Das Militär der Freien und Hansestadt Lübeck 1623–1867 Jan Schlürmann
Grundzüge der Lübecker Verteidigungs- und Militärpolitik Lübeck als Militärmacht? Lübeck durchlief als Handelsstadt vom 12. bis zum 19. Jahrhundert eine wechselseitige Entwicklung. War die Stadt während der Blütezeit der Hanse, während des 13.–15. Jahrhunderts, „das Haupt“, also fast so etwas wie die heimliche Hauptstadt, liefen ihr im Laufe der Frühen Neuzeit die Schwesterstädte Hamburg und Bremen wirtschaftlich den Rang ab. Trotzdem behauptete sich Lübeck zusammen mit den zwei anderen seit dem letzten Hansetag von 1669 „übrig“ gebliebenen Hansestädten als politisch eigenständiger Staat innerhalb Deutschlands. Dieser Umstand führte dazu, dass Lübeck stets Militär unterhielt;sei es aus ganz direkten militärischen Interessen heraus, zum Schutze des Handels und der Stadt, sei es, um den Souveränitätsanspruch durch stehendes Militär nach außen hin zu untermauern. Lübeck konnte seit dem Mittelalter auf eine fast ununterbrochene militärische Tradition zurückblicken, die erst 1867 mit der Übergabe der militärischen Souveränität an Preußen ein Ende fand.
Söldnerheer, Bürgerpflicht und Stellvertretung Im Gegensatz zu den stehenden Heeren der umliegenden Territorialstaaten, die im 17. und 18. Jahrhundert entstanden, reichten die Wurzeln des Lübecker Militärs bis weit ins Mittelalter zurück. Vom Spätmittelalter bis zur Auflösung des Lübecker Bundeskontingents im Jahre 1867 existierte immer ein aus Geworbenen gebildetes „Söldnerheer“ neben einer nach den Prinzipien der bürgerlichen Dienstpflicht ausgehobenen Bürgermiliz. Wenn auch 165
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seit dem 17. Jahrhundert kein Lübecker Bürger mehr mit der Waffe in der Hand zum Schutze der Stadt ausrückte, blieben der Bürgerschaft doch der Wachdienst, Wachparaden und Übungslager nicht erspart. Die „Wehrpflicht“ als ehrenvollen und patriotischen Dienst zu empfinden, ist eine verhältnismäßig späte Entwicklung, deren Beginn man in Deutschland nicht viel früher als mit dem Ausbruch der antinapoleonischen Kriege von 1813 festsetzen kann. Wenn Lübeck vom Mittelalter bis in die Neuzeit stets an der Wehrpflicht seiner Bürger festhielt, so bedeutet dies nicht, dass die Bürger ihrer Aufgabe stets gerne und pflichtbewusst nachkamen. Deshalb entwickelte sich innerhalb des Bürgermilitärs ein System der Stellvertretung. Wohlhabende Bürger konnten sich vom Dienst freikaufen, indem sie weniger Vermögende an ihrer Stelle die lästigen Wachtdienste leisten ließen. Diese „Angeheuerten“ nannte man „Häuerlinge“. Das Lübecker Militärsystem war also trotz seiner verhältnismäßig geringen Größe ein durchaus kompliziertes Gebilde, das während seiner jahrhundertelangen Existenz viele Entwicklungen der großen stehenden Heere widerspiegelte, aber auch von der militärischen Hauptentwicklungslinie abweichende Strukturen entwickelte.
Das Militär der freien Reichsstadt in der Frühen Neuzeit, 1623–1806 Lübecks Militär im Dreißigjährigen Krieg Der Dreißigjährige Krieg (1618–1648) zwang die Reichsstadt Lübeck zur Anwerbung von Söldnertruppen, die neben der Verteidigung der eigentlichen Stadt auch die im Pfandbesitz befindlichen Gebiete im Lauenburgischen gegen Übergriffe einfallender Heere schützen sollten. 1623 warb man deshalb ein Regiment zu Fuß an. Ausrichten konnte diese Truppe gegen die wesentlich größeren Heere der eindringenden katholischen und protestantischen Mächte wenig. Bereits 1626 musste das Regiment den Pfandbesitz Mölln für drei anrückende feindliche Regimenter des Feldherrn Mansfeld räumen und Einquartierungen samt der üblichen Requisitionen des Feindes hinnehmen. Vor den Toren ihrer eigenen 166
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Stadt, die im Winter 1625/26 ebenfalls von Mansfeld belagert wurde, waren die lübeckischen Unternehmungen bisweilen erfolgreicher:
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Auszug aus einem Bericht an Mansfelds Hauptmann Munster, 16. Januar 1626
„Es ist hir gewisse zeitung von Lübeck, das der Bürger etliche hundert man starck, doch ohne wollen eines ehrbaren radt ausgefallen in ein dorf, dar ungefehr 200 man [von Mansfelds Truppen] gelegen, das volck darausgeschlagn ein hundert und zwantzig pferdt mit gefangn gebracht undt 6 rüstwagn mit sattel und allerley zeug. Item drey von adell, so befelligeshaber sein;welche gefangn sie e[inem] rahdt aldar presentirt, die sie nicht haben annehmen wolln, darauf ein groß tumuldt unter dem radt und burger entstandn, die burger aber haben die gefangenen in haft genommen undt des andern tags in der nacht 2500 man zu fuss und etliche pferde starck wieder ein ausfall gethan (...). (Zit. nach WEIMANN, 30jährige Krieg, S. 13)
Befremdlich wirkt, dass der Rat dieses Unternehmen gar nicht gerne sah und sogar offiziell die Annahme der gefangenen Feinde verweigerte. Thomas SCHWARK (Lübecks Stadtmilitär, S. 59) sieht in dem geworbenen Regiment von 1623 „ein neues Element“des lübeckischen Militärs, das sich bis dahin aus Bürgermilitär (auch „Bürgerwache“ genannt), bürgerlichen „Häuerlingen“, Reiterei und Festungsartillerie zusammensetzte;das mag für die Frühe Neuzeit zutreffend sein – allerdings werden damit jene Soldkontingente unterschlagen, die während des Mittelalters stets einen unverzichtbaren Teil lübischer Militärunternehmungen ausmachten, sei es zu Land oder zur See. Ein Neben- und Miteinander von „professionellem“ und „wehrpflichtigem“Militär jedenfalls ist in Lübeck weit vor dem Dreißigjährigen Krieg nachweisbar und kein Phänomen des 17. Jahrhunderts. Aus welchen Komponenten aber setzte sich Lübecks Militär während des 17. und 18. Jahrhunderts zusammen? Pikenier aus dem späten 16. Jahrhundert (zeitgenössischer Stich, nach W. BOEHEIM, Waffenkunde) Bis etwa 1560 nannte man diese Waffe allgemein „Langspieß“, danach setzte sich über den Einfluss der französischen Kultur auf das Kriegswesen der Name „Pike“(von frz. „piquer“= stechen) durch; diese Waffen konnten eine Länge von 4,5 bis 5 Metern erreichen. 167
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Ansicht der Freien Reichsstadt Lübeck, um 1641 (Stich von Merian, Landesbibliothek Kiel)
Lübecks Militärverwaltung und oberste militärische Führung In Lübeck lagen alle höheren exekutiven Befugnisse in den Händen des Rates. Für das städtische Militär und zum Teil für die Bürgermiliz wurden zwei Ratsherren zu „Herren der Kriegsstube“ ernannt. Beide besaßen weitgehende Befugnisse. Musterungen und Abdankungen (Entlassungen), Soldzahlungen, Fragen der Bewaffnung und Ausrüstung sowie Disziplinarangelegenheiten gehörten dazu. Damit vereinigte die „Kriegsstube“ bereits im späten 17. Jahrhundert fast alle Bereiche der Militärverwaltung in einer Behörde. Ihr juristischer Arm war das „Kriegsgericht“, dem beide Herren der Kriegsstube sowie der Stadtkommandant und weitere Offiziere angehörten. Der Stadtkommandant, auch „Kommandant der Garnison“genannt, war der Oberbefehlshaber des Stadtmilitärs und Gesamtbefehlshaber aller militärischen Institutionen (Bürgermilitär, Artillerie) im Kriegsfall. Die Verwaltung des Bürgermilitärs war parallel zur derjenigen des Stadtmilitärs aufgebaut. Analog zu den „Herren der Kriegsstube“ fungierten dort zwei Ratsmitglieder als „Wachtherren“, deren Zuständigkeit sich auf die Bürgerwache, also auf das Bürgermilitär, erstreckte. Das „Wachtgericht“hatte bei Vergehen der Bürgerwache zu entscheiden. Einen besonderen Befehlshaber hatte die Bürgerwache, abgesehen von den Kompanieoffizieren, nicht. Ein Bürger-„Kapitän-Leutnant“ hatte als Adjutant den Kontakt zwischen Wachtherren und Bürgerkompanien aufrechtzuerhalten. Der „dritten Säule“des Militärs, der Artillerie, standen die „Artillerieherren“vor. Militärischer Befehlshaber der Artilleristen, die in 168
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Lübeck und Travemünde stationiert waren, war ein Oberstleutnant. Im „Artilleriegericht“ besaß diese Waffengattung auch eine eigene Gerichtsbarkeit. Für die so wichtigen Befestigungsanlagen der Stadt, welche die Artillerie mit ihren Geschützen zu besetzen hatte, waren die „Artillerieherren“nur in streng militärischer Sicht zuständig. Alles was den baulichen Zustand der Anlagen und finanzielle Aspekte der Befestigung anging, fiel in die Zuständigkeit der „Wallherren“. Diese mehrgliedrige Struktur der obersten militärischen Verwaltung behielt Lübeck zwischen dem 17. Jahrhundert und 1811 mit nur geringen Änderungen bei. Es fällt auf, dass man die einzelnen militärischen Korps administrativ streng voneinander trennte, obwohl man das Militär im Kriegsfall als Ganzes operieren ließ. Durch die Besetzung der Behörden mit bürgerlichen Ratsherren trug die Lübecker Militärpolitik einen zivilen Charakter. Dieser machte sich in oft langatmigen Diskussionen um die Kosten für das Militär bemerkbar: Anders als in den militärisch-expansiven Staaten war und blieb Lübeck eine von Kaufleuten geprägte Republik, die Militär zwar für notwendig hielt, darüber hinaus aber jedem militärischen Gepränge und übermäßigen Ausgaben ablehnend gegenüberstand. Finanziell mag sich diese Haltung positiv auf die Stadtkasse ausgewirkt haben. Man muss aber feststellen, dass dem Rat oft die Einsicht dafür fehlte, dass in Zeiten stehender Heere „der Krieg bereits im Frieden“ vorbereitet werden musste. Die aus Sparsamkeit resultierenden militärischen Defizite wurden stets dann spürbar, wenn der Feind vor den Mauern stand oder die Soldaten – wie 1795/96 – ihrem Unmut über ihre prekäre materielle Situation durch Unruhen Ausdruck verliehen.
Das Bürgermilitär: Quartiereinteilung Die Erfassung aller wehrfähigen Bürger in einer mittelalterlichen Stadt erfolgte über die sogenannten „Quartiere“oder „Kirchspiele“, also über die Gemeindeorganisation. Im Fall Lübecks bestand diese aus dem Marien-Magdalenen-Quartier, dem Jakobiquartier, dem Johannisquartier und dem Marienquartier. Bei der Verteidigung der Stadt erwies sich diese Struktur in zweierlei Hinsicht als vorteilhaft: Zum einen verband die Bewohner eines Quartiers meist ein enges Zusammengehörigkeitsgefühl, zum anderen be169
Das Lübecker Burgtor, 1847 (Daguerreotypie von Pero) Trotz des Wachstums im 19. Jahrhundert und des verheerenden Bombenangriffes im Zweiten Weltkrieg stehen noch heute Teile der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Befestigungswerke der Stadt.
