Nicolaus Copernicus Grab im Dom zu Frauenburg gefunden und die sterblichen Überreste identifiziert? Wissenschaftliche Forschungen oder Fälschungen? Bester Bernhard! Deine Ehren [hat] mich nun gebeten, auch mein Urteil [über das Werk] kundzutun. Das hätte ich bestimmt umso lieber getan, je ehrlicher und wahrheitsgemäß es auch von mir hätte empfohlen werden können, über das hinaus, nur den bemühten Versuch dieses Mannes zu loben, gemäß dem Hinweis des Aristoteles: Man soll nicht nur denen, die wohl gesprochen haben, in philosophischen Dingen Dank sagen, sondern auch denen, die nicht richtig geredet haben, da doch Feststellen von Abwegigem oft denen keinen kleinen Beitrag leistet, die dem rechten Weg folgen wollen. […] Da mir nun aber wohl klar ist, dass jemanden zu beißen und zu peinigen etwas anderes ist, als einen Irrenden durch Zucht wieder auf den rechten Weg zu rufen, […] so finde ich keinen Grund, warum ich Deinem Begehr nicht nachkommen müsste. […] Um nun also nicht den Eindruck zu erwecken, ich tadelte hier leichtfertig einen Mann, so will ich versuchen, möglichst klar aufzuzeigen, worin er sich […] geirrt hat […] und warum seine Lehre nicht passt, womit vielleicht auch zum bestimmten Begreifen dieses Sachverhalts ein nicht unwesentlicher Beitrag geliefert wäre. Aus dem Briefe des Nicolaus Copernicus an Bernhard Wapowski (Epistola Copernici contra Wernerum) Frauenburg, den 3. Juni 1524 Die Veröffentlichung folgender Überlegungen wurde gewissermaßen notwendig durch die Einführung zweifelhafter Untersuchungsergebnisse in den wissenschaftlichen Kreislauf, ohne jegliche Analyse, durch das von Prof. Dr. Jerzy Gąssowski geleitete Team vom Institut für Anthropologie und Archäologie der Humanistischen-Aleksander-Gieysztor-Akademie in Pułtusk. Zu Beginn der Suche nach dem Grab des Copernicus im Frühjahr 2004, überzeugte der Präpositus des Doms zu Frauenburg (Frombork), Herr Bischof Dr. Jacek Jezierski, Prof. Gąssowski von der Hypothese des Allensteiner Historikers Dr. Jerzy Sikorski, den Bestattungsort des Astronomen am Altar des hl.Wenzeslaus (später des Heiligen Kreuzes) als gesichert anzusehen. Ein Forschungsprogramm J. Gąssowski sah die Durchführung der Ausgrabungen in der Nähe des Altars und die Bergung der Gebeine, der im Alter von etwa 70 Jahren gestorbenen Personen mit erhaltenem Gesichtsschädel, vor. Dann sollte, nach einer Untersuchung des Anthropologen, Prof. Dr. Karol Piasecki, von der Stettiner Universität, der Spezialist des Zentrallabors für Kriminalistik des Hauptpräsidiums der Polizei in Warschau, Dariusz Zajdel, das Aussehen des Schädels rekonstruieren. Prof. Gąssowski nahm an, dass eine Identifizierung möglich sei, da einige realistische Bildnisse des Copernicus erhalten geblieben seien. Im Laufe der Ausgrabungen wurden am 24. August 2005 aus dem Grab Nr. 13/05 Knochen und ein beschädigter Schädel geborgen, die für Gebeine des Astronomen gehalten wurden. Die angefertigte Gesichtsrekonstruktion zeigte angeblich eine Ähnlichkeit mit seinem Portrait. Man verkündete also bereits am 3. November 2005 feierlich im Dom zu Frauenburg vor dem Hauptaltar die sensationelle Mitteilung vom Auffinden des Grabes von Nicolaus Copernicus. Um die Entdeckung endgültig zu bestätigen, bestimmten Prof. Dr. Wiesław Bogdanowicz und Dr. Marta Gajewska vom Museum und dem Institut für Zoologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau, sowie die Herren Dr. Wojciech 1
Branicki und Dr. Tomasz Kupiec aus dem Labor für Gerichtsgenetik des Institutes für Gerichtsexpertisen in Krakau, den mitochondrialen DNA-Code (mtDNA) der geborgenen Gebeine. Er sollte zu einem Vergleich mit dem genetischen Code der mütterlichen Linie der Verwandten des Copernicus, in erster Linie mit dem Code des im Dom bestatteten Lukas Watzenrode, dienen. Doch die Suche nach der Bischofskrypta misslang. In ähnlicher Weise hatte der Versuch des Teams von Prof. Dr. Krzysztof Mikulski, Verwandte des Astronomen zu finden, keinen Erfolg. Das Problem wurde, nach J. Gąssowski, gelöst und der Erfolg in Uppsala besiegelt. Zuerst wurde versucht, auf Anregung von Prof. Dr. Göran Henriksson von der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Uppsala, den DNA-Code des Copernicus aus einer Kopie seines Briefes an Bernhard Wapowski zu gewinnen, doch entdeckte man später „Copernicus Haare“ in dem Buch von Johann Stöffler, das der Astronom viele Jahre lang benutzt hatte. Mitte August 2008 machte Prof. Dr. Marie Allen, Leiterin des Rudbeck-Labors der Fakultät für Genetik und Pathologie der Universität Uppsala, bekannt, dass zwei der gefundenen Haare einen DNA-Code haben, der mit dem, der früher aus den Copernicus zugeschriebenen Gebeinen gewonnen wurde, identisch sei. Im Juli 2009 erschien in der amerikanischen Wissenschaftlichen Zeitschrift „Proceedings of the National Academy of Science“ ein, den oben genannten Untersuchungen, gewidmeter Artikel. Die Ergebnisse wurden von Prof. Dr. Owen Gingerich, einem hervorragenden Copernicus Kenner, anerkannt. Damit wurde, nach Meinung von J. Gąssowski und seinen Mitarbeitern, das wesentliche Ziel der Forschung erreicht.1 Die Ergebnisse dieser umstrittenen und in Frage gestellten Untersuchungen wurden von einigen Historikern der Nicolaus-Copernicus-Universität Thorn (Toruń), vor allem von dem, an den Arbeiten der Gruppe Gąssowski teilnehmenden, Krzysztof Mikulski akzeptiert. Mit der ganzen Autorität seiner Stellungen, er hatte von 2003 bis 2012 die Funktion des Vorsitzenden der Polnischen Historischen Gesellschaft inne, informierte er damals die Öffentlichkeit über seine „über 90 Prozent“ Überzeugung, dass die Gebeine des Copernicus entdeckt worden seien. Auf die skeptischen Bedenken der Anthropologen, die das Alter des Verstorbenen auf Grund der Abnutzung des Gebisses auf kaum 50 Jahre bezifferten, antwortete Prof. K. Mikulski spöttisch, dass der „ Astronom ganz einfach gesunde [gepflegte] Zähne gehabt haben muss.“ Auch die Anzahl der „Copernicus Haare“ wurde von ihm um ein vielfaches vergrößert, „gefunden“ in: „ einer wichtigen Handschrift aus Uppsala, die der Astronom sicher benutzt hat. Dieses Handbuch soll die Grundlage seiner astronomischen Kenntnisse gewesen sein.“ Wir fragen, ob Prof. K. Mikulski je in Uppsala gewesen ist und ob er die „Copernicus Haare“ selbst gefunden und kritisch analysiert hat? Dazu seine Äußerung „diese Beweise reichen“ reicht eben nicht, zumal das angeblich von Copernicus benutzte Handbuch (Manuskript) der Forschung nicht bekannt ist. 2 Ganz ähnlich hat Prof. Dr. Janusz Małłek von der Nicolaus-Copernicus-Universität Thorn (Toruń) und Mitglied der Polnischen Akademie der Gelehrsamkeit anerkannt, dass das Finden des Copernicus Grabes und Identifizierung seines Gebeines ein sensationelles wissenschaftliches Ereignis darstellt.3 Wir fragen, ob J. Małłek die „Copernicus Haare“, die als Grundlage zur Identifizierung von Copernicus Gebeine bedient haben, selber gesehen hat und auf Grund welcher wissenschaftlichen Kriterien er ihre Existenz bestätigen kann? Diese Haare wären jedoch zur Anerkennung der fragwürdigen Entdeckung durch weitere und 1
J. Gąssowski, Badania w archikatedrze fromborskiej, S. 20-23, 25-26; idem, Badania nad odkryciem i identyfikacją grobu, S. 12-13, 19-20. 2 Siehe die Auflistung der an dem Forschungsprojekt beteiligten Personen, Badania nad identyfikacją grobu Kopernika, S. 238-239; Aussage K. Mikulski, Te dowody wystarczą (Diese Beweise reichen), vom 2. Februar 2010 in der „Express Bydgoski“, aktualisiert den 16. Dezember 2013 (http:// express. bydgoski.pl/161109, Tedowody-wystarcza.html). 3 J. Małłek, Słowo wstępne (Vorwort), in: K. Górski, Mikołaj Kopernik. Środowisko społeczne i samotność, 2 Ausgabe, Toruń 2012, s. 20.
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ergänzende Forschungen unbedingt notwendig. Ausserdem stellt sich die Frage, ob J. Małłek, nach dem er die Haare unbekannter Herkunft als eine historische Quelle anerkannt hat, die für einen Historiker obligatorisch geltende äusserliche und innerliche Kritik der „neuen Quelle“ durchgeführt hat? Die Anerkennung der nicht belegbaren Ergebnisse des Teams um Gąssowski wurde sogar bestätigt durch die Anwesenheit, der zur Rektorenkonferenz der Polnischen Universitäten in Thorn weilenden, Rektoren bei speziellen Feierlichkeiten am 19. Februar 2010 in der Kathedrale des hl. Johannes des Täufers und des hl. Johannes des Evangelisten, wobei die tiefen Töne der Glocke „Tuba Dei“ ertönten. Es soll hinzugefügt werden, dass die ganze Angelegenheit an eine große Glocke gehängt wurde, durch Presseinterviews, öffentliche Bekanntmachung der Ergebnisse, Filmpräsentationen, sowie kirchliche und laizistische Bestattungszeremonien unter Teilnahme kirchlicher Würdenträger, Vertreter der Behörden, Universitäts- und Hochschulprofessoren, Lehrer, Studenten und Schüler, sowie des versammelten Publikums.4 Ein Leser, der die, aus der Vergangenheit bekannten, Tatsachen penibel analysierte, konnte sich über eine solche Form der Bekanntgabe unsicherer Ergebnisse nur wundern, und die Art und Weise, wie auf Kritik reagiert wurde, vertiefte nur die Zweifel und legte einen Verdacht nahe, der die Fundiertheit dieser wissenschaftlichen Forschungen betraf. Ernsthafte Einwände wurden bereits am 14. März 2007 bei der Präsentation der Forschungsergebnisse von J. Gąssowski zuerst durch Lidia Smentek und dann durch Tomasz Kozłowski erhoben.5 Ein gleich negatives Urteil publizierte Michał Kokowski, in dem er dem Forschungsteam viele Fehler und Verstöße vorwarf.6 Eine vernichtende Kritik, die die veröffentlichten Ergebnisse völlig in Frage stellte, kam von Arkadiusz Sołtysiak und Tomasz Kozłowski.7 Einer gründlichen und allseitigen Analyse wurde die Nachlese des Forschungsschaffens des Teams von Gąssowski im Februar 2010 von den Teilnehmern der Konferenz in Krakau unterzogen.8 Aber J. Gąssowski und K. Piasecki wiesen die hervorgehobenen Einwände zurück, indem sie ihnen meritorisches Wissen absprachen. Angesichts der Tatsache, dass die Grundlage der Suchaktion Thesen und Ausführungen J. Sikorskis bildeten, soll die Gesamtheit der damit verbundenen Fragen von einem Historiker geprüft werden. Die Person Copernicus und seine Tätigkeit haben seit vielen Generationen eine grosse Schar von Lesern interessiert. So ist, neben wissenschaftlichen Arbeiten, eine ansehnliche Zahl von populären Veröffentlichungen und Aussagen entstanden, in denen die Verfasser ausser Wahrheiten auch Halbwahrheiten, manchmal sogar Unwahrheiten über das Leben des Copernicus darstellten und ein Bild seiner Persönlichkeit oder seines Vorgehens nach eigener Fantasie skizzierten. Diese Art Literatur darf jedoch nicht die Grundlage für wissenschaftliche Forschungen bilden, da sie keine angemessene Dokumentation enthalten, die eine Überprüfung der subjektiv und selektiv veröffentlichen Inhalte ermöglichen würde. Das Benutzen solcher Abhandlungen, das Buch von Sikorski über Copernicus privates Leben gehört dazu,9 ist nicht zulässig, insbesondere nicht von Personen, die nicht die entsprechende Fachkompetenz eines Historikers haben. Ein ähnlich buntes Allerlei wissenschaftlicher und populärer Veröffentlichungen kommt in einem Teil der Arbeiten des Prof. Dr. Michał 4
Siehe eine reich illustrierte Beschreibung jener echt barocken „pompa funebris“ von Thorn (Toruń) nach Allenstein (Olsztyn) und durch Guttstadt (Dobre Miasto) und Heilsberg (Lidzbark Warmiński) nach Frauenburg (Frombork), J. Sikorski, Pochówek szczątków Mikołaja Kopernika, Kalendarz Olsztyna, 13:2011 (gedr. Olsztyn 2010), S. 160-176. Vgl. auch J. Gawłowicz, A. Pozarzycki, Światłocienie Kopernika, Szczecin 2013, S. 53-71. 5 L. Smentek, Kopernik w labiryncie światła (Copernicus im Labyrinth der Welt), Urania. Postępy Astronomii, 3/2010, S. 107-111; T. Kozłowski, Przedwczesny pogrzeb, Głos Uczelni, (Toruń) Marzec 2009, später vertieft in: idem, Refleksje antropologa, S. 53-71. 6 M. Kokowski, Poszukiwania grobu Kopernika, S. 121-151. 7 A. Sołtysiak, T. Kozłowski, Komentarz do identyfikacji cranium, S. 281-290. 8 Tajemnica grobu Mikołaja Kopernika, passim. 9 J. Sikorski, Prywatne życie Mikołaja Kopernika, IV. Aufl. Olsztyn 2011.
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Kokowskis, die historische Fragen betreffen, vor. In den folgenden Bemerkungen wird nur Bezug auf ausgewählte Arbeiten genommen, deren Inhalte auf relevante Art und Weise mit den veröffentlichten Suchergebnissen nach den mutmaßlichen Gebeinen des Nicolaus Copernicus verbunden sind. Das Kanonikat – der Altar – das Grab Der tägliche Gottesdienst im Dom zu Frauenburg wurde von Anfang an im Presbyterium am Hauptaltar abgehalten. Im Kirchenchor gab es das Chorgestühl, das für die Kanoniker vorgesehen war und auch Bänke, die von Vikaren besetzt wurden, die die Kanoniker bei officium divinum vertraten und unterstützten, sowie auch die, für andere Teilnehmer der gemeinsamen Andacht, bestimmten Plätze. Altäre in dem Hauptschiff entstanden später, gestiftet von frommen Gläubigen oder von den Kanonikern selbst. Die dabei entstandenen zahlreichen Vikariate, ursprünglich gut ausgestattet, wurden infolge einer schlechter werdenden wirtschaftlichen Lage, auf eine Zahl, die der der Kanoniker entsprach, reduziert. Laut der Statuten sorgte jeder Domherr für einen der sechzehn Altäre, der ihm nach seiner Installation zugeteilt worden war. Keiner der Kanoniker hatte das Recht, einen Altar frei zu wählen, da er ihn von seinem Vorgänger übernahm oder er bekam einen vorher frei gewordenen durch eine Option. Diese Lage entstand im Falle eines Aufstiegs eines Kanonikers, der den Altar übernahm, der der zugewiesenen Prälatur entsprach. Der bis dahin von dem neugewählten Prälaten besetzte Altar wurde frei und später optiert von dem Kanoniker, der in der Reihenfolge der Aufnahme in das Domkapitel der nächste war und auch im Einklang mit den alten Bräuchen. In Folge dessen wurden auch die anderen Altäre an die nächsten Domherren vergeben. Zur Zeit des Copernicus besetzten die Prälaten vier, dem Hauptaltar am Nächsten platzierte, Altäre. Der Präpositus und der Kustos an der Nordseite (die Seite der Evangelien), der Dekan und der Kantor an der Südseite (die Seite der Lektionen). Wir kennen nicht alle Ursachen dafür, warum die Kanoniker sich um andere Altäre bemühten als jene, die ihnen ursprünglich übertragen worden waren. Sicher war es eine Frage der Hierarchie und eine Verschiebung in Richtung des Presbyteriums, also in die Nähe der Prälaten, am wichtigsten. Möglicherweise gab es auch bedeutende pekuniäre Argumente, die im Zusammenhang mit einer bestimmten Vikarie, über die Attraktivität eines Altars entschieden. Es darf dabei nicht vergessen werden, dass eine besondere Ehrung des erwählten Heiligen oder des Heiligen Kreuzes manchmal auch ein wichtiges Motiv für ein solches Vorgehen sein konnte. Das Besitzen eines Altars machte, dass die Mehrheit der Kanoniker, im Einklang mit dem geäusserten Wunsch, in seiner Nähe den Ort der ewigen Ruhe fand. Mit der Zeit festigte sich also, nach der Meinung eines bedeutenden Teils der Historiker, das Prinzip, dass der Altar eines Kanonikers den Ort seiner Bestattung bestimmte. Leopold Prowe trug weitgehend dazu bei, zusätzlich zu den im Archiv erhaltenen Verzeichnissen über sechzehn Kanoniker die gleiche Anzahl der Altäre zu verbinden, und auf dieser Grundlage den Altar des Copernicus zu bestimmen. Er fand zwar keine überzeugenden Beweise, doch er verband den, auf der vierzehnten Liste genannten, Nicolaus Copernicus mit dem Altar des hl. Bartholomäus, wegen seiner Nähe zum ehemaligen Epitaph des Astronomen.10 Eine weitere Etappe vergleichbarer Denkweise waren Forschungen Hans Schmauchs, der jedoch den Altar des hl. Wenzeslaus (des Heiligen Kreuzes) als jenen des Copernicus bestimmte, seine Entdeckung verband er aber nicht mit dem Bestattungsort. Zu dieser Schlussfolgerung kam Schmauch auf Grund der wiedergefundenen Liste der 1480 den Kanonikern zugeteilten Altäre. Laut seiner Argumentation erhielt Copernicus den Altar des hl. Wenzeslaus, da er das Kanonikat nach Johann Zanau übernahm und er behielt ihn bis zum Ende seines Lebens. 10
