Ostösterreich im Endneolithikum – Am Ende der Welt? In: Thomas Doppler, Britta Ramminger und Dirk Schimmelpfennig (Hrsg.), Grenzen und Grenzräume? Beispiele aus Neolithikum und Bronzezeit. Fokus Jungsteinzeit. Berichte der AG Neolithikum 2. Kerpen-Loogh 2011, 25-35.

July 26, 2017 | Author: Daniela Kern | Category: Bell Beakers (Archaeology), Corded Ware Culture, Late Neolithic, Glockenbecher, Schnurkeramik
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25 Ostösterreich im Endneolithikum – Am Ende der Welt?

Daniela Kern

Einleitung Die ersten Grenzen, die wir in Ostösterreich historisch fassen können, sind jene zwischen dem Römischen Reich südlich der Donau und dem Freien Germanien nördlich davon und die Grenze zwischen den Provinzen Noricum und Pannonien. Auch in späteren Zeiten lagen im heutigen Niederösterreich und Burgenland Grenzen, z. B. 1000 Jahre später zwischen Bayern und den östlichen Marken. Was aber machte das heutige Ostösterreich durch die Zeiten häufig zu einem Grenzland? Eine Erklärung dafür mag die geographische Lage bringen. Ostösterreich befindet sich am Übergang von der Böhmischen Masse im Nordenwesten, den Alpen im Südwesten, der pannonischen Tiefebene im Südosten und den Karpaten im Nordosten mit der Donau als alles verbindenden Verkehrsweg. Dabei bleibt zu bedenken, dass der volle Nutzen von Flüssen als Verkehrs- und Handelswege nur dann gewährleistet ist, wenn man beide Flussufer kontrolliert (Dobesch 2005, 103). Trotzdem wurden neben anderen Landmarken auch Flüsse häufig als territoriale Grenzen – sozusagen natürliche Grenzen – verwendet. Für Ostösterreich bedeutete das über die Jahrhunderte nur ein geringes Hin- und Herpendeln der Grenzlinien. Neben den politischen bzw. territorialen Interessen spielten die geographischen und auch geologischen Räume in der Versorgung mit unterschiedlichen Nahrungsmitteln und Rohstoffen eine Rolle. Diese geographischen Räume bedingten vor allem in der Urzeit Unterschiede bei den Überlebensstrategien und Lebensweisen und somit auch in bestimmten Bereichen der materiellen Kultur.

Grenzen in der Urgeschichte Sobald man sich in der prähistorischen Archäologie mit dem Thema Grenzen und Räume beschäftigt, stellt sich eine große Anzahl an Fra-

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gen, die grundlegende methodische Bereiche berühren, beginnend mit der Grundfrage: „Was ist eine archäologische Kultur?“ und endend bei „Machen ein schnurkeramischer Becher bzw. eine innen verzierte Fußschale schon einen Fundpunkt der Schnurkeramik bzw. der Kosihy-Čaka/Makó-Gruppe aus und was bedeutet es, wenn beide in einem Grab vorkommen?“ Der Begriff der archäologischen Kultur wurde in den letzten Jahrzehnten wiederholt definiert bzw. hinterfragt und ist in seiner Bedeutung nach Kossinna und Child auch abzulehnen. Die Kritik wandte sich sowohl gegen den theoretischen Begriff „Kultur“ und seine Inhalte, als auch gegen seine Anwendung – z. B. Badener Kultur - bzw. den konkreten Umgang mit diesen beiden Bezeichnungen, die einerseits scheinbar unbeeinflusst neben einander stehen (Lüning 1972, 146-147), andererseits aber schwammig mit unterschiedlichen Bedeutungsinhalten verwendet werden. Den Überlegungen Lünings „Kultur“ als heuristischen Begriff zu verwenden, ist zwar in gewisser Weise zuzustimmen, trägt aber die Gefahr in sich, missverstanden zu werden. Eine zuletzt von Furholt vorgeschlagene polythetische Kulturtheorie (Furholt 2009, 25) auf Grundlage einer polythetischen Klassifikation im Sinne Clarkes (Clarke 1968, 246 ff.) kann nur begrüßt werden. Er selbst spricht in seiner Arbeit von Badener Keramikstil, bedauerlicherweise ohne zu definieren, was unter diesem oder auch anders gesagt jeglichem anderen Keramikstil zu verstehen wäre. Diese Vorgehensweise deckt sich mit einer auch in vielen theoretischen Arbeiten der letzten Jahre üblichen Art, einerseits

