1. EINFÜHRUNG 1.1. Zu einer multilingualen Perspektive……... .………………………..……………………….…p.5 1.2. Die Kompetenz: unterschiedliche Ansätze………………………………………………...…...p.6 1.3. Definitionen von Bilingualismus…………………………………………………………….…p.8 1.3.1. Erwerbsalter der Sprachen……………………………………………………………………….... p.8 1.3.2. Die kognitive Organisation………………………………………………………………………....p.9 1.3.3. Die Aktivierung…………………………………………………………………………………… p.9 1.3.4. Der Einfluss des sozio-kulturellen Prestige der Sprachen……………………………………..… p.10
1.4. Der Prozess des multilingualen Spracherwerbs………………………………………….....…p.11 1.4.1. Multilingualer Spracherwerb: Lexikon, Morphosyntax und Phonologie………………..………. p.12 1.4.2. Balancierter/unbalancierter Bilingualismus……………………………………………….…….. p.13 1.4.3. Trennung oder Integration?............................................................................................................ p.14 1.4.4. Code-mixing in dem multilingualen Spracherwerb………………………………………………..p.15
1.5. Die Kontexte des multilingualen Erwerbs………………………………………………........ p.16
2. TEIL I: KOGNITIVE UND LINGUISTICHE VORTEILE DES KINDLICHEN BILINGUALISMUS 2.1. Vorurteilen und Fehlinformation über den Bilingualismus…………………………………. p.19 2.2. Erste fMRT-Studien über die neuronale Organisation der Sprache…….………………….…p.20 2.3. Der bilinguale Vorteil in der exekutiven Kontrolle…………………………………………...p.22 2.3.1. Der Bilingualismus und das Altern……………………………………………………………… p.27
2.4. Metasprachliche Vorteile…………………………………………………………………….. p.28 2.5. Kognitive Dezentrierung………………………………………………………………………p.29 2.6. Der bilinguale Vorteil in vorausschauenden Fähigkeiten………………………………..……p.30
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3. TEIL II: ANWENDUNGSHYPOTHESEN DES KINDLICHEN BILINGUALISMUS 3.1. Die Voraussetzungen eines frühen Spracherwerbs: der Input.………….………..…………...p.33 3.2. Welcher Ansatz? Zwei Beispiele…………………………..….………………………….…...p.34 3.2.1. Das narrative Format und das Projekt Hocus und Lotus ...…..……………………..……...……...p.35 3.2.2. Der bildungskommunikative Ansatz und das Projekt LESI ……………………….……………...p.38 3.2.3. Die zwei Ansätzen im Vergleich…………………………………………………………..………p.39
Vorwort In dieser Bachelorarbeit geht es um das Thema des Bilingualismus. Im Nachstehenden werde ich genau klären, mit welchen Bereichen dieses so breiten Phänomens ich mich beschäftigen werde. Aber erstens möchte ich die Motivation erklären, warum ich mich für dieses Thema entschieden habe. Diese Thematik interessiert mich sehr, weil sie mich auch persönlich betrifft. Ich genoss nämlich eine zweisprachige Erziehung seit der Geburt an, weil meine Eltern aus zwei unterschiedlichen Länder kommen. Mein Vater ist Italiener und meine Mutter Slowakin, und beide haben mit mir immer auf ihre erste Sprache (L1) zu Hause geredet (nach dem sogenannten „une personne-une langue“ Prinzip). Ich glaube, dass der Kontakt zwischen diesen zwei Sprachen und Kulturen teilweise auch mein Interesse für diese Themen beeinflusst hat. Ich möchte nun zu den spezifischen Themen dieser Arbeit kommen. Ich habe mich beschlossen, zwei wichtige Aspekte des Bilingualismus zu behandeln. Einerseits, die kognitiven und linguistischen Vorteilen, zu denen dieses Phänomen führen kann, anderseits einige Sprachförderungsprojekte im vorschulischen Bereich. Das sind natürlich sehr weite und besprochene Themen und ich bin davon bewusst, dass sie in dieser Arbeit nur teilweise und zusammenfassend behandelt werden. Bei meinen kleinen Recherchen und Lesungen habe ich mich besonders für die kognitiven Wirkungen des Bilingualismus auf das menschliche Gehirn begeistert. Ich finde diese Thematik so faszinierend, wie auch die Tatsache, dass sie so viele andere Disziplinen (z.B. kognitiven Neurowissenschaften, Psychologie, usw.) hineinzieht. Auch das Thema der praktischen Anwendungshypothesen des kindlichen Bilingualismus interessiert mich sehr und ich würde gern, mehr daüber zu entdecken. Vielleicht könnte ich es als eine Möglichkeit für meine künftige Diplomarbeit betrachten. Diese Arbeit wurde in drei Kapiteln geteilt. Der erste Kapitel besteht aus einer Einführung, wo wichtige Grundkonzepte mithilfe der Literatur zur Zweisprachigkeit besprochen werden. Außer klassischen Definitionen von Bilingualismus und Typen von Bilingualismus, wird auch eine ziemlich neue Tendenz der Forschung besprochen, eine „multilinguale“ Perspektive einzunehmen. Der zweite Kapitel wird sich mit dem Thema der kognitiven und linguistischen Vorteilen des Bilingualismus beschäftigen, was auch der Fokus dieser Arbeit ist. Die Studien über den Zusammenhang „Sprache und Kognition“ sind sehr neu und stellen ein sehr aktuelles und fruchtbares Forschungsgebiet der Mehrsprachigkeit dar.
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Nach der Behandlung der zahlreichen Vorteilen des Bilingualismus, wird sich man fragen, wie und warum den Erwerb einer anderen Sprache bei kleinen Kinder gefördert werden sollte. Im dritten Kapitel werden einige der möglichen Anwendungshypothesen des kindlichen Bilingualismus besprochen. Insbesondere werden wir uns auf zwei besondere Vorschulprojekte konzentrieren: auf das Modell des Erzählungsformats, an der Basis der Abenteuer von Hocus und Lotus, und auf das Projekt LESI (Lingue Europee nella Scuola d‟Infanzia), das auf dem bildungskommunikativen Ansatz basiert.
Trento, 29.09.2014
Laura Santoni
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1. TEIL I: EINE EINFÜHRUNG Um die unterschiedlichen Vorteilen und die Anwendungshypothesen des Bilingualismus zu analysieren, braucht man erstens einige Grunddefinitionen zu klären. Es ist notwendig, eine Vorbemerkung zu machen. Wie Bettoni dazu sagt, muss man zunächst die Einschränkungen berücksichtigen, mit denen man über die Zwei- oder Mehrsprachigkeit spricht, da es um sehr weite, komplexe und dynamische Phänomene geht (Bettoni, 2006:41). Gerade wegen dieser Komplexität ist es schwierig, den Bi- oder Multilingualismus eindeutig zu definieren. Man braucht den Kontext und die Zwecken zu berücksichtigen, in denen man von diesen Phänomenen sprechen will.
1.1. Zu einer multilingualen Perspektive. Ein wichtiges Problem betrifft die Definitionen von den Termini “Bilingualismus” und “Multilingualismus”. Beziehen sie sich auf die gleichen Phänomenen oder gibt es qualitative Unterschiede zwischen ihnen? Eine wissenschaftliche Perspektive ziemlich weit verbreitet in der Vergangenheit, das aber immer noch auftritt, sieht die Mehrsprachigkeit als eine einfache Erweiterung der Zweisprachigkeit, wie Aronin und Singleton betonen (Aronin&Singleton, 2012:4). Weinreich, zum Beispiel, schreibt: …the practice of alternatively using two languages will be called here BILINGUALISM, and the persons involved BILINGUAL. Unless otherwise specified, all remarks about bilingualism apply as well to multilingualism, the practice of using alternatively three or more languages. (Weinreich, 1953:5, in Aronin&Singleton, 2012:4)
Ein ähnlicher Ansatz wird von den Autoren in Haugen (1956) , Mackey (1957), Beardsmore (1986) und anderen gefunden. Neuere Forschungen zeigen allerdings, dass es gute Gründen dafür gibt, dem Multilingualismus
„eingene
Eigenschaften
zu
erkennen“
(Hoffmann,
2001,
in
Aronin&Singleton, 2012:5). Erstens, wegen einem quantitativen Unterschied. Multilinguale Leute besitzen nämlich mehrere linguistische Repertoires und können deswegen an mehreren linguistischen Situationen erfolgreich teilnehmen. Andere Unterschiede sind qualitativer Art und betreffen, zum Beispiel, die linguistischen Strategien, die in der cross-linguistischen Interaktion benutzt werden. Aus diesen Gründen gibt es eine steigende Tendenz, vorsichtiger über die Konzepten
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„Bilingualismus“ und „Multilingualismus“ zu reden. Während einmal die Zweisprachigkeit als Ausgangspunkt für Diskussionen zu diesem Thema betrachtet wurde, und die Mehrsprachigkeit als seine bloße "Ausdehnung" zu sehen war, wird nun die Zweisprachigkeit nur als "eine mögliche Form der Mehrsprachigkeit" in dem multilingualen Kontinuum betrachtet (Herdina&Jessner, 2000 in Aronin&Singleton):
monolingual acquisition (acquisition of a foreign L based on the command of one language)
balanced bilingualism
command of three or more languages
(Fig. 1) The multilingual continuum.
Für unsere Zwecke werden die Termini „Bilingualismus“ und „Multilingualismus“ in dieser Arbeit oft als Synonyme verwendet, auch wenn die allgemeine Tendenz der Forschung ist, die zwei Phänomenen zu unterscheiden. Aronin und Singleton zitieren Franceschinis aktuelle Definition der Mehrsprachigkeit, die sehr gut die komplexe und umfassende Natur des Phänomens verdeutlicht: The term/concept of multilingualism is to be understood as the capacity of societies, institutions, groups and individuals to engage on a regular basis in space and time with more than one language in everyday life. Multilingualism is a product of the fundamental human ability to communicate in a number of languages. Operational distinctions may be then be drawn between social, institutional, discursive and individual multilingualism. (Franceschini, 2009:33-34, in Aronin&Singleton, 2012: 6-7)
Im Folgenden, wenn wir von den kognitiven Vorteilen des Bi-/Multilingualismus sprechen werden, werden wir es nicht aus einer sozialen, institutionellen, usw. Perspektive betrachten, sondern aus einer individuellen Perspektive. In dem dritten Teil dagegen, wenn das Problem der Anwendung des Bilingualismus angesprochen wird, kommen ins Spiel auch die sozialen und institutionellen Komponenten.
