Nach der Mess’ die Maß – Zu Devotionalien und religiösen Objekten im Wirtshaus des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. In: In: D. Wehner/ A. Wesse (Hrsg.), Rasthäuser – Gasthäuser – Geschäftshäuser. Zur Historischen Archäologie von Wirtshäusern. Univforsch. Prähist. Arch. 271 (Bonn 2015) 99 - 120.

June 7, 2017 | Author: Katharina Ostrowski | Category: Historical Archaeology, Medieval Archaeology, Postmedieval Archaeology
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INHALTSVERZEICHNIS Vorwort

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Archäologie von Wirtshäusern – Problematik und Fragestellungen Donat Wehner Wirtshausarchäologie – Forschungsstand und Aspekte

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Donat Wehner Methodische Überlegungen zum Nachweis mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Wirtshäuser

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Lage und Ausstattung der Wirtshäuser Fritz Jürgens Rasthäuser an langer Straße – Studien zu Lage und Verbreitung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Wirtshäuser

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Stefan Vasiliadis Damit der Gast sich wie zu Hause fühlt – Zu Struktur, Grundriss und Typen von Wirtshäusern

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Sabrina Autenrieth Architektur und sozialer Raum – Space-Syntax-Analysen an Wirtshäusern

35

Sabrina Autenrieth Zum gebaaschten Dragoner – Entwicklung und Symbolik von Wirtshausauslegern in Mitteleuropa

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Sabrina Autenrieth Leuchter, Spiegel, Kachelöfen – Zur Innenausstattung mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Wirtshausstuben

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Stefen Berger und Nina Krischke Durchgehend warme und kalte Küche – Nahrungszubereitung und Küchenutensilien in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wirtshausküche

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Till Kühl In fremden Betten – Von Unterkunt und Obdach in Gasthäusern seit dem Mittelalter

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Essen und Trinken in Wirtshäusern Marc David Bieler Austern, Tauben, Schafsköpfe – Von Speisen in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wirtshäusern

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Fritz Jürgens, Florian Rinser und Donat Wehner Am Becher erkennt man den Zecher – Trinkgefäße und Alkoholgenuss in Wirtshäusern des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

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Stefen Berger Lagerung, Kühlung, Ausschank – Der Schankbetrieb im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wirtshaus

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Hygienestandards in Wirtshäusern Till Kühl Da war der Wurm drin… – Entsorgung und Hygiene in mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Wirtshäusern

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Vergnügen und Frömmigkeit in Wirtshäusern Benedikt Caskie „Eh wollt ich zum Falkenkeller … lustig sein einmal“ – Zur Archäologie des Vergnügens im Wirtshaus

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Katharina Ostrowski Nach der Mess’ die Maß – Zu Devotionalien und religiösen Objekten als Zeichen von Frömmigkeit und Religiosität im Wirtshaus des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

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Wirtshaus und Geschäft Florian Fuchs und Donat Wehner Gewerbe und Handel – Das Wirtshaus als Geschätszentrum

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Nils Wolpert Zahlen bitte! – Münzfunde aus Wirtshäusern

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Sozialer Status im Wirtshauskontext Christina Schubert Wirtin, gebt mir noch ein Bier! – Rollenverteilung von Mann und Frau im Wirtshaus

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Janna Kordowski und Nils Wolpert Fürsten, Bürger, Bauern – Von armen und reichen Wirtshausbesuchern im 16 Jahrhundert

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Archäologische Fallbeispiele aktuell untersuchter Wirtshäuser Kerstin Kirsch und Jens Henker Der Dorkrug von Horno, Lkr Spree-Neiße, Brandenburg

143

Philip Lüth Wirtshausarchäologie in Harburg an der Elbe, Hansestadt Hamburg

147

Ines Vahlhaus Der Gasthof Goldener Ring in Mansfeld – Eine Ausgrabung im Rahmen des Lutherprojektes

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Schlussbetrachtung Donat Wehner Wirtshausarchäologie – Ergebnisse und Perspektiven Final Relections: he Archaeology of Public Houses – Results and Perspectives

163 173

Katalog Janna Kordowski und Donat Wehner Katalog archäologisch und bauhistorisch erfasster Wirtshäuser des Mittelalters und der Frühen Neuzeit

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Literaturverzeichnis

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Vorwort

Der vorliegende Sammelband Rasthäuser – Gasthäuser – Geschätshäuser. Zur Historischen Archäologie von Wirtshäusern behandelt das hema Wirtshaus aus archäologischer Sicht Neben Rathäusern und Kirchen gehören Wirtshäuser zu den zentralen öfentlichen spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Einrichtungen Während Rathäuser und Kirchen in den letzten Jahrzehnten zunehmend in den Fokus der historischen Archäologie gerieten, wurde den Wirtshäusern bislang nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt Dies mag daran liegen, dass die gegenwärtige gesellschatliche Bedeutung des Gasthauses als gering zu erachten ist, was möglicherweise zu einer Unterbewertung seiner Rolle im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit und damit auch zu einer Geringschätzung als archäologisches Forschungsfeld führte Zudem kommen Wirtshausbefunde meist bei baubegleitenden Rettungsgrabungen innerhalb bestehender Dörfer und Städte zutage Die Ausgrabungsbedingungen sind daher meist schwierig, die Grabungsschnitte werden durch die Baumaßnahmen vorgegeben und die Auswertungszeit ist begrenzt All dies dürte bereits häuig die Identiikation eines Befundes als Wirtshaus verhindert haben, weshalb weniger archäologische Gasthaus- als Rathaus- oder Kirchenbefunde bekannt sind Aus einer Lehrveranstaltung zur Wirtshausarchäologie am Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel heraus entstand die Idee, die Studienleistungen und Diskussionen rund um das hema in eine Publikation münden zu lassen Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, deren Beiträge sich auf den folgenden Seiten inden, sei an dieser Stelle für ihr Engagement herzlich gedankt Ein besonderer Dank geht an die Master-Studierenden Fritz Jürgens und Nils Wolpert, die sich darüber hinaus an der redaktionellen Bearbeitung der Texte beteiligten, Literatur überprüten und Bildmaterial beschaten Nicht unerwähnt bleiben soll Benedikt Caskie, der dankenswerterweise die „Ergebnisse und Perspektiven“ ins Englische übersetzte (siehe S 163 f ; 173 f )

Großer Dank gebührt auch Dr Kerstin Kirsch und Dr Jens Henker vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalplege und Archäologisches Landesmuseum, Dr Philip Lüth vom Archäologischen Museum Hamburg sowie Ines Vahlhaus M A von der Archäologischen Gesellschat in Sachsen-Anhalt e V für die Bereicherung des Bandes durch die Vorlage exemplarischer, aktueller Gasthausgrabungen Für weiterführende Auskünte zu einzelnen Objekten im Wirtshauszusammenhang sei außerdem Dr Claudia Valter aus der Graphischen Sammlung des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg und Dr Andreas Boos, Museen der Stadt Regensburg – Historisches Museum, gedankt Redaktionell sei angemerkt: Die in den einzelnen Beiträgen abgekürzt zitierte Literatur wird in einem umfangreichen Literaturverzeichnis am Ende des Bandes nachgewiesen (siehe S 195–220), das gleichzeitig auch einen grundlegenden Überblick über die Publikationen zu dem hema Wirtshausarchäologie in Mitteleuropa und der Neuen Welt liefert Die Autorinnen und Autoren der Beiträge sind über das Institut für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zu erreichen Die Kontaktdaten der auswärtigen Kolleginnen und Kollegen inden sich am Ende des jeweiligen Beitrags Die graischen Arbeiten für diesen Sammelband hatte im Institut in Kiel unser langjähriger Kollege Holger Dieterich, Dipl Graik Designer, übernommen Wie bei all den zahlreichen Publikationen, bei denen er für die Graik / Technische Redaktion zuständig war, setzte er bei dem „Wirtshaus-Projekt“ von Anfang an seine gestalterischen Ideen um und war bemüht, interessierten Studierenden die Notwendigkeit qualitätvoller Abbildungsvorlagen nahezubringen Es gelang nicht immer, schmälerte aber nicht seine Hilfsbereitschat Holger konnte die Publikation zum „WirtshausProjekt“ nicht fertigstellen Er verstarb am 24 Dezember 2014 nach schwerer Krankheit Wir sind traurig und vermissen ihn sehr Holger, dieser Band ist dir gewidmet

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Wir werden die von Holger Dieterich begründete Tradition des hohen graischen Anspruchs weiterführen In diesem Sinne hat Ines Reese, die freundlicherweise von Prof Dr Ulrich Müller hierfür freigestellt wurde, Graik und technische Redaktion des Bandes übernommen und abgeschlossen, wofür wir ihr herzlichst danken Mit dem Sammelband werden erstmalig archäologische Wirtshausbefunde aus Mitteleuropa im Zu-

sammenhang betrachtet und übergeordnete Fragestellungen aufgeworfen Ein holistisches Bild war von vornherein nicht beabsichtigt, vielmehr sollen die Beiträge Ideen zu der bislang noch in den Kinderschuhen steckenden Archäologie der Wirtshäuser beisteuern und auf Desiderate aufmerksam machen Wenn sie in Zukunt zu dezidierten Fund- und Befundvorlagen sowie einer tiefgreifenden, komplementären Diskussion archäologischer, schritlicher und bildlicher Zeugnisse führen, so ist ihr Zweck erfüllt Kiel, im Juli 2015

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Donat Wehner – Anke Wesse

Nach der Mess’ die Maß Zu Devotionalien und religiösen Objekten als Zeichen von Frömmigkeit und Religiosität im Wirtshaus des Mittelalters und der Frühen Neuzeit Von Katharina Ostrowski

Einleitung Devotionalien und andere religiöse Objekte stellen auf den ersten Blick ein unerwartetes Fundmaterial innerhalb eines Wirtshauses dar, einem Ort des vermeintlich ständigen Glücksspiels und anderer gotteslästerlicher Aktivitäten (siehe S 95 f Beitrag B Caskie in diesem Band) Entgegen der überwiegend negativen Meinungen zu Wirtshäusern, die aus historischen, meist neuzeitlichen Quellen überliefert sind1, bilden religiöse Objekte eine häuig anzutreffende Fundgruppe in archäologischen Wirtshausbefunden Dies muss nicht verwundern, sondern kann als Beleg für die Anwesenheit durchreisender Pilger gesehen werden Daneben geben solche Funde ebenfalls einen Einblick in die (alltägliche) Frömmigkeit von Wirtshausbesuchern und -besitzern Vermehrt wird in historischen, archäologischen und volkskundlichen Arbeiten den vormodernen Wirtshäusern eine mit Rathäusern und Kirchen vergleichbare Bedeutung für Gemeinden zugeschrieben, sie werden als „Brennpunkt des kommunalen Lebens“ bezeichnet (Kümin 1999, 251; Kümin/Tlusty 2011 a; Rau/Schwerhoff 2002; 2004) Hervorzuheben ist dabei das komplexe Verhältnis zwischen diesen drei öfentlichen Institutionen der Kultur, Politik und Religion, deren Funktionen sich häuig und vielfach überschnitten bzw anders als heu-

te nicht strikt getrennt wurden (Kümin 1999, 254– 261) Nicht zuletzt aus wirtschatlichen Gründen, zudem als für fast alle zugänglicher Kommunikations- und Vernetzungsraum, spiel(t)en Wirtshäuser daher in den Gemeinden, Dörfern und Städten für Politik und Kirche eine nicht zu unterschätzende Rolle (ebd 254–255; 262) Das Verhältnis zwischen Kirche und dem Wirtshauswesen (Kümin/Tlusty 2011 a, 85–87) lässt sich archäologisch durch die Funde und anhand räumlicher Beziehungen zwischen Gasthäusern und sa kralen Gebäuden fassen Interessant ist auch ein Blick auf die Verplegungsangebote kirchlicher Einrichtungen Umgekehrt stellte sich für die Pilgernden die Frage, wo sie außer in Wirtshäusern unterkommen konnten Bereits hier zeigt sich die Fülle an Beobachtungen, die sich aus der Untersuchung des Verhältnisses von Wirtshaus und Kirche, Wallfahrt und Frömmigkeit ergeben Aufgrund der vorwiegend aus dem deutschen, vor allem süddeutschen und Schweizer Raum stammenden Beispiele und dem bisher in einzelnen Regionen ungenügenden archäologischen Forschungsstand zu Wirtshäusern kann dieser Beitrag nur einen kleinen Ausschnitt liefern und muss sich auf die christliche Religiosität beschränken

Reisende und das Pilgerwesen Nach W Hartinger (2002, 165–167) versteht man das Pilgern „als Imitation der Wanderungen Christi in Palästina“ (ebd 165) mit dem Ziel der Lebensheiligung, es wurde allein und unter inan-

ziellem Aufwand durchgeführt und war meist gefährlich Pilgerreisen konnten Angehörige aller sozialen Gruppen unternehmen, sie ermöglichten eine „Flucht aus dem Alltag“ (ebd ) Als Motivati-

1 So etwa die „Polizeyordnung“ des Abtes von Kempten aus dem Jahr 1562, das Verbot des Zutrinkens betrefend (Kümin 1999, 252–253): „… aus Trunckenheit, wie man täglich beindet, der Allmächtig Gott höchlich erzürnt wird, auch

viel Laster, Übel & Leichtförtigkeit und Unrath entsteht, als Gotteslästerung, Mordt, Todtschlag, Unfried, Ehbruch, Hurerey, und Krankheit des Leibes …“

In: D. Wehner / A. Wesse (Hrsg.), Zur Historischen Archäologie von Wirtshäusern. Univforsch. Prähist. Arch. 271 (Bonn 2015) 99–119.

