Otto IV. und der englische Königshof

June 2, 2017 | Author: Mark Eschweiler | Category: History, Medieval History, Holy Roman Empire, Otto IV
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OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF Scheiterte der einzige welfische Kaiser des Heiligen Römischen Reiches an seiner anglonormannischen Herkunft?

27. APRIL 2015 AUTOR: MARK ESCHWEILER (5706122) – EMAIL: [email protected] UNIVERSITÄT ZU KÖLN – HISTORISCHES INSTITUT – ABT. MITTELALTERLICHE GESCHICHTE – SEM. KÖNIGSWAHL IM MITTEALTER – DOZ. DR. WAßENHOVEN

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Inhaltsverzeichnis THEMENEINFÜHRUNG .................................................................................................................. 2 OTTO IV. UND DIE ZEITGENÖSSISCHEN HERRSCHAFTSFORMEN...................................................... 3 DER ANGLONORMANNISCHE KÖNIGSHOF UND LÖWENHERZ ........................................................................ 3 KONSENSUALE HERRSCHAFT IM HEILIGEN RÖMISCHEN REICH ...................................................................... 8 OTTO IV. IM DEUTSCHEN THRONSTREIT 1198/1215....................................................................... 9 HISTORISCHER RAHMEN ..................................................................................................................... 9 ABKEHR DES BRUDERS ..................................................................................................................... 12 ZEUGNIS DES PAPSTES ..................................................................................................................... 14 FAZIT ......................................................................................................................................... 16 LITERATURVERZEICHNIS ............................................................................................................. 19 SELBSTSTÄNDIGKEITSERKLÄRUNG .............................................................................................. 20

MARK ESCHWEILER (5706122) – KÖNIGSWAHL IM MITTELALTER – OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF

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Themeneinführung Der Herzog von Aquitanien, Otto von Braunschweig, auch bekannt als Otto IV. war von 1198 bis 1218 der einzige welfische König und von 1209 bis 1218 der ebenso einzige welfische Kaiser, der jemals auf dem Thron des Heiligen Römischen Reiches saß. Weshalb das so verwunderlich scheint, ist die Tatsache, dass die welfische Dynastie zu den mächtigsten ihrer Zeit gehörte. Denn aus ihren Wurzeln in Oberschwaben wurden sie nacheinander und schließlich gleichzeitig mit den Herzogtümern Sachsen sowie Bayern belehnt und besaßen eine enge Verbindung zum englischen Königshaus. Sie wussten sich somit in der Lage, selbst der Vormachtstellung der Staufer offen entgegenzutreten, was, wie man an Heinrich den Löwen sieht, große Macht versprach, aber auch heftige Niederlagen hervorrufen konnte. So waren es die Protagonisten Otto von Braunschweig und der staufische Herzog Philipp von Schwaben Ende des 12. Jahrhunderts, die sich nach dem Tode Heinrich VI. im deutschen Thronstreit wiederfanden. Bemerkenswerterweise gewann Philipp, der zahlenmäßig ohnehin weit mehr Anhänger besaß, obwohl der damalige Papst Innozenz III. sich für den Welfen aussprach, weit mehr Verbündete und so befand sich der staufische Abkömmling eindeutig auf Siegeskurs, dessen mutmaßlich endgültiger Triumph dann jedoch durch ein Attentat auf sein Leben verhindert wurde. Weshalb sich Otto IV. zumindest von 1208 bis 1211 unangefochten römisch-deutscher König nennen durfte, bis dieser sich schließlich mit seinem ehemals stärksten Verbündeten, Papst Innozenz III., verwarf und die Krone letztendlich an Friedrich II., Sohn des verstorbenen Heinrich VI., verlor. Doch wie ich im weiteren Verlauf darlegen werde, geht es mir ausdrücklich nicht darum, ein festgesetzten Antagonismus zwischen Welfen und Staufern zu belegen, sondern vielmehr möchte ich herauszufiltern, weshalb kein Dynastiewechsel, der sogar von dem vielleicht einflussreichsten Papst aller Zeiten befürwortet war und keine Seltenheit in der Geschichte des römisch-deutschen Königtums dargestellt hätte, erfolgen konnte. Mein Ziel ist es vielmehr, die Persönlichkeit des Welfen näher zu beleuchten und sie mit dem Herrscherbild zu vergleichen, welches im 12. Jahrhundert von einem deutschen König und römisch-deutschen Kaiser erwartet wurde. Denn ein solcher Herrscher war nicht einmal annähernd allmächtig oder unantastbar, auch der Begriff der Loyalität wurde vielleicht anders verstanden als in anderen Epochen oder geografischen Gebieten. Man verstand sich auf ein Geben und Nehmen, der Eine unterstützte den Anderen, wenn dieser im Gegenzug etwas Nützliches anbieten konnte, dies war Gewohnheit zu jener Zeit und befand sich, so könnte man sagen, zur Jahrhundertwende auf seinem Zenit. Dieses Prinzip wird in der heutigen Forschung als „Konsensuale Herrschaft“ 1 bezeichnet und war spätestens seit Friedrich I. Barbarossa ein fester Bestandteil des Reiches, welches sich aus mächtigen Fürsten zusammensetzte. Otto IV. sicherte sich zwar nach dem Tod Philipps von Schwaben kurzzeitig und unangefochten den Thron, doch sein letztendliches Scheitern könnte darin begründet gewesen sein, weshalb er sich ohne den Tod des welfischen Kontrahenten vermutlich ohnehin

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(Schneidmüller 2000) MARK ESCHWEILER (5706122) – KÖNIGSWAHL IM MITTELALTER – OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF

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nie durchgesetzt hätte. Nämlich ignorierte der Welfe des Öfteren während und nach dem Thronstreit die Regeln eben jener konsensualen Herrschaft, was ihn auf der einen Seite Verbündete kostete und zugleich die Widersacher stärkte2. Hätte er also nach den römisch-deutschen Gepflogenheiten der Zeit gehandelt, wäre es im Bereich des Möglichen gewesen, dass sich ein dauerhaft welfisches König- und Kaisertum spätestens mit dem Tod des staufischen Herzogs Philipp von Schwaben etabliert hätte? Aber was bewog Otto IV. so zu handeln, wie es in der Nachbetrachtung zum Scheitern verurteilt scheint. Der Historiker Gerd Althoff nennt als mögliche Ursache für Ottos Ansichten dessen Jugendzeit am englischen Königshof und das enge Verhältnis zu Richard Löwenherz3, Bernd Ulrich Hucker geht sogar so weit, dass Otto IV. „durch die Abstammung zwar ein Welfe, aber aufgrund seiner Erziehung ein Plantagenêt“4 gewesen sei. Diese Thesen werde ich insofern überprüfen, als das ich die Gewohnheiten des anglonormannischen Reiches analysieren möchte und schließlich mit den Handlungen Otto IV. vergleichen werde. Als Quellen für Ottos Taten werden mir hauptsächlich die Arnoldi Chronica Slavorum sowie die Acta Imperii Selecta dienen. Aber zuerst werde ich auf den anglonormannischen Königshof, Ottos Jugendzeit und seinen Onkel Richard I. Löwenherz eingehen, um dann mit einem Blick auf das Konzept der konsensualen Herrschaft im Heiligen Römischen Reich, um die Gepflogenheiten der beiden Machtsphären mit dem überlieferten Handeln und letztendlichen Scheitern des Welfen zu vergleichen. Dabei verspreche ich mir, im Rahmen dieser Hausarbeit, Anhaltspunkte zu finden, ob tatsächlich ein anglonormannisches Herrschaftsverständnis Otto IV. dazu bewog einige Entscheidungen zu treffen, die sich letztlich als nachteilig erwiesen haben.