Thomas Doppler, Britta Ramminger und Dirk Schimmelpfennig (Hrsg.) Grenzen und Grenzräume? Beispiele aus Neolithikum und Bronzezeit. Fokus Jungsteinzeit. Berichte der AG Neolithikum 2. Kerpen-Loogh 2011, 25-36

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Ostösterreich im Endneolithikum – Am Ende der Welt?

Gräbergruppe

Anzahl

Datierung

Franzhausen I

15

Schnurkeramik

Franzhausen II

56/15

Schnurkeramik/Glockenbecher

Franzhausen III

16

Schnurkeramik

Franzhausen IV

23

Schnurkeramik

Franzhausen V

6

Schnurkeramik

Franzhausen VI

5

Schnurkeramik

Gemeinlebarn

21/2

Schnurkeramik/Glockenbecher

Gemeinlebarn-Hochgerner

1

Schnurkeramik (Schönfelder Kultur)

Herzogenburg

3?

Schnurkeramik

Inzersdorf ob der Traisen

6

Schnurkeramik

Nußdorf ob der Traisen

2

Schnurkeramik

Oberbierbaum

8

Glockenbecher

Oberndorf in der Ebene

1

Glockenbecher

Ossarn 1

1

Glockenbecher

Ossarn 2

3

Schnurkeramik

Wagram an der Traisen

1

Schnurkeramik

Walpersdorf

1

Schnurkeramik

Summe

160/27

Schnurkeramik/Glockenbecher

vorhandene Begriffe bzw. ihre Bedeutungsinhalte aufzulösen oder abzulehnen, andererseits aber keine konkreten, klaren Neudefinitionen entgegen zusetzen. In diesen Bereich fällt auch die Übernahme von Begriffen aus Nachbarwissenschaften ohne deren Definitionen anzuführen, was besonders problematisch wird, wenn diese auch in der Alltagssprache verwendet werden und somit mehrdeutig sind. Auf dieses Problem wies 1928 schon Jacob-Friesen hin, indem er schrieb: „Es geht nicht an, dass Begriffe, die in einer Wissenschaft klar umrissen sind, in einer anderen verworren auftauchen und falsch angewendet werden.“ (Jacob-Friesen 1928, 2). Seine Empfehlung , diese Begriffe erst gar nicht zu verwenden, muss allerdings abgelehnt werden. Besser wäre wohl eine korrekte Verwendung oder eine einleitende Erklärung, was im konkreten Fall darunter zu verstehen ist. In diesem Artikel werden die Bezeichnungen Kultur und Kulturgruppe lediglich zur chronologischen und chorologischen Beschreibung des Fundmaterials verwendet.

Tab. 1 Aufstellung der endneolithischen Gräber aus dem Traisental (Projekt „Das Endneolithikum im Traisental“).

Ostösterreich und das Traisental Für Ostösterreich lassen sich viele Forschungsfragen für das Spät- und Endneolithikum kaum beantworten, ist doch der Forschungsstand – wie schon wiederholt festgestellt – nicht ausreichend (Kern 2003, 249-250; Mayer 2008, 175), auch wenn in den letzten Jahren besonders bei großflächigen Rettungsgrabungen Befunde und Funde dieser Zeit zum Vorschein kamen. Das Traisental stellt eines der wenigen Fundareale Ostösterreichs dar, dessen Materialbasis als gut bezeichnet werden kann. Am Ende des Neolithikums finden wir hier materielle Hinterlassenschaften der Jevišovice-Kultur, der Kosihy-Čaka/Makó-Gruppe, der Schnurkeramik, der Glockenbecherkultur und Einflüsse aus der Schönfelder Kultur und der Somogyvar-Vinkovci-Gruppe. In den Jahren 2005 bis 2008 wurden im Rahmen des Projektes Endneolithikum im Traisental rund 180 endneolithische Gräber aus dem Unteren Traisental untersucht (Tab. 1), die der späten Schnurkeramik und der Glockenbecher Kultur angehören. Sie decken somit einen