1.2. Die Kompetenz: unterschiedliche Ansätze. Nach Aronin und Singleton ist es wichtig, wenn man von dem individuellen Multilingualismus spricht, die Variabel der Kompetenz der Sprachen zu beachten (Aronin &
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Singleton, 2012: 1). In dieser Hinsicht können unterschiedliche Ansätze erkannt werden. Einerseits, gibt es eine sehr „enge“ Anschauung des Bi-/Multilingualismus, dass das Label der Bi-/Multilingualer nur für die Sprecher einschränkt, deren Kompetenz native-like ist. Diese ziemlich beschränkende Anschauung ist typisch für die ältere Forschung, aber sie bleibt noch immer in der gemeinsamen Überzeugung. Aronin und Singleton zitieren als Beispiele einige Definitionen aus der Vergangenheit. Im 1933 definierte Bloomfield den Bilingualismus als „native-like Kontrolle von zwei o mehreren Sprachen“ (Bloomfield, 1933:56 in Aronin&Singleton, 2012:1). Im 1937 behauptete Brown, dass der Bilingualismus die “aktive und perfekt gleiche Kompetenz in zwei oder mehreren Sprachen voraussetzte“ (Brown, 1937:115 in Aronin&Singleton, 2012:1). So identifizierte er den Bilingualismus mit einer Form von „Equilinguismus“ (die perfekt gleiche Kenntnis von zwei oder mehreren Sprachen), ein Zustand, eher schwer und seltsam zu erreichen. Ab der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, haben sich „breitere“ Definitionen der Zweisprachigkeit und der Mehrsprachigkeit durchgesetzt. Wie von Bettoni angegeben wird (Bettoni, 2006:43), von Weinreich ab ist die “breitere” Definition in der Fachliteratur fest erfasst. Man sei also zweisprachig, wenn man abwechselnd mehrere Sprachen benutze, unabhängig von dem Kompetenzgrad, von der Häufigkeit und von der strukturellen Verschiedenheit der Sprachen im Spiel (Weinreich, [1954] 1974, in Bettoni, 2006). Bezüglich der Kompetenz, nimmt Auch Grosjean (2010) eine „breite“ Stellung an und behauptet, wie folgt: […] bilinguals know their languages to the level that they need them. Some bilinguals are dominant in one language, others do not know how to read and write one of their languages, others have only passive knowledge of a language and, finally, a very small minority, have equal and perfect fluency in their languages. What is important to keep in mind is that bilinguals are very diverse, as are monolinguals. (Grosjean, 2010. “Myths about bilingualism”, http://www.francoisgrosjean.ch/myths_en.html)
Wie Bonifacci, Cappello und Bellocchi (2012) bestätigen, ist es interessant zu bemerken, dass schon vor ein Paar Jahrzehnten schätzte Grosjean (1982), dass ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung bilingual war. Aronin und Singleton zitieren auch Edwards, der eine noch breitere und generelle Idee von Bilingualismus vorschlägt. So drückt er sich aus: If, as an English speaker, you can say c‟est la vie or gracias or guten Tag or tovarisch – or even you understand them – you can clearly have some command of a foreign tongue. (Edwards, 1994:56 in Aronin&Singleton, 2012:1)
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Diese Ansicht ist interessant wie fragwürdig, vor allem in einem Kontext, in dem man die Vorteile der Mehrsprachigkeit untersuchen will.
1.3. Definitionen von Bilingualismus.
1.3.1. Erwerbsalter der Sprachen. Es ist zunächst notwendig, Aufmerksamkeit auf die Umständen des Erwerbs der Sprachen zu schenken. Was dem Erwerbsalter betrifft, kann man zwischen simultanem, konsekutivem und späterem Bilingualismus unterscheiden. Die Tatsache, ob man zwei oder mehreren Sprachen simultan oder konsekutiv erwirbt, kann die Beziehung zwischen kognitiven Funktionen, den Spracherwerb und die kommunikativen und
sozialen
Fähigkeiten
in
diesen
Sprachen
beeinflussen.
Aus
einer
Entwicklungsperspektive spricht man vom simultanen Erwerb, wenn das Kind von der Geburt den Sprachen ausgesetzt wird, und vom konsekutiven Erwerb, wenn man die zweite/anderen Sprache/n nach dem Erwerb der ersten Sprache erwirbt (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:8). Wie es schon implizit in der Definition ist, kann man sagen, dass im ersten Fall das Kind zwei ersten Sprachen (L1) hat. Diesen Sprachen kenn es auf verschiedenen Weisen ausgesetzt werden (z.B. Eltern mit zwei unterschiedlichen Sprachen, eine Baby-Sitter, die eine andere Sprache spricht als die Eltern, usw.). Im Fall vom konsekutiven Bilingualismus, dagegen, erwirbt das Kind die zweite/anderen Sprache/n (L2), nachdem es schon gute Kompetenzen in der ersten Sprache (L1) erworben hat. Aronin und Singleton zitieren Baker und schreiben, dass es keine genaue Grenze gibt, die den simultanen von dem konsekutiven Bilingualismus unterscheidet (Baker, 2006:97 in Aronin&Singleton, 2012:102). Viele Autoren betrachten trotzdem als Altergrenze die drei Jahren, weil normalerweise die L1 mit diesem Alter schon gut entwickelt ist. Schließlich spricht man vom späteren Erwerb, wenn das Erwerb der L2 nach der Pubertät passiert (Johnson&Newport, 1989 in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:9). Die Altergrenzen, auf die man hier gezeigt hat, sind natürlich hinweisend und können von mehreren Faktoren beeinflusst werden.
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1.3.2. Die kognitive Organisation. Im Hinblick auf die Beziehung zwischen semantischem und konzeptuellem System ist es möglich, drei Arten von Zweisprachigkeit zu unterscheiden, die auf verschiedenen "kognitiven Organisationen" verweisen: koordinierte, kombinierte und subordinierte Zweisprachigkeit. Aronin, Singleton (2012:22) und Bettoni (2006:49) zitieren in diesem Fall Weinreichs Dreiteilung ([1953] 1974). Er unterscheidet zwischen subordinatem Bilingualismus (bei dem der Zugriff auf das System der zweiten Sprache durch denen der ersten Sprache vermittelt wird), kombiniertem Bilingualismus (in dem zwei unterschiedliche Systeme sprachlicher Zeichen mit einem einzigen System von Bedeutungen verbunden werden) und koordiniertem Bilingualismus (wo die Sprecher zwei separaten sprachlichen und semantischen Systeme haben). Diese
verschiedenen
Arten
der
Zweisprachigkeit
wurden
mit
unterschiedlichen
Erwerbserfahrungen von Weinreich verbunden, aber die neue Psycholinguistik hat begonnen, sie auch als verschieden Spracherwerbsstufen zu betrachten (Singleton 1999 in Aronin & Singleton, 2012: 22). Wie von Bettoni angegeben wird, ist es sehr schwierig, dass ein Bilingualer immer und nur eine koordiniere oder kombinierte kognitive Organisation in allen Aspekten der Sprache hat (Bettoni, 2006: 49-50). Dies hängt auch von anderen Faktoren ab: dem Alter und Kontext des Lernens, der Kompetenz in den zwei Sprachen und von dem Aktivierungsstatus. Es ist zum Beispiel wahrscheinlicher, dass die Koordination zwischen denen herrschen wird, die die Sprache als Kinder in einer zweisprachigen Umgebung gelernt haben und die beide Sprachen gut kennen und häufig benutzen, als zwischen denen, die die L2 später, in einer einsprachigen L1-Ungebung gelernt haben, und sie wenig wissen und benutzen. Auch Grosjean (Grosjean, 2002) ist davon überzeugt, dass die sprachliche Kenntnis des bilingualen Sprecher zu komplex ist, um nur in einer der drei Kategorien geteilt zu werden. Jeder Bilingualer wäre, seiner Meinung nach, die Summe aller drei Kategorien.
1.3.3. Die Aktivierung. Wie oft und wie lange nutzen mehrsprachige Menschen ihre Sprachen? Wir versuchen nun Zweisprachigkeit zu definieren, basierend auf den Zustand der Aktivierung der beiden Sprachen. Man wird die kognitiven Mechanismen untersuchen, die die Sprachen zu einem
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gegebenen Zeitpunkt verarbeiten. In dieser Hinsicht ist es wichtig, das Konzept des Sprachmodus (language mode) zu berücksichtigen, das von Grosjean (2002) entwickelt wurde: Language mode is the state of activation of the bilingual's languages and language processing mechanisms at a given point in time. Bilinguals find themselves at various points on a situational continuum which will result in a particular language mode. At one end of the continuum, bilinguals are in a totally monolingual language mode in that they are interacting with monolinguals of one - or the other - of the languages they know. One language is active and the other is deactivated. At the other end of the continuum, bilinguals find themselves in a bilingual language mode in that they are communicating with bilinguals who share their two (or more) languages and with whom they can mix languages (i.e. code-switch and borrow). In this case, both languages are active but the one that is used as the main language of communication (the base language) is more active than the other. These are end points but bilinguals also find themselves at intermediary points depending on such factors as interlocutor, situation, content of discourse and function of the interaction. (Grosjean, 2002. “Interview on bilingualism” http://www.francoisgrosjean.ch/interview_en.html )
Grosjean sagt auch, dass das Konzept des Sprachmodus sehr wichtig ist, um Konzepte wie Sprachverarbeitung, Interferenz, Code-switching, Language-mixing, usw. besser zu verstehen (Grosjean, 2002).
1.3.4. Der Einfluss des sozio-kulturellen Prestige der Sprachen. Eine weitere Unterscheidung betrifft den Einfluss von dem sozio-kulturellen Prestige der Sprachen auf die Sprachentwicklung des Kindes. Wie Lambert (1977) feststellt, wenn die Gemeinschaft in der man aufwächst den beiden Sprachen ein positives Wert gibt, dann wird das Kind von dem Bilingualismus sehr profitieren und eine größere kognitive Flexibilität entwickeln (additiver Bilingualismus). Wenn aber die zwei Sprachen im Wettkampf stehen, wird die Reaktion natürlich nicht so positiv sein und der Sprecher benachteiligt (subtraktiver Bilingualismus). Die stärkere Sprache wird nämlich dominant und die Schwächere nur in wenigen Situationen benutzt oder, im schlimmsten Fall, verloren (Lambert, 1977 in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:9). Klassische Beispiele für additive Zweisprachigkeit sind die Fälle der internationalen Mobilität von Studenten, die ins Ausland gehen, um eine andere Sprache zu lernen und ihr sprachliches Repertoire zu bereichern. Fälle von subtraktiver Bilingualismus sind
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beispielsweise solche, in denen Kinder von Migrantenfamilien die L2 in der Schule lernen aber dann, aus Mangel an L1-Bildung, Armut an Input zu Hause oder, schlechter, aus Scham, ihre L1 progressiv verlieren. Ein anderer Fall des subtraktiven Bilingualismus könnte die Fälle betreffen, in denen die L1 eine Minderheitssprache (bzw. eine „Kleinsprache“) ist. Apropos Mythen über die Zweisprachigkeit stellt Sorace fest, dass es leider eine sehr verbreitete Idee gibt. Und zwar, dass der Bilingualismus nur dann nützlich ist, wenn beide die Sprachen weit verbreitet sind (Sorace, 2012:2). Nach dieser Perspektive lohnt es sich nicht, dass das Kind eine Minderheitssprache erwirbt, die von einem kleinen Anzahl von Sprechern gesprochen wird. Diese Denkweisen sind oft einige der Gründen, die zum heutigen Niedergang der Kleinsprachen führen. Wie wir weiter unten sehen werden, gelten die kognitive Vorteile der Zweisprachigkeit für alle Sprachen (weil sie von einem ursprünglichen Konflikt zwischen zwei oder mehreren Sprachen im menschlichen Gehirn verursacht werden). Es gibt also keine nutzlose Sprachen und auch der Erwerb von Minderheitssprachen kann wichtige kognitive Vorteile bringen.
1.4. Der Prozess des multilingualen Erwerbs. Es ist klar, dass der gleichzeitige Erwerb von zwei oder mehreren Sprachen nicht das Gleiche wie der Erwerb einer einzigen Sprache ist. Hier ist, wie sich Grosjean (1996) in dieser Hinsicht ausdruckt: […] Bilinguals are now starting to be viewed not so much as the sum of two (or more) complete or incomplete monolinguals but rather as specific and fully competent speakerhearers who have developed a communicative competence that is equal, but different in nature, to that of monolinguals. (Grosjean, 1996:21)
Im Folgenden werden kurz einige Aspekte des simultanen Erwerbs von zwei oder mehreren Sprachen analysiert. Genesee (Genesee&Nicoladis, 2006:1) definiert dieses Phänomen als Bilingual First Language Acquisition (BFLA). Wie Aronin und Singleton unterstreichen, gibt es einige Fragen die sich man stellen sollte, wenn man von multilingualem Spracherwerb spricht. Die Erste bezieht sich auf die Schnelligkeit des Erwerbs: gibt es Unterschiede zwischen monolingualen und multilingualen Sprecher? Wenn es so ist, ist der multilinguale Erwerb langsamer als der Monolinguale? Zweitens, entwickeln sich die Sprachen auf ausgewogene Weise? Das sind nur Beispiele für
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Fragen, die zu diesem Kontext auftreten können.