L. Prowe, Über den Sterbeort, S. 28-30.
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Schmauch war sogar der Ansicht, dass es für seine Schlussfolgerung eine Bestätigung gab, da in den folgenden Jahren andere Kanoniker, in der Nachfolge des Copernicus, die auch mit ihm auf der vierzehnten Liste genannt wurden, diesen Altar besassen.11 Dieser Feststellung wurde aber von Eugen Brachvogel entschieden widersprochen, indem er an das, in der Denkweise Schmauchs übergangenes jedoch geltendes Prinzip der Altaroption erinnerte.12 Die Beweisführung Brachvogels überzeugte Schmauch, der in seinen späteren Forschungen nicht mehr zu der Frage zurückkehrte. Dieser Spur einer unsicheren und auf tönernen Füssen stehenden Hypothese folgte eben Jerzy Sikorski in seinen Forschungen. Er nahm an, dass die um 1532 von Alexander Sculteti niedergeschriebenen Verzeichnisse der Kanoniker dem tatsächlichen Stand entsprachen, was ermöglichte, die einander folgenden Kanoniker aus einer der sechzehn Listen mit einem konkreten Altar in Verbindung zu bringen und dem zu Folge jeden Domherrn an einen speziellen Altar zu platzieren. Gleichzeitig setzte er voraus, dass eben der auf diese Art und Weise bestimmte Altar eines Kanonikers zugleich den Ort seiner Bestattung kennzeichnete. Die Liste der Namen der Besitzer einzelner Altäre im Dom zu Frauenburg, mit den daneben vorkommenden Bestattungen aus dem 15. Jh.-18. Jh., sollten mithin, nach Sikorskis Ansicht, eine endgültige Bestätigung der These sein, dass Nicolaus Copernicus den Altar des hl. Wenzeslaus (des Heiligen Kreuzes) besass und dort beigesetzt wurde.13 Die fehlenden Auskünfte über den Besitzstand der Altäre, ergänzte Sikorski dadurch, dass er den Regeln des Statutes folgte, wonach Kanonikate und Altäre zugeteilt wurden. Sein Ziel war „auf den tatsächlichen (auf Quellenfaktizität gestützten) oder nur mutmaßlichen, doch aus bestehenden Regeln resultierenden, Bestattungsort einer konkreten Person hinzuweisen. […] Die Aufstellung sollte außerdem das Funktionieren der Regeln veranschaulichen, dass das Vererben eines Kanonikates mit dem Vererben des Altars und folglich mit der Beisetzung an diesem Altar verbunden war“.14 Doch manchmal, gab Sikorski zu, „ließ sich der Inhaber des Altars nicht einmal hypothetisch auf eine von jenen sechzehn Listen beziehen, die festgelegte Folge im Altarbesitz“ wird also „nicht mit der Festlegung einer Folge des Kanonikats eins zu eins begleitet“.15 Trotzdem war er der Meinung, dass „auf diese Art und Weise eine Nachprüfung dieser Ketten während einer langen Zeitfolge vom 15. Jh. bis zum 18. Jh. möglich wurde“, und „eine gegenseitige Überprüfung der Besetzung aller Altäre – zu jeder, beliebig gewählten Zeit – schlichtweg das Vorkommen irgendeiner Anomalie, die sich nicht bemerken und deuten ließe, ausschließt. […] Unter diesen Ketten gibt es auch die vierzehnte, die mit dem Kanonikat des Nicolaus Copernicus, mit seinem Altar und damit, was vom Altar untrennbar, mit seiner Bestattung verbunden ist“.16 Letzten Endes, erklärte Sikorski, fest überzeugt zu sein, dass „ein einziger, völlig glaubwürdiger Faktor belegt, dass an diesem Ort der von ihm besessene Altar ist, der vierte in der rechten Reihe. Er gehörte Copernicus vom Anfang bis zum Ende, von seinem Eintritt in das Domkapitel bis zu seinem Tod. Den Andeutungen E. Brachvogels zum Trotz, der sich zum Schluss in seinen eigenen Mutmassungen verlor, tauschte Copernicus nie seinen Altar, für irgendeinen anderen, um. Überzeugende Argumente zu diesem Thema legte H. Schmauch, ein Berufshistoriker, kein Hobbyhistoriker wie E. Brachvogel, dar. Gegen einen eventuellen Tausch des Altars von Copernicus sprechen auch die vorgestellten […] Ketten der Besitzer aller sechzehn Altäre. Die gegenseitig auf einander abgestimmten Glieder dieser Ketten können darüber keinerlei Zweifel aufkommen lassen“.17 11
H. Schmauch, Der Altar, S. 426- 429. E. Brachvogel, Des Coppernicus Dienst, S. 585-586. 13 J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 157-215; idem, Grób Mikołaja Kopernika, S. 85-177; idem, Lokalizacja miejsca pochówku, S. 53-66, idem, Tajemnica grobu, S. 15-24. 14 J. Sikorski, Grób Mikołaja Kopernika, S. 114. 15 Ibidem, S.115. 16 J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 166-167. 17 Ibidem, S.168-169. 12
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Die fleissig zusammengestellte Liste der Kanoniker und den von ihnen in einer so langen Zeit besessenen Altäre, vom 15 Jh. bis zum Ende des 18. Jh., erweckt jedoch, neben einer Anerkennung für die geleistete riesige Mühe, auch viele Zweifel. Denn es besteht die grosse Gefahr, dass das Entfernen auch nur eines Gliedes aus der Kette der Zusammenhänge das ganze, so kunstvoll konstruierte, Bauwerk zum Einsturz bringen könnte. Wir verfügen ja nur über rudimentäre und oft unsichere Quellenangaben und so wird die Wahrscheinlichkeit eines fehlerhaften Vorgehens in der Denkweise möglich, die sich mit ihrer ganzen Klarheit bei der Rekonstruktion der Besetzungskette der sechzehn Altäre, in einem bestimmten Jahr, offenbaren kann. Für weitere Erwägungen wurde die analysierte Zeit nur auf die Jahre begrenzt, die mit der Anwesenheit des Nicolaus Copernicus im Domkapitel verbunden sind. Die ersten Zweifel stellen sich bereits bei einer Zusammenstellung der Altarbesetzung aus dem Jahre 1480 und einer Interpretation der Reihenfolge ein. Die damals angewandte Ordnung der Altäre der Prälaten: Präpositus, Kustos, und Kantor auf der Nordseite (die Seite der Evangelien) und auf der Südseite (die Seite der Lektionen) nur für den Dekan, wurde mit einer Platzreservierung für einen Scholastiker, vielleicht auch einen Archidiakon, begründet. Es gibt also keine Gründe für Suggestionen J. Sikorskis, dass es sich in diesem Falle um eine besondere Hervorhebung des Dekans handelt.18 Die, in den Vorschriften festgelegte, Reihenfolge der ersten vier Altäre der Prälaten: Präpositus und Kustos auf der Nordseite (Seite der Evangelien) und Dekan und Kantor auf der Südseite (Seite der Lektionen) wurde nach der Annahme der Tungen - Statute (Bischof Nikolaus Tungen) um 1487 geregelt, Brachvogel machte bereits darauf aufmerksam.19 Das widerlegt die Konstruktion Sikorskis, der den Kantor am dritten Altar an der Nordseite (Seite der Evangelien) bis 1515 beließ. Tatsächlich besetzte der Kantor bereits ab 1487 bis 1515 den zweiten Altar an der Südseite (Seite der Lektionen). In den folgenden Jahren war es ein Altar der Kanoniker, doch seit 1527, der Berufung Johann Timmermanns zum Kantor, stand er wieder diesem Prälaten zu. Rudimentär erhaltenes Quellenmaterial erlaubt keine Erkenntnis darüber, wie nach 1480 die einzelnen Altäre infolge möglicher Optionen zugeteilt waren. Änderungen in der Besetzung ergaben sich 1491 durch die Übernahme der Kantorie durch Mathias Launau, dann Anfang 1498 durch die Benennung von Johann Sculteti, der jedoch nach einem verlorenen Prozess 1500 von Georg Delau ersetzt wurde. Darüber hinaus kam es 1499 zu einem Wechsel des Kustos und des Dekans, was weitere Optionen der Altäre hervorrief. Beträchtliche Zweifel erregt in diesem Kontext die Mutmassung Sikorskis, der Tausch der Altäre nach dem Zurücktreten Johann Scultetis von der Kantorie und sein Zurückgewiesen werden an den sechsten Altar in der südlichen Reihe, der bisher von Albert Bischof besetzt war. Eine andere Reihenfolge in der Besetzung der Altäre ergab sich 1502 durch die Ernennung eines Archidiakones, was übrigens von den Kanonikern in den, dem neugewählten Bischof Lucas Watzenrode vorgestellten, articuli iurati gefordert wurde.20 Die feierliche Einführung J. Scultetis in den Domchor durch den damals in Frauenburg anwesenden Kanoniker mit der kürzesten Dienstdauer, A. Bischof, erfolgte am 31. Dezember 1502. Der Erzdiakon nahm in dem Chorgestühl einen Platz nach dem Kustos und im Kapitel nach dem Kantor, also am Ende der Hierarchie der Prälaten, ein. Es bedeutete gleichzeitig, dass der Archidiakon den ihm zugehörigen dritten Altar an der Seite der Evangelien bekam, d.h. den des hl. Paulus. Dieses widerspricht völlig den Mutmaßungen Sikorskis, der Doktor der Theologie, Prälat und Archidiakon J. Sculteti sei am sechsten Altar an der rechten Seite, d.h. dem des hl. Johannes, platziert; außerdem behauptet er gleichzeitig, es habe kein Tausch der Altäre stattgefunden.21 18
J. Sikorski, Tajemnica grobu, S. 19. E. Brachvogel, Des Coppernicus Dienst, S. 585. 20 J. Obłąk, Kapitulacje wyborcze, S. 12-13. Dem Einsetzen des Archidiakons 1502 widerspricht mit der ganzen Kraft seines Unwissens R. Biskup, Bistümer im Deutschsordenstaat in Preussen (bis 1525), in: Cura animarum, Seelsorge im Deutschordensland Preußen, hg. von S. Samerski, Köln-Weimar-Wien 2013, S. 68. 21 J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 209; idem, Grób Mikołaja Kopernika, S. 155. 19
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Im Lichte der o.g. Änderungen ist es also schwer festzustellen, welche Altäre den einzelnen Kanonikern zugeteilt waren, es muss auch berücksichtigt werden, dass bei einem Tausch der Grad der empfangenen Weihe, die zu einem höheren Platz in der Hierarchie berechtigte, eine Rolle spielte. Auch haben wir keinen Quellennachweis, ob Johann Zanau tatsächlich bis zum Lebensende den ihm 1480 zugeteilten Altar des hl. Wenzeslaus behielt. Die von Sikorski behauptete Annahme, Nicolaus Copernicus habe schon 1495, nach dem Tod J. Zanaus, seine Präbende, zusammen mit dem vom Statut vorgesehenen Altar, erhalten, rief bereits früher Einwände hervor, da er sie wahrscheinlich erst 1497 empfing.22 Dazu muss man betonen, dass Copernicus damals einer der jüngsten Kanoniker war, keine Priesterweihe hatte und sich zum Studium in Italien befand. Es ist daher schwer zu sagen, in wie weit er seinen älteren Konfratres den Vorrang lassen musste. Das von Sikorski aufgestellte Schema einer Besetzung der einzelnen Altäre wird ausserdem von später möglichen Optionen zerstört ( in den Jahren 1513, 1516, 1522, 1523, 1538 und zweimal 1539), die von Brachvogel bereits zusammengestellt wurden. Übrigens fand Brachvogel im Archiv eine der Optionen und gab bekannt, dass nach der Übernahme der Prälatur durch Dekan Leonhard Niederhof, Alexander Sculteti den freigewordenen Altar am 6. März 1532 übernahm, sein Altar dagegen am 14. März von Achatius Trenck übernommen wurde.23 Leider sind uns weder die zur Option freistehenden Altäre bekannt, noch wissen wir, wer das Recht an dem Trenckschen Altar erwarb. Das oben genannte Beispiel eines Altartausches wurde in den Aufstellungen Sikorskis gänzlich ausgelassen; er unternahm auch keine weiteren Archivforschungen, obwohl man bereits über deutliche Hinweise Brachvogels verfügte. So berücksichtigte er beispielsweise eine Notiz des Kanzlers Alexander Sculteti nicht, dass am 4. September 1534 der Altar des hl. Bartholomäus dem Mauritius Ferber Junior gehörte.24 Am 6. September 1538 übergab der neuerwählte Kustos Felix Reich an A. Trenck, dessen Prokurator er war, seinen Altar des hl. Paulus. Der freigesetzte Altar des A. Trenck ging an den neuen Kulmer Bischoff Tiedemann Giese. Die Nichterwähnung dieser Option verwundert doch sehr.25 Die genannten Beispiele widersprechen vielmals der von J. Sikorski vorbereiteten Liste der Reihenfolge der Inbesitznahme einzelner Altäre durch die Kanoniker und widerlegen diese insgesamt. Sie hat also in der Tat nichts mit der tatsächlichen Besetzung der Altäre in der Copernicuszeit zu tun, und wir sehen uns so gezwungen, sie im Ganzen zurückzuweisen. Dementsprechend findet die Behauptung J. Sikorskis - anhand von Mutmassungen und Spekulationen - Copernicus würde den Altar des hl. Wenzeslaus (des Heiligen Kreuzes) besessen haben und auch dort bestattet worden sein, keine Berechtigung. Paradoxerweise und den negativen Urteilen J. Sikorskis zum Trotz, könnte Brachvogel recht haben, der intuitiv auf die Möglichkeit verwies, Copernicus könnte den Altar des hl. Johannes besetzt haben. Möglicherweise schrieb der Bischof Martin Kromer deswegen irrtümlich den Vornamen Johannes statt Nicolaus. Außerdem erfolgten gegen Ende des Lebens des Astronomen sichtbare Veränderungen in der Hierarchie der Kapitelmitglieder und bestimmt auch in der Reihenfolge der besetzten Altäre. Ein ungefähres Bild der neuen Lage spiegelt die Liste der Kanoniker bei der Elektion des Johannes Dantiscus vom 20. Januar 1537 wieder, wo nicht nur die Prälaten sondern auch A. Sculteti, F. Reich und sogar der vor kurzem in das Kapitel aufgenommene Paul Snopek, dem Astronomen übergeordnet waren, da sie eine höhere Weihe als Copernicus hatten. Die Forschungen über den Altar des Verfassers von De revolutionibus bleiben also weiterhin im Bereich von Mutmaßungen und deshalb ist es sicher besser, bis zum Auffinden
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K. Górski, Objęcie kanonii we Fromborku, S. 35-44. E. Brachvogel, Des Coppernicus Dienst, S. 586; vgl. AAWO, AK, Acta cap. 2-2a, K. 3-3 v. 24 AAWO, AK, Acta cap. 2-2a, K. 5 v. 25 Ebenda, K. 172 v. 23
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des Quellenmaterials, das definitiv bestätigt, welcher konkrete Altar im Besitz des Copernicus war, diese Frage offen zu lassen. Todesdatum des Copernicus und der Ort seiner ewigen Ruhe Jahrhunderte lang wurde der 24. Mai 1543 als das Todesdatum Nicolaus Copernicus angesehen. Erst in der Mitte des 19. Jhs. wurde im Archiv in Frauenburg von L. Prowe eine von Georg Donner handgefertigte Notiz gefunden, über die Übernahme des Kanonikats Copernicus von seinem Koadjutor Johannes Loitz am 21. Mai. Auf dieser Grundlage sprach sich Prowe in der, anlässlich der Enthüllung des Denkmals 1853, in Thorn veröffentlichen Biographie des Astronomen dafür aus, beim Datieren den Urkunden des Domkapitels Vorrang zu geben. Er begründete dies mit der Übernahme der Präbende durch den Koadjutor, was aber nur nach dem Tode des Kanonikers erfolgen konnte. Seinen Standpunkt bekräftigte er in weiteren Veröffentlichungen, die dem Todesdatum, dem Bestattungsort und den Denkmälern des Copernicus gewidmet waren.26 Durch das große Ansehen Prowes wurde auch in anderen, damals geschriebenen Biographien, sein Standpunkt akzeptiert, das Sterbedatum des Astronomen zwischen den 7. Mai und 21. Mai 1543 zu datieren. Die Lage änderte die Veröffentlichung von De revolutionibus 1854 in Warschau und auch des am 26. Juli 1543 aus Löbau geschriebenen Briefes von Tiedemann Giese an Georg Joachim Rheticus. Den wieder veröffentlichen Brief, der bisher nur aus der Ausgabe von 1618 von Johannes Broscius bekannt war, analysierte Franz Hipler und akzeptierte in völliger Überzeugung den 24. Mai als Sterbedatum des Frauenburger Gelehrten. Hipler war nämlich der Meinung, dass Giese sich besonders sorgfältig um die richtige Sterbedatumsangabe gekümmert habe, als er Rheticus über Copernicus Ableben informierte. Hipler war sogar der Meinung, dass der Fehler vom damaligen Notar des Domkapitels, Fabian Emmerich, begangen wurde, der dem Datum, an dem J. Loitz sein Kanonikat übernahm, keine besondere Aufmerksamkeit widmete.27 Die Argumente Hiplers hatten Prove überzeugt, daher nahm er in späteren Copernicus Biographien den 24. Mai als den Todestag des Astronomen an. Bei der Begründung des neuen Standpunktes in der Frage dieser Datierung bestätigte L. Prowe, gefunden anhand eigener Archivforschungen in den Protokollen des Frauenburger Domkapitels, die chronologischen und sachlichen Fehler. Er erklärte darüber hinaus, dass die Sitzungsprotokolle und die Inhalte der notariellen Akten nicht immer gleich in acta capitularia eingetragen wurden, sondern des Öfteren viel später, was zu Fehlern führte. Im Endeffekt hielt er den von Giese angegebenen Todestag des Astronomen für glaubwürdig, insbesondere weil dieser an Rheticus, in Erwartung einer Biographie des Verfassers von De revolutionibus, weitergegeben wurde28. Und eben an das Todesdatum des Copernicus, nach der ursprünglichen Idee L. Prowes, knüpfte erneut J. Sikorski an, in dem er annahm, dass die Archivnotiz entscheidende Bedeutung hatte, deswegen legte er die Zeit des Ablebens um den 21. Mai 1543 fest.29 Er ging in seinen Überlegungen noch ein Stück weiter, in dem er zu überzeugen versuchte, dass in Frauenburg kein Sterbedatum Copernicus vermerkt wurde und dass er keine Grabplatte hatte, da seine Testamentsvollstrecker keine finanzielle Verfügung in dieser Hinsicht fanden und er namenlos bestattet wurde.30 Er wurde übrigens, laut Sikorski, vollkommen vergessen, was von der Sache her mit dem von Bischof Martin Kromer gestifteten Epitaph bestätigt werden 26
L. Prowe, Zur Biographie von Nicolaus Copernicus, Festschrift des Königl. Gymnasiums zu Thorn zur Feier der Enthüllung des Copernicus-Denkmals, Thorn 1853, S. 55-58; idem, Über den Sterbeort, S. 6-7; idem, Das Andenken des Copernicus bei der dankbaren Nachwelt, Thorn 1870, S. 32-33. 27 F. Hipler, Nikolaus Kopernikus und Martin Luther, S. 526. 28 L. Prowe, Nicolaus Coppernicus, Bd. I, 2, S. 554-557. 29 J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 161 i 204; idem, Grób Mikołaja Kopernika, S. 87 und 150; vgl. idem, W sprawie datowania śmierci Mikołaja Kopernika, S 261-274; idem, Marcin Kromer a tradycja, S. 139-147. 30 J. Sikorski, Grób Mikołaja Kopernika, S. 88.