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Zeitraum von rund 400 Jahren ab. Die Gräber stammen von 16 Gräbergruppen der Fundorte Franzhausen, Gemeinlebarn, Herzogenburg, Inzersdorf ob der Traisen, Nußdorf ob der Traisen, Ossarn, Wagram an der Traisen und Walpersdorf. Von besonderem Interesse sind dabei die Bestattungsplätze von Franzhausen und Gemeinlebarn, die die größte Anzahl an Bestattungen ergeben haben und an denen lange lebende Traditionen festgestellt werden konnten. Die übrigen Fundorte bestätigen nur das Vorhandensein weiterer endneolithischer Gemeinschaften im Traisental, ohne Aufschluss über deren Größe und die Dauer der Besiedlung geben zu können. In Franzhausen wurden seit den 1960er Jahren Tausende von Gräbern unterschiedlicher Zeitstellung während des Schotterabbaues angefahren bzw. in großflächigen Rettungsgrabungen geborgen, während in Gemeinlebarn hauptsächlich die Dorferweiterung, Parzellierung von Grundstücken und die Errichtung von Einfamilienhäusern zur Entdeckung der Gräber führte. Die daraus resultierenden Grabungsflächen in Gemeinlebarn sind daher nicht so groß und gleichen teilweise einem Fleckerlteppich mit abwechselnd untersuchten und nicht untersuchten Parzellen (Fundberichte aus Österreich 20, 1981 und folgende Jahre).

Franzhausen Auf der grossen Schotterterrasse von Franzhausen wurden Menschen fast durchgehend von der Badener Kultur bis in die Latène-Zeit bestattet (Neugebauer-Maresch/Neugebauer 2001, Abb. 3). Auch wenn die Badenzeitlichen Gräber nur vereinzelt und mit grossen Abständen zueinander festgestellt werden konnten, so zeigt sich, dass später die frühbronzezeitliche Bevölkerung diese Areale zur Bestattung ihrer Toten nutzte und so die badenzeitlichen Gräber mitten in den frühbronzezeitlichen Friedhöfen zu liegen kamen (Mayer 1991, 32). Aus der Badener Kultur sind in Ostösterreich im Vergleich mit Ungarn wenige Gräber bekannt, doch wur-

den gerade im Zuge der Rettungsgrabungen im Traisental in den letzen Jahren mehrere Bestattungen freigelegt (Mayer 1991; Krumpel 2005). Auch in der Badener Kultur liegt der ostösterreichische Raum am Rande des Verbreitungsgebietes (Horváth 2008, Abb. 1). Mehr Bestattungen kennen wir aus dem Endneolithikum. Insgesamt wurden in Franzhausen 136 Gräber festgestellt, die dem Endneolithikum zugerechnet werden können. Sie wurden nach ihrer räumlichen Verteilung in sechs Gruppen unterteilt, die mit römischen Zahlen bezeichnet wurden (s. Tab. 1). Die große Gruppe Franzhausen II lässt sich vermutlich noch in drei Untergruppen gliedern. Insgesamt wurden in Franzhausen 119 Gräber festgestellt, die in den Horizont Schnurkeramik/Kosihy-Čaka/ Makó gestellt werden können. Davon enthielten 99 „schnurkeramisches“ Inventar, vielleicht wäre es besser von schnurkeramikzeitlichem Inventar zu sprechen, zwölf Grabschächte enthielten W-O bzw. O-W orientierte Hockerbestattungen ohne Beigaben und zehn W-O orientierte Grabschächte waren leer. 15 Gräber sind spätglockenbecherzeitlich, davon enthielten drei keine Beigaben und ein Grabschacht war leer. Bei diesen vier letztgenannten Gräbern handelt es sich allerdings um rezent stark gestörte Befunde. Die schnurkeramischen Gruppen zeigen teilweise chronologische Unterschiede, zudem sind Einflüsse und Rohmaterialien aus unterschiedlichen Gebieten nachweisbar, z. B. fehlen in Franzhausen I, der jüngsten Gruppe, schnurverzierte Becher, in Franzhausen II gibt es keine Beile und Äxte aus Amphibolit, in Franzhausen III und Franzhausen V, den ältesten Gruppen mit schnurkeramischen Einfluss, sind die bestatteten Männer häufig nur mit einem Silexgerät und einem Beil ausgestattet.