Otto IV. und die zeitgenössischen Herrschaftsformen Der anglonormannische Königshof und Löwenherz Durch die Vermählung von Heinrich den Löwen mit der dem Haus der Plantagenêt zugehörigen Mathilde im Jahre 1168, verband sich die welfische Dynastie bereits mit der angevinischen, oder auch anglonormannischen. Dies wurde vor allem wieder wichtig, als mit der Gelnhäuserurkunde im Frühjahr 1180 die welfischen Herrschaftsgebiete innerhalb des Heiligen Römischen Reiches nach der Auseinandersetzung zwischen Friedrich I. Barbarossa und Heinrich dem Löwen begannen allmählich zu schwinden, die Herzogtümer Sachsen sowie Bayern wurden unter mehreren Fürsten aufgeteilt und nach den Kämpfen ging der Welfe 1181 ins Exil zu seiner Verwandtschaft in Südengland. Im Zuge

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(Althoff 2009) S. 204 (Althoff 2009) S. 203 4 (Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 13 Plantagenêt 3

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dessen folgte der 1175/76 geborene Otto seinen Vater an den englischen Königshof Heinrichs II., später dann Richard I. Löwenherz, wo er bis zu seiner Königserhebung im Alter von 23 Jahren blieb. Weshalb dies nun für meine Arbeit eine Rolle spielt ist schnell erklärt, der spätere König und Kaiser Otto IV. verweilte spätestens ab seinem 5. Lebensjahr bis einschließlich seines 23. etwa 18 Jahre, mit kleineren Unterbrechungen, in einer prägenden Lebensphase an einem Hof, der sich dem deutschen in einigen Aspekten deutlich unterschied. Er wuchs dort bei seiner Mutter in Winchester und anderen Inselsowie Festlandbesitzungen (Frankreich) der englischen Könige auf5, was sich auch in seiner wahrscheinlichen Muttersprache, dem Französischen, wohl bemerkbar machte. Als dann 1189 seine Mutter starb und im gleichen Jahr sein Onkel mütterlicherseits, Richard Löwenherz, zum König von England gekrönt wurde, nahm dieser sich seines welfischen Neffen an und ließ ihn persönlich eine ritterliche Erziehung zu kommen6, es gibt keine aussagekräftigen Quellen, welches Gedankengut ihm in dieser Zeit tatsächlich gelehrt wurde. Jedoch lässt sich vermuten, dass die römisch-deutsche Wahlmonarchie im Gegensatz zum englischen Erbkönigtum für einen heranwachsenden Mann zumindest ein zwiespältiges Selbstverständnis des Herrschaftsbildes hervorgerufen haben mag. Während also im Heiligen Römischen Reich mit der Zeit die Großen des Reiches ein ausgebildetes Wahlrecht erhielten und weiterhin ausbauten, das es für einen Anwärter auf den Thron sowie den späteren Amtsinhaber von Nöten machte, zumindest von einem grundlegenden Teil der Fürsten Wohlwollen zu empfangen, war die Entscheidungsgewalt in England mit angevinischen Königen wieder mehr in der Hand des Königs gelangt, der obendrein durch eine Erbfolgereglung die Sukzession innerhalb der Familie bewahren konnte7. Der Umgang mit den Vasallen der jeweiligen Reiche hatte also unterschiedliche Voraussetzungen, mit Militär behauptete man sich in England vor Baronen und dem Klerus, während man im Heiligen Römischen Reich im Konsens versuchte zu leben. Es bleibt natürlich äußerst spekulativ, wie sehr Otto IV. sich von seinem Onkel beeinflussen ließ, aber die Tatsache, dass der englische König versuchte, ihn mit der Grafschaft York auszustatten und mit der schottischen Königstochter zu vermählen sprach natürlich für dessen Interesse daran, Otto ein gleiches Herrschaftsbild in früher Kindheit verkörpern zu wollen und es möglicherweise auch geschafft zu haben Auch als Otto IV. 1196 von ihm den Schlag zum Ritter erhielt sowie mit der Grafschaft Poitou belehnt und Herzog von Aquitanien wurde, muss ein gewisses Vertrauen zwischen den beiden vorgeherrscht haben. Hucker stellt dabei gar die These auf, dass Richard I. Löwenherz, welcher zuvor in beiden oben genannten Reichsteilen herrschte, seinen Neffen, obwohl weit hinten in der englischen Erbfolge, zu seinem eigenen Nachfolger etablieren wollte8. Sollte diese Annahme zutreffen, so wäre es auch hier nur logisch, dass Otto IV. seinem englischen Onkel weit ähnlicher war, als andere Erben.

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(Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 20 (Hucker, Otto IV.: der wiederentdeckte Kaiser 2003) S. 28 7 (Wende 1995) S. 42 8 (Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 20 6

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Wenn dem so gewesen ist, wer war Richard Plantagenêt? Was zeichnete seinen Charakter aus und finden wir seine Verhaltensmuster im politische Umgang während des deutschen Thronstreits bei Otto IV. wieder? Das Löwenherz als einer der schillerndsten Protagonisten der englischen Geschichte gehört hat natürlich seine Gründe, er galt als sehr charismatisch und entscheidungsfreudig. Auch dank gezielter Propaganda, so soll er zum Beispiel das mythische Schwert Excalibur aus der Artus-Saga besessen haben, damit galt er zu Lebzeiten und darüber hinaus beinahe als Inkarnation der Ritterlichkeit9, und dies obwohl die Ermordung von 2700 Gefangenen, nach der Eroberung von Akkon während des dritten Kreuzzugs, aufgrund einer Verzögerung in der Bereitstellung des Lösegeldes dieses Bild eines Ritters in der Realität nicht vollends rechtfertigen mag10. Viele Zeitgenossen erlebten ihn wohl daher eher, trotz seiner Liebe zur Literatur, als cholerischen Gewaltherrscher11, der seine Herrschaft mit Militär, Propaganda und die Belehnung von wichtigen Reichsteilen durch familiäres Umfeld legitimierte sowie sicherte. Aber Richard Plantagenêt besaß durchaus auch diplomatisches Geschick, so wird ihm beispielsweise die Herstellung der Gleichheit zwischen den Angelsachsen und normannischen Eroberern, die sich als Elite etabliert hatten, zugeschrieben, welche sich fortan gemeinsam als Engländer identifizieren sollten. Betrachten wir den Kampf um Macht zwischen Königtum und Adel etwas genauer, natürlich war auch die Herrschaft eines englischen Königs selten völlig unangefochten, aber mit der Zurückdrängung der feudalen Partikulargewalten unter Richards Vater Heinrich II, nährte sich Richard I. Löwenherz von einer Machtfülle, die ihm im Grunde weitreichende Befugnisse über seine Kronvasallen und seinen Untertanen ermöglichte, was sich dann bei den zahlreichen Steuererhebungen zur Finanzierung der Kriege in Frankreich, als Beispiel dienend, deutlich bemerkbar machte. Diese Macht wurde erst wieder mit der Magna Charta von 1215 unter der glücklosen Herrschaft des Johann Ohneland, einen 61 Artikel umfassenden Freibrief zugunsten adliger Privilegien unter dem König, wieder eingeschränkt.12 Zu Zeiten von Ottos Anwesenheit am Königshof befand sich das Königtum jedoch auf einen der vielen Hochs in seiner wechselhaften Geschichte. So stellen wir uns hier einen heranwachsenden jungen Welfen vor, der die politische Machtfülle seines Onkels als Vasall am eigenen Leibe und als potenzieller Erbe auch ideologisch mitverfolgt haben musste. Warum das als Indiz taugt werden wir in der Betrachtung der Rolle des Kaisers im Heiligen Römischen Reiches später feststellen. Festzuhalten ist jedoch, dass das konsensuale Herrschaftssystem zur dieser Zeit nicht dem Tagesgeschäft am englischen Königshofe angehörte. Wollen wir nun also überblicken, welche Eigenschaften und Charakterzüge auf Otto IV. womöglich abgefärbt waren. Von Alt-Historikern wird der einzige welfische Kaiser zwar als physisch stark, aber