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sollte. In dem Brief an das Domkapitel vom 21. November 1580 gab er Copernicus den Vornamen Johannes, was zwar korrigiert wurde, doch niemand wusste das Sterbedatum, es fehlte also auf dem Epitaph. Obendrein wandte man sich mit der Korrektur an Mathias Stojus, einen Lutheranhänger aus Königsberg, der ungeniert Copernicus als einen Astrologen bezeichnete. Schliesslich wurde, nach Sikorskis Meinung, das Epitaph nicht neben dem Grab sondern irgendwo angebracht, da die Wände des Domes in Frauenburg bereits voll waren. Sikorski kam letzten Endes zu der Schlussfolgerung, dass das an einem zufälligen Ort angebrachte Epitaph nicht als ein Kennzeichen des Bestattungsortes des Verfassers von De revolutionibus angesehen werden könne.31 Ein in so dunklen Farben skizziertes Bild sollte wohl die Notwendigkeit des Beginnens archäologischer Forschungen rechtfertigen und zwar auf Grund einer Hypothese des neuen Bestattungsortes des Frauenburger Astronomen an dem Altar des hl. Wenzeslaus (des Heiligen Kreuzes). So suggestiv mitgeteilt und mit emotionellen Kommentaren versehene Ereignisse aus der Vergangenheit, konnte man versuchen, Leser in großem Maßstab von der Richtigkeit der Ausführungen dieses Forschers zu überzeugen. Tatsächlich aber ruft eine detaillierte Analyse, der von Sikorski gesammelten Angaben und ihre Deutung, Einwände unterschiedlicher Art hervor. In den Vordergrund rückt das von Sikorski suggerierte Todesdatum des Copernicus, das mit einer Übernahme der Präbende durch Johannes Loitz verbunden wird. Die Übernahme der Stelle des Koadjutors und dann des Kanonikers durch Loitz war ein wichtiges Ereignis und wurde zweifelsohne mit einer notariellen Akte belegt, die dem Interessierten ausgehändigt wurde, doch der ihre Inhalte in die Urkunden des Domkapitels eintragende Domvikar Georg Donner, vermerkte sie erst später. In beiden Fällen schrieb Donner, dass der Notar der Domvikar Fabian Emmerich war. In Loitz Namen nahm am 7. Mai 1543 sein Prokurator Kaspar (Gaspar) Hoge, der Kaplan der Frauenburger Kirche und Domvikar, das Amt des Koadjutors an. Und dieses Datum wird nicht in Frage gestellt. Laut Punkt 27 der Statuten sollten sich die Kanoniker am Tag nach Joannis ante portam latinam, d.h. am 7. Mai, versammeln. Die nächste Sitzung des Kapitels fiel, auch nach den Statuten, auf den ersten Freitag des Monats, d.h. auf den 1. Juni. An dem Tag wurde auch J. Loitz persönlich in die Reihe der Kanoniker eingeführt und bekam eine entsprechende Urkunde. Demzufolge wurde der später von Donner gemachte Eintrag in acta capitularia, der die juristische Übernahme der Präbende mit dem Moment des Todes des Astronomen bestätigte, infolge einer Unachtsamkeit falsch datiert.32 Es war übrigens nicht der erste Fehler Donners, er schrieb früher unter dem Datum 4. Mai 1543 in die Option Dietrich Redens bezüglich des Vorwerks (allodium tertium in Czager), das von Mauritius Ferber Junior freigestellt wurde. Tatsächlich erstellte Fabian Emmerich die notarielle Urkunde dieser Option bereits am 18. April 1543.33 Mit dem Sterbedatum des Frauenburger Astronomen sind der Bestattungsort und die spätere Platzierung eines 1581 von Bischof Martin Kromer gestifteten Epitaphs untrennbar verbunden. Die Beisetzung eines Würdenträgers der Kirche, und Nicolaus Copernicus war einer von ihnen, hatte einen feierlichen Charakter, es kann daher nicht behauptet werden, er sei anonym beigesetzt worden. Im Gegenteil, der Sitte nach wurde auf sein Grab die obligatorische steinerne Platte mit eingraviertem Todesdatum gelegt. Dieses wurde in den Domkapitelurkunden nicht vermerkt, wie auch bei den anderen Kanonikern nicht. Da bis 31
J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 161, 167, 169; idem, Grób Mikołaja Kopernika, S. 87-93; idem, Lokalizacja miejsca pochówku, S. 54-56; idem, Tajemnica grobu Mikołaja Kopernika, S. 15-17. 32 Auch die Bemerkung von A. Szorc, Kanonia warmińska Mikołaja Kopernika, S. 16-17, sind zurückzuweisen; idem, Protokoły posiedzeń kapituly, S. 195-196. Der Fehler in Archivnotizen wurde bereits von M. Biskup Regesta Copernicana, Nr. 498 und 499 und Abb. 24, S. 216, korrigiert. 33 AAWO, AK, Acta cap. 2-2a, K. 13 v.; Universitätsbibliothek in Uppsala, Handschr. H 157.
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heute kein Testament des Copernicus gefunden wurde, kennen wir auch keine detaillierten Verfügungen des Astronomen, insbesondere nicht für den Fall des Todes und der Beisetzung. Den mehrmals wiederholten Behauptungen J. Sikorskis zum Trotz, gab das Kromersche Epitaph den genauen Todestag des Astronomen - Obiit Anno M.D.XLIII. Die XXIIII. Maii.an. Der vollständige Text des Epitaphs, inklusive Sterbedatum, ist seit langem aus dem 1627 von Szymon Starowolski gedruckten Scriptorum polonicorum Hekatontas bekannt. Das stilisierte Frauenburger Epitaph veröffentliche übrigens auch Johann Broscius.34 Das von Sikorski absichtliche Auslassen einer so wichtigen Information widerspricht den in der historischen Forschung geltenden Grundsätzen und stellt eine Verfälschung der Quellen dar. Auch die Bemerkungen Sikorskis über das „Vergessen sein“ des Frauenburger Gelehrten finden keine Bestätigung. Die Erinnerung an ihn wurde nicht nur im Ermland, in Thorn, Königsberg und Krakau gepflegt, sondern auch in Intellektuellenkreisen in ganz Europa. 1566 wurde in Basel das Werk Copernicus erneut gedruckt, und in Strassburg wurde sein Portrait auf der 1571 – 1574 gebauten berühmten Uhr platziert. In der gleichen Zeit wie in Frauenburg stiftete auch in Thorn, der Geburtsstadt des Astronomen, Melchior Pyrnesius ein den Gelehrten verewigendes Epitaph. Der von Sikorski genannte Lutheraner M. Stojus gehörte dagegen zu den Personen, die Rheticus sehr nahe standen und der Vorwurf, er habe den Rang des Frauenburger Gelehrten geschmälert, indem er auf dem Epitaph die Bezeichnung „Astrologe“ benutzte, ist kurios. Es schrieb doch Nicolaus Copernicus selber in De revolutionibus : Wenn daher die Wertschätzung der Wissenschaften je nach dem Gegenstand, von dem sie handeln, beurteilt werden soll, so wird die bei weitem die vorzüglichste sein, welche die einen wohl Astronomie, andere Astrologie, viele aber unter den Alten Höhepunkt der Mathematik nennen. In der Welt der Wissenschaft zu Zeiten des Copernicus war die Astrologie ein Synonym der Astronomie und diese Bezeichnung wurde nicht in der Bedeutung von „wahrsagender Astrologie“ verwandt. Ganz im Gegenteil, M. Stojus und J. Broscius bedienten sich ständig der Bezeichnung „Astrologe“, die nach ihrem Verständnis eine höhere Stufe der Astronomie bedeutete. Auch Alexander Sculteti lobte in seiner „Chronologie“ den Freund als Astrologen. Der Ruhm des Verfassers von De revolutionibus bewirkte, dass auf den Frauenburger Hügel und in den Dom nicht nur Gelehrte, sondern auch gewöhnliche „Wanderer“ kamen, um sein Grab zu finden, worauf der Bischof Martin Kromer in seinem Brief an das Domkapitel aufmerksam machte. Man darf also nicht grundlos und den Tatsachen zum Trotz behaupten, die Kanoniker hätten den Todestag und den Bestattungsort des Astronomen nicht gekannt. Denn es steht außer Zweifel, dass das Copernicus gewidmete Epitaph, mit dem verewigten Sterbedatum, fürsorglich und mit gebotener Erfurcht bei seinem Grab angebracht wurde und daher weiterhin der einzig von den Quellen bestätigte Beweis bleibt, der den Ort der ewigen Ruhe des Verfassers von De revolutionibus bestimmt.
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J. Sikorski, Grób Mikołaja Kopernika, S. 91, zitierte zwar den polnischen Text des Epitaphs und berief sich in der Fussnote 17 auf den lateinischen Lebenslauf des Astronomen in: Simonis Starovolsci, Scriptorum polonicorum Hekatontas seu centum illustrium Poloniae scriptorum elogia et vitae, Venetiis 1627, S. 158-162, doch er liess das dort angegebene Todesdatum aus. Sikorski wies auch in der polnischen Ausgabe nicht darauf hin, wo man den Inhalt des Epitaphs mit dem Tagesdatum des Todes Copernicus’ lesen kann, S. Starowolski, Setnik pisarzów polskich, S. 174. Den vollen Text des Epitaphs, inclusive des genauen Todesdatums des Astronomen gab schon die ältere Literatur an. Vgl. F. Hipler, Nikolaus Kopernikus und Martin Luther, S. 539; F. Dittrich, Das Koppernikusdenkmal in Frauenburg, ZGAE, 17: 1910, S.485; E. Hilfstein, Starowolski’s Biographies of Copernicus, S. 87. Eine Kopie des von Broscius gedruckten stilisierten Epitaphs erschien in der Monatszeitschrift „Problemy“, 1953, Nr. 8, S. 559, und darüber informierte S. Wałęga, Najstarsze fromborskie pomniki kultu Mikołaja Kopernika, Rocznik Toruński, 7: 1972, S. 56-57. Erneut wurde die Kopie des Epitaphs von W. Tatarkiewicz, Mikołaj Kopernik a symetria świata, Rocznik Krakowski, 43: 1972, S. 17 zugänglich gemacht.
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Das stilisierte Epitaph von Nicolaus Copernicus (veröffentlicht von Joannes Broscius um 1620).
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Die Gebeine des großen Astronomen von Archäologen gefunden? Die oben dargestellten Argumente widerlegen völlig die Stichhaltigkeit der Hypothesen von J. Sikorski, deswegen gab es keine meritorischen Grundlagen, die archäologischen Forschungen an dem Altar des Heiligen Kreuzes zu beginnen. Trotzdem sollten wir die Forschungen in dem Dom verfolgen und eine Antwort auf die Frage erwarten, ob die Ergebnisse der Ausgrabungen die Frage des Beisetzungsortes klären und auch auf welchem Wege sie zu einer Identifizierung vermeintlicher Copernicus Gebeine führen könnten. Der seine Arbeit antretende Archäologe sah sich einer schwierigen Aufgabe gegenüber, aus den ja anonym Bestatteten die gesuchte Person herauszufinden und dann auszugraben. Deswegen schätzte J. Gąssowski selbst die Chancen einer Entdeckung auf knapp 5 % ein.35 Bekanntlich wurden ja Verstorbene fast bis Ende des 18. Jhs. unter dem Domfussboden bestattet und zwar nicht nur Kanoniker, sondern auch, mit einer Genehmigung des Bischofs, andere Personen, die einen angemessenen Geldbetrag entrichtet hatten. Die Erträge wurden für die Erhaltung, Renovierung und für Umbauten der Domkirche (fabrica ecclesiae) benötigt, wozu der Bischof und das Domkapitel (je 2/3 und 1/3 der Ausgaben) gemeinsam verpflichtet waren. Gąssowski sollte sich also nicht über Frauen- und Kindergräber im Dom wundern, die ja auch aus anderen Regionen Europas bekannt und im Fall von Frauenburg bereits aus früheren Forschungen deutscher Archäologen bestätigt sind.36 Auch die von Gąssowski, nur auf Grund erhaltener Grabplatten, angegebenen Zahl von über hundert im Dom beigesetzten Kanonikern, war in der Tat um einiges höher. Diese Platten wurden übrigens nach etwa 30-40 Jahren, manchmal sogar eher, verschoben oder entfernt, um einem nächsten Verstorbenen Platz zu machen. Wir wissen nicht, wer den Platz eines neuen Grabes bestimmte und wir verfügen auch nicht über Register der Bestattungen, noch ihrer Lage in der Domkirche. Die Ruhe der Verstorbenen wurde zudem durch Söldner gestört, die die Kirche plünderten und Gräber zerstörten, um Kostbarkeiten zu finden. Daher ist die Annahme Gąssowskis: „Verwüstungen der Gräber der im Dom beigesetzten Priester beträfen nur die in der Krypta bestatteten […] und nicht die im Boden, unter dem steinernen Kirchenschiffboden, befindlichen Gräber“, absolut nicht zu akzeptieren.37 In der Krypta wurden Kanoniker erst nach 1720 beigesetzt und aus den Quellenüberlieferungen ist bekannt, dass die Grabplatten angehoben und zerstört, die Gräber geplündert wurden. In dem konkreten Fall haben wir es mit einer deutlichen Verdrehung zu tun und J. Gąssowski führt die Leser mit Absicht in die Irre, denn J. Sikorski wies, anhand des Visitationsprotokolls des Bischofs Nicolaus Szyszkowski vom 27. März 1639, unwiderlegbar nach, dass die Gräber in der Nähe des Altars des hl. Wenzeslaus (Heiligen Kreuzes) 1626 von Schweden durchsucht wurden.38 Es soll auch hinzugefügt werden, dass der frühere Ziegelsteinboden 1673 mit neuen Fliesen belegt, die 1861 erneut ausgetauscht und bei der Gelegenheit auch die im Boden liegenden Grabplatten weggeräumt oder ihre Standorte verändert wurden. Letztendlich begann das Team J. Gąssowskis ihre Forschungen auf einem Terrain, dessen Struktur vorher mehrmals durch nacheinander folgende Bestattungen, Grabplattenumlegungen, Grabverwüstungen, Altarumbauten, Fußbodenerneuerungen, Renovierungen und Verlegen der Heizrohre 1909, sowie auch durch Kriegszerstörungen verändert wurde.39 Die Grundlage für den Beginn der Ausgrabungen im Dom zu Frauenburg bildete die Behauptung J. Sikorskis, Nicolaus Copernicus sei am Altar des hl. Wenzeslaus (Heiligen 35
J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 14. Vgl. U. Both, Auf der Suche nach Copernicus, Nordost-Archiv, 15:1982, H. 67-68, S. 47-52. 37 J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 27. 38 J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 206; idem, Grób Mikołaja Kopernika, S. 151. 39 Vgl. F. Dittrich, Der Dom zu Frauenburg, ZGAE, 18:1913, S. 640 sowie ZGAE, 19:1916, S. 157-158; E. Brachvogel, Das Coppernicus-Grab, S. 274-277. 36
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Kreuzes) zu Grabe getragen worden. Laut Sikorskis Versicherungen wurden an diesem Altar nur sechs andere Kanoniker beigesetzt und zwar Johannes Rex (gest. 1447), Johannes Zanau (gest. 1495), Martin Kołacki (gest. 1608), Andreas Zagórny (gest. 1634), Dominicus Roncalli (gest. vor dem 6. 05. 1651) und auch Mathias Romuald Wołczyński (gest. 1675).40 In dem Identifizierungsprozess der Gebeine des Copernicus wurde eine Festlegung des Alters des Verstorbenen zum wichtigsten Parameter. „ Die Forschungsvoraussetzung baute darauf, dass die Ausgrabungen unmittelbar in der Nachbarschaft des Altars des Heiligen Kreuzes durchgeführt, unter den ausgegrabenen Skeletten solche herauszusuchen, von deren Schädel sich das Alter der dort beigesetzten Kanoniker in Moment ihres Todes ablesen lassen würde. Die Schädel der etwa im siebzigsten Lebensjahr Gestorbenen sollten zur Rekonstruktion mit der Methode Gerasimovs behandelt und die Ergebnisse mit den erhaltenen Portraits des Nicolaus Copernicus verglichen werden.“ 41 Dieses Programm erforderte das Vorkommen gut erhaltener Gebeine aller an dem Altar beigesetzten Kanoniker in unangetastetem Boden. Gleichzeitig erklärte J. Gąssowski, dass ein Anthropologe das Alter eines gefundenen Individuums annähernd bestimmen könne. Karol Piasecki ist dagegen der Ansicht, dass im Falle eines Greises (senilis), der vor fünfhundert Jahren starb, die Möglichkeit besteht, einen Fehler zu machen, denn die Gebeine können die Morphologie ausweisen, die sowohl auf 50 – 55 als auch auf 80 - 90 Lebensjahre zutreffen.42 Der erste Kanoniker von Sikorskis Liste ist 1447 gestorben, der Letzte wurde 1675 zu Grabe getragen. Es ergibt sich daraus die Frage, hatte der Raum unter dem Fußboden des Domes tatsächlich bis zur Ankunft der Archäologen des Teams J. Gąssowskis, alle Gebeine in gutem Zustand erhalten? Obendrein verfügen die Historiker über eher bescheidene biographische Daten der ermländischen Kanoniker. Quellenmäßig bestätigt sind nur das Alter des Copernicus im Moment seines Todes (70 Jahre alt), des M. Kołackis (48 Jahre alt) und des A. Zagórnys (62 Jahre alt), in den übrigen Fällen bestimmte J. Sikorski das Alter der Domherren nur annähernd. Es gibt jedoch keinen Grund zu behaupten, dass Johann Rex im Moment seines Todes erst etwa 47 Jahre alt war. Dieser Kanoniker studierte Jura in Bologna und hatte dort die Funktion des Prokurators Deutscher Nation von 1405-1407 inne, denn Studenten dieser Universität waren bereits erwachsene Menschen. Wenn das berücksichtigt wird, muss angenommen werden, dass J. Rex damals mindestens 20 Jahre alt war, demzufolge starb er also im Alter von etwa 67 Jahren. Es ist zu vermuten, dass sich Sikorski seiner fehlerhaften Einschätzung bewusst war, da er in einem später veröffentlichten Artikel das Alter dieses Kanonikers ausliess.43 Gewichtige Bedenken entstehen auch bei den, aus dem Biogramm von Andrzej Kopiczko stammenden, Angaben über Dominicus Roncalli. Das von Sikorski genannte Sterbedatum (gest. vor dem 06.05.1651) ist eine Schlussfolgerung aus der Information, dass an dem Tag Laurentius Johann Rudawski seine Nachfolge im Kanonikat antrat.44 In der Tat nutzte weder A. Kopiczko, noch J. Sikorski das Biogramm Roncallis von Tadeusz Wasilewski, der die Auskunft über den polnischen Residenten (Diplomat) noch am 4. September 1658 in Rom mitteilte.45 Erst in dem neubearbeiteten Lebenslauf vermerkte A. Kopiczko den Tod des Kanonikers in Rom nach 1658.46 Demzufolge ist die Behauptung, das Grab Roncallis befinde sich in der Nähe des Altars des hl. Wenzeslaus (Heiligen Kreuz), nicht wahr.47 Auch ist nicht klar, auf welcher Grundlage Sikorski das Alter des M.R. Wołczyńskis, 40
