Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich
BMÖ 30 | 2014
OGM Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie
Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 30 | 2014
Der Druck dieses Bandes wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von: Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Kultur, Wissenschaft und Unterricht – Abteilung Wissenschaft und Forschung Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 7 – Kultur
Alle Rechte vorbehalten © 2015 by Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, Wien Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, 1190 Wien, Franz-Klein-Gasse 1 http://www.univie.ac.at/oegm ISSN: 1011-0062 Redaktion: Mag. Dr. Stefan Eichert Lektorat: Mag. Hans Müller, Mag. Nina Brundke, Mag. Dr. Stefan Eichert Englisches Lektorat und Übersetzungen: Paul Mitchell B.A. Satz, Layout und Gestaltung: Mag. Dr. Karin Kühtreiber Cover: Oben: Land Niederösterreich, Landessammlungen Niederösterreich, Ur- und Frühgeschichte, Norbert Weigl Mitte: Karin Kühtreiber, Brigitte Fettinger. Unten: Oliver Fries Druck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau
Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 30 | 2014
OGM Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie
Wien 2015
Inhaltsverzeichnis
Ernst Lauermann, Paul Mitchell und Elisabeth Rammer Der Michelberg und seine Kirchen. Abschließender Vorbericht zu den Grabungen der NÖ Landesarchäologie in den Jahren 2010–2013���������������������� 7
Levente Horvath Die Burg Salla/Klingenstein. Eine späte Höhenburg der Weststeiermark ������������������������������������������������������������ 23
Werner Murgg, mit Beiträgen von Georg und Susanne Tiefengraber Abgekommene mittelalterliche und frühneuzeitliche Wehrbauten im politischen Bezirk Murtal, Steiermark Aufnahme der Bodendenkmale ���������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 77
Karin Kühtreiber, Brigitte Fettinger und Andreas G. Heiss mit einem Beitrag von Wilfried Vetter und Manfred Schreiner „... der Leichenhof unter den Fenstern der Propsteiherrschaft ...“ Der frühneuzeitliche Friedhof auf dem Propsteiberg in Zwettl ������������������������������������������������������������������������ 111
Christine Keller Die Ergebnisse der anthropologischen Untersuchung des Propsteifriedhofs in Zwettl ��������������������������������������� 177
Karina Grömer, mit Beiträgen von Angelika Rudelics und Dan Topa Begraben mit der Würde seines Amtes. Die Textilreste des Priestergrabes und weiterer Gräber vom Propsteifriedhof in Zwettl��������������������������������������� 185
Tilman Mittelstrass Drei Münzschatzgefäße aus Österreich, Bayern und Slowenien������������������������������������������������������������������������� 211
Oliver Fries Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal. Eine bauhistorische Untersuchung���������������������������������������223 Buchrezensionen ����������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������� 241
Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 30/2014, S. 223–239
Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal Eine bauhistorische Untersuchung Oliver Fries, Tulln an der Donau „[…] so wollte ich nicht naseweis von allem Bescheid wissen, und würde auch, wenn ich zufällig mehr gesehen hätte […] reinen Mund halten.“ Joseph August Schultes über die Geheimhaltung des Zinkherstellungsprozesses in Döllach im Mölltal, 1804 1
Zusammenfassung
Summary
Im Vergleich zur umfassenden Baugeschichte des sogenannten Kohlbarrens in Döllach, stellt die Nutzung als Zinkhütte nur einen relativ kurzen Abschnitt in der Geschichte des Gebäudes dar. Aufgrund zeitgenössischer Quellen lässt sich die Funktion als Zinkproduktionsstätte zwischen 1797 und 1831 eingrenzen. Das Objekt diente vor dem Niedergang des ärarischen Goldbergbaus 1794 als Röststadel für die Erzaufbereitung, wovon sich auch der Vulgoname ableitet. Im Zuge der bauhistorischen und archäologischen Untersuchungen konnten insgesamt drei Ofenanlagen am Bestand festgestellt werden, deren Anzahl sich mit jener der von Hollunder (1824) beschriebenen deckt. Die einzelnen Ofenanlagen weisen unterschiedliche Konzeptionen sowie technische Modifikationen auf und verweisen somit auf eine ständige Änderung des Produktionsverfahrens. Der Beitrag stellt eine Zusammenfassung hinsichtlich der Bau-, Nutzungs- und Besitzgeschichte dar und enthält einen Exkurs zur historischen Zinkproduktion. Aufgrund des Fehlens von erhaltenen Vergleichsbauten zählen die baulichen Reste der Zinkhütte von Döllach zu einem der bedeutendsten Industriebaudenkmale Europas.
The building known as “Kohlbarren” in Döllach in the Carinthian Mölltal Valley has a rich architectural history. This article mainly deals with its function as a production site for zinc. Written sources show that zinc was produced there between 1797 und 1831 at least. Before 1794 it was used as an ore roasting facility for the local gold mining industry and this earlier role lead to the house’s common name. Three furnaces for zinc production were identified by the recent archaeological and architectural investigations. This number also appears in a report by Hollunder from 1824. The furnaces are different and reflect a process of permanent refinement of the production process. The paper sums up the building’s history in terms of architecture, function and ownership. The fact that hardly any other comparable buildings are preserved means that the “Kohlbarren” in Döllach is one of the most important for industrial history monuments in Europe.
1. Einleitung Auf Initiative des Bundesdenkmalamts wurde der Verfasser von der Eigentümerin, der Marktgemeinde Großkirchheim, beauftragt, eine bauhistorische Untersuchung und Schadensanalyse in der ehemaligen Zinkhütte vulgo Kohlbarren in Döllach durchzuführen (Abb. 1). Der vorliegende Beitrag beruht auf dem im Jänner 2013 vorgelegten Untersuchungsbericht.2 Anlass für die Untersuchung war die
geplante Unterschutzstellung nach dem Bundesdenkmalschutzgesetz und die geplante Bestandskonservierung. der Marktgemeinde Döllach), Jürgen Moravi (BDA Klagenfurt) sowie Rudolf F. Ertl für die Bereitstellung seiner Originalunterlagen der archäologischen Grabungen 1974/1979. Darüber hinaus sei Michael Grabner (Universität für Bodenkultur, Wien) und Kurt Nicolussi (Universität Innsbruck) für die Zusammenarbeit bei der dendrochronologischen Untersuchung, Astrid Steinegger (Verein FIALE, Graz) für den regen wissenschaftlichen Austausch im Zuge der archäologischen Untersuchung und Stefan Strutz (Goggitsch) für die Hilfe bei der Befundung der Ofenanlagen gedankt.