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(Schaller 1989) S. 57 (Mayer 1980) S. 139 11 (Hucker, Otto IV.: der wiederentdeckte Kaiser 2003) S. 31 12 (Wende 1995) 10

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6 als „[…] hochmütig, eigenwillig, schroff, geizig“, überheblich und mutlos kategorisiert, ihm fehle es an ritterlicher Haltung, Religiosität und geistigem Potenzial13. Jedoch kann Hans-Martin Schaller einige Punkte in seinem Aufsatz nachvollziehbar entkräften, so sei Otto IV. sehr wohl, wie sein Vater Heinrich der Löwe und sein Onkel König Richard I., obwohl Analphabet, an der Sammlung von Wissen, in den Grundlagen der Rechtsprechung und Literatur sehr gebildet gewesen14. Auch seine Residenz, die Stadt Braunschweig, welche von Heinrich d. Löwen in gut allen Belangen ausgebaut wurde und königlichen Anspruch zu erheben versuchte, wurde unter Otto IV. eben nicht vernachlässigt, sondern in Tradition seines Vaters kulturell weiterentwickelt und um die königliche Legitimation fördernd, in Bezugnahme auf seine hochadlige Herkunft, erweitert. Als Beispiel dafür sei das Grabdenkmal Heinrich des Löwen und Mathilde genannt, welches vermutlich eher zur der Zeit um die Jahrhundertwende unter dem römisch-deutschen König gebaut wurde.15 Zudem tritt er als Stifter der Kronen des Dreikönigsschreins zu Köln in Erscheinung, was eine gewisse Pietät untermauern könnte 16. Weiter erwähnt Schaller auch, man solle sich beim Thema Religiosität nicht vom Verhalten Otto IV. nach der Kaiserkrönung und dem Bruch mit Innozenz III. täuschen lassen, so könne man anhand seiner normannischen Verwandten rücksichtslose Kirchenpolitik mit Frömmigkeit durchaus harmonieren lassen17, dies beweist zum Beispiel Ottos Großvater und englische König Heinrich II. mit den „Constitutions of Clarendon“ von 1164, welche das Kirchenrecht im angevinischen Reich stark beschränken und die weltliche Gerichtsbarkeit auf den Klerus ausweiten sollte. Frömmigkeit ist also nicht immer mit kirchlicher Loyalität gleichzusetzen. Was im Übrigen auch auf vielen seiner römisch-deutschen Vorgänger auf dem Thron zutrifft. So kommen wir zu einen weiteren Anhaltspunkt, wie eben erwähnt wissen wir, dass Richard I. Löwenherz, auch wenn zum Teil aus Propaganda als besonders ritterlich in Erinnerung blieb, auch wenn einige seiner Handlungen als wenig ritterhaft bezeichnet werden können, so legte er dennoch viel Wert darauf als Ritter wahrgenommen zu werden. Diesen Teppich legte er auch für Otto von Braunschweig aus, weshalb er eine ritterliche Erziehung genießen sollte und, wie bereits erwähnt, 1196 von englischen König dann auch zum Ritter geschlagen wurde. Aber was bedeutete es, ein Ritter zu sein oder eine ritterliche Erziehung genossen zu haben? Dazu ein kurzer Exkurs: Ausgehend vom Pax Dei, dem Gottesfrieden, versuchte die Kirche und der Hochadel in der Auvergne (zentralfranzösische Region) im 10. Jahrhundert blutige Fehden und Übergriffe an Kirchenbesitz sowie Bevölkerung einzudämmen. Zuvor rücksichtslose Streiter transformierten sich bildhaft in eine christliche Form des schwertführenden Kriegers und Beschützers, dessen gottgefällige Regeln in einer Form des nichtkodifizierten Ethos sich über Westeuropa ausbreiteten und schließlich nicht nur Rittern, sondern

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(Schaller 1989) S. 55 (Schaller 1989) S. 57 - 60 15 (Schaller 1989) S. 62 16 (Schaller 1989) vgl. S. 69 17 (Schaller 1989) S. 81 - 82 14

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auch dem Adel als Leitbild dienen sollten. Das Ideal lässt sich auf folgende Tugenden herunterbrechen: Anstand, Beständigkeit, Demut, Ehre, Großzügigkeit, Güte, Höflichkeit, maßvolles Leben, seelische Hochstimmung, Tapferkeit, Treue und Würde. Aber viel mehr diente die Artussage um die Ritter der Tafelrunde Richard I. Löwenherz als Vorbild und Legitimitätsgrund, obwohl die Legende, die vom 5. Jahrhundert erzählt und dessen Autor Geoffrey von Monmouth diese im 12. Jahrhundert veröffentlichte, eine ganz andere Aussagekraft trug als das kirchliche Ritterlichkeitsbild, nämlich der Verteidiger Britanniens nach außen und innen zu sein. Löwenherz nämlich, wie bereits zuvor erwähnt galt als cholerisch und zögerte auch nicht drakonische Strafen aufzuerlegen, die dem ungeschriebenen Kodex des Militis Christiani widersprachen. Ihn also als vollkommenden Miles Christianus darzustellen fällt schwer und es lässt auch weiter vermuten, dass nicht jeder geschlagene Ritter, sich streng an dieses Leitbild orientierte. Otto jedoch galt als gefürchteter Kriegsherr und an ihm hing, vor allem in England sowie in der Normandie und trotz mehrerer Niederlagen, ein heldenmutiger Ruhm und selbst Gegner hätten ihm nicht vorwerfen können, je einen Unterlegenen „schlecht behandelt oder sinnlos ermordet“ zu haben,18gerade beim letzten Punkt konnte sein Onkel letztlich sogar nicht mithalten. Er orientierte sich jedoch auch reichlich an der Artussage, Johann Ohneland überreichte 1207 das Schwert Tristan, der Name eines Mitglieds der Tafelrunde, an den Welfen, während zuvor Richard I. Löwenherz das legendäre Excalibur trug. Auch Mitglieder seines kaiserlichen Hofes brachten ihn und seine Familie mit der Sage in Verbindung. So widmete Gervasius von Tilbury, anglonormannischer Literat und kaiserlicher Marschall, die Otia Imperialia, in der des Öfteren von König Artus die Rede ist und dessen angebliche Eroberungen von Frankreich, Dänemark, Norwegen und Gotland sich laut Bernd Ulrich Hucker mit den Plänen Kaiser Otto IV. deckten, insofern der Feldzug 1214 erfolgreich verlaufen wäre. Auch sieht er den Beweis für Ottos Artus-Inspiration in den Wahl des Drachen zum Feld- und Siegeszeichen, welcher der Legende nach Artus‘ Vater, Uther Pendragon, zugehörig ist. Auch Löwenherz soll dieses Zeichen auf dem dritten Kreuzzug (1189 bis 1192) geführt haben.19 Womit wir dann wiederum unbestreitbare Parallelen zwischen Otto IV. und Richard I. Löwenherz festgestellt hätten. Durchaus erkennbar ist das enge Verhältnis zwischen Richard I. Löwenherz und Otto IV., was auch auf Gegenseitigkeit zu beruhen schien. Denn nicht nur die Sorge um seinen Neffen, die Förderung einer ritterlichen Erziehung, die Belehnung mit der Grafschaft Poitou und die spätere Unterstützung im deutschen Thronstein belegen enge Verbindungen, sondern andersherum erklärte sich auch Otto IV. im Jahre 1193 als wichtigstes Beispiel bereit, als Geisel für seinem Onkel bis in die zweite Hälfte 1194 am kaiserlichen Hof zu verweilen.20 Grund dafür, war die Gefangennahme des englischen Königs durch Herzog Leopold V. von Österreich. Des Weiteren war er dem englischen König mit Waffenlieferungen

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(Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 23. (Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 219 - 224 20 (Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 42 19

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im Krieg gegen Frankreich stark behilflich, auch weitere Indizien lassen sich in umfassenderen Arbeiten bzw. spezifischeren Themen gut darlegen.