1.4.1. Multilingualer Spracherwerb: Lexik, Morphosyntax und Phonologie. Nach der gemeinsamen Meinung ist der bilinguale Spracherwerb unbedingt langsamer als der monolinguale Erwerb (Aronin&Singleton, 2012:103). Das multilinguale Kind sollte nämlich mehrere Schwierigkeiten haben, weil es gleichzeitig mehrere Sprachen erwerben muss. Laut Kecskes und Papp ist der mehrsprachige Erwerb besonders schwer und langsam, wenn die Sprachen und die respektiven Kulturen sehr weit entfernt sind (Kecskes & Papp, 2000: 104 in Aronin & Singleton, 2012: 103). In Bezug auf das Lexikon, bestätigen einige Studien die Hypothese eines etwas langsameren Erwerbs in simultanen Bilingualern (vgl. Bialystok, 1988; Doyle, Campagne e Segalowitz, 1978; in Aronin&Singleton, 2012:104). Andere argumentieren dagegen, dass der lexikalische Erwerb in bilingualen Sprechern den lexikalischen Erwerb in monolingualen Sprechern entspricht: Studies that have examined age of first word production report that bilingual children produce their first words at about the same age as monolingual children – 12 to 13 months. (Genesee, 2003; Patterson&Pearson, 2004; in Genesee&Nicoladis, 2006:6)
Auch was die Morphosyntax betrifft, kann man sagen, dass es eine gewisse Korrelation im Zeitalter des Erwerbs in bilingualen und monolingualen Kindern gibt. Allerdings, wie Genesee unter Berufung anderen Studien betont (z.B. Döpke, 2000, Hulk & van der Linden, 1996; Nicoladis, 2002; Paradis & Navarro, 2003; in Genesee&Nicoladis, 2006:5), sieht man in dem multilingualen Spracherwerb Fälle von cross-linguistic Trasfer in bestimmten morphosyntaktischen Merkmalen aus einer Sprache in die Andere. Ein wesentlicher Faktor könnte in diesel Fall die "Sprachdominanz" sein. Relevante Studien (z.B. Döpke, 1998; Yip & Matthews, 2000; Petersen, 1988; in Genesee&Nicoladis, 2006:6) bestätigen, dass Kinder normalerweise Strukturen aus ihrer dominanten Sprache in die „schwächeren“ Sprache eingliedern, und nicht umgekehrt. Das Konzept der “Sprachdominanz” wird besser in dem Abschnitt 1.4.2. erklärt, wo es um balancierter/unbalancierter Bilingualismus geht. Im Bereich der Phonologie, sind die Meinungen widersprüchlich. Einige Studien zeigen
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beispielsweise, dass die Fähigkeit, zwischen den verschiedenen Sprachen zu unterscheiden sich nicht später in pre-verbalen zweisprachigen Kinder entwickelt, wenn sie mit einsprachigen
Altersgenossen
verglichen
werden
(vgl.
Bosch&Gallés,
1997
in
Aronin&Singleton, 2012:104). Es gibt ebenso keine Verspätungen bei der Entwicklung der Fähigkeit zur Segmentierung einzelner Wörter aus dem Sprachstrom (Polka & Sundara 2003 Aronin & Singleton, 2012: 104). Auf der anderen Seite haben einige Untersuchungen eine leichte Verzögerung in der Wahrnehmung von Lautkontrasten festgestellt: […] On the other hand, the well-attested phenomenon of infant‟s perceiving contrasts between only those sounds that are phonemic in the ambient language from a particular point onwards seems to occur slightly later in children in bilingual environments. (Bosch&Gallés, 2003; Werker, 2003; in Aronin&Singleton, 2012: 104)
Was lässt sich aus dieser kurzen Beschreibung schließen? Im Prinzip scheint es eine gewisse Harmonie zwischen mehrsprachigem und einsprachigem Erwerb zu sein, in Bezug auf die Spracherwerbsstufen. Allerdings bleibt die Frage nach der leichten "Verzögerung" des mehrsprachigen Erwerbs offen und von Kontroversen umgeben. Was bisher über den Erwerb vom Lexikon, Morphosyntax und Phonologie gesagt wurde, ist nur ein "allgemeiner Rahmen", sehr zusammenfassend, und sollte im Detail in einem anderen Debatte angesprochen werden, dass sich mit dem Thema des multilingualen Spracherwerbs beschäftigt.
1.4.2. Balancierter/unbalancierter Bilingualismus. Schwerlich sind die Sprachen des multilingualen Sprechers perfekt gleichwertig. In der Regel wird eine dominante Sprache über die anderen/andere überwiegen, basierend auf verschiedenen Faktoren (z.B. Zeit in der sie durchgeführt wurde, empfangener Input, Motivationen, usw.). Die Forschung stimmt zu, dass ein balancierter Bilingualismus, in dem die Kompetenz der zwei/mehreren Sprachen perfekt egal ist, ein seltsames Phänomen ist, wie Aronin und Singleton feststellen (Aronin&Singleton, 2012:105). Die Autoren weisen auch darauf hin, dass je nach den Umständen eine Sprache in einem bestimmten Zeitraum dominant sein kann und dass die schwächere Sprache diese Rolle später übernehmen könnte. Ich möchte aus meiner eigenen Erfahrung als simultane Italienisch-Slowakisch bilinguale Sprecherin ein Beispiel machen. Vor dem Beginn der Grundschulen war Slowakisch die
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dominante Sprache für mich, da ich die meiste Zeit zu Hause mit meiner Mutter (L1: Slowakisch) oder bei meinen Großeltern, in der Slowakei (in einer Umgebung, wo ich ausschließlich L1-Slowakisch-Input hörte) verbrachte. Der Beginn der Grundschulen in Italien und damit der Ausbildung im Italienischen, sowie Freundschaften mit italienischen Klassenkameraden, hat zu einer klaren Dominanz des Italienischen auf dem Slowakischen in der Zeit geführt. Ich würde sagen, dass auch jetzt die dominante Sprache Italienisch ist, obwohl das Slowakische immer eine sehr wichtige Bedeutung für mich hat, und nicht nur, wenn ich es in L1-Slowakisch-Kommunikationssituationen brauche, aber auch aus einer symbolischen-affektiven Perspektive.
1.4.3. Trennung oder Integration? Die Forschungen über den mehrsprachigen Erwerb und die Ergebnisse in lexikalischen, morphosyntaktischen und phonologischen Bereichen zeigen, dass die unterschiedlichen Sprachen getrennt erworben werden. Allerdings gibt es Kontroversen, was die ersten Erwerbsphasen betrifft. Genesee (Genesee&Nicoladis, 2006:3) zitiert eine sehr einflussreiche Perspektive des mehrsprachigen Erwerbs, die sogenannte Hypothese des einheitlichen Sprachsystems (unitary language system hypothesis) von Volterra und Taeschner (1978). Nach dieser Theorie, gibt es eine erste Phase, in der zwei- oder mehrsprachige Kinder ihre Sprachen nicht trennen: In the first stage the child has one lexical system which includes words from both languages […], in this stage the language development of the bilingual child seems to be like the language development of the monolingual child. […] In the second stage, the child distinguishes two different lexicons, but applies the same syntactic rules to both languages. In the third stage the child speaks two languages differentiated both in lexicon and syntax […].” (Volterra&Taeschner, 1978:312, in Genesee&Nicoladis, 2006: 3)
Mehrsprachige Kinder würden also am Anfang einen einzelnen Sprachsystem haben und später, mit ungefähr drei Jahren, beginnen, die Sprachen zu unterscheiden (Petitto et al., 2001:455 in Aronin&Singleton, 2012:107). Nach dieser Hypothese hätte das Kind am Anfang keine Übersetzungs-Äquivalenten (translation-equivalents: Wörter in jeder Sprache, die auf die gleiche referentielle Bedeutung hinweisen). So hätte das Kind einen einzigen lexikalischen System, in dem ein einziges Wort
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in einer der zwei/mehreren Sprachen mit einem Konzept verbunden ist. Um diese Ansicht zu bestätigen, werden Phänomene der Sprachmischung (code-mixing) fast ausschließlich als eine
Strategie
zur
Lückenfüllung
gesehen
(vgl.
Nicoladis&Secco,
2000
in
Aronin&Singleton, 2012:107). Wenn das Kind also ein Wort in einer der Sprachen nicht weiß, könnte es sich der anderen bedienen, und umgekehrt. Dies ist definitiv eine sehr natürliche Strategie, sowohl bei Kindern wie bei Erwachsenen, und stellt von selbst keine gültige Bestätigung der Hypothese der Integrität dar. Wie aber zahlreiche Studien zeigen (z.B.
Quay,
1995;
Genesee,
Nicoladis&Paradis,
1995;
Nicoladis,
1998;
in
Aronin&Singleton, 2012:107-108), hat das Kind Übersetzungs-Äquivalenten schon aus dem Moment, in dem es zu sprechen beginnt. Dies bestätigt das Vorhandensein von zwei getrennten lexikalischen Systemen vom Anfang an. Außerdem, wie Lanza argumentiert, schein es so zu sein, dass während dem Code-mixing das Kind sich der sprachlichen Kompetenzen des Gesprächspartners bewusst ist und sich an diesen anpasst (Lanza 1997, in Aronin&Singleton, 2012:108). Das Phänomen des Code-mixing wird ausführlicher im nächsten Abschnitt beschrieben.
1.4.4. Code-mixing in dem multilingualen Spracherwerb. Das Konzept des Code-Mixing ist immer vorhanden, wenn es um Mehrsprachigkeit geht. Es bezeichnet einen Phänomen, der typisch für multilinguale Sprecher ist, sowohl Kinder als auch Erwachsene. Hier ist eine Definition von Genesee und Nicoladis: It [code-mixing] is the use of elements (phonological, lexical, morphosyntactic) from two languages in the same utterance or stretch of conversation. It can occur within an utterance (intra-utterance mixing – e.g. “see cheval”[horse]) or between utterances (inter-utterance mixing). (Genesee&Nicoladis, 2006:12)
Wie die Autoren betonen, hängt die Häufigkeit des Phänomens in zweisprachigen Kindern von mehreren Faktoren ab. Von der Form des Mixing, zum Beispiel (intra-Äußerung/interÄußerung), oder von der Art der Elemente, die gemischt werden (z.B. Funktionswörter/ Inhaltswörter), von der Sprache des Gesprächs (die dominante/schwächere Sprache) und vom Kontext (mit zweisprachigen/einsprachigen Gesprächspartnern).
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Das Phänomen des Code-Mixing ist auch bei bilingualen Erwachsenen verbreitet (MyersScotton, 1993; Poplack, 1980; in Genesee&Nicoladis, 2006:12), die es für unterschiedlichen metakommunikativen Zwecken verwenden (z.B. um Zugehörigkeit oder ethnische Identität zu zeigen, Rollen und sozialen Status zu verhandeln, Nähe/Distanz zu etablieren, usw.). Im Gegensatz wurde das kindliche Code-mixing oft als Zeichen für sprachliche Inkompetenz interpretiert (vgl. Volterra&Taeschner, 1978 in Genesee&Nicoladis, 2006:12). Die jüngere Forschung (vgl. Genesse&Nicoladis, 2006) neigt dazu, diese Ansicht in Frage zu stellen, und zeigt, dass auch das kindliche Code-Mixing von grammatischen Eigenschaften kontrolliert wird und mit bestimmten Funktionen und Zwecken verbunden ist. Hinsichtlich der Funktionen des Code-Mixing, spielt es erstens eine wichtige Rolle in der Lückenfüllung (gap-filling), da die Sprachkompetenz des Kinds noch nicht vollständig ist. Zweitens, ist es von kontextuellen Variabeln abhängig, die zum Beispiel mit dem Gesprächspartner (Deuchar&Quay, 2000; Genesee, Nicoladis&Paradis, 1995; Meisel, 1990; et al. in Genesee&Nicoladis, 2006:15), mit dem Thema des Gesprächs (Lanvers, 2001 in Genesee&Nicoladis, 2006:15), oder mit dem Zweck der Interaktion (Vihman, 1998 in Genesee&Nicoladis, 2006:15) zu tun haben. Eine interessante Theorie über das kindliche Code-Mixing ist die sogenannte Modeling Hypothesis (vgl. Comeau, Genesee & Lapaquette, 2003:113), nach der die Frequenz mit der Kinder code-mixen von dem Code-Mixing im erhaltenen Input abhängt. Zweisprachige Kinder wären daher sensibel für die sprachlichen Entscheidungen von ihren Gesprächspartnern. Schließlich ist es notwendig, auch einige von den vielen pragmatischen und symbolischen Funktionen des Phänomens zu erinnern. Das Code-Mixing kann z.B. von Kindern benutzt werden, um bestimmte Emphase einer Äußerung zu geben (cfr. Lanvers, 2001; Goodz, 1989 in Genesee&Nicoladis, 2006:16), um jemanden nachzuahmen oder um das Thema des Gesprächs zu wechseln (vgl. Vihman, 1998 in Genesee&Nicoladis, 2006:16). Vihman hat auch andere symbolische Motivationen auf der Grundlage von mixing-Phänomene gefunden, die mit der Identität zu tun haben (Vihman, 1998 in Genesee&Nicoladis, 2006:16-17).
