Küche und Keller - Produktion, Vorratshaltung und Konsum in römischer Antike und Frühmittelalter. In: Produktion, Vorratshaltung und Konsum in Antike und Frühmittelalter. SAFM 7 (Hamburg 2014) 3-58.

May 25, 2017 | Author: Päffgen Bernd | Category: Early Medieval Archaeology, Food and Nutrition, Archaeology and Feasting, Roman Archaeology
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Bernd Päffgen

Küche und Keller – Produktion, Vorratshaltung und Konsum in römischer Antike und Frühmittelalter. Einleitende Bemerkungen zum Tagungsthema Schlagworte: Ernährung, Speise- und Trinksitten, Gastmahl, soziale Unterschiede, Schrift- und Bildquellen, archäologische Quellen, Kontinuitätsfrage Keywords:

Diet, food and drinking customs, feast, social distinction, written and iconographical sources, archaeological sources, continuity

Einleitende Überlegungen Unser Thema hat unzweifelhaft Konjunktur: Es ist das kulturgeschichtlich Greifbare, das Nacherlebbare, das die Faszination in der breiteren Öffentlichkeit ausmacht. Diese Ebene sollte nicht nur dem Feuilleton oder Reenactment überlassen werden, obwohl das Römeressen á la Apicius bisweilen ins Peinliche abgleiten kann1. Von ganz unterschiedlicher Qualität sind diesem Bedürfnis geschuldete Kochbücher, die zum Nachahmen anregen2. Um die interessierende kulturgeschichtliche Dimension unseres Tagungsthemas näher ins Auge zu fassen – und eben nicht in das Niveau einer historisch interessierten Kochrunde abzugleiten – erscheinen weitere Worte einer akademisch fundierten Einleitung angebracht. „Der Mensch ist, was er ißt“ betitelt der Schweizer Historiker Jakob Tanner anregende Betrach-

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Ausgangspunkt dieser „experimentellen Annäherung“ ist zumeist Apicius, De re coquinaria. Verlässliche und zugängliche Rezeptumsetzungen: E. Alföldi-Rosenbaum, Das Kochbuch der Römer. Rezepte aus der „Kochkunst“ des Apicius6 (Zürich 1981); M. Junkelmann, Aus dem Füllhorn Roms. 34 Original-Rezepte aus der römischen Küche (Mainz 2000). Als positives Beispiel im bisweilen sehr kommerziell ausgerichteten Literaturangebot: I.  Bauer/S.  Karg/R.  Steinhauser, Kulinarische Reise in die Vergangenheit. Ein Kochbuch mit Rezepten von der Steinzeit bis ins Mittelalter. Schr. Kantonalen Mus. Urgesch. Zug 442 (Zug 2000).

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tungen zur Esskultur3. Ähnlich, nämlich „You Eat What You Are“ lautet der Titel der 1979 ersterschienen Monografie der kanadischen Ernährungs- und Kulturforscherin Thelma Barer-Stein4. Der Aspekt der sozialen Distinktion ist vor allem durch den französischen Soziologen Pierre Bordieu (1930–2002) herausgestellt und populär gemacht worden: ähnlich wie Wohnung und Kleidung sei vor allem das Essen und Trinken nicht primär Ausdruck individuellen Geschmackempfindens, sondern durch die familiäre Herkunft, die Sozialisation und das Lebensumfeld bestimmt – in der Konsequenz funktioniere es als subtiles Unterscheidungssystem in der Gesellschaft5. In der historischen Forschung betonte man vergleichbare Zusammenhänge vor allem seit den 1960er Jahren6. In Deutschland ist die Betrachtung der historischen Esskultur seit dieser Zeit und bis heute Gegenstand der Volkskunde7. Hier findet sich auch die m.E. sehr gewinnbringende diachrone Betrachtung von Essen und Trinken, die in der historischen und archäologischen Forschung eher weniger verbreitet ist, da man sich dort eher bemüht, einen Wissensstand zu einer Zeit zumeist für einen Raum zu geben. Die an sich sinnvolle Beschränkung kann hier Zusammenhänge verunklären.

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J. Tanner, Der Mensch ist, was er ißt. Ernährungsmythen und Wandel der Eßkultur. Hist. Anthropologie 4, 1996, 399–419; Ders., Der Mensch ist, was er isst. Von versalzenen Buchstabensuppen und kochenden Leidenschaften: Exkursionen in die Esskultur. Literaturen. Das Journal für Bücher u. Themen 12, 2002, 23–29. Th. Barer-Stein, You Eat What You Are: A Study of Ethnic Food Traditions (Toronto 1979); im Untertitel verändert: You Eat What You Are: People, Culture and Food Traditions² (Toronto 1999). P. Bordieu, La Distinction. Critique sociale du jugement (Paris 1979). Deutsch: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft (Frankfurt a. M. 1982) mit einem eigenen und lesenswerten Vorwort des Autors. z.  B. E. Ashtor, Essai sur l’alimentation des diverses classes sociales dans l’Orient médiéval. Annales. Économies, Sociétés, Civilisations 23,5, 1968, 1017–1053. G. Wiegelmann, Alltags- und Festspeisen. Wandel und gegenwärtige Stellung (Marburg 1967); G. Hirschfelder, Europäische Esskultur. Geschichte der Ernährung von der Steinzeit bis heute (Frankfurt a. M., New York 2001).

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Fragen wir gleich zu Beginn nach der Anwendbarkeit der These Bordieus auf unser Thema: Für die römische Kaiserzeit ist die spezielle und hochstehende Tafelkultur zu betonen8. Horaz (65– 8 v. Chr.) tadelte in seinen Satiren diejenigen Zeitgenossen, die von sich glaubten, tafeln zu können, ohne jedoch in die wahren Geheimnisse des Geschmacks eingedrungen zu sein9. Das Lukullische Mahl bezeichnet bis heute die herausragende und mit Leckerbissen gewürzte Bewirtung. Bekannt sind kostspielige Gastmähler, bei denen seltene Gerichte serviert wurden, deren Herbeischaffung große Schwierigkeiten und Kosten verursachten. Der Feldherr und Konsul Lucius Licinius Lucullus (117–56 v. Chr.) benannte seine Speisesäle eingängig nach dem Preis des darin abgehaltenen Mahles; dies war für ihn anschaulicher, als sich beispielsweise nach dem Dekor des Apollosaals zu richten. Marcus Gavius Apicius (25 v.  Chr.–ca.  40 n.  Chr.), dessen Vermögen auf zehn Millionen Sesterzen

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Als Überblickswerke: G. Gerlach, Essen und Trinken in römischer Zeit. Führer und Schriften des Archäologischen Parks Xanten 9 (Köln 1986); Dies., Zu Tisch bei den alten Römern. Eine Kulturgeschichte des Essens und Trinkens (Stuttgart 2001); J. André, Essen und Trinken im alten Rom (Stuttgart 1998); A. Dalby, Food in the ancient world from A to Z (London 2003); E. Stein-Hölkeskamp, Das römische Gastmahl: eine Kulturgeschichte (München 2005). Vgl. auch A. E. Cooley/M. G. L. Cooley, Pompeii: A Sourcebook (London 2004) bes. 162–168 zu „Consumption: Food and Drinks”. G. Lieberg, Die Bedeutung des Festes bei Horaz. In: H. Flashar (Hrsg.), Synusia. Festschr. W. Schadewaldt (Pfullingen 1965) 405–427. – Die Kritik am Aufgesetzten und bloß Imitierenden bietet das desaströse Gastmahl des neureichen Nasidienus (Hor., Sat. 2,8: Horaz, Sämtliche Werke, hrsg. v. H. Färber. Sammlung Tusculum [München 1993] 409–417). Andererseits spottet Horaz, Sat. 2,4 über Catius, der kulinarische Weisheiten im Stile geheimer Einweihungspraxis zelebriert: man müsse lernen, die Qualität der Lebensmittel zu prüfen (Vers 12–21), um die genaue Zubereitung wissen (Vers 35–39) und natürlich auch das Geschirr sei passend auszuwählen (Vers 76 f.).

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zusammengeschmolzen war, konnte in solcher Armut nicht mehr leben10. Von daher wird man für die Römerzeit die gesellschaftliche Distinktion im Lebensbereich von Essen und Trinken schnell nahvollziehen. Aber gilt das denn auch für das frühe Mittelalter mit seiner relativen Quellenarmut? Hirschfelder betont den Rückgang der bisherigen Qualitätsansprüche gehobener Ernährung zugunsten der bloßen Quantität im Frühmittelalter11. Dies mag auch zunächst plausibel erscheinen, aber ist dies so verkürzt haltbar? Das altirische Gesetzbuch Senchus Mor aus dem 8.  Jahrhundert differenziert eingängig bei der Regelung der Pflegekindbetreuung hinsichtlich der Herkunft und der Grundverpflegung mit Brei nach drei Qualitätsabstufungen. Die Kinder der unteren Schichten seien so zu versorgen, dass sie stets zum Überleben ausreichend viel Brei aus Hafermehl und Buttermilch bekommen sollen. Ersatzweise könne der Haferbrei mit Wasser angerührt werden, zu dem dann aber die alte Butter des Haushalts gegeben werden soll. Die Abkömmlinge der Oberschicht dagegen seien in unbegrenzter Menge mit einem Brei zu verpflegen, der aus Gerstenmehl, frischer Milch und frischer Butter zuzubereiten sei. Die Söhne der Könige aber hätten ein Anrecht auf Brei aus Weizenmehl und frischer Milch, der mit Honig ver-

10 Seneca, De consolatione ad Helviam matrem 10,8–10 (L. Annaei Senecae Dialogorum libri X, XI, XII, ed. J. D. Duff [Cambridge 1915] 77 f.) in Übersetzung: „Apicius, der … als Lehrer der Kochkunst auftrat und mit seiner „Wissenschaft“ den Zeitgeist bestimmte. Es lohnt der Mühe, sein Ende kennen zu lernen. Nachdem er 100 Millionen Sesterzen auf die Küche verwendet, so viele Geschenke der Großen und eine so ungeheure Summe, wie sie der Bau des Kapitols erfordert, für jedes einzelne Gelage verschwendet hatte, bilanzierte er, von Schulden erdrückt, notgedrungen zum ersten Mal seinen Haushalt, und da er ausrechnete, dass ihm nur noch zehn Millionen Sesterzen übrig blieben, setzte er seinem Leben selbst mit Gift ein Ende, da er fürchtete, nun ein Leben in Hunger führen zu müssen, wenn er von zehn Millionen leben sollte. Wie groß war die Üppigkeit eines Menschen, für den zehn Millionen Sesterzen wie Bettelarmut waren!“ 11 Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 94–112 bes. 100 mit dem Fazit: „Das entscheidende Kriterium war die Quantität: Viel aufzutischen war wichtiger als die Raffinesse bei der Zubereitung“.

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feinert werden müsse12. Die Quelle verdeutlicht die Bedeutung des Getreidebreis, der eigentlich immer verfügbar war und auch archäologisch nachzuweisen ist13. Gregor von Tours (538/39–594 n. Chr.) nennt einen Mönch, der nur alle drei Tage einen Becher oder Napf mit Gerstengrütze zu sich nahm (Hist. 4,34). Vor diesem Hintergrund können wir auch die Überlieferung zu einem Einsiedler namens Irmundus verstehen, der wohl im 7. Jahrhundert nordwestlich von Köln lebte. Von diesem hieß es, er sei ein insularer Königssohn, der alles aufgegeben habe und nur noch seinen (Brei)-Napf besitze14.

Essen und Trinken in römischer Zeit Der Getreidebrei bietet ein gutes Motiv zum Vergleich mit der Römerzeit. Die traditionelle altrömische Speise war bekanntlich der puls genannte Getreidebrei15. Dieser dürfte auch im Militär gängige Speise gewesen sein. Schnell assoziiert man das contubernium, die Stubengemeinschaft, die sich mit der Getreidemühle abmüht, die puls zu bereiten. Marcus Junkelmann hat jedoch klarmachen können, dass die aus historischen Quellen belegte 12 P.  Lysaght, Continuity and Change in Irish Diet. In: A. Fenton/E. Kisban, Food in Change. Eating Habits from the Middle Ages to the Present Day (Edinburgh 1986) 80–96 bes. 81. – Wichtig erscheint mir die hier sehr deutlich werdende subtile Unterscheidung, die auf Qualitätsabstufungen abhebt. Zum Hierarchischen im frühmittelalterlichen England: A. Hagen, A Handbook of Anglo-Saxon Food. Processing and Consumption (Pinner 1994) 204. – Anders argumentiert Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 100, der die Quantitäten als das Entscheidende in der Nahrung des Frühmittelalters ansieht. 13 B. Päffgen, Die Ausgrabungen in St. Severin zu Köln, Teil 1. Kölner Forschungen 5,1 (Mainz 1992) 372  f. zu mit Honig gesüßtem Hirsebrei in einem Napf aus dem fränkischen Jungengrab III,65 der Mitte des 5. Jhs. aus St. Severin in Köln. – Anthimus, De observatione kannte im frühen 6. Jh. Hirsebrei als fränkische Speise und empfahl ihn warm gegessen für Dysenteriekranke. 14 AA S Jan. 3 (1866) 458 f.; Päffgen 1992 (Anm. 13) 373 Anm. 40; D. P. J. Wynands, Irmundus vom Hahnerhof – Anmerkungen zu Vita und Kult eines Heiligen des Jülicher Landes. Rhein.-westf. Zeitschr. Volkskde. 49, 2004, 257–268. 15 Apic. 5,1 (Apicii decem libri cvi dicvntur de re coquinaria a Vinidario conscripta, hrsg. v. M. E. Milham [Leipzig 1969]; Marcus Gavius Apicius, De re coquinaria. Über die Kochkunst, mit den Auszügen aus Apicius von Vinidarius, hrsg. v. R. Maier [Stuttgart (1991)]. – Vgl. S. Bommer/L. Bommer-Lotzin, Die Gabe der Demeter. Die Geschichte der griechischen und römischen Ernährung (Krailling bei München 1961) 51; M. Währen/ Ch. Schneider, Die puls. Römischer Getreidebrei. Augster Museumsh. 14 (Augst 1995).

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Breiverpflegung der Soldaten zumindest in unseren Breiten illusorisch ist, Brot und Fleisch zusätzlich gegessen wurden16. Eine Aufwertung des Breis mit zugegebenen Würstchen oder einem Stück Fleisch ist vorstellbar. Zwiebel und Lauch, Kohl und Rüben, aber auch Hülsenfrüchte wurden häufig gegessen – mit Salz, Öl, Honig, Käse, Milch oder Essig zubereitet und gerne mit Würzpflanzen wie Kümmel, Dill und Anis aufgewertet. Wo und wie gab es Brotrationen? Unser Bild ist den früh- und mittelkaiserzeitlichen Verhältnissen geschuldet. Es stellt sich die Frage nach den Verhältnissen in der Spätantike. Hier kochte die Stubengemeinschaft nicht mehr, sondern es gab eine zentralere Verpflegungsorganisation, wie sie beispielsweise aus Papyri in Ägypten fassbar ist17. Die Verpflegung spätantiker Soldaten setzt Großküchen im militärischen Kontext, entsprechende Vorratshaltung und Bäckereien voraus. Das Brot ist bis heute von elementarer Bedeutung und steht für das Leben schlechthin. Der komplexe Vorgang der Zubereitung lohnt Brotherstellung nur für größere Mengen bei konstanter Abnahme. Aus Pompei sind bekanntlich Originalfunde von Broten ebenso wie Darstellungen in der Wandmalerei überliefert. Ein archäologischer Glücksfall stellt die Bäckerei des N. Popidius Priscus in Pompei (Regio VII, Insula 2, 22) dar, zu der dort etwa 30 weitere Befunde dieser Art kommen18. Solche Bäckereien waren zentrale Einrichtungen und Bestandteil einer Infrastruktur für größere Konsu16 M. Junkelmann, Panis militaris. Die Ernährung des römischen Soldaten oder der Grund­stoff der Macht (Mainz 1997); vgl. auch R. W. Davies, The roman military Diet. Britannia 2, 1971, 122–142; C. Dickson, The Roman Army Diet in Britain and Germany. In: U. Körber-Grohne/H. Küster (Hrsg.), Archäobotanik: Symposium der Universität Hohenheim vom 11.–16. Juli 1988 (Berlin 1989) 135–154. – Gut vorgelegte Tierknochenfunde von einem römischen Militärplatz: E. Lipper, Die Tierknochenfunde aus dem römischen Kastell Abusina-Eining, Stadt Neustadt a. d. Donau, Lkr. Kelheim. Ber. Bayer. Bodendenkmalpfl. 22/23, 1981/82, 81–160. 17 R. Alston, Soldier and society in Roman Egypt (London 1995); F. Mitthof, Annona militaris: Die Heeresversorgung im spätantiken Ägypten. Ein Beitrag zur Verwaltungs- und Heeresgeschichte des Römischen Reiches im 3. bis 6. Jh. n. Chr. (Florenz 2001). 18 K. Oberhofer, Die Bäckerei VII, 2, 22 in Pompeji. In: G. Grabherr/B. Kainrath (Hrsg.), Akten des 11. Österreichischen Archäologentages in Innsbruck, 23.–25. März 2006. IKARUS 3 (Innsbruck 2008) 205–214. Vgl. auch B.  J. Mayeske, Bakeries, bakers and bread at Pompeii: A study in social and economic history (Maryland 1972). – Auch in Herculaneum gibt es solche Befunde, z. B. die pistrina am Cardo V.