Konsensuale Herrschaft im Heiligen Römischen Reich Bekanntlich veränderte sich das Heilige Römische Reich aus seinen Wurzeln im karolingischen Frankenreich im Laufe der Zeit kontinuierlich, die Herrschaftsform des durch Fürstenstimmen erwählten König und vom Papst erhobenen Kaiser beginnend bei Karolingern, über Ottonen, Saliern, Staufern und eben auch mit Otto IV. kurzzeitig Welfen durchliefen verschiedene Dynastien, die im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit durch Wittelsbachern, Luxemburgern und Habsburgern weitergeführt worden sind. Da es also eine Wahl gab, freilich nicht nach modernen Maßstäben, aber zumindest kein Erbrecht auf dem römisch-deutschen Thron, waren Könige und jene die es sein wollten dazu angehalten, eine möglichst große Unterstützung der Fürsten zu erhalten, um gewählt zu werden, im Amt zu bleiben oder um die eigene Dynastie nach eigenen Ableben wiederwählen zu lassen. Bernd Schneidmüller verweist in seinen bemerkenswerten Aufsatz über die „Konsensuale Herrschaft“ darauf, dass bereits der Wechsel von der Merowingern zu Karolingern, weniger ein Befehl des Papstes gewesen sei, sondern vielmehr ein Vorgang aus einer ausgeschickten Gesandtschaft zum Heiligen Stuhl (bestehend aus dem Rat und Konsens aller Franken), päpstliche Bevollmächtigung, auf die Wahl Pippins durch alle Franken, Weihe der Bischöfe und Unterwerfung der Großen.21 Auch die spätere Akzeptanz der karolingischen Herrschaft, deren Wahl zwar bereits auf dem Konsens der Großen beruhte, aber die dauerhafte Erhöhung wurde erst ertragen, als die Salbung den König näher zu Gott zu stellen vermochte. Weitere Legitimationsversuche und –Anzweifelungen belegen auch hier bereits, dass die „Steuerung adligen Konsenses und seine offensive Einforderung königliche Erfolge und Mißerfolge“ bestimmten.22 Im 11. Und 12. Jahrhundert läuteten die Auseinandersetzungen zwischen Regnum und Sacerdotium eine weitere Phase der Konsensbildung ein, mit der gregorianischen Reformbewegung, dessen Gipfel im Investiturstreit ab 1076 bis zu dessen Beilegung 1122 mit dem Wormser Konkordats erreicht wurde, zerbröckelte allmählich das Reichskirchensystem und entriss dem römisch-deutschen König weitgehende „geistliche“ Rechte. Gleichwohl entdeckten die Reichsfürsten 1077, mit der Exkommunikation Heinrichs IV. und seinem Gang nach Canossa, „ihre ausschließliche Verantwortung für das Reich und forderten sie offensiv gegenüber den König ein.“23 Dies schlägt sich dann auch in den Verhandlungen rund um das Wormser Konkordat nieder, indem Kaiser Heinrich V. nicht nach seinen Vorlieben beschließen konnte, sondern die „vielen Häupter des Staates“, also die Fürsten des Reiches, einen allgemeinen Beschluss förderten.24

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(Schneidmüller 2000) S. 66 - 67 (Schneidmüller 2000) S. 68 - 69 23 (Schneidmüller 2000) S. 70 24 (Schneidmüller 2000) S. 71 22

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Friedrich I. Barbarossa wird gerne mit dem Schlagwort der Konsensualen Herrschaft in Verbindung gebracht, diese Andeutung, er habe bewusst so gehandelt hat ihren Ursprung in seinem Verhalten vor der Wahl 1152. Zum einen versprach er seinem welfischen Cousin Heinrich d. Löwen das Herzogtum Bayern zurückzugeben und zum anderen beispielsweise dem Bamberger Bischof Eberhard II. vor den kirchenrechtlichen Ansprüchen des Mainzer Erzbischofs zu schützen.25 Doch eben diese bewussten Handlungen, Unterstützer Rechte zu vergeben und Zusagen zu machen, ließen ihn einige Jahre später zu einem von seinen eigenen Fürsten getriebenen Herrscher werden. Heinrich d. Löwe, belehnt mit den Herzogtümern Sachsen und Bayern, schickte sich an von einem treuen Verbündeten zu einem Untertan zu werden, der durch eine eigenmächtige Erhöhung seines Ranges im Habitus die kaiserliche Autorität untergrub. Bei der Strafe für dieses und andere Vergehen wurde die Reichsacht über Heinrich d. Löwen verhängt sowie die Herzogtümer Bayern und Sachsen dem Welfen entzogen, entscheidend und warum Barbarossa reale Machtverluste zu verkraften hatte war aber die Tatsache, dass die Reichsfürsten das „traditionelle Vorrecht herrscherlicher Verzeihung“ ihm entzogen haben.26 Ich denke, spätestens im oft herangezogenen Paradebeispiel Friedrich I. Barbarossa erkennt man das sensible Gefüge aus Konsens und Machtanspruch sowie, und das wird für den weiteren Verlauf noch wichtig werden, den Unterschied zwischen gesuchten und aufgezwungenen Konsens mit den Fürsten. Im Übrigen, und da lohnt sich weiterer kurzer Blick über die Grenzen des Heiligen Römischen Reiches hinaus, waren solche politischen Entwicklungen zeitlich etwas verschoben in anderen Ländern ebenso festzustellen. Vergleichbar mit dem Fall des Löwen waren auch die Friedensverhandlungen 1254 zwischen Frankreich und England. So hatte der französische König Ludwig XI. seinem englischen Verwandten König Heinrich III. konfisziertes Festland zurückgeben wollen, aber dessen Barone stellten sich auch hier erfolgreich dagegen. Die bereits angeklungene englische Magna Carta von 1215, die ausdrücklich genannt erst nach Ottos IV. Zeit am anglonormannischen Königshof besiegelt wurde, stärkte auch bei den Kronvasallen wie zum Beispiel im römisch-deutschen Reich um 1077 das Bewusstsein der Teilhabe an der Reichspolitik und schränkte die Willkür des Herrschers ein.

Otto IV. im deutschen Thronstreit 1198/1215 Historischer Rahmen Der Deutsche Thronstreit hatte seine Wurzeln in zwei wesentlichen Faktoren, da wäre zum einen der frühe Tod des erst 32 Jahre alten Kaisers, und Sohn Barbarossas, Heinrich VI. am 28. September 1197. Zum gleichen Zeitpunkt war sein Sohn Friedrich II. lediglich drei Jahre alt. Der prädestinierte Nachfolger und mögliche neue König, denn obwohl das römisch-deutsche Reich ein Wahlkönigtum war, bildete sich oftmals eine dynastische Konstanz, war in den Augen der Fürsten noch nicht bereit und

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(Görich, Friedrich Barbarossa: Eine Biographie 2011) (Schneidmüller 2000) S. 74 - 75 MARK ESCHWEILER (5706122) – KÖNIGSWAHL IM MITTELALTER – OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF

