generalverwaltung der Berliner Museen für diesen Fehlkauf verantworten musste, führte er zu seiner und Pollaks Verteidigung zwei in Rom erstellte Gutachten an und eine Expertise des Geologen Karl Georg Richard Lepsius, der den Marmor als pentelisch erklärte45. Das Ende der für Berlin peinlichen Affäre liest sich bei Furtwängler folgendermaßen: »Die Generalverwaltung der Königlichen Museen zu Berlin teilt mir soeben, […] mit, dass Herr Geh. Regierungsrat Kekulé von Stradonitz jetzt die Richtigkeit meiner der Generalverwaltung am 18. Oktober v. J. (vgl. oben S. 2 Anm. 2) mitgeteilten Beobachtung zugiebt und dementsprechend in dem von ihm als griechisches Originalwerk erworbenen Marmorkopfe Fig. 1 ebenfalls eine moderne Arbeit erkennt.«46 Aus dem Umfeld der Ägineten sind weitere Fälschungen bekannt47. Die meisten erkannte schon Adolf Furtwängler. Am verbreitesten waren Fälschungen nach dem Laomedonkopf vom Ostgiebel (Abb. 22). Der Laomedon ist im Tempelgiebel liegend dargestellt. Der Kopf ist in der antiken Aufstellung nur im Halbprofil sichtbar gewesen. Bei einer Frontalansicht erkennt man im Gesicht deut-

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Furtwängler 1899, 5. Entwurf für den von der Generalverwaltung auf den Fälschungsvorwurf hin angeforderten Bericht: Staatliche Museen zu Berlin, Antikensammlung, Archiv, Rep. 1, Abt. A, Angebote und Erwerbungen, Erw 10 [Kiste 1]; Furtwängler 1899, 4. Furtwängler 1899, 3–5. 36; Hofter 2013. Dazu Wünsche 2011, 146–151. Wünsche 2011, 146 f. erwähnt auch eine weitere Fälschung nach dem Kopf der Athena des Westgiebels, in dem Fall mit Löwenhelm und vermeintlichen Farbresten. Dazu bereits Furtwängler 1899, 6 f. Abb. 2 und Paul 1982, 217 Abb. 181. 182. Zudem weist Wünsche 2011, 147 Abb. 180 eine Fälschung nach dem Oberköper und Kopf des Laomedon mit künstlicher Verwitterung nach, dazu auch Paul 1982, 218 Abb. 180, und eine Fälschung nach dem Kopf des Kriegers vom Westgiebel IX, ebenfalls mit künstlicher Verwitterung (Wünsche 2011, 147 f. Abb. 183–185). Auch der berühmte italienische Fälscher Alceo Dossena hat sich bei seinen Fälschungen archaischer Bildwerke an den Ägineten orientiert, s. dazu Paul 1962, 26. – Allg. zu Dossena: Paul 1982, 9 f. 211–217.