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mentengruppen, die in Städten und vici lebten. Graffiti in Pompei belegen übrigens auch gezielte Werbung der Hersteller: „par in panem imperium non habet“19 und Brot im Zusammenhang mit Wahlkampfparolen: „G. Iulium Polybium aedilem oro vos faciatis. Panem bonum fert“20. Über die Originalfunde aus Pompei und Herculaneum gibt es archäologische Nachweise für zehn verschiedene Brotformate, die sich nach Machart und geschmacklich unterschieden haben dürften21. Das Brot wurde an einer Theke in oder an einem Stand vor der Bäckerei (pistrina) selbst verkauft, war aber wohl auch in Lebensmittelgeschäften und in den tabernae erhältlich. Opferbrote gab es in Tempeln, wie vielleicht aus Graffiti vom Apollotempel in Pompei zu schließen ist22. In der Stadt Rom wurde die berufsständische Vereinigung der Bäcker 168 v.  Chr. als Collegium Pistorum gegründet23. Aufnahmefähig waren nur liberti, deren zunftständige Zugehörigkeit lebenslang war und auf die Söhne überging. Hygienevorschriften regelten z.  B. den Nichtkontakt der Bäcker zu Schauspielern und Gladiatoren. Bäcker waren durchaus angesehen und

19 Übersetzung des Werbespruchs: „So einen Brotproduzenten gibt es im ganzen Reich nicht“. Wohl in Verballhornung des Rechtsgrundsatzes „Par in parem non habet imperium“, vgl. D. Liebs/H. Lehmann, Lateinische Rechtsregeln und Rechtssprichwörter (München 2007) 168. 20 CIL IV,429. Übersetzung: „Danke für den Ädilen Gaius Julius Polybius. Er sorgt für gutes Brot“. 21 Mayeske 1972 (Anm.  18) 46 Taf.  VII, 1 (runde Brotlaibe aus dem Ofen der Bäckerei VII.i.36/37, einige davon mit Stempelung des Bäckers); 48 Taf. VII,2 (Formen zur Herstellung von runden Broten aus Herculaneum; 47  f. zu einem Laden/Verkaufsstand mit Broten und Kuchen in situ sowie 52–54 zu Kuchen. Vgl. auch: K. Deppmeyer, Was vom Leben übrig blieb … Die Vesuvstädte nach 79 n. Chr. In: H. Meller/J.A. Dickmann (Hrsg.), Pompeji – Nola – Herculaneum. Katastrophen am Vesuv. Ausstellungskat. Halle 2011–2012 (München 2011) 85–94 bes. 93 Abb. 8 (verkohlt-vollständiges, rundes Brot). 22 Die Grafitti lauten: „Verecunnus libarius hic“ und „Pudens libarius“: CIL IV, 1768– 1769; E. Diehl, Pompeianische Wandinschriften und Verwandtes (Bonn 1910) Nr. 447. Sie dürften zu Verkaufsständen gehört haben. 23 Plin. hist. nat. 18, 107–108 (ed. K. F. Th. Mayhoff [Leipzig 1906]. – Zum collegium pistorum und seiner Bedeutung im Zuge der Organisation der annonaria: Gaius 1,34 (Die Institutionen des Gaius, hrsg. v. U. Manthe [Darmstadt 2004] 49). Zur Privilegierung der pistores vgl. E. Höbenreich, Annona (Graz 1997) 119–131.

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konnten gerade in Zeiten wirtschaftlicher Krisen zu Wohlstand gelangen24. Das wohl frühaugusteisch zu datierende, 1838 von Verbauung befreite Grabmal des Großbäckers Eurysaces an der Aurelianischen Mauer bei der Porta Maggiore in Rom ist wie ein gigantisches Firmenlogo in Form eines Backofens25 gestaltet, zeigt in einem Bekrönungsfries detailreiche Darstellungen der Brotherstellung26 und besitzt an seinen drei erhaltenen Seiten die Inschrift „est hoc monimentum Marcei Vergilei Eurysacis pistoris redeptoris: apparet“27. Die Sicherung der Getreideversorgung war eine zentrale staatliche Aufgabe (cura annonae)28. Im Zuge der annona civilis wurde unter Augustus in Rom Getreide (frumentum)29 an etwa 120 000 Berechtigte ausgegeben, während unter Septimius Severus mittlerweile 200  000 Empfänger überliefert sind, die dann auch für das 4. Jahrhundert als mehr oder weniger konstante Größe angenommen werden30. Peter Herz nimmt für die Zeit Trajans in Rom "250 pistrina publica" an31. Die Notitia Urbis Romae listet für die 14 Stadtbezirke Roms im 4. Jahrhundert 254 oder 274 Bäckereien auf, die nach 24 Zu Versorgungskrisen bis in die Spätantike vgl. den Überblick bei P. Garnsey, Famine and food supply in the Graeco-Roman world: Responses to risk and crisis (Cambridge 1989). 25 Alternativ ist an eine Art Getreidespeicher (horreum) zu denken. Auch aufeinander gestapelte Getreidehohlmaße oder Brotteigknetkübel wurden diskutiert: O. Brandt, Recent research on the tomb of Eurysaces. Opuscula Romana 19, 1993, 13–17 bes. 15–17. 26 M. Eisner, Zur Typologie der Grabbauten im Suburbium Roms. Mitt. DAI, Röm. Abt., Ergh. 26 (Mainz 1986) 92–94 Taf. 36,1–3; Brandt 1993 (Anm. 25). 27 CIL I, 1203–1205 mit den drei sich wiederholenden Inschriften, die im volkstümlichen saturninischen Versmaß zu lesen sind und konkret wohl auf die Reliefdarstellungen Bezug nehmen: W. Beare, Latin verse and European song: A study in accent and rhythm (1957) 179. Übersetzung: „Dies ist das Grabmal für Marcus Vergilius Eurysacis, den Bäcker und (im öffentlichen Auftrag tätigen) Unternehmer: hier ist zu sehen, was er machte“. Vgl. auch zu den alternativ möglichen Auflösungen zu „apparet“: P. Kruschwitz, Carmina Saturnia epigraphica (Stuttgart 2002) 180–187. Eurysaces war wohl für staatlich bestellte Brotlieferungen zuständig. 28 A. Chastagnol, La préfecture urbaine à Rome sous le Bas-Empire (Paris 1960) 312–316; P. Herz, Studien zur römischen Wirtschaftsgesetzgebung: Die Lebensmittelversorgung (Stuttgart 1988) 262–301. 29 M. Rostowzew, frumentum. In: RE XIII (1910) Sp. 126–185; W. Jongman, Cura annonae. In: Der Neue Pauly III (1997) Sp. 234–236. 30 Cassius Dio 76,1.1 (Cassius Dio, Römische Geschichte, übers. v. O. Veh [Düsseldorf 2007]). Vgl. M. L. Ceparano, I pistrina nei Regionari di IV secolo. Mél. École Française Rome, Antiquité 110,2, 1998, 917–927. 31 Herz 1988 (Anm. 28) 112.

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Sirks sowohl für die staatlich finanzierten Brotausgaben zuständig waren als auch für den privaten Bedarf arbeiteten32. In Konstantinopel war die Versorgung über 21 Großbetriebe (pistrìna publica) anders organisiert als in Rom33. Interessanterweise ergibt sich auch ein Bedeutungswandel im Laufe der Zeit: Die Zuweisung der annona konnte als eine Art Alimentierung der plebs verstanden werden34, während panis gradilis35 als gängige Bezeichnung der Spätantike das an den Stufen verteilte Bedürftigenbrot meint, für das der Herrscher in seiner liberalitas sorgte36. In Konstantinopel wurden täglich 32 B. Sirks, The size of the grain distributions in imperial Rome and Constantinople. Athenaeum 79, 1991, 215–237 hier 224. 33 Ceparano 1998 (Anm. 30); Socr. hist. eccl. 5,18 berichtet von Brotausgaben an Bedürftige, für die riesige Öfen nötig waren (Sokrates, Kirchengeschichte, hrsg. v. G. Ch. Hansen. GCS N. F. 1 [Berlin 1995] 291-293). 34 K.-W. Weeber, Sozialleistung. In: Ders., Alltag im Alten Rom. Das Leben in der Stadt (Düsseldorf 1995) 334–337. 35 CTh. 14,16.1 (Theodosiani libri XVI cum constitutionibus Sirmondianis et leges novellae ad Theodosianum pertinentes, hrsg. v. Th. Mommsen/P. Meyer [Berlin 1905, Nachdr. 1970]) zur Regelung der Lebensmittelversorgung in Übernahme älterer Vorschriften seit der Lex Sempronia frumentaria; vgl. C. Virlouvet, Les lois frumentaires d’époque républicaine. In: Centre Jean Bérard (Hrsg.), Le ravitaillement en blé de Rome et des centres urbains des débuts de la République jusqu’au Haut Empire. Colloque Naples 1991. Coll. du Centre Jean Bérard 11 = Coll. de l’École Française de Rome 196 (Neapel 1994) 11–29; CTh. 14,17,3 (4. April 365) als Dienstanweisung an den praefectus annonae wegen der ausschließlichen Ausgabe des kostenlosen Brots in speziellen Vorrichtungen ad gradus und dem Verbot der Direktabholung in den Bäckereien und ebd. 14,17,4 mit gleichem Datum an den Präfekten des Prätoriums zur Gewährleistung der der Öffentlichkeit des panis gradilis. – Vgl. M.  Rostowzew, Römische Bleitesserae. Ein Beitrag zur Social- und Wirtschaftsgeschichte der römischen Kaiserzeit. Klio-Beih. 3 (Leipzig 1905) 10–42; M. E. Pfeffer, Einrichtungen der sozialen Sicherung in der griechischen und römischen Antike unter besonderer Berücksichtigung der Sicherung bei Krankheit (Berlin 1969) 131–140; S. Schmidt-Hofner, Reagieren und Gestalten: Der Regierungsstil des spätrömischen Kaisers am Beispiel der Gesetzgebung Valentinians I. Vestigia 58 (München 2008) 313 f.; C. Virlouvet, Tessera frumentaria. Les procédures de distribution du blé public à Rome à la fin de la République et au début de l’Empire. Bibliothèque des écoles françaises d’Athènes et de Rome 286 (Rom 1995). – Man stellte wohl hölzerne Podeste mit Stufen (suggestum) auf, wie es Münzbilder nahe legen. Die Verteilung dürfte aber auch an repräsentativen Treppenanlagen vorgenommen worden sein. – J. Gaudement, Du bon usage des mélanges. Apropos de CTh. 11,14,1. In: M. Ascheri (Hrsg.), „Ins Wasser geworfen und Ozeane durchquert“: Festschrift für Knut Wolfgang Nörr (Köln 2003) 271–280, hier 278 hält auch die Verteilung in Circus und Amphitheater für möglich. 36 R. Klein, Zum Verhältnis von Staat und Kirche in der Spätantike. Studien zu politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen (Tübingen 2008) 57–60.

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80  000 Brote im Zuge eines Bezugsberechtigungssystems gegen Vorzeigen von Wertmarken (tesserae) ausgegeben; Missbrauch in Form von nichtangezeigtem Wohnungswechsel und Verkauf der Wertmarken stand unter Strafe37. Es existierte auch die Sitte des Haus(bau)brots, das als eine Maßnahme spätantiker Mittelstandsförderung verstanden werden kann und in Konstantinopel und anderen Städten denjenigen zustand, die ein Haus in behördlicher Förderung errichteten (panis aedium auch p. aedilis)38. Schließlich gab es – zumindest zeitweise – auch subventioniertes Brot, das panis fiscalis oder panis popularis genannt wurde39. Aus einer Zaccharias, dem 536 in Mitilene amtierenden Bischof, zugeschriebenen Beschreibung Roms in der Zeit des Ostgotenkönigs Totila (542–552) ist immer noch von 274 Öfen die Rede, die die Brotversorgung für die Stadtbevölkerung garantierten und deren Vorhandensein eine erstaunliche Kontinuität der städtischen Infrastruktur über Jahrhunderte nahe legen würde40. Als besonders schmackhaft galt in der antik-mediterranen Welt ein helles Weizenbrot (Weißbrot), bei dem besonders auf die Farbe geachtet wurde. Plinius berichtet, dass der dunkle Weizen, wie er auf Zypern gedieh, zu dunkles Brot lieferte, so dass man weißen Weizen aus Alexandria zukaufte, um ihn in den Bäckereien beizumischen41. Man unterschied nach Herstellung, Verwendung und Form unterschiedliche Brotsorten und -formen, die vom schnell gemachten Brot (speusticus), 37 Constantius II. hatte 341 kurzzeitig die Anzahl der Brotrationen halbiert. Theodosius I. erhöhte die Zahl der 80 000 Berechtigten um 1000: CTh. 14,17,14; vgl. Klein 2008 (Anm.  36) 59  f. Der frühbyzantinische Chronist Johannes Malalas beschreibt, dass Constantin I. einst zur Feier des Ende seines Consulats als Geschenk für die Bewohner Konstantinopels Marken für den Bezug von Brot in die Menge geworfen habe: Malal. XIII, 322 (Johannes Malalas, Weltchronik, übers. v. H. Thurn/M. Meier [Stuttgart 2009] 334). – Vgl. E. Krengel/P. Speck, Kalamon syntomia. Zu griechischen Bezeichnungen für tesserae. Rhein. Mus. Philologie 1991, 196–202; vgl. J. W. Nesbitt, Byzantine copper tokens. In: N. Oikonomides (Hrsg.), Studies in Byzantine Sigillography (Washington 1987) 67–75. 38 Klein 2008 (Anm. 36) 60. 39 J.-M. Carrié, Les distributions alimentaires dans les cités de l’Empire romain tardif. Mél. École Française Rome 87, 1975, 995–1101 hier 1037–1043; E. Lo Cascio, Canon frumentarius, suarius, vinarius. In: W.  V. Harris (Hrsg.), The transformations of urbs Roma in Late Antiquity (Portsmouth 1999) 163–182 bes. 170. 40 R. Valentini/G. Zucchetti, Codice topografico della città di Roma I (Rom 1940) 331; Ceparano 1998 (Anm. 30). 41 Plin. hist. nat. 12 (zum Weizen).

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Fladenbrot, Krustenbrot, Käsebrot, süßem Brot bis hin zu einem Art Kräcker reichten (artolaganus), den man zu Austern darbot (Plin. hist. nat. 18,27). Das grobe dunkle Brot (panis sordidus) war preiswert und wurde auf dem Lande und von der armen Stadtbevölkerung verzehrt. Meist aß man ein helles und feineres Brot, das panis secundus hieß. Das teurere Weißbrot erster Klasse hieß siligineus. Panis picentino war ebenfalls kostspielig und musste in Milch oder mulsum eingeweicht werden (Plin. hist. nat. 106). Panis militaris war eine Art Zwieback, der vor dem Verzehr ebenfalls eingeweicht wurde (Plin. hist. nat. 18,68). Ähnlich war der Schiffszwieback, Panis nauticus (Plin. hist. nat. 22,138). Panis alexandrinus oder Panis cappadocianus galten als fremdländisch. Panis farreus spielte als spezielles Brot eine zeremonielle Rolle bei der Hochzeit und wurde vom Brautpaar gebrochen. Ring- oder Kranzform besaß Panis mustaceus, das man bei Hochzeiten und ähnlichen Festen reichte (Cat. de agri cultura 121). Größere Brotlaibe besaßen eine vorgesehene Viertelungskerbe (panis quadratus). Ein spätantiker Begriff wohl für einen kleineren runden Brotlaib besserer Qualität ist bucellum42. Der Getreideanbau wurde in römischer Zeit sehr effektiv betrieben und soll erst wieder im 18. Jahrhundert vergleichbare Erträge erbracht haben43. Freilich ist jedoch auch zu bedenken, dass der Getreideanbau im Römischen Reich landschaftlich unterschiedliche Voraussetzungen hatte und auch chronologisch relevante Entwicklungen anzunehmen sind. Veränderungen in Spätantike und Frühmittelalter sind sowohl klimatischen Änderungen, als auch Veränderungen in Bedarf und Geschmack geschuldet. Der Anbau von Dinkel ging zurück, Hirse und Roggen gewannen an Bedeutung44. Mit der Expansion des Römerreichs kann man einerseits von einer „kulinarischen Akkulturation“ sprechen45, andererseits ist sicher auch das Bild

42 Valens ließ sex bucella sine pretio ausgeben (CTh. 14,17,5 u. 7). Vgl. Klein 2008 (Anm. 36) 59 Anm. 24. – Bucellum heißt der lederne Weinschlauch, aber auch bucella im Sinne von Happen bzw. Mundfüllung ist zu assoziieren. 43 F. Kolb, Die Stadt im Altertum (München 1984) 244. 44 U. Dirlmeier, Ernährung. In: LexMA 3 (1986) Sp. 2162; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 97; J. Haas, Die Umweltkrise des 3. Jahrhunderts n. Chr. im Nordwesten des Imperium Romanum. Interdisziplinäre Studien zu einem Aspekt der allgemeinen Reichskrise im Bereich der beiden Germaniae sowie der Belgica und der Raetia Geographica historica 22 (Stuttgart 2006). 45 G. E. Thüry, in: J. Meurers-Balke/T. Kaszab-Olschewski (Hrsg.), Grenzenlose Gaumenfreuden. Römische Küche in einer germanischen Provinz (Mainz 2010) 11.