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somit suchte man zumindest an dieser Stelle nach Übergangslösungen. Des Weiteren kreierte die schleichende Entmachtung der Fürsten, da die staufische Dynastie daran interessiert schien ein Erbkönigtum auf römisch-deutschen Boden zu etablieren, eine anti-staufische Partei unter dem Kölner Erzbischof Adolf von Altena. Ende 1196 wurde zunächst Friedrich II. in Frankfurt unter Bemühungen des Mainzer Erzbischofs Konrad von Wittelsbach und Philipp von Schwaben gewählt, aber dessen Mutter Konstanze verzichtete zunächst für ihren Sohn. Nun begaben sich beide Parteien auf der Suche nach neuen Kandidaten und in Philipp von Schwaben fand die staufische Seite zügig einen für sie geeigneten Nachfolger, der aber selbst den Thron für seinen Neffen nur vorübergehend besetzen wollte. Bei der anti-staufischen Partei, unter Führung des Kölner Erzbischofs, galt lange Zeit der sächsische Herzog und Askanier Bernhard III. als Favorit bis vom englischen König Richard I. Löwenherz dessen Neffe Otto von Braunschweig, zu diesem Zeitpunkt Herzog von Aquitanien, in den Wahlkampf gerufen wurde. Dies hatte bereits zur Folge, dass der Sachsenherzog Bernhard III. begann die staufische Seite zu unterstützen, da er befürchtete, dass der welfische Thronanwärter sein ehemaliges Herzogtum Sachsen bei einer erfolgreichen Königserhebung beanspruchen würde. Letztendlich erfolgten zwei separate Wahlen und Krönungen vom Frühjahr bis in den Sommer 1198, sodass Otto IV. und Philipp von Schwaben sich als römisch-deutsche Könige gegenüberstanden. Ersterer wurde zwar an den traditionellen Orten Köln sowie der Aachener Münsterkirche gewählt und vom legitimen Erzbischof gekrönt, aber besaß nur in Frankreich und am Niederrhein nachgebildete königliche Insignien. Andersherum bei Philipp von Schwaben, so besaß er die rechten Insignien, aber musste mit Mainz einen alternativen Krönungsort und mit dem burgundischen, anstatt dem kölnischen, einen unrechtmäßig agierenden Erzbischof Vorlieb nehmen. Zur Schlüsselfigur im Streit um den Thron entwickelte sich dann der Anfang Januar 1198 zum Papst gewählte Innozenz III., beide Parteien baten den apostolischen Stuhl ihre Wahl anzuerkennen, wobei die staufische Partei sich deutlich in der Mehrheit befand. Dennoch entschied der Papst im Juni 1200, wohl auch aus eigenem Interesse für den Welfen, in der Deliberatio domni pape Innocentii super facto imperii de tribus electis erklärte er gegenüber den Fürsten seinen Entschluss. So sei zunächst Friedrich II. zu jung und Philipp von Schwaben entspränge einer Familie von Kirchenverfolgern, in Anlehnung an die Exkommunikation Friedrich I. Barbarossa. Außerdem sei der Staufer zwar im Besitz der rechtmäßigen Insignien und habe die Mehrheit der Fürsten, „Doch sei er nicht von dem, der das Recht dazu hatte, noch am rechten Ort gekrönt worden“.27 Abschließend mahnte er dann die Fürsten sich auch für denjenigen zu entscheiden, der auch letztendlich vom Papst zum Kaiser erhoben werden könne. Der Anspruch des Papstes auch in Zukunft in die Königswahl des Heiligen Römischen Reiches einzugreifen zu wollen zeigt sich zwei Jahre später in der Dekretale Venirabilem, aber dies ist nicht der Anlass um

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(Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 23 MARK ESCHWEILER (5706122) – KÖNIGSWAHL IM MITTELALTER – OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF

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im Detail darauf einzugehen. Jedenfalls, und das ließ ich bereits anklingen, war die Parteinahme für Otto IV. weniger ein objektiver Beschluss, nein, vielmehr waren die Staufer nicht bereit Sizilien als Papstlehen anzuerkennen und ihre Macht in Italien herunter zu fahren. Dagegen einigten sich Innozenz III. und Otto IV. resultierend im Neußer Eid vom 8. Juni 1201 das Reich mit dem Königreich Sizilien nicht zu vereinigen („Unio regni ad imperium“). Obwohl sich zumindest mit der Entscheidung in Rom sich die geistlichen Reichsfürsten von den Philipp von Schwaben lösen mussten und er auch weltliche Fürsten für sich zunächst gewann, verlor der Welfe ab dem Jahr 1204 rasch an Rückhalt, so verwarf er sich in kürzester Zeit mit seinem eigenen Bruder Heinrich, auf dieses Ereignis werden wir im nächsten Abschnitt explizit schauen, und verlor er mit dem Erzbischof von Köln, seinem Königsmacher, sowie weiteren rheinischen Verbündete. Treu blieben ihm dagegen der Dänenkönig sowie sein englischer Verwandter König Johann Ohneland, Richard I. war 1199 gestorben. Letzterer war Hauptverantwortlicher dafür, dass der Welfe trotz zahlreicher Niederlagen und Verluste aller Art zahlungskräftig blieb.28 Doch trotz der sich anbahnenden Niederlage, die am 24. Juni 1208 nach Ablauf des Waffenstillstandes zwischen beiden Thronstreitern wohl in kürzester Zeit besiegelt worden wäre, wendete sich das Blatt plötzlich maßgeblich. So war es der bayerischen Pfalzgraf Otto, der drei Tage vor besagten Ablauf der Waffenruhe ein Attentat mit Todesfolge auf Philipp von Schwaben verübte, von dem nach damaliger Einschätzung und auch nach heutigem Kenntnisstand sein welfischer Konkurrent jedoch freizusprechen ist.. Rasant stellten sich einige Fürsten, darunter auch sein Bruder, hinter das welfische Königtum. Ebenso Papst Innozenz III., als eigentlicher Unterstützer waren die Erfolge des Staufers ihm auch nicht verborgen geblieben, weshalb er wohl kurz vor Philipps Tod bereit gewesen sein soll, Otto IV. fallen zu lassen.29 Wie jedoch Bern Ulrich betont begann eine kurze Phase der Hochstimmung, der Welfe heiratete die Tochter seines söhnelosen ehemaligen Kontrahenten und versuchte somit auch die Fronten zwischen beiden Dynastien aufzuweichen. Er ließ vom Krieg verwüstete Gebäude wieder errichten, er galt dem Minnesänger Neidhard als Schirmherr der Poesie und sein Hof wusste ebenso mit innovativen Ideen zu gefallen.30 Also ein ganz anderes Bild, als das, was sich in der früheren Meinung von Historikern widerspiegelt.31 Man könnte auch bereits an dieser Stelle anmerken, dass Otto IV. zu diesem Zeitpunkt sich der Wichtigkeit eines gesunden Konsenses bedacht war, er wusste, dass er in dieser Phase der Stabilisierung auch die Unterstützung der vormaligen Kriegsgegner benötigte. Die Friedenszeit währte jedoch nicht allzu lang, denn als Otto IV. am 4. Oktober 1209 in Alt St. Peter vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde, bildete sich schlagartig eine neue Front, Papst versus Kaiser. Bereits 1210 wird der Kirchenbann über Otto IV. gesprochen, als dieser sich entgegen des Neußer Eides

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(Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 24 (Althoff 2009) S. 209 30 (Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 24 -25 31 (Schaller 1989) S. 55 29

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von 1201 Sizilien zuwandte und plötzlich in staufischer Tradition eine imperiale Politik fuhr. Erfolge in diesem Kontext blieben aber größtenteils aus, die Herrschaft über Norditalien konnte gefestigt werden, aber weder Frankreich noch Sizilien wurden vollständig besetzt. Und so bildet sich bereits 1212 wieder eine Opposition, die mit Friedrich II. eine staufische Partei bildete, welche wiederum 1214 in der Schlacht von Bouvines den entscheidenden Sieg davon trug. Otto IV. starb am 19. Mai 1218 auf der Harzburg und Friedrich II. setzte sich als Kaiser im deutschen Thronstreit am Ende durch.