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on ist überwiegend der Glaube an die Wirkmächtigkeit und religiöse Krat der Wallfahrtsorte und der dort angetrofenen Reliquien zu vermuten, aber auch der Wunsch, durch Pilgerfahrten ein soziales Prestige zu erlangen – oder es steht einfach „Abenteuerlust“ dahinter (ebd ; Liebgott 2003, 7) Nach M Back/A Schilz (2004, 165–166) gehört die Wallfahrt so zu einem „Phänomen der Volksfrömmigkeit“, ähnlich wie der Glaube an Amulette und Devotionalien Es gibt verschiedene Formen der Wallfahrt: Sühne-, Buß- oder Strafwallfahrten dienten der Vergebung bestimmter Verbrechen und konnten einzeln oder kollektiv ausgeführt werden (FavreauLilie 1999, 125; 128–129; Liebgott 2003, 8–12) Gegen Bezahlung wurden auch andere beautragt, in Vertretung eine Wallfahrt zu unternehmen, und so gab es bald „professionelle Pilger“ (Hartinger 2002, 167; Favreau-Lilie 1999, 110–115; 120–121; Liebgott 2003, 13–14) Wallfahrten konnten testamentarisch verfügt werden, wie in schritlichen Quellen belegt (Favreau-Lilie 1999, 128) Dankeswallfahrten wurden nach überstandenen „schwierigen Situationen“ unternommen (ebd 129) Wirte selbst konnten auf Pilgerreise gehen, wie im Fall des Wirtes Weiß aus Bruck in Bayern, der auf einem Votivbild von 1722 dargestellt ist (Kümin/Tlusty 2011 a, 130) Wallfahrt wird so zu einem mobilen Kommunikationsraum, in dem Pilger gerade ab der Barockzeit aus verschiedenen sozialen Kontexten aufeinandertrefen (Gossler 2011, 84; Hersche 2006, 812–814; 818) Dabei ist an einen eher lockeren Rahmen der Wallfahrt zu denken, der von Alkoholkonsum geprägt gewesen sein konnte (Gossler 2011, 84) Wie bereits die Überschneidung von Kultur, Politik und Religion in Gasthaus, Rathaus und Kirche zur zeitgenössischen alltäglichen Normalität gehörte, ist in

der Barockzeit auch auf der Wallfahrt die Vermischung von profanen und geistlichen Elementen zu beobachten Oder anders ausgedrückt: Zur Wallfahrt gehörte auch die Geselligkeit und damit folglich das Wirtshaus und dessen Verplegungsangebote (Hersche 2006, 817–818; 829–831) Aufällig ist der Wandel in der gesellschatlichen Bewertung von Pilgern während und nach der Reformation: Von zunächst frommen und bedürtigen, religiös motivierten Reisenden hin zu Trunkenbolden, die ihre sozialen Grenzen und Regeln verlassen (Gossler 2011, 81–83) Schon seit dem Frühmittelalter wurden regionale Wunderstätten und Grablegen in Klöstern oder Kirchen verehrt (Back/Schilz 2004, 166; Hartinger 2002, 166) Gerade bedeutende Wallfahrtskirchen verdienten auch an der umliegenden „profanen Infrastruktur“ wie zum Beispiel durch Verpachtung von Wirtschaten, durch Einnahmen von Verkaufsständen und Buden oder Bierausschank (Hersche 2006, 815) Von der Barockzeit an bestehen zeitgleich drei Gruppen von Wallfahrtszielen: Die traditionellen mit nationaler bzw internationaler Bedeutung, regionale Ziele und als größte Gruppe die lokalen Wallfahrtsorte (Hersche 2006, 801; 803–805) In der Reformations- und der darauf folgenden Gegenreformationszeit neu entstehende Nahwallfahrtsziele lösen zumindest für Mitteleuropa graduell die Fernwallfahrt nach Santiago de Compostela, Rom oder Jerusalem ab (Daxelmüller 1982, 187; Back/ Schilz 2004, 167; Hersche 2006, 819; BoschettiMaradi 2009, 12)2 Durch die Reformation nimmt die Anzahl der unternommenen Wallfahrten zum Teil erheblich ab, sie erfahren jedoch während der Gegenreformation in den katholischen Regionen eine intensive Wiederbelebung (Back/Schilz 2004, 167; Hersche 2006, 798)

Beherbergung von Reisenden Das ausgedehnte Pilgerwesen erfordert immer wieder den Ausbau von Straßen und die Bereitstellung von Unterkünten für Reisende (Back/Schilz 2004, 168) Die Unterbringung von Pilgern stellt so eine von mehreren Entwicklungen dar, die zur Entstehung einer kommerziellen Gastlichkeit im späten Mittelalter und der Frühen Neuzeit – an der Wende vom 13 zum 14 Jh – beitragen (Rau/Schwer-

hoff 2004 b, 28; Peyer 1983 b, X; 1987, 138)3 Wenn aus geistlichen und „karitativen“ Unterkünten für Pilger auch nicht die kommerzielle Form von Wirtshäusern oder Herbergen entstanden ist, so liegen beiden Entwicklungen die Prinzipien der Versorgung und Aufnahme von Fremden zugrunde, der christlich motivierten „Hospitalitas (Gastlichkeit)“ und „Caritas“ (Rau/Schwerhoff 2004, 28; Jensen 1998,

2 Zu wichtigen Wallfahrtszielen der Barockzeit werden im südlichen deutschsprachigen Raum etwa Einsiedeln (Zentralschweiz), Walldürn (Baden-Württemberg), Altötting (Oberbayern) und Mariazell (Steiermark) 3 Als weitere Entwicklungslinie führen Rau/Schwerhoff

(2004 b, 28) die Gründung von Landgasthöfen an, die aus landesherrlichen Privilegien entstanden und daher mit Gastungs-, Brau-, Ausschank-, Backrechten und anderen gewerblichen Rechten ausgestattet waren

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165) Pilger zählten – wie Kranke, Bettler, Witwen und Waisen – zur Gruppe der Armen und Obdachlosen4, so dass ihre Versorgung als „gottgefällig“ und damit als „christliche Plicht“ galt (Peyer 1987, 119; Brans 1999/2000, 710; Jensen 1998, 166) Sie wurden in Institutionen für bedürtige Sozialgruppen – in Armen-, Kranken-, Seuchen- oder Waisenhäusern – versorgt (Bänteli 2006, 24; Jensen 1998, 166– 167; 176) Auch Hospitäler gehören zu den häuig als Unterkunt von Pilgern genutzten Einrichtungen in Städten, die sich an den Fernwegen zu den drei wich-

tigen Wallfahrtszielen des frühen Christentums vom 10 /11 Jh bis zum 14 Jh entwickelten (Peyer 1987, 126; 129–130; 132; Brans 2006, 35; Schmugge 1983, 37; 39–40) Die Unterscheidung zwischen den häuig als „Gasthaus“ bezeichneten Einrichtungen, den städtischen Spitälern, spezialisierten Pilgerherbergen und Wirtshäusern ist nicht einfach, da sich ihre Funktionen vielfach überschneiden5 (Peyer 1987, 121) Eine mögliche Diferenzierung gegenüber dem Wirtshaus ergibt sich aus dem hauptsächlich „fürsorglichen“ Charakter und der religiösen Orientierung der Hospitäler (Daxelmüller 1982, 189) Neben der Unterkunt waren sie vor allem für das seelische Wohl der Gäste verantwortlich (Brans 2007, 7) Daher waren sie häuig in eine sakrale Anlage eingebunden, mit Kapelle und Altar ausgestattet und konnten eigene Friedhöfe besitzen (Riewerts 1965, 24–29; Daxelmüller 1982, 189; Brans 2007, 7) Abhängig von Bedeutung und Größe verfügten sie immer über eine bestimmte Zahl an Schlafplätzen (Peyer 1983 b, XI) und konnten neben „Patienten“ auch Durchreisende aufnehmen (Jensen 1998, 174) In ungarischen Hospitälern sind eigene Räumlichkeiten für Pilger nachgewiesen (Majorossy/Szende 2008, 288) Hospitäler wurden über Spenden, Almosen und Pfründe inanziert oder sie besaßen inanzielle Privilegien (Riewerts 1965, 30–31; Jensen 1988, 169; 173; 179–184) Zudem konnten sie Grundbesitz erwerben und sich durch die erwirtschateten Zinsen inanzieren (ebd 178–179; Majorossy/Szende 2008, 306) Ebenfalls aus Ungarn stammt die Spezialisierung auf Brauerei und Kelterei in Hospitälern (ebd 303–306) Vergleichbar mit Wirtshäusern können Hospitäler daher als bedeutende wirtschatliche Größen und „self-supporting [economic] units“ angesehen werden (ebd 303) Es gibt viele Beispiele für Hospitäler, in denen die Anwesenheit von Pilgern belegt ist: Das St -Gertruden-Gasthaus (Hospital oder Fremdenspital) aus dem 14 Jh in der Bremer Altstadt gegenüber der Kirche St Martini wird als eine „Zwischenstation“ auf dem Jakobsweg und nach Aachen angesprochen (Bischop 2011, 51–52; Rech 2004, 307; Schwarzwälder 1970, 303 Abb 275; Wittstock 1982, 197) Davon zeugt noch eine St -Jakobus-Statue aus Sandstein von 1490, die am Gasthaus aufgestellt war (Abb 1), und die Häufung von Wallfahrtsdevotionalien im direkten Umfeld der St -Martini-Kirche und in der Weser (Abb 2) Aus schritlichen Quellen sind in Lübeck drei Gasthausgründungen in der zweiten Hälte

4 Pilger sind in Testamenten aus Lübeck auch als „arme[n]“ oder „arme[n] lude[n]“ bezeichnet (Jensen 1998, 176 Anm 42) 5 Die sich durchsetzende Nutzung des Begrifs „Gasthaus“ in

den zeitgenössischen Quellen kann mit der starken Ausrichtung bzw Spezialisierung des Spitals auf die Beherbergung von fremden Durchreisenden – vor allem Pilgern – zu erklären sein (Gros 1997, 34)

Abb 1 Bremen Statue des hl Jakobus d Ä aus Sandstein, Aufstellung an der Fassade des St -Gertruden-Hospitals gegenüber der St -Martini-Kirche, um 1490 (nach Wittstock 1982, 197 Abb 10)

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Abb 2 Bremen Fundverteilung der Devotionalien und anderer religiöser Funde in der Altstadt um die St -Martini-Kirche (nach Bischop 2011, 52 Abb 1)

des 14 Jhs nachgewiesen (Jensen 1998, 170–176) In Stein am Rhein (Kanton Schahausen, Schweiz) wird erstmals 1362 in einem Ablassbrief das Bürgerasyl erwähnt Das Armenspital liefert eindrucksvolle Relikte der Gäste durch mit Kohle, Rötel und Ritzungen an der Westwand der Vorhalle angebrachte Pilgergraiti Einige gezeichnete Namen, Muscheln, Taschen, Stäbe und andere Gegenstände sind mit Jahreszahlen zwischen 1491 und 1508 versehen (Bänteli 2006, 28–29 Abb 51) Schließlich ist noch eine Gruppe von Gasthäusern aus dem Kreis Düren in Nordrhein-Westfalen zu nennen: das Gasthaus oder Klösterchen der Elisabethinerinnen in Jülich (1678; Brans 1999/2000, 712 Abb 2), ein Gasthaus an der Kapelle St Antonius in Langweiler (um oder nach 1487; Brans 2006, 52 Abb 1) und das Gasthaus an der Kapelle St Katharina in Höllen (14 Jh ; Brans 2007, 9 Abb 1) Zur Unterkunt auf der Wallfahrt konnten Pilger neben Spitälern auch Klöster und kommerzielle Gasthäuser aufsuchen, zudem kann die private, archäologisch kaum fassbare Gastlichkeit einen großen Anteil ausgemacht haben (Peyer 1983 b, XI; 1987, 134; Rau/Schwerhoff 2004, 28; Jensen 1998, 166) Das Gleiche gilt für die Unterkunt in temporären Lagern oder im Freien (Hersche 2006, 824) Xenodochien – sie boten Unterkunt und Krankenlege – treten erstmals mit dem frühen Christentum und dessen Pilgerwesen in der Spätantike in Syrien und Ägypten auf und verbreiten sich bis zum 5 /6 Jh