J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 204-206. J. Gąssowski, Badania nad odkryciem i identyfikacją grobu, S. 13. 42 K. Piasecki, Antropologiczna identyfikacja, S. 71; J. Gąssowski, B. Jurkiewicz, Poszukiwanie grobu Mikołaja Kopernika, S.12; J. Gąssowski, Badania w archikatedrze fromborskiej, S. 21. 43 J. Sikorski, Grób Mikołaja Kopernika, S. 150. 44 A. Kopiczko, Roncalli (Roncallius) Dominik, in: SBKW, S. 205-206, 208; idem, Rudawski Wawrzyniec Jan, in: SBKW. S. 208; idem, Duchowieństwo katolickie, T.2, S. 274, 276. 45 T. Wasilewski, Roncalli Dominik, w: PSB, Bd. 32, S. 12. 46 A. Kopiczko, Roncalli Dominik, in: Encyklopedia katolicka, Bd 17, Lublin 2012, Spalte 284-285. 47 J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 206; idem, Grób Mikołaja Kopernika, S. 151. 41
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im Moment seines Ablebens etwa 45 Jahre alt, bestimmte, wenn es in dem von A. Kopiczko geschriebenen Biogramm darüber keine Angaben gibt.48 Anders als Sikorski oben angegeben hat, sollten an diesem Altar, in chronologischer Reihenfolge, Johann Rex (ca. 67 Jahre), Johann Zanau (ca. 54 Jahre), Nicolaus Copernicus (70 Jahre), Martin Kołacki (48 Jahre), Andreas Zagórny (62 Jahre) und Mathias Romuald Wołczyński (ca. 45 Jahre ?), also insgesamt sechs Personen beigesetzt worden sein. Die Leser werden sich also wundern über die irreführende Information Gąssowskis, dass laut Sikorski an dem Altar neun Kanoniker bestattet wurden.49 Es soll jedoch hinzugefügt werden, dass in diesen Überlegungen ausser Acht gelassen wurde, dass Sikorski völlig verschwieg, wie viele Kanoniker und in welchem Alter, J. Rex vorangegangen waren und an diesem Altar den Platz ihrer letzten Ruhe gefunden hatten. Die Ergebnisse der Ausgrabungen im Dom wurden als zu gering entlarvt und bestätigten die Vermutungen Sikorskis nicht. Die vom 16. bis 31. August 2004 durchgeführten Grabungen der Archäologen, auf einer Fläche von 10 Quadratmetern, gaben an der Südseite des Pfeilerfundaments, in der Nähe des Altars des Heiligen Kreuzes, die Grablege (19,95 m ü.d. M.) eines zehnjährigen Kindes frei, die beschädigt war durch das, von der Oberfläche der Fußbodenplatten 0,6 m tiefer gelegene, Grab (19,97 m ü.d.M.) des Kanonikers Andreas Gąsiorowski (gest. 1767), außerdem ein danebenliegendes Grab (20,00 m ü.d.M.) eines großen Mannes im Alter von 40 - 50 Jahren, nach Sikorskis Vermutung, der 1608 verstorbene M. Kołacki. Die Identifizierung Gąsiorowskis begründete Gąssowski mit der Inschrift auf der, aus einem nicht erhaltenen Sarg stammenden, kleinen Metallplatte. Doch die ausgegrabenen Gebeine widersprachen, laut Gąssowski, allen Regeln, denn dieser Kanoniker sollte die Liturgie am Altar der hl. Anna halten und darüber hinaus in der Krypta beigesetzt worden sein.50 Sikorski erklärte, dass das Grab des Kanonikers Gąsiorowski durch Probleme mit der Krypta und die daraus resultierende Platzierung im, mit keinem Altar verbundenen, „Zwischenaltarraum“ stattfand. Die gebrachten Argumente sind nicht überzeugend, denn ein ähnlicher „Zwischenaltarraum“ konnte in der Nähe des Altars der hl. Anna festgestellt werden, also auf der anderen Kirchenseite im Nordschiff. Es scheint eher so, dass der Kanoniker Gąsiorowski, den Vermutungen Sikorskis zum Trotz, keine Verbindungen zu dem Altar der hl. Anna hatte und daher dort auch nicht beigesetzt wurde. Vielmehr hatte er, aus heute schwer zu erklärenden Gründen, vielleicht wegen besonderer Verehrung, irgendwelche Bindungen an den Altar des Heiligen Kreuzes, worauf seine frühere Tätigkeit hinzuweisen scheint.51 Abweichungen von der von Sikorski verkündeten These wurden auch durch weitere Ausgrabungsarbeiten bestätigt, die vom 8.-27. August 2005 durchgeführt wurden. Sie umfassten eine Fläche von 22 Quadratmetern. Im südlichen Teil wurden Fragmente des Seitenschiffes (Ausschachtung Nr.1) und im nördlichen das Gelände zwischen dem Altar und der Kanzel (Ausschachtung Nr. 2) erforscht. Es wurden insgesamt dreizehn Gräber geöffnet, davon zehn in der Ausschachtung Nr. 1, wobei in einigen Fällen spätere Bestattungen die früheren beschädigten. Das Grab 1/05, 138 cm tief unter der Fußbodenoberfläche (19,63 m ü.d.M.), enthielt Gebeine einer jungen Frau (ca. 18-20 Jahre alt), das Grab 7/07 die eines Kindes im Alter von 10 Jahren. Die Gräber Nr. 6, 8, 9, 11 und 12 der Grabungen aus dem Jahr 2005 wurden nicht bestimmt, in den übrigen wurden Bestattungen von Männern festgestellt: 2/05 ca. 40-50 Jahre alt, 3/05 im mittleren Alter, 4/05 ca. 40 Jahre alt, 5/05 ca. 45-55 Jahre alt, 10/05 um 60 Jahre alt und in dem Grab 13/05 ca. 60-70 Jahre alt. Alle ausgegrabenen Gebeine lagen fast auf demselben Niveau, von 19,30 bis 20,02 m ü.d.M., das Grab 13/05 befand sich 48
A. Kopiczko, Wołczyński Maciej Romuald, in: SBKW, S. 283; idem, Duchowieństwo katolickie, T.2, S. 355. J. Gąssowski, Badania archeologiczne, S. 30-31. 50 J. Gąssowski, B. Jurkiewicz, Poszukiwanie grobu Mikołaja Kopernika, S.12-14. 51 J. Sikorski, Kanonikat-ołtarz-grób, S. 168 und 189; idem, Grób Mikołaja Kopernika, S.109 und 129-130. Vgl. A. Kopiczko, Gąsiorowski Andrzej, in: SBKW, S. 66. 49
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auf 19,50 m ü.d.M.52 Vermutungen, dass sich die Beisetzungen der Kanoniker in Altarnähe konzentrierten, wurden nicht bestätigt, da zwischen dem Altar und der Kanzel nur drei Gräber entdeckt wurden (die Nummer 6,7,8), darunter die Bestattung eines Kindes (Nr. 7/05). Die Mehrheit der Gräber befand sich im Nebenschiff, in gewisser Entfernung zum Altar, was deutlich im Entwurf der durchgeführten Ausgrabungen, dargestellt nur in der englischen Ausgabe, gezeigt wird.53 Die archäologischen Forschungsergebnisse brachten auch keine Antworten auf die Frage nach einer Datierung der Gräber, die unternommenen Versuche weisen auf beträchtliche Schwierigkeiten oder eine völlige Ratlosigkeit hin. Die Zuordnung des Kindergrabes (2/05) zu „der Zeit, als der Dom im 13. und 14. Jahrhundert ein hölzernes Gebäude war“, scheint unbegründet zu sein.54 Eine weitere Kindesbestattung (7/05) in der Nähe des Altars wurde als aus dem 17. oder 18. Jahrhundert stammend bezeichnet, das Frauengrab (1/05) dagegen, anhand erhaltener Kleidungsreste, konnte auf die Mitte des 18. Jahrhunderts datiert werden.55 In den übrigen Fällen wurden keine Überbleibsel gefunden, die eine Datierung der erforschten Gräber möglich machen könnte. So ruft die Information Gąssowskis vom Entfernen des Sandes aus dem 16. Jahrhundert aus dem Raum unter dem Fussboden eine ungemeine Verblüffung und Verwunderung hervor, zumal er in einer anderen Veröffentlichung feststellte, dass der Sand aus dem 17. Jahrhundert stamme.56 Aus den, von Archäologen übermittelten, sparsamen Beschreibungen der ausgehobenen Gräber geht hervor, dass sie weder Fetzen von liturgischen Gewändern, noch Spuren von Attributen enthielten, die eine Identifizierung der Verstorbenen ermöglichten. Letzten Endes haben wir keine Garantie dafür, dass es sich bei den exhumierten Gebeinen um solche der Kanoniker handelt. Gleichzeitig zeigt nur ein Vergleich der Zahl, nur sechs Kanoniker sollen angeblich am Altar des Heiligen Kreuzes ruhen, mit den Ergebnissen der Ausgrabungen, dass die Festlegungen Sikorskis mit dem tatsächlichen Zustand nichts zu tun haben. Wenn wir nämlich die Bestattungen der Kinder, der Frau und des Kanonikers Gąsiorowski weglassen, so bleiben immer noch zwölf, in den Jahren 2004 und 2005, ausgehobene Gräber und wir wissen nicht, auf welcher Grundlage welche Gebeine einem verstorbenen Kanoniker, von der Liste Sikorskis, zuzuordnen sind. Ein zusätzliches Problem bildet die Altersfrage der beigesetzten Kanoniker. Drei von ihnen sind mit über 60 Jahren gestorben, einer war über 50 und nur zwei im Alter von 48 und etwa 45 Jahren, obwohl wir im letzteren Fall keine sicheren Angaben besitzen. Alle Kanoniker von Sikorskis Liste erreichten ein Mindestalter von 50 – 55 Jahren, das heißt, den Beginn des von K. Piasecki bestimmten Greisenalters (senilis). Es gab daher keine Möglichkeit die Verstorbenen anhand des unterschiedlichen und dazu nicht genau bestimmbaren Alters zu erkennen. Doch gerade die Identifizierung der vermeintlichen Copernicus Gebeine setzte eine präzise Festlegung des Alters, anhand der Schädel der verstorbenen Personen, voraus, da im Anschluss eine Rekonstruktion des Gesichts erfolgen sollte. Es stellte sich aber heraus, dass dies unmöglich war. Unter den im Jahre 2005 eröffneten Gräbern war, laut der Beschreibung der Archäologen, nur im Grab 4/05 der Schädel einer im Alter von etwa 40 Jahren verstorbenen Person erhalten. In anderen Gräbern (6, 8, 9,11,12) war es nicht gelungen, das Alter der Bestatteten zu bestimmen oder aber es anhand einer Skelettanalyse zu klären wie bei den Gräbern 5/05 und 10/05. Auch hat man explizit gesagt, dass kein Schädel gefunden 52
J. Gąssowski, B. Jurkiewicz, Poszukiwanie grobu Mikołaja Kopernika, S. 14-18; J. Gąssowski, Badania nad odkryciem grobu, S. 20-24; idem, Badania w archikatedrze fromborskiej, S. 21-23, idem, Badania archeologiczne, S. 33-36. 53 J. Gąssowski, B. Jurkiewicz, The search for Nicolaus Copernicus´s tomb, in: The search for Nicolaus Copernicus´s tomb, S. 12. 54 J. Gąssowski, Badania archeologiczne, S. 32. 55 Ibidem, S. 34-36. 56 J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 34; idem, Badania archeologiczne, S.33.
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Summary plan showing position of all burials discovered during excavations in 2004-2005 (“The search for Nicolaus Copernicus’s tomb”, s. 12).
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wurde im Grab 3/05 bzw. die Schädelknochen einer Zerstörung unterlagen in den Gräbern 2/05 und 12/05. In der gegebenen Situation konnte man keine Gesichtsrekonstruktionen aller an dem Altar Bestatteten fertigen, um evtl. auf dem Weg einer Selektion die Ähnlichkeit einer der Personen zu den erhaltenen Portraits von Copernicus festzustellen. In der Tat konnte nur der Schädel aus dem Grab 13/05 eine Grundlage zur Rekonstruktion bilden, da es keine anderen Möglichkeiten gab. Demzufolge hatten weitere Forschungen keinen Sinn mehr, sie konnten nur die Liste der Bestatteten verlängern, ohne irgendwelche Sicherheiten, einen Schädel zu finden, der ideal die Erwartungen erfüllen würde, zu gewährleisten. Die Auswahl des Grabes 13/05 erfolgte also ganz zufällig und ohne Begründung. Der fern vom Altar gelegene Bestattungsort im Nebenschiff, stach übrigens durch nichts hervor. Es kann angenommen werden, dass J. Gąssowski die wachsenden Schwierigkeiten bemerkte und sich entschloss, die archäologischen Forschungen zu beenden. Verblüffend ist jedoch, dass er seinen früher geäußerten Zweifeln und Einwänden, der Hypothese Sikorskis zum Trotz, zusammen mit dem Anthropologen K. Piasecki, zufällige Gebeine wählte und, ohne jegliche Argumentation, dem Astronomen zuschrieb, obwohl er deutlich seinen eigenen Misserfolg wahrnahm.
DNA von Nicolaus Copernicus auf einer Kopie des Briefes an Bernhard Wapowski? Für ein endgültiges Beweisen der Authentizität der, vermeintlich von Nicolaus Copernicus stammenden, ausgegrabenen Gebeine, begann das Team von J. Gąssowski nach DNA Spuren auf den Seiten der Schriften und Bücher, die dem Astronomen gehörten, zu suchen. Sein besonderes Interesse wurde von der in Uppsala aufbewahrten Kopie des Briefes des Copernicus an Bernhard Wapowski hervorgerufen. Auf die Handschrift machte im Oktober 2006 Professor Göran Henriksson von der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität Uppsala aufmerksam, der „ sich Ziel führend anheischig machte, die Authentizitätsanalyse des Briefes Nicolaus Copernicus, der sich in der Sammlung der dortigen Universität befindet.“57„Es ist ein Brief Copernicus an Wapowski, einem Chronisten am Hofe des Königs Sigismund des Alten. Gefertigt in schönem Latein und elegant geschrieben, unterzeichnet NIKLAS KOPERNI. In dem Brief äußert sich unser Astronom über die in Europa sich verbreitende Meinung, er sei allzu sehr mit den astronomischen Anschauungen der alten Griechen verbunden. Derartige Ansichten werden vom Astronomen Johann Werner verbreitet. […] Man argwöhnte, der Brief sei nicht echt, sondern nur eine Kopie des von Nicolaus Copernicus geschriebenen Textes. Professor Henriksson erkannte ihn aber nach einer selbstdurchgeführten Analyse als ein Originalwerk an. Es entstand das Projekt, den Brief auf DNA-Spuren hin zu untersuchen“.58 „ Das Rudbeck Labor der Fakultät für Genetik und Pathologie der Universität Uppsala (Schweden), unter der Leitung von Doz. Dr. Marie Allen, boten sich an auszuprobieren, den genetischen Code des erhaltenen handgeschriebenen Briefes des Nicolaus Copernicus, der Notizen am Rande der Bücher aus seiner Büchersammlung in Uppsala, sowie handgefertigter Skizzen und Zeichnungen zu entziffern“.59 Władysław Duczko führte ergänzende Einzelheiten an: „In dem Brief antwortete Copernicus auf die ihm vom Nürnberger Astronomen Johann Werner unterstellten Vorwürfe, indem er einen Abriss seiner Theorie darstellte. Der Uppsalaer Brief wurde schon immer für eine der vielen in Europa kursierenden Kopien gehalten. Laut Henriksson war es dagegen ein Original. Auf dem Brief gab es einen Blutfleck […] und der sollte eben die Lösung des 57
J. Gąssowski, Badania nad odkryciem grobu, S. 32; idem, Badania w archikatedrze fromborskiej, S. 25; idem, Spotkanie z Kopernikiem, S. 89, doch der Text wurde geändert: „Machte sich anheischig die Authentizitätsanalyse des Briefes durchzuführen, der Nicolaus Copernicus zugerechnet wird.“ 58 J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 89-90. 59 Idem, Badania nad odkryciem grobu, S. 34; idem, Badania w archikatedrze fromborskiej, S. 25.