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standen die Hauptaufgaben der Quartieraufgebote entweder in der Besetzung der angrenzenden Stadtmauer oder aber im Feuerlöschdienst. So sorgte die unmittelbare Angst um den Verlust von Haus, Hab und Gut durch Feinde oder Feuersbrunst für Motivation. Eine andere Möglichkeit, aus der Masse der Bürger eine schlagkräftige Truppe mit besonderem „Korpsgeist“ zu bilden, bestand darin, die vorhandenen Strukturen der Gilden und Zünfte zu nutzen. In Lübeck bildeten z. B. die Fleisch- und Knochenhauer eine geschlossene berittene Einheit der Bürgerwehr.
Bürgermilitär: Ausschusskompanien und Stellvertretung, 1625–1692 Bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges gab es in der Regel zwei Mobilisationsformen des Bürgermilitärs: in Friedenszeiten die Einberufung eines aktiven Teils zu festgelegten Wachtdiensten, in Kriegszeiten die Einberufung aller Wehrfähigen. Für die Wachtdienste hatte sich bereits recht früh ein System der Stellvertretung herausgebildet, das es den wohlhabenderen Bürgern ermöglichte, sich von der lästigen Wachtpflicht freizukaufen („Häuerlingswachen“). Diese Stellvertretung sollte 1625 in Form zweier „Ausschusskompanien“institutionalisiert werden: Stadtbewohner konnten in diesen Einheiten den Wachtdienst und im Kriegsfalle auch reguläre Kriegsdienste übernehmen und nach ihrer Dienstzeit das volle Bürgerrecht erwerben. Bereits 1628 verabschiedete man sich jedoch wieder von diesem Projekt, da es dem Kern der allgemeinen (und unbesoldeten) Dienstpflicht der Bürger widersprach. Die revidierte Wachtordnung sah künftig 26 Bürgerkompanien vor, acht davon aus dem Marienquartier, je sechs aus den übrigen Quartieren. Die Stellvertretung für den Wachtdienst blieb in dieser wie in den folgenden Wachtordnungen (1644, 1692) erlaubt, und 1679 wurde sogar den Bürgerkapitänen, welche den Quartieren vorstanden, die Stellvertretung genehmigt.
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Bürgermilitär: Kriegsgefahr und Einsatz im Innern, 1699–1795/96 Im 17. und 18. Jahrhundert kam es fünfmal – 1699/1700, 1705, 1711, 1715 sowie 1762 –zur Mobilisierung des Bürgermilitärs, da die Bedrohungen des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) und des drohenden [dänischen] Krieges mit Russland 1761/62 Lübecks Grenzen erreichten. Jedes Mal zeigte sich dabei aufs Neue, dass die kriegsungewohnten Bürger über ihre Bürgerkapitäne kaum zum nun gefährlichen Wachtdienst auf den Wällen zu bewegen waren. Man forderte eine Verstärkung des besoldeten Berufsmilitärs, das in jenen Krisenzeiten fast immer mit der Besetzung der Vorwerke überlastet war. Als Konsequenz erlaubte der Rat nun sogar die Stellvertretung in Kriegszeiten – ein deutliches Anzeichen für die Auflösung der bürgerlichen Wehrwilligkeit. Als problematisch erwies sich auch das Verteidigungskonzept der Hansestadt, wenn es zu Befehlsverweigerung oder sogar Meutereien innerhalb des Berufsmilitärs kam. Dies war 1678, 1691 und in einem besonders gefährlichen Ausmaß in den Jahren 1795/96 der Fall. Schon aufgrund des geringeren Ausbildungsstandes wären die Bürgerkompanien hier den Berufssoldaten kaum gewachsen gewesen, hätten die Söldner geschlossen ihren Willen gegenüber der Stadt durchgesetzt, was letztlich aber nie geschah.
Bürgermilitär: Die „Häuerlingswachen“ Die im vorhergehenden Abschnitt mehrfach erwähnten Stellvertreter für dienstpflichtige Bürger waren im Wesentlichen identisch mit den „Häuerlinge“ genannten Stadtbewohnern. Aus dieser „institutionalisierten Ausnahme“ wurde schon während des 18. Jahrhunderts eine beständige dritte Säule des städtischen Militär- und Sicherheitswesens neben der Bürgerwache und dem Stadtmilitär. Die „Häuerlinge“ bildeten feste Kompanien, die anstelle der Bürgerwache den nächtlichen Wachtdienst verrichteten und das Stadtmilitär zu unterstützen hatten. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zählten die Häuerlingswachen zwischen 60 und 80 Mann, zu wenig, um die Sicherheit im nächtlichen Lübeck zu garantieren, wie die vielen Beschwerden zeigten. Da sich immer weniger Bürger und wohlhabendere Stadtbewohner zum Häuerlingsdienst anwerben ließen, griff man verstärkt auf 171
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Angehörige der städtischen Randgruppen zurück. Die Mitglieder der als Sicherheitsorgan gedachten Truppe erwiesen sich zunehmend selbst als kriminell. Wann genau die Häuerlinge als Ordnungsorgan verschwanden, ist nicht klar –1806, als die Franzosen in Lübeck einrückten, gab es sie jedenfalls nicht mehr.
Stadtmilitär: die Artillerie
Französisches Geschützrohr für 24-pfündige Geschosse, um 1700 (Stich aus dem Werk Memoires d’ Artillerie von S. de SAINT REMY, Amsterdam, 1701)
Unter dem Sammelbegriff „Stadtmilitär“ verstand man alle auf vertraglicher Basis angeworbenen und besoldeten Berufssoldaten, welche die Stadt seit dem frühen 17. Jahrhundert beständig unter Waffen hielt. Anfänglich rechnete man die ebenfalls professionellen Bedienten und Handwerker der städtischen Artillerie nicht zum eigentlichen Militär. Die Artillerie galt bis weit ins 18. Jahrhundert als eine technische, fast zunftmäßig organisierte Hilfstruppe, die anderen zivilen Angestellten der Stadt, wie den Botenreitern und Kanzleigehilfen, gleichgestellt war. Mit den „Artillerieherren“ besaßen die Artilleristen eine besondere, vom übrigen Bürger- und Stadtmilitär getrennte Verwaltungsstelle. Im Kriegsfall jedoch unterstand diese Truppe wie alle anderen waffentragenden Formationen dem Stadtkommandanten, einem erfahrenen Berufsmilitär. Zahlenmäßig war die Artillerie der schwächste Teil des Militärs, während des 18. Jahrhunderts in der Regel kaum 60–80 Mann. Die in „Handlanger“ (einfache Artilleristen) und „Konstabler“ (Artilleristen mit Unteroffiziersrang) eingeteilten Männer hatten sowohl die überall auf den Wällen, an den Toren und in Travemünde postierten Geschütze zu bemannen, als auch – wenn auch in einem geringeren Maße als die Infanterie – Wachtdienste zu leisten. Weiterhin fiel das Zeughaus mit seinen Waffenbeständen und seinem Geschützmaterial in die Zuständigkeit der Artillerie, die dafür einen Zeugmeister zu unterhalten hatte.
Stadtmilitär: die Infanterie Auf die frühe Existenz geworbener Infanterie verweisen die aus den Jahren 1565, 1678 und 1692 erhaltenen „Kriegsartikel“ der „freyen Hanse-Stadt Lübeck“. Daraus zu folgern, es habe sich bereits um eine stehende Truppe gehandelt, ist nur schwer möglich. 172
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Kennzeichnend für die Zeit des 17. Jahrhunderts war vielmehr ein häufiger Wechsel zwischen Werbung und Abdankung der „Soldatesque“je nach Bedrohungslage der Stadt. In Friedenszeiten bedeutete dies zwar nicht den gänzlichen Verzicht auf geworbene Soldaten –einige Söldner brauchte man stets für die vielfältigen Wachdienste –doch deren Zahl überstieg dann kaum 100 Mann. Trotzdem lassen sich einigermaßen zuverlässige Angaben über die Stärke des geworbenen Lübecker Stadtmilitärs ermitteln, die ein langsames Anwachsen zur Mitte des 18. Jahrhunderts zeigen: Stärke des Lübecker Stadtmilitärs, 1684–1797 1684 1691 1699 1713 1722 1752 1770 428 313* 284 470 381 536 500
1797 460
*) ohne Musiker und Artilleristen (Angaben für 1691 u. 1699 nach AHL 36-1 Kriegskommissariat, Nr. 29 Stärke der Garnison I, für die übrigen Jahre nach FINK, Lübeck und sein Militär, S. 15f)
Die Infanterie war in Kompanien organisiert, um 1710 gab es drei, seit 1713 vier, 1731 wieder drei und zwischen 1751 und 1797 schließlich fünf Kompanien. Die erste oder „Leibkompanie“ des Obersten, der zugleich der vorgesetzte Kommandeur aller Kompaniekommandeure war, war als „Grenadierkompanie“ formiert. Wenn man die Kompanienanzahl zwischen 1684 und 1797 mit den oben stehenden Angaben in Beziehung setzt, zeigt sich, dass die durchschnittliche Stärke der Lübecker Kompanien zum Ende des 18. Jahrhunderts sank. Die hohen Kosten, die diese stehende Truppe verursachte, führten in regelmäßigen Abständen zu Entlassungen, die sich im Fall nahender Kriegsgefahr rächten – so etwa während des Großen Nordischen Krieges (1700–1721) und im Zuge des Siebenjährigen Krieges (1756–1763). Stets stellte der Rat der Stadt fest, dass die Truppen nicht ausreichten, um die Stadtbefestigungen effektiv zu besetzen. Dann mussten kurzfristig Anwerbungen innerhalb der Stadt gemacht werden, um das Bürgermilitär und die wenigen Stadtsoldaten zu verstärken.
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Grenadier des Lübecker Stadtmilitärs, um 1750 (Zeichnung von R. Knötel) Die Uniform zeigte die alten Reichsfarben (roter Rock, weiße Abzeichen), die auch die Soldaten der anderen Reichsstädte kleideten.
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Auszug aus einer Stellungnahme der Schiffergesellschaft an den Rat während des Einfalls dänischer Truppen, 10. Januar 1700
„weill die Königl: Dänische Völcker sich anhero näheren, und bereits binnen unser Landwehr sich auffhielten, das sodann ein Compagnie Bürger zu wall gehen, und eine ansehnliche partheÿ Mannschafft durch ein öffentlichen Trommelschlag angenommen werden mögten.“- Die Schiffergesellschaft schloss mit dem Wunsch, „das[s] der liebe gott die KriegesFlamme in Gnaden baldt abwenden, Friede gemachet und es Zum Vertrag in Holstein kommen, diese geworbenen Völcker wieder cassiret werden mögen.“ (AHL, 36-1 Kriegskommissariat, Nr. 29 Stärke der Garnison I, Schreiben der Schiffergesellschaft an den Rat, Lübeck, 10. Januar 1700)
Das Stadtmilitär: Stationierungen auf Lübecker Außenposten Bereits in Friedenszeiten mussten die Lübecker Stadtsoldaten viele Außenkommandos mit Unteroffizieren und Mannschaften besetzen. Der bedeutendste Posten war die kleine Befestigung bei Travemünde, wo ein Offizier mit einigen zehn Mann samt Artilleristen und „Piloten“, also Lotsen, Dienst zu tun hatte. Politische und administrative Gründe erforderten auch den Unterhalt einer Garnison in Mölln sowie in Bergedorf, welches man zusammen mit Hamburg verwaltete. Auch die „Bäume“, Zollstellen mit Schlagbaum, bei Krummesse, Schlutup, Grönau und Tremsmühle wurden mit Stadtmilitär belegt.
