Morbus Niemann-Pick Typ B ? enzymatisch gesichert ? mit unerwarteter retinaler Beteiligung

May 30, 2017 | Author: Klaus Harzer | Category: Bone marrow, Optometry and Ophthalmology
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Graefes Archiv ffrklinischeundexperirnentelle

Albrecht v. Graefes Arch. klin. exp. Ophthal. 2 06, 7 9 - 88 ( 1 9 78 )

Ophthalmologie 9 by Spfinger-Verlag 1978

Morbus Niemann-Pick Typ B - enzymatisch gesichert - mit unerwarteter retinaler Beteiligung* K. H a r z e r 1, K . W . R u p r e c h t 2 , D. Seuffer-Schulze 2 und U. Jans 3 1 lnstitut fiir Hirnforschung der Universitiit Tiibingen (Dir. Prof. Dr. J. Peiffer), Belthlestr. 15, D-7400 Tiibingen, Bundesrepublik Deutschland 2 Universit~its-Augenklinik Tiibingen (Gschf. Arztl. Dir. Prof. Dr. G.O.H. Naumann), D-7400 Tfibingen, Bundesrepublik Deutschland 3 St/idtische Kinderklinik Stuttgart (Dir. Prof. Dr. E. Grundler), D-7000 Stuttgart, Bundesrepublik Deutschland

Niemann-Pick Disease Type B: An Enzymatically Confirmed Case with Unexpected Retinal Involvement Summary. In a 6-year-old girl with normal to outstanding intelligence NiemannPick disease was diagnosed b y the demonstration of an about 90 % deficient sphingomyelinase activity. Abnormalities of the eye fundi are described which are comparable to but quantitatively deviate from the classic cherry-red spot as known from neurolipidoses. The brownish-red foveola was surrounded by a relatively thin opaque ring around which punctate white deposits (lipids?) could be detected. The absence of any other neurologic symptom was in contrast with an extreme hepatosplenomegaly, foam cells in the bone marrow, lung infiltration, underweight, and undergrowth. Therefore, the case was classed with the type B of Niemann-Pick disease, although the common definition of this type excludes cerebral as well as oculoneural involvement. In the literature only one comparable case could be found which, however, had not been enzymatically confirmed. In the future the definition of t y p e B of Niemann-Pick diesease should include the possibility of oculoneural involvement. Zusammenfassung. Bei einem normal bis fiberdurchschnittlich intelligenten 6-j/~hrigen M/idchen mit enzymatisch gesicherter Niemann-Pickscher Krankheit (Restaktivit~it der Sphingomgelinase ca.10 % der Norm) werden Augenhintergrundsver/inderungen beschrieben, die denjenigen des ktassischen kirschroten Flecks bei Neurolipidosen ~ihnlich, jedoch quantitativ davon abgrenzbar sind. Es handelt sich um eine ringf6rmige retinale Opacit/it in der unmittelbaren Umgebung der br/iunlich-rot erHerrn Professor Dr. E. Custodis zum 80. Geburtstag gewidmet

0065--6100/78/0206/0079/$ 02.00

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K. Harzer et al. scheinenden Foveola mit zus~tzlichen punktf6rmigen weigen Einlagerungen (Lipide? ). Dem Fehlen jeglicher sonstiger neurologischer Symptomatik stehen eine extreme Hepatosplenomegalie, Speicherzellen im Knochenmark, Lungeninfiltration, Untergewicht und Minderwuchs entgegen. Daher wird der Fall dem Typ Bder Niemann-Pickschen Erkrankung zugerechnet, obwohl zu diesem Typ definitionsgem~ig keine zentralnerv6se und bisher speziell auch keine oculo-neurale Beteiligung geh6rte. In der Literatur wurde ein vergleichbarer Fall vorgefunden, der allerdings ohne enzymatische Sicherung blieb. Die Definition des Typs Bder NiemannPickschen Erkrankung sollte kiinftig die M6glichkeit der oculo-neuralen Beteiligung einschliegen.