Schnurkeramik/Kosihy-Čaka/Makó-Gruppe Die ältesten Gräber stammen vermutlich aus dem Übergangshorizont von der JevišoviceKultur zur Schnurkeramik. Sie treten meist nur vereinzelt auf den Bestattungsarealen auf und

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Gefäßformen und die Verzierung zeigen aber noch deutlich ältere Traditionen.

Abb. 1 Gemeinlebarn, Grab Verf. 3562.

zeichnen sich durch das Fehlen menschlicher Überreste und die Beigabe lediglich eines Gefäßes aus. Dabei kann es sich einerseits um einen Henkeltopf=Krug oder eine Schale handeln. Eine Ausnahme stellt das Grab Verf. 3562 aus Gemeinlebarn (Abb. 1) dar, das die Skelettreste eines Kindes und drei Beigabengefäße enthielt. Sowohl die Orientierung des Grabschachtes als auch des bestatteten Kindes sowie die Typenzusammensetzung der mitgegebenen Keramik entsprechen schnurkeramischen Gräbern, die

Aus der Jevišovice-Kultur selbst sind in Österreich hauptsächlich kleine Siedlungen in Höhenlage auf Kuppen oder Spornen bekannt (Krenn-Leeb 2006, 23 und Abb. 18.). Ihre besondere Lage und die Bevorzugung bestimmter Siedlungsgrößen haben in den letzten Jahren bei gezielten Geländebegehungen zur Entdeckung zahlreicher neuer Fundstellen dieser Zeit geführt. Gräber kennen wir bisher nur sehr wenige (Ruttkay 1975, Ruttkay 1992). Die Verbreitung der Kultur erstreckt sich im Norden bis auf heute mährisches Gebiet (Lantschner 1990, 29 - Verbreitungskarte; Ruttkay 1995, Abb. 33.). Das Traisental findet sich somit in einer Grenzlage. Ebensowenig wie über die Gräber wissen wir auch über die Wirtschaftsweise dieser Menschen. Hier wird die umfassende Publikation der Grabungsergebnisse vom Kleinen Anzingerberg, der im westlich an des Traisental anschließenden Dunkelsteiner Wald liegt, erhebliche Wissenserweiterung bringen, wie die bisher veröffentlichten Vorberichte bzw. Überblicksarbeiten erwarten lassen (zuletzt KrennLeeb 2010). Die ältesten Gräber in Franzhausen mit Einflüssen aus der Schnurkeramik zeigen durch die in ihnen vorhandene Keramik wie z. B. die Fußschale aus Grab 3419 (Abb. 2) deutliche Verbindungen in die ungarische Tiefebene (Kulcsár

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2009, 315-316 und Fig. 5960). Auffallend sind jedoch die W-O-Orientierung der Gräber, die Körperbestattung und die Lage der Toten, die aus der Schnurkeramik übernommen wurden. Bei den Gefäßen zeigen sich Einflüsse aus dem heute mährischen Gebiet mit den schnurverzierten Bechern, wobei aber auch Nachahmungen vorzuliegen scheinen. Ein Beispiel dafür ist der Becher aus Grab 768 von Franzhausen II (Abb. 3), der nicht nur eine ungewöhnliche Form und einen Rand mit Fingertupfen aufweist, sondern dessen Schnurverzierung mit einer groben Schnur und überdies sehr unregelmäßig in den Ton eingedrückt wurde (Grömer/Kern 2010, 3138, 3143). Er ist mit einer Tasse, wie sie für die Jevišovice-Kultur charakteristisch ist, vergesellschaftet (Wiedermann 2004, Obr. 1). Im Unterschied zum schnurkeramischen Fundmaterial aus Mähren finden sich Nagyrev-Krüge kaum im Fundmaterial des Traisentales. Eines der wenigen Stücke stammt aus Grab 6769 von Franzhausen IV (Abb. 4) gemeinsam mit einer Amphore und einer Tasse mit aufgelegter Leiste, wie sie auch aus Nove Zamký (Vladár 1966, 295) bekannt ist. Der S-förmig profilierte Becher aus Grab 738 von Franzhausen III (Abb. 5) ist typologisch gut mit Bechern aus Mähren vergleichbar, die eingestempelte Verzierung erinnert aber eher an bayerische Becher wie z. B. jenen von Geiselhöring (Engelhardt 1986, Abb. 15/13). Ein gutes Beispiel für die Vermischung der unterschiedliche Kul-

