(mit Petra Hiller) Buchweizenpfannkuchen, Maifischfilet und Ziegenkäse. Zur Eigenversorgung einer kleinen dörflichen Hofstelle im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Jahrbuch für den Rhein-Kreis Neuss 2016 (2015) 30-43

June 16, 2017 | Author: Jost Auler | Category: N/A
Report this link


Description

Buchweizenpfannkuchen, Maifischfilet und Ziegenkäse Zur Eigenversorgung einer kleinen dörflichen Hofstelle in Stürzelberg im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Jost Auler / Petra Hiller

Einleitung Seit einigen Jahren erforschen die Autoren – unter anderem mit Hilfe von Bodenfunden – die Geschichte eines ehemaligen Nebenerwerbshofes an der Biesenbachstraße 9-11 in Dormagen-Stürzelberg. Die historischen Gebäude dieses Ackererhofes datieren in die Jahre 1821/1822 (Haus Nr. 11) und 1847/1848; das ältere der beiden Gebäude weist einen circa drei mal drei Meter großen Gewölbekeller, einen so genannten Kriechkeller, auf; diese Keller waren allerdings zumeist nicht sicher vor winterlichem Frost. Die im Rahmen dieser Untersuchungen gewonnenen Ergebnisse wurden in mehreren Aufsätzen publiziert. Der folgende Text wertet die geborgenen Artefakte – Baukeramik, Gefäßfragmente, faunistisches Knochenmaterial, pflanzliche Makroreste und so weiter – speziell im Hinblick auf die Selbstversorgung der kleinen Hofstelle aus.

Fauna I: Säuger und Vögel Die Zahn- und Knochenfunde von der Hofstelle wurden archäozoologisch bestimmt; die Mindestindividuenzahlen wurden nicht ermittelt, lediglich die Tierarten wurden bestimmt. Nachgewiesen

wurden das Hausschwein (Sus scrofa domestica), das Hauskaninchen (Oryctolagus cuniculus forma domestica) und das Haushuhn (Gallus gallus domesticus); diese Tiere dürften als Schlachtvieh auf der Hofstelle gehalten worden sein. Und sicher wurden auch die Eier der Hühner geschätzt. Nur wenige Knochen dagegen belegen das Hausrind (Bos primigenius taurus); dieses dürfte der Fleischteile wegen eingekauft oder eingetauscht worden sein, denn das zur Hofstelle gehörige Gartengelände wurde zum Anbau von Obst und Gemüse genutzt. Eine Haltung von Großtieren war nicht möglich. Bei der Zubereitung der Speisen in der häuslichen Küche konnte die Hausfrau während des 19. Jahrhunderts auch zunehmend auf gedruckte Rezepte zurückgreifen. Möglicherweise wurde auch in Stürzelberg davon Gebrauch gemacht. Grund war das Erscheinen des Kochbuches von Henriette K. Davidis (1801 - 1876), Pfarrerstochter aus Wetter an der Ruhr, im Jahr 1845 im Düsseldorfer Verlag Schaub. Für viele nachfolgende Generationen von Hausfrauen – 1901 erschien bereits die 39. Auflage – war das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ bis weit in das 20. Jahrhundert ein absolutes Muss. Die Hausfrau besaß es, die Hausfrau kochte danach, und das berühmte ‚Man

30

S030-043Auler.indd 30

10/13/15 5:46:07 PM

Karte mit den Gebäuden Biesenbachstraße 9-11.

Fotografien und Reproduktionen (13): Jost Auler.

nehme …’ wurde zum geflügelten Wort. Zwar hatte es bereits zuvor Kochbücher gegeben, doch fanden die Werke von Henriette Davidis eine bisher ungeahnte Verbreitung. Das Kochbuch enthält eine umfangreiche Rezeptsammlung, die Henriette Davidis nicht nur zusammengestellt, sondern, wie sie im Vorwort betont, auch selbst erprobt und modifiziert hatte. Es finden sich zahlreiche Rezepte zu Speisen aus Lamm-, Kaninchen- und Schweinefleisch, Pfannkuchen und vieles andere mehr. Nebenbei bemerkt (s. u.) titelt Rubrik T.: „Vom Einmachen und Trocknen verschie-

dener Früchte und Gewächse. – Regeln beim Einmachen der Früchte“ und Rubrik U: „Vom Einmachen und Trocknen der Gemüse …“. Auch mit „Wurstmachen, Einpökeln und Räuchern des Fleisches …“ (Rubrik V.) beschäftigt sich die Autorin. In der uns vorliegenden Ausgabe Bielefeld / Leipzig von 1898 finden sich auch Anweisungen „Maifische zu marinieren“ (S. 284) oder ein Rezept für „Getrocknete gelbe Erbsen oder Erbsenbrei“ (S. 117). Auf Seite 121 findet sich folgendes Rezept „Eingekrustete Kartoffeln“: „Kartoffeln von mittlerer und gleicher Größe wer31

S030-043Auler.indd 31

10/13/15 5:46:07 PM

den tüchtig gewaschen, in der Schale mit dem nötigen Salz gar, aber nicht zu weich gekocht, abgezogen, in dicke Scheiben geschnitten, in geschlagenes Ei getunkt und gehörig in geriebenem Weißbrot oder gestoßenem Zwieback gewälzt. Dann mache man reichlich feines Brat- oder auch Nierenfett mit etwas Butter in einer sauberen Küchenpfanne heiß, lege die Kartoffelscheiben nebeneinander hinein, brate sie in offener Pfanne, bei nicht zu starkem Feuer auf beiden Seiten gelbbraun und richte sie dann rasch an.“

Molaren von Schaf/Ziege und rechtes Schienbeinbruchstück von einer Ziege.

