Laurent Gorgerat, Antikenkopien, in: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig (Hrsg.), Roma Eterna. 2000 Jahre Skulptur aus den Sammlungen Santarelli und Zeri (2014) 179-182.
August 15, 2017 | Author: Laurent Gorgerat |
Category: Roman Sculpture
Roma Eterna 2000 Jahre Skulptur aus den Sammlungen Santarelli und Zeri
Umschlagbild Victoriatorso mit Bacchuskopf, 2. Jh. n. Chr., im 17. Jahrhundert zusammengesetzt (Kat.-Nr. X.36) Herausgeber Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig Graphische Gestaltung Marcello Francone Redaktionelle Koordinierung Eva Vanzella Redaktion Marco Abate Ausführung Paola Oldani Deutsche Übersetzungen Ivo Zanoni
Texte Dario Del Bufalo Esaù Dozio Laurent Gorgerat Tomas Lochman Daniela Ricci
Kuratoren Tomas Lochman, Chefkurator Dario Del Bufalo, Projektidee Esaù Dozio Laurent Gorgerat Realisation Anex & Roth Visuelle Gestaltung, Ausstellungsdesign Rudolf Habegger, Photos Kurt Bosshard, Konservatorische Betreuung, Montage Susanne Dürr, Konservatorische Betreuung, Montage Olivier Berger, Konservatorische Betreuung, Montage Annegret Schneider, Didaktisches Programm Siegfried Hartnagel, Administration Brigitte Nicosia, Buchhaltung Patricia Gaspoz, Sekretariat Viktor Hürbin, Sicherheit Urs Kaufmann, Haustechnik Nicholas Zurschmiede, Informatik Ilona Hellstern, Kasse, BookShop, Koordination Führungen Ivo Zanoni, Übersetzungen Nigel Stephenson, Übersetzungen Bianchi & Co SA, Novazzano, Transporte IBC Broker, Versicherungen Vera Reinhard, Marketing und Medien Luca Melloni, CLP Relazioni Pubbliche
Redaktion Tomas Lochman Photographien Alessio Giorgetti Rudolf Habegger Giuseppe Schiavinotto Leihgeber Fondazione Dino ed Ernesta Santarelli Onlus, Roma Collezione Federico Zeri via Fondazione Dino ed Ernesta Santarelli, Roma Dario Del Bufalo, Roma Académie de France à Rome – Villa Médicis (Besitz der Académie des Beaux-Arts, Paris) Accademia Carrara – Comune di Bergamo
Dank Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo – Direzione Generale – Paesaggio, Belle Arti, Architettura e Arte Contemporanee Ministero dei Beni e delle Attività Culturali – Direzione Generale per le Antichità Soprintendenza Speciale per i Beni Archeologici di Roma – Servizio tutela beni mobili Ministero dei Beni e delle Attività Culturali e del Turismo – Soprintendenza Speciale per il Patrimonio Storico-Artistico ed Etnoantropologico e per il Polo Museale della Città di Roma Simonetta Antellini Luana Antonini Daniela Cecchini Eric de Chassey Arnaud d’Hauterives Alessandra Gariazzo Marina Geneletti Eugenio Malgeri Zeri Marcello Malgeri Zeri Daniela Porro Anne-Sophie Rébillard Maria Cristina Rodeschini Claudia Scardazza
Rom – die Ewige Stadt – fasziniert mit den monumentalen Überresten ihrer tausendjährigen Geschichte als Machtzentrum der westlichen Welt. Paläste, Thermen, Tempelanlagen, die Kaiserfora und das Kolosseum lassen noch heute jeden Touristen die grandiose Ausstrahlung von damals erahnen. In Museen und Palästen zeugen vor allem die Skulpturen von der höchsten Blüte vergangener Tage. Mit ihrer starken, raumgreifenden Präsenz und plastischen Realitätsnähe ist die Skulptur der wirkungsvollste Mittler der Kunst vor dem Zeitalter der elektronischen Medien. Das haben die Mächtigen von damals schnell erkannt – und für die Darstellung ihrer Position und ihrer Ziele konsequent ausgenutzt. Wie in der modernen Politwerbung sind hieraus eindrückliche Bilder von Kaisern, Generälen, Bischöfen und Päpsten entstanden, die selbstbewusst und berechnend ihre Macht zur Schau stellen. Bis heute faszinieren auch Statuen von Göttern und Bilder von Heiligen, die grosse Tempelbezirke oder Kirchen und Kapellen schmückten, oder unzählige mythologische Figuren, die Gärten, Palastanlagen und Plätze dekorierten, als der Mythos noch lebendige Allegorie der Zeitgeschichte war. Die neue Ausstellung im Basler Antikenmuseum lässt einmalig das skulpturale Erbe der Antike in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken, und zwar auf eine doppelt innovative Weise. Zum einen wird die diachronische Komponente veranschaulicht: Ikonographien und Stile der römischen Kunst lassen sich bis ins Mittelalter, in die Renaissance und in den Barock weiter verfolgen. Zum anderen werden die Werke nach einschlägigen Themen vorgestellt: Macht, Religion, Mythos, Allegorie und, schliesslich, das kostbare Material, aus dem diese Wunderwerke jahrhundertelang hergestellt wurden: Marmor, mit seinen unzähligen bunten Sorten aus dem gesamten Imperium Romanum. Im Rahmen dieser Partnerschaft mit Italien danke ich der Fondazione Dino ed Ernesta Santarelli – Onlus und insbesondere deren Präsidentin Paola Santarelli, der Accademia Carrara di Bergamo und der Académie de France à Rome für die freundliche Leihgabe ihrer Meisterwerke. Auch die Kuratierung des Pro-