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Problems der Grabforscher aus Frauenburg bedeuten. […] Demzufolge sollte eine Probe des Blutflecks genommen und untersucht werden, ob sich dort DNA fähiges Material befindet. […] Inzwischen wurden die Angelegenheiten dramatisch komplizierter. […] Nach langen Diskussionen mit Dr. Henriksson wurde festgelegt, dass keine völlige Sicherheit über die Originalität des Briefes bestehen kann und er für maßgebliche Forschungen nicht nutzbar ist. Gleichzeitig gab die Direktion der Bibliothek in Uppsala keine Zustimmung zur Entnahme einer Probe aus dem Brief selbst und somit wurden weitere Arbeiten gebremst.“ 60 Das Suchen nach Copernicus DNA auf der Kopie wurde auch von Henriksson selbst bestätigt.61 Obwohl es letzten Endes nicht zur DNA-Abnahme von der Briefkopie kam, so wurde doch in der Veröffentlichung von Gąssowski ein Foto von „Professor Marie Allen und Professor Göran Henriksson über dem Brief von Nicolaus Copernicus an Bernhard Wapowski, Carolina Rediviva Library“, als Beweis für aufgegriffene Forschungen, gedruckt.62 Nach einem eingehenden Studium der veröffentlichten Texte kommt einem ein arger Gedanke in den Sinn über den absoluten Mangel an Kompetenz der Verfasser, die sich mit voller Überzeugung über ihr allseitiges, Copernicus betreffendes, Wissen auslassen, tatsächlich aber doch falsche Informationen verbreiten. Bernhard Wapowski (um 1475 – 1535) wird zu den vertrauten Personen des Copernicus gerechnet und Freundschaftsbande vereinten sie wohl seit der Studienzeit in Krakau. Nachdem er 1505 den Doktortitel in Jura in Bologna erreichte und nach einem längeren Aufenthalt in Italien, bekam er die Stelle des königlichen Sekretärs. Später bearbeitete er die Geschichte des eigenen Landes in Form von „Chroniken“, obgleich sein Hauptbetätigungsfeld die Kartographie blieb. Es ist bekannt, dass er in diesem Bereich mit Copernicus zusammenarbeitete, doch auch der Astronomie schenkte er viel Aufmerksamkeit und verfolgte jahrelang die Ergebnisse der Wissenschaftler. Es ist auch anzunehmen, dass er zu den auserwählten Personen gehörte, die schon relativ früh von der Arbeit des Copernicus an dem neuen heliozentrischen System des Weltalls erfuhren. Der in Nürnberg geborene Johann Werner (1468 – 1522) wurde für eine Kapazität unter den damaligen Mathematikern gehalten. Nach dem Studium in Ingolstadt und einem mehrjährigen Aufenthalt in Rom, ließ er sich in seiner Heimatstadt nieder, wo er, unter dem Einfluss von Johannes Regiomontanus und Bernhard Walter, die von ihnen systematisch geführten Beobachtungen der Planeten, fortsetze. Werner war auch der Verfasser der Abhandlung „Über die Bewegung der achten Sphäre“ (De motu octavae sphaerae) und einigen anderen Mathematikarbeiten, die jedoch erst nach seinem Tod 1522 veröffentlicht wurden.63 Der genannte Brief des Copernicus an Wapowski vom 3. Juni 1524 ist keine Antwort auf die ihm von Werner gemachten Einwände, da es diese von Seiten des Nürnberger Astronomen nicht gab. Deshalb stellte Copernicus in dem Brief keinen Abriss seiner Theorie dar, ganz im Gegenteil, er war sehr zurückhaltend im Offenbaren eigener Theorien, was mehrmals betont wurde, sogar bei der Kritik der Arbeit Werners, anhand offizieller Lehre, verriet er seine Anschauungen der Bewegung der Erde nicht. 64 In dem genannten Brief bezog sich Copernicus nicht auf die sich in Europa verbreitende Meinung, er sei allzu sehr in den astronomischen Anschauungen der alten Griechen verhaftet, wie es von Werner angeblich publik gemacht wurde, dies entsprach aber nicht der Wahrheit. Denn der Brief Copernicus` gehört zum wissenschaftlichen Briefwechsel, indem er in einer Art Rezension des Traktates „Über die Bewegung der achten Sphäre“ begründet, wie die, infolge der Präzession 60
W. Duczko, Genom Mikołaja Kopernika, S. 33. G. Henriksson, Nicolaus Copernicus’s DNA, S. 207-210 und auch die Zusammenfassung, S. 213-214. 62 J. Gąssowski, Badania nad odkryciem grobu, S. 34, Abb. 9. 63 L.A. Birkenmajer, Mikołaj Kopernik, S. 433-436. 64 E. Zinner, Entstehung und Ausbreitung, S. 177, 330; J. Drewnowski, Mikołaj Kopernik, S. 175; J. Dobrzycki, Drobne pisma astronomiczne, S. 4. 61
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vorkommenden, Erscheinungen zu erklären sind. Die Veröffentlichung des Traktates weckte unter den Gelehrten wohlwollendes Interesse, wurde jedoch von Copernicus sehr kritisch beurteilt, indem er dem Verfasser Fehler in der Chronologie, ein Durcheinanderbringen der gleichmässigen und mittleren Bewegung und eine zu weit reichende, negative Einschätzung der Errungenschaften der Astronomen des Altertums vorwarf.65 Das Original des Briefes Nicolaus Copernicus an Bernhard Wapowski (Epistola contra Wernerum) ging unter unbekannten Umständen verloren, doch mit Bezug auf die darin enthaltene Problematik wurde er mehrmals abgeschrieben und verbreitet. Seine Fragmente veröffentlichte zwar Tycho de Brahe, doch der gesamte Brief wurde, trotz der Forderung Pierre Gassendis in der Biographie des Astronomen, erst 1854 in der Warschauer Ausgabe der Schriften des Copernicus gedruckt. Heute sind acht Kopien bekannt. Drei davon sind in Oxford erhalten geblieben, die Johann-Praetorius-Kopie von 1569 wird jetzt in Schweinfurt aufbewahrt, die Wiener Kopie stammt von 1575 und die Berliner Kopie wurde wohl nach 1571 gefertigt. Der Text der 1870 in Strassburg, während des französisch-deutschen Krieges, vernichteten ältesten Kopie aus dem Jahre 1531, war anhand der heute verschollenen Abschrift Antoni Makowskis von 1839, bekannt. Glücklicherweise sind zwei Sekundärabschriften verschont geblieben, eine von Leonard Niedźwiedzki (älter als von 1875), erhalten in der Jagiellonen Bibliothek, die zweite von 1899, die der Bibliothek in Strassburg anstelle der verlorengegangenen übergeben wurde.66 Die sich in der Bibliothek der Sternwarte von Uppsala befindende Abschrift wurde von L.A. Birkenmajer 1897 entdeckt. Diese Kopie ist im Exemplar der zweiten Ausgabe von De revolutionibus aus dem Jahr 1566, auf dem vorderen und hinteren Schutzblatt sowie auf der Innenseite des hinteren Umschlags vermerkt.67 Wir kennen zwar sowohl kein Datum als auch keinen Ursprung der Kopie, doch anhand der von Birkenmajer gefertigten Schriftanalyse ist bekannt, dass sie aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts stammt. Zum gleichen Ergebnis kam Edward Rosen, indem er die Fertigung der Abschrift auf nach 1578 datierte. Dies bestätigten auch die Untersuchungen der Kenner der Copernicus Schriftzüge, insbesondere Jerzy Drewnowski, der den Brief an Wapowski eingehend analysierte und den vollen Text mit seiner polnischen Übersetzung veröffentlichte. Auch Owen Gingerich erkannte auf der Kopie keine Spur der Handschrift des Copernicus, obwohl er weltweit alle ersten und zweiten Ausgaben von De revolutionibus kontrolliert und in Listen erfasst hatte und ihre Provenienz festlegte.68 Es gab also keine Voraussetzung für irgendwelche Mutmaßungen, dass das Papier, auf dem der Brief geschrieben wurde, von der Hand des Frauenburger Gelehrten berührt worden war. Die imaginäre Unterschrift „Niklas Koperni“ hingegen, die von Gąssowski als Beweis dafür zitiert wurde, dass er die Schrift des Astronomen erkennen könne, hat in der Realität absolut keine Gemeinsamkeiten mit der von Kopisten notierten Form des Namens („Nic[olaus] Copphornic[us]“). Daher machte M. Kokowski die Mitglieder des Teams von Gąssowski ganz richtig darauf aufmerksam, dass ihre Aussagen ohne jegliche inhaltliche Grundlagen wären, die die Copernicus Forschungen beträfen. Er bügelte entschieden die „sensationelle“ Entdeckung Henrikssons ab. Es gab absolut keine Notwendigkeit ein Foto des Ausschnittes der Kopie aus Uppsala und einer Seite mit der Handschrift Copernicus zum Vergleich zu veröffentlichen oder weitere Diskussionen mit Henriksson zu führen.69 Eine 65
A. Kempfi, O Kopernikowym Liście, S. 49-64; J. Drewnowski, Mikołaj Kopernik, S. 167-177; E. Rosen, Copernicus’ Letter against Werner, S. 132-134; J. Dobrzycki, Drobne pisma astronomiczne, S. 4, 7. 66 L.A. Birkenmajer, Mikołaj Kopernik, S.492-509; J. Drewnowski, Mikołaj Kopernik, S. 167-180; E. Rosen, Copernicus’ Letter against Werner, S. 127-143; P. Czartoryski, Wstęp (Einführung), in: [M. Kopernik], Rękopisy pism pomniejszych, S. 11-12; J. Dobrzycki, Drobne pisma astronomiczne, S. 6-7. 67 [M. Kopernik], Rękopisy pism pomniejszych, S. 22, 302-307. 68 L.A. Birkenmajer, Mikołaj Kopernik, S. 497-501; E. Rosen, Copernicus’ Letter against Werner, S. 14; J. Drewnowski, Mikołaj Kopernik, S. 217-226; O. Gingerich, An Annotated Census, S. 210-211. 69 M. Kokowski, O wadliwości argumentacji, S. 220-227.
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vollständige Uppsalaer Kopie und auch weitere, mit Erklärungen versehene Schreiben des Copernicus, wurden ja in Form eines Faksimiles von Pawel Czartoryski 1992 in „Nicolaus Copernicus gesammelte Werke, Band IV“ veröffentlicht. Henriksson gab übrigens selbst zu, dass die Sternwarte in Uppsala die englische Version dieses Bandes von P. Czartoryski bekam, es stand dem also nichts im Wege, in den Text hineinzuschauen und sein Unwissen zu korrigieren.70 Es soll angemerkt werden, dass in dem Urentwurf der Ausgabe der „Gesammelten Werke“ von Nicolaus Copernicus unter den Kopien kleiner Schriften des Astronomen keine mit fremder Hand geschriebenen Texte vorgesehen waren. Schliesslich entschied sich P. Czartoryski jedoch auch diese Materialien in Faksimileform zugänglich zu machen, um eben ein für alle Mal Fehler und Missverständnissen zu beseitigen, die aus einem Nichtzugang zu Quellen erfolgen würden. Der Versuch Copernicus DNA aus der in Uppsala aufbewahrten Kopie des Briefes an Wapowski, der in der zweiten Hälfe des 16. Jahrhunderts, also viele Jahre nach des Astronomen Tod, abgeschrieben wurde, zu erkennen, kann eindeutig beurteilt werden – er ist ein Beispiel für aussergewöhnliche Absurdität in der wissenschaftlichen Forschung. Copernicus Haare in Stöfflers Buch? Die Recherchen nach genetischem Material, das einen Vergleich mit dem aus den vermeintlichen Copernicus Gebeinen ermöglichen würde, wurden zwar gebremst, doch die Hindernisse, auf die er stiess, hielten Henrikssons Erfindungsgeist nicht auf. Infolge seiner Kreativität und seines Unternehmungsgeistes wurden „zufällig“ im Stöfflerschen Buch erhaltene „Copernicus Haare“ gefunden und die daraus untersuchte DNA sollte, laut Entdecker, definitiv ihre Zusammengehörigkeit mit den im Dom zu Frauenburg ausgegrabenen Gebeinen des großen Astronomen bestätigen. Den Verlauf weiterer, für die Analysen ungemein wichtiger Schritte, stellen wir, anhand von veröffentlichten Berichten der Mitglieder des Forschungsteams, in erster Linie jedoch von J. Gąssowski selbst, dar: „Weil es nicht erlaubt war, den handgeschriebenen Brief des Nicolaus Copernicus zu untersuchen – obgleich es vorkam, dass seine Authentizität in Frage gestellt wurde – hing die Hoffnung, die Talente der Frau Prof. Allen auszunutzen, am seidenen Faden (polnisch: am Haar).[…] Prof. Henriksson brach durch den Misserfolg mit dem Copernicus Brief nicht zusammen. Er mutmaßte, dass die Büchersammlung des Nicolaus Copernicus - 22 Bände, die sich in der Bibliothek der Universität Uppsala befindet, irgendwelches Material enthalten könne, die unseren Forschungen dienen könnten. […] Für Nicolaus Copernicus interessierte sich in Schweden fast niemand. […] Die Bücher des Copernicus standen so jahrhunderte lang in den Regalen und wahrscheinlich schaute in dieser Zeit niemand hinein. Geschrieben im schwierigen Latein des sechzehnten Jahrhunderts, waren sie im lutherischen Land unverständlich, wo die Lateinische Sprache alltags mit dem verhassten Katholizismus assoziiert wurde. Alles wies darauf hin, dass seit der Zeit, da sich die Büchersammlung auf den Regalen eingefunden hatte, kaum jemand seine Seiten blätterte. Prof. Henriksson gehört zu den Wenigen, die seit Jahren Copernicus Werke forschten. In der Universitätsbibliothek befindet sich ein einst zu Copernicus gehörendes Buch, das nicht in Frauenburg geraubt worden war, sondern auf einem anderen Weg hierher gelangte. Darüber, dass es Copernicus gehörte, entschied unter anderem die graphologische Analyse der einst auf seinen Rändern gemachten Bemerkungen. Entscheidend war ein Vergleich mit dem Brief, von dem früher die Rede war. Es war das von Johannes Stöffler verfasste Buch Calendarium Romanum magnum, herausgegeben 1518 in Oppenheim. […] Laut Henriksson nutzte es Copernicus etwa 25 Jahre lang, indem er es Seite für Seite studierte und daraus ein wichtiges Hilfsinstrument bei seinen 70
The manuscript of Nicholas Copernicus’Minor works. Facsimiles (Nicholas Copernicus Complete works IV) ed. by P. Czartoryski, Warsaw-Cracow 1992, S. 9-12, 21, 302-307; vgl. G. Henriksson, Nicolaus Copernicus’s DNA, S. 207.
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Forschungen machte. Dieses hoch spezialisierte Werk konnte nur von einem hervorragenden Mathematiker oder Astronomen genutzt werden. In der Geschichte des Doms zu Frauenburg war Nicolaus Copernicus allein ein solcher Mann.“71 Das Zitieren längerer, von den Copernicus – Grabsuchern veröffentlichten, Textpassagen erweist sich als notwendig, da sie nicht nur die Kulisse ihrer wissenschaftlichen Werkstatt aufdecken, sondern auch die wundersamen Wege zu ihren Schlussfolgerungen und abstrusen Überzeugungsmethoden der Empfänger ihrer, manchmal sehr verblüffenden, Thesen zeigen. Zu Beginn müssen die Albernheiten berichtigt werden, die, in den von J. Gąssowski ex cathedra verkündeten Ausführungen und hier in erster Linie die, über eine Unkenntnis der Lateinischen Sprache im 16. Jahrhundert im „Lutherischen Land.“ Es sei daran erinnert, dass Latein die Sprache der Gelehrten auch in Schweden blieb. Lateinisch schrieb man Dissertationen im 17. Jh. in allen lutherischen und katholischen Ländern, die Nationalsprachen bahnten sich erst im 18. Jh. mühsam ihren Weg zu wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Sogar im 19. Jh. und der ersten Hälfte des 20. Jh. gehörten Lateinkenntnisse zum Bildungskanon eines Wissenschaftlers. Gleich erstaunlich klingt die Behauptung von mangelnder Leserschaft, die sich für die Lektüre der nachgelassenen Bücher des Astronomen interessierte.72 Ganz im Gegenteil, die Zahl der Personen, die Bücher und Handschriften des Copernicus suchten, ist im Laufe der Jahrhunderte gestiegen. Es wurde zuerst nach Ermland und Frauenburg gepilgert, dann wurden in den Büchern und Handschriften des Astronomen in Schweden, sowohl von den am Nachlass Copernicus interessierten Schweden und Polen als auch von deutschen Gelehrten, geblättert. Die Zahl der nach Schweden reisenden Forscher, die die dortigen Bibliothekssammlungen systematisch durchstöberten, wuchs insbesondere ab Mitte des 19. Jh. Und so ist es im ganzen nächsten Jahrhundert bis zum heutigen Tage geblieben.73 Man stilisierte Henriksson zum Experten. Die, im Brustton der Überzeugung gemachten, Wiederholungen von einmaligen Entdeckungen durch jemanden, der als einer der wenigen seit Jahren die Büchersammlung des Copernicus erforschte und feststellte, dass die Marginalien von der Hand des Astronomen geschrieben wurden, obwohl dieses seit über einem Jahrhundert bekannt ist, sollte zu den sagenhaften Erzählungen gerechnet werden. Das wird durch die Forschungsmethode G. Henrikssons bestätigt, da er die Notizen auf den Randflächen des Stöfflerschen Buches graphologisch analysierte und sie mit der oben genannten Kopie des Briefes des Astronomen an B. Wapowski verglich. Henriksson stellt also den Text von einer unbekannten Person, erst in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. geschrieben, den Notizen Copernicus im Kalender Stöfflers gegenüber und kommt zum 71
J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 93-95. Auskünfte über das Interesse an Copernicus in Schweden finden die Verfasser dieser unsinnigen Aussagen beispielsweise in Veröffentlichungen: T. Borawska, Copernicus i svensk vetenskap och kultur, S. 43-91; eadem, Zur Copernicus` Rezeption in Schweden, S. 123-140; eadem, Od negacji do akceptacji, S. 17-33 und in der deutschen Fassung: In der Ablehnung bis zur Akzeptanz, Biuletyn Polskiej Misji Historycznej, 4:2007, S. 169184; eadem, Recepcja teorii heliocentrycznej Kopernika w krajach skandynawskich, in: Norwegia-Polska. Norge-Polen. Przeszłość i teraźniejszość. Fortid og nåtid, Red. E. Denkiewicz-Szczepaniak, O.K. Grimnes, Toruń 2006, S. 9-21 und norwegische Fassung: Resepjonen av Copernicus’ heliosentriske teori i de skandinaviske land, ibidem, S. 23-37. 73 Die das Suchen nach Handschriften und Büchern des Copernicus betreffende Literatur wurde in der von H. Baranowski bearbeiteten „Bibliografia kopernikowska“ notiert. An dieser Stelle nennen wir nur als Beispiele die ausgewählten, der Bibliothek Copernicus gewidmeten Veröffentlichungen, E. Barwiński, L. Birkenmajer, J. Łoś, Sprawozdanie, S. 94-119; E. Zinner, Entstehung und Ausbreitung, S. 404-408; L. Jarzębowski, Biblioteka Mikołaja Kopernika; B.-M. Rosenberg, Die Bibliothek des Copernicus, S. 134-159; T. Borawska, Dawne książki warmińskie, S. 179-205; eadem, Katalog der ermländischen Handschriften, S. 95-127; eadem, Nicolaus Copernicus und die Welt seiner Bücher, S. 180-207; A. Goddu, Copernicus’ Annotationes, S. 202-226. Die Verfasser des Gąssowski Teams berufen sich selbst auf die Arbeiten: L.A. Birkenmajer, Stromata Copernicana [wir fügen hinzu S. 290-335] so wie auch auf P. Czartoryski, The Library of Copernicus, S. 355-396. Einen Mangel an detailliertem Wissen über Copernicus bei Gąssowskis Team zeigt schon M. Kokowski , O wadliwości argumentacji, S. 222-226. 72
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verblüffenden Schluss, dass das Buch dem Astronomen gehörte. Die auf solche Art und Weise geführten Geschichtsforschungen und die daraus gezogenen Schlüsse können nur zur Kategorie nonsens pur qualifiziert werden.74 Aus einer weiteren, von J. Gąssowski mitgeteilten, Beschreibung der Ereignisse folgte, dass W. Duczko, gemeinsam mit G. Henriksson „sich mit dem Buch Stöfflers zu M. Allen begaben. Als sie sich das Buch aufmerksam Blatt für Blatt anschauten, trafen sie auf insgesamt neun Haare“, doch nur an vier hatten sich Haarwurzeln erhalten, „ohne die eine Analyse gegenstandslos wäre.“75 „Nach ihrer Untersuchung stellte sich heraus, dass zwei von ihnen mitochondrialen Genotypus aufweisen, der mit der DNA aus den Zähnen und Knochen, die geborgen aus dem vorläufig festgelegten Grab des Copernicus (Nr.13/05), übereinstimmt.[…] Eine Identifizierung der Authentizität des Fundes im Dom zu Frauenburg und die Rekonstruktion des Gesichts anhand des Schädels hingen an […] zwei Haaren, […] die etwa 450 Jahre alt sind“.76 In einer anderen Veröffentlichung gab jedoch J. Gąssowski an, in dem Buch Stöfflers seien zehn Haare gefunden worden.77 Ein wenig anders stellte W. Duczko den Verlauf derselben Ereignisse dar: „Am 24. September 2007 im Museum Gustavianum, wo das Exemplar ausgestellt wird, begannen wir gemeinsam – Dr. Marie Allen, Dr. Göran Henriksson und ich – die erste Untersuchung des Buches von Stöffler.[…] Dieses Buch war ordentlich geheftet und die Plätze, in denen sich für uns interessantes Material befinden sollte, gab es relativ tief zwischen den Seiten. Dr. Henriksson führte eine richtige Öffnung des Buches an den für uns interessanten Stellen durch. Das Haar wurde gefunden. Es war nicht das einzige; zwischen den Seiten wurden noch einige weitere gefunden, ehe erkannt wurde, dass das entnommene Material für weitere Forschungsarbeiten ausreichend sei. Dann wurden am 6. Februar 2008 weitere 9 Haare entdeckt, was von dem Danziger Filmemacher Michal Juszczakiewicz dokumentiert wurde.“78 Der Drahtzieher der Suche nach „Copernicus Haaren“ und ihr eigentlicher „Entdecker“ G. Henriksson gab in seiner Fassung der Ereignisse ergänzende Einzelheiten an, die in der polnischen Zusammenfassung des englisch geschriebenen Artikels veröffentlich wurden: „Am 24. September 2007 begannen Marie Allen, Władysław Duczko und der Verfasser in dem Buch Haare zu suchen, Sie ließen sich schnell finden und Marie Allen musste Tütchen fertigen, um sie zu transportieren, denn sie hatte keine Spezialumschläge dafür bei sich. Da er dieses Ereignis für einen historischen Moment hielt, machte Prof. Henriksson Fotos von den ersten, an dem Tag gefundenen, Haaren.“79 In dem englischen Text erklärte G. Henriksson zusätzlich, dass am 6. Februar 2008 begonnen wurde, erneut „das von Copernicus stammende biologische Material“ auf Wunsch eines polnischen Filmteams, das nach Uppsala kam, zu suchen und dabei wurden damals in dem Buch Stöfflers weitere 9 Haare gefunden, was auch die Kamera M. Juszczakiewicz aufnahm.80 Den Suchprozess nach biologischem Material, das eine genetische Identifizierung Nicolaus Copernicus ermöglichen würde, beschrieb auch M. Allen. Sie bemerkte, dass es den, in großem Massstab geführten, Forschungen nicht gelang, Verwandte des Astronomen ausfindig zu machen, doch es zeigte sich schließlich eine Möglichkeit, an einen anderen Typ der Proben von “unmittelbarem biologischen Material“, welches wahrscheinlich von Nicolaus Copernicus stammen konnte, zu geraten. Sie hob gleichzeitig stark die Rolle, die in diesem Fall G. Henriksson spielte, hervor: „Prof. Göran Henriksson von der Fakultät für Physik und Astronomie der Universität 74
Gerade zum Führen von Geschichtsforschungen wurde G. Henriksson vom Leiter des Teams um J. Gąssowski angeheuert, Badania nad identyfikacją grobu Kopernika, S. 238. 75 J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 95. 76 Ibidem, S. 97. 77 J. Gąssowski, Badania nad odkryciem i identyfikacją grobu, S. 20. 78 W. Duczko, Genom Mikołaja Kopernika, S. 34. 79 G. Henriksson, Nicolaus Copernicus’ DNA, S. 214. 80 Ibidem, S. 211-212.