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des Imperiums „mit vielen Küchen“ zutreffend46. Vergegenwärtigen wir uns aber zunächst die Küche als Örtlichkeit und Funktionsbereich47. Die römische Küche (culina) hat wenig mit dem heute aktuellen Konzept einer integrierten Wohnküche gemein48. Römische Küchen waren separiert, oft an der Gebäuderückseite situiert. Cato empfahl allen Ernstes wegen der Wärme, die im Winter vom aufgestallten Rindvieh ausging, den baulichen Zusammenhang mit dem Stallteil der ländlichen Villa. Die Befunde in Pompei zeigen eine Bandbreite der Lagetypen49. Ein verbindlicher Raumtyp existierte nicht; rechteckige oder L-Grundrisse kommen vor. Die wassertechnisch bedingte Nähe zur latrina bzw. zum Bad ist ebenso wie der Bezug zu Vorratsräumen festzustellen. Die häufig schlechte Anbindung von Speisesaal und Küche sowie das daraus resultierende lauwarm servierte Essen waren sogar literarische Themen50. Es existierte eine von der Küche ausgehende und als bedrohlich empfundene Brandgefahr51. Mit der Küche war aber auch eine religiöse Dimension verbunden, die sich textlich (Plaut. aul. 2,8; 5,4; Hor. sat. 2,6,65; Mart. epig. 7,27) und archäologisch z.  B. über die Hausaltäre in den Küchen von Pompei ergibt. Die in Pompei nachweis46 Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm.  45) 10. – Für Britannien: J. Alcock, Food in Roman Britain (Charleston 2002). – Für Niedergermanien: Meurers-Balke/ Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45); vgl. zu den dortigen wirtschaftlichen Grundlagen B. Beyer-Rotthoff/M. Luik, Wirtschaft in römischer Zeit, mit einem Beitrag von R. Loscheider. Geschichtl. Atlas der Rheinlande, Beih. III/3–4 (Bonn 2007); P. Rothenhöfer, Die Wirtschaftsstrukturen im südlichen Niedergermanien. Untersuchungen zur Entwicklung eines Wirtschaftsraumes an der Peripherie des Imperium Romanum. Kölner Stud. Arch. Röm. Prov. 7 (Köln 2005). – Verhältnisse im Militärbereich: D. J. Breeze, Demand and supply on the northern frontier. In: Ders./B. Dobson, Roman officers and frontiers. Roman Army Researches 10 (Stuttgart 1993) 526–552; Junkelmann 1997 (Anm. 16). 47 Küche: Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 40–47. 48 Einige Textstellen legen aber nahe, dass eine ärmere Bevölkerung durchaus die Küche zu Wohnzwecken nutzte: Colum. 1,6 (L. I. M. Columella, De re rustica libri XII, hrsg. v. W. Richter [München 1981–1983], Bd. 1 [München 1981] 8 ff.); Varro, De re rustica 1,13 (Terenti Varronis Rerum rusticarum lbri tres, ed. G. Goetz. Bibliotheca scriptorum Graecorum et Romanorum Teubneria [Leipzig 1912] 27  f.; Marcus Terentius Varro, Über die Landwirtschaft, hrsg. von D. Flach [Darmstadt 2006] 64–66; 210 f.) 49 Einige Beispiele für Küchen in Pompeji: I.3.31; I.6.7; I.12.11; I.10.16 ; I.11.17 ; V.4.3 ; VI.9.5; VI.9.12; VI.11.9; VI.15.23; VII.3.4; VII.14.19; VIII.5.37; IX.3.2; IX.3.17; X.9.a; X.14.4. 50 Sen. ep. 78,23. 51 Hor. sat. 1,5; Colum. De re rustica I; Plaut. aul. 5,2 (Römische Komödien 1: Plautus, Der Schatz (Aulularia), übers. v. C. Bardt [Berlin 1903] 61-64).

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baren „Keller-Küchen“ waren durchaus üblich52. Die meisten der in Pompei gefundenen Küchen zeigen als Hauptmerkmal die Herdstelle als erhöhten, aufgemauerten Bereich mit Ziegelabdeckung, auf der man ein offenes Feuer entfachte. Darin wurde – wie es im Haus der Vettier in Pompei erhalten ist – in einem Topf auf einem eisernen Dreifuss gekocht. Auch eine Art Backofen mit Rauchabzug ist nachweisbar. Als weitere Installation ist in Pompei auch ein festes Wasserbecken zu belegen. Besonders wertvoll sind die Küchenausstattungen53. Den Befunden von Pompei sind weitere in Herculaneum, Stabia, Ostia und Oplontis zur Seite zu stellen. Hinweise zur römischen Küchenausstattung gibt es nicht nur über Fundzusammenhänge wie in Pompei, sondern auch über die Philologie54. Diese Quellen sind mit heranzuziehen, da sie das archäologische Material ergänzen. Weniger aufwändige Brotbacköfen, die wir uns beweglich und archäologisch nicht nachweisbar vorzustellen haben, heißen testa oder clibanus – wohl eine Mischung aus Toaster und Minipizzaofen heutiger Terminologie. Auch eine Art transportabler Grill ist als craticula zu belegen. Pfannen heißen allgemein cacabus. Zur Ausstattung gehörte eine Metallbratpfanne (fretale oder sartago) aus Bronze oder Eisen. Pultarius bezeichnet eine Saucenpfanne. Messer, Löffel, Kasserollen und mortaria gehörten ebenfalls zur Ausstattung der Küche. Serviert wurde auf rundlichen Metallplatten, den disci. Seit den 1970er Jahren gehören nachempfundene Küchen zur Ausstattung archäologischer Museen in England und Deutschland (z. B. RGM Köln). Im Museum of London wird auf einen konkreten Befund Bezug genommen. In der Villa von Bad Neuenahr ist die Küche im Grabungsbefund zugänglich. Eine sehr freie Rekonstruktion einer Küche ist in Borg im Saarland zu sehen. Museale Herdrekonstruktionen werden in Augst und Aquincum präsentiert. Besonders gute Küchenbefunde sind in städtischem Kontext aus

52 Aus Plaut. aul. 5,3 geht neben der regulären ebenerdigen Küche die Existenz einer behelfsmäßigen Kellerküche hervor. 53 P. M. Allison, Pompeian households: An analysis of the material culture (Los Angeles 2004). 54 E.  Brödner, Wohnen in der Antike (Darmstadt 1989); J.  Jacobs (Hrsg.), Bauen und Wohnen in Rom: Römische Architektur und Wohnkultur (Frankfurt 1983); Ch. Kurz (Hrsg.), Römische Wohn- und Lebenswelten (Darmstadt 1999); W. Hilgers, Lateinische Gefäßnamen. Bezeichnungen, Funktion und Form römischer Gefäße nach den antiken Schriftquellen. Bonner Jahrb., Beih. 31 (Düsseldorf 1969).

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Augst von der insula 30 und insula 23 mit Räucherkammer überliefert55. Aus Köln ist z. B. der in der Ecke der Küche mit Ziegelabdeckung aufgemauerte Herd im repräsentativen Haus mit dem Dionysosmosaik mit 2,35 m Länge, 1,35 m Tiefe und 0,48 m Höhe gut erfasst56. Für einen Grabungsbefund einer Villa im Rheinischen Braunkohlengebiet sei auf die Fundstelle Hambach 132 verwiesen57. Einblick in das Minimum von Kücheninventar und Vorratshaltung in einer elenden insula Roms gibt Martial in seiner Schilderung des ärmlich lebenden Vacerra – wohl jener, der sich oft auf den öffentlichen Toiletten in Erwartung einer Einladung zum Essen aufhielt (Mart. epig. 11,77), der – verschuldet vor der Pfändung stehend und zur baldigen Obdachlosigkeit verdammt – nur noch ein Kohlenbecken, eine Amphore mit schlechtem eingelegtem Fisch, einen Käse, Flohkraut sowie Reste von Strängen von Knoblauch und Zwiebeln besaß (Mart. epig. 12,32). Bildliche Darstellungen von Küchen in der römischen Zeit sind selten. Ein wichtiges Zeugnis aus provinzialrömischem Kontext hierfür bietet die Igeler Säule (vgl. Kaszab-Olschewski u. Meurers-Balke in diesem Band). Zur Küche als Bereitungsort der Speisen gehört als Pendant das räumlich getrennte Esszimmer58. Eine gut geplante Villa besaß mindestens zwei Speisesäle, die saisonal zu nutzen waren. Ein im Westen gelegener Speiseraum (triclinium, cenatio) hat Nachmittagssonne und eignet sich für den Winter. Im Norden gelegene Speisesäle werden im Sommer nicht so heiß wie auf der Südseite. Im mediterranen Raum boten sich innen liegende Speiseräume

55 Insula 30: J. Schibler/A. R. Furger, Die Tierknochenfunde aus Augusta Raurica (Grabungen 1955–1974). Forsch. Augst 9 (Augst 1988) 80–92 Abb. 101–118; E. Schmid, Tierreste aus einer Grossküche von Augusta Raurica.  In: J. Schibler/E. Schmid, Tierknochenfunde als Schlüssel zur Geschichte der Wirtschaft, der Ernährung, des Handwerks und des sozialen Lebens in Augusta Raurica.  Augster Museumsh. 12, 1989, 35–43. – Insula 23: L. Berger, Führer durch Augusta Raurica6 (Augst 1998) 145– 147 Abb. 132–133; R. Laur-Belart, Führer durch Augusta Raurica4 (Basel 1966) 116–127 Abb. 75–77. 56 F. Fremersdorf, Das römische Haus mit dem Dionysosmosaik (Berlin 1956); I. LinfertReich, Römisches Alltagsleben in Köln (Köln 1975) 39. 57 M. Brüggler, Villa rustica, Glashütte und Gräberfeld. Die kaiserzeitliche und spätantike Siedlungsstelle HA 132 im Hambacher Forst. Rhein. Ausgr. 63 (Mainz 2009) 21 f. mit einer von W. Czysz erstellten isometrischen Rekonstruktion. 58 Speisezimmer: Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 30–33.

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ohne direkte Sonneneinstrahlung an. Auch der abzuschattende Innenhof konnte zum Essen ebenfalls einen angenehmen Aufenthalt bieten. Das Frühstück (ientaculum) wurde zum Tagesbeginn, d.  h. nach dem Hellwerden je nach Jahreszeit und Region zwischen 6 und 9 Uhr morgens in Form von Brot und Käse, Oliven, Honig, Obst und Nüssen eingenommen (Mart. epig. 13,31; Apul. met. 1,18). Das Mittagsmahl (prandium) diente zwischen der sechsten und siebten Stunde der Sättigung im Kreis der Familie, der Arbeitseinheit oder in der Stadt in einer Gastwirtschaft (taberna). Das Mittagessen war meist einfach, zuhause gab es einen kalten Imbiss oder die Reste der cena des Vortags (Mart. epig. 4,8,6). Normalerweise lud man zum Mittagsmahl keine Gäste ein. Im mediterranen Kulturraum zog man sich zur nachmittaglichen Siesta (meridiatio) zurück. Wohlhabende Bürger konnten dann ein Bad nehmen und sich zum späteren Hauptessen (cena) umkleiden. Auch dieses nahm man in der Regel im Kreis der Familie ein, konnte aber auch einer Einladung Folge leisten oder auf Reisen auswärts essen59. Gasthäuser unterschiedlicher Qualität (taverna, caupona, hospitium, deversorium genannt) in Städten und vici, aber auch stabulae oder mansiones an der Straße boten meist ein Menü (tabula lusoria) an, das eine Palette von Fleischgerichten, Schinken, Geflügel, Fisch und Brei umfasste60. Die 1876 beim Castrum Praetorium in Rom entdeckte steinerne Menütafel mit der nicht veränderbaren Inschrift „Abemus incena pullum, pisccem, pernam, paonem. Benatores“ wandte sich an die venatores immunes der Prätorianer und offerierte ihnen das kulinarische Dauerangebot von Huhn, Fisch, Schinken und erstaunlicherweise Pfau (letzterer war wohl in der Regel „aus“, da diese anspruchsvolle Speise kaum verfügbar gewesen sein dürfte und nur ausnahmsweise auch serviert werden konnte)61. Zumeist dürfte auch ein schnell eingenommener Imbiss aus einer Suppe mit Brot oder Fingerfood wie die 59 Zu den Mahlzeiten vgl. J. André, Essen und Trinken im alten Rom (Stuttgart 1998) 51, 61; A.  Gutsfeld, Mahlzeit. In: Der Neue Pauly VII (Stuttgart 1999) Sp. 705–707; Hirschfelder 2001 (Anm.  7) 83; Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm.  45) 24 f. 60 W.  C. Firebaugh, The inns of Greece and Rome (Chicago 1928); T. Kleberg, In den Wirts­häusern und Weinstuben des antiken Rom (Berlin 1963); H. C. Peyer, Von der Gastfreundschaft zum Gasthaus. Studien zur Gastlichkeit im Mittelalter. MGH Schr. 31 (Hannover 1987) 14, 18; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 90. 61 Vgl. R. Lanciani, Gambling and cheating in Ancient Rome. The North American Review 155, 1892, 97–105 hier 97.

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von Cato erwähnte placenta, ein mit Honig gefüllter Blätterteig mit Käse, globi (Bällchen aus Käse und Honig), in Schweineschmalz gebackene Schnittchen, die mit Honig gesüßt und mit Mohnsamen bestreut waren oder Kuchen genügt haben, was sicher am ehesten unserem heutigen Geschmack für eine Pausenmahlzeit entsprechen würde62. Das Gastmahl war demgegenüber eine wichtige gesellschaftliche Einrichtung63. Man konnte private, geschäftliche und politische Dinge regeln. Nach heutigen Maßstäben ausgedrückt, war man in Gruppen vernetzt. Die ausgesprochene Einladung musste erwidert werden und drückte gesellschaftlichen Status aus. Der private Familienbereich wurde für die Gäste geöffnet. Neben bestimmten Interessen wirtschaftlicher und politischer Natur spielte die Geselligkeit eine große Rolle. Man sollte sich als Gast in der Gesellschaft gut benehmen, witzig, geistreich oder schön sein. Das Gastmahl war Bestandteil von Lebensqualität. In der Analyse des Aulus Gellius resultierte die Qualität eines Gastmahls erstens aus der Lauterkeit und dem Charakter der Gäste64, aber auch die Örtlichkeit und die Zeit mussten stimmen, damit das vierte Element, das Mahl zur Entfaltung kommen konnte. Und dabei musste man nicht unbedingt Erlesenes servieren, sondern schmackhafte und gesunde Küche war das Ziel65. Ein traditionelles römisches Gastmahl war dreiteilig: Es bestand aus der Vorspeise (gustatio), dem Hauptgericht (coena) und dem Nachtisch. Zur Vorspeise gehörten Eier, Garum und Lattich (lactuca). Zum Nachtisch wurde Obst und Backwerk serviert66. So erklärt sich die Redensart ab ovo ad mala 62 Marcus Porcius Cato, Vom Landbau. Fragmente. Herausgegeben von O. Schönberger (München 1980) 97; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 89. 63 E. Stein-Hölkeskamp 2005 (Anm. 8). 64 Es war z. B. Sitte, zum Gastmahl seine eigene Stoffserviette (mappa, lintea) mitzubringen. Dies hatte den Vorteil, dass man darin auch Leckerbissen mit nach Hause nehmen konnte. Üble Zeitgenossen konnten so freilich den Gastgeber schädigen – so berichtet Mart. epig. 2,37 (Martial, Epigramme. Eingeleitet und im antiken Versmaß übertragen von R. Helm [Zürich 1957] 105) von Caecilianus, der unverschämt gleich einen Fasan, eine gekochte Taube, Hühnerkeulen und das Mittelstück einer Moräne in seine mappa einsteckte, so dass die übrigen Gäste am Tisch weitgehend leer ausgingen, er selbst aber zwei Tage noch üppig vom Mitgenommenen speisen konnte. Sanctra stopfte Fleisch, Austern, Kuchen und Feigen in seine Serviette (Mart. epig. 7,20). 65 Gell. 13,11 (Aulus Gellius, Die attischen Nächte, übers. v. F. Weiss [Leipzig 1876, Nachdr. Darmstadt 1965] 180–182); Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 85. 66 Nachgebildete Früchte und Backwerk spielten eine Rolle bei den Saturnalien und Sigilarien.