1 Schultes 1804, 340–341. 2 Vgl. Fries 2013; Mein Dank gilt: Peter Suntinger (Bürgermeister
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Oliver Fries, Tulln an der Donau
2. Lage und Baubeschreibung Östlich der Großglockner-Bundesstraße (B 107), am westlichen Ortsende von Döllach, befindet sich auf Parzelle 237/6 (KG Döllach, MG Großkirchheim, PB Spittal an der Drau, Kärnten) das Objekt vulgo Kohlbarren (Abb. 2). Aufgrund archäologischer Untersuchungen unter der Leitung von Rudolf F. Ertl in den Jahren 1974 und 1979 konnte der Kohlbarren eindeutig als die in den historischen Schriftquellen zwischen 1796 und 1834 genannte Zinkhütte von Döllach identifiziert werden.3 Im Zuge von Grabungen wurden die, von bis zu zwei Meter mächtigen Schwemmsedimenten des Zirknitzbaches und der Möll bedeckten Unterbauten beziehungsweise Fundamente zweier Reverberier- beziehungsweise Flammöfen dokumentiert.4 Die Abzugsschächte und Schlote beider Öfen sind im aufgehenden Baubestand erhalten geblieben. Vor und nach der Nutzung als Zinkproduktionsstätte stand das Objekt als Röststadel des lokalen Goldbergbaus in Verwendung. Von dieser Nutzung rührt auch die Bezeichnung Kohlbarren. Die unterschiedlichen Nutzungsphasen spiegeln sich in überaus eindrucksvoller Weise am Baubestand wieder und zeigen sich in einer Vielfalt an Baudetails wie zum Beispiel Baufugen, Öffnungen unterschiedlicher Funktion und Zeitstellung etc. Laut einer Wertanalyse von Ute Georgeacopol-Winischhofer für „The International Commitee for the Conservation of the Industrial Heritage“, gilt der Kohlbarren als das letzte erhaltene Zinkverhüttungsgebäude Europas aus vorindustrieller Zeit.5 Das Objekt besitzt dadurch nicht nur regionale, sondern vor allem auch internationale Bedeutung und zählt daher zu einem der vorrangigsten Industriebaudenkmale. Nach einem ersten missglückten Versuch im Jahr 19786 erfolgte eine Unterschutzstellung des Kohlbarrens nach dem Denkmalschutzgesetz mit Bescheid vom 9. November 2010.7 Bei dem gegenständlichen Objekt handelt es sich um einen längsrechteckigen, teilweise zweigeschoßigen Baukörper, 3 Ertl 1974, 501–529. – Ertl 1984, 115–137. 4 Durch Überschwemmungen bzw. Muren des Zirknitzbaches im 20. Jahrhundert (1936, 1966 und 1967) hat sich nicht nur das Niveau innerhalb des Gebäudes, sondern auch im angrenzenden Gelände beträchtlich verändert. 5 Vgl. Georgeacopol-Winischhofer u. a. 1991, 142. 6 Das Bundesdenkmalamt hatte bereits mit Bescheid vom 6. 8. 1978, Zl. 6394/78 nach den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes ein öffentliches Erhaltungsinteresse der ehemaligen Zinkhütte in Döllach festgestellt. Gegen diesen Bescheid haben der damalige Bürgermeister und der Eigentümer unabhängig voneinander Berufung erhoben. Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung hat mit Bescheid vom 12. Juli 1979, Zl. 11.765/3/33/79 den Berufungen Folge gegeben und den angefochtenen Bescheid des Bundesdenkmalamtes aufgehoben. 7 Bescheid vom 9. November 2010 (GZ 4015/17/2010) mit dem Spruch: „Es wird festgestellt, dass die Erhaltung des Gebäudes „Zinkhütte- Kohlbarrn“ in Döllach, Gemeinde Großkirchheim, Ger.- und pol. Bezirk Spittal an der Drau, Kärnten, Gst. Nr. 237/6, EZ 58, GB 73502 Döllach, gemäß §§ 1 und 3 des Bundesgesetzes vom 25. September 1923, BGBl. Nr. 533/23 (Denkmalschutzgesetz), in der Fassung BGBl. I Nr. 170/1999 und BGBl. I Nr. 2/2008 im öffentlichen Interesse gelegen ist.“
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Abb. 1 Großkirchheim, KG Döllach. Ansicht der Zinkhütte von Westen, Aufnahme 2011.
Abb. 2 Döllach im Mölltal. Franziszeischer Kataster von 1822/1828, Ausschnitt. Der Kreis markiert die Zinkhütte (Parz. 94). Die sogenannte Neue Schmelze, der Sitz des Nationalparks Hohe Tauern, befindet sich auf Parzelle 4.
Abb. 3 Großkirchheim, KG Döllach. Ansicht der Zinkhütte von Nordenwesten, Aufnahme 2010. a: Hauptbaukörper, b: östlicher Anbau, c: Stallgebäude, um 1900.
Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal
3. Historische Daten
Abb. 4 Großkirchheim, KG Döllach. Ansicht der Zinkhütte von Nordenwesten, Aufnahme 1974. Im Vordergrund der nordseitige Anbau (vgl. Baualterplan).
der mit einem relativ flachen, circa 22 ° geneigten und mit Brettschindeln gedeckten Satteldach abgeschlossen wird. An die Ostseite ist ein, auf gemauerten Pfeilern ruhender und gegen Norden hin vorspringender, pultdachgedeckter Anbau an den Hauptbaukörper angestellt (Abb. 3). Auf derselben Parzelle wie der Kohlbarren befindet sich im Westen ein Stallgebäude aus der Zeit um 1900. Anbauten an der Nordfassade des Hauptbaukörpers, welche noch 1974 bestanden, sind heute nicht mehr erhalten (Abb. 4). An die Südfassade des Hauptbaukörpers ist ein rezentes Wohnhaus angestellt. Die Mauern des Kohlbarrens sind heute unverputzt und vorwiegend aus kaum bearbeitetem Bach- beziehungsweise Gletschergeschiebe gefügt. Das Obergeschoß des Hauptbaukörpers wird teilweise durch Breitpfeiler aufgelöst, wodurch sich der optische Gesamteindruck eines Pfeilerstadels ergibt. Vertikale Baufugen lassen erkennen, dass die breiten Öffnungen zwischen den Pfeilern im Zuge der unterschiedlichen Nutzungsphasen partiell vermauert wurden. Der Hauptbaukörper wird durch zwei Binnenmauern in drei annähernd gleich große Abschnitte unterteilt. Im nördlichen Abschnitt (Raum 0.1 und 0.2) befinden sich die bereits genannten Abzugsschächte und Schlote zweier Öfen. Im mittleren Raum 0.3 ist in die NordostEcke nachträglich eine Esse eingestellt, die als Abzug den angrenzenden Schlot der nördlichen Ofenanlage I nutzt. In der Südwand des Raumes befinden sich zwei segmentbogige, ehemalige Abzugsöffnungen die zu einer weiteren, dritten Ofenanlage gehörten. Der westlichste Raum 0.4 ist durch eine Holzbalkendecke in zwei Geschoße unterteilt. Das Erdgeschoß war bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts als Wohnung in Verwendung und zeigte bis zur Restaurierung 2011/2012 verputzte hölzerne Trennwände aus der Zeit um 1900.