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Abb. 2 Franzhausen II, Grab Verf. 3419.

turelemente stellt das Grab 730 aus Franzhausen II dar, mit einem Becher mit hohem zylindrischen Hals und Fransendekor sowie einem Topf mit gekerbtem Rand, einer kleinen Amphore mit gekerbtem Rand und aufgelegten Leisten und einer Tasse, wie sie auch in der Kosihy-Čaka/MakóGruppe vorkommen (Abb. 6). Die Randzipfel an Töpfen und schnurverzierten Bechern, wie sie auch in Mähren und Böhmen vorkommen dürften nach ungarischen Vorlagen entstanden sein.

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Ostösterreich im Endneolithikum – Am Ende der Welt?

Gräber in Böhmen und Mähren. Die Körperbestattungen und die Niederlegung der männlichen Toten mit dem Kopf im Westen und der weiblichen Toten mit dem Kopf im Osten, in Rückenlage mit stark hoch gezogenen Fersen, kommt ebenfalls aus schnurkeramischen Traditionen. Bei einigen Toten ist aber auch eine Seitenlage des Oberkörpers zu bemerken. Die Brandbestattung, die für die Gruppe KosihyČaka/Makó charakteristisch ist, ist nur in sehr geringem Maße nachgewiesen.

Glockenbecher

Abb. 3 Franzhausen II, Grab Verf. 768.

Kontakte zur Schönfelder Kultur deutet das bestens bekannte Grab aus Gemeinlebarn-Hochgerner an (Neugebauer/Neugebauer 1993/94, 195 ff. und Abb. 3). Während die Keramik der endneolithischen Bevölkerung des Traisentales auf unterschiedliche Traditionen benachbarter Gebiete zurückgeführt werden kann, sind die Bestattungssitten eindeutig durch die Schnurkeramik beeinflusst. Die O-W-Orientierung der Grabschächte entspricht der Ausrichtung der schnurkeramischen

Mit dem Erscheinen der Glockenbecher erreichen deutlich westliche Einflüsse den mittleren Donauraum und belegen somit die seit der späten Schnurkeramik bestehenden Kontakte in dieses Gebiet. Sie äußern sich jedoch nur in den rottonigen, geschlickerten und reich verzierten Bechern. Auf dem Areal von der Schotterterrasse von Franzhausen II fehlen Bestattungen mit echten Glockenbechern, aber es gibt eine Gräbergruppe, die ausschließlich sogenannte Begleitkeramik enthält. Diese keramischen Formen und das Formenspektrum der Begleitkeramik haben ihren Ursprung in den vorangehenden Kulturen. Im Gegensatz dazu zeigen sich Unterschiede im Gefäßaufbau, in der Tonaufbereitung und bei der Brenntemperatur zwischen der schnurkeramischen und glockenbecherzeitlichen Keramik in Franzhausen.