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(Hor. sat. 1,3,6 f.), vom Ei bis zu den Äpfeln, also von der Vorspeise bis zum Abschluss des Mahles. Horaz, Martial und Juvenal kritisierten ausartenden Tafelluxus im 1. und 2. Jahrhundert. Juvenal schildert zur Zeit Kaiser Hadrians als Gegenbild in seiner elften Satire das Gastmahl bei seinem Freund Persicus, der seinen Gästen nur das serviert, was auf seinem tiburtinischen Landgut produziert wurde: Man aß die Eier noch warm vom Heu des Nestes, danach ein Böcklein. Zum Abschluss gab es Birnen und duftende Äpfel. Die Tafel war einfach. Es bedienten die rustikalen Söhne des Kuhhirten und des Schäfers, deren Haarfrisur zuvor mit Mühe etwas in Ordnung gebracht worden war. Martial (40–102/4 n.  Chr.) bietet in zwei Epigrammen Einblick in das frugale Mahl, die einfache Familienkost, die er selbst servierte und als Gegenbeispiel zum Tafelluxus seiner Zeit dienen sollte. Den Turanius lud er ein zu Salat und Lauch, Salzfisch, Kohl, puls mit Würstchen sowie Bohnen mit Rauchfleisch (Mart. epig. 5,78). An anderer Stelle nennt Martial die Speisen, die er seinen Gästen bei einem „einfachen Mahl“ zu servieren gedachte: als Vorspeisen waren Malven, Lattich, Schnittlauch, Minze, geschnittene Eier auf Fisch und Saueuter in Thunfisch-Sauce vorgesehen; als Hauptspeisen sollte es Zicklein, Bohnen, Kohl, Hühnchen, Schinken geben, während zum Nachtisch Äpfel genügten (Mart. epig. 10,48). Auch Fisch war sehr beliebt67. Ein Ovid (43 v. Chr.–17 n. Chr.) zugeschriebenes Lehrgedicht Halieutica (Über den Fischfang) schildert die besonderen Eigenschaften und Vorzüge der einzelnen Fische. Bereits Cato der Ältere (234–149 v. Chr. ) tadelte, dass es Römer gab, die für einen Fisch mehr bezahlten als für einen Ochsen (Plut. vit. 2). Als beim Gastmahl zu Ehren des in Rom angekommenen neuen Kaisers Vitellius im Jahr 69 n. Chr. 2000 der seltensten Fische in Kombination mit 7000 der kostbarsten Vögel serviert wurden, war dies ungekannter Luxus68. Für ein Essen aus besonderem Anlass galt das Servieren von verschiedenen Fisch- und Fleischspeisen traditionell als verbindlich. Der geizige 67 H. Blanck, Sprotten, Sardinen, Fischkonserven. Literarische Quellen zur römischen Fischliebhaberei. Ant. Welt 30, 1999, 157–164. 68 Suet. Aul. Vit. 13: Famosissima super ceteras fuit cena data ei adventicia a fratre, in qua duo milia lectissimorum piscium, septem avium apposita traduntur (Gaius Suetonius Tranquillus. Sämtliche erhaltene Werke [Essen 2004]). – Vgl. A. Demandt, Das Privatleben der römischen Kaiser² (München 1997).

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Euklio beklagt in der Kömodienschilderung bei Plautus (ca. 254–184 v. Chr.) zur Hochzeit seiner Tochter die immensen Preise für Fluss- und Seefisch, Rind-, Hammel-, Kalb- und Schweinefleisch auf dem Markt69. Da traditionell die Männer auf dem triclinium gelagert aßen, musste das Essen kleinteilig portioniert gereicht werden. Beistelltische dienten zum Abstellen der Trinkgefäße und Saucennäpfe. Zwischen den Gängen wusch man sich die Hände70. Das aufgemauerte triclinium, wie es z. B. aus Pompei bekannt ist, konnte mit aufgelegten Polstern und Kissen benutzbar gemacht werden. Luxuriöse Klinen waren aus Marmor oder Edelhölzern mit Beschlägen aus Elfenbein, Silber oder Bronze gearbeitet71. Abfälle warf man wohl recht ungeniert zu Boden; in diesem Sinne dürften auch die auf Bodenmosaiken vorkommenden Darstellungen von Speiseabfällen wie angebissenen Äpfel, geleerten Austern- und Muschelschalen, abgenagten Gräten, Knochen und Dergleichen zu deuten sein72. Macrobius (ca.  385–440 n.  Chr.) schildert als spätantiker Schriftsteller aus der Rückschau ein traditionelles, nun aber viergängiges Gastmahl, das zur Zeit Caesars anlässlich der Amtseinführung des Lentulus als flamen Martialis ausgerichtet wurde73. Meermuscheln, Austern, Miesmuscheln, eine Drossel auf Spargel, gekochtes Huhn, Kastanien und eine Soße aus Miesmuscheln und Austern nahm man als Vorspeise zu sich. Danach gab es als ersten Hauptgang Muscheln, Seefische, Feigenfresser, Wildschweinfilets, Geflügel- und Wildpasteten. Als zweiter Hauptgang kamen Schweinezitzen, Schweinskopf, Fischragout, Enten, Hasen und gebratenes Geflügel auf den Tisch. Die einzelnen Gänge wurden jeweils auf einer Servierplatte dargeboten. Die Gäste waren auf drei große Klinen verteilt, die hufeisenförmig um den Tisch angeordnet waren. Jede Kline bot Platz für drei Personen, so dass an einer ideal-typischen Mahlzeit genau neun Gäste teilnahmen und so an die Zahl der Musen erinnert wurde74. Die traditionelle Essanordnung kannte drei Klinen (summus, medius und imus). Jede der großen Liegen war mit

69 70 71 72 73

Plaut., aul. 5,4. Linfert-Reich 1975 (Anm. 56) 51. Ebd. 42. Ebd. 42 Abb. 19 („Asaroton“ in den Vatikanischen Museen in Rom). Macr., sat. 3,3 (Macrobius, Tischgespräche am Saturnalienfest, übers. v. O. u. E. Schönberger [Würzburg 2008] 128–129). 74 Vgl. Gell. 13,11,2–3.

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drei Personen besetzt. Der Gastgeber saß am Ende der linken Kline (imus); dem Ehrengast kam der linke Platz auf der Mittelliege zu (medius). Die Bedienung erfolgte durch Personal. Das Essen war portioniert und auf Platten angerichtet. Auf das Gastmahl folgte das Trinkgelage (comissatio)75. Juvenal konnte den Eber als ein wahrlich für die Gastgelage geeigntes Tier nennen. Caput coena hieß der Eber. Seine Zubereitung war kostspielig. Martial weigerte sich, einen Eber in seinem Hause zubereiten zu lassen: sein Küchenfeuer sei hierfür zu klein, sein Koch müsse ungeheure Mengen an Pfeffer verbrauchen und den guten Falernerwein zur teuersten Fischlake mischen. Caput coena bezieht sich dabei aber nicht nur auf den Aufwand der Zubereitung, sondern nimmt auch auf Speisearrangements Bezug. Um den Eber konnte man Pfauen aus Samos, Fasane aus Phrygien, Thunfisch, Austern aus Tarent, griechische Nüsse und Datteln arrangieren. Der ganz und mit Füllung servierte Wildschein-Eber wurde in Rom durch den 63 v. Chr. amtierenden Volkstribunen Servius Rullus und im zweiten Triumvirat durch Marcus Antonius bekannt. Besonderer Beliebtheit erfreute sich nicht nur der Eber, sondern das Schwein generell. Das berühmte trojanische Schwein besaß eine Füllung aus Würstchen und Schwarzen Pudding. Man schätzte auch ein Schwein, das halb gebraten und halb im Teigmantel mit einer Füllung aus Würsten und Drosseln serviert wurde76. Für das Gastmahl des Trimalchio aus dem fragmentarisch überlieferten Roman des Petronus Arbiter (Petr. sat. 26,7–79), bei dem 62 verschiedene Speisen und Getränke gereicht wurden, ist das Arrangement von Speisen in der Art der Tierkreiszeichen überliefert. Aus 75 J. Flamant, Macrobius. In: Der Neue Pauly VII (1999) Sp. 627–629; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 87 f. 76 Ein solches Schwein musste vorsichtig durch einen gezielten Achselstich getötet werden, da die Wunde möglich unsichtbar sein sollte. Man ließ das Schwein ausbluten, entfernte die Eingeweide, wusch es mit Wein und füllte den Leib des Schweines mit Würsten, gebratenen Drosseln, Eiern, gekochten und gewürzten Delikatessen. Man füllte durch die Kehle eine spezielle Soße ein. Man bedeckte die Hälfte des Tieres mit einem Teig aus Gerstenmehl, Öl und Wein. Dann hob man das Schwein auf eine Metallplatte und schob es in den Ofen. Der offene Teil war mit Schwarte knusprig gebraten, der von Teig verhüllte Teil schmeckte deutlich anders, eher wie gekocht. – Drosseln, die sich Metellus Scipio († 46 v.  Chr. ) für ein Gelage bestellte, kosteten mit 60 000 Sesterzen das 125-fache des Jahreslohnes eines Legionärs (480 Sesterzen), vgl. W. Will, Der römische Mob. Soziale Konflikte in der späten Republik (Darmstadt 1991) 15 f.; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 88.

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einem großen Schwein, das man aufschnitt, flogen lebende Drosseln heraus. Man reichte hundertjährigen Falerner. Zum Nachtisch gab es mit Rosinen und Nüssen gefüllte Drosseln und Granatäpfel in der Gestalt von Igeln. Nasidenus Rufus veranstaltete ein missglücktes Mittagsmahl, das Horaz (65–8 v. Chr.) in der achten Satire seines zweiten Buchs schildert: Der Emporkömmling hatte die Vorspeise vergessen. Der gegen die Etikette zuerst servierte Eber war nicht gut zubereitet. Vor allem fand die Fischsauce nicht die Zustimmung, obwohl man fünfjährigen Wein und andere teuren Zutaten benutzt hat. Das aufgespannte Zeltdach fiel zusammen. Noch schlimmer ging es weiter: Der Kranich in Mehl und Salz war nicht gut, d. h. sein Eigengeschmack kam zu sehr durch77. Auch die Leber der Weißgans mundete nicht. Die Amseln waren an der Brust verbrannt, die Wildtauben wurden entgegen der Sitte ohne Keulchen serviert. Dies zeigt feststehende Qualitätsvorstellungen, Abweichungen wurden negativ beurteilt. Man sollte aber auch nicht übersehen, dass es auch eine religiöse Dimension beim Gastmahl gab, das häufig vor dem Auftragen der Speisen mit einer Anrufung der Götter begonnen wurde78. Die Verbindung des Speisens mit dem Göttlichen konnte dann auch sehr bildhafte Züge annehmen. Es war eingängiges Bild, dass ein besonderes Gastmahl mit seinen Düften bis zu Jupiters Thron empor steigen sollte. In diesem Zusammenhang ist auch daran zu erinnern, dass es Bewirtungen der Götterbilder gab (lectisternia)79. Die Priesterschaft der Salier galt als mit besonderen Kochkünsten gesegnet. Professionelle Köche waren hoch bezahlt. Apicius schickte sich an, die Kochkunst wie eine neue Wissenschaft zu zelebrieren80. Wer eine neue Speise kreierte, wurde belohnt. Besondere Köche wurden mit hohen Geldsummen und Landhausschenkungen beehrt. Seneca (ca. 4 v. Chr.–65 n. Chr.) hielt das alles für überbewertet und die ausgiebige Völlerei für ungesund; er schrieb 77 Kranich soll eher ranzig schmecken, durch raffinierte Zubereitung wurde das Fleisch geschmacklich verändert und so aufgewertet, vgl. Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 86. 78 Linfert-Reich 1975 (Anm. 56) 51. 79 G.  Wissowa, lectisternium. In: RE XII,1 (1924) Sp.  1108–1115; A.  V.  Siebert, lectisternium. In: Der Neue Pauly VI (Stuttgart 1999) Sp. 1217. 80 Sen., De consolatione ad Helviam matrem 10; Sen., Ep. mor. 23 (Seneca, Ad Lucilium epistulae morales, ed. R. M. Gummere [London 1961] 158–164) über den Rückgang der wahren Wissenschaft. – Ähnlich aus christlicher Perspektive dann Clem. Alex., paid. 2,1–2 in seiner Anleitung zum Essen und Trinken: O. Stählin, Des Clemens von Alexandreia ausgewählte Schriften 1. Bibl. d. Kirchenväter, 2. R., Bd. 7 (Kempten 1934).

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seinem Freund Lucilius: „Fragst du mich nach der Zahl der Krankheiten, so zähle die Köche“81. Miet- oder Leihköche, die man zu größeren Festen im eigenen Haus beschäftigte, hatten aber keinen guten Ruf und man rechnete bei ihrer Anwesenheit im Haushalt mit Diebstahl82. Es ist ein Merkmal der römischen Küche, dass man sich bemühte, den Eigengeschmack von Fleisch zu verändern83. Dabei halfen Würzmittel wie Pfeffer, Kümmel, Fenchel, Knoblauch, Zwiebeln, Raute, Petersilie, Oregano, Koriander, silphium und vor allem die Fischsoße garum84. Hinzu kam Salz85. Zum Süßen gab es Honig und Früchte86. Es gab deutlich andere Speisetabus als heute. Dass Schnecken mit Mehl und Obstmost gemästet wurden, mag man vielleicht noch heute akzeptieren. Aber auch mit Kastanien und Eicheln gefütterte Hasel- und Spitzmäuse galten als Spezialität. Vom Pfau galten Zunge und Hirn als besonders lecker. Kaiser Vitellius kreierte ein „Minervas Schild“ genanntes, nach Plinius in der Herstellung angeblich eine Million Sesterzen kostendes Gericht, zu 81 Seneca, ep. mor. 23. Dazu auch Rufus Musonius (Epiktet Teles und Rufus Musonius, Wege zum Glück. Auf der Grundlage der Übertr. von Wilhelm Capelle neu übers., mit Anm. vers. und eingeleitet von R. Nickel [München 1987] 295) mit Kritik an Koch­ büchern und zur gesundheitsschädigenden Wirkung der Genusssucht. Vgl. Clem. Alex., paid. 2,1,2 (Anm. 80): „Wir müssen also die Vielgestaltigkeit der Speisen verabscheuen, die mannigfache Schäden verursacht, wie Kränklichkeit des Körpers und verdorbenen Magen, da der Geschmack durch eine verderbliche Kunst, nämlich die Kochkunst, und die unnütze Geschicklichkeit der Zuckerbäckerei verführt wird“. 82 Plaut. aul. 5,1. 83 M. Corbier, The ambigous status of meat in ancient Rome. Food and foodways: Explorations in the history and culture of human nourishment 3, 1989, 223–264; Peters 1998 (Anm. 8); Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 86. 84 Garum: André 1998 (Anm.  59) 169; Peters 1998 (Anm.  83) 252; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 83; Cooley 2004 (Anm. 8) 164–166. 85 Salz besaß auch eine Bedeutung beim Opfer, zu dem gesalzenes Mehl gehörte. Auch beim Leichenmahl spielte Salz eine Rolle. Horaz nahm Salz bei Magengrimmen. Die Römer deckten ihren Salzbedarf aus Salinen in Ostia. Von dort führte die Via Salaria in das Binnenland der Sabiner. Zu Zeiten der Könige gab es Salzgaben an das Volk. Daraus leitet sich das Wort Salarium und unser Saler ab. Zum Hausstand reicher Römer gehörte der Salzdiener (salinator), der das Salz verwaltete und bei Tische reichte. Salz diente als Gewürz und Konservierungsmittel. Eingesalzener Schinken war begehrt. Gesalzen war positiv besetzt. Die gute Rede war salus, insalus die dumme. Vgl. als Gesamtüberblick mit Fokus auf der wirtschaftlichen Bedeutung: C. W. de Brisay/K. A. Evans, Salt. The study of an ancient industry (Colchester 1975). 86 A. Gutsfeld, Honig. In: Der Neue Pauly V (Stuttgart 1998) Sp. 710; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 89.

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dem u.  a. Gehirn von Edelfasan und Pfau, Leber von Meerbrassen, Muränenmilch und Flamingozungen benutzt wurden87. Auch scheute man nicht davor zurück, Hund als falschen Hasen zu essen88. Vollends nicht mehr mit unseren kulinarischen Vorstellungen zu vereinbaren sind mit Mehl und Wein gemästete Maden des Käfers cossus nach Plinius89. Das hier im Zusammenhang mit dem Gastmahl geschilderte Streben nach Fleisch und Fisch verzerrt sicher die Lebensrealität in der römischen Welt, in der wohl „deutlich über 90 Prozent des Kalorienbedarfs“ des Individuums im Durchschnitt von lokal erzeugtem Gemüse sowie je nach Standort in mehr oder weniger großen Menge eingeführtem Getreide, Olivenöl und Wein gedeckt wurde, wobei Käse, Zwiebeln und Knoblauch zur geschmacklichen Abrundung dienten90.