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Uppsala besitzt ein gründliches Wissen zum Thema Copernicus und war beim Suchen nach Proben des unmittelbaren Vergleichsmaterial sehr hilfreich. Er führte eine Analyse der sich in der Bibliothek Carolina Rediviva befindlichen Copernicanischen Sammlung und im Museum Gustavianum in Uppsala durch. [...] Im Gustavianum ist ein von Johannes Stöffler verfasstes Buch, Calendarium Romanum magnum, aus dem Jahr 1518 ausgestellt, das Jahrzehnte lang das Eigentum von Copernicus war. Trotz der langen Zeit, die seit dem verging als Copernicus dieses Buch studierte, konnte nicht ausgeschlossen werden, dass es Haare enthielt, die beim häufigen Gebrauch ausgefallen waren. Es wurden zweimal unabhängige Inaugenscheinnahmen durchgeführt, die es erlaubten, einige wurzellose Haare ans Tageslicht bringen. Diese Haare wurden eben im Museum zu Vergleichszwecken sichergestellt. Nach ihrer genauen Reinigung wurden sie einer DNA-Analyse unterzogen“.81 Beim aufmerksamen Lesen obiger Texte zwingen sich unwiderstehlich Gedanken auf, die mit denen, in der wissenschaftlichen Forschung geltenden Elementarprinzipien eines kritischen Begutachtens des darzustellenden Quellenmaterials, verbunden sind. Man sucht also vor allem nach Antworten auf die Fragen, die die äussere Beschreibung der entdeckten Quellen, das Datum und die Umstände ihres Auffindens, ihrer Authentizität, sowie eine möglichst präzise Bestimmung des Ortes und der Zeit ihrer Entstehung betreffen. In dem konkreten Fall ist sogar die Anzahl der aus dem Buch entnommenen Haare nicht bekannt. Laut J. Gąssowski waren es nur neun oder zehn Haare, W. Duczko gab mehr als zehn an, was von G. Henriksson bestätigt, von M. Allen dagegen auf „einige“ reduziert wurde. Von der Beschreibung der Ereignisse erfährt man, dass dem aufmerksamen Durchblättern des Buches im September 2007 zum Trotz, die Suche im Februar 2008 wiederholt und sogar noch neun Haare dazu gefunden wurden. Angesichts des oben Genannten stellen sich Fragen, die sich sowohl auf die Sorgfältigkeit der ersten als auch auf den Grund der erneuten Forschung beziehen. Woher kamen die weiteren Haare, die am 6. Februar 2008 bei der Anwesenheit eines Filmteams entdeckt wurden, wenn das Buch bereits ein halbes Jahr vorher, Seite für Seite, aufmerksam durchforscht worden war. 82 Welche Hypothese weist demzufolge darauf hin, dass alle neun Haare auch über 450 Jahre lang erhalten blieben und so wie die zuvor gefundenen, vor Jahrhunderten von Copernicus Haupt gefallen waren? Uns ist auch keine Länge und Farbe der Haare bekannt. Es wurde auch nicht angedeutet, ob darunter graue Haare erhalten geblieben waren. Besonders interessant könnte für Historiker die Information sein, ob die gefundenen Haare Färbespuren enthielten, da anhand von entzifferten Notizen des Copernicus bekannt ist, dass er als Arzt eine Mixtur geschaffen habe, mit der die Haarfarbe verändert werden konnte. Allem Anschein zum Trotz könnte eine, wenn auch nur partielle Antwort auf die obigen Fragen gegeben werden, um damit den Versuch einer Bestätigung der Identität der zu erforschenden Gebeine zu unterstützen. Die gestellten Fragen sind deshalb von wesentlicher Bedeutung und daher sehr eng mit den Grundfestlegungen K. Piaseckis, der im Protokoll einer anthropologischen 81
M. Allen, Analiza DNA włosów, S. 228; eadem, DNA analysis, S. 216-217 und in polnischer Zusammenfassung, S. 220-221. 82 J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 95. Es ist schwer das Gefühl los zu werden, dass vor der Kamera eine Szene nur gespielt wurde, die die Entdeckung von „neun Haaren des Astronomen“ zeigte. Doch in diesem Fall gab es keinen Zusammenhang mit wissenschaftlichen Forschungen. Die Unterschrift unter dem veröffentlichten Bild scheint auch darauf hinzuweisen: „Von rechts Prof. Marie Allen, Prof. Göran Henriksson und Prof. Władysław Duczko über einem astronomischen Kalender, der einige Jahrzehnte lang im Besitz des Astronomen war. Die Wissenschaftler finden ein weiteres Haar,“ M. Allen, Analiza DNA włosów, S. 231. Dem Leser soll erklärt werden, die drei geneigten Professorenköpfe auf dem Bild werden von keinen Mützen abgeschirmt, die das offene Buch Stöfflers vor ihren ausfallenden Haaren schützt. An den Händen der Wissenschaftler nehmen wir Handschuhe wahr. So ein Bild von vor der Kamera lächelnden Wissenschaftlern, die in weißen Handschuhen ihre „epochale Entdeckung“ darbieten, bringt jedes Mal des Schreibenden Alarmglocken zum Klingen, die vor einem Versuch warnen, richtige Errungenschaften zu verschleiern.
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Analyse des Schädels aus dem Grab 13/05 notierte, die verstorbene Person „hatte dunkles, von dunkelbraun bis schwarzes Haar, mit einer Neigung zur Wellenförmigkeit.“83 Ein eigenes Problem bleibt die These der Entdecker, die Haare stammten aus der Copernicus Zeit. Es ist unbekannt, auf welcher Grundlage dieses festgelegt wurde, da irgendwelche Untersuchungsergebnisse, die das Alter des Fundes hätten bestimmen können, nicht veröffentlich wurden. Bei der Suche nach Antworten auf die obigen Zweifelsfragen sollten also Voraussetzungen erwogen werden, von denen sich die Mitglieder des Teams von J. Gąssowski leiten ließen. A priori nahmen sie an, dass die aus dem Werk Stöfflers geborgenen Haare von Copernicus Haupt stammen mussten, da kaum jemand während dieser lange zurückliegenden Zeit in das Buch hineingeschaut hatte. Angesichts solcher Annahme muss untersucht werden, ob tatsächlich die dem Astronomen gehörenden, nach seinem Tod eingepackten, Bücher bis zu ihrer Ausfuhr nach Schweden unberührt lagen, ohne von jemandem durchgeblättert worden zu sein. Dann wurden sie auf Sonderregalen in der Bibliothek Uppsala geordnet, wo sie seit Jahrhunderten standen, von Lesern, Bibliothekaren und Hilfskräften gemieden und von niemandem auch nur angefasst. Denn nur unter solch idealen Bedingungen konnten „Copernicus Haare“, tief zwischen den Seiten des Bandes verborgen, geduldig das triumphale Ankommen des Forscherteams von Gąssowski erwartend, um die Hauptrolle in dem Schwank, dem der Titel „wissenschaftliche Forschungen“ verliehen wurde, zu spielen. Das anhand der veröffentlichten Berichte groteske Bild der Geschichte der Büchersammlung des Copernicus, das die Teammitglieder von Gąssowski der Leserschaft zu suggerieren versuchen, schweift weitgehend von den Tatsachen ab. An dieser Stelle soll an einen, aus alten Zeiten stammenden, lateinischen Spruch erinnert werden: habent sua fata libelli, denn die Bücher machten tatsächlich Verschiedenes durch und erlitten so manchen Schicksalsschlag. So war es auch im Fall der Bibliothek des Nicolaus Copernicus, was der Kalender Stöfflers auf den verschiedenen Etappen seiner Wanderung und in den Händen neuer Inhaber oder weiterer Nutzer, anschaulich macht. Untersuchen wir demzufolge eingehend, wer und wann davon Gebrauch machte, das heißt in dem konkreten Fall, wessen Haare sich zwischen die Seiten des Bandes verstecken konnten und ob sie wie durch ein Wunder erhalten blieben, bis sie spektakulär geborgen wurden. Das 1518 veröffentliche Werk Johannes Stöfflers Calendarium romanum magnum entstand als Reaktion auf die Bulle Leon X., die die Universitäten und Gelehrten aufforderte, ihre Gutachten in der Sache der, auf dem Lateranischen Konzil 1512, vorgelegten Korrektur des Julianischen Kalenders darzulegen. Es ist bekannt, dass auch Copernicus dieser Aufforderung schriftlich nachkam; sein besonderes Interesse galt auch dem Calendarium. Der ganze Druck bestand aus zwei Teilen, wobei der erste die Abhandlung Stöfflers samt einem Entwurf und einer historischen Begründung der Kalenderkorrektur beinhaltete. In dem zweiten Teil, nach dem Abacus regionum mit einer Zusammenstellung der geographischen Längen und Breiten, vieler Städte Europas, geordnet nach Länder und Provinzen, folgt der richtige Kalender mit weit über hundert Berechnungen und Zeichnungen für Sonnen- und Mondfinsternisse der Jahre 1518 -1573. Im ersten Teil fehlen Notizen, doch es gibt zahlreiche markierte Absätze, Unterstreichungen, Druckfehlerkorrekturen mit Tinte und mit einem dicken Bleistift, von fremder Hand vorgenommen. Im zweiten Teil wurden von Copernicus Hand Druckfehler korrigiert und kleine Bemerkungen eingetragen. Doch die Mehrheit der Notizen des Astronomen befindet sich bei den Zusammenstellungen und Zeichnungen der Sonnen- und Mondfinsternisse. Laut L. A. Birkenmajer nutzte der Astronom das Calendarium schon 1518 und nahm es mit auf die Reisen durchs Land.84 Die von Copernicus unter dem 6. April 1540 und dem 20. August 1541notierten Beobachtungen von Sonnen- und Mondfinsternissen fanden während des Aufenthaltes Georg 83
J. Gąssowski, Badania archeologiczne, S. 38. L.A. Birkenmajer, Mikołaj Kopernik, S. 318, 546-556; P. Czartoryski, The Library of Copernicus, S. 372, Nr 18; Regesta Copernicana, S. 194 (so wie nach S. 160 Bild 14-15). 84
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Joachim Rheticus’ im Ermland statt. Mit Rheticus zusammen blätterte auch Heinrich Zell die Arbeit von Stöffler durch, früher neigten sich mit Interesse die Freunde des Astronomen darüber: T. Giese, A. Sculteti, G. Donner und sogar Hildebrand Ferber. Nach dem Tod Copernicus übergaben die Testamentsvollstrecker Dietrich Reden, Leonhard Niederhof, Georg Donner und Michael Loitz das Buch, dem letzten Willen des Verstorbenen gemäss und nach genauer Durchsicht, zusammen mit den anderen Büchern des Astronomen der Domkapitelbibliothek. In einem speziell eingerichteten Leseraum nutzten den Kalender nicht nur Kanoniker, er wurde auch von Frauenburg besuchenden Astronomie Liebhabern und Kennern des Copernicus Werkes durchgeblättert. An dieser Stelle sollen nur exemplarisch ein Vertreter von Tycho Brahe, Reisende aus Königsberg oder auch Johannes Broscius genannt werden. Ein zusätzliches Interesse erweckten wohl auch Arbeiten an der Korrektur und der Einführung des Gregorianischen Kalenders 1582, es schauten also damals nicht nur Kanoniker sondern auch viele andere Personen in das Buch hinein. 85 Das nächste Mal wurde das Calendarium 1567 von jenen durchgeblättert, die die Dombibliothek ordneten, wie z.B. Johann Langanius (gest. 1567), der auf das Titelblatt das Inhaberzeichen Liber Bibliothecae Warmiensis setzte. Die erneute Inventur der Frauenburger Büchersammlung erfolgte 1598.86 Das weitere Schicksal des Kalenders ist nicht genau bekannt, doch das Buch wurde wohl 1626, zusammen mit anderen, von Schweden in Frauenburg gesehen, eingepackt und übers Meer verschifft. In Stockholm wurde die geraubte Bibliothek des ermländischen Domkapitels, zusammen mit anderen Büchern des Copernicus, erneut genau geprüft. Calendarium romanum magnum wurde zwar nicht verzeichnet, doch das bedeutet nicht, dass das Werk damals verloren ging. Bekannt ist, dass nicht alle Bände dokumentiert wurden, manche, die besonders begehrt waren, gingen sogar ohne Vermerk in fremde Hände über. Die Mehrzahl der von Schweden entwendeten ermländischen Bücher übergab man dann der Bibliothek von Uppsala. Nicht bekannt ist, wer der Besitzer des Kalenders wurde, doch er gelang, der Reihe nach, in die Hände der Professoren für Astronomie Eric Burman (1692-1729) und später Olof Hjorter (1696-1750), des Schwagers von Anders Celsius (1701-1744). Schließlich ging das Buch als ein Bestandteil der Sammlung Hjorters in die Bibliothek der Sternwarte in Uppsala und diente mehreren Generationen angestellter Wissenschaftler dieser Institution, wie z.B. Carl Charlier, Bertil Lindblad oder Knut Lundmark. Nach jahrelanger Suche wurde das Exemplar 1897 von L. A. Birkenmajer gefunden, dank der Hilfe des weltberühmten schwedischen Astronomen Nils Christofer Dunér (18391914). Auch die Krakauer Akademie der Gelehrsamkeit wandte sich damals an die Leitung der Sternwarte in Uppsala mit der Bitte, ihr das Buch zuzuschicken. Calendarium wurde sorgfältig geprüft, dann verpackt und im April 1898 nach Krakau übersandt. Nach dem Auspacken wurde an Ort und Stelle der Inhalt des Buches von dem Direktor der Sternwarte der Jagiellonischen Universität Franciszek Karliński (1830-1906) und sicher auch von anderen inspiziert. Besonders penibel blätterte es L. A. Birkenmajer durch. Die von ihm damals detailliert gefertigte Beschreibung des Zustands des Bandes zeigt, dass ihn viele Leser in den Händen gehabt hatten. Das Exemplar war in einem braunen Ledereinband mit eingedruckten Blumen- und Geometriemotiven auf Pappe. Es erhielten sich Reste von zwei Riemenpaaren, die einst zum Zubinden des Buches dienten. In der Mitte des inneren Vorderblattes des Umschlags wurde die alte Signatur „Coll. Hjort. G I 51“ und auf antefolium recto die Inschrift mit Dunérscher Hand „Tillhör astronomiska Observatoriet i Uppsala“, platziert. Die rechte untere Ecke der Titelseite wurde abgeschnitten, dort befand sich wohl das Zeichen des ehemaligen Besitzers, daneben erhielt sich die Unterschrift „E. Burman“87. Nach der Untersuchung wurde das Buch eingepackt und nach Uppsala zurückgeschickt, nach dem 85
Aufmerksam darauf gemacht wurde das Team Gąssowskis bereits von A. Sołtysiak, Wskaźnik interpretacyjny w archeologii, S. 39. 86 F. Hipler, Analecta Warmiensia, S. 375. 87 L.A. Birkenmajer, Mikołaj Kopernik, S. 546-556.