stelle zwischen vergangenen Epochen und der Jetzt-Zeit agieren kann. Rom soll ja mehr sein als nur eine müde gewordene – wenn auch geradezu auf tragische Weise faszinierende und bröckelnde – Kulisse, wie sie äusserst eindringlich Paolo Sorrentino mit seinem Oscar gekröntem Film La grande bellezza schildert. Hier in dieser Ausstellung ist die Schönheit in üppigen Portionen zu geniessen: Vielleicht ist es gar zu viel, was man in einem Leben und bei einem Museumsbesuch an Schönheit verkraften kann. All dies haben wir dem ausserordentlichen Umstand zu verdanken, der zwei moderne Mäzene, Paola Santarelli und Prof. Emmanuele F. M. Emanuele, mit dem Direktor des Basler Antikenmuseums, Andrea Bignasca, zusammengebracht hat. Für diesen Glücksfall wird jeder faszinierte Ausstellungsbesucher dankbar sein! Lidia Carrion Mitglied im Beirat der Schweizerischen Handelskammer in Italien Chief Operating Officer Swiss Luxury Culture Management
Inhaltsverzeichnis
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Ein musée de sculpture comparée – Einleitung in die Ausstellung Tomas Lochman
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Die Fondazione Dino ed Ernesta Santarelli Daniela Ricci
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Der Sammler Federico Zeri Esaù Dozio
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Skulptur, Material und Markt Dario Del Bufalo
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Katalog Esaù Dozio, Laurent Gorgerat, Tomas Lochman
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DAUERAKTUELLE THEMEN I. Bilder der Macht (Nr. I.1-5) II. Die weltlichen und sakralen Gesichter Roms (Nr. II.6-14) III. Verfestigte Erinnerung (Nr. III.15-17) IV. Tiere als Machtsymbole (Nr. IV.18-22) V. Das Zeitlose der Kindergesichter (Nr. V.23-26) VI. Das Fortlebent der Mythen (Nr. VI.27-28) VII. Die Gültigkeit der Allegorien (Nr. VII.29-30)
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HEILIGENBILDER IM WANDEL VIII. »divina majestas« (Nr. VIII.31-32) IX. »sacra mater« (Nr. IX.33-35) X. »sacra conversazione« (Nr. X.36-38) XI. »exstasis« (Nr. XI.39-43)
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WIEDERKEHRENDE STILPHÄNOMENE XII. Pathos (Nr. XII.44-46) XIII. Ausdruckskraft (Nr. XIII.47-53) XIV. Wirklichkeit (Nr. XIV.54-58)
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MATERIAL UND TRADITION XV. Antikenkopien (Nr. XV.59-60) XVI. Roms »bunte Steine« (Nr. XVI.61-73) XVII. Faszination Bildhaueratelier (Nr. A-B)
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Bibliographie
Material und Tradition
XV. Antikenkopien Die Herstellung von Kopien antiker Skulpturen ist kein neuzeitliches Phänomen. Bereits die Römer haben massenhaft Marmorkopien hergestellt – nach griechischen Originalen, um einer wachsenden Nachfrage nach solchen »antiken« Skulpturen gerecht zu werden. Diese Entwicklung begann mit der Ausweitung der römischen Macht zunächst auf Unteritalien und Sizilien und der sukzessiven Annexion der hellenistischen Monarchien zwischen dem 3. und dem 1. Jahrhundert v. Chr. Schliesslich erreichte die römische Kopienindustrie in der frühen Kaiserzeit einen derart wichtigen Stellenwert und war für die römische Plastik so prägend, dass ihr in Forscherkreisen lange Zeit die Eigenständigkeit aberkannt wurde. Das Phänomen des Kopierens antiker Statuen sollte sich in der Neuzeit wiederholen: Zunächst wurden in der Renaissance die Meisterwerke der Antike ori-
ginalgetreu in Marmor oder Bronze kopiert, um die neu entstandenen Sammlungen weltlicher und kirchlicher Fürsten zu bereichern. Die Gipsabgüsse, die dazu von den Originalen angefertigt und als Vorlage für die Kopisten dienten, entwickelten sich im Verlaufe des 17. Jahrhunderts zu einer eigenständigen preiswerten Gattung, die vor allem im 18. und 19. Jahrhundert, der Zeit der grossen Abguss-Sammlungen, florierte. Im Barock stand jedoch immer noch der Besitz von wirklichen Antiken im Vordergrund. Waren diese aber aufgrund des vorhandenen Angebots nicht zu haben, so liess man Marmorkopien herstellen, die mitunter eine derartige Perfektion erreichten, dass es teilweise heute noch schwierig ist, Antikes von Nachantikem zu unterscheiden. Laurent Gorgerat
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Kopf des Didius Julianus? (römischer Kaiser 193 n. Chr.)