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Die Jahrzehnte um 1800 galten für den ehemaligen Markt Döllach und die umliegende Tauernregion als eine Zeit des Umbruchs. Der Tauerngoldbergbau war nach mehreren erfolglosen Wiederbelebungsversuchen im Niedergang begriffen.8 Die letzte ärarische Goldzeche wurde auf Antrag des Grafen Stampfer 1794 geschlossen, wodurch hunderte Knappen arbeitslos wurden. Diese Situation nutzten der Bergassessor Marcher aus Wien und Bergrat Dillinger aus Klagenfurt, um die zuständige Bergbaubehörde in Wien für ihr Projekt der Zinkverhüttung zu interessieren. Kurz aufeinander folgend entstand eine Zinkhütte in Döllach im Mölltal und in Dellach im Drautal. Dazu berichtet Ch. F. Hollunder (1824): „In Kärnten sind jetzt zwey Zinkhütten, die der Bergrat Dillinger aus Klagenfurt angelegt hat. Die erste ist zu groß Kirchheum beym Dorfe Delach im oberen Mühlthale vor etwa vier Jahren erbaut. Die zweyte und größte ist vor zwey Jahren in Delach an der Drau errichtet. Letztere habe ich gesehen.“ 9 Die von Bergrat Dillinger initiierte Zinkverhüttung kann wohl als frühe Form von Beschäftigungspolitik und Arbeitsmarktförderung gesehen werden.10 Die arbeitslosen Knappen und Schmelzer fanden wieder Beschäftigung, die für die Goldproduktion funktionslos gewordene Infrastruktur entlang des Zirknitzbaches wurde revitalisiert beziehungsweise adaptiert. Die einzige zeitgenössische Beschreibung der Zinkhütte in Döllach stammt von J. Schultes (1804), der Graf Salm-Reifferscheidt, Fürstbischof von Gurk, auf dessen Glocknerexpedition 1802 begleitete. Er berichtet auch über die Wiederbeschäftigung der arbeitslosen Bevölkerung: „Die armen Einwohner leben hier größten Teils von der Zinkfabrik, die man ihnen zum Ersatz für die aufgelassenen Goldbergwerke noch hier gelassen hat. Sie beschäftiget beyläufig einige 80 Arbeiter.“ 11 Das Rohmaterial, die benötigte Zinkblende, stammte aus den nahen Halden der ehemaligen „Moderegger Goldbergbaue“ in der hintersten Zirknitz und aus Heiligenblut. Diese wurde nach Döllach gebracht und in den dort adaptierten Goldaufbereitungsanlagen gemahlen, geschlämmt und gewaschen: „Wegen des Bleyes, und wohl auch wegen des Kalkes, welcher ihn verunreiniget, muß er (der Galmei, Anm. des Verf.) gemahlen, geschlemmt und gewaschen werden. Diese Vorbereitungen machen hier kostbare Mühlenwerke und Wassergebäude an der alles zerstörenden Möll nöthig.“ 12 Im Jahr 1802, zum Zeitpunkt des Besuches von Schultes’, betrug die jährliche Produktion in Döllach circa 600 bis 700 Zentner Zink. Verkauft wurde das gewonnene Zink hauptsächlich an die k.k. Messingfabrik Frauental an der Lassnitz (PB Deutschlandsberg), die den Zentner
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Zusammengefasst bei Ertl 1984, 120–127. Hollunder 1824, 377–380 (verfasst 1803). Vgl. Dornig und Steinegger 2011, 6. Schultes 1804, 336–337. Schultes 1804, 337–338.
Oliver Fries, Tulln an der Donau
Abb. 5 Dellach im Drautal. Dillingerscher Zinkofen (Quart-Ofen) in der k. k. Zinkhütte zu Dellach im Drau-thale in Oberkärnten […], Patentschrift vom 16. September 1817 (StA Wien, Staatsamt für Handel und Gewerbe, Bergbau und Bauten).
Zink um 40 fl. erhielt. Private mussten für dieselbe Menge 50 fl. bezahlen. Laut dem Bericht Schultes’ betrug der Reinertrag der Döllacher Zinkhütte nur 5000 bis 6000 fl. jährlich, weil einerseits der Klafter Holz 4 fl. kostete, andererseits aufgrund der teuren Lebensmittel der Arbeiterlohn relativ hoch und letztlich die Zufuhr des Rohstoffes von allen Seiten erschwert war. Die Kapazität der Zinkhütte in Dellach soll im Jahre 11,5 mal so groß gewesen sein.13 Die Gewinnung des fertigen Zinks erfolgte aus Zinkblende nach entsprechender Vorbehandlung durch Reduktion in Reverberieröfen. Über die genaue Technik ist aus zeitgenössischen Quellen nur wenig bekannt (Abb. 5). Aus der Schilderung Schultes’ geht hervor, dass man das genaue Verfahren der Zinkreduktion als geheim wissen wollte: „Da es mir bekannt war, daß Herr Bergrath Dillinger seine Manier, den Zink aus Galmey und aus Blende zu reducieren, geheim gehalten wissen will, so wollte ich nicht naseweis von allem
Bescheid wissen, und würde auch, wenn ich zufällig mehr gesehen hätte, als ihm lieb wäre, reinen Mund halten.“ 14 1831 erwarb Gregor Komposch die Grubenfelder der Goldzeche, die Gebäude auf dem Waschgang und somit auch die Zinkhütte und gründete die „Komposche Gold- und Silbergewerkschaft zu Döllach“ mit 10 Jahren Frohnfreiheit. Wie aus den Akten hervorgeht, wurde 1831 bis 1835 keine Erzeugung ausgewiesen.15 Wohl kurz zuvor wurde die Zinkproduktion in Döllach aufgrund der Konkurrenz aus Ungarn geschlossen.16 Von 1835 bis in die 1850er-Jahre wurde das Gebäude der Zinkhütte als Röststadel für die Goldgewerkschaft genutzt. Komposch fing mit 53 Mann zu arbeiten an. Bis 1869 bestand die Gewerkschaft. Komposch gelang es, zwei neue Kompagnons zu finden und zwar den Schweizer Baron May de Madiis und Anton Wolf. Nach einer erheblichen Rezession konnten nur mehr 38 Arbeiter beschäftigt werden. In dieser 14 Schultes 1804, 340–341. 15 Wiessner 1950, 133. 16 Georgeacopol-Winischhofer u. a. 1991, 142.
13 Schultes 1804, 337; vgl. Ertl 1984, 123. – Dornig und Steinegger 2011, 6.
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Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal
Situation schieden Komposch und Wolf aus der Gewerkschaft aus. So blieb Baron May de Madiis Alleinbesitzer des Gewerkschaftseigentums.17 Um 1900 ist auf dem Kohlbarren die Familie Fleissner nachweisbar, die eine Wagnerei am Objekt betrieb.18 Bis über die Mitte des 20. Jahrhunderts war die Zinkhütte als Wohnhaus und Werkstätte in Verwendung. Diese Nutzung endete spätestens mit dem Hochwasser der Möll im Jahr 1967. Seither stand das Gebäude ohne jegliche Verwendung leer.
3.1. Exkurs: Quellen zur Technik der Zinkreduktion bei Schultes (1804) und Hollunder (1824) In seinen Ausführungen beschreibt Schultes nur sehr vage die Vorarbeiten zur Zinkerzeugung und kommt dann auf die Herstellung von Tiegeln und Tonröhren zu sprechen, denen beim Arbeitsvorgang der Zinkreduktion eine bedeutende Rolle zukommt. „Der Thon zu denselben wird theils aus Leinach, theils aus Obervöllach herbey geführt, hier gestampft, geschlemmt u.s.w. Da der Zentner guten Thones auf diese Weise beynahe auf 3 fl. zu stehen kommt, und eine Röhre nur 6 bis 7 Mahl, höchstens 10 Mahl im Feuer aushält, so werden auch die Scherben der zerschlagenen Röhren wieder eingestampft. Diese Röhren werden in einer eigenen Töpferey, der ein Meister mit fünf Gesellen vorsteht, verfertigt: Der Meister gewinnt 33 kr., die Gesellen jeder 20 kr. des Tages. Sie verfertigen die Röhren auf der Scheibe und mit Rahmen.“ 19 Genauere Angaben zur Vorproduktion und die Technik der Zinkreduktion weiß der Hüttentechniker Hollunder (1824) in seinem „Tagebuch einer metallurgisch-technologischen Reise“ zu berichten. „Alsdann formte man daraus einen parallelepipedischen Klumpen, von welchem man, mittels eines Drathes stets eine dünne Platte zum Gebrauche abschneidet. Diese Platte wird nun in einen hölzernen Rahmen, der auf Linnen liegt, festgeschlagen, und ihr so eine gleiche Dicke gegeben.“ 2 0 In der Folge führt Hollunder weiter aus: „Hierauf legt man ein Brett mit Leinewand oben darüber, wendet es um, schlägt es auf der anderen Seite auch so. Nun nimmt man den Rahmen weg, macht die Thonplatte an den beiden langen Seiten etwas scharf, legt ein wenig frischen Thon auf diese zugeschürften Seiten, damit sie besser zusammen kleben, streut man mit einem Siebe eine dünne Lage feines Steinmehl auf die obere Seite, welches die inwendige des Rohres wird, wickelt nun die ganze Thonplatte um ein langes kegelförmiges Kernholz, und streicht die beiden Seiten, welche man übereinander legt, gut zusammen. Das Rohr wird 40 Zoll lang, beym oberen Boden 4 ½ Zoll und bey der unteren Oeffnung 3 ¼ Zoll im lichten Durchmesser, wornach das Modell geformt seyn muß. Dieses zieht
17 Vgl. Wiessner 1950, 134–135. 18 Grundbuch der Marktgemeinde Großkirchheim. Freundliche, münd liche Mitteilung Elisabeth Messner (5. 2. 2011). 19 Schultes 1804, 338–339. 20 Hollunder 1824, 375.