Die Autorin regt zu diesen Beilagenkartoffeln unter anderem Spinat – vielleicht „… auf französische Art“ (S. 80) – und diverse Fleischspeisen – vielleicht „Frischer Kaninchenbraten“ (S. 188) – an. Dazu empfiehlt sich (S. 643) eventuell „Eierbier“ oder alternativ „Eierwein“: „Man rechne auf jede Person ¼ l Bier, 1 frisches Ei, 30 g Zucker, auch nach Belieben etwas Citronenschale oder Zimt. Das Ei wird zerklopft, mit Bier und Zucker auf ein rasches Feuer gesetzt und mit einem Schaumbesen fortwährend bis zum Kochen stark geschlagen (kochen darf es nicht, weil es sonst gerinnt), das Getränk vom Feuer genommen, noch ein

wenig geschlagen und in Gläser gefüllt. – Ebenso mit Wein als ‚Eierwein’.“ Unter den bereits genannten Zahn- und Knochenfunden waren auch Schafe und Ziegen gut vertreten. In einem Falle gelang unter den geborgenen Fundstücken der sichere Nachweis einer Hausziege (Capra aegagrus hircus); wahrscheinlich waren diese die primären Haustiere dieses Ökonomiebetriebes, sicherlich aber die wichtigsten. Die Ziege – im Volksmund auch Geiß genannt – gehörte in der Neuzeit zum Viehbestand vor allem kleinbäuerlicher Betriebe. Sie wurde deshalb auch als ‚die Kuh des kleinen Mannes’ bezeichnet. Ziegen sind genügsam und anspruchslos, sie sind anpassungsfähige und gute Futterverwerter. Ziegen fressen gerne Blätter, cellulosereiche Pflanzen, aber auch Baumrinde und Kräuter. Nicht so gerne ernähren sie sich ausschließlich von Gras; sie brauchen also keine ausgedehnten Wiesen, sondern können fast überall Nahrung finden. Für ihre Unterbringung braucht man nicht viel Platz und nur einen kleinräumigen Stall; Ziegen sind allerdings bewegungsfreudiger und lebhafter, eigensinniger und neugieriger als etwa Schafe und müssen immer gut eingesperrt werden. Kein anderes Haustier bringt den Menschen mit so wenig Aufwand so viel Nutzen; der jährliche Ertrag liegt weit über dem Wert des Tieres. Aufgrund ihrer hohen Fruchtbarkeit waren Ziegen gute Fleischlieferanten und spielten so für die Ernährung eine wichtige Rolle. Ziegen erbringen auch bei magerem Futterangebot gute Milcherträge; die Tiere liefern im Durchschnitt mehr als 500 Liter Milch im Jahr. Sie waren also für die Selbstversorgung eines kleinbäuerlichen Hofes das ideale Haustier; sie waren relativ einfach zu halten und garantierten ein Mindestmaß an Fleisch und Milch. In der Regel hielten die Ackererhöfe weibliche Tiere, unter anderem, weil Ziegenböcke einen markanten und intensiven Geruch vor allem während der Brunstsaison verbreiten. Aus Gründen der Zucht unterhielt

32

S030-043Auler.indd 32

10/13/15 5:46:07 PM

(Zwerg)schafe (Ovis orientalis aries) im Hintergrund und weibliche Ziege.

nahezu jedes Dorf eine so genannte Bockstation, auf der jeweils ein Ziegenbock gehalten wurde. Hier ließ man die Zicken oder Hippen, wie die weiblichen Tiere – die im Gegensatz zu den Böcken übrigens keinen starken Eigengeruch haben – landläufig genannt werden, decken. Die Stürzelberger Bockstation lag an der Feldstraße 13 beziehungsweise der Oberstraße gegenüber dem heutigen Gasthof ‚Vater Rhein’ (‚Schwanenburg’); die Stationen dürften nicht zeitgleich bestanden haben. Ziegenfleisch war historisch bei armen Bevölkerungsschichten und in Gebieten mit geringer Bodenfruchtbarkeit eine willkommene Alternative zu Rind- oder Schweinefleisch. Das Ziegenfleisch der Jungtiere heißt Kitzfleisch; je nach Alter der Ziege unterscheidet man Milchzicklein (bis sechs Monate) oder Jungziegen (bis 12 Monate). An der Färbung des Fleisches kann man das Alter des Schlachttieres erkennen. Es ist bei jungen Tieren hellrosa

und bei älteren dunkelrot. Das Fleisch von Ziegenkitzen galt am Niederrhein traditionell als Osterspeise. Das Fleisch ausgewachsener Ziegen gilt als zäh und spielt in der europäischen Küche kaum eine Rolle; das Fleisch des Ziegenbocks hat sogar einen unangenehmen Geschmack. Offenbar bereits im 18. Jahrhundert wurde fast ausschließlich das Fleisch von Jungtieren verwendet. So schrieb der Mediziner Johann Georg Krünitz (1728 - 1796), der vor allem auch als Enzyklopädist, Lexikograph und Naturwissenschaftler arbeitete: „Das Fleisch von jungen Ziegen ist eine sehr geschätzte Speise […] ja man gibt nicht selten Lammfleisch für das von jungen Ziegen aus. Die weiblichen Ziegen werden, wenn sie gemästet sind, auch geschlachtet, doch wird ihr Fleisch weit weniger geschätzt, als das von Schafen […]; das Fleisch von alten, nicht entmannten Böcken wird aber in vielen Gegenden so wenig geachtet, daß es selbst die ärmste Volks33

