M. Aufschnaiter – B. Tobias, Untersuchungen zu den Höhlen der Siedlung Ėski Kermen. In: S. Albrecht – F. Daim – M. Herdick (Hrsg.), Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim. Umwelt, Kulturaustausch und Transformation am Nordrand des Byzantinischen Reiches, Monographien RGZM 113 (Mainz 2013) 233-250.

June 5, 2017 | Author: Bendeguz Tobias | Category: Early Medieval Archaeology, Archaeology of Caves and Caverns (Archaeospeleology), Archaeological survey, Crimea
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Römisch-Germanisches Zent ralmuseum Forschungsinstitut für Archäologie

Stefan Albrecht · Falko Daim · Michael Herd ick (Hrsg.)

DIE HÖHENSIEDLUNGEN IM BERGLAND DER KRIM UMWELT, KULTURAUSTAUSCH UND TRANSFORMATION AM NORDRAND DES BYZANTINISCHEN REICHES

Verlag des Römisch-Germanischen Ze ntralmuseums

Mainz 2013

MONOGRAPHIEN

des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Band 113

Römisch-Germanisches Zentralmuseum Forschungsinstitut für Archäologie

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Redaktion: Markus C. Blaich, Hildesheim; Stefan Albrecht Reinhard Köster (RGZM) Satz: Hans Jung (RGZM) Bildbearbeitung: Hans Jung (RGZM); Franz Siegmeth, Illustration · Graphik-Design · Malerei, Bad Vöslau/ A Umschlaggestaltung: Reinhard Köster (RGZM) unter Verwendung einer Ansicht des Aufgangs zur Höhensiedlung Eski Kermen (Foto Stefan Albrecht, RGZM)

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-88467-220-4 ISSN 0171-1474

© 2013 Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funk- und Fernsehsendung, der Wiedergabe auf photomechanischem (Photokopie, Mikrokopie) oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, Ton- und Bildträgern bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten . Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG. werden durch die Verwertungsgesellschaft

Wort wahrgenommen. Druck : Strauss GmbH, Mörelenbach Printed 1n Germany.

MAJA AUFSCHNAITER · BENDEGUZ TOBlAS

UNTERSUCHUNGEN ZU DEN HÖHLEN DER SIEDLUNG ESKI KERMEN

Das Hochplateau des Eski Kermen 1 mit seiner großen Dichte an künstlich angelegten Höhlen beherbergt eine von etwa einem Dutzend ähnlicher Siedlungen, die das Bergland der Südwestkrim prägen 2 Die Baulichkeiten auf diesem Plateau spiegeln die Lebensweise und »Wohnkultur« mehrerer aufeinandertreffender Bevölkerungsgruppen wider, die im Laufe der Jahrhunderte hier ihre Spuren hinterließen. Diese äußern sich u. a. durch die offensichtliche Erweiterung und Veränderung der Höhlen, die nicht zuletzt funktionale Umgestaltungen mit sich brachten. Der Wandel von der einstigen repräsentativen Befestigungsanlage zum dicht besiedelten Wohngebiet vollzog sich in einem Zeitraum, der nach heutigem Stand der Forschung zwischen die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts und das ausgehende 13. Jahrhundert gesetzt wird 3 . Für eine frühere Besiedlung der Anlage haben wir bisher keine stichhaltigen Anhaltspunkte, obwohl das am südöstlichen Abhang gelegene Gräberfeld bereits im 5. Jahrhundert einsetzt 4 . Aus dem Bereich der Basilika stammt ein korinthisches Pfeilerkapitell aus Marmor, das in das 2.-3. Jahrhundert datiert werden kann . Da es vermutlich aus dem etwa 20 km Luftlinie entfernten Chersonesos stammt und sekundär für den Bau der Basilika verwendet wurde, kann es weniger als ein Zeichen einer früheren Nutzung der Anlage angesehen werden, sondern zeigt vielmehr den Aufwand, die Spolie auf das Plateau von Eski Kermen zu bringen 5 . Durch die jährlich steigende Zahl von Besuchern und fehlende Schutzmaßnahmen ist die Höhlensiedlung des Eski Kermen fortwährenden Zerstörungen ausgesetzt. Vor allem die leicht zugänglichen oder exponiert liegenden Höhlenkomplexe sind davon am stärksten betroffen . Daher war eine moderne Dokumentation der Höhlen auf dem Plateau von dringender Notwendigkeit.