Einleitung Die klassische Form der Niemann-Pickschen Krankheit, der Typ A (Fredrickson and Sloan, 1972), ist eine Neurolipidose, bei der die viscero-neurale Speicherung von Sphingomyelin durch mangelnde Aktivit~it des katabolischen Enzyms Sphingomyelinase bedingt ist und die klinische Symptomatik in befriedigender Weise erkl~rt. Der neurodegenerative Prozeg, der mit pathologischem Muskeltonus (,,schlaffer S~iugling"), Bewegungs-, Gedeih- und Intelligenzst6rung einhergeht, ftihrt meist vor dem 5. Lebensjahr zum Tode (im Endstadium Kachexie und Demenz); Leber und Milz sind immens vergr6gert. Der Augenhintergrund zeigt oft einen sogenannten kirschroten Fleck im Bereich der Macula lutea. Im Knochenmark sind Speicherzellen als Ausdruck der StoffStapelung zu linden. Differentialdiagnostisch ist vor allem die Gauchersche Krankheit abzugrenzen. Der Typ B der Niemann-Pickschen Krankheit unterscheidet sich vom Typ A durch das Feblen der zentralnervdsen Beteiligung. Dementsprechend erreichen die normalintelligenten Patienten oft das Erwachsenen-Alter, sind aber durch Splenohepatomegalie, Lungeninfiltration und Minderwuchs stark beeintriichtigt. Die splenogene Markhemmung kann zu Aniimie und Blutungsneigung fiihren. Biochemisch ist der Mangel an Sphingomyelinase-Aktivitiit im Blur, geziichteten Hau~-Fibroblasten und visceralen Organen ~ihnlich wie beim Typ A der Erkrankung, meist jedoch in einem nicht ganz so hohen Grade nachweisbar. Im Vergleich zu den Typen A und B sind die Typen C, D und E (Fredrickson and Sloan, 1972) der Niemann-Pickschen Krankheit anders charakterisiert. Die differentialdiagnostische f3bersicht geht aus Tabelle 1 hervor. Im folgenden soll ein Fall von Niemann-Pickscher Krankheit eines fast 6-j~ihrigen M~idchens beschrieben werden, bei dem oculo-neurale Ver~inderungen der genannten Art seit nunmehr 5 Jahren das einzige Zeichen einer Beteiligung des Zentralnervensystems an der Lipidose sind. Biochemisch wurde der ca. 90%ige Mangel an SphingomyelinaseAktivit~it in den Leukocyten des peripheren Blutes nachgewiesen. Unsere Diagnose lautet daher Morbus Niemann-Pick Typ B. Zu diesem Typ geh6ren nach der einschli~gigen Literatur (Sugar and Podos, 1975) zwar keine Augenhintergrundsver~nderungen; der hier beschriebene Fall und evtl. ein weiterer (Cogan and Kuwabara, 1968), der allerdings nicht enzymatisch gesichert worden war, zeigen, dag es hier Ausnahmen gibt. Kasuistik

S.K., geb. 12.6.1971, ist das erste Kind nicht blutsverwandter Eltern, entwickelte sich bis zum Alter von 1 1/2 Jahren normal, war jedoch von Anfang an eine ,,schlechte

Retina bei Morbus Niemann-Pick

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Tabelle 1. Die verschiedenen Typen der Niemann-Pickschen Krankheit Typ a A (klassisch)

B

(chronisch)

C (heterogene subakute neuroviscerale Lipidose++) D (Nova-ScotiaVariante) E

Manifestationsalter fr/ihe Kindheit

klinische Symptome cerebral visceral ocular

Lebenserwartung 2-5 Jahre (selten l~inger)

SphingomyelinSpeicherung neural: + visceral: +++

friihe Kindheit

visceral

neural: 0 visceral: +++

frfihe bis sp~itere Kindheit

cerebral visceral (milder) ocular (bisweilen)

unbestimmt (meist adult) z.B. 5 - 15 Jahre "

neural: 0 visceral: + (neben anderen Lipiden)