S030-043Auler.indd 33

10/13/15 5:46:08 PM

klasse verschmäht, indem es ebenso eigenthümlich schmeckt, als ein alter Ziegenbock riecht.“ H. Davidis bietet keine Rezepte zu Ziegenfleisch. Ziegenmilch als Getränk ist ein bekömmliches und gehaltvolles Nahrungsmittel, liefert viele wertvolle Nährstoffe, essentielle Aminosäuren, Vitamine und Mineralien und hat einen reinen, typischmilden Geschmack. Ziegenmilch unterscheidet sich im Geschmack spürbar von Kuhmilch. Der Geschmack wird als leicht süßlich, aromatisch oder streng beschrieben, wofür der höhere Gehalt an Caprinsäure und die schnelle Annahme von Fremdgerüchen – in früheren Zeiten oft des Stalls beziehungsweise der Ziege selbst – verantwortlich sind. Ziegenmilch enthält 2,8 bis 3,5 Prozent Eiweiß, 2,7 bis 3,5 Prozent Fett und 4,4 Prozent Laktose. Im Nährwert und in der Trockenmasse unterscheidet sich Ziegenmilch nur unwesentlich von der Milch des Hausrindes, enthält aber mehr kurz- und mittelkettige Fettsäuren als diese. Diese Fettsäuren werden leichter vom Körper assimiliert als langkettige und sind daher besser verdaulich. Darüber hinaus sind die Fettkügelchen der Ziegenmilch kleiner als die der Kuhmilch. Die vielen kleinen Fettkügelchen ergeben eine größere Gesamtoberfläche und somit eine größere Angriffsfläche für Enzyme, was die Verdaulichkeit weiter verbessert. Man spricht auch davon, dass Ziegenmilch bereits ‚natürlich homogenisiert’ sei. Eine Homogenisierung, also ein mechanisches Aufspalten der Fettkügelchen, ist unter dem Aspekt der Verdaulichkeit bei Ziegenmilch daher nicht erforderlich. Ziegenmilch hat einen niedrigeren Gehalt an Kasein und einen hohen Anteil an wasserlöslichem und gut verdaulichem Molkeprotein. Die Milchverarbeitung – beziehungsweise nach heutiger Terminologie ‚Milchveredelung’ genannt – bedeutet vor allem die Herstellung von Käse; dieser Produktionsprozess der Käserei überführt die Milch in eine haltbarere Form. Ganz allgemein

ist die Käseherstellung für jeden Produzenten von Frischmilch unausweichlich, denn binnen eines Tages verwandelt sie sich in ‚saure Milch’ und nach einem weiteren Tag in ‚Dickmilch’. Dies geschieht durch die der Milch eigenen Milchsäurebakterien, die dabei einen Teil des Milchzuckers Laktose in die Zuckerformen Glukose und Galaktose umwandeln. Aus der Dickmilch wird ‚Sauermilchkäse’ hergestellt, indem man die Molke durch Siebe oder Tücher ablaufen lässt, dann den eiweiß- und fettreichen Quark formt und reifen lässt. Diese Trocknung und Formung dürften in den Milchsatten erfolgt sein. Die Satten, auch Milchsetten, Milchkuppen oder Döppen genannt, stellen die quantitativ größte Gefäßgruppe innerhalb der zahlreichen geborgenen Keramikbruchstücke von der Biesenbachstraße 9-11 dar. Es liegen Satten aus Irdenware und aus Westerwälder Steinzeug vor. Dieser Gefäßtyp ist ein flaches, aber weites und recht steilwandiges Gefäß. Es ist henkellos und zeigt nach außen gebogene Randprofile. Die Irdenwaren weisen am Rand einen kleinen Ausguss und eine dunkelbraune Innenglasur auf; außen sind sie unglasiert. Die Käselaibe müssen gegen in der Luft befindliche Bakterien und gegen Schimmel geschützt werden, was traditionell durch häufiges Einreiben mit Salz geschieht. Der Käse reift von außen nach innen, wobei sich Konsistenz und Farbe ändern. Anfangs ist er quarkig, weiß und bröselig. Später nimmt er außen seine typische gelbliche Farbe und die geschmeidige schnittfeste Konsistenz an; der weiße Quarkkern schrumpft dabei immer mehr zusammen, und der typische Geruch und Geschmack stellen sich ein. Nach nur etwa zwei Wochen ist der Käse völlig durchgereift und laktosefrei. Magerer wird dieser Käse, wenn man schon der Frischmilch oder auch erst der Sauermilch die Sahne abschöpft. Der einfache und schnelle Herstellungsprozess und der gewissenmaßen natürliche Ablauf ‚Milch – Sauermilch – Dickmilch – Quark – Sauermilchkäse’ legt

34

S030-043Auler.indd 34

10/13/15 5:46:08 PM

Milchsatte (Abrahmschüssel) – Spezialgefäß für die vorindustrielle Milchwirtschaft.

die Herstellung solcher ‚Hofprodukte’ auch für das 18. und frühe 19. Jahrhundert nahe. Die Fertigung diverser Hart- und Weichkäse vor Ort aus Ziegenmilch ist also wahrscheinlich, ebenso die Herstellung von Butter. Und auch die Zwischenprodukte wie die Dickmilch und Sauermilch konnten direkt genutzt werden.