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Diskussion Die Schnurkeramik und die Glockenbecher-Kultur sind zwei Phänomene, die vor allem zu Beginn der Beschäftigung mit ihnen gerne als Beispiele für Wanderungen von Bevölkerungen oder Bevölkerungsgruppen herangezogen worden sind. Die schnelle Verbreitung der betreffenden, vor allem keramischen, Formen sollte durch hoch mobile Gruppen erfolgt sein. Für beide Phänomene postulierte man einen Ausbreitungshorizont, der bei der Schnurkeramik als A-Horizont bezeichnet und z. B. durch die A-Axt gekennzeichnet sein sollte bzw. den Horizont der Maritimen Becher im Falle der Glockenbecher-Kultur. So formuliert Ch. NeugebauerMaresch 1994 für die Schnurkeramik: „Nach einer sehr uniformen Frühstufe entstehen ab 2600/2500 lokale Gruppen, die ab 2400 v. Chr. Auflösungserscheinungen durch die Kontakte mit der Glockenbecherkultur und später auch der Frühbronzezeit zeigen“ (NeugebauerMaresch 1994, 23). Für die Glockenbecherkultur wurde zudem ein Bell Beaker Package postuliert, dass aus Glockenbecher, Armschutzplatte, Silexpfeilspitzen und Kupferpfriem bestehen und besonders charakteristisch für die Bestattungen von „Glockenbecher-Männern“ des Ausbreitungshorizontes sein sollte. An den Beigaben der schnurkeramischen Bestattungen aus dem Traisental lässt sich jedoch exemplarisch zeigen, dass hier nicht eine einmalige Übernahme von z. B. bestimmten keramischen Formen stattfand, sondern dass kontinuierlich Kontakte und Einflüsse vorhanden waren und verarbeitet

Abb. 4 Franzhausen IV, Grab Verf. 6769.

wurden. In den einzelnen Phasen sind zudem schwerpunktmäßig Verbindungen in eine Region feststellbar, die sich in der materiellen Kultur niederschlagen. Wie weit diese auch durch unterschiedliche Subsistenz der Menschen bedingt war, kann derzeit nicht abgeschätzt werden, da für die Schnurkeramik in Ostösterreich bisher keine Siedlungen nachgewiesen sind und auch von glockenbecherzeitlichen Siedlungen bisher nur wenige Gruben bekannt sind (Zusammenstellung bei Schmitsberger 2008, 468 ff.). Die beiden bei Grabungen der letzten Jahre erfassten Fundstellen von Maissau und Wien-Renn-

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Ostösterreich im Endneolithikum – Am Ende der Welt?

/ Ziege (3,9 %), Schwein (3,6 %) und Hund (0,4 %). Die Wildtiere Ur, Wildschwein, Rothirsch und Biber sind mit Anteilen von jeweils unter 1 % vertreten (Czeika 2010, 32). Der prozentuelle Anteil der Haustiere unterscheidet diese Grube deutlich von den Siedlungsaufschlüssen des frühen Endneolithikums, wie z. B. der JevišoviceKultur, bei der üblicherweise die Wildtiere überwiegen (Krenn-Leeb 2010, 39). Ungewöhnlich ist auch der hohe Prozentsatz an Pferdeknochen, der eine Spezialisierung auf Pferdezucht, ähnlich wie sie auch für die zeitgleichen Siedlungen im heutigen Ungarn angedacht wurde, wahrscheinlich macht (Penz 2010, 25).

Abb. 5 Franzhausen III, Grab Verf. 738.

weg werden derzeit ausgewertet. Es wurden aber bereits umfangreiche Vorberichte publiziert (Schmitsberger 2008; Penz 2010). Es bleibt abzuwarten ob und wie weit die Inhalte dieser Siedlungsgruben in der Lage sind unser Wissen über die Wirtschaftsweise zu erweitern. Die Untersuchung der Tierknochen aus der spätglockenbecherzeitlichen Grube von Wien-Rennweg zeigte, dass von den 1668 (46,1 kg) Tierresten 768 bestimmbar sind (37,8 kg). Davon gehören über 80 % der Skelettreste zum Pferd. Die Haustierknochen verteilen sich ansonsten auf Rind (5,6 %), Schaf

Die Gräbergruppen von Franzhausen zeigen, dass im Endneolithikum in Ostösterreich mit der Anwesenheit unterschiedlicher kulturellen Einheiten gerechnet werden muss. Wo die Grenzen zwischen diesen verlaufen, ist nach wie vor nicht völlig geklärt. Das bezieht sich sowohl auf die chronologischen, als auch kulturellen und räumlichen Übergänge und ist mit den Verhältnissen in Mähren vergleichbar (Peška 1999, 267). Möglicherweise haben wir es im Endneolithikum Mitteleuropas mit einer ähnlichen Situation zu tun, wie F. Barth sie im pakistanischafghanischen Grenzgebiet feststellen konnte, wo verschiedene ethnische Gruppen unter Nutzung unterschiedlicher ökologischer Nischen teilweise ohne zusammenhängendes Territorium und unter starker gegenseitiger Interaktion zusammen-

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leben (Barth 1956 nach Sommer 2003, 208 f.).