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Auspacken und der Überprüfung des Zustandes, stellte Duner das Werk Stöfflers wieder ins Regal der Bibliothek der Sternwarte, wo es weiterhin den Astronomen und interessierten Lesern diente. Im Sommer 1911 wurde das Calendarium erneut gründlich von Mitgliedern einer, dank der Bemühungen der Akademie der Gelehrsamkeit Krakau, nach Schweden geschickten wissenschaftlichen Expedition analysiert, dazu gehörten Eugeniusz Barwiński, Jan Łoś, L.A. Birkenmajer und sein Sohn Aleksander, sowie auch dem, mit ihnen zusammenarbeitenden schwedischen Bibliothekar Isak Collijn.88 Es wurde dann, im Rahmen der nächsten, von dortigen Bibliothekaren durchgeführten Bestandsaufnahme, auf dem Titelblatt unten ein Stempel mit dem Aufdruck „Uppsala Universitets Astronomiska Observatorium“ platziert. 1938 schaute Jeremi Wasiutyński den Kalender an und 1942 die Mitglieder der deutschen Expedition um Hans Schmauch und Johannes Papritz. Damals wurden auch viele Fotos von den Notizen an den Rändern des Werkes gemacht. In der gleichen Zeit interessierte sich auch einer der verdienstvollsten, schwedischen Copernicus – Spezialisten, Henrik Sandblad, für das Buch. Er verfasste einige Arbeiten über die Rezeption des Heliozentrismus in den skandinavischen Ländern und 1960 die Biographie des Frauenburger Astronomen. Von ihm kam wohl auch 1966 der Vorschlag, im Zusammenhang mit den Vorbereitungen zum kopernikanischen Jahrestag 1973, das Buch Stöfflers zu renovieren und neu zu binden. Bei dieser Gelegenheit wurden aus dem Einband die dort eingeklebten Texte und Noten entfernt und dann als Xerokopien in das Buch eingelegt.89 Das näher rückende kopernikanische Jubiläum verursachte einen immensen Interessenzuwachs an der Person des Astronomen, daher fuhren viele Forscher nach Schweden und suchten nach Copernicus Spuren. Zu ihnen gehörte vor allem Owen Gingerich, der eingehend das einsehbare Exemplar des Kalenders untersuchte und fotografierte, als er die ersten Ausgaben von De revolutionibus aufzeichnete. Im Rahmen der Vorbereitungen auf die geplante Arbeit über die Büchersammlung des Copernicus, weilte Leonard Jarzębowski in Uppsala und arbeitete das Werk Stöfflers durch, notierte seinen Inhalt und machte sogar Abrisse des bereits verbesserten Einbandes, in seiner Veröffentlichung druckte er eine Fotokopie des Titelblattes.90 1968 arbeitete in Schweden auch Marian Biskup, der das Material für eine großzügig geplante Abhandlung über das Leben und die Tätigkeit des Copernicus sammelte.91 Bei der Analyse der Korrespondenz und verschiedener erhaltener Unterlagen, studierte er besonders sorgfältig die von Copernicus in Calendarium romanum magnum hinterlassenen Notizen. In seinem Auftrag und für künftige Veröffentlichungen wurden erneut Fotos von einigen Seiten des Kalenders mit Copernicus Notizen gefertigt. 92 In der gleichen Zeit liefen Vorbereitungen zur Herausgabe der gesammelten Werke des Copernicus, im Rahmen dieses Unternehmens weilten einige Male Paweł Czartoryski und die Mitglieder seines Teams in Schweden.93 In jener ersten Phase der Forschungen konzentrierte Czartoryski seine Aufmerksamkeit auf die Büchersammlung von Copernicus, daher blätterte er mehrfach in Calendarium und analysierte sorgfältig handschriftliche Notizen, die Copernicus hinterlassen hatte. Czartoryski fertigte eine sehr genaue Beschreibung des
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Sprawozdanie, S. 114-115, Nr. 180. Die Rückgabe, des in dem Konservierungslabor der Universitätsbibliothek zu Uppsala renovierten Buches und 11 Kopien, bestätigte ein angehägter Brief vom 1. Dezember 1966 an die Sternwarte. 90 L. Jarzębowski, Biblioteka Mikołaja Kopernika, S. 41-42. 91 M. Biskup, Kwerenda w kopernikanach szwedzkich, KHNT, 13:1968, Nr. 3, S. 747-750. 92 Notizen aus Calendarium ermöglichten astronomische Beobachtungen Copernicus’ zu datieren, daher berief sich M. Biskup auch mehrmals auf die einzelnen Seiten des Werkes von Stöffler, siehe: Regesta Copernicana, S. 8 und Fussnote, auch Nr. 240, 249, 273, 302-303, 340, 357, 360, 416, 436, 470 und die Bilder 14-15 nach S. 160. 93 M. Kokowski, O wadliwości argumentacji, S. 222-225. 89
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Werkes und seines Erhaltungszustandes, die er in einer sehr verkürzten Form in seiner Veröffentlichung druckte.94 Im Hinblick auf die Feierlichkeiten zum kopernikanischen Jahrestag gaben die Behörden der Universität Uppsala ihre Zustimmung, dass die Büchersammlung des Astronomen 1973 nach Polen übersandt werden durfte. Im Rahmen dieses Beschlusses wurde das Werk Stöfflers eingepackt und nach Thorn geschickt, wo die Bibliothekare sorgfältig die Seiten blätterten um so den Zustand des Werkes zu überprüften, und es dann in dem Schaukasten platzierten. Anschließend machte Calendarium romanum magnum, zusammen mit anderen Büchern aus Uppsala eine Reise nach Warschau, wo sie wieder dem Publikum zugänglich gemacht wurden. Bei der Gelegenheit wurde von der ganzen Sammlung, natürlich einschliesslich des Kalenders, Mikrofilme gemacht. Dann kehrte das gewissenhaft verpackte Buch in die Sternwarte nach Uppsala zurück.95 Hier weckte es weiterhin das Interesse der Bibliothekare und der Leser. Es ist bekannt, dass 1977 Nils Olander das Calendarium intensiv untersuchte und eine Abhandlung schrieb, die die Sammlung der in der Sternwarte befindlichen Altdrucke betraf. Das Werk Stöfflers arbeitete auch Professor Józef Trypućko im Zuge seiner Forschungen zur Erstellung eines Verzeichnisses der ermländischen Bücher in schwedischen Sammlungen durch. In den Jahren 1981-1983 und noch einige Male später war es Teresa Borawska. Der Verfasser dieser Worte beugte sich 1983 zwei Mal, mit gebührender Aufmerksamkeit, über die offenen Seiten von Stöfflers Kalender. Seinerzeit wurden auch vom Verfasser dieser Worte für private Zwecke Kopien von ausgewählten Kalenderseiten für eine Analyse der Handschrift des Copernicus gefertigt. Kurz vor 2004 war auch André Goddu aufmerksamer Leser des Buches, um dann einige Feststellungen P. Czartoryskis zu korrigieren.96 Die detaillierte Beschreibung des Schicksals von Calendarium schließen wir mit der Nachricht, dass 2001 das Buch von Stöffler im Museum Gustavianum seinen Platz fand und gerade dort wurden 2007 und 2008 von den Professoren G. Henriksson, M. Allen und W. Duczko „Copernicus Haare“ ans Tageslicht befördert. Die zahlreichen Pilgerreisen Calendariums zeigen also unumstößlich, dass das Suchen nach „biologischen Überbleibseln des Copernicus“ in irgendeinem Buch und ihre Verwendung als Vergleichsmaterial für eine genetische Analyse zur Identitätsbestimmung eines Unbekannten, haarsträubender Unsinn ist. Daher ist das dem Leser einreden wollen, dass nach all den Wanderjahren von einem Besitzer zum anderen, oftmaligem Ein- und Auspacken, übers Meer schicken und wiederholtes Stellen in Regale, Durchblättern, nur gewöhnliches Anschauen oder über dem geöffneten Buch den Kopf beugen, durch bekannte und unbekannte Leser, Bibliothekare und viele fremde Personen, in irgendeinem Buch immer noch „Copernicus Haare“ erhalten geblieben sind, in wissenschaftlichen Forschungen einzig und allein als infamer Missbrauch zu erkennen. In solchem Fall konnte das Akzeptieren von Haaren unbekannten Ursprungs, die in dem Buch sich in der Tat nach der letzten Renovierung einfanden, als Vergleichmaterial für genetische Untersuchungen der Gebeine aus dem Dom zu Frauenburg, nur auf der Grundlage einer „himmlischen Offenbarung“ erfolgen. Die Mitglieder des Teams Jerzy Gąssowskis wollten es unbedingt und glaubten an ihre Entdeckung, wobei sie auf dem gleichen „Niveau“ andere davon zu überzeugen versuchten. „Sie vergaßen jedoch, dass in der Wissenschaft der Glaube allein weniger wiegt als ein Nichts,“ wie es richtig von Jerzy Sikorski selbst bemerkt wurde.97
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P. Czartoryski, The Library of Copernicus, S. 372, Nr. 18. M. Biskup, Wystawa księgozbioru uppsalskiego, S. 625-630. 96 A. Goddu, Copernicus’s Annotations. Revision of Czartoryski’s „Copernicana“, Scriptorium, 58: 2004, S. 202-226. 97 Zob. J. Sikorski, Lokalizacja miejsca pochowku, S. 61. 95
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DNA – Untersuchungen bestätigen die Authentizität der mutmaßlichen Copernicus Gebeine? Detaillierte DNA-Analysen gehen über den Kompetenzbereich eines Historikers hinaus, daher können wir nur den Gedankengang der Experten auf dem Bereich und die von ihnen daraus gezogenen Schlussfolgerungen verfolgen. Bei einer Vorstellung der erreichten Ergebnisse müssen wir unendlich aufpassen, inwieweit sie bei einer Lösung der Probleme, wie die, die dem Team bei der Grabsuche begegneten, helfen könnten. Die Ergebnisse der Untersuchungen des Labors des Museums und des Institutes für Zoologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften machte 2008 Wiesław Bogdanowicz bekannt.98 Analysiert wurde ein Zahn des, aus dem Grab 13/05 im Dom zu Frauenburg geborgenen, Schädels und von der Testprobe M 1934 wurde ein Haplotyp mt DNA festgestellt. In dem veröffentlichten Text verblüfft, neben dem fehlenden Datum der durchgeführten Untersuchung, die Tatsache, dass die Analysen in zwei unabhängigen Laboren und von zwei autonomen Forschungsteams durchgeführt wurden, ohne die zweite Institution zu nennen. „Beide Forschungseinheiten stellten einen erheblichen Zerstörungsgrad des genetischen Materials fest, was vermuten lässt, dass es einige Jahrhunderte alt sein könnte - eine genaue Datierung bei dem Zerstörungsgrad der DNA ist nicht möglich.“ 99 Noch mehr überraschen weitere, in der Zusammenfassung des Materials gesammelten, Schlussfolgerungen: „Der erhaltene Haplotyp wurde sowohl in den Zähnen als auch in Skelettknochen festgestellt, die Bestätigung für die Zugehörigkeit zu einer Person.“100 Es ist nicht bekannt, auf welche Weise ein solches Ergebnis zustande kam, wenn W. Bogdanowicz die Analyse von nur einem Zahn zur Darstellung bringt. Die nächsten Untersuchungserkenntnisse scheinen gleich rätselhaft zu sein: „Die Analyse der Kernmarker gestatteten die Feststellung, dass die untersuchten Gebeine von einem Mann aus kaukasischer Population stammten“.101 In seinem Artikel publizierte Bogdanowicz jedoch, ohne einführende Information über die gemachte eigene Analyse der Kernmarker, keine Ergebnisse, sondern einzig und allein nur die aus einem analysierten Zahn mt DNA. Die nächste vage Feststellung, dass „das erzielte genetische Profil (mt DNA-Domänen HVRI und HVRII) […] für einen Bürger Thorns aus dem 15.Jh. – 16.Jh. zu sein scheint“, kann nur für eine Form des Wunschdenkens gehalten werden, jedoch ohne jeglichen Zusammenhang mit den durchgeführten Untersuchungen. 102 Die Lektüre der oben dargestellten Publikation beweist daher unumstößlich, dass Bogdanowicz in dem Resümee seines Artikels in großem Umfang auch die Ergebnisse eines anderen Teams benutzte. Die Zweifel werden zum Teil in dem 2010 gemeinsam veröffentlichten Text von W. Bogdanowicz und Marta Gajewska angedeutet. Es stellte sich heraus, dass die Fragmente des im Frauenburger Dom geborgenen Skeletts Ende Juni 2006 nach Warschau gebracht wurden. „Einen Monat später“ begutachteten die Mitarbeiter des Warschauer Labors „gemeinsam mit den Kollegen aus dem Institut für Forensische Expertisen (Gerichtsexpertisen) in Krakau“, den Fund und entnahmen für die genetische Untersuchung einen der Backenzähne und ein kleines Fragment der Schenkelknochen.103 In der Veröffentlichung wurden zwar keine neuen Einzelheiten der durchgeführten Analyse bekanntgegeben, doch aus den Schlussfolgerungen resultiert, dass die erhaltenen mt DNA-Sequenzen den Haplotyp zu bestimmen ermöglicht hatten, also eine spezifische „Visitenkarte“ der Person, zu der das im Dom gefundene Skelett gehörte, zu erstellen.104 Die genetischen Prüfungen im Labor des Museums und Instituts für 98
W. Bogdanowicz, Analiza DNA, S. 204-211. Ibidem, S. 208. 100 Ibidem, S.208. 101 Ibidem, S. 208. 102 Ibidem, S. 208. 103 W. Bogdanowicz, M. Gajewska, Warszawskie badania szczątków, S. 185. 104 Ibidem, S. 188-189. 99
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Zoologie der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau führten weder zur Bestimmung des Alters zum Zeitpunkt des Todes, noch der zur Identität des Verstorbenen. „Ungeachtet dessen, dass ein genetisches Profil erreicht wurde, konnte nicht eindeutig festgelegt werden, ob die Gebeine, von denen die DNA entnommen worden war, tatsächlich zu Nicolaus Copernicus gehören.“105 Ihre Forschungsergebnisse publizierten 2008 auch Wojciech Branicki und Tomasz Kupiec vom Institut für Forensische Expertisen in Krakau.106 Zwar kennen wir auch in diesem Fall kein Datum der Analyse, doch es kann angenommen werden, dass sie 2006 stattfand, früher oder gleichzeitig mit der des Warschauer Teams, da W. Bogdanowicz die Resultate bereits bekannt waren.107 Im Krakauer Labor wurden Fragmente des Oberschenkelknochens und ein Backenzahn aus den Gebeinen untersucht, „die als möglicherweise zu Nicolaus Copernicus gehörend benannt wurden“.108 „Die durchgeführte Analyse der Kern-DNA- Sequenz ergab ausschließlich im Fall des Zahnes ein positives Ergebnis“, der Oberschenkelknochen war erheblich weiter mineralisiert, daher wurde ein positives Ergebnis „ausschließlich für eine mitochondriale DNA Analyse, die das Erreichen einer sehr viel höheren Sensibilität erlaubt“, erhalten.109 Die Prüfung der DNA-Kernmarker aus dem Zahn bestätigten, dass die untersuchten Gebeine zu einer männlichen Person gehören und „das gekennzeichnete DNA- Profil kann im Falle von den, im Identifiler-Set enthaltener Genloci, für Vergleichszwecke genutzt werden, wenn irgendwann von Copernicus hinterlassenes biologisches Material, z.B. das Blut, gefunden werden sollte.“110 Auch das aus dem Zahn gewonnene „DNA-Profil gestattet im Bereich polymorpher, auf dem Y Chromosom lokalisierter Sequenzen vom Typ STR […] Verwandtschaftsanalysen durchzuführen, die die angenommene Abstammung der menschlichen Gebeine vom Astronomen bestätigen könnte“, wenn Vergleichsmaterial zu gewinnen wäre, „das von einem Verwandten aus der väterlichen Linie des Nicolaus Copernicus“ stammen würde.111 Schließlich gestatten „die Untersuchungen der HV1 und HV2 Bereiche der mitochondrialen DNA […] einen Haplotyp mt DNA zu bestimmen“. Diese Daten „werden für die Verwandtschaftsanalyse genutzt werden, wenn Vergleichsmaterial von einem Copernicus Verwandten mütterlicherseits entnommen wird.“ 112 In einem 2010 publizierten Artikel sammelten W. Branicki und T. Kupiec die Ergebnisse ihrer Forschungen zusammen.113 Das volle DNA Profil wurde demnach erzielt, die zusätzlichen Kern-DNA-Analysen zeigten dagegen das Vorkommen „des C/C-Genotyps, der laut vorher durchgeführter Forschungen bei 83% der Menschen vorkommt, die eine blaue Irisfarbe haben.“114Im Artikeltext wurde die Bezeichnung „mutmaßliche Gebeine des Nicolaus Copernicus“ benutzt, sodass der plötzliche Gebrauch der Formulierung „der beschriebene Kasus der Untersuchung der Gebeine Nicolaus Copernicus“ im Abschluss verblüfft, obgleich keine Argumente für eine Bestätigung dieser These vorgebracht worden sind. Es scheint auch, dass der dem Artikel gegebene suggestive Titel „Die Krakauer Untersuchungen an den Gebeinen Nicolaus Copernicus“ Anzeichen von weitreichendem Missbrauch tragen, was dem Verhalten eines objektiven Wissenschaftlers nicht angemessen ist, da die Analysen ausschließlich Gebeine anonymer Personen betrafen. Die obigen Bemerkungen sind insofern berechtigt, da Branicki und Kupiec in späteren 105
Ibidem, S. 189. W. Branicki, T. Kupiec, Badania genetyczne, S. 212-225. 107 Por. W. Bogdanowicz, Analiza DNA, S. 208. 108 W. Branicki, T. Kupiec, Badania genetyczne, S. 212. 109 Ibidem, S. 218. 110 Ibidem, S. 218. 111 Ibidem, S. 220. 112 Ibidem, S.220-222. 113 W. Branicki, T. Kupiec, Krakowskie badania nad szczątkami Mikołaja Kopernika, S. 195-204. 114 Ibidem, S. 199. 106
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Veröffentlichungen wiederum Bezeichnungen benutzt haben, wie: „Gebeine aus dem Grab 13/05,“ „die zu identifizierende Person,“ „mutmaßlicher Schädel des Nicolaus Copernicus“ oder auch „eine Hypothese, dass die im Grab 13/05 gefundenen Gebeine unserem großen Astronomen gehören.“ 115 Analysen der Kern -DNA-Marker wurden nur im Krakauer Labor gefertigt und nicht von anderen Forschern verifiziert, was den Historiker zum vorsichtigen Gebrauch, der von Branicki und Kupiec gezogenen Schlüsse, zwingt. Lassen wir also einmal völlig ausser Acht, das biologisches Material, z. B. das Blut, das von Copernicus selber stammen soll, als angedeutete Möglichkeit für Vergleichsanalysen zu nutzen. Theoretische Überlegungen könnten in diesem Fall darauf hinweisen, dass Branicki und Kupiec, während der durchgeführten Laboruntersuchungen, engen Kontakt mit Uppsala unterhielten, da sie die abstruse Theorie des Göran Henriksson unterstützten, Copernicus habe angeblich sein Blut auf der Kopie einer Briefes hinterlassen, die, wie bekannt, erst nach dem Tod des Astronomen von einer unbekannten Person geschrieben worden ist. Dagegen müssen wir die unumstösslich wissenschaftliche Errungenschaft des Krakauer Labors hervorheben, die die Möglichkeit, die Farbe der Iris durch genetische Untersuchungen zu bestimmen, betrifft. Die dort festgelegte blaue Augenfarbe des Verstorbenen bestätigt entschieden, dass die geborgenen Gebeine mit Copernicus absolut nichts zu tun haben können und einer anderen Person zuzuordnen sind. Auf die dunkle Augenfarbe des Nicolaus Copernicus, als absolute Tatsache, berufen sich ständig sowohl J. Gąssowski, K. Piasecki als auch D. Zajdel, indem sie ihren Standpunkt unwiderlegbar mit den erhaltenen Portraits des Astronomen begründen.116 Im Ergebnis müssen wir den Genetikern aus Krakau Recht geben, dass „zwar eine Analyse der hoch differenzierten Kernmarker möglich war,“ doch „ihre Plausibilität stellte sich im Bezug auf den Mangel an entsprechendem Vergleichsmaterial als gering heraus.“117 Für weitere genetische Untersuchengen hatte daher ein festgelegtes mt DANN-Profil eine grundlegendere Bedeutung, weil die Ergebnisse der beiden polnischen Labore und auch der, im Labor der Rudbeck Universität Uppsala, von Marie Allen durchgeführten zusätzlichen Kontrollanalysen des entnommenen Zahns, der Wirbel und der Fragmente aus beiden Oberschenkelknochen bestätigt wurden.118 Angesichts des Mangels an biologischem Vergleichmaterial, war deshalb weiterhin die Bestimmung, ob die Gebeine mit dem untersuchten mt DANN- Profil aus dem Grab 13/05 tatsächlich Copernicus gehören, nicht möglich. Es wurde kein Grab des ermländischen Bischofs Lucas Watzenrode gefunden119 und das Suchen nach anderen Verwandten des Astronomen endete genauso erfolglos.120 Überraschenderweise stellte sich aber heraus, dass es möglich war an Proben „des direkten biologischen Materials“ zu kommen, das, nach Meinung der Entdecker, wahrscheinlich von Copernicus stammen könnte. Zu solch aufsehenerregender Schlussfolgerung kamen die Wissenschaftler aus Uppsala, in dem sie die zufällig in Stöfflers Buch Calendarium romanum 115
W. Branicki, T. Kupiec, Analiza markerów DNA, S. 27-28; T. Kupiec, W. Branicki, Zastosowanie analizy mitochondrialnego DNA, S. 29-30. 116 „Zum Glück liefert uns die Kunstgeschichte eine Möglichkeit, seine erhaltenen, realistischen Portraits zu analysieren. Sie zeigen, Copernicus hatte dunkle Augen und Haare. Sapienti sat!“ So endete die Diskussion, J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 112-113. 117 T. Kupiec, W. Branicki, Zastosowanie analizy mitochondrialnego DNA, S. 29. 118 M. Allen, Analiza DNA włosów, S. 230-232. 119 J. Sikorski, Praktyka pochówków biskupich w katedrze we Fromborku oraz kwestia grobu Łukasza Watzenrodego, wuja Mikołaja Kopernika, in: Badania nad identyfikacją grobu Kopernika, S. 134-155; T. Węcławowicz, Poszukiwanie grobu biskupa Watzenrode. Krypta biskupia – stan badań i nowe pytania badawcze, in: Grób Mikołaja Kopernika, S. 161-180. 120 J. Jendrzejewska, A. Stachowska, Genealogia żenskiej linii krewnych Mikolaja Kopernika – charakterystyka i stan badan, in: Badania nad identyfikacją grobu Kopernika, S. 66-133; J. Jendrzejewska, A. Stachowska, Genealogia mitochondrialna Mikołaja Kopernika, in: Grób Mikołaja Kopernika, S. 129-159; K. Mikulski, J. Jendrzejewska, A. Stachowska, Przodkowie i najbliżsi krewni Mikołaja Kopernika oraz ich żenskie potomstwo, in: Tajemnica grobu Mikołaja Kopernika, S. 25-26.