Abkehr des Bruders Wie bereits erwähnt, widmen wir uns jetzt im Detail möglichen Anhaltspunkten, wieso und weshalb möglicherweise der „Traum von welfischen Kaisertum“32 scheiterte und ob seine enge Verbindung zum englischen Königshof die Ursache für weitere missliche Entscheidungen gewesen sein könnte. Einen möglichen Beleg dafür finden wir in der Chronica Slavorum (übers. Slawenchronik) von Arnold von Lübeck, einem Chronisten am welfischen Hof der von 1150 bis 1211/ 1214 gelebt hat, was ihn zu einem Zeitzeugen des wichtigsten Teils des Thronstreits avancieren lässt. Die Chronik selbst reicht von 1171 und Heinrich dem Löwen bis 1209 und dem hier behandelten Otto IV.. Die Tatsache, dass ein welfischer Chronist durchaus auch kritische Worte, das werden wir feststellen, an seine Herrscher verliert spricht meiner Meinung nach von einem recht hohen Maß an Objektivität und Reflexion, was die Chronik umso wertvoller macht. Für meine Arbeit beinahe unentbehrlich ist dabei der Passus über die Meinungsverschiedenheit zwischen Otto IV. und Heinrich von Braunschweig im Jahr 1204, der bereits Pfalzgraf zu Rheine war und neben anderen Gebieten die Stadt Stade, die Grafschaft Stade und Dithmarschen mit der Teilung des welfischen Erbes im Paderborner Vertrag vom 1. Mai 1202 dazu erhielt. Heinrich war ein Parteigänger seines Bruders, sah sich aber Zunehmens durch Philipp von Schwaben seiner Pfalzgrafenwürde, seinem Haupttitel, bedroht. So wandte er sich während einer Heeresversammlung an seinen König, um Bedingungen für seine weitere tatkräftige Unterstützung im deutschen Thronstreit zu deklarieren, denn er habe genügend Einbußen zu ertragen indem er genügend Mittel für den Krieg seines Bruders aufwenden müsse und möglicherweise gleichzeitig seinen wichtigsten Besitz verliere. Otto IV. lehnte jedoch die Forderung zu diesem Zeitpunkt ab, die da lautete, die Stadt Braunschweig sowie die die Burg Lichtenberg an Heinrich abzutreten, denn er war der Meinung er müsse erst den Krieg gewinnen, bevor Zugeständnisse machen könne: „So löste sich diese Heeresversammlung, die sich in Staunen und Trauer verkehrte, auf, ohne daß etwas ausgerichtet war. Der Pfalzgraf nämlich, welcher mit allen Anstrengung die Partei seines Bruders unterstützte, wurde von Philipp unaufhörlich mit dem Verluste seiner Pfalzgrafschaft am Rheine bedroht, wenn er nicht von seinem Bruder ließe. Denn er erklärte,

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Nach dem Buchtitel des Braunschweigischen Museums, s. (Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) MARK ESCHWEILER (5706122) – KÖNIGSWAHL IM MITTELALTER – OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF

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er wolle nicht dulden, daß er durch die Machtmittel der kaiserlichen Pfalz, über welche er selbst und kein Andrer zu verfügen habe, bedrängt werde. Daher kam es den Pfalzgrafen hart vor, auf beiden Seiten Einbuße leiden zu sollen, nämlich im Dienste seines Bruders das Seinige aufzuwenden und dadurch, daß er Philipp hintansetzte, die Pfalzgrafenwürde zu verlieren. Darum sagte gleich beim ersten Zusammentreffen mit seinem königlichen Bruder der Pfalzgraf in geheimer Berathung: „Bruder, ich bin dir zu dienen aus doppelten Gründen verpflichtet, sowohl wegen dem Bande des Blutes, als wegen der der königlichen Majestät schuldigen Treue. Um dich nun in vollem Maße unterstützen zu können, ist es billig, daß ich von dir einige Vortheile dafür erlange. Darum übergibt mir die Stadt Bruneswich (Anm. Braunschweig) und die Burg Lichtenberg, damit ich, durch diese festen Plätze stark und sicher, allen deiner Widersachern ringsumher widerstehen vermag.“ Darauf antwortete der König voll Unwillens: „Nicht also, mein Bruder; besser ist es, daß ich zuerst der Zügel des Reiches mit voller Gewalt bemächtige, und daß du dann alles, was du willst, mit mir gemeinschaftlich besitzest. Es soll nicht scheinen, als thäte ich aus Furcht und Besorgnis etwas, was ich vielleicht nachher zu bereuen hätte und dann wieder zurückzunehmen mich genöthigt sähe.“ Doch wozu noch mehr Worte? Der Pfalzgraf verließ; sei es aus Ueberlegung, sei es aus Noth seinen Bruder, und ging, worüber gar manche staunten, ja Thränen vergossen, zu Philipp über, Otto aber kehrte nach Bruneswich zurück.“33 Heinrichs Forderung, auch wenn sie an seinen eigenen Bruder war, entsprach dem Zeitgeist, denn das Prinzip der Konsensbildung rief hervor, dass man ohne Gegenleistung keine Leistung zu erwarten hatte. Vergleichen wir diese Situation, mit einer beispielhaften Vorgehensweise seines Kontrahenten Philipp v. Schwaben, so berichtet auch Arnold von Lübeck darüber, wie der Graf von Jülich ein Gesuch an den Staufer adressierte, indem dieser seine Dienste sowie seine Überzeugungskraft, auch andere rheinische Anhänger Ottos zu überzeugen, anbot, wenn er ihm „Ehren und Reichtümer verleihen wolle“.34 Philipp willigte ein, sodass selbst der Königsmacher Ottos IV., der Erzbischof zu Köln, und weitere mächtige Männer mithilfe des Jülicher Grafen die Seiten wechselten. Dennoch lassen sich beide Vorgänge nicht vollends vergleichen und somit möchte ich Gerd Althoff an dieser Stelle widersprechen,35 Philipp besaß die Mehrheit des Reiches bereits von Anfang an hinter sich, er war weit mehr in der Lage sorgfältig abzuwägen, ob sich eigene Aufwendungen sich dem Angebot gegenüber lohnten. Kurzum das Gesuch des Jülicher Grafen stellte für den Staufer eine Option da, hätte er abgelehnt, wäre der Status Quo erhalten geblieben, aber in diesem Fall verbesserte sich seine Lage gegen gewisse Zugeständnisse erheblich, er hatte also grundsätzlich die Zügel in der Hand. Der Bruderzwist zeugt dagegen von zwei Faktoren, die sich wesentlich vom vorherigen unterscheiden. Heinrichs Anliegen klingt zunächst nach

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(Lubecensis 1896) S. 270 - 271 (Althoff 2009) S. 203 35 (Althoff 2009) vgl. S. 206 34

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heutiger Definition weit mehr nach einer Erpressung, denn einem Angebot. Otto IV. besaß bereits die Unterstützung seines Bruders und nun forderte dieser zum Erhalt des Status Quo weitere Zugeständnisse ein. Es handelt sich also um ein Verlustgeschäft, so hatte der welfische König keine Unterstützung seitens seines Bruders mehr oder hatte die Stadt Braunschweig abzutreten, ich denke damit wäre ein wesentlicher Unterschied zum Fall davor herausgestellt. Dazu gesellt sich meiner Meinung nach die Situation indem beide Anliegen vorgetragen werden, während also Philipp mithilfe eines Briefwechsels wohl weit mehr Zeit für eine Konsultation mit Beratern hatte, um die für ihn vorteilhafteste Lösung zu treffen, klingt die Forderung Heinrichs ganz anders. Denn Otto IV. wollte, so berichtet Arnold von Lübeck, grundsätzlich erstmal mit voller Macht den Krieg gewinnen und nicht in der damaligen Situation, aus Angst, eine falsche Entscheidung treffen, die er nachher revidieren hätte müssen. Einen völligen Unwillen hier einen Konsens zu bilden, sehe ich nicht, ich denke vielmehr, dass Otto IV. bedacht war, zunächst keine Fehlentscheidung zu treffen und womöglich war er von seinem Bruder überrumpelt worden. Auch nicht auszuschließen ist die Möglichkeit, dass bei Heinrich bereits eine Tendenz zum Seitenwechsel vorgelegen haben könnte und die Ablehnung nur der gewollte Grund gewesen war, aber das ist spekulativ und bedarf weiterer Ausarbeitungen. Um aber auf den eigentlichen Kern der Frage, ob die anglonormannische Erziehung Grund für gewisse Handlungsweisen gewesen sei, zurückzukommen, die Mechanismen, um die Gunst von möglichen Unterstützer mit einem anderen König zu streiten waren am anglonormannischen Hof nicht vorhanden. Zu dieser Zeit wurden die Person und das Erbe des englischen Königs als Zentralgewalt nie angezweifelt, vielmehr stritt der Monarch mit den Baronen um die Beschränkung und Vermehrung seiner herrschaftlichen Rechte und – Pflichten.36 Obendrein befand sich zu Ottos IV. Anwesenheit am königlichen Hof der König in einer besonderen starken Machtposition, sodass Richard I. Löwenherz und Johann Ohneland „oft rigoros und skrupellos“37 schalten und walten konnten. Dass von diesem Selbstverständnis etwas auf diese Situation abfärbte kann sogar angenommen werden, Heinrich stellte seinen Bruder wie bereits ausgearbeitet vor einer Wahl, bei der er nur verlieren konnte. Ob ein Richard I. Löwenherz eine solche Situation anders oder sogar gleich gelöst hätte, lässt sich nicht sagen, da die Person des Königs in England nicht angezweifelt wurde, aber vermutlich wäre er, in Form eines Kulturschocks überfordert oder zumindest überrascht gewesen. Vielleicht traf das gar auf Otto IV. in diesem Ereignis zu.