FORSCHUNGSSTAND Erste archäologische Arbeiten wurden auf dem Plateau von Eski Kermen von Nikolaj L. Ernst durchgeführt. Dabei stand vor allem die Erforschung der recht zentral und auf der höchsten Erhebung des Plateaus gelegenen Basilika im Vordergrund 6 . Von 1928-1937 fanden die Grabungen des Leningrader Instituts für historische materielle Kultur (IIMK 7 ) statt. Diese wurden zunächst von Fedor I. Schmidt in den Jahren 1928-1930 durchgeführt, dann unter der Leitung von Nikolaj I. Repnikov im Zeitraum zwischen 1931 und 1937 fortgesetzt. Letzterer bekam Unterstützung durch die Mitarbeit des Vermessers Evgen V. Vejmarn, der nicht nur zahlreiche Pläne und Skizzen der Siedlung und des Umfeldes von Eski Kermen anfertigte, sondern auch eine

Teile dieses Aufsatzes w urden bereits an anderer Stelle publiziert: Aufschnaiter 2009. 2 Jüngste Forschungen am Römisch-Germanischen Zentralmuseum Mainz zu den Höhlenstädten der Südwestkrim: Albrecht I Herdick 2011 . - Aufschnaiter 2008. - Herdick I Schreg 2009. - Schreg 2008.- Schreg 2009.- Schreg 2010. 1

3 Vejmarn 1958a. - Vejmarn 1958b. - Ajbabin 1991. - Mogaricev

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1997, 39-53.- Mogaricev 2005, 100-119. - GerceniMachneva(ernets 2006. - Ajbabin 2006.- Ajbabin 2007 . Balint 1989, 75. Bujskich 2010, 87-88 Tat. 110, 2. Ernst 1927. Institut istorii material'noj kul 'tury.

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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umfassende Dokumentationssammlung erstellte, die sich im Archiv des Museums von Bachcisaraj befindet8. ln diesen Kampagnen wurden das Plateau und dessen Hänge nach Wohnbauten und -höhlen, Kirchen, Bestattungsplätzen und weiteren Anlagen untersucht 9 . Der Frage nach der Wasserversorgung ging N. Repnikov durch mehrere Surveys und Testschnitte am Südhang des Eski Kermen und in dem na he gelegenen Kafka- und Bilderantal nach 10 . Zur Registrierung der Höhlen wurden Tagebücher geführt, die mit Grundriss- und Schnittskizzen ergä nzt wurden"_ Diese Dokumente, die seinerzeit nur in kleineren Vorberichten auswahlweise publiziert wurden 12 , werden in den Archiven des IIMK in St. Petersburg und des Wissenschaftlichen Arch ivs im Museum von Bachcisaraj (Naucnyj archiv Bachcisarajskogo istoriko-kul'turnogo zapovednika) aufbewahrt. Bis heute bilden diese Aufsätze die Grundlage vieler Berichte und Führer zu der Hö hlensied lung des Eski Kermen. ln den letzten Jahren verstärkte sich das Interesse für die Siedlung und das Gräberfeld am südöstlichen Hang des Plateaus: Seit 2003 finden dort unter der Leitung von Aleksand r I. Ajbabin fast jährlich Ausgrabungen statt 13 Davon unabhängig wurden handaufgemessene Gesamtpläne zur Befundsituation der Höhlen auf dem Eski Kermen und zu anderen Höhlensiedlungen in der SW-Krim erstellt, die ein sehr anschauliches Begleitmaterial für den Besuch dieser Stätten bieten 14 . Besonders hilfreich war außerdem eine vor kurzem publizierte Zusammenstellung und Beschreibung zahlreicher Lagepläne des Eski Kermen, die aus alten Archivbeständen gesammelt wurden 15 •