Das Stadtmilitär: der Wachtdienst Ähnlich den Aufgaben des Bürgermilitärs, lag das Schwergewicht des Dienstes beim Stadtmilitär auf dem Wachtdienst. Zu einer offensiven Verwendung seines Militärs war Lübeck spätestens seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr willens und in der Lage. Die Wachtaufstellungen des Stadtmilitärs sind für verschiedene Jahre überliefert. Sie belegen, dass diese Truppe und das unterstützende Bürgermilitär mit der Besetzung der Posten an den Toren, der Hauptwache, dem Rathaus sowie den Patrouillen in
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den Straßen und auf den Wällen sowie der Besetzung der Posten in Travemünde und an den Zollstellen mehr als ausgelastet war. Wachteinteilung des Lübecker Stadtmilitärs, 1751 Tageswache Wachtposten Sergeanten Korporale Gefreite Gemeine Holstentor, äußere Wacht* --1 3 14 Holstentor, innere Wacht* --1 1 9 Burgtor, äußere Wacht 1 --3 17 Burgtor, innere Wacht --1 1 11 Mühlentor 1 --3 18 Triangel 1 --1 8 Hauptwache 1 --2 7 Hüxtertor --1 1 8 Rathaus 1 --2 14 Kaufberg --1 1 6 Travemünde (Schanze, Tor) --2 2 32 Bergedorf 1 --1 8 Schlutup --1 1 7 Brandenbaum ----1 2 Rotenhaus ----1 2 Krumesser Baum ----1 2 Hohenstieg ----1 2 Gönauer Baum ----1 2 Tremsmühle ----1 2 Nachtwache Wachtposten Sergeanten Korporale Gefreite Gemeine Hauptwache** 1 1 4 25 Rathaus 1 --2 14 Kaufberg*** --2 2 20 Schanzen beim Kreyen-Teich ----3 9 und an der Wackenitz In den Ravelins**** 3 2 7 44 *) „Äußere“Wachtposten mussten außerhalb des Wachtgebäudes stehen, „innere“ standen in Bereitschaft, durften sich aber im Gebäude aufhalten. **) Nachts wurden hier die Tagesposten vom Holstentor und Mühlentor zusammengezogen. ***) Hier kam die Verstärkung von der Tageswache am Burgtor. ****) Vorwerke, aus der Befestigung herausgeschobene Schanzen (Angaben nach AHL 36-1 Kriegskommissariat, Nr. 30 Stärke der Garnison II)
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Das Stadtmilitär: Sozialstruktur und regionale Herkunft
Offizier des Hamburger Stadtmilitärs, um 1755 (Zeichnung von R. Knötel) Die Lübecker Offiziere sahen nicht anders aus – der rote Rock war das Attribut aller hanseatischen Soldaten des 18. Jahrhunderts.
Für die angeworbenen Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften verhieß der Dienst in einer städtischen „Mini-Armee“ wenig Ruhm und geringe Aufstiegschancen, Feldzüge und Schlachten machte das Stadtmilitär in der Regel nicht mit. Andererseits boten die politischen Verhältnisse in den Städten Bürgerlichen gute Möglichkeiten, eine militärische Laufbahn einzuschlagen. So waren im Jahre 1772 von 21 Offizieren des Lübecker Stadtmilitärs 18 nicht adliger Herkunft, nur 3 – darunter allerdings die höchsten Chargen – adlig. Die Ränge, die in Lübeck zu vergeben waren, reichten in Anbetracht der geringen Stärke der Streitmacht gerade einmal bis zum Oberst. Dieser war Oberbefehlshaber des gesamten Stadtmilitärs. Entsprechend klein war das gesamte Offizierskorps mit drei Majoren, fünf Hauptleuten („Capitains“) sowie dreizehn Leutnants („Premier- und SecondeLieutenants“). Obwohl gerne erfahrene Offiziere aus fremden Diensten in die höchsten Ränge berufen wurden, gab es keine lübeckische „Generalität“. So wurde der französischstämmige Chevalier de Chasot, der das Militär von 1759 bis 1797 befehligte, stets als Oberst geführt, obwohl er bereits im dänischen Heer Generalleutnant gewesen war. Herkunft der Lübecker Stadtsoldaten, 1751 Herkunft Anzahl, total Lübeck 140 Mecklenburg 107 Holstein 66 Sonstige* 105
Anzahl, relativ 33,49 % 25,60 % 15,79 % 25,12 %
*) darunter Soldaten aus Pommern, Danzig und Polen (Angaben nach SCHWARK, Stadtmilitär, S. 206)
Um 1750 kam also der überwiegende Teil der Soldaten direkt aus Lübeck oder den angrenzenden Territorien. SCHWARK nennt dafür als Grund, dass sich zum Ende des 17. Jahrhunderts eine „Seßhaftwerdung der Soldaten“ durchsetzte. Inwieweit diese These allgemeine Gültigkeit für die Heere zur Mitte des 18. Jahrhunderts beanspruchen kann, ist fraglich. Der hohe Anteil aus Lübeck stammender Soldaten mag auch auf die hohe Zahl gerade in einer 176
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Großstadt wie Lübeck zur Verfügung stehender dienstwilliger Männer zurückzuführen sein, denn alle größeren Heere der Region warben ebenfalls in der Stadt ihre Soldaten, wie die vielen Verbote und Maßregelungen Lübecks zu dieser Praxis belegen. Aus den Jahren 1672, 1708, 1734, 1755 und 1781 sind solche überliefert. Von den sozialen Problemen der größeren Heere der damaligen Zeit blieb auch das Lübecker Militär nicht verschont. Einfache Soldaten standen in der sozialen Hierarchie weit unten und ganze Soldatenfamilien lebten unter erbärmlichen Bedingungen. Die Zustände waren zwar allgemein bekannt, man tat aber selbst nach den Soldatenunruhen von 1795/96 wenig, um etwas zu ändern;regelmäßige Klagen und von Offizieren und Ratsmitgliedern abgefasste Berichte und Vorschläge („Promemoria“) fruchteten nicht, obwohl sich hier das Ausmaß der schlechten Lebensbedingungen, die fatale Wirkung des ausufernden Wachtdienstes offenbarten:
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Auszug aus der Denkschrift („Promemoria“) des Obersten von Chasot von 1796
„2. Die Gage ist dieselbe wie vor 100 Jahren, jetzo sind die nothwendigsten Bedürfnisse vielleicht doppelt so theuer, wie für Zeit der ersten Festsetzung der Gage. (...) 5. Die Postirungen, allenfalls die zu Crummesse & Schlutup ausgenommen, können meines Bedenkens füglich entbehrt werden, es ist eine Schule des Saufens, der Liederlichkeit und Faulheit, ein sogenannter Bäumer [= Ein einfacher Wächter, der den ‚ Schlagbaum’zu bedienen hat] wird gewis, fals es nöthig seyn sollte, das Erforderliche wahrnehmen können. (...) 7. Ob nicht die Soldaten Kinder in den FreySchulen aufzunehmen wären. 8. Den Soldaten, ihre Frauen und bey sich habenden Kindern freye Arzeney zu geben ...“ (AHL, 36-1 Kriegskommissariat, Nr. 31 Stärke der Garnison III, Konzept einer Promemoria, 1796)
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Isaac Franz Egmont de Chasot (1716–1797), Oberst des Lübecker Stadtmilitärs (Gemälde von Stefano Torelli, Lübecker Museum für Kunst und Kulturgeschichte)
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Französische Besatzung und Teilnahme an den „Befreiungskriegen“, 1806–1814 Lübeck, das Ende des Alten Reiches und das napoleonische „Empire“ Für die „freye Reichsstadt“ Lübeck bedeutete die Auflösung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im Jahre 1806 den Verlust der seit 1227 ungebrochenen Grundlage für die weitgehende Eigenständigkeit – der „Reichsfreiheit“, die nur dem geografisch weit entfernten „deutschen König und römischen Kaiser“ Hoheitsrechte über die Stadt eingeräumt hatte. Der „Kaiser der Franzosen“, Napoleon Bonaparte, dominierte mittlerweile ganz Mitteleuropa. Mit der erzwungenen Bildung des Rheinbundes hatte er 1803 mit der Demontage des alten Reiches begonnen. Militärisch konnten dem Franzosenkaiser selbst Österreich und Preußen nichts entgegensetzen. Nach der Niederlage preußischer Truppen bei Jena und Auerstedt (1806) wurde Lübeck durch die erzwungene Einquartierung eines schwedischen und anschließend eines preußischen Heeres unter Blücher direkt in die Kämpfe hineingezogen (Die napoleonischen Kriege 1801/1807– 1814). Die Franzosen warfen in blutigen Kämpfen die Preußen am 6. November 1806 aus der Stadt und plünderten Lübeck drei volle Tage lang. Danach lasteten die französischen Einquartierungen unter Marschall Bernadotte schwer auf den Bürgern. Fortan blieben 3.000 Mann französische Garnisonstruppen in Lübeck stationiert und das Lübecker Militär hatte zukünftig alle Wachen gemeinsam mit Franzosen zu besetzen.
„Villes impériales unies“ – der nicht verwirklichte „HanseRheinbund“ Eine kaum bekannte Episode dieser Zeit waren die im Herbst 1809 zwischen Vertretern der drei Hansestädte und Frankreich aufgenommenen Verhandlungen über den Beitritt zum Rheinbund. Ob diese nicht verwirklichte Idee die vollständige Integration der Hansestädte in das Kaiserreich, wie sie 1810 stattfand, verhindert hätte, ist fraglich. Von Interesse sind an dieser Stelle die das Militär betreffenden Überlegungen, auch wenn diese nicht 178
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umgesetzt wurden. Nach französischem Willen sollten alle drei Hansestädte künftig eine politische Einheit bilden. Sichtbaren Ausdruck sollte diese Union in der gemeinsamen Bezeichnung „Villes impériales unies“sowie in der Benutzung des napoleonischen Adlerwappens finden. Die hanseatischen Vertreter hingegen bestanden darauf, dass die Städte ohne jedes Zeichen der äußeren Abhängigkeit von Frankreich fortbestanden. Für Napoleon hatten die deutschen Rheinbundstaaten eine wichtige militärische Funktion. Sie mussten dem Kaiser Militärkontingente für seine Feldzüge stellen. So forderte man von den Hanseaten ein Infanterieregiment und eine Eskadron Kavallerie als Rheinbundarmeekontingent, ein Beitrag, der mit dem 1821 vereinbarten Kontingent der Hanseaten zum Deutschen Bundesheer identisch war, und der militärischen Leistungsfähigkeit der Städte entsprach. Bezeichnenderweise aber wünschten die drei Städte „wie in den Zeiten des alten Reichs (...) [die] Militärpflicht durch Geldbeträge abzulösen“. „[Z]ugleich geben sie (...) zu erwägen, wie sehr ihr Wohlstand in den letzten Jahren herabgesunken sei“(WOHLWILL, Rheinbund, S. 85): Die Hanseaten versuchten also mit dem Kaiser der Franzosen zu handeln! Letztlich aber waren alle Bemühungen vergebens, denn das Schicksal der Hansestädte war durch die 1810 vorgenommene territoriale Ausdehnung des Kaiserreiches besiegelt. Unter dem Namen „äußeres Frankreich“ (France exterieure) wurde Norddeutschland von den Niederlanden über Hannover bis zu den Hansestädten dem Reich einverleibt. Napoleon verschob damit die Grenzen Frankreichs bis an die Ostsee. Bremen, Hamburg und Lübeck wurden zu „kaiserlich-französischen“ Städten der ersten Kategorie, zu sogenannten „bonnes villes“.