Flora Offenbar wurden zeitweise Hafer und Roggen auf dem Dachboden des älteren Hauses (Nr. 11) gelagert, denn auf den Deckenbalken fanden sich Reste davon. SaatHafer oder Echter Hafer (Avena sativa) wird vor allem als Tierfutter verwendet.

Hafer- und Roggenreste sowie die Fruchtschalen von Buchweizen.

35

S030-043Auler.indd 35

10/13/15 5:46:08 PM

Als Futtermittel wird Hafer an Pferde, Rinder oder Geflügel verfüttert; der hohe Rohfaseranteil macht die Körner allerdings für die Verfütterung an Schweine ungeeignet. Hafer eignet sich aber auch für die menschliche Ernährung. Ernährungsphysiologisch ist Hafer sogar die hochwertigste Getreideart, die in Mitteleuropa angebaut wird. Die Haferkörner werden lediglich entspelzt, das heißt die äußere für den Menschen unverdauliche Hülle wird entfernt. Der übrig bleibende so genannte Haferkern wird jedoch nicht geschält, das heißt die äußeren Randschichten, Frucht- und Samenschale, sowie der Keimling bleiben erhalten. Dieses Vollkornprodukt enthält zahlreiche Vitamine, Mineral- und Ballaststoffe. Es gibt eine Vielfalt an Erzeugnissen aus Hafer für die menschliche Ernährung: von Hafergrütze über Haferspeisekleie bis hin zu Hafermehl; letztgenanntes kann infolge des geringen Kleberanteils (Gluten) nur bedingt zur Herstellung von Brot verwendet werden. Ein Haferanteil von 20 bis 30 Prozent im Brot ist jedoch möglich. Nicht unerwähnt bleiben sollen die Haferflocken. Nach der Reinigung des Rohgetreides werden die Haferkörner mehrere Stunden lang zunächst in Dampf, dann mit trockener Hitze in einer Darre (s. u.) behandelt. Bei dieser Behandlung bildet sich das typische nussartige Aroma der späteren Haferflocken. Die Spelzen lockern sich im Trocknungsverfahren und können getrennt werden; dies geschah früher mittels Mahlsteinen. Die geschälten Haferkörner werden in verschiedene Größen zerkleinert und zu Flocken zerdrückt. Es gibt verschiedene Arten der Zubereitung. Weicht man Haferflocken (eventuell mit Trockenfrüchten) einige Stunden oder über Nacht in Wasser oder Apfelsaft ein, erhält man eine sättigende Mahlzeit, die man auch noch mit frischem Obst, Nüssen und gegebenenfalls etwa Zucker verfeinern kann. Haferflockenbrei (auch Haferbrei genannt) erhält man durch Kochen von Haferflocken in Milch; er wird im Rheinland meist leicht gesüßt verzehrt. Die Haferflockensuppe ist auch ein traditio-

nelles Hausmittel, beispielsweise bei Magen-Darm-Erkrankungen. Haferschleim, das heißt aus Haferflocken gekochter, abgeseihter Schleim, spielt als Babynahrung und Krankenkost eine Rolle. Er wird bei Verdauungsbeschwerden und zur Kräftigung empfohlen. Roggen (Secale cereale) ist eine in den gemäßigten Breiten verbreitete Getreideart. Er liefert auch auf leichteren oder sandigen Böden und an kühleren oder feuchten Standorten noch gute Erträge. Am Niederrhein wird häufig Winterroggen angebaut;

Buchweizen in einem „Lehrbuch … der Botanik“ (Freiburg/Br. 1890).

36

S030-043Auler.indd 36

10/13/15 5:46:10 PM

Sommerroggen spielt nur eine untergeordnete Rolle. Das Korn des Roggens wird als Nahrungs-, Futter- und Genussmittel genutzt.

Ganze geschälte, rezente Körner vom Echten Buchweizen (Fagopyrum esculentum).

Aussagekräftiger sind unter den oben bereits erwähnten Pflanzenfunden vom Dachboden des älteren Wohnhauses allerdings die Fruchtschalen des Echten Buchweizen (Fagopyrum esculentum). Er gehört im botanischen Sinne nicht zu den Getreidearten aus der Familie der Süßgräser, sondern zur Familie der Knöterichgewächse. Der anspruchslose und auch auf schlechtem Boden gedeihende Buchweizen gilt als eine Frucht der Not; nach dem Ersten Weltkrieg ging der Anbau von Buchweizen rapide zurück und erlosch seit den 1960er Jahren. Wegen seiner mehlhaltigen Früchte kann der Buchweizen aber ähnlich wie Getreide genutzt werden. Buchweizen muss vor dem Verzehr geschält und kann dann etwa zu Mehl verarbeitet werden; wegen des fehlenden Klebers eignet sich das dunkle Mehl allerdings nur in einer Mischung mit Roggen- oder Weizenmehl zum Backen von Brot. Fladenbrot lässt sich aber auch aus dem gemahlenen Pseudogetreide herstellen. Buchweizen – an wertvollen Inhaltsstoffen sind vor allem Stärke und Eiweiß zu nennen – kann sehr unterschiedlich zubereitet und kombiniert werden. Ganze Körner und Schrot eignen sich für Suppeneinlagen