XV.59
Venezianische Arbeit der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts Marmor H. 37 cm Rom, Fondazione Dino ed Ernesta Santarelli, Inv. 172 Ein forschungsgeschichtlich hoch interessantes Stück liegt mit diesem Kopf vor. So sind von diesem Porträttypus insgesamt sieben Repliken überliefert, wobei aber die meisten modern sind: Drei antiken stehen vier nachantike, zu welchen auch der hier vorliegende Kopf gezählt wird, gegenüber. Der Typus muss mit einem der römischen Kaiser und Usurpatoren des Jahres 193 n. Chr., dem sogenannten zweiten Vierkaiserjahr, in Verbindung gebracht werden (vgl. auch Nr. II.7). Unter den Wissenschaftlern schwankt die Identifikation zwischen den Kaisern Didius Julianus (127–193 n. Chr.), Septimius Seve-
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rus (146–211 n. Chr.) und dem Gegenkaiser Clodius Albinus (148–197 n. Chr.). Die Zuschreibung frühseverischer Porträts ist insofern problematisch, als dass sie hauptsächlich auf Münzbildern beruht. Alle drei erwähnten Regenten haben zwischen 192 und 194 n. Chr. Münzen geprägt, die einander sehr ähnlich sind, zumal sich in den politischen Wirren des Jahres 193 n. Chr. die Anwärter auf den Kaiserthron gegenseitig kopiert hatten. Somit weisen alle dieselben physiognomischen Merkmale auf, wie den mittellangen Bart oder die Lockenreihe auf der Stirn. Einzig die späteren Büsten des Septimius Severus lassen sich aufgrund von Inschriften eindeutiger identifizieren. LG
Lit.: E. Ghisellini, in: De Marchi (2012) 63. 133 Nr. I.28
Kopf des Sokrates
XV.60
17. Jahrhundert n. Chr. Schwarzer Marmor H. 41.5 cm Bergamo, Accademia Carrara, Inv. 98SCZR013 (Nachlass Federico Zeri) Der italienische Barock, der das 17. Jahrhundert umfasst und als Seicento bezeichnet wird, ist durch die Entstehung einiger der bedeutendsten Antikensammlungen Italiens geprägt. Adelige Familien aus dem päpstlichen Umfeld wie die Albani, die Borghese oder die Barberini setzen die Tradition der Begeisterung für antike Kunstwerke, die bereits ein Jahrhundert zuvor einsetzte, fort. Im Rahmen derer Sammeltätigkeit wurden auch namhafte Bildhauer mit Restaurierungs- und Ergänzungsarbeiten an antiken Skulpturen beauftragt. Ferner wurden antike Statuentypen, die man in einer Sammlung haben wollte, die aber
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auf dem Kunstmarkt nicht zu finden waren, neu geschaffen. In diese Zeit und in diesen Kontext gehört wohl auch der aus schwarzem Marmor gefertigte Kopf aus der Sammlung Zeri. Der in diesem Fall gewählte ikonographische Typus orientiert sich an die Bilder antiker Dichter und Philosophen: ein langer, wallender Bart, schütteres Haar und eine zerfurchte Stirn sind die typischen Merkmale des Denkers. In diesem konkreten Falle lässt die Stupsnase sogar die engere Identifikation als Sokrates zu: Der für das Abendland derart prägende Philosoph der griechischen Klassik wurde bereits in der Antike mit dieser kleinen, an einen Silen erinnernden Nasenform dargestellt. LG Lit.: Bacchi, Rossi (2000) 44f.; S. Petrocchi, in: De Marchi (2012) 67. 134 Nr. I.32
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