DIE ARBEITEN DES RÖMISCH-GERMANISCHEN ZENTRALMUSEUM MAINZ ZUSAMMEN MIT DEM 13 MAINZ Nach einem positiv ausfallenden Testergebnis einer Laserscanmessung fande n von 2006-2008 g rößere Vermessungs- und Dokumentationskampagnen in der Höhlensiedlung von Eski Kermen statt. Dieses Teilprojekt hatte zum Ziel, den gesamten Höhlenbestand der Siedlung des Plateaus zu dokument ieren und die Ergebnisse mit ähnlichen Anlagen auf der Krim, im Schwarzmeerraum und im Mittelmeergebiet zu vergleichen. Somit war es ein An liegen, sich mit dem Phänomen der plötzlich in so großer Zah l auftretenden Höhlensiedlungen vom 6. bis ins 13. Jahrhundert im Mittel- und Schwarzmeerraum auseinander zu .---

setzen . Aufgrund der großen Befunddichte und der Projektdauer von drei Jah ren musste ei ne Methode angewandt werden, einer gesamtflächigen, aber auch profunden Dokumentation gerecht zu werden. Die große Anzahl an Höhlen und der im Verhältnis dazu stehende knappe Dokumentationszeitraum erforderten deshalb unterschiedliche Genauigkeitsstufen bei der Aufnahme bzw. verschiedene Vermessungsmethoden. Die Aufnahmeart und Auswertung der Vermessungsdaten wurden von Anja Cramer (i3mainz, Institut f ür Raumbezogenen Informations- und Messtechnik der Fachhochschule Mainz) und Guido Heinz (RG ZM) betreut 16 .

a Bei dieser Dokumentation handelt es sich teilw eise um Abschriften des Originalmaterials, das in St. Petersburg im Archiv des IIMK aufbewahrt wird . 9 Publiziert wurden die Arbeiten von 1928- 1929 und von 1931 1933 nur in Form von Aufsätzen : Repnikov 1932a. - Repnikov 1932b. - Repnikov 1932c. - Repnikov 1935. 10 Repnikov 1932b, 132- 133. 135 Abb. 25-26. - Vejmarn 1935.

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Vejmarn 1925-1927. Vgl. Anm. 8. 13 Ajbabin 2003-2008. 14 Gus'kov 2007. 15 Charitonov 2010.- Hierm it danken w ir Herrn Cha ritonov für seine Informationen. 16 Vgl. den Beitrag von A. Cramer und G. Heinz in diesem Band. 11

12

M. Aufschnaiter · B. Tobias · Untersuchungen zu den Höhlen der Siedlu ng Eski Kermen

a. Höhlensurvey Die umfassendste, dafür aber recht umrisshafte Dokumentation wurde mit einer Rasterbegehung abgedeckt, bei der das Plateau und dessen Hänge systematisch durchkämmt wurden. Jede Höhle bzw. artifizielle Nische erhielt einen kurzen Steckbrief (mit einer Nummer, Aufmaß, Beschreibung, Fotos und einer GPSPosition). Um den Vorgang zu beschleunigen, wurde eine kodierte Vorlage angefertigt, die in einer Datenbank übernommen wurde.