und Aufläufe; er lässt sich aber auch gut mit Gemüse aller Art oder Pilzen kombinieren und ist eine gesunde Beilage zu Fleisch oder Fisch. Geflockte Körner eignen sich für Müsli. Buchweizen kann allerdings auch ein eigenständiges Hauptgericht in Form von Grütz- oder Grießbrei sein. Wichtig ist bei der Zubereitung des klassischen Buchweizenbreis, dass das Verhältnis zwischen Buchweizen und Wasser (1:2) genau eingehalten wird. Der Buchweizen soll außerdem mit kaltem Wasser aufgesetzt und dann bei niedriger Hitze gedeckelt geköchelt werden, bis das Wasser verbraucht ist. Buchweizenkerne dienten ebenfalls als Graupen. „Pfannkuchen von Buchweizenmehl“ nach Henriette K. Davidis (Bielefeld / Leipzig, 37. Auflage von 1898, S. 359): „2 gestrichen große Obertassen feines Buchweizenmehl, 3 Tassen heißes Wasser, 1 Tasse dicke saure Sahne und Salz werden gut verrührt, und sogleich in recht heiß gewordener Butter, oder halb Butter halb Schmalz gelbbraun gebacken. – Auch kann man die saure Sahne in einfachem Haushalt fehlen lassen und eine Tasse geriebene kalte Kartoffeln der Masse zufügen, vielfach rührt man Buchweizen Pfannkuchen statt mit Wasser mit guter Buttermilch an.“ Das großzügige Gartenareal der Hofstelle bot Flächen zum Anbau diverser – für die Neuzeit am Niederrhein archäobotanisch nachgewiesener – Nahrungspflanzen wie etwa der Tomate und vor allem der Kartoffel. Unter den Hülsenfrüchten hatte die Erbse eine besonders wichtige Bedeutung. Unter den Gemüse- und Salatpflanzen sind die Rübe, der Rübenkohl, die Gurke, der Kürbis, die Möhre, der Portulak sowie mehrere Salatsorten zu nennen. Gewürzpflanzen waren unter anderem Dill, Sellerie, Schwarzer Senf, Wiesenkümmel, Koriander, Fenchel, Hopfen, Wacholder, Gartenpetersilie, Bohnenkraut, Ackersenf und der Echte Thymian. Die Walnuss und die Haselnuss wurden vom Baum respektive vom Strauch geerntet. An Kulturobst wurden die Gartenerdbeere, der Apfel, die 37

S030-043Auler.indd 37

10/13/15 5:46:11 PM

Schwarze und rote Johannisbeeren: Ribes nigrum und Ribes rubrum.

Birne, die Zwetschge, die Pflaume sowie die schwarze und rote Johannisbeere angebaut. An Wildobst wurden zudem Schlehen, Hagebutten, Brombeeren, Himbeeren sowie Heidel- und Waldbeeren gesammelt: aufzuzählen wären noch der Schwarzeund der Traubenholunder. Und sicher wurden auch Speisepilze nicht verschmäht. Bemerkenswert unter den Artefakten, die bei Erdarbeiten im Hofareal geborgen werden konnten, ist das Eckfragment eines Ziegels. Die gestrichenen Kanten des Ziegelfragmentes zeigen intentionell angebrachte eckige Eindrücke. Er weist eine konische Durchlochung und drei ebensol-

Eckfragment eines Darrenziegels (‚Eesttegel’) mit konischen Lochungen.

che weitere, allerdings nur fragmentarisch erhaltene Lochungen auf. Diese zeigen einen größten Durchmesser von 3 Zentimeter, sind in Reihen angeordnet und 1,8 Zentimeter beziehungsweise 2,3 Zentimeter voneinander entfernt. Bei dem Ziegelplattenfragment handelt es sich um das Bruchstück des Rostes eines Dörrofens, also um ein Fragment eines so genannten Eesttegels. Dies ist der Einsatz einer neuzeitlichen Darre. Eesttegel wurden am Niederrhein vorwiegend im 17. und 18. Jahrhundert eingesetzt, eventuell auch noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In solchen Darren wurden Garten-, Feldund Waldprodukte gedörrt beziehungsweise gedarrt, das heißt getrocknet. Von einer Feuerstelle, die im Idealfalle mit Buchenholz befeuert wurde, wird heißer Rauch durch einen Rauchkanal in einen Raum geleitet, der durch eine oder mehrere durchlöcherte Ziegelplatte(n) abgedeckt ist. Diese Platten sind ringsum mit Lehm abgedichtet und dieser Unterbau einer Darre war sicherlich feuerfest gemauert. Der Aufbau über den perforierten Ziegeln dagegen konnte aus Holz bestehen. In ihm waren Schubladen untergebracht, deren Böden zum Beispiel aus engmaschigem Drahtgeflecht bestanden, die das Dörrgut aufnahmen. Während des Dörrvorganges – das Darren von halbreif geerntetem Dinkel zu Grünkern dauerte beispielsweise circa vier Stunden – musste das Dörrgut eventuell gewendet werden. Durch den Entzug der Feuchtigkeit, also Verdunstung, wurde das Dörrmaterial lagerfähig gemacht. Darren dienten also zur Konservierung von Lebensmitteln. Das Artefakt aus Stürzelberg dürfte von einer Darre stammen, mit der Kern- und Steinobst, Gemüse und Kräuter aus eigenem Anbau, aber auch etwa gesammelte Pilze, gegebenenfalls auch Hafer (s. o.) und Rheinfische (s. u.) getrocknet wurden. Diese im Herbst gefertigten Trockenprodukte waren in den folgenden langen Wintermonaten wohlschmeckende Energielieferanten, gesunde Naschereien und wurden auch in der Küche weiterverarbeitet.