Getränke Aus römischer Zeit ist eine erstaunliche Vielfalt des Weins überliefert, der jedoch anders als heute eher in Richtung von Likör oder Glühwein ge­schmeckt haben dürfte91. Weingenuss zum Mittagessen hielt Seneca für nicht statthaft (Sen. ep. 122,6). Beim Gastmahl hatte als Leiter der cena der magister bibendi das Sagen92. Er legte das Mischungsverhältnis des Weins fest und gab vor, 87 Suet., Aul. Vit. 13: Hanc quoque exsuperavit ipse dedicatione patinae, quam ob immensam magnitudinem clipeum Minervae πολιούχου dictitabat. In hac scarorum iocinera, phasianarum et pavorum cerebella, linguas phoenicopterum, murenarum lactes a Parthia usque fretoque Hispanico per navarchos ac triremes petitarum commiscuit. Serviert wurde das Ganze auf einer kostbaren Silberplatte, dem Schild der Minerva, die Kaiser Hadrian aus dem Kücheninventar in den Staatsschatz überführte. Vgl. Demandt 1997 (Anm. 68). 88 Ch. Hünemörder, Hund. In: Der Neue Pauly V (Stuttgart 1998) Sp. 755–58; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 89. 89 Plin. nat. hist. 145 (Plinius Secundus d. Ä., Naturkunde, ed. R. König/G. Winkler (München 1994) 224; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 89. 90 Ebd. 81. 91 A. P. McKinlay, Bacchus as Health-giver. Quarterly Journal of Studies on Alcohol 11, 1950, 230–246; K.-W. Weeber, Die Weinkultur der Römer (Düsseldorf 1999); Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 81; J.-P. Brun, Le vin et l’huile dans la Mediterranee antique. Viticulture, oleiculture et procedes de fabrication (Paris 2003). – Plin. hist. nat. 23.19.31 betont die positiven Eigenschaften des Weingenusses. Insgesamt kannte Plin. hist. nat. 14,29 185 verschiedene Weine. 92 Weeber 1999 (Anm.91) 84 f.; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 92.

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wie viele Becher welcher Maßeinheit beim rituellen Trinken in einem Zug auszutrinken waren. Üblich war es, so viele Becher in einem Zug zu leeren, wie der Name des Gastgebers an Buchstaben enthielt (Mart. epig. 9, 93,3– 4). Gemischt wurde der Wein mit Wasser, das als gängiges Getränk wohl doch größere Bedeutung besaß als zumeist angenommen wird93. Soldaten wurden mit großen Mengen an Wein versorgt94. Honigmost ist als mulsum bekannt95. Honigwasser wurde zur Hochzeit und in den Flitterwochen gereicht. Auch Essigwasser war bekannt. Kaiser Gallienus soll ein Konservierungsverfahren erfunden haben, um schäumenden Obstmost ganzjährig trinken zu können96. Bier (cervisia) war in den Nordwestprovinzen beliebt97. Tacitus betont die Bedeutung des Biers für die Villenwirtschaft in Gallien98. Das aus Gerste oder Weizen nach Tacitus in Ermangelung von Wein bei den Germanen rechts des Rheins gebraute alkoholische Getränk dürfte ebenfalls Bier oder

93 André (Anm.  8) 163; G.  Garbrecht, Wasserversorgungstechnik in römischer Zeit. In: Sextus Iulius Frontinus, Wasserversorgung im alten Rom (München 1989) 9–43. – Großer Aufwand wurde – wohl Überlegungen wie bei Vitr. arch. 8 (Vitruv, Zehn Bücher über Literatur, hrsg. Von C. Fensterbusch [Darmstadt 1987] 154–401) geschuldet – mit der Versorgung der großen Städte mit gutem Trinkwasser betrieben: Vgl. hierzu die knapp 90 km lange Eifelwasser-Leitung, die etwa drei Jahrhunderte Köln versorgte: K.  Grewe, Atlas der römischen Wasserleitungen nach Köln (Köln 1986); N. Zieling, Die Wasserversorgung. In: M. Müller u. a. (Hrsg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit. Xantener Berichte. Sonderband. Geschichte der Stadt Xanten 1 (Xanten 2008) 391–394. 94 U. Maier-Weber, Traubentrester als Grundstoff für römischen Soldatenwein. Archäologie im Rheinland (Köln 1993) 70–72; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 92. 95 Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 89. 96 Hist. Aug., Gallienus 16,2; Demandt 1997 (Anm. 68) 50 f. 97 E. M. Ruprechtsberger, Bier im Altertum: ein Überblick (Linz 1992); F. Both (Hrsg.), Gerstensaft und Hirsebier – 5000 Jahre Biergenuss (Oldenburg 1998); J. Compton-Davey, Some Evidence of Brewing in Roman Times. Journal of the Brewing History Society 80, 1995, 4–13; J. Kramer, Bier in der Antike und der Romania. In: A. Bollée/J. Kramer (Hrsg.), Latinitas et Romanitas: Festschrift für H. D. Bork (Bonn 1997) 195–214; A. Valino, La cerveza en las fuentes romanas: base textual y fidacion de su importancia. AHB 13, 1999, 60–71; Dalby 2003 (Anm. 8) 50 f.; A. Nelson, The Barbarian’s beverage. A History of beer in ancient Europe (Abingdon 2005); Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 90. 98 Tac. ann. 3.46 (Tacitus, The Histories, Books I–III, ed. J. Jackson. The Loeb Classical Library [Cambridge 1962] 402–405) und Hist. 4.67 (P. Cornelius Tacitus, Historien-Historiae. Lateinisch-Deutsch, hrsg. v. J. Borst. Sammlung Tusculum [Mannheim 2010] 476 f.

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Kwas meinen99. Wie sehr Wein und Bier in den Nordwestprovinzen alternativ getrunken wurden, verdeutlicht die Aufschrift auf einer ringförmigen Flasche, die sich an der einen Seite mit „(h)ospita, reple lagona(m) cervesa“ auf Bier bezieht, während die andere Seite gewürzten Wein nennt100. Das Preisedikt Diocletians nennt die im Reich bekannten Biersorten cervesia (Weizenbier), camum (Gerstenbier) und zythum (ägyptisches Bier) zusammen mit den Weinen und vermittelt eine Vorstellung von der unterschiedlichen Wertigkeit; der einfache Landwein war mit 8 denarii zweifach teurer als das 4 denarii je sextarius kostende Bier, während der billigste gealterte Wein vierfach teurer war (16 denarii)101. Julian thematisierte in einem Spottgedicht das Barbarische des Bierkonsums, der für ihn mit Ziegenbockgeruch assoziiert war, während der Wein als edles Getränk nach Nektar duftet102. Von seinem Nachfolger, Kaiser Valens, ist aber überliefert, dass er Bier sehr gerne trank103.

Aspekte der Archäologie Immer wieder versteht es die Archäologie, das Bild von Wirtschaft und Ernährung im Detail zu bereichern. Brotfunde gibt es nicht nur aus den

99 Tac. germ. 23 (P. Cornelius Tacitus, Germania. Lateinisch-Deutsch, hrsg. v. A. Mauersberger Sammlung Dietrich [Bremen 2057] 54 f. 476 f.) – D. G. Wilson, Plant Remains from the Graveney Boat and the Early History of Humulus lupulus L. in Western Europe. New Phytologist 75, 1975, 627–648 hier 637 datiert die Kultivierung von Hopfen in die römische Kaiserzeit und sieht sie in Skandinavien und Nordwesteuropa beheimatet. Vgl. Nelson 2005 (Anm. 97) 78. 100 CIL XIII 10018.7a. 101 Edict. de pret. rer. venal. 2.1–19 (S. Lauffer, Diokletians Preisedikt [Berlin 1971] 100-102 u. 218 f.); Nelson 2005 (Anm. 97) 71. 102 Anthol. Graec. 9,368; Demandt 1997 (Anm. 68) 51; W. Binsfeld, Julianus Caesar und das Bier. In: M. Lodewijck (Hrsg.), Belgian Archaeology in a European Setting (Löwen 2001) 49–50. 103 Amm. Marc. 26,8,2 (Ammianus Marcellinus, Römische Geschichte, Vierter Teil, hrsg. von W.  Seyfarth [Darmstadt 1971] 37) nennt für Valens den Spitznamen sabaiarius (Biersäufer), der von sabaium abzuleiten ist. Vgl. Demandt 1997 (Anm. 68) 51.

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Städten am Vesuv, sondern auch aus dem römischen Rheinland104. Neue Möglichkeiten bieten naturwissenschaftliche Analysen: Zu verweisen ist hier beispielsweise auf Untersuchungen an römischen Säuglingstrinkgefäßen (ubuppa) aus Grabfunden, in denen sich typische Milchbestandteile in Form von Myristrin-, Palmitin- und Stearinsäure nachweisen ließen105. In einem bronzenen Vestlandkessel wurde nachweislich Fleisch gekocht, bevor er wohl im Jahre 348 mit gut 3600 Münzen und Metallgeräten im Königsforst bei Köln vergraben wurde106. Immer selbstverständlicher wird die auswertende Analyse der Bodenfunde durch Archäozoologie107 und Paläobotanik108. Besondere Bedeutung kommt dabei Brunnenuntersuchungen zu109. Der Fund von Reis im rö104 So etwa ein Brotfragment von 9 cm Dm. als Grabbeigabe aus einer Brandbestattung, die zu einer nicht näher bekannten Vorgängersiedlung des spätantiken Kastells Haus Bürgel gehörte: S.  Schamuhn, Brot für die Toten. In: Meurers-Balke/KaszabOlschewski 2010 (Anm. 45) 60. 105 A. Huttmann u. a., Inhaltsanalysen römischer Säuglingstrinkgefäße. Kölner Jahrb. 22, 1989, 371 Nr. 9 Tab. 1. 106 W. Gaitzsch u. a., Ein Verwahrfund des 4. Jahrhunderts aus dem Königsforst bei Köln. Bonner Jahrb. 184, 1984, 336–477 bes. 354 ff. 107 N. Benecke Der Mensch und seine Haustiere: Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung (Stuttgart 1994); J.  Peters, Nutztiere in den westlichen Rhein-DonauProvinzen während der römischen Kaiserzeit. In: H. Bender/H. Wolf (Hrsg.), Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau-Provinzen des Römischen Reiches 2 (Espelkamp 1994) 15–22 u. 37–63; Peters 1998 (Anm. 83) bes. 273–290; N. Benecke u. a. (Hrsg.), Frühgeschichte der Landwirtschaft in Deutschland (Langenweißbach 2003). 108 U.  Körber-Grohne, Nutzpflanzen und Umwelt im römischen Germanien. Kl. Schr. Kenntnis röm. Besetzungsgesch. Südwestdeutschlands 21 (Aalen 1979); Dies., Nutzpflanzen in Deutschland (Stuttgart 1995); K.-H. Knörzer u. a., Pflanzenspuren. Archäobotanik im Rheinland: Agrarlandschaft und Nutzpflanzen im Wandel der Zeiten. Mat. zur Bodendenkmalpfl. im Rheinland 10 (Köln 1999); J. Jacomet/A. Kreuz, Archäobotanik (Stuttgart 1999); C. Bakels/S. Jacomet, Access to luxury foods in central Europe during the Roman period: The archaeobotanical evidence. World Arch. 34,3, 2003, 542–557. 109 Stellvertretend für zahlreiche Studien sei hier nur auf frühe Untersuchungen der 1970er Jahre verwiesen: H. Reichstein, Tierknochenfunde aus einem römischen Brunnen in Irrel, Kr. Bitburg-Prüm. Trierer Zeitschr. 34, 1971, 93–95; K.  Schroeder, Geo­ logisch-paläobotanische Untersuchungen eines römerzeitlichen Brunnens bei Irrel. Ebd. 97–117; K.-H. Knörzer, Römerzeitliche Pflanzenreste aus einem Brunnen in Butzbach (Hessen). Saalburg-Jahrb. 1973, 71–111; K. Schroeder, Über den römischen Brunnen von Belginum bei Wederath im Hunsrück und die darin enthaltenen Sämereien mit einem Vergleich anderer römischer Brunnen. Trierer Zeitschr. 42, 1979, 101–112.

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mischen Neuss ist hier ebenso erstaunlich wie der Nachweis von Pfeffer in Xanten und Oberaden110. In der Lagervorstadt (canabae) von Novaesium (Neuss) fand man in einem Lebensmittelladen an der Kölner Straße, der damaligen Limesstraße, verkohlte Reste von Importen wie Reis, Oliven und Kichererbsen neben vielen anderen, im Rheinland gezogenen Früchten und Gewürzen. Quantitativ bildeten die Getreidegattungen Weizen (fünf Arten) und Gerste (zwei Arten) die Grundlage für die Truppenversorgung111. Auch an Rhein und Donau war die Versorgung des Militärs ein logistisches Problem, das nicht zu unterschätzen ist112. Man musste sich hier auch anderer Technologie bedienen. In Nordgallien ist es nicht möglich, nur durch Sonneneinstrahlung und Verdunstung Meersalz auskristallisieren zu lassen. An der Nordseeküste existierten in günstigen Positionen angelegte Salzpfannen, die das Salzwasser durch hölzerne Becken führte, wie sie in Zeebrugge und Raversijde bei Oostende archäologisch erfasst sind113. Etwas weiter von der Küstenlinie entfernt betrieb man zum Teil mit Torf geheizte Öfen, in denen man Salz durch Sieden einer Sohle gewann114. Die salinatores waren übrigens auf der Ebene der civitas organisiert, wie aus zwei weitgehend identischen Weiheinschriften der Salzproduzenten der Menapii und der Morini hervorgeht, die das niedergermanische Militär zur Zeit Vespasians belieferten und dem aus Rimini stammenden und im Neusser Legionslager stationierten Offizier C.  Lepi110 D.  Kucan, Der erste römerzeitliche Pfefferfund – nachgewiesen im Legionslager Oberaden. Ausgr. u. Funde in Westfalen-Lippe 2, 1984, 51–56; A. J. Kalis u. a., Mensch und Vegetation am Unteren Niederrhein während der Eisen- und Römerzeit. In: Müller u.a. 2008 (Anm. 93) 31–48. 111 K.-H.  Knörzer, Über Funde römischer Importfrüchte in Novaesium. Bonner Jahrb. 166, 1996, 433–443; Ders., Römerzeitliche Pflanzenfunde aus Neuss. Limes Forsch. 10 (Berlin 1970); Ders., Landwirtschaft und Ernährung. In: Novaesium – Neuss zur Römerzeit. Schriftenr. d. Volkshochschule Neuss, H. 4, 1989, 57–69. 112 J. K. Haalebos, Ein römisches Getreideschiff in Woerden, Jahrb. RGZM 43, 1996, 476– 505 zu Getreidelieferungen um 200 n. Chr. an den nördlichen Niederrhein. 113 C.  Gilles de Pélichy, Note sur l´ancien ouvrage en bois découvert au Port de Zeebrugge. Ann. de la Soc. d´Emulation de Bruges pour l´Etude de l´hist. et des Antiq. en Flandre Occidentale 55, 1905, 177–181; H. Thoen, Neue Ergebnisse über antike Salzgewinnung und -handel an den nordatlantischen Küsten (Nordfrankreich, Belgien und Holland). Mitt. österr. Arbeitsgemeinschaft Ur- u. Frühgesch. 37, 1987, 39–45 bes. 40 f. Abb. 6. 114 Ebd. 41 mit Nachweis für Leffige (bei Oostende) mit Abb. 7 und Ardres (Dép. Pas-deCalais).

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dius Proclus, der wohl die Salzversorgung zu regeln hatte, zwei Weiheinschriften setzten115. Ein inschriftlich belegter Kölner Salzhändler (negotiator salararius) ist aus einer Weihung aus Domburg bekannt116. Aus dem epigrafischen Material ergibt sich die Existenz berufsständischer Vereinigungen der Bäcker (collegium pistricorum) sowie des Küchenpersonals (collegium focariorum) in der niedergermanischen Provinzhauptstadt ebenso wie die Existenz eines Neuen Gänsemarkts und eines Gerstenmarkts117. Basis der römischen Wirtschaft in den Nordwestprovinzen war das System der villae rusticae118. Hier ist nach Einzellandschaften sehr zu differenzieren. Am nördlichen Niederrhein soll sich die Wirtschaftsweise auf ertragsarmen Böden nach der vorrömischen Eisenzeit kaum verändert haben. Die guten Lössböden aber wurden von spezialisierten villae rusticae bewirtschaftet, die vor allem Getreideüberschüsse erwirtschafteten. In Raetia überwogen Mischbetriebe, die auf Feldbau und Viehwirtschaft ausgelegt waren. Angebaut wurde meist Dinkel, in geringerem Maße Emmer und Einkorn als weitere Wintergetreide. Hinzu kommen Hafer, Gerste, Roggen und Weizen sowie Ölpflanzen wie Leindotter, Mohn und Hanf, die auch zur Gewinnung von Flachsfasern für Textilien und Seile verwendet werden konnten. Nachweisbar sind eiweißhaltige Hülsenfrüchte wie Feldbohnen, Erbsen und Linsen. Weiter baute man Möhren, Porree, Feldkohl, Salat, Sellerie, Spargel, 115 Ebd. Abb. 8; CIL XI, 390–391. 116 Ann. Epigr. 1973, 364; Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 18. 117 Ebd. 18. 118 J.-B.  Haversatz, Die Agrarlandschaft im römischen Deutschland der Kaiserzeit, 1.– 4. Jh. n. Chr. (Passau 1984); D. Flach, Römische Agrargeschichte. Handbuch d. Altertumswiss. 3,9 (München 1990); D. Flach u. a., Bibliographie zur römischen Agrargeschichte (Paderborn 1991); H.  Bender/H.  Wolf (Hrsg.), Ländliche Besiedlung und Landwirtschaft in den Rhein-Donau-Provinzen des Römischen Reiches. Passauer Universitätsschriften zur Archäologie 2 (Rahden/Westf. 1994); H.  Bender, Agrargeschichte Deutschlands in der römischen Kaiserzeit innerhalb der Grenzen des Imperium Romanum. In: J. Lüning u. a. (Hrsg.), Deutsche Agrargeschichte – Vor- und Frühgeschichte (Stuttgart 1997) 263–374; K.-H. Lenz, Ländliche Besiedlung. In: Th. Fischer (Hrsg.), Die römischen Provinzen. Eine Einführung in ihre Archäologie (Stuttgart 2001) 58–67; K.  P.  Johne, Die Landwirtschaft in den römischen Provinzen an Rhein und Donau im 1. bis 4.  Jh. In: Benecke u.  a. 2003 (Anm.  107) 131–140; P.  Donat, Die villa rustica nördlich der Alpen. Ebd. 140–150; U. Heimberg, Villa rustica. Leben und Arbeiten auf römischen Landgütern (Mainz 2011); Peters 1998 (Anm. 83) bes. 240-247, 273-290.