b. Tachymetrische Vermessung Für die detaillierte geometrische Aufnahme von Höhlen kamen unter anderem reflektorlose Tachymeter zum Einsatz. Bei der Aufnahme wurde zwischen einfacher und detailreicher Dokumentation unterschieden . Die einfache Dokumentation umfasste die Aufnahme des Grundrisses, ein biszweierverti kaler Schnitte und größerer Objekte. Die detailreiche Aufnahme erfolgte durch die zusätzliche Vermessung aller erkennbaren artifiziellen Einarbeitungen und Strukturen inner- urid unmittelbar außerhalb der Höhle. Zur verei nfachten Handhabung des Instrumentes während der Aufnahme und zur schnelleren Auswertung der Daten wurde innerhalb des Projektes ein Konverter zur Datenverarbeitung entwickelt 17 . Dieses Programm benutzt eine Punktnummerkodierung, mit der bereits vor Ort die Geometrien (Punkte, Linien, etc.) sowie ein Teil der Attribute der zu erfassenden Objekte festgelegt wurden. Für eine weitere Überarbeitung zu Architekturplänen war es ebenso wichtig, im Vorhinein festzulegen, ob sich die aufzunehmenden Strukturen am Boden oder über der horizontalen Schnittlinie befinden. Da die Höhlen auf dem Eski Kermen amorphe Formen aufweisen, musste die horizontale Schnittlinie, die bei kanonischen Architekturplänen auf einer Höhe von 1,20 m liegt, je nach maximaler Ausdehnung des jeweiligen Raumes und nach Ausstattungsform entsprechend neu festgelegt werden. Somit wurden bei jeder Vermessung eines Raumes Boden-, Schnitt- und- fal ls vorhanden - die Deckenlinie aufgenommen. Dazu kamen noch weitere Strukturen in- und auch außerhalb der Höhle. Bei mehrstöckigen Höh lenkomplexen musste ebenfa lls ein Konzept zur Darstellung ausgearbeitet werden, die zusammen mit dem Institut für Projektentwicklung und angewandte Bauforschung in der Denkmalpflege (IProD) der Fachhochschule Mainz erfolgte 18 . Die einfachere digitale Vermessung wurde in einigen Fällen mit der Erstellung digitaler Stereomodelle kombiniert. Dies bedeutet, dass zu der Vermessung, die sich lediglich auf Boden-, Schnitt- und Deckenlinie, außerdem auf vertika le Profilschnitte beschränkte, die Aufnahme der Höhlenwände mittels einer Kamera auf einem eigens dafür angefertigtem Stereostativ hinzukam. So konnte man im Ra hmen der Nachbearbeitung immer noch einige Details abgreifen bzw. Seitenansichten nachträglich digital erstel len 19 . ln den drei Hauptkampagnen wurden 59 Höhlen bzw. Höhlenkomplexe mit dem Tachymeter detailgenau aufgenommen. So aufwendig und mühsam diese Vermessungsarbeiten auch waren, so bestätigte sich doch in jedem Fall die Tatsache, dass auf diese Weise weitaus mehr Stru kturen erkannt w erden konnten als man dies bei einer reinen Observierung erreicht hätte. Gerade an der Oberfläche der Felsen beka m man im Laufe der Zeit ein Auge für Pfostenlochreihen, die sich zu Bögen oder Rechtecken formierten - ein Hinweis auf eine intensive Bebauung über den Höhlen (Abb. 1).

17 Der Konverter wurde in der Diplomarbeit von Th. Steffen >>Auf·

nahme und Visualisierung frühmittelalterlicher Höhlen am Eski Kermen - Ukraine (2007)« am i3mainz Fachhochschule Mainz ausgearbeitet.

Leitung: Prof. Emil Hädler. Zu den Mitarbeitern vor Ort vgl. die Mitarbeiterliste. 19 Zur näheren Ausführung vgl. den Beitrag von A. Cramer und G. Heinz in diesem Band. 18

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Abb. 1 Nordspitze des Eski Kermen (1 :500 Plan). - (Vermessung RGZM I i3mainz; Auswertung und Zeichnung der Pläne: RGZM I i3mainzllproD).

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Jede einzelne künstliche Abarbeitung in der Höhle und auch außerhalb davon wurde dokumentiert und in der Datenbank verwaltet. Besonderes Augenmerk wurde auf sich überschneidende Strukturen gelegt, denn diese bieten die Grundlage für eine relative chronologische Ordnung . Da uns größtenteils Informationen zur Datierung einer Höhle fehlen -ein Problem, das sich allgemein bei Höhlen stellt, da man selbst anhand von Verfüllungen höchstens einen terminus ante quem für die Herstellung der betreffenden Höhle angeben kann - gibt es noch die Möglichkeit, zumindest zwischen älteren und jüngeren Strukturen zu unterscheiden. Sowohl bei kleinen Einarbeitungen als auch bei Höhlenräumen kann man diese Methode anwenden. Die Absicht dabei ist, die sich wiederholenden Formen, also sowohl die der Einarbeitungen und Ausstattungselementeals auch die der Höhlenräume selbst, deta illiert zu typologisieren (s. u.) 20 . M it dem Tachymeter wurden außerdem markante Punkte zur Georeferenzierung alter Pläne eingemessen . Auf diese Weise konnten die Basilika und weitere alte Grabungspläne am West- und Ostrand des Plateaus in den Gesamtplan eingepasst werden.

c. Vermessung mit dem terrestrischen 30-Laserscanner Großfläch ig deckende digitale Messungen lieferte der terrestrische 3D-Laserscanner. Dieser wurde für die Erfassung größerer Komplexe und Außenbereiche eingesetzt: Von der Talseite her w urden alle Hänge gescannt, sodass man als Alternative zu einem Airborne Laserscanning einen Grundrissplan erhielt. Auf dem Plateau selbst wurden zwei größere Areale gescannt, die eine große Dichte an Außenstrukturen boten. Aufwendiger und weniger häufig eingesetzt wurde der Scanner für die Vermessung von Innenräumen. ln diesem Fall wurden einige Höhlen, darunter allein vier Kirchen, aufgenommen.