1.5. Die Kontexte des multilingualen Erwerbs. Betrachten wir jetzt die Situationen und die Kontexten in denen ein Kind mit zwei oder mehreren Sprachen zur Verfügung aufwachsen könnte.
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Als Voraussetzung sollte gesagt werden, dass heutzutage der Multilingualismus keinen seltsamen Zustand ist, aufgrund der Globalisierung und der steigenden internationalen Mobilität, zum Beispiel. Deswegen sind viele Kinder zwangsweise an mehreren Sprachen schon von Geburt ausgesetzt (Aronin&Singleton, 2012:99). Eine typische Situation, in der ein Kind bilingual aufwachsen könnte, ist der Fall von Eltern mit zwei unterschiedlichen L1 (wie in meinem Fall, z.B. Mutter: L1-Slowakisch und Vater: L1-Italienisch). Natürlich reicht es nicht, Eltern mit zwei verschiedenen Sprachen zu haben, um bilingual zu werden (Sorace, 2012). Um frühe Zweisprachigkeit zu entwickeln, ist es nicht genug, dass das Kind zufällig an den Sprachen ausgesetzt wird. Es braucht genug Input in beiden Sprachen, häufige Verwendungsmöglichkeiten und die richtige Motivation. Im dritten Teil wird auch die Wichtigkeit des Inputs besprochen. Das berühmteste Beispiel, wenn man von bilingualem Spracherwerb spricht, ist das, was Ronjat (1913) “une personne-une langue” definiert (Aronin&Singleton, 2012:101). Nach diesem Prinzip kommunizieren Eltern mit unterschiedlichen Erstsprachen mit dem Kind, jeder auf seiner L1. Eine andere Situation, in der Bilingualismus entstehen könnte, ist wenn eine Minderheitssprache zu Hause benutzt wird, während die Mehrheitssprache in den anderen Kontexten benutzt wird (oder umgekehrt). Kinder können auch durch Ausbildung im Kindergarten oder in der Schule eine andere Sprache erwerben. Der Erfolg oder Misserfolg dieser "Herausforderung" hängt von einer Reihe von Faktoren ab: soziale Haltungen gegenüber den Sprachen, Qualität und Quantität des Inputs, die verwendete Materialien (z.B. Bücher, Videos, Spiele, usw.), die Kompetenz und die Motivation des Kinds und der Lehrer und so weiter (Aronin & Singleton, 2012: 101). Der dritte Kapitel wird sich genau mit diesem Thema beschäftigen.
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2. TEIL II: KOGNITIVE UND LINGUISTISCHE VORTEILE DES KINDLICHEN BILINGUALISMUS. In der Einführung wurde im allgemeinen über Zweisprachigkeit und Mehrsprachigkeit diskutiert und die verschiedenen Definitionen und den Prozess des mehrsprachigen Erwerbs angesprochen. Eine wichtige Frage, die mit dem Thema des Bilingualismus auftritt, betrifft die Auswirkungen, die dies auf den Sprecher hat. Leider wird der Bilingualismus heute noch als ein außerordentliches Phänomen betrachtet und ist oft von Vorurteilen und Fehlinformation umgegeben (Sorace, 2007). Negative Einstellungen gegenüber der Zweisprachigkeit waren vor allem in den früheren Diskussionen des Themas vorhanden (z.B. Pinter&Keller, 1922; Saer, 1923, usw. in Aronin & Singleton, 2012), wie Aronin und Singleton behaupten. Allerdings gibt es noch heute einige Studien (z.B. Oller & Eilers, 2002 in Aronin&Singleton, 2012), die über „Nachteilen“ des Bilingualismus reden. Diese Nachteilen werden oft mit der Wettkampf zwischen den unterschiedlichen Sprachen assoziiert. Die jüngste Forschung hat erhebliche Veränderungen in den letzten Jahrzehnten ertragen, und eine steigende multidisziplinäre Konnotation eingenommen. Seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten
Jahrhunderts
sind
Studien
der
kognitiven
Neurowissenschaften
von
grundlegender Bedeutung geworden. Wie von Franceschini behauptet wird (in Videsott et al., 2012), liegt der Fokus nun nicht mehr über die Organisation von zwei oder mehreren Sprachen, sondern über die Auswirkungen des Bi-/Multilingualismus auf die kognitive Ebene. Neuere Forschungen über das zweisprachige Gehirn haben dazu beigetragen, nicht nur die negativen Vorurteile über Zweisprachigkeit abzubauen, aber auch zu zeigen, dass die Zweisprachigkeit in Kindern viel mehr als die Kenntnis von zwei Sprachen bringt. Zusätzlich zu den sozialen Vorteilen, die schon bekannt sind, wie z.B. der Zugang zu zwei oder mehreren Kulturen, die größere Toleranz gegenüber anderen Kulturen, die möglichen zukünftigen Vorteilen auf dem Arbeitsmarkt, usw., führt Zweisprachigkeit auch zu weniger bekannten Vorteilen auf das Denken und Handeln in verschiedenen Situationen (Sorace, 2007).
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2.1. Vorurteilen und Fehlinformation über den Bilingualismus. Zweisprachigkeit ist immer noch von Mythen und Vorurteilen umgegeben. Viele glauben, dass es zu anstrengend für das Gehirn des Baby sein könnte, gleichzeitig zwei Sprachen zu erwerben. Oder, dass es die generelle kognitive Entwicklung des Kinds verlangsamen könnte (Sorace, 2007:2). Zur gleichen Zeit ist es jedoch überraschend, wie sehr junge Kinder sehr einfach mit zwei oder mehreren Sprachen umgehen können, und zwischen ihnen je nach Kontext wechseln. Der Kontrast zwischen dem falschen Glauben und dieser Ungläubigkeit wird als "zweisprachige Paradox" bezeichnet (Petitto & Kovelman, 2003 in Sorace, 2007). Man könnte sich fragen, warum es noch heute diese falsche Mythen gibt. Wie Sorace sagt (Sorace, 2007), einer der wichtigsten Gründen, aber nicht der einzige, ist, dass viele Leute es schwer finden, über das Thema des Bilingualismus wissenschaftlich zu sprechen. Auf dieser Weise fühlt sich jeder gezwungen, seine/ihre Meinung zu äußern und so ist die Welt voll von "Sprachexperten". Das ist ein schwieriges Problem und kann wichtige Entscheidungen negativ beeinflussen wie, zum Beispiel, die Wahl einer zweisprachigen Erziehung für die Kinder. Viele Eltern wollen, dass ihre Kinder zwei oder mehreren Sprachen sprechen, sagt Sorace (Sorace, 2012). Aber dann hören sie vielleicht, dass es zu Problemen führen kann und beschließen, auf den Projekt einer multilingualen Erziehung zu verzichten. Oder sie entscheiden, zu warten, bis die erste Sprache "stabilisiert" ist, um eine andere Sprache einzuführen. Und dann entdecken sie, dass es leider zu spät oder zu schwer ist, ihre zweite Sprache einzuführen. Hier gibt es einige der noch “langlebigen” Mythen über den Bilingualismus, nach Sorace: 1. Zweisprachige Kinder sind weniger intelligent als einsprachige (oder alternativ: zweisprachige Kinder sind intelligenter als einsprachige). 2. Die Last, zwei oder mehreren Sprachen gleichzeitig zu erwerben, verlangsamt die generelle kognitive Entwicklung des Kinds. 3. Bilinguale Kinder sprechen eine gemischte Sprache in den ersten Jahren und am Ende sprechen sie keine der Sprachen richtig. 4. Nach der “kritischen Periode” des Spracherwerbs kann man Sprachen nicht gut lernen. 5. … (Sorace, 2007)
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Die neuere Forschung über die Mehrsprachigkeit, die seit den neunziger Jahren immer mehr und mehr multidisziplinär geworden ist, und die kognitiven Neurowissenschaften hineingezogen hat, hat diese Vorurteile weithin bestritten. Leider sind die Ergebnisse dieser Forschungen außerhalb des akademischen Bereichs noch nicht bekannt. Bilingualism Matters ist ein wichtiger Projekt für eine korrekte Information über die Mehrsprachigkeit, der von der Universität von Edinburgh gefördert wurde und von Antonella Sorace koordiniert wird. Der Projekt zielt darauf, durch Seminaren, Informationsmaterialien, usw., die Kenntnis über die Zweisprachigkeit zu vergrößern und zu zeigen, dass sie wichtige Vorteile, besonders kognitive Vorteile, haben kann.
2.2. Erste fMRT-Studien über die neuronale Organisation der Sprache. In den letzten zwei Jahrzehnten haben sich zahlreiche neuro-imaging Studien mit der neuronalen Organisation der Sprache beschäftigt (Abutalebi, 2008:466). Die Ergebnisse dieser Forschungen, schreibt Abutalebi, haben neue Perspektiven geöffnet, was die Beziehung zwischen Sprache und Gehirn betrifft. An der Grundlage dieser Studien gibt es die Technik der funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT), die Yetkin (1996) wie folgt definiert: Functional magneting resonance imaging (fMRI) is a non-invasive imaging technique for studying the organization of cognitive functions in the brain. Functional MR imaging provides maps of cerebral activation, which are registered to anatomic images. Because it is noninvasive, fMRI can be repeated several times without risk to the subject. (Yetkin et al., 1996:473)
Aufgrund dieser Eigenschaften kann fMRT mit großer Präzision verwendet werden, um die neuronalen Netzwerke zu identifizieren, die der Verarbeitung der Sprachen zugrunde liegen (Abutalebi, 2008: 466). Im Nachstehenden werden die Beiträge und die Ergebnisse der ersten Studien mit fMRT wiedergegeben: diejenigen von Yetkin und Kollegen (1996) und von Kim und Kollegen (1997). Die erste Studie (Yetkin et al., 1996) hatte als Ziel das Vergleich, durch die fMRT-Technik, der Verarbeitung der Sprachen in multilingualen Personen, basierend auf dem Kompetenzniveau (level of fluency) in der Sprachen.
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Yetkin und sein Team analysierten 5 männliche Freiwilliger, rechtshändig, ohne neurologische Probleme hinter sich. Jedem wurde eine Word-Generation Aufgabe aufgegeben: in der Muttersprache, in der anderen Sprache, in der er fluent war und in der anderen Sprache, in der er nicht fluent war (vgl. Yetkin et al., 1996:473-474).
(Fig 2) Functional MR images of a volunteer performing silent word generation in his native language (A), in a foreign language in which he is fluent (B), and in a language in which he is not fluent (C). Most of the activation is observed in prefrontal and frontoparietal regions. Note the increased number of activated pixels for the language in which the subject is not fluent (C). Source: Yetkin et al. (1996). “Use of functional MR to map language in multilingual volunteers”. In American Journal of Neuroradiology, 17, pp.473-477.