38

S030-043Auler.indd 38

10/13/15 5:46:11 PM

Frisches und gedörrtes Obst (Apfel, Pflaume, Birne) sowie Wal- und Haselnüsse.

Es liegen Tongefäßfragmente für den Keller sowie für die Küchen- und Tischausstattung vor. Kellerkeramik diente der Vorratshaltung für die harten Wintermonate und für die sogenannten schlechten Zeiten (Sauerkraut, Gurken und so weiter); hier wurden aber auch Saatgut und eingemachte Nahrungsmittel gelagert. Einkochen oder Einmachen beziehungsweise Eindunsten – das auch am Niederrhein gebräuchliche Synonym ‚Einwecken’ ist von der Verwendung der ehemals patentierten Gläser des Unternehmers Johann Carl Weck abgeleitet – ist eine physikalische Methode, Lebensmittel durch Erhitzen und Luftabschluss zu konservieren. Beim Einkochen wird das zu konservierende Gut (Obst, Gemüse, Pilze und so weiter) gekocht und heiß abgefüllt, beim Eindunsten werden fertig abgefüllte Flaschen oder Gläser in Wasser eingestellt und so ‚im Dunst’ gekocht. Diese Konservierungsmethoden sind unter den Bedingungen eines Privathaushalts praktisch durchführbar; kühl und dunkel gelagert

bleibt Eingekochtes für mehrere Monate bis Jahre haltbar. Es gibt fast nichts, das nicht in die vakuumverschlossenen Gefäße gefüllt werden kann, von Obst oder Gemüse über Fleisch bis hin zu Fertiggerichten und Suppen. Die Blütezeit des Einkochens begann etwa um 1900 und dauerte bis in die 1960er Jahre – ‚Eingekochtes’ war in diesen Dekaden ein unverzichtbarer Bestandteil der Ernährung. Aber nicht für alle Nahrungsmittel, die einst im Gewölbekeller von Haus Nr. 11 gelagert wurden, waren Tongefäße oder Glas erforderlich. Die Autoren konnten dort neben Gläsern mit haltbar gemachten Vorräten auch eine sogenannte Kartoffelkiste, also eine luftig genagelte hölzerne Lattenkiste – sie blieb bedauerlicherweise undokumentiert – beim Ausräumen der Immobilien entsorgen. In diesen kleinen Gewölbekellern mit ihren steilen Holztreppen wurden auf luftdurchlässigen hölzernen Regalen Kohl, Lagergemüse und Obst aufbewahrt. Neben den Hasel- und Walnüssen wurde hier 39

S030-043Auler.indd 39

10/13/15 5:46:11 PM

auch das Trockenobst gelagert. Es gab übrigens eine weitere Art ihrer Herstellung: Das zu trocknende Obst – etwa Äpfel – wurde geschält, das Kerngehäuse entfernt, die Restfrucht in dünne Scheiben geschnitten, auf eine Schnur aufgefädelt und luftig unter dem Haus- oder Scheunendach zum Trocknen aufgehängt. Ergänzt wurde diese Palette durch Gläser mit Marmelade, Gelee und Mus, die aufgereiht und gestapelt in den Regalen lagerten. Möhren ohne Grün bewahrte man in Lagen aus Sand in großen Steintöpfen oder in Erdmieten auf, Weißkohl als Sauerkraut in großen braunen Steingutgefäßen. Stangenbohnen wurden als ‚Schnibbelbohnen’ in großen tönernen Töpfen sauer eingelegt. Zwiebeln – wichtig wegen der Vitaminversorgung im Winter – wurden in Netzen oder leinenen Beuteln aufgehängt. Eier konnten in Wassergläser eingelegt werden. Fleisch wurde gepökelt, das heißt Fleisch und Salz in Holzbottichen oder Steingutgefäßen schichtweise eingefüllt, später teilweise geräuchert. Anschließend wurden Schinken und Speckseiten an Kordeln ebenfalls auf dem Speicher aufgehängt; gleiches gilt auch für die luftgetrocknete Mettwurst. Wurzelgemüse wurde im Garten in Erde (Sand), Kraut- und Kohlarten in Gruben, den so genannten Mieten, eingeschlagen. Auch Futter und Streu für die diversen Haustiere – Stichwort ‚lebendige Vorratshaltung’ – mussten bevorratet werden und lagerten auf den Dachböden beziehungsweise in den Scheunen.