Die Auflösung des Lübecker Stadtmilitärs im Februar 1811 Auch mit der Besetzung Lübecks durch die Franzosen im Jahre 1806 hatte das Lübecker Stadtmilitär weiter bestanden. Man erblickte in den wenigen Stadtsoldaten keine Gefahr für die weit überlegenen französischen Truppen. Trotzdem reduzierte der französische Stadtkommandant Bugêt im Dezember 1806 das Stadtmilitär: Von 13 Offizieren, 40 Unteroffizieren und 486 Mann blieben nur 2 Offiziere, 8 Unteroffiziere und 206 Mann im Dienst.
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Das Wappen der Stadt Bremen als „bonne ville“des französischen Kaiserreichs, um 1811 (zeitgenössische Abbildung aus einem frz. Wappenbuch) Lübecks neues Wappen zeigte anstelle des Schlüssels einen geflügelten weiß-rot geteilten Schild. Die drei Bienen im oberen Balken waren Napoleons persönliche Wappentiere und waren den Wappen der „bonnes villes“, der höchsten Kategorie in der napoleonischen Städtehierarchie, vorbehalten.
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Die Inkorporation Lübecks in das Kaiserreich überlebte das Stadtmilitär jedoch nur wenige Wochen. Mit Wirkung zum 15. Februar 1811 wurde der Rest des Lübecker Militärs vom französischen Hauptmann Pagés aufgelöst. Allerdings wollten die Franzosen keineswegs auf die noch verwendbaren Soldaten und Ausrüstungsgegenstände verzichten, denn Napoleon sammelte bereits seine „Grande Armée“ für den Feldzug gegen Russland. Während Stadt- und Bürgermilitär ihre Waffen und das Artilleriematerial bis Ende März an die französische Garnison abgaben, bildete man aus etwa 200 ehemaligen Lübecker Stadtsoldaten zusammen mit ebenfalls abgedankten Hamburger und Bremer Soldaten das „127. Linieninfanterieregiment“ – eine „hanseatische“Truppe unter dem französischen Kaiseradler (vgl. dazu auch den Abschnitt Lauenburger im 127. Linienregiment, 1811–1814 im Kap. Das Militär im Herzogtum Lauenburg 1625–1867).
Lübeck während der „Franzosenzeit“, 1811–1812/13
Gardisten der Garde Prefectorale des 34. Gendarmeriebezirks Hamburg (Zeichnung nach einem Aquarell von Christopher Suhr, 1820) Diese Truppe übte Polizeifunktionen aus.
An der Zeit der französischen Besatzung und Integration Lübecks in das napoleonische Reich ist von nachfolgenden Historikern des 19. Jahrhunderts kaum ein gutes Haar gelassen worden. Durch eine betont antifranzösische Brille wollte man bis vor Kurzem die positiven Seiten dieser Zeit übersehen: Die Franzosen setzten der schwerfälligen, in der Entwicklung oft weit zurückgebliebenen Verwaltung und Rechtsprechung der alten Hansestädte ein abruptes Ende. Damit wurden notwendige Reformen eingeleitet, die – obwohl man 1813/14 vieles wieder rückgängig machte – doch eine bleibende Grundlage für die spätere Entwicklung bildeten. Die Geschichte des „hanseatischen“ 127. Linieninfanterieregiments ist für Lübecks militärische Geschichte nur von nachrangiger Bedeutung. Zwar machte das Regiment 1812 den RusslandFeldzug mit, zeichnete sich bei der Schlacht von Smolensk aus, doch der Anteil von Lübeckern an dieser Truppe war gering und wurde durch die katastrophalen Ereignisse des Rückzuges weiter verringert. In Lübeck selbst waren zwischen 1806 und 1813 die verschiedensten französischen Truppenteile, darunter meist ein Linieninfanterieregiment sowie Etappeneinheiten, stationiert. Die vielfältigen militärischen Unternehmungen Napoleons spiegelten
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Das Militär der Freien und Hansestadt Lübeck 1623–1867
sich in den periodischen Einquartierungen in Lübeck wider, welche die Stadt außerordentlich belasteten. Innerhalb des Französischen Kaiserreiches war Lübeck Teil der „32éme division militaire“, die einem Kommissar mit Sitz in Hamburg untergeordnet war. Exemplarisch für die französische Garnison der Stadt gibt der Historiker FINK für November 1810 bis Ende 1811 folgende Übersicht: Die französische Garnison in Lübeck, 1810–1811 Truppenteil Mann 30. Linieninfanterieregiment ca. 1.500 Abteilung vom 7. Fußartillerieregiment 34 1. Train-Bataillon 100 Gendarmerie, Zoll und Militärverwaltung ca. 70
Pferde 200
(Angaben nach FINK, Lübeck und sein Militär, S. 19)
Die Lübecker galten seit 1811 als Bürger des Französischen Kaiserreiches und unterlagen somit der allgemeinen Wehrpflicht. Allerdings nutzte Napoleon die verbreitete Dienstunwilligkeit vieler seiner deutschen Untertanen und genehmigte ein teures Stellvertretersystem: 2.000 bis 3.000 Mark musste der Lübecker Kaufmann für die Stellvertretung eines Sohnes bezahlen, im Feldzugsjahr von 1812 sogar 4.000 bis 6.000 Mark.
Der hanseatische Anteil an den „Befreiungskriegen“von 1813/14 Die Niederlage der „Grande Armée“1812 in Russland leitete die Bildung einer neuen antinapoleonischen Koalition zwischen Russland, Schweden, Preußen und Österreich ein. Mit dem Rückzug der Franzosen nach Westen im Jahre 1813 begann der eigentliche „Befreiungskrieg“, wie ihn die ältere deutsche Geschichtsschreibung nannte. Hamburg, Lübeck und Bremen bildeten im Französischen Kaiserreich den nordöstlichsten Vorposten. Die Franzosen waren entschlossen, ihn gegen die heranrückenden Koalitionstruppen zu halten. Als Vorhut der Koalitionsarmee erreichten russische Kosaken unter dem Befehl des Oberst Tettenborn am 18. März 1813 die Hansestadt Hamburg. Dort kam es durch Tettenborns Initiative 181
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zur Bildung zweier hanseatischer Militärkorps – des „Korps der Hanseatischen Bürgergarde“ und der „Hanseatischen Legion“. Beide Einheiten sollten ihrem Namen gemäß nicht nur hamburgische, sondern auch lübeckische und bremische Kontingente enthalten. Während das Korps der „Hanseatischen Bürgergarde“als Schutztruppe innerhalb der Städte gedacht war, sollte die „Legion“eine aus jüngeren Rekruten bestehende mobile Feldeinheit im Dienste der Koalition stellen. Als am 29. Mai 1813 die Franzosen unter Marschall Davout zum Gegenangriff ansetzten und Hamburg zurückeroberten, löste sich die „Bürgergarde“auf. Ihrem Kommandeur, Oberstleutnant Mettlerkamp, gelang es jedoch, mit einigen seiner Männer aus der Stadt zu entkommen und sich neu zu formieren. Die Hanseatische Legion hatte der französischen Rückeroberung Hamburgs und Lübecks ebenfalls entkommen können, sodass im Frühjahr 1813 zwei hanseatische Formationen mit Lübecker Anteil im Felde standen.
Das Korps der Hanseatischen Bürgergarde 1813/14
David Christopher Mettlerkamp (1774–1850) (Lithographie von 1825, Landesbibliothek Kiel)
Mettlerkamp hatte sich mit seinen Männern nach Lübeck zurückgezogen und wollte an der im Dezember 1813 beginnenden Belagerung Hamburgs teilnehmen. Seine Stellung war nicht eindeutig geklärt: Nicht alle hanseatischen Behörden hatten sein Korps offiziell anerkannt, denn innerhalb der Koalitionstruppen galt die Hanseatische Legion als offizielle Truppe der Städte. Mettlerkamp musste für den Erhalt seiner Truppe deshalb Bettelbriefe an den Lübecker Senat schreiben, der ihm als einziger hanseatischer Ansprechpartner geblieben war. Bei ihrer Gründung in Hamburg hatte die Bürgergarde etwa 6.000 Mann in sieben Bataillonen gezählt. Davon waren im Winter 1813 noch etwa 500 Mann geblieben, die bis zum Februar 1814 wieder auf 600 Mann in vier Kompanien anwuchsen. Bei der Aufstellung 1813 hatte das Korps auch über zwei Eskadronen Kavallerie zu insgesamt 150 Mann verfügt, die aber teilweise der Hanseatischen Legion einverleibt worden waren. Im späten Frühjahr 1814 kamen noch eine kleine Artillerieeinheit sowie je eine Kompanie Jäger und Scharfschützen hinzu. Lübeck leistete zur Bekleidung dieser Truppen einen Beitrag in Form von Hemden, Schuhen und Män182
Das Militär der Freien und Hansestadt Lübeck 1623–1867
teln, während die Waffen aus britischen Beständen stammten. Die Lage der Bürgergarde blieb während des Frühjahrs 1814 prekär – sie befand sich offiziell unter dem Kommando des russischen Generals Tolstoj vor Hamburg und nahm hier an einigen erfolglosen Gefechten teil (20. Januar 1814 bei Harburg, 9. und 17. Februar 1814 bei Wilhelmsburg). Keiner fühlte sich jedoch in ökonomischer Hinsicht für das Korps zuständig. Mettlerkamps Garde verdankte ihr Bestehen allein der Initiative ihres Kommandeurs, der sie aus Hamburg gerettet hatte. Er konnte weder Sold zahlen, noch den benötigten Ersatz an allen wichtigen Ausrüstungsgegenständen besorgen. Die Konkurrenz zwischen Bürgergarde und Legion war beträchtlich und es entschädigte Mettlerkamp zumindest ein wenig für seine Mühen, dass es die Bürgergarde war, die am 31. Mai 1814 als erste hanseatische Truppe in das befreite Hamburg einmarschieren dufte. Die Bürgergarde trat in ihre alte Funktion zurück, der enttäuschte Mettlerkamp hingegen, dem man den ständigen Oberbefehl angetragen hatte, lehnte ab.
Q
Auszug aus dem Aufruf zum Beitritt zur Hanseatischen Legion, Lübeck, 29. März 1813
„(...) Eilet herbei, edle Jünglinge in Stadt und Gebiet! Nie ist ein schönerer Tag über Deutschlands heilige Gefilde aufgegangen. Eilet herbey, Söhne des Vaterlandes! zu der muthigen Schar derer, die zuerst für Heldenruhm und Freyheit entbrannten. Seht ihr das allgemeine Erwachen der Nation? Seht ihr die abgeworfenen Fesseln? Hört ihr den Flügelschlag Russischer und Preußischer Adler? Ihr seyd umgeben von Heldenlegionen. Eine Flamme beseelt alle. Freiheit und Vaterland ist das allgemeine Feldgeschrey. Deutsche Jünglinge! und ihr könntet zaudern? – Herbey, wem ein Herz im Busen schlägt, empfänglich der heiligsten Gefühle! (...)“ (LÜBECKISCHE VERORDNUNGEN 1813/14, No. 7 vom 29. März 1813)
Die Hanseatische Legion, 1813/1814 Während das „Korps der Hanseatischen Bürgergarde“im Wesentlichen eine hamburgische Einrichtung war, gab es unter der „Hanseatischen Legion“auch Kontingente der Schwesterstädte Lübeck 183
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und Bremen. Die nach der ersten Befreiung Lübecks und Hamburgs 1813 erlassenen Aufrufe zum Beitritt in die Legion zeigen, wie rasch man das patriotische Vokabular des Befreiungskrieges übernommen hatte. Innerhalb der „Legion“bildeten Lübecker und Hamburger eigene Bataillone. Da Bremen zum Zeitpunkt der Gründung der Legion noch von französischen Truppen besetzt war, gehörte erst seit 1814 auch ein bremisches Bataillon zur hanseatischen Truppe – jedoch nur als locker „angeschlossenes“Bataillon, sodass die „Legion“ im Wesentlichen eine Hamburger und Lübecker Angelegenheit blieb.