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n Chr über das Oströmische Reich bis nach Süd- und Westeuropa Sie ähneln in ihrer späteren Form funktional, d h als Kombination von Herberge und Armen- oder Krankenhaus, den mittelalterlichen Hospizen Insgesamt sind sie in Mitteleuropa als antike, spätantike bis frühmittelalterliche Einrichtungen zu verstehen und werden begrilich wie funktional ab dem 6 Jh allmählich von Hospitälern bzw Hospizen abgelöst (Peyer 1987, 10; 117–120; Szabó 1999, 401) Darüber hinaus waren Klöster für Reisende verschiedener sozialer Stellung, darunter auch für Pilger, wichtige Stationen auf Fernwegen Sie waren seit der Karolingerzeit auch mit Gasträumen ausgestattet (Peyer 1987, 120–129; Rau/Schwerhoff 2004 b, 28; Daxelmüller 1982, 189; Jensen 1998, 166; Stephan 1995, 458) Allerdings ist dies diferenziert zu betrachten, da die Reisenden je nach Stand unterschiedlich behandelt wurden und zum Teil gerade für arme Reisende, etwa Pilger, die Versorgung deutlich eingeschränkt ausfallen konnte (Peyer 1987, 129) Zusätzlich wurden ab dem Spätmittelalter kommerzielle Gasthäuser im nahen Umfeld der Klöster eingerichtet und von ihnen selbst betrieben (ebd 134; 136) Bildliche Darstellungen solcher Klöster, Gasthäuser oder Klostertavernen stammen aus dem ehemaligen Zisterzienserkloster St Urban in Luzern von 1630 (Kümin/Tlusty 2011 b, 126 Abb 3, 1) Archäologische Zeugnisse für einen vergleichbaren Zusammenhang stammen aus den Grabungen

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Die obere Wegebreite

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Der Faehrkamp

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In der neuen Kirche Auf dem Werder

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1 Alter Krug 2 Neues Haus 3 Mühle 4 Bosquet 5 Schlossgarten 6 Remter Garten 7 Schlossplatz

Abb 3 Corvey, Kr Höxter Übersichtskarte der Flurnamen um das Kloster Corvey Der Flurname „Alter Krug“ indet sich westlich des Klostertores (nach Stephan 2000, 640 Abb 10, 1)

Abb 4 Hamburg, St -Jacobi-Kirche Darstellung der Beherbergung von Pilgern in typischer Ausstattung durch die hl Gertrud auf dem St -Petri-Altar, um 1510 (nach Wittstock 1982, 193 Abb 1)

um das Kloster Corvey bei Höxter (Stephan 2000, 184) Auf Karten des 18 Jhs und von 1940 ist aufgrund des Flurnamens „Alter Krug“ im Bereich vor dem Westtor des Klosters und nördlich der Corveyer Allee ein Wirtshaus zu vermuten (Abb 3) Durch Grabungen wurde hier für das 9 –12 Jh eine vorgelagerte, ca 25–30 ha große Siedlung nachgewiesen (Stephan 2000, 184; 225–226; 2002, 241–244) Darin deutet eine Keramikkonzentration aus Scherben des 9 –12 Jhs auf Gasthausgebäude (ebd 184–185; 226; 404–405) Daneben wird im Bereich an der Corveyer Allee vom 13 –17 Jh ein Klosterkrug vermutet, dessen Nachfolger im 18 Jh bzw um 1700 auf der gegenüberliegenden Seite errichtet wurde (ebd 185; 469) Ein weiteres Beispiel ist die Klostertaverne Zum alten Wirt in Seeon-Seebruck, Lkr Traunstein Sie wurde 1616 als Teil des Benediktiner-Klosters von Abt Sigismund über einem Vorgängerbau errichtet und diente wie üblich bei Klostertavernen außer der Verplegung von Ortsansässigen auch als „Gästehaus des Klosters“ und der Unterbringung ortsfremder Reisender (Liedke 1984, 103) Die Lage von kommerziellen Wirtshäusern und Herbergen orientiert sich in der Stadt wie auf dem Land an wichtigen Verkehrs- und Kommunikationswegen und sie sind bedingt durch ihre Funktion ein Knotenpunkt des alltäglichen Lebens (Rau/Schwerhoff 2004, 28; 31–33; siehe S 19 f Beitrag F Jürgens

in diesem Band) Neben Fernstraßen, Mühlen und Schmieden befanden sie sich in der Nähe von Kirchen und Klöstern und konnten auch von Geistlichen betrieben werden (Peyer 1987, 136; Zaremska 1997, 241–242) Schrit- und Bildquellen belegen, dass Pilger nicht nur die zuvor vorgestellten Einrichtungen für Bedürtige zur Unterkunt aufsuchten, sondern auch in kommerziellen Wirtshäusern unterkamen (Kümin/Tlusty 2011 a, 86) So wird die Anwesenheit von Pilgern in Wirtshäusern im spätmittelalterlichen Kirchenrecht entschuldigt, wenn keine anderen Unterkünte zur Verfügung stehen (Peyer 1987, 137) In einem Reiseratgeber von 1435 für Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela, geschrieben von Herman Künig von Vach, wird für die Stadt Genf nahegelegt, bei einem „german publican“ unterzukommen, einem deutschen Wirtshausbesitzer außerhalb der Stadt Durch ein Schild des hl Jakob und einer Jakobs-Kapelle in der Nähe empiehlt sich dieser Wirt für die Aufnahme von Santiago-Pilgern (Kümin/Tlusty 2011 b, 140) Als Beispiele für die Aufnahme von Pilgern in Herbergen seien zwei Bildquellen genannt: das Reliebild des Altarschreins von Ermensee im Kanton Luzern von 1580 (Schmugge 1983, 48) und das Flügelgemälde des St -Petri- bzw Fischeramts-Altars der Hamburger St -Jacobi-Kirche von um 1510 (Abb 4; Wittstock 1982, 193)

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Das Verhältnis von Wirtshaus und Kirche Wirtshäuser Neben der Wallfahrt als aus dem Alltag gehobenem und eher punktuellem religiösem Akt, waren Wirtshäuser regelmäßig Schauplätze kirchlicher und religiös konnotierter Feste wie der Kirmes, Tauf- , Hochzeits- oder Trauerfeiern (Rau/ Schwerhoff 2004 a, 31–32) Ein Holzschnitt von Sebald Beham von 1535 stellt die jährliche Kirmes in Nürnberg dar und zeigt im Zentrum ein Gasthaus mit davor aufgestellten Sitzbänken und einer Festgesellschat (Abb 5; Stewart 2002, 100– 101) Links ist im Hintergrund des Gasthauses vor der Kirche ein Festzug zu erkennen, den tieferen Hintergrund dominiert eine wohl landesherrliche Burg Insgesamt ist jedoch das Wirtshaus der Mittelpunkt der Feierlichkeiten, an denen außer Bauern auch andere soziale Stände teilnehmen (ebd 97; 106) Die zentrale Position nimmt ein ländlicher Geistlicher ein (ebd 106–109) Dass ländliche Geistliche – im Gegensatz zu städtischen – sich in Wirtshäusern auhielten, war im 16 Jh nicht ungewöhnlich, wenn auch im Kontext dieser Darstellung vermutlich moralisierend und kritisch gemeint (ebd 107–109; 98–99) Häuig stammen aus schritlichen Quellen gerade dieser Zeit Beschwerden über Jahrmärkte6 und Forderungen nach ihrer Abschafung sowie Be-

strebungen, Besuche in Gasthäusern rechtlich einzuschränken (Rau/Schwerhoff 2002, 188–189) Wirtshäuser werden von kirchlicher wie weltlicher Seite aufgrund des Alkoholkonsums und der resultierenden Ausschweifungen als „Inbegrif der Unordnung“ oder „Brutstätte der Sünde“ charakterisiert (ebd 186) Die bisher geplegten Traditionen des regelmäßigen Gasthausbesuches brechen dennoch nicht ab (Gossler 2011 a, 78–83; Stewart 2002, 107; Kümin/Tlusty 2011 a, 87) Auch zeugen erhaltene Sinnsprüche auf Wappenschildern und Wandgemälden des 14 und 15 Jhs zumindest für Zunt- und Herren- oder Ratstrinkstuben von einer „alltäglichen“ Frömmigkeit im Wirtshaus (Potthoff/Kossenhaschen 1996, 53–54) Das Wirtshaus bot vor allem zur Zeit der Reformation einen Trefpunkt für religiöse Gruppierungen und politische Diskussionen, an denen auch Geistliche teilnahmen (Rau/Schwerhoff 2004, 32; Kümin/Tlusty 2011 a, 122–125) Der Besitz von Tavernen durch geistliche Grundherren ist zudem in Bayern für das 13 und 14 Jh in schritlichen Quellen nachzuweisen (Kerntke 1983, 99-100; Kümin/Tlusty 2011 a, 86; 115–116) In Görlitz ist für das Ende des 15 Jhs der Ausschank und Verkauf durch den Pfarrer belegt (Rau/Schwerhoff 2002, 196)

Kirchen Bereits an dieser Stelle wird das komplexe Verhältnis zwischen Wirtshäusern und Kirche im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit deutlich Beide Einrichtungen ähneln und ergänzen sich als Anbieter multifunktionaler, öfentlicher Räume (Rau/Schwerhoff 2002, 190; 199) Archäologisch lässt sich der Zusammenhang zwischen Jahrmarkt bzw Kirmes, Wallfahrt und Wirtshaus am Beispiel von Lenzen, Kr Prignitz in Brandenburg, fassen Die vom Landesherrn geförderte Entstehung des Mariengnadenortes um 1400 steht im Kontext mit dem Aukommen zeitgleicher Marienverehrungsorte in Brandenburg (ebd 78 Abb 8) Für den Nahwallfahrtsort sind weder eigene Pilgerzeichen noch Ablässe belegt, seine nicht geringe wirtschatliche Bedeutung ergibt sich aber über die Beteiligung der Landesherren an seinen Einkünten (ebd 80–81)

Über schritliche Quellen des 15 Jhs und nachreformatorische Visitationsberichte erfahren wir von den Versuchen einer Säkularisierung des Jahrmarktes und Abschafung der Marienverehrung in Lenzen, bis die Kirche schließlich 1558 nicht mehr erwähnt wird (ebd 78–79) Die Grabungen in Lenzen ergaben mehrere Befundkomplexe, die in Zusammenhang mit der Nahwallfahrt und der Marienverehrung in brandenburgischen Gnadenorten im 15 und 16 Jh stehen (Abb 6) Zunächst wurde mit dem Fundament eines Ziegelbaues und dessen Ausstattung eine Kirche erfasst, genauer die 1459 urkundlich erwähnte Marienkapelle auf dem „Hischenberg“ (Gossler 2011 a, 75; 78) Teile eines Friedhofs lagen westlich der Kirche und weisen indirekt einen Vorgängerbau nach (ebd 76–78) Südöstlich wurde das Proil einer bis 1,4 m tiefen Grube,

6 Unter anderem wurden aus protestantisch-reformatorischer Perspektive mit dem Jahrmarkt und den Pilgern aus Bad Münder Schlagworte wie Totschlag, Hurerei, Sodo-

mie, Bettelei, Betrug, Diebstahl und Trunkenheit in Verbindung gebracht, die Wallfahrt selbst als „abgotterei“ kritisiert (Gossler 2011, 81–83)

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Abb 5 Darstellung der Kirmes in Nürnberg mit einem Gasthaus an zentraler Stelle Holzschnitt von Sebald Beham, Das große Kirchweihfest, 1535 (nach Stewart 2002, 100–101 Abb 3)

Reste Friedhofsmauer? Kirchenstandort

Steinpflasterung Fundamentreste Grabfunde

Keller Graben N 0

10 m

Abb 6 Lenzen, Kr Prignitz Grabungsplan mit vorläuiger Befundinterpretation; Grabungsschnitte grau unterlegt (nach Gossler 2011, 76 Abb 4)

eine Steinplasterung und ein Graben angeschnitten Die Funde aus dem Verfüllmaterial stammen aus dem 15 /16 Jh und umfassen Keramik, Glas, Tierknochen, einen Zaphahn und Eisennägel, so dass die Grube als Unterkellerung eines Wirtshauses angesprochen wird (ebd 76) Die Auswertung der Keramikfunde lässt eine Einordnung in ein ländliches und regionales Milieu zu (ebd 81) Dagegen belegt die Anwesenheit von Humpen und Keulengläsern ansatzweise gehobenere Trinksitten (ebd ; siehe S 139 f Beitrag J Kordowski/N Wolpert in diesem Band) Insgesamt stellt der seltene Befundkomplex aus Kirche, Haus, geplasterter Straße und Graben für N Gossler (2011 a, 81) eindeutig den Beleg eines Nahwallfahrtsund Jahrmarktsortes mit seiner seelsorgerischen und gastronomischen Infrastruktur dar Ein ähnlicher Befundkomplex ist bei der Wallfahrtskapelle von St Annen in Bad Münder, Lkr Hameln-Pyrmont, archäologisch erschlossen worden Der Standort der ehemaligen Wallfahrtskapelle ist durch Karten des 18 und 19 Jhs bekannt (Cosack 2003, 116; 117) Die Verehrung der hl Anna als der Mutter Marias, die Kapellengründung um 1500, der Bau und die Einweihung von 1506 ist in Bad Münder über schritliche Quellen nachzuweisen (ebd 118–122; Cosack 2004, 621–623) Die Kapelle entwickelte sich besonders zum Namenstag der hl Anna zu einem stark besuchten Ort (ebd 623) Zudem sind „Garküchen“ und „Schenkhütten“ überliefert, zur Versorgung der Wallfahrenden war demnach in unmittelbarer Nähe der Kapelle ein St. Annenkrug eingerichtet worden (ebd ) Eine Quelle aus dem Jahr 1600 berichtet weiter von den negativen Auswirkungen der Wallfahrt, da viele „Bettler“, „Landfahrer“, „Beträger [sic!]“, „Trunkene“ und „ungeschlachte Leute“ hier