Zeugnis des Papstes Eine weitere Betrachtung der Dinge gibt uns der bereits häufig genannte Papst Innozenz III. Welcher zunächst ein jahrelanger und vor allem nützlicher Verbündeter für Otto IV. war, denn er ergriff Partei

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(Wende 1995) S. 43 - 44 (Wende 1995) S. 44 MARK ESCHWEILER (5706122) – KÖNIGSWAHL IM MITTELALTER – OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF

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für ihn bei der Königswahl und ließ sich im Gegenzug seine Ansprüche auf Sizilien zusichern so der Welfe denn Kaiser werden würde. Als jedoch der Papst seinen Nutzen verlor, brach die Verbindung in eine Feindschaft auseinander. Man könnte direkt Otto IV. des Eidbruches schuldig sprechen und das tat man auch recht schnell dann am 18. November 1210 indem der Papst ihn exkommunizierte, nachdem er bereits im Februar 1210 mit der Erhebung von Dietpold von Schweinspoint zum Herzog von Spoleto, Anstalten machte, mit den vom Papst beanspruchten Gebiete nicht wie versprochen zu verfahren. Und das obwohl er den Neußer Eid aus dem Jahre 1201 noch am 22. März 1209 in Speyer erneuerte, jedoch schien tatsächlich mit dem Erreichen seines Ziels, der Kaiserkrönung am 4. Oktober 1209, sein Interesse an der Übereinkunft mit Innozenz III. erloschen zu sein. Das zeitnächste Indiz dafür ist auch das Zerwürfnis zwischen ihn und dem Magdeburger Erzbischof, wo er weitere Zusagen gegenüber einem Geistlichen vermutlich verwehrte.38 Der Papst selbst legt in der Acta Imperii Selecta das Verhalten von Otto IV. im Nachhinein so da: „unsere Wohltaten uneingedenk und seiner eigenen Versprechungen nicht achtend, böswillig den König von Sizilien, welcher als Waise unter päpstlichen Schutz steht, verfolgt und mit Unrecht das Königreich desselben und anderes Land der römischen Kirche angegriffen, gegen seine Eide und Verbriefungen und gegen unser Recht und Verdienst.“39 Bevor wir nun aufgrund dieser Aussage mit der Moralkeule auf Otto IV. einschlagen, erfordern jedoch mindestens zwei Gegebenheiten unsere Aufmerksamkeit, die Innozenz III. nicht in seiner Schrift erwähnte. Zunächst wollen wir kurz die Auswirkungen der päpstlichen Versprechen aus dem Neußer Eid beleuchten. An vorderster Front erkannte der Papst gut einem Monat nach dem Eid am 3. Juli 1201 in Köln den Welfen als König des römisch-deutschen Reiches an und verhängte den Kirchenbann über Philipp von Schwaben sowie seinen Getreuen. Jedoch wähnte sich der Welfe nur kurz auf der Siegerstraße indem er Auftrieb durch die Unterstützung verschiedener kirchlicher Institutionen wie Klöster, Abteien und Bistümer erhielt, denn der Bruch mit seinem Bruder im Jahre 1204 wendete eine weiteres Mal das Blatt (s.o.).40 Es ist also nicht des Papstes Schuld, dass die Exkommunikation des staufischen Widersachers den Streit nicht entschied, sondern vielmehr die Abkehr seines Bruders und allgemein die Gepflogenheiten, die päpstlichen Eingriff zwar beachten, aber nicht zwingend befolgen. Dennoch war es wichtig, den Papst zunächst auf seiner Seite, und nicht die des Gegners, zu wissen, da ein Thronanwärter ohne Rückhalt der mehrheitlichen Fürsten und der römischen Kirche wohl von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Außerdem war die Instanz des Heiligen Stuhls langfristig viel wertvoller, wenn es um das vorrangigste Ziel, die Kaiserkrönung in Rom ging. Und würde ja nach noch bevorstehen.

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(Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S.78 (Innozenz III. 1870) S. 631 40 (Hucker, Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum 2009) S. 24 39

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Aber das Innozenz III. ein begnadeter Realpolitiker war, zeigt uns das bereits angedeutete Beispiel, dass kurz vor der Ermordung Philipps von Schwaben, Verhandlungen mit eben dieser Fraktion eingeleitet worden sind, als sich der staufische Sieg angedeutet hatte. Innozenz III. schien also bereit, Otto IV. fallen zu lassen, um seine Position beim mutmaßlichen Sieger zu stärken. Natürlich könnte man spekulieren, das Otto IV. von der Annäherung des Papstes an seinen Konkurrenten etwas mitbekommen hat um dann vergeltend die Versprechungen rund um das Unio regni ad imperium zu brechen. Aber dafür gibt es erstens keine Belege und zweitens ginge eine solche Vergeltung am damaligen Zeitgeist gründlich vorbei, was auch die Versöhnung mit seinem Bruder nach dem Tod des Staufers zeigt. Festzuhalten bleibt jedoch, dass auch scheinbar Innozenz III. nicht bereit war bis zum bitteren Ende den Neußer Eid zu ehren. Sehr interessant für diese Abhandlung ist abschließend eine These von Innozenz III. die ebenso in der Acta Imperii Selecta aufstellt. „Erreicht er hier seinen Zweck, dann wird er euch in solche Verhältnisse herabrücken, in welche die englischen Barone durch seine Verwandten gebracht worden sind. In England erzogen, wird er nach Kräften die Gewohnheiten des Landes auch im Reiche einführen trachten.“41 Er wirft eindeutig eine mögliche Antwort auf, die wir unterschwellig ebenso gesucht oder zumindest analysiert haben. Ist seine Jugendzeit am anglonormannischen Königshof der universelle Grund für den Bruch des Eides?