Freiwilliger Jäger der Jägerkompanie des 3. (Lübecker) Bataillons der Hanseatischen Legion (Zeichnung von R. Knötel) Typisch für diese in den Befreiungskriegen aufgestellten Jägerverbände ist der schlichte dunkelgrüne Waffenrock.
Organisation und Stärke der Hanseatischen Legion, 1813 Truppenteil Offiziere Mann 1. Infanterie-Bataillon (Hamburg) 5 Kp.* k. A. k. A. 2. Infanterie-Bataillon (Hamburg), 4 Kp. k. A. k. A. 3. Infanterie-Bataillon (Lübeck), 4 Kp., 1 Jägerkp. 2 75 Infanterie, gesamt 53 2.142 1. Kavallerie-„Bataillon“, mit 4 Schwadronen** 2. Kavallerie-„Bataillon“, mit 4 Schwadronen** 62 1.266 Kavallerie, gesamt Fußartillerie-Batterie (4 Geschütze, 2 Haubitzen) 2 148 Reitende Batterie (4 Geschütze, 2 Haubitzen) 2 146 *) und zwei „Scharfschützenzüge“**) je eine Lübecker Schwadron (Angaben nach VOIGLÄNDER, Tagebuch, S. 116)
Für 1814 liegen genauere Angaben über die Stärke der Legion vor: Organisation und Stärke der Hanseatischen Legion, 1814 Truppenteil Offiziere Mann 1. Infanterie-Bataillon (Hamburg), mit 5 Kompanien u. 1. Jägerkompanie 33 1.082 2. Infanterie-Bataillon (Lübeck), mit 4 Kompanien u. 1 Jägerkompanie 24 640 Infanterie, gesamt 57 1.722 (Fortsetzung der Tabelle auf der nächsten Seite)
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Das Militär der Freien und Hansestadt Lübeck 1623–1867
Truppenteil Offiziere Mann 2. Kavallerie-„Bataillon“(Hamburg u. Lübeck), mit 4 Schwadronen Lanciers u. 1 Schwadron „Kosaken“ 65 1.072 Kavallerie, gesamt Fußartillerie-Batterie (4 Geschütze, 2 Haubitzen) 6 172 Reitende Batterie (4 Geschütze, 2 Haubitzen) 6 118 Infanterie-Bataillon Bremen* 28 746 *) gehörte offiziell nicht zur Hanseatischen Legion (Angaben nach VOIGLÄNDER, Tagebuch, S. 117)
Am 6. Juli 1814 kehrten die Lübecker Legionäre endlich nach Hause zurück. Die 866 Mann passierten das Mühlentor unter dem Jubel der Bevölkerung und man hielt einen Dankgottesdienst in der Marienkirche ab, wo man die Feldzeichen des Lübecker Kontingents der Legion feierlich aufhängte. Für die Hansestadt waren damit die Schreckensjahre der napoleonischen Herrschaft auch symbolisch beendet.
Das Lübecker Kontingent für den Frankreichfeldzug von 1815 Im Zeitraum zwischen der Rückkehr und Demobilisierung der Hanseatischen Legion 1814 und der Regelung der militärischen Verhältnisse des Deutschen Bundes im Jahre 1821 musste Lübeck kurzfristig im Jahre 1815 noch einmal ein Militärkontingent für eine Operationsarmee gegen Frankreich aufstellen. Napoleon war aus seinem Exil auf Elba zurückgekehrt und suchte erneut die Auseinandersetzung mit den noch in Belgien und Nordfrankreich stehenden alliierten Truppen. Die Hansestädte Hamburg und Lübeck verständigten sich darüber, wieder eine gemeinsame Truppe aufzustellen. Aus den nicht aufgelösten Resten der Hanseatischen Legion standen im Frühjahr 1815 dafür zur Verfügung: eine Lübecker Kompanie „Füsiliere“ (128 Mann), ein Hamburger Infanteriebataillon (826 Mann), eine Hamburger Schwadron (92 Mann) und eine Hamburger Artilleriekompanie (66 Mann).
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Bremer freiwilliger Infanterist, 1815 (Zeichnung von R. Knötel) Der Soldat trägt die hanseatische Uniform, bestehend aus grünem Rock mit roten Abzeichen und weißer Hose.
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Die Umstände, unter denen das Lübecker Kontingent gebildet wurde, sind aufschlussreich. Während aus dem städtischen Gebiet genügend Freiwillige dem Aufruf der Stadt zum Beitritt ins Kontingent folgten, musste der aus den ländlichen Gebieten aufzubietende Rekrutenanteil zwangsverpflichtet werden. Doch selbst das half nichts: Am 25. November 1815 stellte eine Kommission fest, dass alle Verpflichteten bis auf einen Einzigen zu Hause geblieben waren. Für die Stellung von Ersatzleuten hatte die überwiegende Mehrheit kein Geld. Auch innerhalb der städtischen Kontingentssoldaten machten sich soziale Unterschiede bemerkbar. Während sich die Angehörigen der zwei zu stellenden Füsilierkompanien aus den aktiven Resten der Legion (128 Mann), aus Zwangsverpflichteten (97 Mann) und aus neuen Freiwilligen (233 Mann) zusammensetzten, die auf Kosten der Stadt ausgerüstet wurden, bestand die freiwillige Jägerkompanie (177 Mann) aus Angehörigen der wohlhabenderen Schichten, die sich selbst zu kleiden und zu bewaffnen hatten. Das Lübecker Frankreich-Kontingent, Frühjahr 1815 Truppenteil Offiziere Mann Bataillonsstab (Kommandeur: Maj v. Winterfeldt) 11* 12** 1. Füsilierkompanie (Kapitän v. Wickede) 5 197 2. Füsilierkompanie (Kapitän v. Donop) 5 197 Jägerkompanie (Kapitän Sattler) 5 162 *) einschl. Chirurgen, Schreiber, Bataillonstambour u. -hornist, Büchsenschmied u. Wagenmeister **) Trainsoldaten (Angaben nach VOIGTLÄNDER, Tagebuch, S. 118f.)
Am 12. Juni 1815 marschierte das Lübecker Kontingent aus der Stadt, um sich am 14. Juni mit dem Hamburger Bataillon zu vereinigen. So erreichte die Nachricht von der entscheidenden Niederlage Napoleons bei Waterloo am 18. Juni die Hanseaten mitten auf ihrem Marsch in die Niederlande. Das Kontingent konnte nicht mehr an Kampfhandlungen teilnehmen. Man setzte es stattdessen den Sommer über als Besatzungstruppe in Frankreich ein und ließ die Jäger schließlich im Oktober nach Lübeck zurückkehren, wo sie am 5. Dezember eintrafen. Am 28. Januar 1816 er186
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reichte auch das Füsilierkontingent die Heimat. Hier bildeten die Reste den Grundstein für das künftige Lübecker Kontingent zum deutschen Bundesheer.
Vom Bundeskontingent zur Militärkonvention mit Preußen, 1821–1867 Der Deutsche Bund und die Kriegsverfassung von 1821 In seinem Gründungsjahr 1815 sahen die deutschen Fürsten im Deutschen Bund vorrangig ein Instrument zur militärischen Abwehr französischer Expansionsversuche. Im Inneren jedoch entwickelte sich der Bund seit den Karlsbader Beschlüssen von 1819 zunehmend zu einem Kontrollorgan der erwachten nationalen, liberalen und demokratischen Bewegungen. Eine akute Bedrohung durch Frankreich galt rasch als unwahrscheinlich, weshalb sich die Organisation des Bundesheeres, einer durch alle Mitgliedsstaaten anteilig zu bildenden Armee, in die Länge zog. Erst 1821 erhielt der Bund mit der Kriegsverfassung einen festen Rahmen. In allen Mitgliedsstaaten sollte eine allgemeine Wehrpflicht eingeführt werden, was aber tatsächlich fast nirgendwo geschah. Die Lübecker Bürgerschaft hatte am 14. September 1821 die allgemeine Militärpflicht eingeführt, doch konnte man den Dienst durch Stellung eines Ersatzmannes umgehen –eine überall im Deutschen Bund gängige Praxis. Die Umsetzung der Kriegsverfassung zog sich in Lübeck bis zum Jahr 1834 hin.
Das Lübecker Bundeskontingent 1834–1841 Der militärische Beitrag Lübecks und seiner beiden hanseatischen Schwesterstädte nahm sich im Vergleich zu der vom Deutschen Bund für andere Mitglieder festgesetzten Kontingente bescheiden aus. Die Städte hatten für die 3. Brigade der 2. Division des X. Bundesarmeekorps insgesamt 1.578 Mann Infanterie, 83 Jäger, 313 Kavalleristen sowie 216 Artilleristen mit vier Geschützen zu stellen.
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Diese Zahlen wiederum hatten die drei Städte anteilig, gemessen an ihrem jeweiligen Bevölkerungsanteil, zu tragen. Das Ergebnis dieser Aufspaltung wären Kleinstkontingente gewesen, deren Unterhalt und innere Verwaltung jeweils einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursacht hätten. Die Hansestädte kooperierten jedoch, wie sie es bereits im Rahmen der Hanseatischen Legion gemacht hatten, und konnten somit ein gemeinsames Regiment zu zwei Bataillonen Infanterie, eine Kavallerieabteilung und eine Artilleriebatterie formieren. Zwischen 1834 und 1851 bestand darüber hinaus eine Militärkonvention mit dem Großherzogtum Oldenburg. Diese Vereinbarung sah eine weitgehende Zusammenarbeit bei der Ausbildung, Bewaffnung und Organisation der Kontingente vor, sodass die 3. Brigade der 2. Division als eine der bestgeführten Einheiten unter den Kontingenten der deutschen Klein- und Kleinststaaten galt.
Sappeur (Zimmermann) des hanseatischen Kontingents, um 1830 (Zeichnung von W. Schäfer, Landesbibliothek Kiel) Der Sappeur trägt einen grünen Rock mit roten Aufschlägen und Epauletten, graue Hosen, naturfarbene Lederhandschuhe und eine Lederschürze.