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magnum gefundenen Haare als die von Copernicus „qualifizierten“.121 Die Laborforschungen führte M. Allen durch und erzielte für vier der Haare DANN- Sequenzen von hoher Qualität, doch im Fall von zweien „wurden sich voneinander unterscheidende mt DNA-Profile vermerkt und keines von ihnen war mit dem für den Zahn und für die Knochen kennzeichnenden mt DANN-Profile übereinstimmend“. In zwei weiteren Haaren wurden „identische mt DNA-Profile festgestellt, die mit denen der mutmaßlich kennzeichnenden mt DNA-Profile der Copernicus Gebeine übereinstimmend waren.“122 Es scheint jedoch so, dass Marie Allen selbst von ernsthaften, durch die ausserordentlichen Ergebnisse ihrer eigenen Forschungen verbundenen, Zweifeln gequält wurde, da sie sich ein Hintertürchen für eine eventuelle erneute Analyse offen ließ. „Obwohl die Proben in Sequenzbereichen, die jetzt verglichen werden können, übereinstimmen, kann doch nicht ausgeschlossen werden, dass Unterschiede in anderen Abschnitten der Region HV I zum Vorschein gebracht werden. Daher folgen also weitere Versuche, die übrigen Abschnitte der Sequenzen der Region HV I zu gewinnen.“ Wie strittig diese Festlegungen sind, wird von weiteren mehrdeutig formulierten Schlussfolgerungen M. Allens bestätigt: „Schlussfolgernd soll festgestellt werden, dass die bisher erzielten Ergebnisse zwar keinen entscheidenden Beweis dafür liefern, dass die im Dom zu Frauenburg geborgenen Gebeine zu Nicolaus Copernicus gehören, doch sie stellen eine weitere, für die Lösung des Rätsels der Bestattung des grossen Astronomen, brauchbare Information dar.“123 Zu den eigenen Einwänden der Marie Allen soll hinzugefügt werden, dass die Ergebnisse der in Uppsala durchgeführten DNA-Untersuchungen von Haaren, die so eifrig Copernicus zugeschrieben wurden, in keinem anderen Labor verifiziert und bestätigt wurden und M. Kokowski stellte endgültig die festgelegten Ergebnisse in Frage, indem er auf deutliche Unzulänglichkeiten hinwies.124 Trotz der dargestellten ernsthaften Zweifel und der von verschiedenen Seiten erhobenen Einwände, erkannten die Genetiker und die Mitglieder des Gąssowski Teams an, dass die Zugehörigkeit der im Dom zu Frauenburg geborgenen Gebeine zu Nicolaus Copernicus - jener Haare sei Dank - endgültig bestätigt sei.125 Nach der Überzeugung von J. Gąssowski wurde durch die Akzeptanz der Entdeckung des mutmaßlichen Grabes des Copernicus durch Owen Gingerich „als mit den Anforderungen der modernen Wissenschaft geleistet“ zum Kronbeweis.126 In der Tat sprach sich Gingerich, kraft seiner Autorität, für die Annahme der Suchergebnisse aus.127 Es kommen jedoch ernsthafte Zweifel auf, ob der amerikanische Gelehrte, der freundlicher Weise den polnischen Wissenschaftlern glaubte, imstande war, mit analytischer Schärfe die Unzulänglichkeiten unterschiedlicher Art zu erkennen bis hin zum Versuch Tatsachen zu vertuschen, was doch in wissenschaftlichen Analysen nicht vorkommen sollte. Am Beispiel des Schicksals des Werkes von Stöffler wurde bereits oben gezeigt, dass es keine Möglichkeiten gab, darin irgendwelche Spuren des Copernicus oder gar „biologisches Material“ von in seiner Zeit lebenden Kanonikern zu finden. Denn es konnten im keinem Fall in irgendeinem Buch zufällig entdeckte Haare differenziert und konkreten 121
G. Henriksson, Nicolaus Copernicus’s DNA, S. 205-214. M. Allen, Analiza DNA włosów, S. 232. 123 Ibidem, S. 232. 124 M. Kokowski, O wadliwości argumentacji, S. 228-237. Als Antwort auf die geäusserten Zweifel versicherte M. Allen M. Kokowski, sie hätte Ergänzungsanalysen durchgeführt, doch der 2010 veröffentlichte Text blieb unverändert, vgl. M. Allen, DNA analysis, S. 223. 125 W. Bogdanowicz, M. Allen, W. Branicki, M. Lembring, M. Gajewska, T. Kupiec, Genetic identification of putative remains of the famous astronomer Nicolaus Copernicus, Proceeding of the National Academy of Sciences, 106: 2009, S. 12279-12282. 126 J. Gąssowski, Spotkanie z Kopernikiem, S. 123. 127 O. Gingerich, Tajemnica grobu Kopernika, S. 27-30; idem, Cud w ekspresie, czyli jak zostałem zaproszony na pogrzeb Kopernika, in: Grób Mikołaja Kopernika, S. 225-230. 122
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Personen zugeordnet werden, da das Buch nach jahrelangen Wanderungen in eine öffentliche Bibliothek gegeben wurde, die einer unbegrenzten Anzahl von unbekannten Lesern und Nutzern zugänglich war. Selbst die momentane Präsenz der drei, über das Buch geneigten, gelehrten Köpfe von M. Allen, W. Duczko und G. Henriksson, sowie der Mitglieder des Filmteams, wie auf dem Foto verewigt, verursacht, dass es „nicht auszuschließen ist“, dass gerade ihre Haare hineinfielen und in den Kalenderblättern verschwanden. Es soll daher mit großer Entschiedenheit wiederholt werden, die gefundenen „mutmasslichen Haare des Copernicus“ können einzig und allein von den Köpfen der gegenwärtigen Nutzer des Buches stammen.128 Die von M. Allen erzielten, von keinem anderen Team bestätigten, Ergebnisse legen deutlich die Erhebung von Einwänden nahe, da die Einhaltung, der bei solchen Laboruntersuchungen üblichen Standards, letztlich ihre Zuverlässigkeit betreffen. Denn wenn man den ganzen weitschweifenden und komplexen Kontext der Suche nach biologischem Vergleichsmaterial für DNA-Untersuchungen kennt, kann man ja nicht die Frage übergehen, ob bei den Laboranalysen in Uppsala keine unabsichtlichen Fehler gemacht wurden oder ein wundersamer Zufall zu Hilfe kam, um von den inkriminierten Haaren das erforderliche und erwartete mt DNA Ergebnis zu bekommen. Der Versuch, anhand eines identischen genetischen Profils von Knochenresten einer unbekannten Person und der im Buch, von den Köpfen namenloser Nutzer, gefundenen Haare als Vergleichsmaterial heranzuziehen um zu beweisen, dass die aus dem Grab 13/05 geborgenen sterblichen Überreste die des Copernicus sind, entbehren jeder Grundlage. Die DNA-Analyse und die in Uppsala erzielten Ergebnisse erfüllen die Kriterien und Grundsätze nicht, die bei wissenschaftlichen Forschungen gelten und müssen daher abgelehnt werden. Letztendlich können also von den veröffentlichten Analysen der genetischen Untersuchungen nur das Ergebnis akzeptiert werden, dass die aus dem Grab 13/05 im Dom zu Frauenburg geborgenen Knochen und Schädel zu einer männlichen Person gehörten. Als unmöglich zeigte sich dagegen eine auch nur annähernde Datierung der Gebeine und somit eine Altersbestimmung des Verstorbenen. Im Endeffekt bleibt die Identität der Knochenüberreste weiterhin anonym. Wir haben übrigens nicht einen einzigen Anhaltspunkt, der darauf hinweisen könnte, dass jene Person überhaupt ein Kanoniker war. Es wurde zwar der mt DNA-Genotyp der Gebeine bestimmt, aber das Fehlen von biologischem Vergleichsmaterial erlaubt nicht einmal eine Hypothese über irgendwelche Zusammenhänge mit Copernicus zu erstellen. Ganz im Gegenteil, die von Krakauer Genetikern bestimmte blaue Augenfarbe des Verstorbenen ergab unwiderlegbar, dass die sterblichen Überreste aus dem Grab 13/05 mit dem Astronomen absolut nichts zu tun haben. Errare humanum est ? Wissenschaftliche Forschungen oder Fälschungen? Die Haltlosigkeit der Mutmassung Jerzy Sikorskis vom Grab des Copernicus am Altar des hl. Wenzeslaus (Heiligen Kreuz) wurde bereits mit den ersten Schritten der Archäologen im Dom bestätigt. Nachdem die Fussbodenplatten hochgenommen waren, stellte sich heraus, dass in dem zu untersuchenden Gebiet nacheinander erfolgte Bestattungen sich gegenseitig behindert hatten und die offengelegten Gebeine widersprachen den vom Historiker beschriebenen Regeln. Die Ausgrabungen legten 16 Gräber offen, darunter eine Frau und zwei Kinder, statt sieben (in der Tat sechs), wie von Sikorski angegeben. Es ist nicht gelungen, ein Datum oder auch nur das Jahrhundert, aus dem die Gräber stammen, zu bestimmen, sowie eine präzise Angabe über das Alter der Verstorbenen zu machen oder gar 128
Darunter gab es nicht mal die Haare O. Gingerichs, weil der Verfasser dieser Worte, wie es viele Forscher alter Bücher tun, mit dem ganzen, Copernicus gebührenden Respekt, bei einer aufmerksamen Lektüre von Calendarium romanum magnum 1983, reflexartig alle bemerkten Haare entfernte, vgl. O. Gingerich, Tajemnica grobu Kopernika, S. 29.
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zu bestätigen, dass es sich überhaupt um Kanoniker handelt. Abgesehen von Andreas Gąsiorowski, blieben alle Bestattungen anonym und ihre Identifizierung erwies sich als unmöglich. Es muss bezweifelt werden, ob die Forscher wirklich wussten, wem sie die Gesichtszüge des Astronomen bei dem Versuch der Rekonstruktion des Kopfes zu geben versuchten. Der Versuch, die Gebeine des Copernicus nur anhand des Alters des Verstorbenen zu bestimmen, ist nicht neu. Solche Aufgaben stellten sich auch die deutschen Archäologen, die im Januar 1939 in Frauenburg Forschungen durchführten. Sie waren sich jedoch ihres Misserfolges bewusst und zogen sich nach Königsberg zurück, den fehlenden Bericht rechtfertigten sie mit dem Ausbruch des Krieges. Jerzy Gąssowski und seine Mitarbeiter verfuhren da anders, sie machten ihren Misserfolg als ungeheuere Errungenschaft der Wissenschaft in der Welt publik. Eine angestrengte Erfolgspropaganda und die apriorische Darstellungsform des rekonstruierten Gesichtsschädels als Abbild des Copernicus, sowie die Annahme, die mit DNA aus den Haaren sei ein Beweis zur Bestätigung der Forschungsergebnisse, mussten moralische Bedenken hervorrufen. Zweifel und Unsicherheiten quälten sogar Mitarbeiter des Jerzy Gąssowski. Um den Geisteszustand der vielen, die diese Forschungen kritisch evaluierten, als wohl auch die eigenen Erfolge zu werten, gibt am adäquatesten ein Satz aus der Aussage des Anthropologen Karol Piasecki wieder: „Es gibt immer mehr Wissenschaftler und weil ihre Exklusivität immer problematischer wird, so kommen ethische Probleme öfter als früher vor. Leider bleiben die Ethik der wissenschaftlichen Arbeit und die Darstellung ihrer Ergebnisse in der Kompetenz der Forscher. […] Fehlendes Augenmaß und Verletzungen der allgemein anerkannten Fachweltnormen in dieser Hinsicht, werden gewöhnlich verschwiegen, selten finden sie Rügen, Disziplinar- oder Strafverfahren. Weit verbreitet wird eine Tendenz, die in der Regel an der Grenze der Ethik bleibt, zu einer Überschätzung eigener Errungenschaften, des Öfteren auch eine unbewusste oder unterbewusste Überinterpretierung. Zu oft erscheint auch, leider, ein wissenschaftlicher Betrug. […] In dem Fall des Suchens nach dem Grab von Nicolaus Copernicus hatten wir mit zwei Problemen mit ethischem Charakter zu tun. Das erste war die Arbeit mit dem Knochenmaterial und das zweite […] war das Problem der Zuverlässigkeit der Entdeckung selbst“.129 Eine richtiggehende Lektüre aller, mit der Frage der Bestattung des Copernicus verbundenen, Veröffentlichungen und eine allseitige Analyse der Ergebnisse der durchgeführten Forschungen, zwingt unweigerlich die Frage auf, ob wir in dem beschriebenen Fall des Suchens nach dem Astronomen nur mit Fehlern und Verdrehungen oder eher mit Mystifizierung und Fälschungen zu tun haben. Es ist daher schwer, sich vom zurückkehrenden Echo frei zu machen: Cui bono? Der Wissenschaft gereichen diese Art Forschungen nicht zur Ehre, denn die oberste Pflicht eines Gelehrten ist es, stets nach der Wahrheit zu suchen. Und das Grabmal des Nicolaus Copernicus soll, wie auch in früheren Jahren, der ganze Dom zu Frauenburg sein. Requiescat in pace. Amen.
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K. Piasecki, Etyczne problemy odkrycia naukowego, S. 196
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Abkürzungsverzeichnis
AAWO - Archiwum Archidiecezji Warmińskiej w Olsztynie AK - Archiwum Kapitulne KHNT - Kwartalnik Historii Nauki i Techniki KMW - Komunikaty Mazursko-Warmińskie PSB - Polski słownik biograficzny Regesta Copernicana - M. Biskup, Regesta Copernicana, Wrocław 1973 SBKW - Słownik biograficzny kapituły warmińskiej, Olsztyn 1996 Sprawozdanie - E. Barwiński, L. Birkenmajer, J. Łoś, Sprawozdanie z poszukiwań w Szwecyi dokonanych z ramienia Akademii Umiejętności, Kraków 1914 SW - Studia Warmińskie ZGAE - Zeitschrift für die Geschichte und Altertumskunde Ermlands ZH - Zapiski Historyczne
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Aus dem Polnischen: Teresa Borawska , Henryk Rietz, Mikołaj Kopernik i jego świat. Środowisko. Przyjaciele. Echa wielkiego odkrycia [Nicolaus Copernicus und seine Welt. Sein Milieu. Seine Freunde. Das Echo einer grossen Entdeckung], Toruń TNT 2014, s. 409-453 (Appendix). Henryk Rietz ul. Kordeckiego 6/4 87-100 Toruń tb@umk.pl
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