man nunmehro aus der Röhre heraus und setzt am breiten Ende den Boden ein. Man schneidet zu dem Ende mit einem eisernen Ringe aus einer geschlagenen Thonplatte Böden aus, legt auswendig und inwendig einen Kranz von feuchtem Thon um das Rohr, legt dann den Boden ein, und verschmiert ihn auf beiden Seiten gut. Die Thonstärke der Röhre beträgt in den Seiten 1/4 bis 3/8 Zoll.“ 21 Die Herstellung der Füße, wie Hollunder die Röhren nennt, in welche die oben beschriebenen Tontiegel eingesetzt wurden, hat der Hüttentechniker selbst nicht gesehen. Hollunder beschreibt, weiter: „Diese Füße werden im Ofen befestigt, indem man sie zwischen zwey kleine geschmiedete Trachteisen einklemmt, und mit Barrensteinen vermauert. Es kommen in den Ofen 15 Reihen der länge nach, und 9 Reihen der Breite.“ 22 Bezüglich der Zinkreduktion weiß Schultes zu berichten: „In diesen Röhren wird der Galmey zu 3–7 Pfunden in einer Röhre mit Kohlenstaub in den Ofen gesetzt: der Ofen selbst besteht aus drey Doppelöfen, die nach Art der Cupolöfen gebaut sind. Die Oefen sind mit Talkschiefer ausgesetzt, der in der Nachbarschaft gebrochen wird. Es scheint, daß man auch Talk zu dem Thone der Röhren nimmt. 120 bis 130 Röhren werden gewöhnlich auf ein Mahl ins Feuer gebracht. Während der Reduction des Zinkmetalles entbindet sich, wie mir Herr v. Marcher, der hier Controleur ist, versicherte, eine Menge brannbarer luft, die, theils als solche in Gestalt von Blitzen, theil verbunden mit Sauerstoffgas als Knallluft, in wildem Donnergeprassel herum schlägt. Da nur zwey Mahl in der Woche eingesetzt wird (und wöchentlich werden auf diese Weise 14 –16 Zentner erzeugt) so traf mich leider das Unglück, diese Phänomene, über welche ich mir so gerne Rechenschaft gegeben hätte, nicht selbst beobachten zu können. Ich machte indessen Herrn v. Marcher Muth zu Untersuchungen über die Ursache und Natur derselben, da er hier im Großen ein Metall kennen lernen kann, das in neueren Zeiten durch die Theorie des Galvanismus den Physikern so merkwürdig geworden ist.“ 2 3 Bei dem Zinkreduktionsofen in Dellach im Drautal handelte es sich nach Hollunder um einen rechteckigen Reverberier- oder Flammenofen, dessen Höhe von außen ungefähr 3,25 m, die Breite des Herdes aber ca. 1,5 m und seine Länge beziehungsweise Tiefe 240 cm betrug (Abb. 6). Hollunder berichtet über die Reduktion in der Zinkhütte Dellach folgendes: „Das Beschicken des Erzes und Füllen der Röhren ist das erste beym zinkofenbetriebe. Wendet man Blende an, so wird, nachdem sie gut gemahlen und geröstet ist, ein Quantum welches zur Füllung von 336 Röhren für einen Doppelofen hinreicht, genommen, mit feinem Kohlenstaube vermengt, und mit etwa 14 Cubicfuß (etwa 0,40 m³ Anm.Verf.) Aschenlauge worinnen 26 Pfund Kochsalz gelöst sind angefeuchtet, und gleichmäßig durchgearbeitet. Alsdann muß noch zu dieser Beschickung 76 lb. gelöschter Kalk, der aber immer wieder getrocknet, fein gepocht und durchgesiebt ist, gethan und gut vermischt werden. Die Vermischung kann auch vorher geschehen, ehe das Erz angefeuchtet ist. 21 Hollunder 1824, 375. 22 Hollunder 1824, 376. 23 Schultes 1804, 339–340.
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Oliver Fries, Tulln an der Donau
Abb. 6a Ansicht und Querschnitt durch einen Reverberierofen aus der Zinkhütte in Dellach im Drautal (aus Hollunder 1824, Tab. 26, Fig. 1).
Nun nimmt man kleine Stückchen Kohlen von der Größe einer Haselnuß, und mischt auch die noch unter das Haufwerk, theils zur Beförderung der Reducktion, theils um die Masse locker zu machen. Mit der beschriebenen Beschickung füllt man das Rohr, mittelst einer kleinen Schaufel soweit an, dass etwa noch 4 Zoll fehlt, bis es voll ist. In diesem leeren Raum bringt man noch kleine Kohlenstückhen, und oben auf dieselben befestigt man kreuzweise gelegte Kohlenstreifen, die an den Seiten mit Thon angeklebt werden. So ist es zum Einsetzen in den Ofen. In ein Rohr kommt etwa 5 bis 6 Pfund Erz.“ (Abb. 7) 24 Weiters: „Diese Oefen wurden morgens um 9 Uhr angefeuert. Abends um 7 Uhr fingen sie schon an zu schlagen und Zink zu geben. Das Schlagen entsteht von der brennenden Luft, die sich bey der Reduktion des Zinkes entwickelt. Die ganze Destillation dauert gewöhnlich 30–40 Stunden.“ 25
4. Forschungsgeschichte Sowohl bei Percy und Knapp (1862)26 sowie bei Schnabel (1896)27 und auch Neumann (1904)28 finden sich wertvolle Hinweis auf die wichtige Arbeit von Hol lunder (1824), welche eine „Beschreibung der Zinkhütte in Deilach (Dellach im Drautal, PB Spittal an der Drau; Anm. Verf.) eine Meile von Greifenburg, zwischen Greifenburg und Drauburg, an der Gränze von Tyrol“ enthält: „In Kärnten sind jetzt zwey Zinkhütten, die der Bergrath Dillinger aus Klagenfurt angelegt hat. Die erste ist zu groß Kirchheim beym Dorfe Delach im oberen Mühlthale vor etwa 4 Jahren
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Hollunder 1824, 377–378. Hollunder 1824, 379. Percy und Knapp 1862, 476. Schnabel 1896, 109. Neumann 1904, 294.