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Suchschnitt 1

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Kapelle

Entwässerungsmulde

Abb 7 Bad Münder, Lkr Hameln-Pyrmont Befundplan der Ausgrabungen mit Kapelle und Wirtshausanlage (Gossler 2011, 83 Abb 13)

anzutrefen seien (ebd ) Allerdings ist die Wallfahrt nach St Annen nur kurz nachweisbar, bereits 1545 ist im Visitationsbericht von Calenberg der Abriss der Kapelle und die Einstellung der Wallfahrt gefordert Der endgültige Abbruch der Kapelle ist spätestens im Jahr 1591 vollzogen worden (ebd 625) Die archäologischen Befunde von Bad Münder stützen die in den Schritquellen beschriebene Situation Ausgrabungen im Jahr 1999 konnten mehrere linear angeordnete Keller und damit einen Gebäudekomplex westlich der Kapelle feststellen (Abb 7; Cosack 2004, 623) Er besteht insgesamt aus den Gebäuden A–F, von denen Gebäude A–D größere zweistöckige Fachwerkbauten und Gebäude E und F einstöckige Bauten waren Die unterschiedliche Bauweise weist auf verschiedene Funktionen hin (ebd 624) Während Gebäude A wegen des exponierten Eingangs und der Funde zweier Buchschließen und eines Buchdeckelbeschlages (Taf 2, 3) als Priesterwohnung angesprochen wird, werden die Gebäude B und C aufgrund ihrer Größe, der großen Keller und Funden von Kochgeschirr als Schen-

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ke bzw Wirtshaus interpretiert (ebd 625) Die kleineren Gebäude E und F können dagegen Garküchen gewesen sein (ebd 625) Im Südwesten des Gebäudekomplexes beindet sich eine Entwässerungsgrube und an Gebäude A–F schließen östlich die Reste einer nachträglich angefügten Mauer an (ebd 624) Die Mauer diente vermutlich einer räumlichen Trennung zwischen dem Krug, seinen als ausschweifend beschriebenen Gästen und der Wallfahrtskapelle (ebd 624) Die räumliche Nähe und die Größe des wahrscheinlich in einem Zuge errichteten Gebäudekomplexes bei der Wallfahrtskapelle zeugen von dem großen Zulauf von Pilgern zum Wallfahrtsort St Annen und deshalb – wie auch in Lenzen – von der Notwendigkeit, eine dafür angemessene Versorgungsstruktur in Form eines Wirtshauses zu schafen In Jochberg, Bez Kitzbühel in Österreich, wurde ein mit Wallfahrt zusammenhängender Gasthausbefund erschlossen Die hohe Konzentration an Küchenabfällen in Form von Keramik- und Glasgefäßen des 15 Jhs und 16 /17 –19 Jhs direkt neben der

Jochbergwald-Kirche und westlich der Pass-hurnStraße zeigt den Vorgänger des heute an der Stelle wieder errichteten Waldwirtshauses (Pittioni 1969, 202–203; 1978 b, 252–253) In der Kirche ist ein wundertätiges Marienbild überliefert, so dass in diesem Gasthaus hauptsächlich Wallfahrer ab dem

18 Jh 7 und Reisende auf dem Weg über den Pass verplegt wurden (Pittioni 1969, 217–218 Anm 6; 1973, 138; 1978 b, 250) Das zweite Wirtshaus in Jochberg, der Jodlbichl, wird dagegen als Gasthaus für die Ortsansässigen gedeutet (Pittioni 1978 b, 250)8

Andenken: Devotionalien und religiöse Objekte Figurinen Neben dem räumlichen Zusammenhang zwischen Gasthäusern und sakralen Gebäuden bietet das Fundmaterial aus verschiedenen Wirtshäusern einen detaillierten Einblick in den Kontext von Wallfahrt und Pilgerwesen und der persönlichen und alltäglichen Religiosität in Gasthäusern In Wallfahrtsorten gab es ein umfangreiches Angebot verschiedenster Devotionalien, die als Andenken an die Pilgerfahrt gekaut werden konnten (Hersche 2006, 831–832) Die reichhaltigste und am eindeutigsten bestimmbare Fundgruppe bilden in Gasthäusern gefundene Tonigurinen mit christlichen Motiven und verschiedenartige igürliche Plastiken Aus der zum Gasthaus Zum goldenen Bock/Klösterl gehörigen Latrinenverfüllung der Auergasse 10 in Regensburg stammen acht rot- und weißtonige Figurinen (Kat -Nr 12, a–g) Davon werden vier weibliche koplose Figurinen über ihre Attribute als Heiligendarstellungen der hl Barbara, hl Dorothea und der hl Elisabeth von hüringen angesprochen (Taf 1, 4 7–8; Endres/Millitzer 2002, 55) Eine männliche Figur mit Löwendarstellung wird als hl Markus oder Julianus interpretiert (Taf 1, 3; ebd 55) Außerdem gehören ein stehender Engel mit Pokal (Taf 1, 5) und ein sitzender Engel mit Laute (Taf 1, 6) sowie das Fragment eines stehenden Jesusknaben mit Segensgeste (Taf 1, 9) zu der Gruppe Die Datierung ist nur allgemein auf die Mitte des 15 Jhs bis zur Mitte oder zweiten Hälte des 16 Jhs einzugrenzen, da aussagekrätige Merkmale überwiegend fehlen (Endres/Millitzer 2002, 51–55) Vereinzelt weisen die Figurinen Spuren von Bemalung auf, die regelhat nach dem Brand aufgetragen wurde Insgesamt werden sie so als eher günstige und einfache Massenware angesprochen (ebd 55) Aufällig ist, dass die Figuren aus Regensburg ausschließlich christliche Motive darstellen Sie werden als Objekte der persönlichen und privaten Religiosität interpretiert und stehen im Zusammenhang

mit der Wallfahrt zum Kloster St Emmeram in Regensburg (Endres/Millitzer 2002, 55; Hartinger 2002, 167–168) Hier wurden mit Unterstützung des Stadtrates die Gräber der hl Emmeram, Wolfgang und Erhard verehrt und Prozessionen abgehalten, die von Bewohnern der Stadt und von Pilgern aus weiter entfernten Regionen zahlreich besucht wurden (ebd 168) Die im Vergleich mit anderen Gasthäusern hohe Anzahl der Figuren relektiert diese intensive, neuzeitliche Wallfahrt, allerdings ist die Menge zu gering und die Auswahl der Motive zu vielfältig, um den Verkauf solcher Figuren im Gasthaus selbst nachzuweisen Vielmehr sind sie Anzeichen für eine private, alltägliche Religiosität Zwei weitere religiöse Tonigurinen stammen aus der Latrinenverfüllung des Gasthauses Zum wilden Mann in Nürnberg und datieren in das 15 Jh (Kahsnitz/Brandl 1984, 65; Brandl 1984 b, 100) Beide Figuren sind aus weißem, hart gebranntem Ton gefertigt und nur als Bruchstücke erhalten (ebd ) Von einer ist die obere Körperhälte und das Kopfstück vorhanden, sie stellt ein auf einem Kissen liegendes Kind dar (Kat -Nr 10, a; Taf 1, 11 a) Ein radiales Muster um den Kopf lässt eine Interpretation als Christuskind zu (ebd ) Die zweite Figur kann aufgrund der Attribute Hirtenstab und Buch als Abt oder Bischof angesprochen werden (Kat -Nr 10, b; Taf 1, 11 b) Beide werden als religiöse Spielzeuge für Kinder gedeutet (ebd 98) Eine weitere als Christuskind angesehene Figurine stammt aus der Latrine des Gasthauses zer lachun in der Altstadt von Waldkirch, Kr Emmendingen, das erstmals 1306 erwähnt wird und ab 1553 als Gasthaus und Herberge Zur Krone weitergeführt wurde (Jenisch u a 2011, 230–231) Die fast vollständig erhaltene, weißtonige Statuette ist ca 10 cm groß (Kat -Nr 16, a; Taf 1, 1) Dargestellt ist ein nackter Knabe in leichter Schrittstellung, der vor dem Bauch eine Art Tasche hält, in die er mit

7 Der Kapellenbau ist für den 15 12 1676 schritlich belegt Die Messlizenz für die Kapelle wurde 1739 erteilt, weshalb mit dem Beginn der Wallfahrt im 18 Jh zu rechnen ist 8 Leider wird aufgrund des Fundmaterials nur die Eingren-

zung in soziale Milieus und die Herkunt der Stücke diskutiert, religiöse Kleinfunde als Hinterlassenschaten der Durchreisenden fehlen

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der rechten Hand hineingreit Am linken Bein der Statuette ist – ofenbar zur Stabilisierung der Standläche – ein Skelett angefügt, das ein Kind umfasst Insgesamt wird die Figur als Christuskind und als Devotionalie zur Bitte um den Schutz vor Kindstod interpretiert (ebd 231) Eine fast identische, 9,5 cm große Statuette ist als Streufund über dem Plaster des 13 Jhs bei der Markplatzgrabung in Bremen gefunden worden (Rech 2004, 314) Auch hier ist ein nackter Knabe in aufrechter Haltung mit einem Korb vor der Brustmitte dargestellt, in den die Figur mit ihrer linken Hand hineingreit, und entlang des rechten Beines zieht sich eine Blumengirlande als Stütze (Taf 1, 2) Diese Figur wird als Beiigur zu einem Figurenensemble aus dem Umfeld der hl Dorothea gedeutet (Rech 2004, 314; Bischop 2011, 58) Beide Stücke gehören mit ihren Attributen zu den seit dem 14 /15 Jh beliebten rundplastischen Darstellungen von Christusknaben (Grönke/ Weinlich 1999, 220) Aus der Verfüllung zweier Schächte unter dem Gasthaus Der goldene Ring in Mansfeld konnte eine koplose Tonigurine geborgen werden (Kat -Nr 7, a; Vahlhaus 2012, 5) Die Verfüllung stammt aus der zweiten Hälte des 16 Jhs und enthielt mehrere vorreformatorisch datierte Kachelfragmente mit Heiligendarstellungen und einer Gottvaterdarstellung (ebd ; Kat Nr 7, b–c) Eine weitere weißtonige Figur aus Trier (Kat -Nr 14, a) stammt aus dem reichhaltigen Fundmaterial der Latrinenverfüllung eines als Wirtshaus angesprochenen Gebäudes in der ehemaligen Frauenstraße und datiert grob in die erste Hälte bzw Mitte des 16 Jhs Die bisher nur in einem Grabungsbericht erwähnte Figur soll zur Darstellung der Flucht aus Ägypten gehören (Clemens/Löhr 1997, 384; Hupe 2012, 44–47) Aus dem Befund des Gasthauses Zu der Mohrin in Villingen stammen die Kopfragmente zweier weiblicher Figuren (Jenisch 1990, 29) Eine kam aus einer Kellerverfüllung in der Südostecke des archäologisch erfassten Gebäudes zutage (Kat -Nr 15, a), die andere aus einer nahe liegenden Abortgrube (Kat Nr 15, b) Die Figuren sind gleichzeitig eingebracht, werden aufgrund ihrer Gestaltung als „werkstattgleich“ angesehen und in das 13 Jh datiert (ebd ) Der freigelegte Gebäudeteil wird als Küchentrakt angesprochen (ebd 30) Erkennbar sind an den Köpfen die Nasen, die Kopbedeckung und lange Haare Die Figuren werden als profanes Spielzeug oder Heiligenigurinen gedeutet und sind nicht weiter zu bestimmen, da mögliche Attribute am Körper fehlen (ebd ) Die frühe Datierung und einfache Gestaltung der Figuren lassen sie vermutlich der vielfältigen Gruppe profaner Spielzeuge zuweisen, die häuig Motive aus der Adelswelt aufgreifen, etwa Ritter oder Edeldame (Grönke/Weinlich 1999, 222) Jün-

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Abb 8 Beispiel für die Aufstellung von Heiligeniguren im privaten Kontext Figur der Heiligen Dreifaltigkeit auf dem Kaminsims Tafelbild vom Meister von Flémalle (Robert Campin?), Die hl Barbara am Kamin (Ausschnitt), 1438 (nach Nagel 1996, 91 Abb 45)

gere Heiligeniguren sind dagegen meist aus hellem Ton detailgetreu gestaltet und nicht mehr vollständig per Hand hergestellt (Both 1997, 279) Ein bisher singuläres Beispiel rottoniger, handgeformter Figurinen mit religiösem Motiv bildet die Figurengruppe betender Mönche des 13 und 14 Jhs , die von F Both (1997, 275–277) vorgelegt wurde und nur aufgrund der eindeutigen Bethaltung zu identiizieren ist Die hier vorgestellten Heiligen- und Christusiguren können aufgrund ihres Auindens in Latrinen oder Verfüllungen und ihrem meist fragmentarischen Erhaltungszustand zunächst als Abfall bewertet werden Mutwillige Zerstörungen, denkbar etwa im Rahmen der Reformation, sind da-

gegen nicht eindeutig festzustellen (Endres/Millitzer 2002, 55) Häuig werden sie der privaten Religiosität zugesprochen und als Wallfahrtsandenken von Pilgern gedeutet (ebd ) Weitere Interpretationen zur zeitgenössischen Nutzung sind vielfältig: als Votiv- oder Weihegaben, als Spielzeug für „Fiktionsspiele“, als Glückwunschschenkungen oder Gaben zu besonderen feierlichen Anlässen (etwa Taufe oder Geburtstag), als magisch-religiöse „Opfergabe“ zur Bitte um Schutz oder im ländlichen Raum um einen fruchtbaren Boden (Both 1997, 278–279; Jenisch u a 2011, 231; Bischop 2011, 57; Rech 2004, 315; Grönke/Weinlich 1999, 220) Eine Trennung zwischen profanen und religiösen Spielen und damit zwischen Spielzeug für Kinder und Andachtsobjekten für „erwachsene“ Pilger ist schwierig, da Fiktionsspiele durchaus religiöse hemen wie die Passion