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Zwiebel und Rettich an. An Obst schätzte man Äpfel, Birnen, Pflaume und Süßkirschen, auch Kastanien, Hasel- und Walnüsse wurden gegessen119. In Hinblick auf die Viehzucht standen Rinder als Fleischlieferanten (natürlich auch als Zugtiere für Wagen und Pflüge) an erster Stelle, während ihr Anteil als Milchproduzenten in den Nordwestprovinzen noch nicht richtig eingeschätzt werden kann. Nach mediterranem Geschmack hätte man Milch und Milchprodukte bevorzugt von Schafen und Ziegen gewonnen, wobei erste darüber hinaus Wolle lieferten. Neben Schweinefleisch, das man in Italien und wohl auch teilweise beim Militär schätzte, dürfte die Geflügelzucht zum Gewinn von Fleisch und Eiern geübt worden sein120. Es bleibt zu betonen, dass Rindfleisch in römischer Zeit die Grundversorgung für die Nordwestprovinzen lieferte und Schweine- und Hühnerfleisch wesentlich teurer waren121. Hühnerfleisch galt als Delikatesse und ist nur in herausragenden Befunden mit einem Anteil von unter einem Prozent vertreten122. Die systematische Siedlungsforschung im rheinischen Braunkohlenrevier führte beispielsweise zur Erkenntnis einer bislang nicht bekannten Käseproduktion auf den villae rusticae westlich von Köln, die als Nebenprodukt der Rinderzucht anzusehen ist123. Weiterführend erweist sich die Auswertung der Amphorenfunde, wie sie Florian Schimmer für Kempten (Cambodunum) vorlegen konnte. Man bezog nach Ausweis der Amphorenfunde den Wein vorwiegend aus Südgallien und dem östlichen Mittelmeerraum, aber

119 Körber-Grohne 1979 (Anm. 108); K. H. Knörzer/J. Meurers-Balke, Die Wirtschaftsund Nutzflächen eines römischen Gutshofes – Eine Rekonstruktion auf Grund des botanischen Befundes. In: H. Hellenkemper u. a. (Hrsg.), Archäologie in NordrheinWestfalen. Geschichte im Herzen Europas. Ausstellungskat. Köln (Mainz 1990) 242– 246; Knörzer u. a. 1990 (Anm. 108); A. Kreuz, Landwirtschaft im Umbruch? Archäobotanische Untersuchungen zu den Jahrhunderten um Christi Geburt in Hessen und Mainfranken. Ber. RGK 80, 2005, 97–292; A. J. Kalis u. a., Mensch und Vegetation am Unteren Niederrhein während der Eisen- und Römerzeit. In: Müller u. a. 2008 (Anm. 93) 31–48 hier 44. 120 Peters 1994 (Anm. 107); Peters 1998 (Anm. 83). 121 P. Lehmann/G. Breuer, Die Tierknochen aus den befestigungszeitlichen Schichten. In: P.-A. Schwarz, Kastelen 4: Die Nordmauer und die Überreste der Innenbebauung der spätrömischen Befestigung auf Kastelen. Forschungen in Augst 24 (Augst 2002) 343–424. 122 Peters 1994 (Anm. 107) 170 f.; Peters 1998 (Anm. 83) 191 f., 198-212, 267. 123 W. Gaitzsch, Römischer Käse im Experiment. In: Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 155 f.

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auch aus Italien 124. Garum erhielt man aus Südspanien125. Zu erschließen ist auch der Bezug (umgefüllter) Fischsoße in gallischen Amphoren126 sowie von Fischsauce aus Oberitalien bzw. dem Adriaraum127. Auch Ölamphoren sind zu belegen128. Davon zu unterscheiden sind die Amphoren, in denen ganze Oliven verhandelt wurden129. Nicht jede Amphore ist aber im Bereich von Essen und Trinken zu verorten, wie man vorschnell meinen könnte. Es gab auch spezielle Amphoren für Alaun, das man in der Gerberei, zur Seifenherstellung und für medizinische Zwecke (Blutstillen) benötigte130. In andere Zusammenhänge führt die über tituli zu erschließende Befüllung von Amphoren, die auch Wiederverwendungen anzeigen kann131. Die Amphorenfunde aus Kempten leiten über zur Verkehrsanbindung der Provinz Rätien und der Nordwestprovinzen132. Neben dem Fasstransport zu Lande und zu Wasser spielten die Amphoren natürlich auch als Transportbehälter und -einheiten eine große Rolle. Fischsauce aus Südspanien fand ihren Weg nach Niedergermanien133. Aus Köln sind die kürzlich entdeckten aufgemalten tituli aus Feuchtbodenmilieu am Rhein zu nennen134. Weinamphoren und dolium gehören in den Grabfunden von Clemency und 124 Amphoren Dressel 1, 6A, 2–4/5, Camulodunum 184, Dressel 43, Dressel 28 Var sowie südgallische Amphoren Gauloise 2/3 u. 4: F. Schimmer, Amphoren aus Cambodunum/ Kempten. Ein Beitrag zur Handelsgeschichte der römischen Provinz Raetia. Münchner Beitr. Provinzialröm. Arch. 1 (Wiesbaden 2009) 37–50. 125 Amphoren Dressel 12, 9 u.8, Vindonissa 586/Pompeji VII, Pélichet 46, Augst 30: Ebd. 52–54. 126 Amphoren wie Dressel 10 u. 9 similis, Augst 17, Augst 33/34?: Ebd. 50–57. 127 Anforette nord-italiche/Aquincum 78: Ebd. 57 f. 128 Amphoren Dressel 20 u. 23, 6B u. Typ Porto Recanati: Ebd. 27–37. 129 Amphoren Haltern 70 u. Verulamium 1908, Haltern 70 Haltern 70 similis, Augst 21, Schörgendorfer 558: Ebd. 59–63. 130 Amphoren Richborough 527: Ebd. 63 f. 131 Aus Neuss stammt z. B. das Oberteil einer Standamphore des 1. Jhs. n. Chr. mit der Inschrift RVMI [cis] M[odius] [I] [et] S[extarii] XI, also die Inhaltsangabe 1 Modius und 11 Sextarii Sauerampfer (etwa 14,5 Liter): Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 84 f. – Der große Bestand von Funden aus Köln: U. Ehmig, Tituli picti auf Amphoren aus Köln. Kölner Jahrb. Vor- u. Frühgesch. 40, 2007, 215–322. 132 S.  Martin-Kilcher, Handel und Importe. Das Imperium Romanum als Wirtschaftsraum. In: Imperium Romanum. Roms Provinzen an Neckar, Rhein und Donau. Ausstellungskat. Stuttgart (Esslingen 2005) 426–434. 133 Amphoren in Niedergermanien: Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 50–52. 134 Ehmig 2007 (Anm. 130).

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Goeblingen-Nospelt in den frühesten Horizont der Romanisierung135. Zumindest in der Spätantike dürfte der Weinanbau an der Mosel Bedeutung in Qualität und Produktionsumfang besessen haben136. Die Bierherstellung ist in den Nordwestprovinzen auch archäologisch gut fassbar137. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Brauerei der Villa von Ronchinne zu nennen138. Archäobotanische Malzfunde sind aus Bad Dürkheim belegt139. Auch Darren sind in diesem Sinne zu deuten140. Aus dem Trierer Altbachtal stammt die Weiheinschrift eines Bierhändlers; für

135 J. Metzler u. a., Clemency et les tombes de l’aristocratie en Gaule Belgique. Dossiers d’Archéologie du Musée National d’Histoire et d’Art 1 (Luxembourg 1991); Weinimport im 1. Jh. nach Britannien: E. Carver, The Visibility of Imported Wine and its Associated Accoutrements in Later Iron Age Britain (Oxford 2001) bes. 1–3, 23–39. 136 Weinanbau an der Mosel: Auson., Mosella 21, 25, 161–168, 190–191, 194–196 (Ausonius, Mosella, hrsg. v. P. Dräger [Trier 2001] 12 f., 28-30, 32 f.). Vgl. S. Loeschcke, Denkmäler vom Weinbau aus der Zeit der Römerherrschaft an Mosel, Saar und Ruwer (Trier 1933); L. Clemens, Technologietransfer oder Innovation? Kelter- und Mühlentechnologie in Antike und Mittelalter. Zeitschr. Arch. Mittelalter 34, 2006, 25–32 (zu archäologischen Nachweisen). – Vgl. auch L. Clemens/H. Löhr, Drei neue Landschaftsbilder zur Geschichte der Trierer Talweite in der Spätbronzezeit, der Spätantike und dem Hochmittelalter. Funde u. Ausgr. Bezirk Trier 33, 2001, 103–134, hier bes. 113–115 Abb. 10 (zum spätantiken Landschaftsbild der Mosel). 137 W. Binsfeld, Moselbier. Kurtrierisches Jahrbuch 12, 1972, 135–137. 138 A. Bequet, La villa romaine de Ronchinne et sa brasserie (IIIe et IVe siecles). ASAN 21, 1895, 177–208; Binsfeld 2001 (Anm.  102) 50. Möglicherweise wurde auch in der Villa von Anthée Bier produziert (A.  Grenier, Manuel d’archeologie gallo-romaine 2,2 [Paris 1934] 848 f.; Binsfeld 2001 [Anm. 102] 50). – Archäologische Nachweise für Nordfrankreich und Belgien: C.  Jullian, Histoire de la Gaule 1 (Paris 1920) 256; P.M. Duval , La vie quotidienne en Gaule pendant la paix romaine (Ier-IIIe siecles apres J.-C.) (Paris 1952) 346; F. Lemaire u. a., Villae et sites ruraux de Gaule Belgique (Ath 2000). – Vgl. auch W. D. Becker/U. Tegtmeier, Römisches Bier in Xanten? Arch. Rheinland 1998, 85–87 zu gekeimtem Brauweizen. 139 U. Piening, Verkohlte Pflanzenreste aus zwei römischen Gutshöfen bei Bad Dürkheim (Pfalz). Gekeimtes Getreide aus archäologischen Ausgrabungen. In: H. Küster/U. Piening, Verkohlte Pflanzenreste aus zwei römischen Gutshöfen bei Bad Dürkheim (Pfalz): Gekeimtes Getreide aus archäologischen Ausgrabungen. In: H.-J. Küster (Hrsg.), Der prähistorische Mensch und seine Umwelt. Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. BadenWürttemberg 31 (Stuttgart 1988) 328–340; W. van Zeist/K. Wasylikowa/K.-E. Behre (Hrsg.), Progress in Old World Palaeoethnobotany (Rotterdam 1991) 120. 140 G.  Dreisbusch, Darre oder Räucherkammer? Zu römischen Heizanlagen in Westdeutschland. Fundber. Baden-Württemberg 19/1, 1994, 181–205; W.  Czysz/U.  Maier, Heiße Luft und Bier. Eine römische Darre in Möttingen im Ries. Denkmalpflege Informationen 154, 2013, 9 f.

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Trier ist eine Bierhändlergilde inschriftlich belegt141. In Köln könnte der inschriftlich bezeugte Gerste-Markt durchaus mit Bierherstellung in Verbindung stehen 142. Spruchbechern mit Bezug zum Weinkonsum wie da merum ist der Mainzer Becher mit der Aufschrift imple (h)ospita ol(l)am de cervesa da gegenüber zu stellen143. Das Austernessen hatte Sergius Orata um 100 v. Chr. bekannt gemacht. Ein Epigramm Martials wirft dem Ponticus vor, dass er sich teure Austern munden ließ, während er selbst sich die Zunge mit billigen Bartmuscheln zerstechen musste. Plinius schätzte in Honigwein gekochte Austern und berichtet vom Kühlen der Austern mittels Eis und Schnee. Eine Sehenswürdigkeit waren bis in die Spätantike die Austernbänke (ostriaria) im Lukrinersee am Golf von Baiae144. Im Fundbestand in unseren Breiten kann bei Austern nicht einfach formenkundlich die Herkunft aus Nordsee oder dem mediterranen Bereich erschlossen werden; naturwissenschaftlich gibt die Isotopenanalyse Gewissheit145. Es dürfte beide Bezugsquellen gegeben haben. Funde aus dem römerzeitlichen Bayern sind mediterraner Herkunft146. Weiter sei nur auf Austernschalenfunde von der Alteburg, dem Flottenlager in Köln verwiesen147. Diese Austern in Köln dürften ebenso wie entsprechende

141 W. Binsfeld/K. Goethert-Polaschek/L. Schwinden, Katalog der römischen Steindenk­ mäler des Rheinischen Landesmuseums Trier 1 (Mainz 1988) 213; Jahresbericht des Landesamtes für Denkmalpflege. Trierer Zeitschr. 61, 1998, 408 f., 413 (L. Clemens). 142 CIL XIII.10015.8 (forum hordiarium); Nelson 2005 (Anm. 97) 155. 143 S. Künzl, Ein Biergefäß aus Mainz: barbotinedekorierte Terra Sigillata mit Inschriften. Mainzer Zeitschr. 86, 1991, 171–185. 144 Spätantike Glasschliffarbeit im Nationalmuseum Warschau mit Darstellung der OSTRARIA bei BAIAE: C. Neumeister, Der Golf von Neapel in der Antike: ein literarischer Reiseführer (München 2005 ) 81 Abb. 17. Vgl. auch die Preisangabe von 100 Austern für 100 Denare im Ed. Diocl. 5,6 (Lauffer 1971 [Anm. 101] 108). 145 G.  E.  Thüry, Römische Austernfunde in der Schweiz, im rechtsrheinischen Süddeutschland und in Österreich. In: J. Schibler u. a. (Hrsg.), Festschrift Hans R. Stampfli (Basel 1990) 285–301; Peters 1998 (Anm. 83 ) 250 f . 146 F. Strauch/G. E. Thüry, Austernfunde aus römischen Gebäuderesten in Tittmoning, Lkr. Traunstein. Bayer. Vorgeschbl. 50, 1985, 341–354; Peters 1998 (Anm. 83) 251. 147 G. E. Thüry, Ein Hauch von See im Binnenland: Importe von Austern. In: MeurersBalke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 124 f.

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Funde aus Xanten von der Atlantikküste stammen148. Aus Xanten sind auch Miesmuscheln von der holländischen Nordsee zu belegen149. In den nördlichen römischen Provinzen war das Trocknen von Früchten an der Luft aufgrund der anderen klimatischen Verhältnisse weniger leicht als in der mediterranen Welt. Man benötigte dafür spezielle Trockenanlagen, oft auch Darren genannt. Speziell in England – der römischen Provinz Britannia – fand man zahlreiche Darren, aber auch in den anderen nördlichen römischen Provinzen150. Gesicherte Getreidedarren fanden sich in Xanten151. Manches Publizierte muss freilich auch revidiert werden. So ist die von Hermann Hinz bekannt gemachte Deutung eines Auskochofens für Tierknochen in der insula 27 in Xanten aufgrund von Neufunden zu revidieren und der Befund nicht mehr als „Fleischerei oder Küche für Markknödel“ zu interpretieren, sondern als Leimsiederei anzusprechen und insofern aus unserem Kontext zu streichen152. Einige Grabsteine des 1.–2. Jahrhunderts mit Reliefdarstellungen des so genannten Totenmahls lassen sich für unser Thema heranziehen. Neben dem idealtypischen Charakter bleibt der Bezug zum Jenseits zu berücksichtigen. Festzuhalten bleibt, dass das Mahl als ein Ideal galt, das man auch im Tode und danach zu realisieren suchte153. Totenmahlreliefs waren in den

148 J. Berthold u. a., Nordsee oder Mittelmeer? Römische Austern und andere Speiseabfälle einer gehobenen Küche aus den Thermengrabungen in der CUT. Xantener Ber. 14 (Köln 2006) 265–302. 149 J. Peters, Viehhaltung und Jagd im Umfeld der CUT. Xantener Ber. 5 (Köln, Bonn 1994) 159–175, bes. 172 u. Tab. 1 zu 22 Miesmuscheln, denen 11 Austernschalen gegenüberstehen. 150 H. van der Veen, Charred Grain Assemblages from Roman-Period Corn Driers in Britain. AJ 146, 1989, 302–319; Alcock 2001 (Anm. 46). 151 Durch die indirekte Wärme erreichte man eine Konservierung des Getreides, oft – wie beim Dinkel und der Entspelzung – auch eine leichtere Verarbeitung. Allerdings bedurfte es einiger Erfahrung, da Getreide bei einer Erhitzung über 40°C als Mehl seine Bindefähigkeit verliert, also zum Backen nicht mehr geeignet ist. – Xanten: Bonner Jahrb. 167, 1967, Zeichnung S. 337. 152 J. Berthold, Ausgekochte Knochen – römische Leimsieder in Xanten. Arch. Rheinland 2003 (2004) 102; M. Reuter, Wirtschaftsstandort Colonia Ulpia Traiana – Handel und Handwerk in der CUT. In: Müller u. a. 2008 (Anm. 93) 471–493 hier 476. 153 Gerlach 1986 (Anm. 8) 5 u. 8; Hirschfelder 2001 ( Anm. 7) 80 f.