Abb. 6b Schnitt durch eine Zinkreduktionsröhre, die Länge beträgt ca. 45 cm (aus Ertl 1984).
erbaut. Die zweyte und größte ist vor zwey Jahren in Delach an der Drau errichtet. Letztere habe ich gesehen. Man verarbeitet dort Gallmey von Raibel und von Bleyberg, und braune Blende von Sturzing aus Tyrol.“ 29 Demnach war Hollunder das
29 Hollunder 1824, 377–378.
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Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal
System der Zinkgewinnung in Kärnten bekannt, er war jedoch nie in der Zinkhütte von Döllach im Mölltal. Die moderne Forschungsgeschichte beginnt mit der Identifikation des sogenannten Kohlbarrens mit der aus der Literatur bekannten Zinkhütte in Döllach durch Rudolf. F. Ertl im Jahr 1971.30 Gestützt durch entsprechende Befunde im aufgehenden Bestand fanden in den Jahren 1974 und 1979 Grabungen statt. Die Vorlage der Grabungsergebnisse erfolgte bereits 1974 und 1984.31 Aufgrund der Ergebnisse Ertls wurde die Zinkhütte von Döllach durch U. Georgeacopol-Widischhofer (1991) in ein Katalogwerk über die „Baudenkmäler der Technik und der Industrie in Österreich“ aufgenommen.32 Auf Basis der Untersuchungsergebnisse von 1974 entschloss sich das Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat für Kärnten bereits 1978 zu einer Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz.33 Dem Bescheid wurde jedoch aufgrund des Einspruches des Eigentümers und des damaligen Bürgermeisters nicht stattgegeben. Der damals vom Eigentümer angestrebte Abbruchbescheid wurde von der Gemeinde jedoch nicht erteilt. Ein neuerlich drohender Abriss des Objekts konnte danach durch die Kampagne des Vereins „Initiative Denkmalschutz“ zur Rettung der Zinkhütte Döllach, verhindert werden. 34 Erst nach Ankauf des Grundstücks durch die Marktgemeinde Großkirchheim gelang die erfolgreiche Unterschutzstellung per Bescheid durch das Bundesdenkmalamt mit Wirksamkeit vom 9. November 2010.35 Im Vorfeld der anschließenden Erhaltungskonservierung kam es zu einer Bestandsaufnahme durch den Verfasser in Form einer Schadensanalyse/-kartierung und einer bauhistorischen Untersuchung. Dieser war eine dendrochronologische Untersuchung der historischen Bauhölzer angeschlossen. Des Weiteren wurden durch den Verein FIALE unter der Leitung von Nina Dornig und Astrid Steinegger mehrere archäologische Sondagen angelegt, welche die Ergebnisse Ertls betätigten und andererseits neue Erkenntnisse zur Baugeschichte erbrachten. Im Kurzen wird hier auf die wesentlichen Erkenntnisse der einzelnen Forschungskampagnen/-abschnitte eingegangen:
4.1. Die Grabungen 1974/1979 Bereits im Jahr 1971 entdeckte Rudolf. F. Ertl im Mauerwerk des sogenannten Kohlbarren unzählige Keramikscherben als Zwickelmaterial beziehungsweise als Putzträger (Abb. 7). Diese interpretierte er folgerichtig als Bruchstücke von Zinkreduktionsröhren. Die exakte Lage der in der historischen Literatur mehrfach erwähnten Zinkhütte in Döllach war bis zu diesem Zeitpunkt unbekannt. Erst die Vgl. Ertl 1974, 501–529. Ertl 1984, 115–137. Georgeacopol-Winischhofer u. a. 1991, 142. Zl. 6394/78. Verein Initiative Denkmalschutz (ZVR-Zl.: 049832110), http:// www.initiative-denkmalschutz.at [Zugriff: 28. 02. 2014]. 35 Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 9. November 2010 (GZ: 4015/17/2010).
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Abb. 7 Großkirchheim, KG Döllach. Detailansicht des nordwestlichen Eckpfeilers, zerscherbte Zinkreduktionsröhren im Mauerwerk.
in den Jahren 1974 und 1979 durchgeführten archäologischen Grabungen erbrachten den Nachweis für die Existenz und die Bestätigung für den Standort der Zinkhütte und somit die Identifikation dieser mit dem Gebäude des sogenannten Kohlbarren. 1974 beziehungsweise 1979 wurden mit einem mehrköpfigen Team unter der Leitung Ertls in Raum 0.5 drei Planquadrate (PQ A1-3) angelegt und bis auf das Niveau eines gestampften Lehmbodens in circa 1,95 m Tiefe unter Begehungsniveau abgetieft. Aus einem in den historischen Begehungshorizont eingetieften Schacht wurden bis zu 250 kg Röhrenbruchstücke – wesentliche Einsatzelemente eines Reverberierofens zur Zinkgewinnung – geborgen. In Raum 0.1 wurden Teile der Ofenanlage I und in Raum 0.3 ein Bereich der Esse freigelegt.
4.2. Die archäologischen Sondagen 2011 Von 6. bis 10. Juni 2011 wurden durch den Verein FIALE unter der Leitung von Astrid Steinegger archäologische Sondagen durchgeführt.36 Diese Bodeneingriffe (Maßnahmen-Nr. 73502.11.1, Bundesdenkmalamt, Abteilung Archäologie) wurden von der Gemeinde Großkirchheim beauftragt und ihre Position im Vorfeld der Untersuchung mit den ausführenden Archäologen, dem Referenten des Bundesdenkmalamtes und der Bauforschung abgestimmt. Die insgesamt neun Sondagen wurden in den drei südlichen Räumen 0.1, 0.3 und 0.4 angelegt. Durch die gezielten Grabungen konnten wichtige Erkenntnisse und Befunde zur Ergänzung der Bau- und Nutzungsgeschichte gewonnen, sowie die durch die Bauforschung postulierte dritte Ofenanlage in Raum 0.3 bestätigt werden.
36 Dornig und Steinegger 2011, 9–13.
Oliver Fries, Tulln an der Donau
4.3. Die bauhistorische Untersuchung 2011/2012
anschauliche und maßstäbliche Grundlage zur Schadenskartierung. Zum Beispiel waren auf Grundlage der Schadenskartierung eine exakte Massenermittlung im Vorfeld von restauratorischen Maßnahmen und eine detaillierte Abrechnung der durchgeführten Arbeiten möglich. Vergleichbare Projekte haben gezeigt, dass diese Untersuchungen eine unerlässliche Vorarbeit darstellen, um ein umfangreiches Restaurierungsprojekt ohne unvorhersehbare Faktoren und Kostensteigerungen planen und abwickeln zu können.37
Am 18. Jänner 2011 wurde der Verfasser durch das Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat für Kärnten mit einer bauhistorischen Untersuchung, sowie einer Schadensanalyse/kartierung des Kohlbarrens beauftragt. In einer ersten Kampagne wurde das Objekt erstmals mit einem Laserscanner vermessen und es wurden maßstäblich entzerrte Orthofotos der Fassadenflächen (Plan 1–4) sowie aller zugänglichen Wandflächen im Inneren des Gebäudes angefertigt. Diese sollten einerseits den Vorzustand dokumentierten und dienten andererseits der bauhistorischen Analyse. Überdies hinaus bildeten die Wandabwicklungen eine
Plan 1
37 Vgl. Lanz und Mitterer 2007, 73–75.
Großkirchheim, KG Döllach. Zinkhütte, Baualterplan (Erdgeschoß).
Plan 2 Großkirchheim, KG Döllach. Zinkhütte, Längsschnitt mit Baualterskartierung.