Christi enthalten konnten (Both 1997, 279; Grönke/Weinlich 1999, 222) Zum Teil werden die Figuren als Medium zur Einführung der Kinder in die Welt der christlichen Religion interpretiert (Brandl 1984 b, 98) Einzeln oder in speziischen Gruppen zusammengestellt konnten sie zur häuslichen Andacht in Hausaltären aufgestellt werden (Both 1997, 278–279; Bischop 2011, 56–57; Nagel 1996, 93 Abb 49) Auf dem Tafelbild „Die hl Barbara am Kamin“ von 1438 steht eine solche Figur auf dem Kaminsims (Abb 8), weshalb eine ähnliche Aufstellung auch für Gasthäuser denkbar ist (Endres/Millitzer 2002, 56; Nagel 1996, 89–90) Bei Durchbohrungen, wie zum Beispiel der Engelsigur aus Regensburg (Taf 1, 5), kann eine Nutzung als Anhänger oder die Anbringung an der Kleidung nicht ausgeschlossen werden (Endres/Millitzer 2002, 55–56)

Kruseler-/Kragenkruseleriguren Eine spezielle Form weißtoniger, bemalter Figurinen stellen die sogenannten Kruseler- oder Kragenkruseleriguren dar Die Vorderseite wurde mit Modeln geformt, die Rückseite freihändig gearbeitet, beide Teile anschließend verbunden, so dass innen ein Hohlraum verbleibt (Grönke/Weinlich 2008, 123) Dargestellt sind ausschließlich weibliche Figuren, die anhand des aufwendigen Kopfschmuckes – der Namen gebenden und ab der Mitte des 14 Jhs beliebten Kopbedeckung „Kruseler“ – in vier Typen eingeteilt werden können (ebd 125–128) Die Typen 1–3 werden als Kinderspielzeug angesprochen und aufgrund häuig nachgewiesener Bemalungsreste als qualitativ hochwertig angesehen, d h einem sozial gehobeneren Milieu zugesprochen Typ 4 wird religiös interpretiert, da die Figuren meist „Kronen“ tragen und als Marien- oder Heiligendarstellungen angesprochen werden Die Gestaltung der Falten und der Details ist hier stark reduziert und auf der Vorderseite ist mittig eine größere, runde bis ovale Fläche freigelassen (Grönke/Weinlich 1998, 168–170 Taf 19–21) Darin wurde nach E Grönke/E Weinlich (2008, 126–127) eine Münze – der „Patenpfennig“ – eingebracht Die Figuren dienten daher insgesamt eher als „Verpackung“ und seien als Paten- oder Taufgeschenke verwendet worden (ebd ) Belege durch zugehörige Münzfunde sind jedoch nicht bekannt, häuiger ist über Vergleiche mit bildlichen Darstellungen die Anbringung von Heiligenbildchen nachgewiesen Aufgrund der verschiedenen Möglichkeiten, die Aussparung an den Figuren mit religiösen Objekten auszustatten, sind auch hier vielfältige Deutungen möglich, von den genannten Geschenken, Weihegaben bis hin zu Pilgerandenken oder Reliquienbehältern (ebd 128) Die Datierung erfolgt über den Abgleich des Kruselers mit bild-

lichen Darstellungen oder weiblichen Plastiken in zeitgenössischer Kleidung des Spätmittelalters (ebd 125) Fragmente solcher Figuren stammen aus zwei Gasthausbefunden in Nürnberg und Hilpoltstein In Nürnberg kam eine Figur aus der in das 13 und 14 Jh datierenden Latrine des Gasthauses Zum Rudolf zutage (Kat -Nr 11; Taf 1, 10; Frieser 1999 b, 9–11) Der Kopf der Figurine ist abgebrochen, im Schulterbereich sind vereinzelte Falten erkennbar, die Kleidung besteht aus einem Nuschenmantel und einem Kleid (ebd 33) Die Hände ruhen in Gebetshaltung mittig auf dem Körper (ebd 113) Die Figur wird aufgrund der Mantelschließe – der Nusche – jedoch als profane Figurine des Typs 2 f gedeutet (Grönke/Weinlich 1998, 39) Zwei Köpfe von Kragenkruseler-Figuren stammen aus dem Gasthaus Schwarzes Roß in Hilpoltstein, Lkr Roth (Ruf 2011, 197–198) Beide Stücke gehören den profanen Typen 3 a und 3 e an, werden in das ausgehende späte Mittelalter datiert und als qualitativ höherwertiges Spielzeug für Kinder angesprochen (ebd 198) Die helltonigen Figurinen wurden als Massenprodukte mit regionalen Schwerpunkten in Süddeutschland, Sachsen, der Schweiz und entlang des Rheins weit gehandelt (Both 1997, 281; Grönke/ Weinlich 1999, 220–221) Auch werden Wirtshäuser als Verkaufsstellen solcher Figurinen vorgeschlagen, wenn sie im Umfeld oder auf dem Weg zu bedeutenden Pilgerstätten liegen (Endres/Millitzer 2002, 56) Ein solcher Ladenverkauf auf die Straße in städtischem Umfeld ist auf einem Marienaltarbild von Konrad Witz (ca 1440–1445/46) dargestellt und wäre auch für Wirtshäuser denkbar (Nagel 1996, 66 Taf 1, 3; 114; Both 1997, 281) Auf die Produktion und den Verkauf von Kruseler- oder Heiligen-

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iguren spezialisierte Bildbäcker oder Hafner sind erst ab dem 15 und 16 Jh zum Beispiel in Köln oder den Niederlanden nachweisbar (Grönke/Weinlich 2008, 124; 1999, 224; Nagel 1996, 113–114) Davor konnten prinzipiell in jeder Töpferei oder jedem Gebäude mit Backofen mithilfe bereits vorhandener, selbst angefertigter oder kopierter Modeln solche Figuren hergestellt werden (Grönke/Weinlich 2008, 124; 1999, 223–224) Gerade in ländlichen Wirtshäusern, wo Wirte meist verschiedene Nebengewerbe – wie auch Bäckerei – ausübten, wäre eine lokale Produktion dieser Figurinen denkbar Ein archäo-

logischer Befund von Backofenanlagen im Kontext eines Gasthauses stammt aus Tulln an der Donau (siehe S 124 Beitrag F Fuchs/D Wehner in diesem Band) Gleichzeitig wurden neben derartigen Figuren meist auch andere Keramikprodukte gebrannt (Nagel 1996, 111) Andererseits weist die Detailgenauigkeit der Kleidung von Kruseleriguren auf die Produktion in großen Städten hin, wo die Moden etabliert und getragen wurden, und spiegelt sich in den dort angetrofenen hohen Fundkonzentrationen wider (Grönke/Weinlich 1998, 20–21; 1999, 224; 2008, 124)

Heiligenskulpturen aus Holz Allgemein wird die Produktion und der Verkauf von Heiligeniguren mit dem Beginn der Reformation im 16 Jh wenn nicht beendet, so zumindest erheblich eingeschränkt (Nagel 1996, 116) Heiligenigurinen aus Holz sind in Einzelfällen belegt, allerdings sind diese meist ohne Bezug zum Wirtshaus publiziert Eine hölzerne Madonna von um 1520 ist aus dem Gasthaus Zum Rebstock in Heuweiler bekannt (Kat -Nr 5) Das bereits 1345 urkundlich überlieferte Gasthaus war im 17 Jh Schauplatz religiöser und besitzrechtlicher Konlikte Welche Rolle allerdings die Figur dabei spielte, ist nicht nachvollziehbar (Fässler 2013) Die Aufstellung hölzerner Heiligenskulpturen in Gasthäusern ist erst in der Moderne überliefert Für die Schwarzwälder Weinstube in München sind zwei religiöse Skulpturen bekannt: eine thronende Maria des 15 Jhs mit Jesuskind auf dem Schoß (Kat Nr 8, a) und eine undatierte Plastik des hl Urban (Kat -Nr 8, b), allerdings ohne nähere Beschreibung

(Potthoff/Kossenhaschen 1996, 447–448 Abb 228–229) Eine Postkarte von 1868 zeigt die Aufstellung einer Heiligenskulptur erhöht auf einem Podest an der Wand des dortigen Gastraumes (Postkarte Weinhaus) Die Aufstellung der Skulpturen wird mit der „kunstgesättigten Atmosphäre“ (Potthoff/ Kossenhaschen 1996, 448) Münchens am Ende des 19 und Anfang des 20 Jhs verbunden und ist nicht direkt auf vorherige Epochen und andere Regionen übertragbar Das Wandrelief des hl Rochus an der Außenfassade des um 1600 erbauten Gasthauses Zur Rose in Ellingen, Lkr Weißenburg-Gunzenhausen, ist ein weiteres Beispiel für plastische religiöse Darstellung im Kontext kommerzieller Gasthäuser Das Relief, das zwischen 1720 und 1730 geschafen wurde, weist wegen der Wundmale des Heiligen auf das nahe gelegene Elisabethspital hin und soll vor Ansteckung warnen (Töpner/Schötz 1999, 27; siehe auch S 91 Beitrag T Kühl in diesem Band)

Schabmadonnen Die Verbreitung und Verwendung von Schabmadonnen ist eine relativ junge Spielart der sogenannten Volksfrömmigkeit oder besser der Alltagsreligiosität Die Figuren werden aus dem Lehm bestimmter Wallfahrtsorte dem dort verehrten Gnadenbild Marias nachgebildet Das von ihnen abgeschabte und konsumierte Pulver galt als „heilbringend oder segensreich“ (Kraft 1994, 129; Boschetti-Maradi 2009, 15) Eine 15 cm hohe, tönerne Schabmadonna aus Altötting aus der zweiten Hälte des 19 Jhs belegt die langlebige Nutzung dieses „Heilmittels“ zumindest in Süddeutschland und der Schweiz (Kraft 1994, 136 Kat -Nr 4 3 3) Funde solcher Schabmadonnen stam-

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men aus dem Gasthaus Adler in Allenwinden in der Schweiz und sind dem Gnadenbild des dortigen seit dem 14 Jh bedeutenden Wallfahrtsortes Einsiedeln nachgebildet (Boschetti-Maradi 2009, 12) Die älteren, noch vom Kloster selbst produzierten Figuren, weisen rückseitig das Stitswappen auf Im 19 Jh privat produzierten Figuren fehlt dieses Wappen, so ist also eine grobe Datierung möglich (ebd 15; 16) Erhalten sind drei vollständige Figuren und zwei Fragmente (Kat -Nr 1, f–k; Taf 2, 6–7), von denen zwei der drei vollständigen aufgrund der Initialen „S M E“ und des Stitswappens auf vor 1798 datiert werden können (ebd 16)