Fazit Kommen wir zum Abschluss der Arbeit. Ich gebe zu, wir befinden uns auf einem sehr spekulativen Weg der Wahrheitsfindung und vielmehr erschleicht mich die Erkenntnis die Wahrheit niemals vollständig diesbezüglich offenlegen zu können, was in der Geschichtswissenschaft ohnehin illusorisch ist. Es gibt einige Indizien die dafür sprechen, dass der Grundstein des welfischen Scheiterns am Kaisertum bereits in der Jugendzeit am anglonormannischen Hof gelegt wurde, die englischen Könige herrschten und walteten zu dieser Zeit grundverschieden zu seinem römisch-deutschen Pendant, das viel mehr auf Konsens mit den Großen angewiesen war und auch das Spiel zwischen Pietät einerseits und dem Kampf gegen die Kirche andererseits belegen das. Aber kann die Prägung in der Jugendzeit der Grund für das Scheitern sein? Was wurde Otto IV. über das Reich seiner Väter gelehrt? Und ist überhaupt die geringe Vertrautheit mit dem Konzept der konsensualen Herrschaft, wie Althoff es uns offeriert, die Wurzel für den zerplatzten Traum? Der Umweg über Althoffs Aufsatz hat mich als Kernproblem des Vorgangs nicht vollends überzeugt, Otto IV. und Philipp von Schwaben entschieden, wie von mir angesprochen, situativ und aufgrund

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(Innozenz III. 1870) S. 631 MARK ESCHWEILER (5706122) – KÖNIGSWAHL IM MITTELALTER – OTTO IV. UND DER ENGLISCHE KÖNIGSHOF

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unterschiedlicher Startbedingungen anders. Stellen wir uns einfach die Frage, wie hätte Philipp von Schwaben reagiert, wäre einer seiner wichtigsten Verbündeten in derselben Situation zu mit diesem Anliegen zu ihm gekommen, wie es der Bruder von Otto IV. tat? Das Konzept der konsensualen Herrschaft beruht nicht darauf, immer den Großen die Wünsche von den Augen abzulesen, also ist auch Philipp von Schwaben sicherlich nicht immer so verfahren, aber seine Position hat es ihm erlaubt Abstriche in Kauf zu nehmen. Natürlich aber könnte man es als Indiz dafür nehmen, was anderen als Beweis offensichtlich scheint, und der Pfalzgraf war nicht der einzige, der die Staufer vorzog, also ist die Vermutung natürlich nicht komplett absurd. Der nächste Punkt, Eide mit dem Papst zu brechen, das war im römisch-deutschen Reich eher die Regel als eine Besonderheit, also hier besondere Gewohnheiten zu sehen, wäre wohl nicht zielführend. Also kann man das Unverständnis des Betrogenen, also des Papstes selbst, verstehen, aber muss ihm keine größere Bedeutung beimessen. Aber wie steht es um die These von Innozenz III., das Otto IV. danach getrachtet habe die englischen Gepflogenheiten auf das römische-deutsche Reich überzustülpen? Klare Beweise dafür haben wir nicht gefunden, ich glaube aber schon offen gezeigt zu haben, wie sehr ihm seine Zeit am englischen Hof zumindest beeindruckt hat, die Artussage und sein Schwert, das Drachenbanner von Uther Pendragon und auch seine Zeit als Graf, sowie die strategisch wichtige Rolle in den Plänen in der löwenherzischen Reichspolitik zeugen zumindest von einer kulturellen sowie ideologischen Verwurzelung mit dem englischen König. So muss man davon ausgehen, dass er kulturell beeinflusst worden war, aber daraus zu erkennen, dass er aus dem Heiligen Römischen Reiches ein zweites England formen wollte, wie Innozenz III. uns versucht zu schildern, schießt über das Ziel hinaus. Auch ein möglicher Vergleich zwischen den „Constitutions of Clarendon“, welcher zu ihrer Zeit das Kirchenrecht in England stark reduzierten und den Klerus der weltlichen Gerichtbarkeit unterstellten, und Zerwürfnisse mit der Kirche unter Otto IV. ist schwach, da solche Kluften auch bei Königen und Kaisern zuvor entstanden sind. Um abschließend nun ein Fazit zu ziehen, sicherlich hätte Otto IV. bessere Grundbedingungen haben können, die Vorgeschichte seines Vaters, der ebenfalls an höheren Ehren scheiterte und der damit einhergehenden Angst der Fürsten alte Ansprüche in Form von Bayern und Sachsen bei einer Wahl zum König geltend machen zu wollen, brachten Otto IV. direkt in eine Rolle eines Underdogs. Die große und recht treue staufische Gegenfraktion mit weit mehr Gebieten als die welfische und einen mächtigen Papst mit der Mentalität eines Realpolitikers, der zwar ihn zum König bestimmen ließ, der aber auch nicht zögerte im eigenem Interesse das Lager zu wechseln, waren sicher keine einfachen Gegebenheiten. So nähern wir uns der Vermutung, dass Otto IV. ohne den plötzlichen Tod staufischen Kontrahenten wohl auch nie Kaiser geworden wäre. Im Bereich des Möglichen ist natürlich in der einen oder anderen Situation eher wie ein Richard I. Löwenherz anstatt eines Friedrich I. Barbarossas entschieden zu haben, aber genügt das um die Herkunft als Hauptgrund für das Scheitern anzuerkennen?

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Nein, denn was das Fazit sein muss, der Traum von welfischen Kaisertum, wie Hucker es so trefflich bezeichnet, scheiterte an vielen Faktoren. Es gibt keine zuverlässige Aussage dazu, dass Otto IV. ein wahrlich anglonormannischer Herrscher war, auch wenn der Vorwurf so lauten mag. Die Bedingungen, die ihm vorlagen, lassen auch keinen großen Entscheidungsspielraum erkennen, sodass das Scheitern des Underdogs von Anfang der wahrscheinlichste Ausgang im deutschen Thronstreit war. Vielmehr sind es Begünstigungen gewesen, der Zuspruch des Papstes und der Tod seines Konkurrenten, die ihn nicht schon weit früher haben verlieren lassen.

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Literaturverzeichnis Althoff, Gerd. Otto IV. - Woran scheiterte der welfische Traum vom Kaisertum? Bd. 43, in In: Frühmittelalterliche Studien, 199–214. 2009. Görich, Knut. Friedrich Barbarossa: Eine Biographie. München: C.H.Beck, 2011. Görich, Knut. Versuch zur Rettung von Kontingenz. Oder: Über Schwierigkeiten beim Schreiben einer Biographie Friedrich Barbarossas. Bd. 43, in In: Frühmittelalterliche Studien, 179-197. 2009. Hechberger, Werner. Staufer & Welfen : zwei rivalisierende Dynastien im Hochmittelalter. Regensburg: Pustet, 2009. Hucker, Bernd Ulrich. Otto IV.: der wiederentdeckte Kaiser. Frankfurt am Main: Insel-Verlag, 2003. —. Otto IV.: Traum vom welfischen Kaisertum. Braunschweig: Braunschweigisches Landesmuseum, 2009. Innozenz III. Acta Imperii Selecta. Urkunden deutscher Könige und Kaiser 928 - 1398 mit einem Anhang von Reichsssachen. Herausgeber: Julius Ficker. Übersetzung: Gerd Althoff. Innsbruck, 1870. Lubecensis, Arnoldus . Die Chronik Arnolds von Lübeck - Arnoldi Chronica Slavorum. 2. Übersetzung: Johann C. M. Laurent. Leipzig: Dyk, 1896. Mayer, Eberhard Hans. Geschichte der Kreuzzüge. Stuttgart [u.a]: Kohlhammer, 1980. Schaller, Hans Martin. „Das geistige Leben am Hofe Kaiser Ottos IV. von Braunschweig.“ In: Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters, 1989: 54-82. Schneidmüller, Bernd. „Konsensuale Herrschaft. Ein Essay über Formen und Konzepte politischer Ordnung im Mittelalter.“ In: Reich, Regionen und Europa in Mittelalter und Neuzeit. Festschrift für Peter Moraw, 2000: 53-87. Wende, Peter. Geschichte Englands. Stuttgart/Berlin/Köln: W. Kohlhammer, 1995.

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Selbstständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Hausarbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die Stellen der Hausarbeit, die anderen Quellen im Wortlaut oder dem Sinn nach entnommen wurden, sind durch Angaben der Herkunft kenntlich gemacht. Dies gilt auch für Zeichnungen, Skizzen, bildliche Darstellungen sowie für Quellen aus dem Internet. Köln, den 27. April 2014

Mark Eschweiler

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