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Abb. 6 Franzhausen II, Grab Verf. 730.

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Ostösterreich im Endneolithikum – Am Ende der Welt?

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Dr. Daniela Kern ([email protected]) Karolinengasse 18/15 A-1040 Wien Österreich

Zusammenfassung Sowohl die Kultur mit Schnurkeramik und die Kosihy-Čaka/Makó-Gruppe, als auch die Glockenbecherkultur waren über weite Teile Europas verbreitet. Der heute österreichische Raum befand sich bei all diesen Gruppen in einer Randlage. Untersuchungen der endneolithischen Gräber vor allem aus dem Traisental zeigen die starke gegenseitige Beeinflussung der endneolithischen Kulturen und Verbindungen zu den zeitgleichen Kulturgruppen der benachbarten Gebiete, die bis ins Saalegebiet und in das heutige Bayern, Böhmen, Mähren, die Slowakei, Ungarn und den Balkanraum nachgewiesen werden können. Diese starke gegenseitige Durchdringung belegt, dass in diesem Fall Kulturgrenzen nicht als scharfe Linien gedacht werden dürfen sondern als breite Übergangszonen. Grenze bedeutet hier eben nicht das Ende der Welt, sondern Austausch und Kommunikation. Ostösterreich stellt somit im Endneolithikum einen Schmelztiegel unterschiedlicher Einflüsse dar. Die Grundlage dazu liefert die besondere geographische Lage am Übergang von der böhmischen Masse im Norden sowie den Alpen im Süden zur pannonischen Tiefebene im Osten. Diese naturräumlichen Gegebenheiten führten zu verschiedenen Zeiten zu unterschiedlich starken Differenzierungen in der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung. Während z.B. die Kulturen des Karpatenbecken im 3. Jahrtausend v. Chr. schon den Übergang zur Bronzezeit vollzogen haben, verbleiben die Kulturen westlich und nördlich davon noch in endneolithischen Verhältnissen. Gleichwohl nehmen sie Neuerungen und Einflüsse aus den sie umgebenden Gebieten auf. Ein verbindendes Element stellte die Donau dar, die als Verkehrsachse diente.

Schlüsselwörter Ostösterreich, Endneolithikum, Kulturgrenzen, Gräber, Austausch

Summary Although the Corded Ware culture, the Kosihy-Čaka/Makó group, and the Bell-Beaker culture were distributed over wide areas of Europe, the region of present day Austria was very much peripheral when it came to the spatial dispersal of these three Late Neolithic cultural entities. However, recent investigations of burials from the very end of the Neolithic, especially from the Traisen Valley, indicate an intensive mutual interaction of these cultures, with connections to contemporary groups, reaching as far as the Saale-Region, Bavaria, Bohemia, Moravia, Slovakia, Hungary and the Balkans. This strong cultural penetration shows that cultural borders should not be considered as stringent boundaries but rather as wide transitional zones. Here “border” and “periphery” should not suggest ‘middle of nowhere’ but rather exchange and communication. In eastern parts of Austria, groups from the latest Neolithic were a melting pot of different influen-ces, reasons for which must be sought in the special geographic situation, between the Bohemian Massif in the north, the Alps in the south, and the Pannonian plain in the east. At different times, this natural environment led to the formation of different cultural and economic entities. For example, at a time when Bronze Age cultures were encountered in the Carpathian Basin, Neolithic lifeways persisted further north and west, albeit that these societies also begin to adopt innovations from the former. The river Danube appeared as an important connecting element and transport axis in central Europe.

Keywords East-Austria, Final Neolithic, cultural frontiers, burials, exchange



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