Rosenkränze Ebenfalls aus dem Gasthaus in Allenwinden stammen mehrere einzelne oder an Rosenkränzen befestigte Weihe- und Wallfahrtsmedaillen, die verschiedenen Heiligen geweiht und teilweise mit Segenssprüchen versehen sind (Kat -Nr 1, b–c; Taf 2, 5; Boschetti-Maradi 2009, 13; 14) Diesen vergleichsweise spät autretenden Devotionalien wurde ebenfalls eine magische und schützende Wirkung zugesprochen, auch wenn sie nur durch die Klöster, in diesem Fall überwiegend dem Benediktinerkloster Einsiedeln, produziert und verkaut wurden (ebd 14) Zeitlich werden die im Gasthaus gefundenen Stücke mehrheitlich in das 18 Jh eingeordnet, auch wenn ihre Nutzung bis in das 19 Jh nachgewiesen ist (ebd ) Mehrere nicht näher bestimmte Kettenanhänger oder Medaillons mit religiösen Motiven stammen seit dem 14 /15 Jh aus dem untersuchten Wirtshaus am Erdweg (Kat -Nr 3, b; Schnetz u a 2012, 152) Schließlich kamen aus den Zwischenböden in Allenwinden noch mindestens fünf Rosenkränze zutage, davon drei vollständig erhaltene und wenigstens einer mit Weihemedaille (Kat -Nr 1, e; Taf 2, 4; Boschetti-Maradi 2009, 14) Die Ketten sind jeweils aus Bronzedraht, die Perlen aus Knochen, Glas oder Holz gefertigt, die größeren Vater-Unser-Perlen sind verziert und eingefasst (ebd ) Das Aukommen des Rosenkranzgebetes und der Rosenkränze in der heute bekannten Form fällt in das späte 15 und 16 Jh und so in die Zeit der Reformation und Gegenreformation und etabliert sich erst mit Hilfe der entstehenden Rosenkranzbruderschaten und Jesuiten als katholisches Gebet (Mittelstrass 1999/2000, 236–237) Die Verbreitung als „volkstümliches“ Objekt erfolgt erst später im 17 Jh , im 18 Jh werden die Perlen auch aus Glas gefertigt (ebd 239) Die Datierung der Ketten lässt sich anhand der Baudaten des Gasthauses von 1768–1849 nur bedingt eingrenzen (BoschettiMaradi 2009, 16) Darüber hinaus stammen Hinweise auf Rosenkränze aus hochwertigeren Materialien – Gagat und Edelmetall – aus München: Eine Ansammlung von Gagatperlen, die eventuell zu einem Rosenkranz gehören, und weitere Rosenkranzperlen wurden dort in der Verfüllung der Ratstrinkstube entdeckt (Kat Nr 9, e; Hagn 1994, 52) Vergleichbare Rosenkränze inden sich meist als Grabbeigaben neuzeitlicher Bestattungen und werden mit sozial höher gestellten Personen verbunden (Hersche 2006, 434) Da

im Kontext der Ratstrinkstube ebenfalls mit wohlhabenden Gästen zu rechnen ist, kann dieser Fund wohl diesen oder auch den Wirten zugesprochen werden (Hagn 1994, 49) Als Vergleichsfunde im nördlichen Deutschland bieten sich neuzeitliche Rosenkränze mit Jakobsmuschelanhängern aus Lüneburg (Wittstock 1982, 197–198 Abb 11), Wismar (Nagel 2005, 383 Abb 3) und Rostock (Potthoff 2005, 132 Abb 4) an Der leider nicht weiter beschriebene und undatierte Abdruck eines Rosenkranzes indet sich auf einem Dachziegel – möglicherweise aus dem Bereich IV, dem Verputz des Ostgiebels des Hauptgebäudes (Tittmann 1988, 61 Abb 38) – in der Erbtaverne Zum Schwan in Schwand in Mittelfranken und gehört als Ausnahmefund sicherlich zu den ungewöhnlicheren Zeugnissen dieser Objekte im Kontext von Gasthäusern (ebd 66) Der hohe Anteil an Rinderknochen aus der Gasthauslatrine in der Auergasse 10, Schicht 7, in Regensburg weist eindeutig eine ausgeprägte Perlenproduktion für die erste Hälte des 16 Jhs nach (von den Driesch/Pöllath 2002, 139; Boos 2002 b, 177) Aufällig sind charakteristische Bohrspuren an dafür speziell ausgewählten Knochenpartien – Unterkiefer (Mandibula), Mittelhand- (Metacarpus) und Mittelfußknochen (Metatarsus) – sowie Abfallprodukte von Ringen und Perlen (Kat -Nr 12, h; Taf 2, 2; von den Driesch/Pöllath 2002, 139–141) Die Nähe des Klosters St Emmeram – ein Wallfahrtsziel – macht daher sogar eine Paternosterwerkstatt und einen Verkauf der Ketten als Wallfahrtsdevotionalien wahrscheinlich (ebd ) Vergleichbare Überreste von Paternosterproduktionen stammen vermehrt aus städtischen Kontexten und sind aufgrund der speziellen Herstellungstechnik gut auszumachen (Röber 1994, 117–118) Am Heumarkt in Köln konnten aus Schichten des 12 Jhs vor allem zugearbeitete Mittelhand- und Mittelfußknochen von Rindern dokumentiert werden (Aten u a 1997, 381) Außerdem stammen massenhat Knochenreste mit den charakteristischen Bohrspuren und Halbfabrikate aus Marais-Vert und Porte de France in Straßburg, wo der erste Paternosterer historisch für 1351 überliefert ist (Marie 1992, 95 Taf 1; 2, A) Etwa 300 000 Fragmente von Knochen mit runden Bohrspuren und 40 000–50 000 abgesägte distale Enden von Mittelhandknochen von Rindern stammen vom Fischmarkt in Konstanz und datie-

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ren in drei das 13 –16 Jh umfassende Phasen (Spitzers 1997, 147, 150–152)9 Produziert wurden neben Perlen zunächst vor allem Knochenringe bzw -plättchen, die im Verlauf des späten 14 bis frühen 15 Jhs zugunsten von kleinen und größeren Perlen zurückgehen (Spitzers 1997, 153; Mittelstrass 1999/2000, 243) Hier können auch Knöpfe aus Bein hergestellt worden sein (Spitzers 1997, 148), allerdings geht man in anderen Regionen davon aus, dass Paternosterer nur auf die Produktion der Gebetsketten beschränkt waren (Röber 1994, 117) Ab wann die standardisierte und auf Massenproduktion ausgerichtete, spezialisierte Herstellung der Paternoster beginnt, scheint lokal unterschiedlich zu sein: allgemein um 1400, aber zum Beispiel in Breisach schon

um 1300 (ebd 119) Die zunächst nur eingeschränkte Nutzung von Paternostern als Gebetsketten ist frühestens Mitte des 13 Jhs nachzuweisen (Mittelstrass 1999/2000, 229) Ab dem 13 –14 Jh verbreitet sich ihre Nutzung allerdings auch unter den Laien und kann mit unterschiedlichen Gebetstraditionen kombiniert werden, bis sich im 16 Jh das normierte Rosenkranzgebet durchsetzt (ebd 233– 236) Paternoster wurden aus den verschiedensten Materialien hergestellt, wobei Knochen – besonders Rinderknochen aus Schlacht- und Speiseresten – wegen der in großen Mengen vorhandenen Zahl für die billige Massenproduktion verwendet wurden (ebd 240; Spitzers 1997, 148; Oexle 1985, 460; Rech 2004, 278 f )

Pilgerlaschen Auch Pilgerlaschen als Hinterlassenschaten von Wallfahrern konnten in Gasthäusern nachgewiesen werden Sie gehören neben den Pilgerzeichen zu den fast immer dargestellten Ausstattungsobjekten eines Pilgers Fragmente zweier Pilgerlaschen stammen aus den Verfüllschichten unterhalb des Plasterweges im südwestlichen Teil des Gasthauses Schwarzes Roß in Hilpoltstein (Kat -Nr 6, a–b; Taf 2, 8; Ruf 2011, 166) Diese datieren in das 11 –12 Jh , werden formgleich aber bis in die Neuzeit genutzt (ebd ) Auch die Ansprache als Pilgerlasche ist nur über den Gebrauch auf der Wallfahrt geschlussfolgert, ebenso

können dazu Feldlaschen aus Leder oder Holz verwendet worden sein (ebd 166; 167) Die Fundsituation (Aufüllschicht der Wegplasterung) stellt einen Teil eines frühen Eingangs- oder Torbereichs dar, so dass es sich bei den Funden um verlorene Stücke von Reisenden handeln könnte (ebd 211; 239) Aus den Schichten des 15 /16 Jhs der Latrine in Waldkirch, die zu dem Gasthaus zer lachun/Zur Krone gehört, stammt das Fragment einer glasierten Feldlasche, die auf einer Pilgerreise benutzt worden sein könnte (Kat -Nr 16, b; Reinauer u a 2011, 231)

Pilgermuscheln Pilgermuscheln (Jakobsmuscheln) sind anhand ihrer charakteristischen Form und den Durchbohrungen zur Anbringung an der Kleidung vergleichsweise einfach zu erkennen (Wittstock 1982, 197; Boos 2002 b, 182) Sie sind seit dem 11 Jh das Symbol für die Wallfahrt nach Santiago de Compostela, seit dem späten 13 Jh ein allgemeines Pilgerzeichen und inden sich ebenfalls häuig als Attribut bei der bildlichen Darstellung von Pilgern (Bischop 2011, 51; 53) Ein Exemplar ist aus einem Gasthausbefund

belegt Es stammt aus der „Großen Latrine“ des neuzeitlichen Gasthauses in der Auergasse 10 in Regensburg und weist die charakteristischen, symmetrisch angebrachten Löcher auf (Kat -Nr 12, i; Taf 2, 1; Boos 2002 b, 182) In Bremen inden sich Pilgermuscheln, wie auch die anderen Pilgerandenken des 15 und 16 Jhs , gehäut in der Weser und werden als Dankesopfer für eine erfolgreiche Pilgerfahrt angesprochen (siehe S 102 Abb 2; Rech 2004, 308)

9 Phase 1, um 1300: small scale-Produktion, nicht spezialisiert, Ringe mit rundem Querschnitt, ca 1 000 Knochenstreifen; Phase 2, spätes 14 /frühes 15 Jh : eizientere Produktion, höherer Materialverbrauch führt zu Materialknappheit, Umstieg auf andere Knochenpartien, länglichere

Perlen mit 8 mm Dm , hauptsächlich Perlen mit einem Dm von 4–5 mm, 6–12 mm, ca 150 000 Fragmente, ca 350 kg; Phase 3, zweite Hälte 15 /erstes Viertel 16 Jh : Rückgang der Produktion, weitere Standardisierung der Technik, größere Perlen und Ringe, Reste werden größer

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Pilgerzeichen aus Blech Diese Pilgerzeichen sind wie auch Jakobsmuscheln Erkennungszeichen für Pilger und stammen regelmäßig aus dem Fundgut städtischer Kontexte des Mittelalters bzw der Neuzeit Sie wurden an der Kleidung angebracht getragen und waren Anzeiger für die Pilgerorte, die bereits besucht worden waren, und gleichzeitig ein Schutzsymbol nach außen (Bischop 2011, 51) Daher ist es möglich, die aus dünnen Zinn-Blei-Blechen gefertigten Pilgerzeichen mit ihren vielfältigen symbolischen Motiven meist sehr gut und direkt mit bestimmten Wallfahrtsorten zu verbinden Sie belegen nicht nur die Anwesenheit durchreisender Pilger, sondern geben auch Aufschluss über den Ausgangs- oder Zielpunkt deren Reise Häufungen bestimmter Motive können darüber hinaus Aussagen über besonders bevorzugte Pilgerziele ermöglichen (vgl Bremer Hafenumfeld,

Bischop 2011, 54–56; siehe hier Abb 2) Im Gegensatz zu dem zahlreichen Autreten von Pilgerzeichen in Städten sind sie im Zusammenhang mit Gasthausbefunden vergleichsweise selten nachgewiesen, was wohl dem Forschungsstand zuzuschreiben ist Als eines der wenigen Beispiele ist das Gasthaus Zum goldenen Anker in Hamburg-Harburg zu nennen (Kat -Nr 4) Hier kamen neben zwei Feuerstellen im Hinterhobereich eines Gebäudes Scherben von Schnellen, Fensterglas und Zaphähnen sowie auch acht Pilgerzeichen zutage Der Befund stammt aus dem 16 Jh und wird als Vorgängerbau des erstmals 1858 namentlich überlieferten Gasthauses in der Schloßstraße 29 interpretiert (siehe S 150 f Beitrag Ph Lüth in diesem Band) Auch in diesem Gasthaus ist so die Anwesenheit durchreisender Pilger belegt10

Besonderes – Wertvolle Einzelstücke Außer dem Nachweis reisender Pilger – und damit eines weitreichenden Fernverkehrs – durch die hier besprochenen Devotionalien kommen auch die Wirte selbst als Pilger infrage (Boschetti-Maradi 2009, 12; 13) Möglicherweise brachten sie die Andenken von ihren eigenen Pilgerfahrten mit, wie es vereinzelt in schritlichen Quellen nachgewiesen ist (Kümin/Tlusty 2011 a, 130) Aus der Verfüllung einer Latrinengrube in der Zuckerbergstraße 25/Frauenstraße in Trier stammen Fragmente eines hochwertig gearbeiteten Ziboriums mit Christusigur und eines Kelches (Kat Nr 14, b–c) Deren Vorkommen in einem Gasthaus scheint befremdlich Allerdings wurde bereits angeführt, dass Gasthäuser als Veranstaltungsorte verschiedener kirchlicher Feiern wie auch als Orte für mehr oder weniger seriöse religiöse Diskussionen belegt sind Auch beschreibt ein Bericht von 1793, dass im Salzburger Gasthaus Zum Schif während des Läutens der Kirchenglocken durchaus innegehalten und gebetet wurde (Kümin/Tlusty 2011 b, 142), was auf die Einhaltung kirchlicher Verhaltensweisen sogar im Gasthaus deutet Schließlich sind in der bildlichen Überlieferung Liturgiegeräte im Gasthauskontext nachzuweisen So sind in der Darstellung einer Gaststube um 1515 aus der Graphischen Sammlung der Universität Erlangen in der rechten Bildhälte neben dem Wirt mit einer