Die hanseatischen Truppenteile der 2. Division, 1834–41 Truppenteil (Herkunft) Garnison Infanteriebataillon Bremen-Lübeck: –1. und 2. Kompanie (Lübecker) Lübeck –3. und 4. Kompanie (Bremer) Bremen Infanteriebataillon Hamburg Hamburg (4 Kompanien) Hanseatische Kavallerieabteilung: –1. Eskadron (Hamburger) Hamburg –2. Eskadron (Bremer u. Lübecker) Bremen, Lübeck (Angaben nach GALPERIN, In Wehr und Waffen, S. 48–52)
Die Stärke der von Lübeck zu stellenden Kompanien betrug 330 Mann, zur 2. Eskadron steuerte die Stadt 61 Mann bei. Von diesen Dragonern, die auf dem Gut Israelsdorf nahe der Stadt stationiert waren, dienten etwa 15 Mann zugleich als „Landdragoner“. Das war eine Art berittene Polizei für das zu Lübeck gehörige Umland. An der Artillerie beteiligte sich Lübeck nicht, denn zusammen mit den Schwesterstädten hatte man mit dem Großherzogtum Oldenburg vereinbart, dass dessen Kontingent die gesamte Artillerie der 3. Brigade stellen sollte. Im Gegenzug wurden die Hansestädte dazu verpflichtet, anteilig mehr Kavallerie aufzustellen. 188
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Ergänzung, Stellvertretung und Kosten des Lübecker Kontingents Die Bundeskriegsverfassung erlaubte es, dass bis zu 5/6 der zu stellenden Mannschaften in Friedenszeiten beurlaubt wurden. Erste Überlegungen aus dem Jahre 1821 veranschlagten deshalb, nur etwa 180 Mann des Kontingents als „Garnison“ ständig zu unterhalten. Weil alle Kontingentssoldaten zukünftig ausschließlich unter der wehrpflichtigen Einwohnerschaft rekrutiert werden sollten, wurde ein Losverfahren eingeführt, um „Wehrgerechtigkeit“ zu erreichen: 1822 standen 1.932 Wehrpflichtige der Jahrgänge 1796–1801 dafür zur Verfügung. Alle Wehrpflichtigen wurden in Listen erfasst. Das Losverfahren bestimmte die wenigen, die wirklich dienen mussten, und selbst dann blieb einem Gelosten die Möglichkeit, einen Stellvertreter zu stellen. Auch die Einwohner des von Hamburg und Lübeck gemeinsam verwalteten Amtes Bergedorf fielen unter die Militärpflicht. Sie wurden ebenfalls durch Los ermittelt und dann zu gleichen Teilen den Kontingenten beider Hansestädte zugeteilt. Die Stellvertretung bot jedem bemittelten Lübecker die Möglichkeit, einen Ersatzmann an seiner Stelle dienen zu lassen. Das gewerbliche „Stellvertreterwesen“blühte deshalb in den Jahrzehnten nach 1821. In Lübeck ging man dabei so weit, einen „PrivatVerein zur Anschaffung von Stellvertretern“ zu gründen. Seine über 200 Mitglieder zahlten in einen Fond ein, der ihnen den Unterhalt eines Stellvertreters ermöglichte, sollten sie gelost werden. Nach 1844 half sogar das Militärdepartement bei der Suche nach Stellvertretern, weshalb sich der Verein auflöste. Das Militär war ein gewaltiger Kostenfaktor für Lübeck. Für die Garnison von 180 Mann veranschlagte die Stadt 1821 46.005 Mark an Sold und Verpflegung;dazu kamen 10.700 Mark für Bekleidung sowie kleinere Posten für Feuerholz, Licht, das Hospital, das Pulvermagazin und Pensionen, insgesamt 61.800 Mark (AHL 36-5 Militärdepartement, Nr. 12 Entwurf der Kosten für eine Garnison von 180 Mann, [1821]). Alles in allem betrug der Militäretat fast 1/7 der Staatsfinanzen.
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Reiter des hanseatischen Bundeskontingents (Zeichnung von W. Schäfer, Landesbibliothek Kiel) Die Uniform bestand aus einem grünen Rock mit karmesinroten Aufschlägen, grauen Hosen mit karmesinroten Biesen und silbernen Epauletten; dazu wurden ein schwarzer Bügelhelm mit silbergoldenen Beschlägen und ein silbernes Bandelier getragen.
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Verstärkung des Lübecker Militärs 1841 und 1848 Die ursprüngliche „Matrikel“, d. h. der Beitragsmaßstab zum Bundesheer, betrug 1 % der jeweiligen Bevölkerung eines Mitgliedsstaates. 1841 erhöhte man die Matrikel auf 1,5 %, sodass alle Staaten ihre Kontingente aufstocken mussten. Staaten, die ohnehin mehr Militär unterhielten als sie dem Bund stellen mussten – z. B. Preußen und Österreich – fiel das nicht schwer. Lübeck und viele andere Kleinstaaten unterhielten aber nur wegen der Bundesverpflichtung reguläre, besoldete Soldaten und mussten deshalb ihr Militär vergrößern. Im Falle der Hansestadt bedeutete dies die Errichtung einer dritten Infanteriekompanie. Auch der Beitrag zur gemeinsamen bremisch-lübeckischen (2.) Eskadron erhöhte sich von 61 auf 88 Mann. Bereits 1848 kam es im Zuge der kriegerischen Ereignisse gegen Dänemark zu einer erneuten Erhöhung der Matrikel auf 2 % der jeweiligen Bevölkerung. So musste Lübeck nun ein ganzes Bataillon zur 2. Division stellen, wurde aber von der Pflicht zur Stellung von Kavallerie befreit. Trotzdem behielt der Senat 14 Dragoner und einen Feldwebel der Landdragoner bis 1857 im Dienst.
Die Gründung des Militär-Departements 1834 Das Militär-Departement war seit 1834 die oberste Behörde für das Lübecker Bundeskontingent. Ihm gehörten zwei Senatsmitglieder sowie vier, seit 1843 sechs bürgerliche Deputierte an. Der Kommandeur der Garnison, der bisher stets in Lübecks oberster Militärverwaltungsbehörde einen Sitz innegehabt hatte, schied aus. Er unterstand seit 1834, dem Jahr des Abschlusses der Brigadekonvention, teilweise dem Brigadekommandeur in Oldenburg, was aus Sicht der Stadt als „unangemessen für das Mitglied einer städtischen Behörde galt“ (DAMMANN, Militärwesen, S. 211). Besondere Zuständigkeitsbereiche einzelner Mitglieder waren das jährliche Auslosungsverfahren, die Aufsicht über das Departementsbüro, die Kasse, das Magazin und das Militärhospital. Darüber hinaus entschied diese Behörde über Anstellungen und Beförderungen im Kontingent.
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Die soziale Situation des Garnisonssoldaten um 1830 Die Lebensbedingungen eines einfachen Lübecker Kontingentssoldaten waren verhältnismäßig einfach. Er erhielt um 1830 13 Mark und 8 Schilling Sold im Monat. Ein Sekondleutnant bekam 100 Mark, der Hauptmann sogar 175 Mark im Monat. Von dieser bescheidenen Summe wurde dem Soldaten noch Verpflegungs- und Quartiergeld abgezogen. Zwar durften sich die Soldaten durch Nebenverdienste – etwa „bei der Comödie“[= als Bühnenarbeiter, Anm. d. Verf.] oder bei „Leichenbegräbnissen“ etwas dazuverdienen, doch da sie alle drei Tage volle 24 Stunden auf Wache zu ziehen hatten, waren ihre Nebenverdienstmöglichkeiten beschränkt. Nach 10 Uhr abends (im Sommer) oder 9 Uhr abends (im Winter) durfte der Soldat sein Quartier nicht mehr verlassen, da man Schlägereien und Zusammenrottungen von Soldaten in Wirtshäusern vorbeugen wollte. Weil auch das Verpflegungs- und Quartiergeld knapp bemessen war, musste sich der einfache Soldat „dort einmiethen, wo man von ihm die geringste Miethe, das geringste Kostgeld fordert, gleichviel wo. Nur in den elendsten Wohnungen findet er sein unterkommen, (...) größtentheils nur bey der niedrigsten und verworfensten Menschen Classe“, wie es in einer zeitgenössischen Denkschrift hieß. Nur wenige Glückliche konnten bei Verwandten zu besseren Bedingungen unterkommen.
Das Bürgermilitär: Die Anfänge 1813/14 Während der Befreiungskriege von 1813–1815 hatten Freiwillige aus den Hansestädten in den Reihen des „Korps der Hanseatischen Bürgergarde“ und der Hanseatischen Legion ihren Beitrag zum Sieg über Napoleon geleistet. Beim Neuaufbau des Lübecker Militärs nach 1815 wollte man deshalb nicht auf das Element des Bürgermilitärs verzichten. Zum einen hatten viele Bürger freiwillig in der Legion gedient und damit ihre Bereitschaft zum Militärdienst unterstrichen, zum anderen erforderte das Selbstverständnis Lübecks als „Freie und Hansestadt“die Beteiligung der Bürger am bewaffneten Arm der Stadt. Bereits kurz nach der ersten Befreiung durch russische Truppen im Jahre 1813 hatten sich rasch einige Bürger bewaffnet und damit eine provisorische freiwillige „Bürgerwache“ ins Leben geru191
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Bürgergardist auf Wache, um 1825 (zeitgenössische Lithografie, Landesbibliothek Kiel)
fen;sie diente vor allem der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung – aus Sicht der Bürger war dies im Wesentlichen gleichbedeutend mit dem Schutz ihres Eigentums vor Plünderern, Deserteuren, aber auch vor den einquartierten alliierten Soldaten. Im April 1813 sollte die Wache schließlich in eine reguläre Bürgerbewaffnung in Stärke von zwei Bataillonen umgewandelt werden, zu der alle Einwohner im Alter zwischen 18 und 50 dienstverpflichtet waren. Zum ersten Kommandeur ernannte der russische General v. Tettenborn den Grafen Rantzau zu Schwartau. Wiederholte Aufrufe zum Beitritt in das Bürgermilitär bis Dezember 1813 zeigen allerdings, dass sich die Einwohner nur ungern zum Dienst meldeten. Im Januar 1814 übernahm ein Rittmeister der Hanseatischen Legion die Neuaufstellung der Bürgergarde, die als Kerneinheit bereits über eine 120 Mann zählende Jägerabteilung verfügte. Seit dem 21. September 1814 legte eine Verordnung den rechtlichen Rahmen für das Bürgermilitär fest. Dienstpflichtig waren laut § 5 alle Einwohner zwischen dem 18. und 50. Lebensjahr, ausgenommen waren nur Ratsmitglieder, Handelsagenten im Dienste fremder Staaten, Prediger, Lehrer, Ärzte, Apotheker, städtische Angestellte beim Zoll und Gerichtsdienst sowie körperlich Untaugliche.
Das Bürgermilitär: Organisation 1819–1848 Seit 1819 gliederte sich das Lübecker Bürgermilitär in die engere Bürgergarde der vier städtischen Bezirke und die Landwehr der Gebiete außerhalb der Stadt. Die Bürgergarde war in vier Bataillone und ein Musikkorps unterteilt. Die Bataillone zählten jeweils vier Kompanien und eine Reservekompanie, zwei Kompanien waren als Jäger formiert. Die fünf Bataillone der Landwehr zählten je nach Größe des Rekrutierungsbezirkes zwei bis drei Kompanien.
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Alle Bürgergardisten und Landwehrmitglieder wurden streng nach ihrem jeweiligen Wohnort – in der Stadt nach „Gassen“ – den Kompanien zugeteilt (für eine genaue Einteilung s. Verordnung vom 21. September 1814, Anhang bzw. vom 25. Februar 1815, § 4). Nur die beiden Jägerkompanien der Bürgergarde bestanden aus Einwohnern aller Stadtteile, die erste aus verdienten Freiwilligen der ersten provisorischen Bürgerwache von 1813, die zweite setzte sich aus Veteranen der Lübecker Jägerkompanie der Hanseatischen Legion zusammen. Stärken des aktiven Korps der Bürgergarde, 1830–1846 Jahr 1830 1831 1832 1833 1834 Stärke
713
754
773
777
798
1846 569
(Angaben nach DAMMANN, Militärwesen, S. 283)
Das Bürgermilitär 1848/49 Lediglich eine Episode in der Zeit der Revolution von 1848/49 waren die „Freiwillige Bürgerwehr“ und das „Freiwillige Schützencorps“. Beide Formationen entstanden im Herbst 1848 nachdem eine aufgebrachte Menge die Versammlung der Bürgerschaft 193
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gestürmt hatte. Auslöser für diesen Tumult war der Beschluss, die alte ständische Ordnung aufzulockern. Die Aufrührer, in ihrer Mehrzahl Handwerksgesellen, fürchteten um ihre Privilegien und forderten die sofortige Zurücknahme der neuen Ordnung. Während die Bürgerschaft in den Händen der Aufrührer war, hatte die verschreckte Bürgergarde kein Eingreifen gewagt – ihrer wichtigsten Aufgabe, der Sicherung der inneren Ordnung, kam das Bürgermilitär damit nicht nach. Um die Autorität wiederherzustellen und um Zeit für eine Reorganisation der Bürgergarde zu gewinnen, genehmigten Rat und Senat die Aufstellung einer freiwilligen Bürgerwehr. Diese zählte vier Kompanien – je eine für jedes Stadtquartier – und durfte ihre Offiziere selbst wählen. Sie wurde von der Bewaffnungskommission mit Gewehren ausgerüstet. Insgesamt traten etwa 200 Mann der freiwilligen Bürgerwehr und dem Schützenkorps bei.