ERSTE ERGEBNISSE Bei unseren systematischen Begehungen konnten wir auf dem Plateau des Eski Kermen und dessen unmittelbaren Umgebung insgesamt 607 Höhlen registrieren (Abb. 2). Dabei ist zu beachten, dass eine Höhle aus mehreren Räumen bestehen kan n. A n Höhlenräumen zä hlten wir insgesamt 757 . Inbegriffen sind Nischen, deren Anzahl allerdings im Verhältnis dazu recht klein ist. Bislang kannte man nicht mehr als ca. 400 Höhlenräume 21 . Das liegt daran, dass man v. a. an den Rändern des Plateaus nach Höhlen gesucht und das Plateauinnere vermutlich wegen der dichten Vegetation größtenteils gemieden hat. Andererseits konnten wir einige Höhlen, die auf alten Plänen verzeichnet sind, nicht mehr finden, da sie vermutlich im Laufe der Zeit unter einer Erdschicht verschwunden sind oder unzugänglich waren. Mehr als die Hälfte der von uns dokumentierten Höhlen (etwa 57%) befindet sich im Inneren des Plateaus. Vermutet werden allerdings weit mehr, denn dort stehen die Erdschichten hoch an, und vor allem in der südlichen Hälfte sind unter diesen auch rechtwinklig angelegte Mauerzüge zu erahnen. Demnach könnten der Süden und die Mitte des Plateaus besonders dicht besiedelt gewesen sein. Dies bestätigen auch die

20 Weitere Datierungsmöglichkeiten bieten -

wenn auch nur bedingt - die Wandmalereien in der ••Maria Himmelfahrtskapelle« am Ostrand des Plateaus und in der »Kirche der drei Reiter« nicht weit östlich des Berges, die mit Vergleichsbeispielen in der anatolischen Ikonografie abgeglichen werden können . Außerdem konnte die Keramik aus einem Erdprofil

unter einem verstürzten Felsblock chronologische Richtwerte geben. 21 Plan des Eski Kermen 1928 (Handschriftenarchiv des IIMK, St. Petersburg RAN, F.R.-1. D 119a. L. 1). - Vejmarn 1937a. - Vejmarn 1937b. - Zusammenfassend Charitonov 2010.

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Abb. 2 Gesamtplan des Eski Kermen mit allen bislang kartierten Höhlen (2011 ). - (Vermessung RGZM I i3mainz; Auswertung und Zeichnung der Pläne: RGZM I i3mainzllproD).

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M. Aufschnaiter · B. Tobias · Untersuchungen zu den Höh len der Siedlung Eski Kermen

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neueren Ausgrabungen unter A. I. Ajbabin, die in diesem Bereich mehrere Gebäude, Höfe und in den Felsen geschlagene Kellerräume ans Tageslicht brachten 22 .