Enzymdefekt Sphingomyelinase (cerebral und peripher unter 10 % Restaktivit~it) Sphingomyelinase (cerebral fraglich, peripher um 10 % Restaktivit~t) unbekannt b, Sphingomyelinase evtl. indirekt betroffen

etwa wie Typ C, jedoch Abstammung aus Nova Scotia; meist mit Ikterus einhergehend nicht scharf definiert, sp~ttadulte F~lle yon Typ B (und C?) betreffend

a Typenbezeichnung nach Crocker (1961). Die allen Typen gemeinsamen Symptome der Visceromegalie und Speicherzellen im Knochenmark beruhen auf einer sicher sehr unterschiedlichen genetischen Basis. Nur die Typen A und B sollten als Niemann-Pick-Krankheit im engeren Sinn bezeichnet werden b vgl. Harzer et al. (1977)

Esserin", hatte gehiiuft Schnupfen und einmal eine schwere Bronchitis. Den Eltern fiel ein abnorm groger Bauchumfang auf, daher gingen sie zum Arzt. Die Erstuntersuchung im Alter von 2 Jahren ergab bei dem M~idchen: Starkes Untergewicht, miigiger Minderwuchs, normale psycho-motorische Entwicklung; auffallende Hepatosplenomegalie (Leber 3 cm, Milz 1 cm unter dem verstrichenen Nabel zu tasten); am Hals zahlreiche Lymphknoten zu tasten. Knochenmarkausstrich: Reichlich Schaumzellen mit tells peripher gelegenem Kern (Abb. 1), blutbildende Elemente unauff~llig. 1973 p~idiatrischerseits Augenhintergrund: Bds. kirschroter Fleck mit weigem Randwall. R6ntgenThoraxfibersicht: Bis in die Peripherie reichende, feinfleckige, vorwiegend retikul~/re Zeichnung. Labor: Transaminasen leicht, saure Phosphatase und Aldolase stark erh6ht. Gammaglobuline insgesamt eher niedrig, jedoch IgM erh6ht. Lysosomale LeukocytenEnzyme (biochemische Untersuchung siehe unten): Deutlicher Mangel an Sphingomyelinase-Aktivit~t, jedoch noch eine Restaktivit~it vorhanden. Aktivit/iten von Arylsulfatase A, fi-Galaktosidase,/3-Hexosaminidasen und Glucocerebrosidase (bei Morbus Gaucher defektes Enzym) im Normalbereich.

Nacbuntersucbung 19 74: Guter Allgemeinzustand, jedoch inzwischen Zunahme des Bauchumfangs; Leber und Milz reichen jetzt bis zum kleinen Becken; Zunahme der Lungeninfiltration. Labor: Transaminasen leicht, saute Phosphatase stark erh6ht, Neutralfette stark erh6ht; Thrombocyten 119 000; BSG 14/32 rnm n.W. Nachuntersuchung 1976: Oberdurchschnittlich intelligentes, 5-jS~hriges M~dchen mit der Gr6ge eines 2 1/2 j~ihrigen, Bauch extrem vorgew61bt. Riesige Leber und Milz, sehr derb, Gr6ge wie beim Vorbefund. Jetzt keine Lyrnphknotensci-~we!lungen nachweisbar.

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K. Harzer et al.

Abb. 1. Speicherzellen im Knochenmarkausstrich yon S.K. (Morbus Niemann-Piek Typ B), hellwabiges Zytoplasma, randstiindige Kerne (N) May-Grtinwald/Giemsa; x 1200 Tabelle 2. Sphingomyelinase-Aktivit~it in den Leukocyten (nMol gespaltenes Sphingomyelin je Std. je mg Leukocytenhomogenat-Protein nach Lowry; 0,1 mM Substratkonzentration, pH 5,5, 37~ C bei Morbus Niemann-Pick Typ B m i t retinaler Beteiligung

1973 1974 1976 1977

I Patientin S. K. % der norm Kontr.

normale Kontrollen a



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