Die Ergebnisse Yetkins Studie zeigen, dass es Unterschiede in der Organisation der verschiedenen Sprachen in der multilingualen Person gibt. Insbesondere gibt es eine stärkere Aktivierung in der Verarbeitung der Sprache, in der die Person nicht so gut kompetent ist. Und das stimmt mit der Hypothese überein, nach der die Aktivierung geringer ist, wenn die Kompetenz der Sprache größer ist (Yetkin et al., 1996:476). Die zweite Studie, dass in diesem kurzen Kapitel beschreiben wird, ist diejenige von Kim und Kollegen (1997). Diese Studie hat sicher mehr Anerkennung als diejenige von Yetkin gehabt, obwohl die erste sehr wichtig und inspirierend für diese war. Das Ziel der Forschung war es, die Darstellung der verschiedenen Sprachen im menschlichen Gehirn nochmals mit der Technik der fMRT zu überprüfen. In diesem Fall wurde das Kriterium des Erwerbsalters betrachten. Die Wissenschaftler haben stumme sprachliche Aufgaben in beiden Sprachen den Frühbilingualern und Spätbilingualern aufgegeben. Die Gehirnareale, die in dieser Studie beobachtet wurden, sind das Broca-Areal und das Wernicke-Areal, da sie beide sehr wichtige Rolle bei der menschlichen Sprachfunktionen spielen (das Broca-Areal bei der Sprachproduktion, das Wernicke-Areal bei dem Sprachverständnis). Aus der Studie hat sich Folgendes gezeigt. Im Fall der späten Zweisprachigkeit, sind die aktivierten Punkte der Sprachen in das Broca-Areal räumlich getrennt, was im Fall der
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frühen Zweisprachigkeit nicht passiert. Im Wernicke-Areal hat man keine deutliche Trennung für die Aktivierung der beiden Sprachen gefunden, unabhängig von dem Alter des Erwerbs (Kim et al., 1997:172-173). Hier ist eine abschließende Betrachtung der Autoren (Kim et al., 1997:173): The observation that the anatomical separation of the two languages in Broca‟s area varies with the time at which the second language was acquired, suggests that age of language acquisition may be a significant factor in determining the functional organization of this area in human brain (Kim et al. 1997:173).
Die zwei Forschungen zeigen, dass Faktoren wie Kompetenzniveau und Erwerbsalter die neuronalen Organisation der Sprachen in dem bilingualen Sprecher beeinflussen. Sie sind nur die ersten Forschungen in diesem Bereich und wurden von zahlreichen späteren Studien gefolgt. Noch heutzutage steigt die Nummer dieser Studien an. Hier wurden die Arbeiten von Yetkin (1996) und Kim (1997) dargestellt, weil sie als Erste die Wichtigkeit der fMRT-Technik innerhalb der Studien über den Zusammenhang SpracheGehirn verstanden haben. Auch dank dieser Technik ist man zur Kenntnis wichtiger kognitiven Vorteilen des Multilingualismus gekommen.
2.3. Der bilinguale Vorteil in der exekutiven Kontrolle. Mit dem Begriff „bilingualer Vorteil“ bezieht sich man auf die Wirkung der Zweisprachigkeit auf die allgemeinen Funktionen des kognitiven Systems, wie zum Beispiel auf die Prozesse der Aufmerksamkeit, Hemmung, Gedächtnis, usw. (Bonifacci, Cappello & Bellocchi, 2012:9). Man muss voraussetzen, dass bilinguale Leute zwei unterschiedlichen lexikalischen Labels für den gleichen Konzept haben (Bonifacci, Cappello & Bellocchi, 2012:10). Behavioristische Studien bestätigen, dass die unterschiedlichen Sprachen, die multilinguale Leute haben, immer aktiv sind, auch in stark monolingualen Kontexten (Bialystok, 2011:229). Dies bedeutet, dass es irgendeinen Mechanismus gibt, der die Wörter in der Zielsprache auswählt und diejenigen in der Nicht-Zielsprache anhält (Bonifacci, Cappello & Bellocchi, 2012:10). Bilinguale Sprecher müssen sich also nicht nur für die Art und Weise der Botschaft entscheiden, aber sie müssen auch die richtige Sprache je nach Kontext wählen, wie Bialystok (2011) schreibt:
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If both languages of a bilingual speaker are active, then a problem in attention is introduced for bilinguals that does not exist for monolingual speakers. In addition to the usual selection constraints that apply to rapid linguistic processing regarding such dimensions as register, collocation, and synonym, the bilingual speaker has to select the correct language from two competing options. (Bialystok, 2011:229)
Ausgehend von Greens Hemmungshypothese (Green, 1998 in Sorace, 2007), nach der der „Wettkampf“ zwischen den Sprachen im bilingualen Kind zur Entwicklung eines starken Hemmungsmechanismus führt, haben zahlreiche Studien bestätigt, dass dies generelle positive Auswirkungen auf die exekutive Kontrolle hat, auch in nicht-verbalen Aufgaben (Bonifacci, Cappello & Bellocchi, 2012:10). Wie Bonifacci und Kollegen zeigen, haben diese Forschungen unterschiedlichen Methodologien benutzt, die hier zusammengefasst sind: a. Flanker task: diese Aufgabe bewertet die Fähigkeit, Antworten anzuhalten, die in einem bestimmten Kontext unangemessen sind. In dieser Aufgabe muss man eine Richtungsantwort zu einem Target-Stimulus geben, der von einem Pfeil dargestellt ist. Neben diesem können andere Pfeilen in derselben Richtung (Kongruente Bedingung) oder in der gegenseitigen Richtung (Unkongruente Bedingung) stehen.
b. Simon task: in dieser Aufgabe werden Teilnehmer gebeten, die Mitte eines Bildschirms zu beobachten, unter dem eine Antwortbox mit zwei Tasten steht. Die Teilnehmer müssen die rechte Taste drücken, wenn sie einen roten Stimulus auf dem Bildschirm sehen, und die linke Taste, wenn ein grüner Stimulus auf dem Bildschirm erscheint. Sie werden auch gebeten, die Position des Stimulus zu ignorieren (rechts oder links) und sich nur auf die Farbe des Stimulus zu konzentrieren. Normalerweise ist die Reaktion der Teilnehmer schneller, wenn die Farbe des Stimulus und seine Position mit der Position der verbundenen Taste auf der Antwortbox übereinstimmen.
c. GO/NO GO task: in dieser Aufgabe wird der Teilnehmer aufgefordert, eine Taste zu drucken, wenn ein Stimulus x erscheint und die Antwort zu hemmen, wenn ein Stimulus y erscheint. Zum Beispiel könnte ihm gefragt werden, zu antworten, wenn ein grünes Licht erscheint und nicht wenn ein blaues Licht erscheint.
d. ANT (Attentional Network Test) task: die Aufgabe bewertet die Effizienz und die Unabhängigkeit von drei Achtungskreisen: Achtung, Orientierung und Exekutivkontrolle. Den Teilnehmern werden Pfeilen gezeigt, die links oder rechts richten können ( ). Der Target-Stimulus ist die Pfeile in der Mitte, die immer über oder unter dem Beobachtungspunkt
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(ein Kreuz) erscheint. Die Pfeilen, die neben dem Target-Stimulus stehen, können in derselben Richtung (kongruente Situation) oder in der anderen Richtung (unkongruente Situation) stehen. Es gibt auch eine neutrale Situation, in der es keine Pfeilen neben dem Target-Stimulus gibt, sondern einfache Linien. Vor dem Erscheinen des Stimulus könnte auch ein Cue (ein Zeichen) erscheinen, über oder unter dem Beobachtungspunkt. Die Teilnehmer werden gebeten, so schnell wie möglich die Maustaste zu drücken, die mit der Richtung der mittleren Pfeile übereinstimmt.
e. Day/Night task: diese Aufgabe wird benutzt, um die Hemmungskontrolle in Kinder von 3 bis 5 Jahren zu überprüfen. Die Kinder werden gelehrt, “Nacht” zu sagen, wenn sie ein Bild mit einer Sonne sehen, und “Tag” zu sagen, wenn sie ein Bild mit einem Mond sehen. In diesel Aufgabe muss also eine “dringende” Antwort gehemmt werden (Gerstadt, Hong & Diamone, 1994).
f. Card sort test: diese Aufgabe wird benutzt, um die exekutive Arbeitsweise zu überprüfen. In der Standard-Version müssen die Kinder einige zweideutige Figuren ordnen, erstens nach einem Kriterium (z.B. Farbe), zweitens nach einem anderen Kriterium (z.B. Form). (Bonifacci, Cappello & Bellocchi, 2012:10-11)
(Fig. 3) The ANT test. Source: Videsott, G. et al. (2012). “How does linguistic competence enhance cognitive functions in children? A study in multilingual children with different linguistic competences”. In Bilingualism: Language and Cognition, vol.15, pp. 884-895, Cambridge: Cambridge University Press.
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Verschiedene Studien (vgl. Bialystok, 2011; Videsott et al., 2012, usw.) zeigen, dass Aufgaben, die einen steigenden Konflikt (z.B. Simon task) oder die Notwendigkeit eine übliche Antwort zu hemmen (z.B. Day-night task) einbegreifen, besser von zweisprachigen Personen gelöst werden. Bilingualer sind auch schneller als Monolingualer in den ANT-tasks Aufgaben (Videsott et al., 2012:10), was die Reaktionszeiten (RTs) betrifft. Die Erklärung, die Bialystok für diese Ergebnisse bietet ist, dass zweisprachige Menschen einen verstärkten System der exekutiven Kontrolle haben (Bialystok, 2011: 231). In bilingualen Menschen ist dieser System immer beschäftigt, weil er die zwei oder mehreren Sprachen trennen muss (durch die Aktivierung der Target-Sprache und die Abschaltung der Nicht-Target-Sprache). So spielt er eine wichtige Rolle auch in der Sprachverarbeitung (language
processing)
und
nicht
nur
in
allgemeinen
Konflikt-
oder
Entscheidungssituationen: […] A likely explanation for how this difficult selection is made in constant online linguistic processing by bilinguals is that the general-purpose executive control system is recruited into linguistic processing, a configuration not found in monolinguals. The executive control system is well known to be involved in situations where selection or conflict resolution is required (e.g. Miyake et al., 2000), but that research has focused on nonverbal tasks. The claim here is that this same system is involved in resolving the conflict created by joint activation of the two languages for bilinguals. If the executive control system is recruited for ordinary language processing, then that system will be fortified through practice, possibly because it integrates with the linguistic systems generally recruited in these situations to create a more distributed and more robust network. (Bialystok, 2011:232)
Aktuelle Forschungen (z.B. Abutalebi & Green, 2007 e 2008; in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:12) mit funktionalem Neuroimaging (fMRI oder PET) haben sich auf die bilingualen Sprachkontrolle konzentriert, insbesondere auf die Gehirnarealen, wo der Konflikt zwischen den Sprachen stattfindet. Abutalebi und Green haben die Existenz eines Netzwerkes von kognitiven Mechanismen vorgeschlagen, der mehrere Gehirn-Arealen einbeziehen sollte, wo die Sprachauswahl und die Sprachkonfliktlösung stattfinden. Abutalebi und Greens Modell zeigt die zentrale Rolle des Gyrus frontalis inferior, der anterioren cingulären Kortex, des linken Streifenkörpers und des unteren Parietalläppchens. In Situationen, wo die gleichzeitige Kontrolle mehreren Sprachen notwendig ist, aktiviert der Gyrus frontalis inferior die relevante Sprache (Target-Sprache). Der linke Streifenkörper
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beaufsichtigt die Sprachauswahl, während die anterior cinguläre Kortex hemmt die NichtTarget-Sprache und korrigiert potentiellen Fehler. Die Rolle des unteren Parietalläppchens hat mit der Wörterdarstellung zu tun. Das Auftreten eines Auswahlkonflikts während der Sprachproduktion führt zu der Einbeziehung von Systemen, die in der Regel bei der Konfliktlösung in non-verbalen Aufgaben spezialisiert sind. Außerdem, da der Konflikt während der Sprachproduktion stattfindet, scheint auch die untere Parietalkortex einbezogen zu sein, insbesondere das Broca-Areal (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:12). Nach einer Studie von Abutalebi und Green, führt die erhöhte Aktivierung des anterioren cingulären Kortex (die eine Schlüsselrolle in Konfliktsituationen spielt) bei zwei- oder mehrsprachigen Leuten zu einer größeren Dichte der grauen Substanz in diesem Areal (Abultalebi et al., 2011 in Videsott et al., 2012).