liche Asymmetrien: die Helmachse ist verschoben, das linke Auge größer gebildet und der Bart auf seiner linken Seite höher geführt. Thorvaldsen hat den Kopf als Vorbild genommen für seine Ergänzung eines stehenden Kriegers im Ostgiebel (Abb. 23). Dabei korrigierte er entsprechend der veränderten Haltung die Asymmetrien. Interessanterweise kennen wir auch einen sich heute in Privatbesitz befindlichen Kopf nach dem des Laomedon (Abb. 24), der als Fälschung des späten 19. beziehungsweise frühen 20. Jahrhunderts gelten muss. Wie auch bei anderen Fälschungen zu beobachten ist, so versuchte der Fälscher seinem Kopf durch künstliche Brüche, Bestoßungen, ›Sinter‹ und Erdauflagen ein antikes Aussehen zu geben, während Thorvaldsen seine Ergänzung mit Hilfe von kleinen Pickungen auf der Oberfläche künstlich gealtert und mit einer künstlichen Patinierung überzogen hat. Abgesehen von den Augen, die analog zu anderen antiken Köpfen hohl gestaltet sind, ähnelt der Kopf weitgehend dem des Laomedon. An der Halsbildung erkennt man, dass der Bildhauer den Kopf so formte, als gehörte er einst zu einer stehenden Figur. Anders als Thorvaldsen kopierte er dann allerdings alle Details des Originals, die natürlich in ihrer Formgebung aus einer liegenden Haltung hervorgegangen waren. So ist die Helmkalotte gegenüber der senkrechten Achse des Nasenschutzes verschoben und auch der Bart ist auf der linken Seite nach oben geführt. Auch in den Profilansichten zeigt sich, dass der Kopf des Fälschers vor allem in der Präzision und Spannung der Formen, beispielsweise an der Kalotte, die Vorgaben des Vorbilds nicht aufgenommen hat. Auch an der Wangenklappe sieht man, dass der moderne Fälscher, im Gegensatz zu Thorvaldsen, die Funktion eines antiken Helmes nicht verstanden hat. Die Wangenklappe ist beim Original abgebrochen. Sie war einst separat angestückt und über den Wangenbart gelegt. Thorvaldsen arbeitete die Wangenklappe gleich an. Der Fälscher übernahm nur den kleinen am Original übriggebliebenen Rest48. Dennoch liegen auch hier Ergänzung

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Wünsche 2011, 148–151 Abb. 186–191. Dazu bereits Furtwängler 1899, 6; Paul 1982, 218 Abb. 180. Wünsche 2011, 150 Abb. 192. 193 zeigt zwei weitere Fälschungen nach dem Laomedon (Privatsammlung und Kunsthandel); Türr 1984, 90 f. Nr. A28 mit Abb. verweist auf eine 1924 dem Museum geschenkte Fälschung nach dem Laomedon in New York, Metropolitan Museum, Inv.-Nr. 24.229.1; Wünsche 2011, 151 Abb. 194–196 zeigt eine Fälschung nach dem Kopf der Akrotersphinx. Diesen hatte auch Thorvaldsen als

Parthenon und Ägineten: Fälschungen und Nachahmungen berühmter Antiken

und Fälschung nahe beieinander und sind letztendlich nur durch den Kontext zu unterscheiden.

Zusammenfassung Am Beispiel des Parthenonfrieses und der Ägineten konnte gezeigt werden, welche Auswirkungen prominente antike Skulpturen im 19. und frühen 20. Jahrhundert auf den Bereich der Restaurierung, Nachahmung und Fälschung von Antiken hatten. Beide vorgestellten Komplexe haben im frühen 19. Jahrhundert wichtige Impulse zur Diskussion um die Ergänzung von antiken Statuen gegeben. Über den Bildhauer Bertel Thorvaldsen fanden Aspekte der Ägineten auch Eingang in die zeitgenössische Kunst. Im Umfeld der neu gefundenen und in Athen verbliebenen Parthenonskulpturen entstand in den 1830/40er Jahren wohl in Athen eine Gruppe von fünf Reliefs, die als Fälschungen – bestenfalls noch als eine Frühform von Souvenirs – nach den Friesplatten vom Ost- und Nordfries anzusprechen sind. Sie gelangten über den Kunsthandel in britische und deutsche Sammlungen. Die uns bekannten Fälschungen nach den Ägineten stammen erst aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Sie lassen sich ebenfalls in den Zusammenhang mit aktuellen Ausgrabungen und Neufunden zur archaischen Plastik wie den Koren auf der Akropolis und den Nachforschungen Furtwänglers auf Ägina bringen. Alle diese Fälschungen sind also Reaktionen auf aktuelle Forschungsereignisse, die dem vorherrschenden Zeitgeschmack entsprachen und vor allem durch prominente Vorbilder einem breiten Publikum bereits bekannt waren. Instruktiv sind die graduellen Unterschiede in der kunsthistorischen Bewertung, die bei so prominenten Ergänzungen wie denen Thorvaldsens für die Ägineten entstanden sind. Sie fanden entweder damals schon Eingang in die zeitgenössische Kunst oder gelten heute, nachdem sie von den antiken Torsi abgenommen wurden, als eigenständige klassizistische Kunstwerke, während hingegen die Fälschungen nach den Ägineten – wie beispielsweise der Kopf in Berlin – ihr Dasein in den Museumsmagazinen fristen. Vorlage für einen Frauenkopf benutzt. Der Fälscher orientierte sich für seine Arbeit offensichtlich weniger am Original als an dem Kopf von Thorvaldsen. Auch dazu bereits Furtwängler 1899, 8 Abb. 25.