Die Bewaffnungsdeputation Der militärische Oberbefehl über Bürgergarde und Landwehr lag beim Senat, der bei Mobilisierungen stets die Bürgerschaft zu benachrichtigen und mit dieser weitere Schritte zu besprechen hatte. In administrativer Hinsicht war seit 1814 die „Bewaffnungsdeputation“ für die Bürgergarde zuständig. Ihre Mitglieder, zwei Senatsmitglieder, vier Bürger (mit aktiver Dienstzeit in der Bürgergarde), der Bürgergarde-Oberst und ein halbjährlich wechselnder Major eines der Bataillone, hatten vielfältige Aufgaben. Zu ihnen zählten die Bataillonsinspektionen, das Ansetzen der Exerzierübungen, die Regelung des Wachtdienstes, die jährliche Kassenabrechnung sowie die Eintreibung der „Wachtgelder“, die diejenigen Bürger zu entrichten hatten, die nicht persönlich Wachtdienste leisteten.
Bundeskontingent und Bürgermilitär in den letzten Jahren 1851–66 1851 endete die Schleswig-Holsteinische Erhebung (1848–1851) und damit auch der erste militärische Einsatz des Lübecker Bundeskontingents. Bis auf polizeiliche Dienste des gemischten hanseatischen „Schweren Reiterregiments“, das 1849 während der Waf194
Das Militär der Freien und Hansestadt Lübeck 1623–1867
fenstillstandsperiode im Herzogtum Schleswig lag, war es nicht zu ernsten Einsätzen gekommen. Die anschließende Friedensperiode im Deutschen Bund war vom zunehmenden Konflikt zwischen der norddeutschen Hegemonialmacht Preußen und der traditionellen süddeutschen Vormacht Österreich gekennzeichnet. Wenn dieser Konflikt auch noch nicht offen ausgetragen wurde, so war doch eine allgemeine politische Unsicherheit, insbesondere in den kleinen deutschen Staaten, spürbar. Lübeck, die anderen Hansestädte und Oldenburg verlängerten deshalb die Brigadekonventionen in kürzeren Abständen (1851 und 1855), denn man wollte sich nicht langfristig aneinander binden. Es kam zu regelmäßigen Brigadeübungen und Besichtigungen durch beauftragte Generäle, so 1857 bei Damme in Oldenburg, 1858 in Nordstemmen und 1861 bei Lauerholz. In Preußen hatte Bismarck das Amt des preußischen Ministerpräsidenten übernommen und steuerte nun konsequent auf eine deutsche Einigung unter preußischer Führung zu. Diese „kleindeutsche Lösung“ stand in diametralem Gegensatz zu einer „großdeutschen Lösung“ unter österreichischer Führung. Der 1864 mit Dänemark ausgetragene Krieg, in dem Preußen eine Hauptrolle spielte, war nach den Plänen Bismarcks ein erster Baustein zu einer späteren preußischen Reichsgründung. Lübecker Truppen spielten keine Rolle in diesem Krieg, wurden aber mobilisiert, denn es handelte sich zunächst formal um eine „Bundesexekution“ gegen den Herzog von Holstein und Lauenburg und nicht um einen Krieg gegen den König von Dänemark. Das Jahr 1866 galt der zielgerichteten Ausschaltung des österreichischen Konkurrenten um die Vormacht in Deutschland. Nach verschiedenen Provokationen hatten Österreich und die meisten Bundesmitglieder dem Königreich Preußen den Krieg erklärt. Preußen zog mit einer bescheidenen Anzahl norddeutscher Verbündeter in den Krieg, zu denen seit dem 2. Juli 1866 auch das Lübecker Kontingent zählte. Es rückte am 18. Juli als Teil der „Mainarmee“unter General von Manteuffel nach Süden aus. Das Lübecker Bataillon operierte zwischen dem 18. Juli und dem 18. September erst bei Würzburg, dann in Hessen und kehrte über Gießen nach Lübeck zurück. In Kampfhandlungen waren die Lübecker nicht verwickelt –sie leisteten einen mehr symbolischen Beitrag für ihre Stadt. 195
Gefreiter des Lübecker Kontingentsbataillons, 1863–1867 (Zeichnung von R. Knötel) Ein dunkelgrüner Rock mit roten Vorstößen, graue Hosen, schwarzes Lederzeug, alles nach preußischem Muster, bildeten die letzte vom Lübecker Kontingent getragene Uniform.
Jan Schlürmann
Die Militärkonvention mit Preußen von 1867 Am 16. April 1867 schuf Preußen mit dem Norddeutschen Bund eine politische Einheit, die in vielem bereits dem Kaiserreich von 1871 entsprach. Österreich war zwar aus dem Rennen um die deutsche Einigung ausgeschieden, doch es war Bismarck noch nicht gelungen, auch die süddeutschen Mittelstaaten zu einer Einigung unter preußischer Führung zu bewegen. Preußen zielte auf die totale militärische Dominanz innerhalb des Norddeutschen Bundes und wünschte – ganz im Gegensatz zur Kriegsverfassung des Deutschen Bundes – eine Vereinheitlichung der norddeutschen Bundeskontingente. Ein Kleinstkontingent, wie es Lübeck zur „norddeutschen Armee“ beitrug, störte diese Pläne. Deshalb schloss Lübeck am 3. Mai 1867 mit Preußen eine Militärkonvention ab. Diese sah vor, dass Lübeck seine militärischen Verpflichtungen an Preußen abtrat. Ein nunmehr „preußisches“Infanteriebataillon, rekrutiert aus wehrtüchtigen Lübeckern und mit Garnison in Lübeck, ersetzte das eigenständige Lübecker Kontingent. Die Hansestadt hatte dafür allerdings finanzielle Beiträge zu leisten. Obwohl die Lübecker Soldaten nun organisatorisch zu „Preußen“geworden waren, behielten sie besondere Hoheitssymbole an ihren Kopfbedeckungen. Alle militärischen Anlagen in der Stadt zeigten auch weiterhin das Lübecker Wappen. In diesem Sinne hat es also eine wirkliche Auflösung des lübeckischen Militärs nicht gegeben – lediglich eine weitgehende Umwandlung zu einer unter preußischer Aufsicht und Organisation stehenden Truppe.
Das Ende des Bürgermilitärs 1851–1867 Während der unruhigen Revolutionszeit von 1848/49 hatte sich durch die freiwillige Bürgergarde noch einmal bürgerliches Militär als innerer Ordnungsfaktor etabliert. Die nachfolgenden Jahre führten allerdings zu einem raschen Abklingen der zivilen Wehrbegeisterung. Die politischen, aber auch die militärtechnischen Entwicklungen in Europa und der Welt führten zur allgemeinen Ansicht, dass zahlenmäßig so geringe Bürgermilizen wie die Lübecks keinen militärischen Wert mehr besäßen. Durch die einsetzende innere Einigung Norddeutschlands unter preußischer Füh196
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rung wurde zudem ein direkter militärischer Angriff auf Lübeck, das seit 1867 von „Freunden“ umgeben war, mehr als unwahrscheinlich. So diskutierte man in Lübeck seit den Fünfzigerjahren vermehrt darüber, ob die Einrichtung des Bürgermilitärs überhaupt noch zeitgemäß sei. Kritiker derjenigen Stimmen, die seine rasche Abschaffung forderten, wiesen darauf hin, dass die Teilnahme der Bürger am Wehrwesen ihrer Gemeinde ein konstitutiver Bestandteil des lübeckischen Selbstverständnisses als souveräner Staat sei. Sei ein Staat auch noch so klein, nichts demonstriere die Eigenständigkeit und politische Handlungsfähigkeit so sehr, wie eigenes, von den Staatsbürgern gestelltes Militär. Seit dem Mittelalter konnte Lübeck auf ein geordnetes bürgerliches Militärwesen zurückblicken und so fiel es nicht leicht, diese Institution abzuschaffen, auch wenn sich dessen Funktion als inneres und äußeres Sicherheitsorgan längst überlebt hatte. Erst 1867, im Jahr der preußischen Militärkonvention, wurde es aufgelöst.
Uniformierung, Feldzeichen und Bewaffnung Uniformen des Stadtmilitärs 1750–1811 Gesicherte Erkenntnisse über eine gleichförmige Bekleidung des Lübecker Militärs existieren erst aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Die bevorzugte Uniformfarbe war demnach das auch in den anderen beiden Hansestädten beliebte Rot. Dazu entschied man sich einvernehmlich für weiße „Abzeichen“, also Rockinnenfutter, Ärmelaufschläge, Kragen und Knopfrabatten. Grenadiere trugen eine Grenadiermütze mit gelbmetallenem Schild. Die Musketiere trugen den überall in Europa üblichen schwarzen Dreispitz. Mit wenigen Veränderungen im Schnitt überlebte diese Uniform der Lübecker Infanteristen bis zu deren Auflösung im Jahre 1811. Abweichend davon ist für die Artillerie des Lübecker Stadtmilitärs eine sehr schlichte dunkelgrüne Uniform ohne Abzeichenfarben überliefert;dazu trug man weiße Hosen, schwarze Gamaschen und einen schwarzen Hut, der um 1800 die Form eines Zweispitzes hatte. Oberkonstabler trugen eine den Grenadieren ähnliche 197
Entwurfszeichnung für das Mützenschild einer Lübecker Grenadiermütze, um 1750 (AHL 36-1 Kriegskommissariat, Nr. 48, 9 Neuanschaffungen von Grenadiermützen, 1750–60)
Jan Schlürmann
Mütze mit Messingplatte und grünem Stoff, die allerdings niedriger als das Grenadiermodell ausfiel. Dazu eine Lederschürze, Gewehr und Beil. Die Mützenschilder der Grenadiere und Konstabler sowie die Patronentaschen aller Soldaten zierte stets der doppelköpfige Adler mit dem gespaltenen Schild auf der Brust.
Die Uniformen der Hanseatischen Legion 1813–1815
Grenadier u. Oberkonstabler (Artillerieunteroffizier) des lübeckischen Stadtmilitärs, um 1806 (Zeichnung von R. Knötel)
Entsprechend der bunten Zusammensetzung der Legion waren ihre Uniformen sehr verschieden. Die zahlreichen Uniformen, die ausschließlich von hamburgischen Legionsangehörigen getragen wurden, sollen an dieser Stelle keine Berücksichtigung finden. Die Uniform der lübeckischen Legionsinfanteristen wurde nach 1815 unverändert von den Kontingentssoldaten weiter getragen. Die Fußartilleristen trugen eine der Infanterie ähnliche Uniform, die allerdings anstelle der roten Abzeichen solche in Blau zeigte. Die freiwilligen Jäger der Hansestadt trugen dunkelgrüne Röcke, und einfache Feldmützen aus Tuch.