sen war. Zudem übernahm anno 1882 Sybilla Hüsch, geb. Staudt (* Köln 1859), die ab den 1860er Jahren im Rheindorf lebte, den Hof von ihren Pflegeeltern; sie war Tochter eines Rheinschiffers aus der nahen Domstadt und hatte so enge Verbindungen zum Fluss. Der klassische Brotfisch für die Rheinfischer des 19. Jahrhunderts war der Maifisch (Alosa alosa). Als ehemals häufige Rheinfischart gehört er zur Ordnung der Heringsfische; er wird auch Alse, Elft oder Agone genannt. Er ist ein anadromer Wanderfisch, der in küstennahen Lebensräumen im Meer in einer Tiefe von circa 10 bis 150 Meter lebt. Der Maifisch wird bis zu 70 Zentimeter groß und drei bis vier Kilogramm schwer. Wenn die Tiere im Alter von vier bis acht Jahren geschlechtsreif werden, wandern sie in Schwärmen zur Fortpflanzung bis zu 800 Kilometer in die großen Flüsse hinauf um dort im Mai/Juni nachts zu laichen. Die Weibchen legen ihre zahlreichen Eier bei circa 20 Grad warmer Wassertemperatur ins freie Wasser über sandigem und kiesigem Substrat ab, wo sie frei über dem Flussboden treiben. Die Laichplätze befinden sich im Allgemeinen an stark strömenden Flussabschnitten. In der Regel laichen Maifische nur einmal, wandern zurück ins Meer und sterben dann. Die Larven schlüpfen nach vier bis acht Tagen und wandern in Bereiche mit geringerer Strömung. Jungfische ziehen teils aktiv, teils per Drift bis Oktober in die Ästuare zurück, also in die vom

Fauna II: Fische und Insekten Reste von Rheinfischen – zu denken wäre etwa an Fischwirbel – konnten bislang auf dem Areal der einstigen Hofstelle nicht geborgen werden. Aufgrund der Lage des Hofes im Ortskern des ehemaligen Fischerdorfes Stürzelberg und aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zum Rhein kann sicher davon ausgegangen werden, dass Fisch ein häufiges Nahrungsmittel gewe-

Maifische. Farbholzschnitt London 1879.

40

S030-043Auler.indd 40

10/13/15 5:46:12 PM

Übergang des Salzwassers des Meeres und des Süßwassers des Flusses geprägten Mündungsbereiche großer Flüsse. Juvenile Maifische ernähren sich im Süßwasser hauptsächlich von Insektenlarven. Die Nahrung der Jungfische und Alttiere besteht überwiegend aus planktischen Kleinkrebsen. Während der Laichwanderung wird keine Nahrung mehr aufgenommen. Historische Verbreitungsgebiete befanden sich in Rhein, Wupper, Sieg, Ems, Weser und Lippe. Der Maifisch war ein geschätzter Speisefisch und bis Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiger Erwerbsfisch für die Berufsfischerei am Rheinstrom. Eine zeitgenössische Notiz aus dem Jahre 1881 besagte: „Man trifft den Maifisch […] oft in solchen Mengen, dass sie sich förmlich aus dem Wasser herausdrängen und leicht mit den Händen zu greifen sind.“ Hermann Landois (1835 – 1905), Zoologieprofessor in Münster, stellte ein Jahr später zu den Schwärmen im Rhein fest: „ … ziehen sie dicht an

der Oberfläche dahin, so dass die Rückenflosse aus dem Wasser hervorsieht und machen ein solches Geräusch, das man, […] glauben sollte, es wälze sich eine Schweinehorde im Wasser vorwärts.“ Laut einer Fischmarkt-Statistik von 1886 wurden fast 270.000 Maifische in den Niederlanden verkauft; gefangen wurde der mit der Finte eng verwandte Fisch mittels Treibnetzen. Anfang des 20. Jahrhunderts brachen die Bestände drastisch ein. Ursache war vor allem die Überfischung, kombiniert mit einer steigenden Anzahl von Wanderungshindernissen in den Flüssen. Eine Erholung der Bestände konnte nicht erfolgen, da zunehmend Laichplätze zerstört wurden, die Verschmutzung der Gewässer zunahm und die Durchwanderbarkeit der Flüsse immer schlechter wurde. Die Auswertung der Fangstatistik der Berufsfischer aus den Jahren 1898 bis 1900 ergab für den Rheinabschnitt zwischen Stürzelberg und Grimlinghausen für das gesamte Frühjahr 200 Maifische, für die

Fischmarkt mit Maifischen in der Düsseldorfer Altstadt.

41

S030-043Auler.indd 41

10/13/15 5:46:12 PM

Strecke zwischen Zons und Uedesheim bis zur Erftmündung 250 Tiere. Der grätenreiche Maifisch galt als ‚Fisch der armen Leute’. Der Geschmack des Tieres ist etwas fad und erreicht lange nicht die Qualität des begehrten Rheinsalms. Dafür war er aber viel preiswerter und bei den Menschen recht beliebt. Weibliche Maifische sind aus küchentechnischer Sicht ergiebiger als männliche; sie sind größer und fetter und liefern zudem den begehrten Rogen. Frische Maifische wurden, nachdem sie etwa eine Stunde lang in Milch eingelegt worden waren, leicht gesalzen und gepfeffert. Anschließend wälzte man sie in Mehl und konnte sie nun im Ganzen oder als Filet in Butter braten; dazu wurden Salzkartoffeln gereicht - und wohl auch ein obergäriges Bier. Gut denkbar ist, dass die Ackererfamilie nebenbei auch eine Bienenzucht betrieb, sich also mit der Haltung, Vermehrung und der Züchtung von Honigbienen und der Produktion von Honig, einem vom Men-

schen gerne genutzten Lebensmittel aus dem Nektar von Blüten, und weiterer Bienenprodukte, wie etwa dem Bienenwachs, beschäftigte; nachweisen können wir dieses allerdings nicht.