Wie wir bereits in der Diskussion über das zweisprachige Gehirn gesehen haben, ist dieses Organ flexibel und möglicherweise umstrukturierbar (Perani et al., 1998 in Sorace, 2007:11). Sorace betont eine Studie von Mechelli (2004), der die Hirnstrukturen von zweisprachigen und einsprachigen Menschen verglichen hat. Aus seiner Studie wurde festgestellt, dass die Zunahme der grauen Substanz durch Exposition an mehreren Sprachen nicht nur bei simultanen Bilingualern passiert, sondern auch bei Spätbilingualer mit einer guten Kompetenz in der L2 (Sorace, 2007:11).
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2.3.1. Der Bilingualismus und das Altern. Wie Bonifacci, Cappello und Bellocchi feststellen, sind die positiven Effekten des Bilingualismus auf den kognitiven System sichtbarer, wenn dieser noch nicht völlig entwickelt ist oder wenn er eine Niedergangsphase durchmacht (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:11). Es ist bekannt, wie Daniels, Toth und Jacoby feststellen (Daniels, Toth & Jacoby, 2006, in Bialystok, 2011:232), dass sich der System der exekutiven Kontrolle mit dem Altern verschlechtert. Neue Studien von Bialystok und anderen (z.B. Bialystok, Craik & Ruocco, 2006; Bialystok, Craik & Freedman, 2007) haben gezeigt, dass der Bilingualismus ein Schutzfaktor gegen Altersdemenz sein kann, wenn er durch das ganze Leben gehalten wird (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:12). Insbesondere wurde festgestellt, dass die Demenz vom Alzheimer-Typ durchschnittlich 4,3 Jahre später in bilingualen als in monolingualen Personen diagnostiziert wird und dass der Beginn der Symptome sich ungefähr 5,1 Jahre später manifestiert. Nach Bialystok gibt es einen kausalen Zusammenhang zwischen dieser Verspätung und der Konflikt, der aus der gleichzeitigen Aktivierung von zwei oder mehreren Sprachen entsteht: There has been growing interest in the concept of cognitive reserve, the idea that stimulating mental activities protect against cognitive decline and continue to provide benefit as dementia develops (Scarmeas, Levy, Tang, Manly & Stern, 2001; Stern, 2009). These activities include formal education, physical activity, stimulating leisure involvement, and social engagement. Since bilingualism places constant pressure on the executive control system to manage attention to the target language, it is possible that this constant mental activity contributes to cognitive reserve. Following the logic of that literature, bilinguals should be able to cope with the early symptoms of Alzheimer‟s disease more effectively than monolinguals, and continue to function without signalling that the disease has taken hold. (Bialystok, 2012:232)
Diese Hypothese wird auch durch einige Studien über bimodale Bilingualer (Menschen, die eine Sprache und eine Gebärdensprache beherrschen) bestätigt, in denen es mit der Aktivierung der beiden Sprachsysteme keinen Konflikt gibt (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:12). Die Autoren zitieren eine interessante Arbeit von Emmorey, Luk, Pyersm und Bialystok (2008), wo unimodale Bilingualer, bimodale Bilingualer und Monolingualer mit Flanker-Tests geprüft wurden. Es ist interessant, dass bimodale Bilingualer die gleichen Leistungen als monolinguale Leute zeigten. Und das könnte die Hypothese unterstützen, nach der der Konflikt eine sehr wichtige Rolle in der größeren
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Effizienz der exekutiven Kontrolle in multilingualen Leute spielt (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:12).
2.4. Metasprachliche Vorteile. Das Interesse an den Auswirkungen der Zweisprachigkeit hat sich nicht ausschließlich auf den Vorteilen in den Prozessen der exekutiven Kontrolle konzentriert, sondern auch auf die metalinguistischen, metapragmatischen, vorausschauenden, usw. Aspekte (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:14). Die Autoren merken an, unter Berufung auf Studien von Siegal und Kollegen (z.B. Siegal, Iozzi & Surian, 2009, in Bonifacci, Cappello und Bellocchi, 2012:14), dass die Zweisprachigkeit die metasprachlichen Fähigkeiten in zweisprachigen Kindern verstärket, im Vergleich zu ihren einsprachigen Altersgenossen. Insbesondere hat man eine größere Fähigkeit der zweisprachigen Kinder hervorgehoben, einige
pragmatische
Aspekte
des
Gesprächs
zu
verstehen,
wie
z.B.
die
Konversationsmaximen von Griece (Griece, 1989 in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:14): 1.
Maxime der Quantität: sag nicht mehr oder weniger als es für das Ende der Kommunikation notwendig ist.
2.
Maxime der Qualität: sag die Wahrheit und vermeide Erklärungen, für die es keine ausreichende Beweise gibt.
3.
Maxime der Relevanz: sei relevant.
4.
Maxime der Modalität: vermeide Unklarheit, Mehrdeutigkeit oder Ungeordnetheit.
(Griece, 1989; in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012)
Die Ergebnisse der Studie von Siegel und Kollegen haben gezeigt, dass zweisprachige Kinder einen signifikanten Vorteil bei der Identifizierung von Verstößen gegen Konversationsmaximen zeigen, obwohl sie einen geringeren Wortschatz haben. Die Hypothese der Autoren ist, dass der geringere Wortschatz zu mehreren Aufmerksamkeitsressourcen auf die metapragmatischen Aspekte der Kommunikation führt. Bilinguale Kinder benutzen mehrere Kontextinformationen, um die Bedeutung der Botschaft des Gesprächspartners zu schließen (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:14-15). Ein Schlüsselkonzept für das Verständnis der zentralen Rolle der pragmatischen
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Kompetenzen in der Zweisprachigkeit ist die sogenannte „pragmatische Differenzierung“, wie Bonifacci und Kollegen betonen (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012: 15). In den letzten zwei Jahrzehnten haben viele Studien zum bilingualen Spracherwerb gezeigt, dass zweisprachige Kinder sehr früh in der Lage sind (ab dem Alter von zwei Jahren), die Sprachen zu unterscheiden. Das ist im Widerspruch zur Hypothese des einheitlichen Sprachsystems (z.B. Mehler et al, 1998; Paradis & Genesee, 1996 in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:15), von der wir schon im ersten Teil gesprochen haben. Was die positiven Auswirkungen des Bilingualismus auf die Sprache betrifft, betont Sorace, dass mehrsprachige Leute eine größere spontane Kenntnis der Struktur der Sprache haben (Sorace, 2012:2). Die Tatsache, dass man zwei Sprachsysteme hat, unterstützt die spontane Aufmerksamkeit auf die strukturellen Aspekte der Sprache, wie Wörter, Lauten oder Phrasen (Kaushanskaya & Marian 2009 in Sorace, 2011). Insbesondere haben multilingualen Menschen zwei oder mehrere Wörter für den gleichen Referenten und zwei Möglichkeiten, das gleiche Konzept auszudrücken. Das führt zu einer größeren Fähigkeit, zwischen Form und Bedeutung von Wörtern zu unterscheiden (Sorace, 2012:3). Sorace stellt auch fest, dass viele zweisprachige Kinder früher als einsprachige zu lesen lernen. Diese Fähigkeit kommt aus der Tatsache, dass bilinguale Kinder einfacher die Willkürlichkeit der Korrespondenz zwischen den Buchstaben der Schriftsprache und den Lauten der gesprochenen Sprache verstehen. Darüber hinaus würde diese intuitive Kenntnis der Struktur der Sprache die bilingualen Kindern auch beim Lernen anderen Sprachen fördern (Sorace, 2012:3).
2.5. Kognitive Dezentrierung. Ein weiterer wenig bekannter Vorteil der Zweisprachigkeit ist ein größeres und früheres Bewusstsein, dass Menschen die Dinge aus einer anderen Perspektive als die eigene sehen können (Sorace, 2012:3). Diese “kognitive Dezentrierung” wird von den Psychologen als Theory of Mind (ToM) bekannt, und entwickelt sich normalerweise ein Jahr früher in bilingualen Kinder als in Monolingualen. Der Vorteil scheint damit verbunden zu sein, dass bilinguale Leute immer die Sprachkompetenz des Gesprächspartner betrachten müssen und sich an diese anpassen
29
(Sorace, 2012:3).
2.6. Der bilingualen Vorteil in vorausschauenden Fähigkeiten. Eine interessante und innovative Forschungsgebiet betrifft die vorausschauenden Fähigkeiten und die Zweisprachigkeit. Eine aktuelle Studie von Bonifacci, Piombini, Bellocchi und Contento (Bonifacci et al., 2011 in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:17) hat vorgeschlagen, dass der Bilingualismus Auswirkungen auf die vorausschauenden Fähigkeiten haben kann. Multidisziplinäre Studien bestätigen die Existenz von vorausschauenden Mechanismen, die bei verschiedenen kognitiven Funktionen ihre Rolle spielen, wie z.B. bei Imitation, Sprachgebrauch, Planung und Theory of Mind (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:17). Das Gehirn scheint ständig beschäftigt zu sein, Vorhersagen über zukünftige Ereignisse zu machen (Kveraga, Ghuman & Bar, 2007 in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012). Das Ziel dieser Vorhersagen wäre es, die Wahrnehmung und Kognition zu erleichtern und relevante Informationen zu aktivieren, die nützlich sein können, um zukünftige Aktionen vorauszuschauen. Das sollte durch kontextuellen Rahmen (contextual frames) passieren, die globale Darstellungen der Eigenschaften einer einzigen Erfahrung sind. Die Autoren unterstreichen, dass diese Frames nicht nur von der spezifischen Erfahrung aktiviert werden, die mit ihnen verbunden ist, sondern auch von neuen Situationen. Das Gehirn würde nämlich Analogien suchen und sich fragen, woran die neue Situation ähnlich ist. Nachdem es diese Analogien gefunden hat, wurde es die relative Darstellungen aktivieren, die das Vorausschauen ermöglichen (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:17). Kveraga (Kveraga et al., 2007) zusammenfasst diesen Mechanismus wie folgt: In this framework, the brain is perceived as proactive in nature: rather than waiting to be activated by sensations, it is constantly generating predictions that help interpret the sensory environment in the most efficient manner. Building on previous work, this expanded proposal posits that rudimentary information is first extracted rapidly from a perceptual input, and then used to derive analogies linking the input with the most similar representations in memory (Bar, 2007). The linked stored representations in turn selectively activate the associations that are relevant in the specific context (Bar, Aminoff, Mason, & Fenske, 2007), which provides focused, testable predictions. These predictions facilitate perception and cognition by presensitizing representations all the way downstream to primary cortices. In other words, this framework relies on three main components: associations of related representations, analogies between the input and memory, and the subsequent generation of predictions. (Kveraga et al., 2007:161)
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Aus der Forschung von Bonifacci und Kollegen (Bonifacci et al., 2011 in Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:18) wurde beobachtet, dass zweisprachige Leute in der Lage sind, besser und genauer als Monolingualer die Elemente einer gelernten Reihenfolge vorauszuschauen. Die Autoren merken an, dass die Vorteile der zweisprachigen Erfahrung zu spezifischen Mechanismen des kognitiven Funktionieren zuzuschreiben sind, und dass der Bereich der vorausschauenden Fähigkeiten ein innovativer Bereich innerhalb der Thematik des zweisprachigen Vorteil ist, der mit weiterer Forschung untersucht werden muss (Bonifacci, Cappello e Bellocchi, 2012:18).