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Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal
5. Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
In einer zweiten Phase wurden vom 17. bis 20. Februar 2011 die Vermessungen mit dem unverzichtbaren Handaufmaß ergänzt und die Schadenskartierung am Objekt abgeschlossen. In einzelnen Tageskampagnen wurde die Bauanalyse vor Ort bis 30. Dezember 2012 fortgeführt. Die Ergebnisse der bauhistorischen Befundung und Analyse liegen mit diesem Bericht vor.
5.1. Mittelalter Die Umfassungsmauern von Raum 0.3 umschreiben die Ausdehnung des mittelalterlichen Primärbaus, dessen Gebäudekanten mit Kalktuffquadern gefasst waren. Die Quader leiteten ehemals in Freipfeiler über, welche das Dachwerk trugen. Die ehemalige Eckausbildung, des durch additive Zubauten völlig in den heutigen Baubestand integrierten Baukörpers, ist heute noch deutlich an der Nordfassade ablesbar. Einzig in der Ostmauer von Raum 0.3 konnte ein mehrfach überbauter Freipfeiler festgestellt werden. Aufgrund der freiliegenden Mauerwerkstruktur an der ursprünglichen Westmauer des Primärbaus (die Ostmauer von Raum 0.4) ist eine orientierende Datierung möglich. Die angewandte Mauertechnik – Bachsteine und Gletschergeschiebe sowie kantengerundete Bruchsteine werden zu niedrigen Kompartimenten von maximal 0,30 cm zusammengefasst – spricht aufgrund überregionaler Vergleiche für eine Errichtung um die Mitte beziehungsweise in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts.38 Der vorquellende Fugenmörtel wurde mit dem Rücken der Kelle dellig verstrichen. Ein eingeritztes Fugennetz konnte nicht
4.3.1. Die dendrochronologische Untersuchung Begleitend zur bauhistorischen Untersuchung führte Michael Grabner von der Universität für Bodenkultur, Department für Holzforschung, am 17. Februar 2011 dendrochronologische Beprobungen durch, deren Ergebnisse die bauhistorischen Untersuchungen maßgeblich bereicherten und eine entscheidende Argumentationsgrundlage für die chronologische Reihung der einzelnen Bau- beziehungsweise Nutzungsphasen darstellten. Insgesamt wurden 33 Proben vor Ort genommen, von denen anfänglich nur drei datiert werden konnten. Nach Rücksprache mit Kurt Nicolussi, dem Leiter des Dendrochronologie-Labors der Universität Innsbruck, konnte die Anzahl der bestimmbaren Proben auf 16 gesteigert werden.
38 Vgl. Kühtreiber 2006, 201.
Plan 3 Großkirchheim, KG Döllach. Zinkhütte, Nordfassade, photogrammetrische Umzeichnung und Baualterskartierung.
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Oliver Fries, Tulln an der Donau
festgestellt werden. Da noch keine regionalen Studien zum mittelalterlichen Mauerwerk Kärntens vorliegen, ist vor allem eine ältere Zeitstellung nicht auszuschließen. Die Mauern des Primärbaus enden auf halber Höhe des heutigen Erdgeschoßes in einer horizontalen, jedoch unregelmäßigen Baufuge. Der einstige Abschluss der Mauer in Form von Freipfeilern wurde bei der Aufzonung und Erweiterung des Baus in der frühen Neuzeit weitgehend zerstört. Zusammenfassend lassen die Befunde einen eingeschoßigen, längsrechteckigen Baukörper rekonstruieren, dessen Dachwerk auf circa 0,45 m breiten Freipfeilern ruhte. Ob es sich bei diesem ersten Objekt bereits um ein Gebäude der Golderzverhüttung handelte, ist nicht auszuschließen, jedoch fehlen zur Untermauerung dieser Annahme weitere archäologische Untersuchungen. Die Situierung des Gebäudes in Gesellschaft mit anderen Stätten der Golderzverhüttung an der Einmündung des Zirknitzbaches in die Möll spricht für eine lange Standorttradition, zumal im Raum Großkirchheim der mittelalterliche Goldbergbau bereits um 1140 belegt ist.39 39 Wiessner 1950, 87.
5.2. Neuzeit Die älteste Darstellung Döllachs stammt aus dem Jahr 1635, aus der Zeit des damaligen Herrschaftsinhabers, Mathias Jenner, Domherr zu Brixen. Das Bild mit dem Titel „Prospekt des Alten Marktfleckh Döllach in Großkirchheim“ gibt die topographischen Verhältnisse relativ lagegetreu wieder und enthält im rechten unteren Bildfeld eine Legende (Abb. 8). Auf dieser Legende werden „die herumbliegenden reichen Golt und Silber Pergwerk“ angeführt, „nebst der Jennerschen Schmelz, Treib Hittn, Bucher [der Pocher, Anm. Verf.], Mühl, Handelshaus und Herrenwohnung“.40 Die Darstellung gibt detailliert die Gebäudesituation wieder, wie sie auch auf einem Lageplan des letzten Gewerkeninhabers Alexis May de Madiis von 1870 dokumentiert ist (Abb. 18). Die sogenannte neue Schmelze am rechten Ufer des Zirknitzbaches – im Bereich des heutigen Nationalparks Hohe Tauern – ist auf der herrschaftlichen
40 Diese herrschaftliche Vedute kam mit dem Ende der Jenner’schen Gewerkenzeit im Jahr 1765 nach Südtirol und befindet sich heute im Bergbaumuseum Trient. Freundliche schriftliche Mitteilung von Rudolf F. Ertl und Maria Rannacher.
Plan 4 Großkirchheim, KG Döllach. Zinkhütte, Westfassade, photogrammetrische Umzeichnung und Baualterskartierung.
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Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal
Vedute nicht dargestellt, da diese erst um/nach 1650 errichtet wurde. Die detailreiche Darstellung zeigt bereits das Gebäude des Kohlbarrens, mit offener Pfeilerstellung und Rauch, der aus dem Gebäude aufsteigt. Hiermit findet die Funktion als Röststadel auch durch die Bildquelle und nicht nur durch den tradierten Namen Kohlbarren eine Bestätigung.
Die datierte Darstellung stellt somit für den Hauptbaukörper in seinen heutigen Grundzügen einen Terminus ante quem dar. Die baulichen Veränderungen des 16./17. Jahrhunderts lassen sich wie folgt zusammenfassen: Der mittelalterliche Primärbau wurde gegen Westen erweitert und zweigeschoßig ausgebaut. Das Oberge-
Abb. 8 Großkirchheim, KG Döllach. Oben:„Prospekt des Alten Marktfleckh Döllach in Großkirchheim“, Unbekannter Künstler 1635. Unten: Skizzenhafte Umzeichnung: 1. Schloss Großkirchheim, Nord- und Südbau. 2. ruinöse Niederungsburg? 3. Filialkirche Hl. Andreas. 4. Kohlbarren. 5. Pocher und Mühle am Zirknitzbach. 6. Filialkirche Maria Dornach in Mitteldorf.