HÖHLENTYPEN UND IHRE FUNKTIONEN Um eine Vorstellung zu gewinnen, welche Funktion diverse Höhlen erfüllten, sind die Ausstattungen und Abarbeitungen heranzuziehen. Als Beispiele sei verwiesen auf Tröge mit Halterungen, die für Ställe sprechen (diese machen den Hauptteil der Ausstattungselemente aus), Ha lterungen an den Decken, Einarbeitungen für Regalbretter und Standmulden für große Pithoi, die Lagerräume vermuten lassen. Weiters gibt es zahlreiche Becken, die stellenweise mit Dachluken korrespondieren (vermutlich also Zisternen), kleine runde Löcher neben Eingängen, die als Kamine gedeutet werden können (also Rüchen oder Wohnräume), Bänke und zah lreiche Hinweise für Raumabteilungen. All das sind Strukturen, die uns in unserem täg lichen Leben nicht fremd sind und uns helfen, das damalige Leben in den Höhlen und deren Umfeld nachzuvollziehen. Allerdings erschwert gerade die Fülle an nicht verwandten Strukturen in ein und demselben Raum diese Vorstellung. So findet sich in zahlreichen Höhlen am Ostrand ein Trog in unmittelbarer Nähe zu ein em Kaminloch. Damit können die neu gewonnenen Ergebnisse die Erkenntnisse der älteren Forschung vollauf bestätigen: Die Höhlen waren in den Jahrhunderten zahlreichen Erweiterungsprozessen unterworfen, die auch funktionale Änderungen mit einschlossen. Nicht selten bietet sich das Bild einer Höhle mit einer sehr sorgfältig geglätteten Wand, die jäh von einer rudimentär eingeschlagenen Nische geschnitten wird. Dadurch entsteht auch das Bild einer lotrechten Wand. die sich deutlich im rechten Winkel von der horizontalen Decke absetzt, während die gegenüberliegende Wand ausgebuchtet ist, um einem Trog Platz zu bieten. Auffallend ist, dass Höhlen in den zugänglichen Bereichen intensiveren Veränderungen ausgesetzt waren als solche in gefährlichen Hanggegenden oder in Felsblöcken, die sich bald schon vom Hauptfelsen getrennt haben, bzw. solche in brachliegenden Arealen, die durch die Vegetation isoliert wurden. Höhlen im Plateauinneren, die durch Bodenerosion sehr schnell verfüllt worden sein konnten, haben vielfach den Anschein, als wären sie unverändert geblieben. Gewiss zählen dazu auch die Anlagen, die in der letzten Siedlungsphase von Eski Kermen neu gefertigt wurden. So ist beispielsweise bei der eher schwer zugäng lichen Höhle H 155 im nördlichen Drittel des Ostrandes davon auszugehen, dass sie später nicht mehr verändert worden ist (Abb. 3). Charakteristisch sind hier die rechtwinklig angelegten Seitenkammern, die sich im Osten zu einem Korridor öffnen. Zieht man eine sehr leicht erreichbare Höhle in der Mitte des Ostrandes als Beispiel heran, kann man nur an einigen Stellen erahnen, wie die ursprünglichen Formen ausgesehen haben könnten. Bei dem von uns als H077 benannten mehrstöckigen Höhlenkomplex, der den südlichen Teil einer exponierten Felsnase einnimmt, kann man in einem der Räume Ähnlichkeiten zu dem oben erwähnten Höhlenraum H155 erkennen: Auch hier existierten ursprünglich einzeln abgeteilte, rechteckige Zellen, die sich zu einem langgestreckten Raum hin öffneten (Abb. 4). Einarbeitungen am Boden und in der Decke in Form von Rillen sprechen für eine Weiterführung der Unterteilungen . Durch das Entfernen der Felszwischenwände erhielt man nicht nur mehr Platz, sondern konnte über einen neu entstandenen Freiraum disponieren und ihn anderweitig gestalten. Wie schnell solche Veränderungen entstehen konnten, sieht man an Vergleichen von 22

Ajbabin 2003-2008.

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Abb. 3 Schwer zugängliche Höhle H 155 mit rechtwinkligen Grundzügen am Ostrand des Plateaus. - (Vermessung RGZM I i3mainz; Auswertung und Zeichnung der Pläne: RGZM I i3mainzllproD).

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M. Aufschnaiter · B. Tobias · Untersuchungen zu den Höhlen der Siedlung Eski Kermen

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Abb. 4 Untergeschoss eines leicht zugänglichen Höhlenkomplexesam Ostrand des Plateaus (Räume H077-D und -E). -(Vermessung RGZM I i3mainz; Auswertung und Zeichnung der Pläne: RGZM I i3mainzl lproD).