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gallisch-germanischen Provinzen beliebt und stellen eine ikonografisch verwertbare Denkmalgattung des 1.–2. Jahrhunderts dar154. Zahlreiche Beigaben aus Grabfunden, die mit Essen und Trinken zu tun haben, gehören in einen letztlich vergleichbaren Sinnzusammenhang155. Erstaunlich sind die aus Judäa in das vorcoloniazeitliche Xanten eingeführten Datteln, die sich in einem bustum des 1. Jahrhunderts nachweisen ließen156. Besondere Erkenntnisse kann das Ausschlämmen von Grabverfüllungen bieten157.

154 Päffgen 1992 (Anm. 13) 101 f. Abb. 33; P. Noelke, Grabreliefs mit Mahldarstellung in den germanisch-gallischen Provinzen – soziale und religiöse Aspekte. In: P. Fasold u. a. (Hrsg.), Bestattungssitte und kulturelle Identität. Grabanlagen und Grabbeigaben der frühen römischen Kaiserzeit in Italien und den Nordwestprovinzen. Xantener Ber. 7 (Köln 1998) 399–418; Ders., Zur Chronologie der Grabreliefs mit Mahldarstellung im Römischen Germanien. In: H. Walter (Hrsg.), La Sculpture d´epoque romaine dans le nord, dans l´est des Gaules et dans les régions avoisinantes: acquis et problématiques actuelles. Collection Annales Littéraires 694 (Besançon 2000) 59–70. 155 R. C. G. M. Lauwerier, A meal for the dead. Animal bone finds in roman graves. Paleohistoria 25, 1983, 183–193; M. Mackensen, Das römische Gräberfeld auf der Keck­wiese in Kempten. Materialh. Bayer. Vorgesch. 34 (Kallmünz 1978) 172–175 (Tierknochen vom Rind [Tab. 38, verbrannt, aus Brandgräbern], Schwein [Tab. 39–40, verbrannt, aus Brandgräbern; Schweinefleischbeigabe in Form unverbrannter Knochen aus Brandgräbern: Tab. 41; bes. Vorder- u. Hinterschinken, seltener Koteletts] und Huhn [Tab. 42, verbrannt, aus Brandgräbern; Hühnerfleischbeigabe in Form unverbrannter Knochen aus Brandgräbern Tab. 41]) u. 183–192 (Brei u. Früchte [Dattel, Eßkastanie, Feige als Importe; Haselnuß, Weinbeere], bearb. von U. Willerding); Päffgen 1992 (Anm. 13) 209 f.; A.  van den Driesch, Die Tierknochenfunde der Gräber aus Weßling. In: E. Keller, Die spätrömischen Grabfunde in Südbayern. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 14 (München 1971) 191  f.; Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm.  45) 25–27; H. Pösche, Der letzte Broiler – Hühnchen in römischen Gräbern. In: Meurers-Balke/ Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 115 f. 156 W. D. Becker u. a., Eine Bustumbestattung mit Südfrüchten in Xanten. Bonner Jahrb. 199, 1999, 235–262. 157 Aus sechs Gräbern aus der zweiten Hälfte des 1. Jhs. n. Chr., die zum Hilfstruppenlager Asciburgium gehörten, wurden 2009 durch Ausschlämmen des Sediments Hunderte Samen der Ackerbohne, daneben vereinzelt Linsen und Getreidekörner (Gerste und Dinkel), Hasel- und Walnuss, Apfel und Birne, Oliven, Mandeln und getrocknete Datteln, Knoblauchzehen und Kichererbse nachgewiesen. Vgl. S. Schamuhn, Datteln, Feigen und weitere Besonderheiten in Moers. In: Meurers-Balke/Kaszab-Olschewski 2010 (Anm. 45) 27.

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Tradition und Veränderungen in der Spätantike Angesichts der Veränderungen in der Spätantike ist es ebenso erstaunlich wie bezeichnend, dass unser Detailwissen um das römische Speisen vor allem spätantik tradiert wurde. Dies gilt auch für das „Kochbuch des Apicius“, das in einer Redaktion des 3.–4.  Jahrhunderts überliefert ist158. Hinzu kommt eine Apicius ergänzende Rezeptsammlung des aufgrund seines Namens möglicherweise germanischstämmigen Würdenträgers Vinidarius, die vermutlich im späten 5.  Jahrhundert entstand159. Beide Quellen stehen für ein Bemühen der spätantiken Oberschicht, die ein Interesse der traditionellen Speisen besaß und sich mit ihnen prestigeträchtig inszenierte. Vereinfacht ausgedrückt lässt sich die spezifisch prestigeträchtige Ernährung im römischen Reich mit den Größen Wein, Öl und Fischsauce in Verbindung bringen. Dieses Bewusstsein in Verbindung mit Versorgungsengpässen bilden den Hintergrund eines unter Valentinian, Valens und Gratian (370–375) erlassenen Gesetzes, das die Ausfuhr von Wein, Öl und Fischsauce ins barbaricum verbot160. Erstaunliche Kontinuität wird aus den Tierknochenfunden deutlich, da an spätrömischen Militärplätzen festzustellen ist, dass Knochen von ausgewachsenen Rindern mit 70–80  % mit großem Abstand dominieren. Schweine folgen meist mit 10–15  % und dahinter Schaf/Ziege mit 6–10  % Anteil, während Wildtiere und Geflügel kaum eine Rolle spielten161. Dies soll freilich nicht Veränderungen in Abrede stellen. Ein gutes Beispiel bietet

158 Vgl. zur Quellenproblematik: P. Schmitt-Pantel, Caelius Apicius. In: Der Neue Pauly II (Stuttgart 1997) Sp. 903; M. Staesche, Das Privatleben der römischen Kaiser in der Spätantike (Bern 1998) 73  f.; M.  Bode, Zur Rolle spätantiker Oberschichten bei der Tradierung des Apicius-Kochbuches. Laverna 12, 2001, 139–154. 159 Diese ist überliefert im Codex Salmasianus (Paris, lat. 10318), der im späten 8. Jh. in Norditalien oder Frankreich getätigten Abschrift einer im afrikanischen Vandalenreich zu Beginn des 6. Jhs. gefertigten Sammelhandschrift. 160 Cod. Iust. 4.41.1 (Codex Iustinianus, hrsg. v. G. Härtel. Reclams Universal-Bibliothek 1368 [Leipzig 1991] 95); Nelson 2005 (Anm. 96) 81. 161 M. Asal, Ein spätrömischer Getreidespeicher am Rhein. Veröff. Ges. Pro Vindonissa 19, 2005, 117–120; Lehmann/Breuer 2002 (Anm. 121).

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hier das Umfunktionieren der Großen Thermen in Xanten zur spätantiken Getreidedarre162. Im Hinblick auf unser Tagungsthema ist die Frage nach den Verhältnissen und Veränderungen vom späten 4.–6.  Jahrhundert zu stellen. Hirschfelder postuliert für die Spätantike die Existenz von zwei Systemen parallel nebeneinander. Damit meint er das griechisch-römische Kulturmodell und die einheimisch keltisch-germanische Kultur. Zum Ende des Imperiums sei es zu einem Verschmelzungsprozess des griechisch-römischen Kulturmodells und des einheimisch keltisch-germanischen gekommen163. Berücksichtigt man die Auswirkungen der Völkerwanderungszeit, stellt sich die Frage nach Umformungen: Welche Bestandteile konnten sich erhalten? Bleibt man bei den soeben als typisch und prestigeträchtig herausgestellten Konsumgütern Wein, Öl und Fischsauce, besitzt der Wein unzweifelhaft die größte Kontinuität. Clemens von Alexandria formulierte im frühen 3.  Jahrhundert, dass dem gläubigen Christen seiner gesundheitsfördernden Wirkung wegen ein wenig Wein im Einklang mit 1. Timotheus 5,23 zustehe, betonte aber, dass das natürliche und nüchterne, für Durstige unentbehrliche Getränk das Wasser sein müsse, da Gott es für die Bedürftigen aus dem Felsen fließen ließ164. Die Benediktsregel gesteht dem Mönch eine hemina Wein, d. h. ein ¼ l als Tagesration zu, dies dürfte einerseits als mäßiger Weinkonsum angesehen, andererseits muss der Flüssigkeitsbedarf des Mönchs anderweitig und zur Hauptsache mit 1–2 l Wasser gedeckt worden sein165. Olivenöl war nach der Mitte des 5. Jahrhunderts in Raetia und Noricum so teuer geworden, dass es für die einfache Bevölkerung nicht mehr erschwinglich war und der sich um die pauperes kümmernde Abt Severin

162 H. Hinz, 3. Bericht über die Ausgrabungen in der Colonia Ulpia Traiana bei Xanten. Bonner Jahrb. 167, 1967, 325-346 bes. 336 ff. mit Nachweis von Hafer, Gerste, Roggen und Korn. 163 Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 96. – Dies widerspricht freilich zu einem guten Teil der Vorstellung einer raschen und tief greifenden Romanisierung in den Nordwestprovinzen schon im 1. Jh. n. Chr. 164 Clem. Alex. paid. 2,2,19 (Des Clemens von Alexandreia ausgewählte Schriften Bd. 1. Bibliothek der Kirchenväter, 2. Reihe, Band 7 [Kempten 1934]). 165 Bened., Concord. regul. 48.10 u. 71.5 (PL 103 [Paris 1851] Sp. 1122B u. 1342A). Vgl. A.  C.  Andrews/Th.  Klauser, Ernährung. In: RAC VI (1966) Sp. 234  f.; Hirschfelder 2001 (Anm.  7) 103. Kranke sollen demnach keinen Wein, sondern Obstsäfte und warmes Wasser zu sich nehmen.

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zur Beschaffung „Wunder wirken“ musste166. In der älteren Merowingerzeit dürfte Olivenöl als Nahrungsmittel zumindest in den fränkischen Altsiedelgebieten einen gewissen Stellenwert besessen haben. Der Bedarfswandel vom Nahrungsmittel hin zu Beleuchtungswesen und Liturgie lässt sich im Frühmittelalter erahnen, wenngleich auch hier Südgallien immer auszunehmen sein dürfte167. Die Fischsoße konnte sich weniger halten. Fischsoße war wichtig zur Eiweißversorgung im mediterranen Raum. Hochwertiges südspanisches garum bestand zur Hauptsache aus den in Salz eingelegten Innereien von Thunfischen und Makrelen168. Der Gebrauch der Fischsoße hatte auch Eingang in die Nordwestprovinzen gefunden169. In der Spätantike dürfte sie in den Nordwestprovinzen zu einem Prestigegut einer sich traditionell gebenden Oberschicht geworden sein170. Dennoch ist zu betonen, dass zumindest in Gallien Fischsoße in der Merowingerzeit in Gebrauch blieb. Zur Verfeinerung der Speisen dürfte sie zu dieser Zeit in den Küstenstädten der Provence und Aquitaniens genutzt worden sein. Dem Metzer Hof riet An­thimus in seiner Ernährungslehre im frühen 6.  Jahrhundert zwar vom Genuss der Fischsoße ab, nennt sie aber dann doch im Zusammenhang mit verschiedenen Rezepturen171. Erstaunlicherweise zählte garum auch zu Beginn des 8. Jahrhunderts immer noch zum Einfuhrgut der Mittelmeerhäfen wie Fos-

166 Eug. vita Sev. 28,2 (Eugippius, Vita Sancti Severini. Das Leben des heiligen Severin. Lateinisch-Deutsch, hrsg. von Th. Nüsslein. Universal-Bibliothek 8385 [Stuttgart 1990] 86 f.). 167 K. Brunner, Sachkultur, Kontinuität und Epoche im frühen 8. Jahrhundert. Beih. Francia 37, 1994, 193–204 bes. 195. 168 Isid. etymol. 20,3,19 f. (Isidori Hispalensis episcopi Etymologarium sive originum libri XX, ed. W. M. Lindsay, Scriptorum classicorum bibliotheca Oxoniensis [Oxford 1990] o. Seitenzählung); Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 133; Brunner 1994 (Anm. 177) 195. 169 Nach Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 83 gab es in den Nordwestprovinzen keinen solchen Bedarf für Fischsauce, denn es existierten dort andere Proteinquellen durch Viehhaltung in Kombination mit reicher Weidewirtschaft, hinzu kam eine größere Verfügbarkeit von Wild. Ernährungswissenschaftlich dürfte der Proteingehalt jedoch weniger einer Rolle gespielt haben als Omega-3 und Folsäure. 170 In gewissem Umfang kann auch in den Nordwestprovinzen mit einer Fischsaucenproduktion gerechnet werden, so H. Hüster-Plogmann, Die Fischreste aus den be­ festigungszeitlichen Schichten. In: Schwarz 2002 (Anm. 121) 325–342. 171 Anth. de observatione c. 9.

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sur-Mer, was sich aus den Zollprivilegien König Chilperichs II. für das Kloster Corbie aus dem Jahre 716 ergibt172.

Essen und Trinken in der älteren Merowingerzeit Eine wichtige Quelle ist die Schrift des aus Byzanz173 stammenden Arztes Anthimus, der als Gesandter des Gotenkönigs Theoderich am Hofe des ostfränkischen Königs Theuderich I. (511–533), dem Sohn Chlodwigs lebte. Ähnlich wie der Burgunderkönig eine Sonnenuhr und eine Wasseruhr mit Bedienungspersonal von König Theoderich erhielt, beeindruckte man den Metzer Hof mit der Übersendung einer medizinischen Kapazität, die seinen Aufenthalt bei Hofe mit einer Analyse der fränkischen Esskultur verbrachte, die er König Theuderich I. dedizierte. Anthimus hat seine Diätetik für die höfische Oberschicht geschrieben: „Wir jedoch, die wir uns mit vielerlei Speisen und Leckerbissen und Getränken ernähren, sollen uns in der Weise zügeln, dass wir uns nicht infolge des Übermaßes Beschwerden zuziehen“ heißt es im Vorwort und ähnlich im Weiteren „für die Leute, die üppig leben und verschiedene Speisen zu sich nehmen, ist diese Diätetik verfasst  …“ (Kap. 23, 10 f). Anthimus Schrift analysiert das Essverhalten der Oberschicht im Merowingerreich und gibt vor dem Hintergrund seiner medizinischen Kenntnisse Verhaltensregeln zur gesunden Ernährung im Allgemeinen174. Das Werk ist thematisch gegliedert und beginnt mit Brot und Getreide (c. 1–2), dann Rind-, Schweine-, Schaf- und Ziegenfleisch sowie Wild (c. 3–14), Getränke (c. 15), Tierinnereien (c. 16–21), Geflügel (c. 22–34), Eier (c. 35–38), Fisch (c. 39–47)175, Muscheln und Austern (c. 48–49), Gemüse, Brei und Gewürze (c. 50–74), Milch und Käse (c. 75–82) und Früchte (c. 83–94). Nach Anthimus dominierte das Fleisch als Nahrungsmittel am fränkischen Hof. 172 K. Brunner 1994 (Anm. 177); vgl. auch B. Päffgen in: Germania 74, 1996, 649–655. 173 Zur frühbyzantinischen Ess- und Trinkkultur: A.  Dalby, Essen und Trinken im alten Griechenland (Stuttgart 1998) 251–265; E. Kislinger, Ernährung (Byzantinisches Reich). In: LexMA III (1986) Sp. 2171–2174. 174 E. Liechtenhan (Hrsg.), Corpus Medicorum Latinarum VIII,1 (Leipzig 1963); vgl. Päffgen 1992 (Anm. 13) 370 Anm. 4. – Eine deutsche Übersetzung mit Kommentar ist durch J. Geiß und B. Päffgen in Vorbereitung. 175 Vgl. hierzu Fischkonsum im römischen Rheinland: Meurers-Balke/KaszabOlschewski 2010 (Anm. 45) 121–125.