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Oliver Fries, Tulln an der Donau
schoß wurde durch regelmäßige Breitpfeiler aufgelöst. Die dadurch geschaffenen, durch eine hohe Mauer getrennten Bereiche, dienten als Standorte für Röstbecken. Darin wurde das grob zerkleinerte Erz zum Abdampfen des
Schwefels durch lange Feuerung geröstet um dann weiter zerkleinert und verarbeitet zu werden. Im selben Zeitraum erfolgte eine Erweiterung des Hauptbaukörpers gegen Osten. Eine durchlaufende vertikale Baufuge an der Nordfassade zeigt diese Erweiterung deutlich an. Aufgrund der dendrochronologischen Daten des gegenwärtigen Dachstuhls des Hauptbaukörpers haben wir Kenntnis darüber, dass die Hölzer für diesen in den Jahren 1691/1692 gefällt wurden. Eine Verbauung der Hölzer erfolgt nach der allgemein üblichen Praxis spätestens nach 3 Jahren.41
5.3. Adaptierung als Zinkhütte ab 1797 (?) Das Erliegen der Golderzverhüttung in Döllach und die Einrichtung einer Zinkproduktionsstätte im Gebäude des Kohlbarrens ab 1797 (?) stellen den Beginn für alle weiteren Aus- und Umbauten dar – vor allem was die einzelnen Ofenanlagen betrifft. Im Besonderen die Bauteile, die zerscherbte Bruchstücke von Zinkreduktionsröhren als Zwickelmaterial beziehungsweise Putzträger verwenden, können erst nach dem Anlaufen der Zinkproduktion entstanden sein. Die unzähligen im Bestand der Ofenanlage I und II verbauten Bruchstücke von Zinkreduktionsröhren indizieren, dass diese beiden Anlagen erst geraume Zeit nach dem Anlaufen der Zinkproduktion erbaut wurden (Abb. 9). Hollunder (1824) erwähnt in seiner Beschreibung der Zinkhütte von Dellach im Drautal mehrere, technisch unterschiedliche Zinköfen mit differierenden Errichtungszeiträumen: „Es sind jetzt in Delach folgende Oefen: 6 alte, wovon jeder noch einmal so lang ist, als ein neuer. Zwey alte Oefen fassen ungefähr so viel, als 4 neue, oder 1 Doppelofen. Alsdann ist 1 Doppelofen im Gange, 1 ist fertig und 1 wird gebaut. Im kurzen werden dort 12 kleine Oefen und 6 große beständig betrieben werden.“ 42 Der Beschreibung Schultes’ (1802) der Zinkhütte von Döllach ist zu entnehmen: „[…] der Ofen besteht aus drey Doppelöfen, die nach Art der Cupolöfen gebaut sind.“ 43 Bei den in Raum 0.3 entdeckten Resten handelt es sich um den insgesamt dritten und wohl ältesten Zinkofen. Vor allem finden sich im Gegensatz zu den anderen Ofenanlagen im Mauerwerk der beiden segmentbogigen Abzugsöffnungen keine Scherben von Zinkreduktionsröhren. Die Errichtung der beiden anderen noch bestehenden Öfen erfolgte wohl wenige Zeit nach dem Anlaufen der Zinkproduktion. Der Bericht Schultes von 1802 ergibt somit einen Terminus ante quem für die Errichtung dieser Ofenanlagen. Demnach wurde auch der östliche, mit einem Pultdach gedeckte Anbau, erst später errichtet. Er
Abb. 9 Großkirchheim, KG Döllach. Detailansicht des Schlots der Ofenanlage II, Bruchstücke von Zinkreduktionsröhren finden hier als Zwickelmaterial Verwendung.
Abb. 10 Großkirchheim, KG Döllach. Blick gegen den Anschluss der vertikalen Abzugskanäle von Ofenanlage I.
41 Vgl. Nicolussi und Pichler 2007, 98. 42 Hollunder 1824, 380. 43 Schultes 1804, 339.
Abb. 11 Großkirchheim, KG Döllach. Raum 0.2, Ansicht der Ofenanlage II von Norden (Fotomontage).
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Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal
diente als teilweise offener Unterstand für die beiden jüngeren Doppelöfen (Abb. 10). An der Ofenanlage II lässt sich eine Veränderung der Zugführung erkennen, die sich in Form von eingestellten Quermauern im vertikalen Abzugsschacht niederschlägt. Diese ist wohl als technologische Innovation zu verstehen und erfolgte in einem jüngeren Abschnitt der zinkhüttenzeitlichen Nutzungsphase. In Raum 0.1 spannt sich zwischen den beiden Abzugsschächten der Ofenanlage I im Norden und Ofenanlage II im Süden eine Balkendecke. Der Zugang in diesen Bereich erfolgt von Norden über einen tonnengewölbten Vorraum (Raum 0.2). Das darüber liegende Obergeschoß konnte über zwei hölzerne Treppen im Westen erreicht werden. Die dendrochronologische Untersuchung der nachträglich eingefügten Balkendecke erbrachte als Fälldatum übereinstimmend das Winterhalbjahr 1798/1799.44 Die Jahrringserien der Sturz- und Parapetbretter der sekundär in die Südwand eingebrochenen Fenster ergab 1776 beziehungsweise 1787, jedoch ohne Waldkante.45 Aufgrund synchroner Wachstumsmerkmale der genannten Hölzer ist mit einem gleichzeitigen Einbau der Balkendecke und der Fenster zu rechnen. Welche konkrete Funktion der Raum zwischen den beiden Ofenschloten hatte, bleibt fraglich. Möglicherweise diente er als Werkstätte zur Herstellung der Tonröhren für die Zinkreduktion. Schultes erläutert zur Produktion der Zinkreduktionsröhren, dass diese vor Ort in einer eigenen Töpferei von einem Meister und fünf Gesellen hergestellt wurden.46 Beide Ofenanlagen konnten für Wartungsarbeiten durch eine annähernd quadratische Öffnung im Sockel der Schlote betreten werden (Abb. 11). Der Längsschnitt durch die Abzugsschlote der Ofenanlage spiegelt das Prinzip eines liegenden Brennofens wieder. Die Öffnungen könnten zum Einsetzen der ungebrannten Zinkreduktionsröhren gedient haben.47 Hollunder (1824) berichtet „In den Ofen werden zugleich die rohen Röhren mit eingesetzt und gebrannt, nehmlich während des Zinkdestillationsprozesses selbst.“ 4 8 Hiermit ist zumindest quellenmäßig belegt, dass die Röhren nicht nur vor Ort gefertigt, sondern auch in den Öfen gebrannt wurden. Eine Bestätigung der zu Beginn der Bauuntersuchung nur vermuteten Ofenanlage III in Raum 0.3 konnte durch die gezielt angelegten archäologischen Sondagen erfolgen.49 Die ursprüngliche Ausdehnung des Ofens konnte zwar aufgrund der kleinflächigen Sondagen nicht geklärt werden, er dürfte sich aber über die gesamte Südhälfte des Raums erstreckt haben. In Sondage 1–3 wurden die geProbe 15a, 16a. Probe 17a, 18a Schultes 1804, 339. Zum Prinzip eines liegenden Keramikbrennofens aus der Zeit um 1800 vgl. Fries und Strutz 2011, 335–337, Abb. 4. 48 Hollunder 1824, 377. 49 Dornig und Steinegger 2011, 12.
Abb. 12 Großkirchheim, KG Döllach. Raum 0.3, Sondage 1–3. Südlicher Abschnitt mit freigelegtem Fundament der Ofenanlage III (rot).
44 45 46 47
Abb. 13 Großkirchheim, KG Döllach. Raum 0.2, Westmauer, vermauerte Arbeitsöffnung zur Ofenanlage III.
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Oliver Fries, Tulln an der Donau
Abb. 16 Großkirchheim, KG Döllach. „Brandschutzpackung“ an einem Bundtram.
Abb. 14 Großkirchheim, KG Döllach. Schlot der Ofenanlage I mit ursprünglichem Dachanschluss.