Zinnkanne als Attribut mehrere Personen mit einer Schale und einem dem Ziborium ähnlichen Objekt wiedergegeben (Potthoff/Kossenhaschen 1996, 50 Abb 17) Als wichtiger Gasthausbefund mit verschiedenen religiös konnotierten Objekten ist die Ratstrinkstube in München zu nennen Ratstrinkstuben können als eine gehobene Form des Wirtshauses angesehen werden, da sie nur für wohlhabende und bedeutende Personen zugänglich waren Unter den vielfältigen Objekten sind besonders zu nennen ein Messergrif mit Engelköpfchen aus Kupfer (Kat -Nr 9, a; Hagn 1994, 51), unter der Keramik des 16 Jhs eine Schale mit dem Segenszeichen IHS im Spiegel (Kat -Nr 9, d) sowie als besonderes Exemplar ein ebenfalls dem 16 Jh zuzuordnender Krug mit aufgelegten Medaillons der Apostel Philippus und Andreas (Kat Nr 9, c Taf 2, 9; Hagn 1994, 50; Hagn/Veit 1991, 182) Diese Gegenstände sind als christliche Segenszeichen aus dem direkten Umfeld des Essens und Trinkens anzusprechen, die vor allem dem Dank für die Mahlzeit dienen (Kraft 1994, 127) Solche symbolischen Bilder sollten zusätzlich eine heilbringende Wirkung entfalten und sind ein Zeichen der gehobenen Tischkultur in der Ratstrinkstube (Hagn 1994, 50) Die Funde stammen aus der Verfüllung einer Abfallgrube unter der Ratstrinkstube, die im 15 – 16 Jh genutzt wurde (ebd 53–55)

10 Durch eine Dichtekartierung der Funde zeigte sich eine weitere Konzentration wirtshausspeziischer Funde und Pilgerzeichen in der Schloßstraße südlich des Areals des Gasthau-

ses Zum goldenen Anker (siehe S 151 Abb 6 Beitrag Ph Lüth in diesem Band)

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Zuletzt können auch planzliche Überreste einen Einblick in die Vielfältigkeit und Allgegenwärtigkeit mittelalterlicher und neuzeitlicher Alltagsreligiosität geben Aus der Latrine im Regensburger Gasthaus stammen Reste der Akelei (Aquilegia vulgaris), die auch als Marienblume bezeichnet wird Der la-

teinische Name wird von fünf scheinbar in den Blütenblättern erkennbaren Vögeln oder Adlern (aquila) abgeleitet Nach H Küster (2002, 147) könnten auch Tauben zu erkennen sein, was als weiteres „wichtiges, christliches Symbol“ zu werten ist

Fazit und Ausblick Welche Schlüsse sind aus diesem Überblick über das weitläuige Fundspektrum der Devotionalien und religiösen Objekte aus Mittelalter und Neuzeit zu ziehen? Es zeigt sich nicht nur durch die Funde in den Gasthäusern, sondern auch durch Befunde wie zum Beispiel den St. Annenkrug in Bad Münder, die auf speziell zum Zweck der Wallfahrt oder des religiösen Jahrmarktes eingerichtete Anlagen hinweisen, ein deutlich anderes Verhältnis zwischen Gasthaus und – katholischer wie protestantischer – Kirche, als es allein die Schritquellen vermitteln können Im Gegensatz zu der dort negativen und ablehnenden Haltung, zeigen die archäologischen Beobachtungen, dass Frömmigkeit und kommerzielle Gastlichkeit sich nicht ausschlossen Das Gasthaus war nicht nur eine reine infrastrukturelle Maßnahme zur Unterbringung von Pilgern, sondern konnte sich, wie zum Beispiel in Regensburg, an der Wallfahrt beteiligen, indem dort Wallfahrtsdevotionalien produziert und verkaut wurden Außerdem ergibt sich über die Funde ein detaillierter Einblick in die private Alltagsreligiosität der Gäste und der Wirte und verdeutlicht die religiöse Gegensätzlichkeit der Menschen, wenn die von der Kirche

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verbreiteten Devotionalien wie magische Amulette genutzt werden Ebenso ist die religiöse Mobilität durch das Aukommen der Wallfahrten für die Entwicklung kommerzieller Gasthäuser von erheblicher Bedeutung Interessant wäre ein Vergleich mit anderen Religionen und deren Einrichtungen zur Unterbringung und Verplegung von Reisenden und Pilgern Außer Christen lebten in Mittelalter und Neuzeit zum Beispiel auch jüdische Gläubige im weiteren europäischen Raum Jüdische Kauleute wie auch Anwerber für das Talmudstudium bildeten bis in die Moderne einen nicht zu vernachlässigenden Anteil der Reisenden (Daxelmüller 2004, 316–317) In Galizien wurden eigene Wirts- und Gasthäuser betrieben, wo die sich vom Christentum unterscheidenden Speisegebote und Wochenrhythmen befolgt werden konnten (ebd 315–322) Sie bilden neben privaten Unterkünten die wichtigsten Herbergen für jüdische Reisende in Europa Die Anwesenheit Andersgläubiger in Wirthäusern als öfentlichen Räumen, in denen soziale Grenzen aufgehoben sind, ist unbestritten, archäologisch jedoch bisher kaum thematisiert und nachgewiesen (ebd 322–323)

Katalog der in Gasthäusern gefundenen Devotionalien und anderer religiöser Objekte Dieser kurze Katalog soll der Übersicht über die verschiedenen religiösen Objekte im Kontext archäologisch erfasster Gasthausbefunde dienen Die Aulistung erfolgt alphabetisch nach den Namen der Fundorte, deren Beschreibung sich im Hauptkatalog indet (siehe S 179 f ) Soweit möglich, wurden genaue Fundlagen, relevante Beschreibungen mit Maßangaben und Datierungen zusammengefasst 1 Allenwinden, Gde Baar, Kanton Zug, Schweiz Adler Terminus post quem 1768 durch überliefertes Baudatum und dendrochronologische Datierungen Wallfahrtsmedaillen (Taf. 2, 5) Fundkontext: Hohlraum zwischen Kellerdecke und Stubenboden im Erdgeschoss a Heiligenmedaille des Aloysius von Gonzaga, 1726 heilig gesprochener Jesuit; Vorderseite mit Proildarstellung des Heiligen mit Kreuzattribut und umlaufendem Schritband; rückseitig Herz-Jesu-Darstellung; mögliche Bruderschatsmedaille b–c Zwei Wallfahrtsmedaillen aus Einsiedeln; Darstellung der Einsiedler Wallfahrtskirche und des Gnadenbildes aus Einsiedeln; mindestens eine Medaille an Rosenkranz befestigt d Benediktusmedaille/-pfennig; formelhater Segensspruch aus Initialen bestimmter Psalmverse auf Schild des hl Benedikt fehlerhat dargestellt: + DIA + BIZ + SAI + Z + HCI + IIRS Rosenkränze (Taf. 2, 4) Fundkontext: In Böden des ersten Wohngeschosses, teilweise in Wirtsstube e Mindestens fünf Rosenkränze, davon drei in der Wirtsstube und drei vollständig erhalten; Kette aus Bronzedraht, Perlen aus Knochen, Glas oder Holz; kleinere Ave-Maria-Perlen unverziert, große Vater-Unser-Perlen mit Stegen und seitlichen Einfassungen aus Metall verziert Mindestens ein Rosenkranz mit Wallfahrtsmedaille aus Einsiedeln ausgestattet Schabmadonnen (Taf. 2, 6.7) Fundkontext: Im Boden der Wirtsstube Drei vollständig erhaltene Schabmadonnen, zwei Fragmente f Fragment einer Schabmadonna, Abbild des Einsiedler Gnadenbilds: stehende Maria mit hochgegürtetem Kleid, Typ runder Querschnitt ohne Prunkgewand, Zepter in rechter Hand, links Jesuskind mit Segensgruß (Taf. 2, 6 links) g Fragment einer Schabmadonna, Kopteil mit Krone?, nicht erkennbar h–k Drei lache Madonneniguren mit verzierten, glockenförmigen Mänteln/Behängen vergleichbar mit dem Gnadenbild in Einsiedeln; auf Rückseite von i, k: Initialen „S M E“ (Sancta Maria Einsiedliensis) und Rabendarstellungen als Schildiguren des Stitswappens von Einsiedeln H 3,5– 4 cm, Datierung: vor 1798 Boschetti-Maradi 2009, 20; 21; 22; 23 2 Bad Münder, Lkr Hameln-Pyrmont St. Annenkrug Fundkontext: Keller zwischen Haus A und B in Reihenbebauung, westlich St -Annen-Kapelle; Datierung: 1509–1515

a Zwei verzierte Buchschließen aus Bronzeblech (Taf. 2, 3a–b) b Eckbeschlag eines Buches aus Bronzeblech mit an der Unterseite anhatenden Lederresten des Einbandes (Taf. 2, 3c) Interpretation: Wohnort des Priesters, Organisation der Wallfahrt Cosack 2003, Abb 21, 1–3; 2004 3 Erdweg, Lkr Dachau Wirtshaus am Erdweg Fundkontext und Datierung fraglich, Gebäude insgesamt ab dem 14 /15 Jh bis in die Gegenwart (2005) genutzt a Buchschließe b Kettenanhänger mit religiösen Motiven, vielleicht religiöses Medaillon Schnetz u a 2012 4 Hamburg-Harburg, Hansestadt Hamburg Zum goldenen Anker Fundkontext: Konzentration im Hinterhobereich des Vorgängerbaus sowie im Umfeld von Feuerstelle 1; Befunde unterhalb Ausgleichsschicht; Brandschicht auf Lehmestrich mit Stadtbränden von 1536 oder 1564 zu verbinden Datierung: 16 Jh Acht Pilgerzeichen, keine weiteren Angaben Siehe S 150 f Beitrag Ph Lüth in diesem Band 5 Heuweiler, Lkr Breisgau-Hochschwarzwald Zum Rebstock Madonna-Skulptur, Holz, Datierung um 1520, Aufstellungsort unbekannt; Beschreibung: Maria stehend, das Christuskind auf ihrem linken Arm sitzend Maße unbekannt LAD Baden-Württemberg, Außenstelle Karlsruhe, MicroicheScan mi05759g01; http://www bildindex de/#|1 [28 03 2014] 6 Hilpoltstein, Lkr Roth Schwarzes Roß a Scherben einer Pilgerlasche (ca 70 % der Flasche), handgeformt und außen nachgedreht, reduzierend gebrannt, Scherben hellgrau bis grauschwarz Gefäß mit lacher Rückseite und lachem Standring, Ausgusstülle in Ansätzen erhalten, beidseitig davon Henkel angebracht, kreisförmiges Riefenmuster auf Oberseite H 12,3 cm, B 11,2 cm, D 7,7 cm; Riefen: mind acht Kreise bis zu 4 cm Dm (Taf. 2, 8a) Fundkontext: obere Lagen der Aufüllschichten der Plasterung des Plasterweges, südwestlicher Teil der Parzelle, nach Befestigungsphasen 4–6 Datierung: Ende 11 Jh , 12 Jh ; Gebrauch bis in die Neuzeit belegt Ruf 2011, 197 Abb 91; Taf 82 b Fragment einer Pilgerlasche, Wandungsscherbe mit Drehrillen/-riefen auf Oberseite Maße fraglich, Dm größer als 6 a (Taf. 2, 8b) Datierung: fraglich, Vergleichsfund mit ähnlichem Dm aus Straßburg datiert in das 12 –16 Jh Ruf 2011, Taf 83, 1 Beide Flaschenfragmente nach Ruf (2011) in die Warenart 2 2 der Keramik eingeordnet, feinere handgeformte und nachgedrehte Keramik

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c Kleinere Knochenperle mit geringem innerem Dm , Funktion unklar, eventuell Perle eines Rosenkranzes Fundkontext und Datierung fraglich Ruf 2011, Taf 91, 11 d Fragment einer unglasierten, rechteckigen Bildkachel, erkennbare Darstellung eines Jesuskopfes mit Dornenkrone und Nimbus Fundkontext: Befund A 2, unstratiiziert Ruf 2011, Taf 85, 2 7 Mansfeld, Lkr Mansfeld-Südharz Der goldene Ring Fundkontext: Verfüllmaterial aus zwei Schächten Datierung: zweite Hälte 16 Jh ; Ersterwähnung 1570 a Koplose, kleine Figur, wahrscheinlich Maria Magdalena, Maße unbekannt b Fragment einer polychromen Kachel mit Gottvaterdarstellung auf Himmelswolke c Kachel mit Darstellung des hl Georg (?), vorreformatorisch Vahlhaus 2012; siehe S 155 f Beitrag I Vahlhaus in diesem Band 8 München, Reg -Bez Oberbayern Schwarzwälder Weinstube a Madonna mit Kind, Holz, Maße: keine Angabe Datierung: 15 Jh ? b Skulptur, hl Urban, Maße und Datierung unbekannt Interpretation: Aufstellung hl Urban in Zusammenhang mit Weinbau, speziell auf Kontext Weinstube bezogen Potthoff/Kossenhaschen 1996, 447 f Abb 228–229 9 München, Reg -Bez Oberbayern Ratstrinkstube Fundkontext: Verfüllung einer Abfallgrube unter der Ratstrinkstube Datierung: Nutzung der Abfallgrube ab dem 15 Jh ; Verfüllung im letzten Viertel des 16 Jhs a Messergrif mit Engelköpfchen, Kupfer b Buchschließen, verziert, teilweise mit loralem Dekor c Krug mit Aposteldarstellungen/Apostelkrug (Taf. 2, 9), oxidierend gebrannte Irdenware, beidseitig glasiert, außen dunkelbraun Beidseitig Medaillons der hll Philippus und Andreas als Motiv der Spätrenaissance angebracht; Apostel von einem Perlkreis umrahmt, bekleidet mit langer, gegürteter Tunika, mit Heiligenschein und als Attribute mit Kreuzstab und mit Schrägkreuz (nicht erhalten) dargestellt Schulter- und Halszone fehlen Randstück mit Henkel ist erhalten und weist eine Perforierung – möglicherweise zur Anbringung eines Zinndeckels – und am unteren Ende ein Engelköpfchen auf H 13,2 cm, Dm 6 cm Datierung 16 Jh Hagn 1994, 60 Kat -Nr I 4 18 d Schale mit IHS-Zeichen im Spiegel (Hagn 1994, Kat -Nr I 4 31) Irdenware (Malhornware), oxidierend gebrannt, beidseitig braun glasiert; durchschimmernde und erhabene Bemalung; Randdekor auf Wandung H 3,9 cm, Dm 20,5 cm Datierung: 16 Jh e Mehrere Gagatperlen, möglicherweise Rosenkranzperlen Zusätzlich Bernsteinperle, einzelne Gagatperle, facettiert geschlifen, Dm 2,4 cm Hagn/Veit 1991; Hagn 1994