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3. TEIL III: ANWENDUNGSHYPOTHESEN DES KINDLICHEN BILINGUALISMUS. Die vielen kognitiven, metasprachlichen, sozialen und kulturellen Vorteile, die die Zweisprachigkeit bringt, zeigen wie wichtig und nützlich es ist, den Bilingualismus von frühester Kindheit zu fördern. Wie von Sorace betont wird, hat es keinen Sinn zu warten, bis eine der beiden Sprachen "stabilisiert" ist. So würde das notwendige Input in einer so empfänglichen Phase des Spracherwerbs fehlen (Sorace, 2012:4). Wie bereits in der Einleitung erwähnt wurde, ist es nicht genug Eltern mit zwei unterschiedlichen Sprachen zu haben, um bilingual zu werden (Sorace, 2012: 5). Das Kind braucht nämlich die beide Sprachen in ausreichendem Maße zu hören. Von hier aus versteht man die Wichtigkeit des Inputs in der bilingualen/multilingualen Erziehung, die im nächsten Abschnitt besprochen wird. Wenn es wahr ist, dass alle Kinder eine Sprache unter normalen Bedingungen erwerben, um zwei oder mehrere zu erfahren, müssen sie häufige Gelegenheiten haben, beide die Sprachen zu benutzen (durch interpersönlichen Beziehungen, aber auch durch Bücher, Videos, Spiele, usw. (Sorace, 2012:5). Ein weiteres Problem, das unten besprochen wird, betrifft das Lernen einer Fremdsprache im vorschulischen Bereich (Kindergarten). Wir haben schon gesehen, wie der simultane Bilingualismus (zwei L1 von Geburt an) erhebliche kognitive Vorteile für das mehrsprachige Gehirn bringen kann. Teilweise gilt es auch für den multilingualen Spracherwerb im allgemeinen. Zahlreiche Studien (z.B. Bak, Everington, Garvin & Sorace, 2008 in Sorace, 2011) haben gezeigt, dass auch der konsekutive Bilingualismus bei Kindern Vorteile aus der der kognitiven Sicht bringen kann. In dieser Hinsicht sollten wir uns an die schon besprochene Flexibilität des menschlichen Gehirns erinnern (Perani et al., 1998 in Sorace, 2007:11). Apropos frühen Fremdsprachenerwerb und Erziehungsmodelle, werden hier einige unterschiedliche Ansätze berücksichtigt. Insbesondere wird hier das Modell des Erzählungsformats eingeführt, das dem Projekt "Hocus und Lotus" zugrunde liegt, der von der Professorin Traute Taeschner koordiniert wird. Dieses Modell wird mit einem spontaneren Ansatz verglichen, der an pragmatischen Zwecken der Sprache basiert. Ein solcher Ansatz liegt zum Beispiel dem Projekt LESI zugrunde.
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3.1. Die Voraussetzungen eines frühen Sprachenerwerbs: der Input. Not all children who grow up in bilingual families become bilingual. Learning two languages as a child is not as simple or spontaneous as is sometimes thought; but neither is it as difficult or traumatic. In any case, it is not impossible. (Taeschner, 1983:198).
Kinder müssen die beide Sprachen ausreichend hören. Dies erfordert einen gewissen Einsatz und Ausdauer von den Familien und Schulen. Wenn man von Anwendungshypothesen des kindlichen Bilingualismus spricht, kann man sagen, dass jede Methode funktioniert, wenn sie ausreichenden Input vermittelt. Und das sowohl aus einer quantitativen als auch aus einer qualitativen Perspektive. Was versteht man erstens unter dem Konzept von “Input”? Wenn man im Bereich des Spracherwerbs von Input spricht, bezieht sich man auf die Sprache, die dem Kind gewendet wird. Man sollte eine Voraussetzung machen. Das Kind hat eine natürliche Neigung zum Spracherwerb, wie von dem formalistischen Ansatz bewiesen wird. Aus dieser Perspektive wird die Sprache als Potential des Menschen gesehen. Man sollte aber den sozialen Aspekt der Sprache nicht vergessen, da die Sprache nur innerhalb einer Gemeinschaft Sinn hat. Der Mensch benutzt die Sprache für bestimmte kommunikative Zwecke oder, besser gesagt, er/sie handelt mit dem Sprechen, nach einer bekannten Aussage von Austin, “doing things with words” (Austin, 1962 in Meibauer, 2001:86). Von hier aus versteht man die Wichtigkeit des äußeren Kontexts, der Faktoren umfasst, wie z.B. die Menge und Qualität des Inputs, den Ansatz und die verwendete Methoden, die Motivation des Kindes, den symbolischen Wert der Sprache und so weiter. Wie
Ricci
Garotti
behauptet,
ist
der
Input
ein
wichtiger
Faktor
in
dem
Fremdsprachenerwerb. Es ist nicht nur die Art der Sprache, die den Fremdspracherwerb beeinflusst, sondern auch die Situation, in der den Input angeboten wird. Es ist nämlich kein Zufall, dass Kinder, die Anregungen didaktischer Typ erhalten (z.B. Einheiten zum Thema „Farben“ oder „Teile des Körpers“, usw.), mehrere Schwierigkeiten haben, sich in der Fremdsprache auszudrücken. Sie finden es schwieriger, sich an das Sprachsystem der Fremdsprache anzupassen und bleiben an der Struktur ihrer L1 versteinert. Im Gegenteil sind Kinder, die daran gewöhnt sind, spontan in der Fremdsprache zu interagieren, diejenigen, die schneller Sätze in der Fremdsprache bilden können oder
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plötzlich mit spontanen Ausrufen in der Fremdsprache auftreten (Ricci Garotti, 2010 in Ricci Garotti&Stoppini, 2010:167). In den folgenden Abschnitten werden einige der vorhandenen Ansätze im vorschulischen Bereich gezeigt, die sich auch nach verschiedenen Möglichkeiten unterscheiden, den sprachlichen Input zu vermitteln.
3.2. Welcher Ansatz? Zwei Beispiele. Je früher die Kinder beginnen, eine Fremdsprache zu lernen, desto besser die Gesamtergebnisse sind (Newbold, 2010, in Ricci Garotti & Stoppini, 2010). Wie Favaro betont, werden die Alter von 0 bis 3 Jahren und von 4 bis 7 Jahren als kritische Phasen für den Spracherwerb definiert. Sie sind nämlich zwei Phasen, in denen die neurologischen Mechanismen, die für den Spracherwerb verantwortlich sind, ihr volles Potenzial zeigen (Favaro, 2011). Trotzdem ist es möglich, auch nach der sogennanten kritischen Periode des Spracherwerbs, eine Fremdsprache gut zu lernen und vielleicht auch native-like Niveaus zu erreichen (in Fälle, wo es eine starke Motivation oder Notwendigkeit gibt, zum Beispiel). Aus einer biologischen und neuronalen Sicht wurde bestätigt (vgl. Kim et al., 1997), dass im Fall von frühen Zweisprachigkeit (vor 7 Jahren), die kortikale Darstellungen der L1 und der L2 in den gleichen Gehirnarealen lokalisiert sind. Es ist nicht so für späte Bilingualer, da in diesem Fall diese Darstellungen getrennt sind. So ist der Übergang von einer Sprache zur Anderen für späte Bilingualer anstrengender, was kognitiven Mechanismen betrifft. Deswegen ist es sinnvoll, so bald wie möglich zu beginnen, eine Fremdsprache dem Kind einzuführen. D.h. in einer Zeit, in der der Erwerb einer neuen Sprache natürlicher und spontaner passiert. Wie
Favaro
hervorhebt,
gibt
es
in
Italien
keine
Rechtsvorschriften,
die
Fremdsprachenunterricht im Kindergarten regeln. Doch hat eine steigende Zahl von öffentlichen und privaten Kindergarten die Lehre einer Fremdsprache eingeführt (Favaro, 2011). Newbold weist darauf hin, wie die Vorschulprojekte in so weniger Zeit entstehen und aussterben und er sagt auch, dass die Forschungen über diese Projekte sehr knapp sind (Newblod, 2011 in Ricci Garotti & Stoppini, 2011:120). Keiner
Pädagoge
würde
einen
„natürlichen“
Ansatz
verzweifeln,
was
die
Fremdsprachenlehre im vorschulischen Bereich betrifft (Newbold, 2011 in Ricci Garotti &
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Stoppini, 2011:121). Um die Vielfalt der möglichen Ansätze zu zeigen, werden wir uns auf zwei besondere Vorschulprojekte konzentrieren: auf das Modell des Erzählungsformats, an der Basis der Abenteuer von Hocus und Lotus, und auf das Projekt LESI (Lingue Europee nella Scuola d‟Infanzia), das auf dem bildungskommunikativen Ansatz basiert.
3.2.1. Das narrative Format und das Projekt Hocus und Lotus. Das Sprachbildungsprogramm Hocus&Lotus, das das Ergebnis der Forschung von Traute Taeschner ("La Sapienza" Universität in Rom) ist, basiert auf dem Modell des „narrativen Formats“. Das Konzept des Formats wird von Bruner (1975) übernommen, der so die Routine von geteilten Aktionen definiert, die zwischen den Erwachsenen und dem Kind passieren. Die Wiederholung der gemeinsamen Erfahrung schafft die Möglichkeit, das Verhalten des anderen vorherzusagen. Und dieses Vorhersagen sollte den Wunsch erwecken, mit dem Anderen zu kommunizieren. Was die Sprachdidaktik betrifft, sollte es um das Erlebnis eines Formats in der Fremdsprache gehen. Das narrative Format ist ein Erlebnis in Form einer kurzen Geschichte, das wie einen geteilten Theaterstück realisiert wird (Taeschner, 2002 in Violanti, 2013). Betrachten wir nun die Grundprinzipien des narrativen Formats, wie sie auf der offiziellen Webseite des Projekts "Hocus & Lotus" beschrieben werden: 1. Das Erlernen einer neuen Sprache in ähnlicher Weise wie das L1-Spracherwerb. Das Kind fängt durch wiederholenden Erfahrungen mit den Erwachsenen an, über die Welt zu lernen und zu reden. Formate sind die "Erfahrungen", die z.B. Mutter und Kind täglich teilen, wie in frühen Entwicklungsstadien: die Fütterung, das Baden, usw. In diesem so emotionalen und affektiven Kontext entwickelt sich auch die verbale Kommunikation.
2. Operative und interaktive Lehrmethoden schaffen, die mit den Prozessen des Spracherwerbs kohärent sind. Eine Voraussetzung für den Spracherwerb ist das Schaffen einer positiven Atmosphäre, die von einer emotionalen Beziehung gekennzeichnet ist, die den Wunsch nach der Kommunikation erwecken sollte. Das Kind beginnt zu sprechen, weil er mit der Person kommunizieren will, mit der es die affektive Interaktion etabliert hat. Das passiert im Spracherwerb der L1 und muss auch im Fremdsprachenerwerb passieren.
3. Die gute Kommunikation in den Mittelpunkt des Erwerbs der neuen Sprache stellen. Die Realisierung von Theatergeschichten (mithilfe der Gestik und Mimik) ermöglicht, dass die
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Bedeutung der Wörter und Phrasen durch eine aktive Arbeit erlernt wird. So gibt die Inszenierung einen Sinn dem Klang der Wörter und die neue Sprache wird als eine echte „Verkehrssprache“ (lingua veicolare?) verwendet.
(Il format narrativo con Hocus & Lotus: più che un metodo, un programma educativo linguistico. http://www.hocus-lotus.edu/metodo-apprendimento-lingue.asp)
Nach diesem Ansatz, also, basiert der Spracherwerb auf einer emotionalen Beziehung zwischen dem Kind und dem Erwachsenen und auf der Bereitschaft, sich einander zu verstehen. Es macht Gebrauch von Gesten und Wörtern (mimische Komponente) und wird durch die Wiederholung genährt. Außer diesen Elementen, die wichtig für das effektive Lernen sind, kombiniert das narrative Format die Verwendung der imaginären und spielerischen Dimensionen. Dies ermöglicht dem Kind und dem Lehrer, in eine andere Welt hineinzugehen, in der die Fremdsprache die einzige nutzbare ist. Die Protagonisten dieser imaginären Welt sind zwei "Dinocrocs": Hocus und Lotus. Die Kinder und Lehrer sind eingeladen, ihre Abenteuer gemeinsam zu folgen (Violanti, 2013).