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Hofter 2013 M. R. Hofter, Weiblicher Kopf (Sk 1491), in: Antikensammlung Berlin (Hrsg.), Gesamtkatalog der Skulpturen (Köln 2013), (01.07.2013) Kekulé von Stradonitz 1898 R. Kekulé von Stradonitz, Jahrbuch der Königlich Preußischen Kunstsammlungen 19, 1898, Amtl. Berichte Nr. 4/1, Okt. 1898, Sp. 54 Ohly 2001 D. Ohly, Glyptothek München. Griechische und römische Skulpturen. Ein Führer 9(München 2001) Paul 1962 E. Paul, Die falsche Göttin. Geschichte der Antikenfälschung (Leipzig 1962) Paul 1982 E. Paul, Gefälschte Antike von der Renaissance bis zur Gegenwart (Wien 1982) Seidl 2013 E. Seidl, Replik, Zitat, Allusion ... Über das paradoxe Innovationspotential von Kopien, in: K. B. Zimmer (Hrsg.), Täuschend echt. Begleitband zur Ausstellung des Instituts für Klassische Archäologie im Museum der Universität Tübingen MUT/Alte Kulturen/Schloss Hohentübingen. Ausstellungskatalog Tübingen, Schriften des Museums der Universität Tübingen MUT 4 (Tübingen 2013) 119–125 Sieveking 1980 H. Sieveking, Materialien zu Programm und Entstehung des Skulpturenschmucks am Außenbau der Glyptothek, in: K. Vierneisel – G. Leinz (Hrsg.), Glyptothek München 1830–1980. Ausstellungskatalog München (München 1980) 234–255. 544–575 Türr 1984 K. Türr, Fälschungen antiker Plastik seit 1800 (Berlin 1984) Wünsche 2005 R. Wünsche, Glyptothek München. Meisterwerke griechischer und römischer Skulptur (München 2005) Wünsche 2011 R. Wünsche, Kampf um Troja. 200 Jahre Ägineten in München. Ausstellungskatalog München (Lindenberg 2011)

Zimmer 2013a K. B. Zimmer, Wie entstehen Fälschungen? Oder: Zur Rolle moderner Antiken in der Ausstellungspraxis, in: K. B. Zimmer (Hrsg.), Täuschend echt. Begleitband zur Ausstellung des Instituts für Klassische Archäologie im Museum der Universität Tübingen MUT/Alte Kulturen/Schloss Hohentübingen. Ausstellungskatalog Tübingen, Schriften des Museums der Universität Tübingen MUT 4 (Tübingen 2013) 11–19 Zimmer 2013b K. B. Zimmer, Altehrwürdige Skulpturen. Moderne Ergänzungen und das Bild der Antike, in: K. B. Zimmer (Hrsg.), Täuschend echt. Begleitband zur Ausstellung des Instituts für Klassische Archäologie im Museum der Universität Tübingen MUT/Alte Kulturen/Schloss Hohentübingen. Ausstellungskatalog Tübingen, Schriften des Museums der Universität Tübingen MUT 4 (Tübingen 2013) 97–105