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10 Nürnberg, kreisfreie Stadt, Reg -Bez Mittelfranken Zum wilden Mann Fundkontext: Latrinenverfüllung, südliche Hälte einer Doppelhausanlage Datierung: Verfüllung bis spätestens 1568; Figuren allgemein 15 Jh a Christusigurine, weißer Ton, geschlämmt, hart gebrannt Obere Partie eines auf einem Kissen liegenden Kindes; Gesicht schematisch, reliefartig dargestellt, radiales Muster um Kopf deutet auf einen Heiligenschein und somit auf die Darstellung des Christuskindes hin H ca 1 cm, B 2,8 cm, L 3,3 cm (Taf. 1, 11a) Brandl 1984 b, 100 Abb 49 Kat -Nr I B 86 b Figürchen eines Abtes/Bischofs, weißer, hart gebrannter Ton, innen hohl, Rückseite unregelmäßig gearbeitet, weist eine eingedrückte Stelle auf; Kopf und Hals abgebrochen In der rechten Hand beindet sich ein Hirtenstab, in der linken ein Gebetsbuch, beides sind Attribute eines Geistlichen H 7,9 cm, Dm 2,5 cm (Taf. 1, 11b) Brandl 1984 b, Kat -Nr I B 85 11 Nürnberg, kreisfreie Stadt, Reg -Bez Mittelfranken Zum Rudolf Fundkontext: Latrinenverfüllung Datierung: Fälldatum der Bauhölzer kurz um/nach 1290–1314; Fundmaterial allgemein spätes 13 Jh bis frühes 16 Jh ; Fundmaterial aufgrund mehrmaliger Leerungen durchmischt Kragenkruselerigürchen ohne Kopf, Typ 2 f Figurinenfragment aus fein gemagertem, weiß brennendem Ton, oxidierend gebrannt, innen hohl; Darstellung weiblicher, in langen Nuschenmantel gekleideter Figur Hände in Gebetshaltung mittig über dem Körper gefaltet H 8 cm, B 2,3–2,7 cm, T 1,3– 2,0 cm (Taf. 1, 10) Datierung: zweite Hälte 14 Jh Frieser 1999 b, Abb 10 Taf 38, 7; Grönke/Weinlich 1999 12 Regensburg, kreisfreie Stadt, Reg -Bez Oberpfalz Zum goldenen Bock (?, 1753)/Klösterl (1840) Fundkontext: Auergasse 10, Latrinen eines Gasthauses Datierung: Mitte 15 Jh bis Mitte oder zweite Hälte des 16 Jhs a Tonigur der hl Barbara, Darstellung mit Turmattribut, Kopf abgebrochen; gehört zu den sog Nothelfern (Taf. 1, 4) b Zwei Toniguren der hl Dorothea, Darstellung mit Korb, Kopf abgebrochen; Heilige der Wöchnerinnen, Gärtner, Brauer und Bergleute (Taf. 1, 7) c Tonigur der hl Elisabeth von hüringen, Darstellung mit Kanne, Kopf abgebrochen; u a Heilige der Kranken, Bettler, Bäcker (Taf. 1, 8) d Tonigur des hl Markus/Julianus, Kopf abgebrochen, sitzende Haltung mit Löwendarstellung (Taf. 1, 3) e Tonigur „Sitzender Knabe/Engel mit Laute“, schematische Darstellung von Gesicht und Frisur, vollständig erhalten, vermutlich zu Figurenset gehörig, H 6,5 cm (Taf. 1, 6) f Tonigur eines in ein langes Gewand gekleideten Engels, der in der linken Hand einen Pokal hält Flügel erkennbar, Rückseite ebenfalls igürlich gestaltet, am oberen Rand ist mittig ein Loch eingebracht, das der Auhängung dient (Taf. 1, 5) g Tonigur des „Christusknaben mit Segensgestus“, in der linken Hand hält die Figur die Weltkugel; nur Torso und Ansätze der Oberschenkel erhalten (Taf. 1, 9)

Maße: a–g H 12–13 cm Codreanu-Windauer/Endres 1997, 181 Abb 126; Endres/Millitzer 2002, 52–54 Abb 26–33; 76 Farbtaf 12, 1–3; Boos 2002 b h Werkstattabfälle von Paternoster-Perlenproduktion aus Schicht 7 der Latrine Auergasse 10 Datierung: erste Hälte 16 Jh Fundmaterial ausschließlich Rinderknochen; Unterkiefer (Mandibula) und Mittelhand- und Mittelfußknochen (Metacarpus, Metatarsus), darunter bearbeitete Knochen, Knochenscheiben mit Ausstanzspuren, Knochenperlen, Knochenringe; insgesamt 2 167 Objekte (Taf. 2, 2) von den Driesch/Pöllath 2002, 140 Abb 2–8; Boos 2002 b, 177; 181 Abb 2–3 i Fragment einer Jakobsmuschel, symmetrische Durchbohrungen (Taf. 2, 1) Boos 2002 b, 182 Farbtaf 23, 1 13 Schwand, Lkr Roth Zum Schwan Fundkontext: Möglicher Bereich des Ostgiebelverputzes, Datierung fraglich Dachziegel mit Abdruck eines Rosenkranzes Tittmann 1988 14 Trier, kreisfreie Stadt, Rheinland-Pfalz Name unbekannt, Zuckerbergstraße 25/Frauenstraße (Schnappils- oder Schnappelsgasse, Standort eines mittelalterlichen Bordells) Fundkontext: Verfüllung rückwärtiger Latrinengrube bzw gemauerte Kloake mit Abfalleinwurfschacht; gehört zu dem südlichen Gebäude Aufgrund des hohen Anteils von einheitlichem und vergleichsweise günstigem Trinkgeschirr als Wirtshaus angesprochen Datierung: Fundmaterial insgesamt erste Hälte/Mitte 16 Jh a Figur aus weißem Ton, Darstellung des Auszugs aus Ägypten Maße: keine Angaben b Deformiertes Ziborium, Messing mit hohem Bleianteil; an der Oberläche sind Gussspuren erkennbar und im Nodus konnte ein Gusskern nachgewiesen werden Guss in verlorener Form, Fuß nachträglich ausgearbeitet Sechseckiger Fuß mit runder Standplatte, verjüngt sich nach oben hin Nodus mit sechs rautenförmigen Rutuli mit Zierelementen Fehlendes Stück zwischen Cuppa und Nodus Runde Cuppa mit Zierrillen und -elementen Hakenverschluss zur Befestigung des Deckels Mit Nieten angebrachte Christusigur Möglicherweise zugehöriges Kruziix Beschädigungsgrad weist auf bewusste Zerstörung hin H Fuß 7,5 cm, Grundläche Cuppa Dm 7,6 cm Datierung: erstes Viertel 16 Jh

c Fragmente eines Kelches, Messing/Kupfer; Elemente getrieben, verlötet und feuervergoldet, dünnes Blech, es sind nur Teile des Fußes und des Nodus erhalten, eine bewusste Zerstörung wird angenommen Der Fuß in Sechspassform und mit umlaufenden Zierrillen und Kreuzverzierung, Nodus aus Zylinder und Blechen gefertigt, Reste von Weißmetall deuten auf Reparaturen hin Inschrit aus den gotischen Buchstaben h, u, s und i auf Rutuli des Nodus erkennbar, möglicherweise „Ihesus“; Cuppa fehlt vollständig Maße fraglich Datierung: Beginn 15 Jh ? d Gefäßfuß, Oberläche stark korrodiert, gegossen, bewusst zerstört Runder Standfuß mit Zierrillen und Riefenverzierung (Sprossenleiter) Vermutlich Teil einer Monstranz H 10,5 cm, Dm 7 cm e Zwei Fragmente eines durchbrochen gearbeiteten, gegossenen Zierkranzes, vermutlich zu Gefäßfuß gehörig und bewusst zerstört Max Innendm 7 cm f Fragment einer Leuchter- bzw Lüsterschale Ehemals rund, gegossen und nachbearbeitet, Zierrillen erkennbar, bewusste Zerstörung Dm Standläche 8–10 cm; Materialstärke 0,2 cm Clemens/Löhr 1997; Schwab 2000, 388 Abb 1; 392 Abb 2; 394 Abb 4; 395 Abb 5; Hupe 2012 15 Villingen-Schwenningen, Reg -Bez Freiburg Zu der Mohrin Fundkontext: Keller im Südosten des Hauses, Kellerraum, Verfüllung im frühen 14 Jh ; Abortgrube a Kopfragment eines weiblichen Tonigürchens, rötlicher Ton, stilisiertes Gesicht, Haube und Zöpfe H 3,1 cm b Fragment eines weiblichen Tonigürchens, Kopfragment, Schulter- und Torsopartie, Gestaltung wie Figur a, daher als werkstattgleich angesprochen H 6,1 cm Datierung: 13 Jh , aus Verfüllung des 14 Jhs Interpretation: mögliche Heiligenigur oder Spielzeug Jenisch 1990, 31 Abb 19, 1–2 16 Waldkirch, Kr Emmendingen Zur Krone/zer lachun Fundkontext: Latrinenverfüllung aus dem 15 /16 Jh Datierung: 15 /16 Jh a Statuette aus weiß gebranntem Ton (Pfeifenton), fast vollständig erhalten Sie stellt einen nackten Knaben in Schrittstellung dar, der mittig auf dem Bauch eine „Tasche“ trägt und mit der rechten Hand hineingreit An dem linken Fuß der Figurine Nebenszene zur Stabilisierung in Form eines Skeletts H ca 10 cm (Taf. 1, 1) Reinauer u a 2011, 231 Abb 156 b Scherben einer glasierten Feldlasche (Pilgerlasche?) Reinauer u a 2011

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Taf 1 Figurinen 1 Waldkirch (Kat -Nr 16), Christusigurine 2 Bremen Vergleichsobjekt zu Kat -Nr 16, Knabenigurine, Beiigur der hl Dorothea 3–9 Regensburg (Kat -Nr 12) 3 Mann oder Heiliger mit Löwe; 4 hl Barbara mit Turmattribut; 5 Engel mit Pokal, durchbohrt; 6 Laute spielender Engel; 7 hl Dorothea-Statuetten mit Korb; 8 hl Elisabeth-Statuette mit Kanne 9 Jesusknabe 10–11 Nürnberg (Kat -Nr 10–11) 10 Zum Rudolf, Kragenkruselerigürchen mit Gebetshaltung; 11 Zum wilden Mann a Kopfragment eines Christusknaben; b Figur eines Bischofs (Abt?) 1 nach Jenisch u a 2011, 231 Abb 156; 2 nach Bischop 2011, 57 Abb 5, 5; 3–9 nach Endres/Millitzer 2002, 52 f Abb 27–28; 30–33; 76 Farbtaf 12, 1; 10 nach Frieser 1999 b, 33 Abb 10; 11 nach Brandl 1984 b, 98 Abb 49 1–11 o M

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Taf 2 Religiöse Kleinfunde 1–2 Regensburg (Kat -Nr 11) 1 Pilgermuschel mit Durchbohrungen; 2 Werkstattabfälle der Knochenverarbeitung a–b Metatarsus eines Rindes mit Perlenstanzspuren, a Innenansicht, b Außenansicht; c Metacarpus oder Metatarsus vom Rind, Distalende mit Perlenstanzung; d ausgestanzte Perle 3 Bad Münder (Kat -Nr 2) a–b Buchschließen aus Bronze; c Eckbeschlag eines Buches, Bronze mit Lederresten 4–7 Allenwinden (Kat -Nr 1) 4 Rosenkränze; 5 Medaillen; 6 Fragmente und eine vollständig erhaltene Schabmadonna; 7 Vorder- und Rückseiten von zwei vollständig erhaltenen Schabmadonnen mit Initialen „S M E“ und Wappen 8 Hilpoltstein (Kat -Nr 6) a Pilgerlasche; b Flaschenfragment 9 München (Kat -Nr 9), Fragment eines Apostelkruges mit Heiligendarstellung 1 nach Boos 2002 b, 135 Farbtaf 23, 1; 2 nach von den Driesch/Pöllath 2002, 151 Abb 2, 5–7; 3 nach Cosack 2003, 161 Abb 43; 4–7 nach Boschetti-Maradi 2009, 14 f Abb 20–23; 8 nach Ruf 2011, Taf 82; 83, 1; 9 nach Hagn 1994, 60 Kat -Nr I 4 18 1–9 o M

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