Die Uniformen des Bundeskontingents 1815–1867 Das Kontingentsmilitär der Hansestädte übernahm zum großen Teil die Uniformen der Hanseatischen Legion. Im Gegensatz zum Bürgermilitär war die Grundfarbe der Röcke des Kontingents deshalb Dunkelgrün. Dabei unterschieden sich die Uniformen der drei Hansestädte, die zusammen mit Oldenburg einen Brigadeverband bildeten, nur im Detail. Alle Infanteristen des Kontingents trugen um 1830 dunkelgrüne Kolletts, also die eng geschnittenen, frackartigen Röcke, die überall in Europa in Mode waren. Kragen, Ärmelaufschläge, Vorstöße, Schoßumschläge und Schulterklappen waren rot, der Rock hatte eine Doppelreihe goldener Knöpfe. Im Winter trugen die Infanteristen graue Hosen mit einer roten Biese, im Sommer einfache weiße Hosen. Das Lederzeug war schwarz (bei den Hamburgern weiß), dazu trugen die Kontingentssoldaten den üblichen Tschako mit gelbem Beschlag, weißem Behang und der hanseatischen Kokarde. Zu unterscheiden waren die Lübecker von den übrigen hanseatischen Soldaten durch den Tschakobeschlag: den doppelköpfigen Adler mit aufgelegtem geteiltem 198
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Brustschild. Die lübeckischen Kavalleristen, die im gemeinsamen Reiterregiment dienten, trugen ebenfalls dunkelgrüne Kolletts, die jedoch karmesinrote Abzeichen zeigten. Die Reiteruniformen hatten darüber hinaus silber-karmesinrote Epauletten. Als Kopfbedeckung diente ein schwarzer Bügelhelm mit schwarzer „Raupe“ und silber-goldenen Beschlägen. Diese „Biedermeier“Uniformen trugen die Kontingentssoldaten mit nur geringen Veränderungen bis in die Vierzigerjahre hinein. Dann griffen auch in Lübeck Überlegungen zur Verbesserung der Uniformen hinsichtlich ihres Tragekomforts. Das Ergebnis war die Einführung des um den vorderen Beckenbereich geschlossenen, einreihigen „Waffenrocks“. Die ebenso heiß diskutierte Frage nach einer neuen Kopfbedeckung entschied sich 1846 zugunsten des Helmes nach preußischem Muster. An den bereits 1830 gültigen Farben von Rock, Aufschlägen und Hosen änderte sich bei Infanteristen und Reitern nichts. Kurzzeitige Veränderungen der hoheitlichen Symbolik an den Kontingentsuniformen brachte der 20. März 1848. Zwei Tage nach Ausbruch der Revolution in Berlin verfügte eine Lübecker Bekanntmachung: „Durch Beschluß der deutschen Bundesversammlung sind die Farben des ehemaligen deutschen Reichspaniers –schwarz, roth, gold –zu Farben des deutschen Bundes erklärt“, und weiter: „Es ist die Verfügung ergangen, unser Bundescontingent mit der deutschen Cocarde zu versehen, auch für die Bürgergarde gleichmäßige Einleitung getroffen.“Damit hatten sich die bewaffneten Kräfte der Freien und Hansestadt Lübeck zumindest äußerlich den kurzlebigen deutschen Verfassungs- und Einheitsbestrebungen angeschlossen. Erst am 14. Dezember 1855, lange nachdem andere deutsche Staaten dies taten, legten auch die Lübecker die nun obsolet gewordenen deutschen Kokarden wieder ab. Obwohl man Lübeck während der Schleswig-Holsteinischen Erhebung 1848–1851 mehr als einmal Desinteresse an der „deutschen Sache“ vorgeworfen hatte, waren es doch gerade die Hanseaten, die zumindest symbolisch am längsten an „Deutschland“ festhielten.
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Helm Modell 1845 für Offiziere der Lübecker Bundeskontingentsinfanterie (Landesbibliothek Kiel)
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Die Uniformen der Bürgergarde 1814–1867
Jäger der 2. Jägerkompanie des Lübecker Bürgermilitärs, 1831 (Zeichnung von R. Knötel)
Eine erste Reglementierung der Bürgergardeuniform enthielt bereits die „Verordnung über die Bewaffnungs-Einrichtung“von 1814. Für einfache Gardisten waren eine Schirmmütze mit Kokarde (rotes Kreuz auf weißem Grund) sowie ein dunkelblauer Rock mit roten Schulterklappen und goldenen Knöpfen vorgeschrieben. Besondere Abzeichen für Unteroffiziere, Musiker und Auditeure sollten später festgelegt werden. Die Angehörigen der Jägerkompanien behielten die Uniform der Hanseatischen Legionsjäger. Um 1830 führte man dann für die 1. Jägerkompanie ein dunkelgrünes einreihiges Kollett mit grünen, rot vorgestoßenen Abzeichen und grauen Hosen ein. Die 2. Jägerkompanie, die in der Tradition der Hanseatischen Legionsjäger stand, behielt ihre alte Uniform mit doppelreihigem Rock und hoher dunkelgrüner Stoffmütze. Für die Landwehr gab es noch keine einheitlichen Regelungen. Dass der Dienst in Uniform nun als besondere patriotische Pflicht angesehen wurde, zeigt ein Dekret vom 26. Oktober 1814, das künftig die Leistung des Bürgereides nur in vorgeschriebener Uniform erlaubte. Erst 1829 regelte eine Verordnung endgültig die Uniformierung der Bürgerkompanien. Diese bestätigte die 1814 provisorisch eingeführte dunkelblaue Uniform mit roten Abzeichen, schrieb aber anstelle der Schirmmütze schwarze Ledertschakos vor. Die Uniform der Musiker und Spielleute der Bürgergarde erhielt die „Schwalbennester“, die auch die Militärmusiker anderer deutscher Staaten schmückten, den „Sappeuren“– Pionieren mit Elitestatus – verpasste man nach französischem Vorbild hohe Pelzmützen, Lederschürzen und Äxte als besondere Abzeichen. Das „freiwillige Schützenkorps“ von April 1848 hingegen trug improvisierte Uniformen, die nichts mehr vom biedermeierlichen Aussehen der Bürgergarde hatten. Ganz der revolutionären Mode der Zeit entsprechend trug der Schütze einen schlichten schwarzen Waffenrock und eine schwarze Schirmmütze.
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Handfeuerwaffen Die Bewaffnung der Infanterie folgte dem allgemein üblichen Bild der größeren Heere. Um 1680 waren die Piken weitgehend verschwunden und die Gewehre mit Feuersteinschlössern ausgerüstet. In der Folgezeit bis zu den Wirren der napoleonischen Kriege änderte sich an dieser Waffentechnik wenig und da man in der Hansestadt Lübeck wenig Lust zu kostspieligen Neuanschaffungen verspürte, blieben die Musketen und die üblichen Seitenwaffen über fast ein Jahrhundert im Gebrauch. Nach der Auflösung des Militärs durch die Franzosen verfügte Lübeck zunächst nicht über Waffenbestände. Für die Bewaffnung der „Hanseatischen Legion“ sorgten die Briten, die in großen Stückzahlen das sogenannte Infanteriegewehr 1813 „India Pattern“bei den Hanseaten einführten, eine Waffe, die – wie der Name andeutet – auch im Kolonialdienst in Indien verwendet wurde. Diese und andere von den Briten übergebene Waffen wie Pistolen, Bajonette und Seitenwaffen blieben über Jahrzehnte hinaus im Dienst der hanseatischen Kontingente im Bundesheer. 1840 änderte („aptierte“) man lediglich die alten Steinschlösser in solche mit Perkussionszündung um. Entscheidende Veränderungen der Waffentechnik stellten dann die Infanteriegewehre 1843/48 und 1843/48/54 (Dorngewehr bzw. Expansionssystem mit Minié-Geschossen) und das Infanteriegewehr 1861 (= preußisches Zündnadelgewehr M/1841) dar. Für die Bewaffnung der Bürgergarde standen 1813/14 nur wenige Gewehre zur Verfügung, sodass die Verordnung von 1814 als alternative Bewaffnung wieder „Piken“ vorschlug. Bei der Landwehr scheint der Mangel an Feuerwaffen besonders groß gewesen zu sein, denn die „Verordnung (...) über die Landwehr“vom 25. Februar 1815, §16 besagt: „Die Waffen sind vor der Hand: Lanzen oder Piken.“ Bis 1846 hatte sich an dieser Situation wenig geändert, denn das Arsenal der Landwehr zählte 2.247 „Lanzen“gegenüber nur 199 „Gewehren“. Es war üblich, dass bei Einführung modernerer Gewehre beim Bundeskontingent die nun veralteten Modelle an das Bürgermilitär abgegeben wurden.
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Zündnadelgewehr Modell 1841 (Landesbibliothek Kiel)
Jan Schlürmann
Die Handfeuerwaffen im Lübecker Militär 1813–1867 Typ/Name Bemerkungen zur Verwendung Infanteriegewehr 1813 („India Pattern“) Infanteriegewehr 1813/40 (wie eben mit Perkussion) Infanteriegewehr M 1843/48 Infanteriegewehr M 1843/48/54 Infanteriegewehr 1861 Jägerbüchse 1813 Jägerbüchse 1815 Kavalleriekarabiner 1813
(Angaben nach GALPERIN, In Wehr und Waffen, S. 162–245)
Feldzeichen 1734–1810 Die beiden vorherrschenden Elemente der militärischen Symbolik in Lübeck waren das Stadtwappen und die darin vorkommenden, in Truppenfahnen und Seeflaggen wieder aufgenommenen Farben Rot und Weiß. Das Stadtwappen zeigt einen schwarzen doppelköpfigen (Reichs-)Adler auf Gold, dem ein silber-rot geteilter Schild auf die Brust gelegt ist. Rot und Silber (meist als Weiß wiedergegeben) gelten gemeinhin als die „Hansefarben“und tatsächlich zeigen viele ehemalige Hansestädte beide im Wappen (Hamburg, Bremen, Danzig, Königsberg);es handelt sich jedoch um alte Reichsfarben, die z. B. auf der „Reichssturmfahne“ (weißes Kreuz auf Rot) zu sehen waren – hier wandelte sich also ein Teil der Reichssymbolik zur „hanseatischen“Symbolik. Aus dem Jahr 1734 ist eine Rechnung über Materialien zur Anfertigung einer Leibfahne und einer Kompaniefahne für das Lübecker Stadtmilitär erhalten. Demnach war die Leibfahne, wie überall in Europa üblich, weiß und mit goldenen Fransen verziert. Sie 202
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zeigte mutmaßlich in der Mitte den Adler mit rot-weißem Schild. Die Kompaniefahnen waren einfache rot-weiß geteilte Tücher. Lübecker Bürgergarde, 1831 (Zeichnung von R. Knötel) Dunkelblaue Kolletts mit roten Abzeichen und weißen Hosen, Knöpfe und Tschakobeschläge sind in Gold. Neben einem Offizier (Bildmitte) und einem Gardisten im grauen Mantel (links) sind zwei „Sappeure“, davon ein Sappeurunteroffizier (ganz rechts) mit Grenadierpelzmützen, Lederschürzen und Beilen zu sehen.
Feldzeichen 1813–1867 Die Feldzeichen der Hanseatischen Legion vereinigten die Wappen der drei Hansestädte auf weißen Tüchern. Aus dem Jahr 1886 liegen Beschreibungen von drei Bataillonsfahnen und vier Kavalleriestandarten vor. Neben den Wappen findet sich dort das Hanseatenkreuz als gemeinsames Abzeichen und die Devisen „Gott mit uns“, „Freiheit und Vaterland“ oder „Eher den Tod als die 203
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Knechtschaft“. Nach Auflösung der Legion wurden die Feldzeichen, unter denen auch Lübecker gedient hatten, in der Hamburger Michaeliskirche aufgehängt. Die Feldzeichen der hanseatischen Bundeskontingente hielten jedoch auch nach 1815 an der in der Legionszeit herausgebildeten Symbolik fest, da ja auch weiterhin gemeinsame „hanseatische“Truppenteile gebildet wurden. links: das kombinierte hanseatische Wappen des Amtes Bergedorf, das von Hamburg und Lübeck im sechsjährigen Wechsel verwaltet wurde (Mittheilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte 13 (1890), Nr. 10, S. 122)
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Report "Nordelbische Militärgeschichte, Das Militär der Freien und Hansestadt Lübeck 1623–1867, S. 165-204 (Sample Article) "