Getränke Ein Foto aus dem Jahre 1912 zeigt rechts neben der Haustüre eine Schwengelpumpe zur Förderung von Grundwasser. Mehrere Scherben von Steingutwasserflaschen, so genannten Sauerwasserflaschen, belegen Mineralwasser (Selterswasser) als Getränk auf dem Hof; als Brunnenorte der damaligen Zeit sind beispielsweise Aachen, Gerolstein und Sinzig zu nennen. Der Verschluss einer Bierflasche (Artefaktbeschreibung: ‚Schnappverschlussbügel Bierflasche. Niederrhein. Porzellan / korrodiertes Eisen. Aufschrift „Brauerei Bavaria Crefeld“. um 1900’) belegt das aus Gerste, Malz und Hopfen gebraute alkoho-

Postkarte aus dem Jahre 1912 mit Schwengelpumpe vor Haus Nr. 9.

42

S030-043Auler.indd 42

10/13/15 5:46:12 PM

lische Getränk. Ziegenmilch – eher Nahrungsmittel als Getränk – wurde bereits oben erwähnt.

Zusammenfassung Zahlreiche Funde, die im Rahmen der Wiederherstellungsarbeiten an den historischen Gebäuden eines historischen Ackererhofes geborgen werden konnten, ermöglichen direkte und indirekte Einblicke auf den Speiseplan der einstigen Bewohner. Gleiches gilt für Funde, die bei Erdeingriffen im Hofbereich gefunden wurden. Manche Nahrungsmittel und Genussmittel wurden sicher auch zugekauft, etwa Rindfleisch, Kaffee und wohl auch Brot, denn Hinweise etwa auf ein Backhaus liegen bislang nicht vor. Andere Speisen sind so naheliegend, dass sie in diesem Text nicht ohne Erwähnung bleiben durften, auch wenn ein Fundnachweis bisher fehlt, etwa Rheinfisch. Andere Nahrungsmittel werden sich sicherlich nur schwerlich im Fundgut niedergeschlagen haben, etwa Honig. Eine planmäßige wissenschaftliche archäologische Ausgrabung hat bisher an dieser Hofstelle nicht stattgefunden. Alle bisher gemachten Funde traten bei groben Bautätigkeiten – Schachtungsarbeiten für moderne Zu- und Ableitungen und so weiter – zutage. Vielleicht erbringen kommende Arbeiten weitere Artefakte, die das bisher vorliegende Fundspektrum ergänzen, oder gar eine spätneuzeitliche Abfallgrube, die dann eventuell sensiblere Artefakte erbringt, wie etwa Fischreste, Pollen und andere mehr … Der vorstehende Text zeigt, dass auf einer kleinen Hofstelle, auf der manchmal bis zu zehn Personen lebten, viele Lebensmittel selbst produziert werden konnten; ein solcher Nebenerwerbshof konnte nahezu autark wirtschaften.

Literatur Auler, Jost / Hiller, Petra: Ein Kinderschuh des 19. Jahrhunderts aus DormagenStürzelberg, Rhein-Kreis Neuss, in: Archiv und Erinnerung im Rhein-Kreis Neuss. Festschrift für Karl Emsbach, hrsg. von Franz-Josef Radmacher und Stefan Kronsbein im Auftrag des Kreisheimatbundes Neuss, Neuss 2011, S. 65-73. Dies.: Milchsatten, Ziegenknochen und ein Darrenfragment – (Boden)funde von einem historischen Nebenerwerbshof in Dormagen-Stürzelberg; in: Der Niederrhein – Zeitschrift für Heimatpflege und Wandern, Jg. 81, 2014, S. 1623. Dies.: Milchsatten, Ziegenknochen und ein Darrenfragment – (Boden)funde von einem historischen Nebenerwerbshof in Dormagen-Stürzelberg, Teil 2; in: Der Niederrhein – Zeitschrift für Heimatpflege und Wandern, Jg. 81, 2014, S. 59-63. Dies.: Gürtelschnallen, Messerfragment und ein Dominostein. – (Boden)funde von einem historischen Nebenerwerbshof in Dormagen-Stürzelberg; in: Der Niederrhein – Zeitschrift für Heimatpflege und Wandern, Jg. 82, 2015, S. 54-60. Dies.: Buchweizen und Ziegenmilch. Beobachtungen zum Alltagsleben auf einem niederrheinischen Ackererhof in Dormagen-Stürzelberg im 19. und frühen 20. Jahrhundert; in: Festschrift für Christoph Reichmann, Krefeld 2015, S. 37-57.

43

S030-043Auler.indd 43

10/13/15 5:46:13 PM



Comments

Copyright © 2025 UPDOCS Inc.