Wie Taeschner hervorhebt, beziehen sich diese Abenteuer ausschließlich auf die Kinderpsychologie und -Kultur, die "universal" sind. Sie spiegeln die Realitäten und Sorgen, die typisch für Kindern sind: zum Beispiel, die Suche nach der Identität, die Suche nach einem Freund, der Wunsch, zu spielen, und so weiter. Es gibt daher keinen Hinweis auf kulturelle Unterschiede, die (so die Autorin des Modells), später in der Zeit gelernt werden können (http://www.youblisher.com/p/85808-Intervista-a-Traute-Taeschner/). Wie schon gezeigt, basiert das Modell des narrativen Formats auf einigen Prinzipien. Um diese Prinzipien im schulischen und familiären Bereichen anzuwenden, verwendet es Materialien, die ad hoc entworfen wurden.
Ein typisches Merkmal von diesen ist die
extreme Redundanz, wie von Violanti hingewiesen wird. Die gleichen Geschichten werden in verschiedenen Formen wiederholt, um das Lernen zu
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erleichtern. Das Kind stellt die Geschichte mit dem Lehrer und den Klassenkameraden mimisch dar, hört die Kassette an, die die musikalische Form der Geschichte enthält, sieht die Abbildungen der Geschichte in einem Text (Violanti, 2013). Um dem Kind weitere Kontaktmöglichkeiten mit der neuen Sprache zu geben (zu Hause, zum Beispiel), wurde auch der Zeichentrickfilm Hocus&Lotus geschafft, in Zusammenarbeit mit Rai Fiction, der Autonomen Provinz Bozen und der Europäischen Gemeinschaft (http://www.provincia.bz.it/cultura/lingue/hocus-lotus.asp). Sehen wir nun kurz, wie eine Basis-Unterricht mit dem narrativen Format funktioniert. Die Lektion gliedert sich in fünf Momenten: 1) das Ritual des Eingangs in die Welt der Fremdsprache (die “magische Welt” der L2), dank dem „magischen T-Shirt“. 2) das narrative Format, in Theaterform. Es besteht aus der gemeinsamen theatralischen Aktivität, in der die Geschichte auf mimische, expressive, soziale, usw. Weise erlebt wird. 3) das Singen durch ein “Mini-Musical”, das ausschließlich in der L2 aufgeführt wird. In dem Musical wird die Geschichte des narrativen Formats noch einmal wiederholt. 4) die Beobachtung des illustrierten Texts, für ein besseres Verständnis der Ereignissen im Format. 5) das Ritual des Ausgangs und der Rückkehr in der “realen Welt”. (“Intervista a Traute Taeschner”, http://www.youblisher.com/p/85808-Intervista-a-TrauteTaeschner/ )
Wie Taeschner betont, wird der sprachliche Inhalt jeder Geschichte während des Unterrichts dreimal wiederholt: einmal in dem narrativen Format, dann in dem Mini-Musical, und schließlich mit der illustrierten Geschichte. Die Forschung hat gezeigt, dass man 45 Wiederholungen braucht, um effektives Lernen in einem Kind der ersten „Klasse“ mitzuteilen (http://www.youblisher.com/p/85808-Intervistaa-Traute-Taeschner/). Alles könnte ein bisschen zu redundant und langweilig erscheinen. Taeschner reagiert auf diese Kritik mit der Feststellung, dass das Problem bei dem narrativen Format nicht entsteht. Durch die Theaterform, in der Tat, ermöglicht es spannende und fesselnde Unterrichtsstunden zu erstellen, die echte Interaktionsmöglichkeiten in der neuen Sprache schaffen. In Bezug auf diesem Konzept könnte eine Kritik bewegt werden, dass wir besser in dem Abschnitt besprechen werden, der dem Vergleich zwischen den verschiedenen Ansätzen gewidmet ist.
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3.2.2. Der bildungskommunikative Ansatz und das Projekt LESI. Wie Favaro hevorhebt, hat die italienische Fremdsprachendidaktik lange den so genannten kommunikativen Ansatz angewandt. Es ist ein theoretisches Modell, das die Fremdsprache nicht als ein Objekt in sich selbst zu analysieren und studieren sieht, sondern als ein Mittel, um Bedürfnisse, Gedanken, Emotionen, usw. auszudrucken. Dieser Ansatz wurde später von einem der großen Meister der italienischen Sprachdidaktik perfektioniert, Giovanni Freddi, nach dem die Sprache eine entscheidende Rolle bei der gesamten Bildung der Person spielt (Favaro, 2011). Daher stammt der Begriff „bildungskommunikativ“. "Die Fremdsprache, wie die L1, kann nämlich als ein Mittel für das allgemeine Lernen verwendet werden" (Newbold, 2010 in Ricci Garotti&Stoppini, 2010:121). Dieser Ansatz ist einer der Grundprinzipien der CLIL-Methode (Content and Language Integrated Learning), die aus der Lehre einer Lehrfach durch eine Sprache besteht, die nicht die übliche Kommunikationssprache ist. Wie Favaro feststellt, hat sich die CLIL-Methode in allen Bereichen der Bildung, von der Grundschule zur Hochschulbildung, als wirksam erwiesen und könnte auch im Kindergarten angewandt werden (Favaro, 2011). Was aber den vorschulischen Bereich betrifft, wo es keine Disziplinen und Fächer gibt, ergibt sich das Problem, wie man eine CLIL-Methode anwenden könnte. Favaro bemerkt, dass die vorschulischen Programme in Italien zu einem gemeinsamen Lehrplan gekommen sind, der aus unterschiedlichen Erfahrungsfeldern besteht. Jeder dieser Felder entspricht einem spezifischen Lehrpfad, der das kognitive, kulturelle und soziale Wachstum des Kinds fördert. Die Verwendung einer Fremdsprache als Mittel, um die gleichen Lernziele zu erreichen, die in der Regel auch in der L1 verfolgt werden, könnte in diesem Fall als eine "CLIL-Methode für die Kindheit" gesehen werden (Favaro, 2011). Ein ähnlicher Ansatz, der eine natürliche Annäherung an die Fremdsprache vorschlägt und an pragmatischen Zielen der Sprache basiert, findet man auch bei dem Projekt LESI (Lingue Europee nella Scuola dell‟Infanzia). Das Projekt, das die Annäherung an die deutsche und englische Sprache im Kindergarten fördert, hat sich in den neunziger Jahren auf dem gesamten Gebiet der Provinz Trient entwickelt (Balboni, 2010 in Ricci Garotti&Stoppini, 2010:9). Wie Angeli und Kollegen hervorheben, besteht der Hauptprinzip dieses Projekts aus dem Einfügen der Fremdsprache in den alltäglichen Aktivitäten des Kindergartens. So wäre die Fremdsprache nicht als eine Disziplin gesehen, sondern als Mittel, um etwas anders zu machen. Dies erfordert natürlich die Beteiligung aller Lehrkräfte der Schule (Angeli et al.,
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2010 in Ricci Garotti&Stoppini, 2010:14-15): […] Il progetto LESI può divenire quindi visibile attraverso tutti gli operatori scolastici (le insegnanti, il personale ausiliario, …) che, nel loro agire quotidiano, considerano la lingua straniera e i significati che questa veicola non come un aspetto separato da tutto il resto, ma come una caratteristica costitutiva della realtà della scuola. (Angeli et al., 2010 in Ricci Garotti&Stoppini, 2010:16)
Das Projekt LESI kann nur dann sichtbar werden, wenn alle die Mitarbeiter der Schule (Lehrer, Hilfsmitarbeiter, ...), in ihrer täglichen Arbeit die Sprache als ein konstitutives Merkmal der Realität der Schule betrachten, und nicht als ein separater Aspekt. (Meine Übersetzung von Angeli et al., 2010 in Ricci Garotti&Stoppini, 2010:16)
Wie Ricci Garotti behauptet, stellt LESI methodologisch kein „neutrales Projekt“ dar. Was man hier absichtlich testen wollte, ist die Begegnung mit der Fremdsprache in einem interaktiven Kontext, der so nah wie möglich zu dem der L1 war. In dem Projekt LESI ist der Input in der Fremdsprache ein Mittel, um etwas nicht-sprachliches zu machen. So liegt die Aufmerksamkeit der Kinder und der Lehrer nicht auf der Sprache, sondern auf dem, was man mit der Sprache macht. Ricci Garotti spricht von einem „kommunikativen Handeln im pragmatischen Sinn“, wo die pragmatische Funktion der Sprache, und nicht die Struktur der Sprache an sich, hervorherrscht (Ricci Garotti, 2010:145).
3.2.3. Die zwei Ansätzen im Vergleich. Schließlich wird ein kurzer Vergleich der beiden Ansätzen gemacht, der auch einige kritische Aspekte und Stärke hervorheben wird. In Bezug auf dem Modell des narrativen Formats, zum Beispiel, muss man erstens den Aspekt der Wiederholung betrachten. Ist es wahr, wie Taeschner sagt, dass die theatralische und spielerische Komponente die Kinder drücken, immer wieder die gleichen Abenteuer gern zu wiederholen? Newbold ist skeptisch, was den „natürlichen Wunsch der Kinder“ betrifft, „immer die gleiche Geschichte hören zu wollen“ (Newbold, 2011 in Ricci Garotti & Stoppini, 2011:121). Und jetzt kommen wir zu der Idee der „magischen Welt“ der Fremdsprache, die durch das Modell des narrativen Formats als etwas außerordentliches gesehen wird (vgl. Ritualen des Eingangs und des Ausgangs). Ist es nicht falsch, so eine Idee dem Kind zu vermitteln? Wie
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Ricci Garotti betont, sollte die Sprache für das verwendet werden, was sie tatsächlich ist: ein Teil des täglichen Lebens von Kindern und Erwachsenen, ein Kanal des Kontakts zwischen den Menschen, ein Weg, durch den man die Welt entdeckt. Sie sollte nicht als ein „Fach“ gesehen werden, oder als etwas, das außerhalb uns steht. Sie sollte nicht als etwas Exzentrisches und aus der Norm, in einem „Rahmen“ (vgl. die „magische Welt“ der Fremdsprache im Modell des narrativen Formats) dargestellt werden.
Das heißt, die
Fremdsprache wird besser erworben, wenn sie kohärent in spontanen, phantasievollen und abwechslungsreichen Situationen behandelt wird. Mit anderen Wörtern gesagt, sollte die Sprache in interaktiven Kontexten benutzt werden, nicht in schematischen und „abgepackten“ Situationen (Ricci Garotti, 2010 in Ricci Garotti&Stoppini, 2010:168-169).
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Schluss.
Ziel dieser Bachelorarbeit ist es, einige der kognitiven Vorteilen des Bilingualismus zu zeigen und zu sehen, wie der Bilingualismus konkret gefördert werden könnte.
Warum habe ich beschlossen, mich genau auf die kognitiven Vorteilen des Bilingualismus zu konzentrieren? Aus unterschiedlichen Gründen. Erstens, weil ich alles so faszinierend finde, was mit dem menschlichen Gehirn zu tun hat. Die multidisziplinären Studien über die Beziehung zwischen der Sprache und dem Gehirn sind sehr aktuell und stellen einen sehr fruchtbaren Forschungsgebiet dar. Die Ergebnisse dieser Forschungen haben gezeigt, dass der Bilingualismus/Multilingualismus positive Wirkungen auf das Gehirn hat. Leider weiß man nicht so viel über diese Vorteilen. Ich glaube, dass es weniger Vorurteile und falsche Mythen über dem Bilingualismus geben würden, wenn diese Ergebnisse auch außerhalb dem akademischen Gebiet bekannt werden.
Die kognitiven Vorteilen des Bilingualismus sind auch ein wichtiger Grund, warum Kinder von Anfang an bilingual/multilingual aufwachsen sollten. Und so kommen wir zum zweiten Teil dieser Arbeit, der sich mit einigen Anwendungshypothesen des kindlichen Bilingualismus im vorschulischen Bereich beschäftigt. Insbesondere werden hier kurz zwei unterschiedlichen Ansätzen beschrieben und verglichen: das narrative Format und der kommunikative Ansatz.
Ich bin davon bewusst, dass dieser zweite Teil vertieft werden sollte. Die Thematik der Fremdsprachendidaktik ist sehr weit und könnte eventuell das Thema einer hypothetischen künftigen Diplomarbeit sein.
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