Abb. 17 Großkirchheim, KG Döllach. Detail der Verbindungen des Dachwerks des Hauptbaukörpers an der Nordost-Ecke.
Abb. 15 Großkirchheim, KG Döllach. primärer Zuganker im Mauerwerk des Schlots von Ofenanlage I.
mauerten Fundamente des Ofens angetroffen (Abb. 12). Die aufgedeckten Mauerzüge ergeben eine kanalartige Struktur, die mit zerscherbten Zinkreduktionsröhren verfüllt war. Der östliche Kanal führt zu zwei segmentbogig geschlossenen Öffnungen in der Ostwand. Die Öffnungen zeigen raumseitig – dort wo der Ofen angeschlossen war – massive Schäden durch thermischen Einfluss (Abb. 13). Wie eine Baufuge am Fundamentsockel verdeutlicht, wurde Ofenanlage III nachträglich in den Raum einge-
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stellt; die beiden Abzugsöffnungen sitzen innerhalb einer Vermauerung zwischen zwei ehemaligen Breitpfeilern des Obergeschoßes. Die Gespärre des gegenwärtigen Dachstuhls gehen in ihrem Bestand auf Fichtenhölzer zurück, die in den Jahren 1691 und 1692 gefällt wurden.50 Der als dreisäuliges Hängewerk ausgeführte Stuhl zeigt, dass dieser trotz wesentlicher Reparaturen eine homogen geschlossene Konstruktion darstellt. Es finden sich an den primären Elementen keine sekundären Bearbeitungsspuren und der Stuhl weist eine durchgehende Nummerierung aus gekerbten römischen Ziffern auf. Die an beiden Schloten sichtbaren Anschlüsse für das Dachwerk korrespondieren jedoch nicht mit dem gegenwärtigen Niveau des Dachstuhls (Abb. 14 und 15). Die Summe aller Reparaturen indiziert, dass der gegenwärtige Zustand das Resultat einer oder mehrerer Beschädigungen durch Brand ist.
50 Proben 21a, 22a, 26a–30a.
Die neuzeitliche Zinkhütte in Döllach im Mölltal
Abb. 18 Großkirchheim, KG Döllach. Bestands- beziehungsweise Situationsplan der Gebäude des Gewerken Baron May de Madiis, 1870.
onseinrichtungen entlang des Zirknitzbaches wurden wieder dem Goldbergbau gewidmet (Abb. 18). Die Nutzung des Kohlbarrens ist ungewiss, jedoch könnte er wieder als Röststadel in Betrieb genommen worden sein. Den dendrochronologischen Daten zufolge wurde zu dieser Zeit die Fensterreihe in der Westfassade eingebrochen und die Balkendecke in Raum 0.4 eingefügt. Die Esse in der NordostEcke von Raum 0.3 wurde ebenfalls nach der Nutzung als Zinkhütte eingebaut. Ob die Ofenanlage in Raum 0.3 bereits zu diesem Zeitpunkt abgebrochen worden ist, bleibt ungewiss (Abb. 19).
Bemerkenswert ist ein Befund am dritten Hauptgespärre (von Osten). Hier finden sich am Bundtram Reste einer aus Steinplatten und Lehm gefügten und mit Eisenkrampen armierten Brandschutzpackung. Möglicherweise waren alle Bundtrame mit solch einer Maßnahme vor den enormen thermischen Einflüssen geschützt (Abb. 16). Wenn man die fehlenden Verblattungen und Konstruktionshölzer an der Basis des Dachstuhls in Betracht zieht, so zeigt sich, dass der gesamten Konstruktion eine Reihe mit drei kurzen Stuhlsäulen und die dazugehörigen Kopf- und Fußbänder fehlen. Anscheinend musste infolge einer Beschädigung der Dachstuhl auf die heutige Höhe abgesenkt werden. Zum Unterkeilen der tonnenschweren Konstruktion wurden unter anderem wiederverwendete Kopf- und Fußbänder genützt. Das handwerkliche Selbstverständnis der barocken Zimmerleute wird an kunstvoll mit rollwerkartigen Zierelementen versehenen Enden der Stuhlrähmbalken ersichtlich. (Abb. 17).
6. Schlussbetrachtung Im Vergleich zur umfassenden Baugeschichte des sogenannten Kohlbarrens in Döllach stellt die Verwendung als Zinkhütte nur einen relativ kurzen Abschnitt dar. Über den genauen Zeitraum dieser Nutzung gibt es selbst aus zeitgenössischen Quellen nur widersprüchliche Angaben. So gelten als Terminus post quem die Schließung der letzten ärarischen Goldzeche 1794 und als Terminus ante quem die Wiederaufnahme der Goldverhüttung durch den Gewerken Komposch im Jahr 1831 als gesicherte Daten. Einzig L. F. Hohenauer (1835) weiß zu berichten: „In Döllach sind die Rudera einer Zinkhütte aus jüngster Zeit. Sie wurde im Jahr
5.4. Bauliche Tätigkeit nach 1831 Mit dem Erwerb der Zinkhütte durch Gregor Komposch 1831 kam es auch zu umfangreichen Umbauten und Adaptierungen am Gebäude. Die Zinkverhüttung war bereits wenige Jahre zuvor eingestellt worden und die Produkti-
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1797 durch Herrn v. Dillinger, jetzt pensionierter Hofrath, erbaut, aber im Jahre 1812 wieder aufgelassen.“ 51 Einen bedeutenden Hinweis liefert die Balkendecke zwischen der Ofenanlage I und II, die mit 1798/1799 gefällten Tannenbalken errichtet wurde. Im Mauerwerk beider Ofenanlagen finden sich bereits zerscherbte Zinkreduktionsröhren als Zwickelmaterial. Diese aus Ton gefertigten Röhren spielten eine essentielle Rolle bei der Zinkverhüttung nach der sogenannten Kärntner Methode.52 Durch das Zusammenwirken von Archäologie und Bauforschung konnten im Raum 0.3 die Reste der ältesten und wohl ersten Ofenanlage III entdeckt werden. Demnach wurden mit Einrichtung einer Zinkhütte innerhalb des Kohlbarrens in die querrechteckigen Räume, in denen vormals Erzröstbecken untergebracht waren, sukzessive Ofenanlagen eingestellt. Bei genauer Betrachtung der konstruktiven Kriterien der beiden noch im Aufgehenden erhaltenen Ofenanlagen lassen sich sekundäre Veränderungen an der Zugführung der Schlote erkennen, was auf einen stetigen Modifikationsprozess im Laufe der relativ kurzen Nutzung der Zinkhütte schließen lässt. Abschließend kann gesagt werden, dass aufgrund des Fehlens von erhaltenen Vergleichsbauten in Europa die Zinkhütte von Döllach nicht zu Unrecht zu einem der bedeutendsten Industriebaudenkmale zu zählen ist. Abb. 19 Großkirchheim, KG Döllach. Esse in der Nordost-Ecke von Raum 0.3.
51 Hohenauer 1835, 161. 52 Vgl. Liebig 1913, 55 u. 70.
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Abb. 1, 3, 6, 7, 9–11, 13–17, 19: Oliver Fries Abb. 2: KAGIS, Amt der Kärntner Landesregierung Abb. 4, 5, 18: Rudolf F. Ertl Abb. 8: Bundesdenkmalamt, Landeskonservatorat für Niederösterreich Abb. 12: Verein FIALE Plan 1–4: Oliver Fries
Oliver Fries Rudolfstraße 6/2 A-3430 Tulln an der Donau
[email protected]
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