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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Fotoaufnahmen aus den 1930er Jahren und

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heute. Ei ne Höhle im Bereich des so genannten Ostaufgangs etwa (H064) erhielt in der Zwischenzeit ein Fenster (Abb. 5). Auch im Laufe der letzten Jahre konnten wir einige kleinere Modifikationen vor allem in den noch heute regelmäßig besuchten Felskirchlein feststellen. Leichter fiel die Funktionsbestimmung bei Höhlen

mit charakteristischen

sakralen

Merkmalen, wie etwa eingearbeiteten Kreuzen, Schachtg räbern, Altarnischen oder charakteristischen Grundrissen. Kirchen konnten mindestens sechs festgestellt werden . Eine Ansammlung an Kirchen kann man im Südbereich antreffen. Außerhalb des einst bestehenden Stadttores lagen zwei mit ähnlichem, kleeblattförmigem, Grundriss unmittelbar nebenei nander und gruppierten sich mit einer Reihe von Schachtgräbern und kleinen Höhlenräumen, die als Ossuarien gedeutet werden können. Ein ähnliches Arrangement wies eine mehrstöckige Kirche rechterhand des südlichen Stadttores auf. Am bekanntesten ist die »Ki rche der drei Reiter«, die sich 90 m südöstlich des Ostplateaurandes in einem einzelnen Felsblock befindet und mit gut erhaltenen Wandmalereien ausgestattet ist 23 Abgesehen von den Höhlenk irchen und Grabgruften ließ sich auf dem Plateau des Eski Kermen eine Reihe weiterer Anlagen finden, die mit eingeritzten Kreuzsymbolen versehen waren . Bereits Repnikov dokumentierte die Kreuze, die entweder die einfache griechische Form aufweisen oder an ihren Enden mit V-förmigen Häkchen versehen sind 24 . Den oberen Bogen des Nordganges, den man vom Austritt auf die Plateauoberfläche aus sehen konnte, zierten gleich vier Kreuze des letztgenannten Typs .

Abb. 5 Veränderungen der H064 innerhalb des letzten Jahrhunderts. - a Archiv BachCisaraj, Ordner 3, Album Plateau Ostseite, um 1928; b Foto M. Aufschnaiter, B. Tobias, 2007.

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23 Vgl. den Beitrag von A. Plontke-Lüning in d iesem

Band. 24 Vejmarn 1925-1927.

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Abb. 6 Höhle mit zwei Deckenluken, zwei Kreuzen und Bestattung, im Westbereich des Plateaus (H364). - (Vermessung RGZM I i3mainz; Auswertung und Zeichnung der Pläne: RGZM I i3mainzllproD).

Auch am Serpentinenweg des südlichen Aufgangsbereiches konnte mithilfe alter Fotografien ein Kreuz in einer Seitenwand noch ansatzweise erkannt werden. Dies war der einzige Bereich, an dem ein Kreuz an der heutigen Außenseite liegt. ln einer Höh le am Ostrand war eine massive Einlassung in Form eines Kreuzes in d ie Ostwand eingearbeitet (H086). Vermutlich wurde hier ursprüng li ch ein Holzkreuz eingepasst. Keine zwei Meter weiter nördlich davon ziert in demselben Raum ein eingeritztes Kreuz mit Häkchen die feine Oberfläche eines ehemaligen »Kornspeichers«. Die Tatsache, dass in demselben Höhlenraum auch eine Zisterne lag, lässt vermuten, dass auch hier ein ständiger Funktionswechsel stattfand. Doch gerade die Verbindung zwischen einer Zisterne/einem Becken und einem sakralen Raum bzw. einem Raum mit Kreuzsymbol taucht auf dem Eski Kermen noch an zwei weiteren Stellen auf: in der freskengeschmückten so genannten »Maria Himmelfahrtskapelle« am Ostrand (H140) 25 bzw. in der Grabgruft im Westen des Plateaus (H400) 26 . Die Verbindung von Zisternen und Kirchen begegnet uns auch außerhalb der Krim. Eine Schriftquelle aus dem 6. Jahrhundert aus Palästina etwa berichtet, dass eine Zisterne in einer Höhle errichtet wurde, in der es einen geheimen Aufstieg von einer Kapelle in einen Turm gab. Angeblich handelte es sich dabei um eine Sicherheitsmaßnahme im Falle eines feindlichen Angrif fs 27 .

25 Zusammenfassend Mogaricev 1997, 46-49. 26 Gus'kov 2007, 129 Abb. 284.

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27 Magoullas 1976, 16.

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