Abbildungsnachweise: Abb. 1: Heinz – Heinz 2001 Abb. 15 Abb. 2–6. 20–23: Staatliche Antikensammlungen und Glyptothek München Abb. 7: Arbeitsstelle für digitale Archäologie – Cologne Digital Archaeology Laboratory (CoDArchLab) am Archäologischen Institut der Universität zu Köln, FA-S Perg 002653-01 Abb. 8: Akropole 2009, 160 Abb. 9: Ashmole 1954 Taf. 35, 1 Abb. 10: Ashmole 1954 Taf. 35, 2 Abb. 11: Ashmole 1954 Taf. 34, 1 Abb. 12: Ashmole 1954 Taf. 34, 2 Abb. 13: Ashmole 1954 Taf. 36, 1 Abb. 14: Ashmole 1954 Taf. 36, 2 Abb. 15: Ashmole 1954 Taf. 38, 1 Abb. 16: Ashmole 1954 Taf. 37, 1–4 Abb. 17–19: Arbeitsstelle für digitale Archäologie – Cologne Digital Archaeology Laboratory (CoDArchLab) am Archäologischen Institut der Universität zu Köln, FA-S Perg 000588-01, -06, BA-Museum-Neg-NrSK833a Abb. 24: Wünsche 2011, 149 Abb. 191

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Abb. 2: Firstakroter vom Aphaiatempel von Ägina nach Abnahme der Ergänzungen, Glyptothek, München

Abb. 1: Statue der ›Spes‹ von Bertel Thorvaldsen, Schloss Tegel, Berlin

Abb. 3: Kopf einer Sphinx vom Dach des Aphaiatempels von Ägina, Glyptothek, München

Abb. 4: Die eine der beiden Kopfergänzungen von Bertel Thorvaldsen für die Figuren vom Firstakroter des Aphaiatempels von Ägina, Glyptothek, München

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Abb. 5: Die andere der beiden Kopfergänzungen von Bertel Thorvaldsen für die Figuren vom Firstakroter des Aphaiatempels von Ägina, Glyptothek, München

Abb. 6: Bertel Thorvaldsen, an seine Statue der ›Spes‹ gelehnt, Nischenfigur auf der Ostseite der Glyptothek in München. Selbstbildnis, Marmorausführung durch Arnold Hermann Lossow 1857

Abb. 8: Kopf des Apollon (VI, 39) vom Ostfries des Parthenons, Akropolismuseum, Athen

Abb. 7: Modernes Relieffragment mit Jünglingskopf, Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin

Parthenon und Ägineten: Fälschungen und Nachahmungen berühmter Antiken

Abb. 9: Modernes Relieffragment mit Jünglingskopf, British Museum, London

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Abb. 10: Stierführender Knabe vom Nordfries (IV, 10) des Parthenons, Akropolismuseum, Athen

Abb. 11: Modernes Relieffragment mit Jünglingskopf, Slg. Northumberland

Abb. 12: Stierführender Knabe vom Nordfries (II, 3) des Parthenons, Akropolismuseum, Athen

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Abb. 14: Artemis vom Ostfries (VI, 40) des Parthenons, Akropolismuseum, Athen Abb. 13: Modernes Relieffragment mit Kopf der Artemis, ehemals Slg. Barracco, Rom

Abb. 15: Modernes Relieffragment mit weiblichem Kopf, British Museum, London

Abb. 16: Wasserträgerin vom Nordfries (VI, 18) des Parthenons, Akropolismuseum, Athen

Parthenon und Ägineten: Fälschungen und Nachahmungen berühmter Antiken

Abb. 17: Moderner weiblicher Kopf (mit künstlicher Versinterung), Fälschung nach den Ägineten, Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin

Abb. 19: Moderner weiblicher Kopf (gereinigt), Fälschung nach den Ägineten, Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin

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Abb. 18: Moderner weiblicher Kopf (gereinigt), Fälschung nach den Ägineten, Antikensammlung, Staatliche Museen zu Berlin

Abb. 20: Kopf der Athenastatue vom Westgiebel des Aphaiatempels von Ägina, Glyptothek, München

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Abb. 21: Kopf der Athenastatue vom Ostgiebel des Aphaiatempels von Ägina, Glyptothek, München

Abb. 23: Kriegerkopfergänzung von Bertel Thorvaldsen nach dem Laomedon, Glyptothek, München

Abb. 22: Kopf des Laomedon vom Ostgiebel des Aphaiatempels von Ägina, Glyptothek, München

Abb. 24: Moderner Kriegerkopf, Fälschung nach dem Laomedon, Privatbesitz



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