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Hauptsächlich aß man Rind- und Schweinefleisch, aber auch Hammel und Lamm sind zu belegen. Vom umfangreichen Wildkonsum riet Anthimus ab. Als große Vorliebe der Franken charakterisiert Anthimus das Essen von Schweinespeck und -schinken in gekochter und roher Form (vermutlich meist geräuchert); dies galt bei ihnen als allgemeines Stärkungsmittel, das sogar als Wundpflaster Verwendung fand (Kap. 14). An Geflügel waren Hühner, Enten und Gänse beliebte Speise. Beim Wild waren Rotwild, Reh, Wildschwein und Hasen geschätzt. Eine gewisse Bedeutung dürfte auch die Binnenfischerei besessen haben. Milch, Butter, Quark und Käse bereicherten die Speise. Gersten- und Hirsebrei wurde viel gegessen. Brot buk man aus Gerste und Weizen. Anthimus hielt das dunkle Brot der Franken für weniger gut verdaulich als das helle Weißbrot, das er aus seiner Heimat kannte. Schrotmehl aus rohen Bohnen galt Anthimus als schwer verdaulich (Kap. 65 und 74). Als Gemüse kannte man in Austrasien Mangold, Lauch, Kohl, Lattich, Endivien, Steckrüben, Spargel, Dill, Melde, Bohnen, Erbsen, Linsen, Rettiche, Zwiebeln, Kürbisse, Melonen, Knoblauch. Das Essen von Gurken soll nicht üblich gewesen sein. Trüffel könne König Theuderich aber ohne Bedenken zu sich nehmen, empfahl der Arzt. Äpfel, Birnen, Pflaumen, Pfirsiche u. Kirschen waren gängiges Obst. Anthimus macht deutlich, dass die königliche Tafel im Merowingerreich gut versorgt war. Leider erfahren wir nichts von der dahinterstehenden Logistik. Für die Belieferung war wohl bereits das System der Pfalzen und Königshöfe bzw. vielleicht auch die Gaugrafen zuständig. Für das Ostgotenreich ist hinsichtlich der existierenden Infrastruktur beispielsweise ein Schreiben Cassiodors aus der Zeit um 530 zu nennen, das die Exklusivität der königlichen Tafel (mensa regalis) über die Fischversorgung verdeutlicht, nämlich den aus der Donau bezogenen Karpfen (interessanterweise mit dem germ. Lehnwort carpa bezeichnet, in der antiken Küche war der Cyprinus genannte Karpfen eigentlich nicht als delikat geschätzt), Rhein-Salm (ancharago), Muränen von der Küste Sizili-

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ens (exormiston) und Fischspezialitäten (acerniae) aus Bruttium, dem heutigen Kalabrien176. Zusätzlich zu Anthimus kann ergänzend Gregor von Tours mit seinen Schriften zu Nahrungsmitteln und Speisesitten herangezogen werden. Das Mahl wurde demnach im 6.  Jahrhundert viergängig serviert; leider sind nur die Gemüsevorspeise und der Nachtisch in Form von Eierkuchen mit Dattel- und Olivengarnitur charakterisiert, während zu den beiden Hauptgängen nichts weiteres genannt ist177. Eine weitere Stelle bei Gregor ist für unsere vergleichende Betrachtung heranzuziehen: Der unfreie Leibkoch des Bischofs Gregorius von Langres namens Leo ließ sich für 12 Goldstücke in den Haushalt eines fränkischen Adligen in der Gegend von Trier verkaufen und rühmte sich vor seinem Herrn der vornehmsten Kochkunst, die auch einen König beeindrucken könne. Der Herr verlangte eine Probe für den kommenden Sonntag und lud seine Verwandten und Nachbarn zum Mahl ein. Der Koch forderte lediglich eine Menge von jungen Hühnern und aus diesen bereitete er das gewünschte königliche Festmahl178. Bei oberflächlicher Betrachtung könnte man meinen, dass hier die „Menge“ als Qualitätsmerkmal gemeint sei; dem Koch habe es gefallen, viel aufzutischen, statt Raffinesse bei der Zubereitung zu zeigen179. Viele Grillhühnchen für den König und sein Gefolge sind aber nicht Gegenstand der Überlieferung Gregors. Der merowingerzeitliche Spitzenkoch aus Langres bereitete aus dem Fleisch der jungen Hühner wie ein Magier völlig neue Speisen und stand so in der Tradition der römischen Küche, die das Verändern des Geschmacks und das 176 Cassiod. var. 12,4 (Auct. ant. 12 [Berlin 1898] 362 f., ed. Th. Mommsen). Vgl. Benecke 1994 (Anm. 107) 406–412 zum Karpfen, bes. 410 mit Missverständnis der Quelle und Datierung in die Zeit König Theoderichs (493–526); ihm folgend Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 101. – Heute kommt der Karpfen ab dem tschechoslowakisch-ungarischen Abschnitt (Fluß-km 1860–1450) bis zur Donaumündung natürlich vor: H.-H. Reichenbach-Klinke, Die wichtigsten Nutzfischarten der Donau und ihre mutmaßliche Verteilung. Arch. Hydrobiol./Suppl. XXXVI, 2/3, 1970, 263–278. 177 Greg. Tur. glor. mart. 79 (MGH SRM 1,2 [Hannover 1885, Nachdr. 1969 mit neuer Paginierung] 91  f.); M. Weidemann, Kulturgeschichte der Merowingerzeit nach den Werken Gregors von Tours. Monogr. RGZM 3, Bd. 2 (Mainz 1982) 369. 178 Greg. Tur. hist. 3,15 (Gregorii episcopi Touronensis Historiarum Libri Decem/Zehn Bücher Geschichten, auf Grund der Übersetzung W. Giesebrechts neu bearbeitet von R. Buchner Bd. 1 [Berlin 1959] 165–169). Der Koch Leo wurde im Trierer Haushalt fortan geehrt und konnte schließlich den dort in Geiselhaft lebenden Neffen seines bischöflichen Herrn befreien. 179 So von Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 100 angenommen.

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Necken durch Austausch von optischer Erscheinung und Geschmack als große Kunst schätzte. Martial berichtet von der Kunstfertigkeit des Kochs des Caecilius, der alle Gänge eines Mahls in wahrer Perfektion des Würzens ersatzweise aus Kürbis geschmackvoll nachbereiten konnte (Epig. 11,33); der Koch des Trimalchio verstand es, nur aus Schweinehack eine Menüfolge mit Fisch und Geflügel zu kreieren (Petr., Sat. 30), aus Saueuter einen Fisch, aus Schmalz eine Taube, aus Schinken eine Turteltaube, aus einer Schweinshaxe ein Huhn zu machen180. Ähnliche Kreationen aus dem Fleisch der jungen Hühner dürften dann für Aufsehen an der Tafel des Königs gesorgt haben. Für Gregor und seine Adressaten muss der Zusammenhang so klar gewesen sein, dass es keiner weiteren Erklärung bedurfte. Schlemmen nach römischer Art ergibt sich über eine weitere Schilderung: Gregor von Tours berichtet, dass der Steuerbeamte Parthenius so unmäßig beim Essen war, dass er nach dem Essen Aloe einnahm, damit er das Genossene schneller verdaue und wieder rasch Esslust verspüren könne181. Das Gipfeltreffen von Königen wurde von einem ritualisierten Essen und Trinken abgeschlossen, damit man als Freunde auseinander gehen konnte, wie es Gregor von Tours für den Frankenkönig Chlodwig und den Gotenkönig Alarich historisch rückgewandt beschreibt: „Sie trafen sich darauf auf der Loire-Insel bei Amboise im Gebiet von Tours, sprachen, aßen und tranken miteinander, gelobten sich Freundschaft und schieden dann in Frieden“.182 Zum besseren Verständnis der knappen Schilderung des Zusammenkommens der beiden Könige ist auf die grundlegende Studie von Althoff zu verweisen, der festhält: „Das feierliche Mahl oder Gelage hatte im früheren Mittelalter seinen festen, ja konstitutiven Platz beim Abschluss von Bündnissen, die wir als freundschaftlich-genossenschaftlich charakterisieren können. Solche Bindungen aber waren nicht Ausdruck einer subjektiven

180 Petron, Satyricon. Ein römischer Schelmenroman (Stuttgart 1968) 81; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 87. 181 Greg. Tur. hist. 3,36 (ed. Buchner, Bd. 1, 191). Vgl. hierzu das Übergeben bei Tisch, das für Kaiser wie Nero und Vitellius überliefert ist, Claudius und Nero ließen sich das Klistier verabreichen, um größere Mengen essen zu können: Demandt 1997 (Anm. 68) 52. 182 Greg. Tur. hist. 2,35 (ed. Buchner, Bd. 1, 129); Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 107; B. Effros, Creating community with food and drink in Merovingian Gaul (New York 2002).

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Gefühlsäußerung, sondern sie hatten Vertragscharakter, sie verpflichteten für die Zukunft zu einem entsprechenden Verhalten“183. Ähnlich konnten auch Auseinandersetzungen im adligen Milieu beigelegt werden. Chramnesind und Sichar waren einander verfeindet und es waren im Streit Verwandte erschlagen worden184. Dennoch vertrugen sich die beiden in Tours lebenden fränkischen Adligen und schlossen so enge Freundschaft, dass sie oft das Mahl miteinander einnahmen, die Kline miteinander teilten und dort betrunken zusammen einschliefen. „Sichar hatte nämlich mit Chramnesind, obwohl er ihm seine Verwandten erschlagen hatte, innige Freundschaft geschlossen, und sie waren einander so herzlich zugetan, dass sie oftmals zusammen ihr Mahl verzehrten und auf einem Lager beisammen schliefen“185. Die weitere Geschichte von Sichar und Chram­ nesind, die Gregor überliefert, berichtet vom Tabubruch der Gewalt beim Mahl, denn die enge Vertrautheit der beiden Trunkenbolde konnte nicht gut gehen. Beim nächtlichen Trinken schmähte Sichar seinen Gastgeber Chramnesind, der wutentbrannt die Lichter bei Tisch löschte und mit dem Schwert den Schädel des Tischnachbarn spaltete. Für den Bischof Gregor war dies übrigens nur eine Art von Betriebsunfall, der kein Mitleid erforderte, da der Getötete selbst nur ein gewalttätiger Trunkenbold war186. Leider ist nicht nachvollziehbar, ob man in der merowingischen Oberschicht im 6. Jahrhundert auf Klinen oder auf dem stibadium lag187. Das Essen und Trinken im Liegen impliziert auch Gregor von Tours Bericht über den in der Mitte des 6. Jahrhunderts amtierenden Bischof Cautinus von Clermont183 G. Althoff, Der frieden-, bündnis- und gemeinschaftsstiftende Charakter des Mahles im früheren Mittelalter. In: I. Bitsch/T. Ehlert/X. v. Ertzdorff (Hrsg.), Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit (Sigmaringen 1987) 13–26 hier 14 f. u. 17. Vgl. auch Effros (Anm. 182). 184 Greg. Tur. hist. 7,47 (ed. Buchner, Bd. 2, 153–157). 185 Greg. Tur. hist. 9,19; (ed. Buchner, Bd. 2, 1959, 257). 186 Greg. Tur. hist. 9,19 (ed. Buchner, Bd. 2, 259). 187 Vgl. z. B. cenatio mit stibadium des 5. Jhs. im Grabungsbefund einer Oberschichtvilla mit digitaler Rekonstruktion: G.  Volpe/G.  De Felice/M. Turchiano, Faragola (Ascoli Satriano). Una residenza aristocratica tardoantica e un villaggio altomedievale nella Valle del Carapelle: primi dati. In: Paesaggi e insediamenti rurali in Italia meridionale fra Tardoantico e Altomedioevo. Atti del I seminario sul Tardoantico e l’Altomedioevo in Italia Meridionale, Foggia 2004 (Bari 2005) 265–297 hier 269, 273–275 (Befund), 276 u. 289 (digitale Rekonstruktion); G. Volpe/M. Turchiano, Faragola di Ascoli Satriano. Guida agli scavi archeologici (Foggia 2010) bes. 32 (Umzeichnung des Befundes und Darstellung zum Bauvorgang), 41 f. (Befund), 35 u. 44 f. (digitale Rekonstruktion).

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Ferrand, der sich oft bewusstlos trank und dann wegen seiner Leibesfülle kaum von vier Männern vom Tisch weggetragen werden konnte188. Einem ganz anderen Lebensideal fühlte sich der Bretone Winoch verpflichtet, der sich als asketisch lebender Geistlicher in Tours – außerhalb der Fastenzeit – nur wenig Wein zum Trinken geben ließ und Wildkräutersalat aß, was sich von der Lebensweise des dortigen Klerus sehr unterschied189. Ein Mönch aus Bordeaux verzichtete – zur großen Verwunderung Gregors – in der 40-tägigen Fastenzeit sogar auf das allgemein übliche Brot und nahm stattdessen nur alle drei Tage einen Napf Gerstenbrei zu sich. Gerstenbrot und Wasser war gottgefällige Fastenspeise190. Selbst Inklusen und Säulenheilige wurden von der Bevölkerung mit Brot und Wasser versorgt191. Gregor berichtet von einer Hungersnot, die „fast ganz Gallien“ bedrängt habe. Es gab großen Mangel an Getreide und man hatte kein Brot. Wohl die Stadtbevölkerung Galliens im Auge, berichtet Gregor aus seinem Umfeld: „und viele buken aus Traubenkernen und Haselblüten Brot, manche auch aus getrockneten und zermahlenen Wurzeln des Farnkrautes, denen sie etwas Mehl beimischten. Viele schnitten die grüne Saat ab und taten damit dasselbe. Es gab ferner viele, die gar kein Mehl mehr hatten und daher allerhand Kräuter ausrissen und aßen; von deren Genuss schwollen sie aber und starben. Eine große Zahl siechte damals dahin und kam um“192. M.E. imitierte hier die notleidende Stadtbevölkerung fälschlich Überlebensstrategie der Landbevölkerung. War in Notzeiten Getreide zur Breizubereitung nicht verfügbar, konnte man ersatzweise Eicheln im Wald sammeln; im milden Klima gab es zusätzlich Kastanien, die man verwenden konnte. Klöster und Königshöfe betrieben eigene Getreidemühlen, die für die Versorgung mit Brot und Brei wichtig waren193. Klausner wie der bei Clermont lebende Martius bauten in ihrem Garten selbst zur Versorgung Kohl,

188 Greg. Tur. hist. 3,12 (ed. Buchner Bd. 1 [Berlin 1959] 207); Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 94. 189 Greg. Tur. hist. 8,34; Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 370. 190 Greg. Tur. hist. 9, 21; Greg. Tur. vit. part. 13,1 (MGH SRM 1,2, [Hannover 1885, Nachdr. 1969 mit neuer Paginierung] 265 f.); vgl. Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 369. 191 Ebd., Bd. 2, 370. 192 Greg. Tur. hist. 7,45; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 101. 193 Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 369. Vgl. auch Clemens 2006 (Anm. 136).

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Zwiebeln und Obst an194. Im Wald lebende Einsiedler wie Marianus suchten sich wilde Früchte und Honig195. Neben dem Schwein war Geflügel wichtig. Vor allem Hühner spielten eine wichtigere Rolle als in den mediterranen Kulturen. Gänse wurden wegen ihres Fettreichtums besonders geschätzt, während die Taube wohl aus theologischen Überlegungen nicht gegessen wurde196. Auch Fisch ist als Nahrungsmittel von Bedeutung gewesen197. Unerwartete hungrige Gäste konnte man in Reims mit infusum (lat. das Hineingeschüttete, Aufguss), wohl einer Art Suppe oder Eintopf bewirten, dazu reichte man Brot und Wein198. Bei den Getränken steht in den Werken Gregors der Wein an erster Stelle. In der Fastenzeit trank man verstärkt Wasser. Auch Essigwasser ist wie in der Römerzeit noch üblich gewesen. Selbstverständlich kannte Gregor von Tours Bier199. Venantius Fortunatus nennt die mit Bier gefüllte Flasche (lagunarus) und benutzt im 6. Jahrhundert den gleichen Begriff wie in der römischen Kaiserzeit200. Auch warme Kräuter- oder Wurzelbrühe wurde nach Gregor getrunken201. Anthimus hob den Konsum von Bier und Met bei den Franken hervor; er vergleicht die gesundheitsstärkende Wirkung des Biers mit der Gersten-Suppe, die man im Mittelmeergebiet anders zubereitete202. Der Bischof Vedastus von Arras († 540) nahm – der eine Jahrhundert später verfassten Vita zufolge 194 Greg. Tur. vit. patr. 14,2 (MGH SRM 1,2 [Hannover 1885, Nachdr. 1969 mit neuer Pagi­ nierung] 268 f.); Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 370. 195 Greg. Tur. glor. conf. 80 (MGH SRM 1,2 [Hannover 1885, Nachdr. 1969] 348 f.); Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 370. 196 Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 367 f.; Benecke 1994 (Anm. 102) 377 f.; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 100. 197 Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 368. 198 Greg. Tur. hist. 3,15 (Buchner, Bd. 1,1959, 165–169). 199 Greg. Tur. glor. conf. 1, 80 (MGH SRM 1,2 [Hannover 1885, Nachdr. 1969] 298  f. u. 348 f.); Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 369. 200 Ven. Fort., App. carm. 9,16 (MGH AA 4,1 [Hannover 1881] 281, ed. F. Leo). 201 Greg. Tur. hist. 6,6; Weidemann 1982 (Anm. 177) Bd. 2, 369. 202 Anthimi, De observatione ciborum ad Theodoricum regem Francorum epistula 15: cervisa bibendo vel medus vel aloxinum quam maxime omnibus congruum est ex toto, quia cervisa quae bene facta fuerit beneficium praestat et rationem habet et sicut tisana quam nos facimus alio genere. tamen generaliter frigida est. Similiter et medus bene factum ut mel bene habeat, multum iuvat (Corpus Med. Lat. VIII,1 [Berlin 1963] 10, ed. E. Liechtenhan; M. Grant, Anthimus De observatione ciborum: On the Observance of Foods [Blackawton 1996] 56). Vgl. Nelson 2005 (Anm. 97) 89.

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– an einem Gastmahl im Hause des Hocinus Anstoß, wo Kessel mit Bier im Rahmen einer traditionellen Feier mit paganen Zügen aufgestellt waren203. Der Kessel selbst war aber nicht heidnisch assoziert. Gregor von Tours berichtet von einem Bierkessel-Wunder in Avernus204. Für Königin Radegunde († 587) hob Venantius Fortunatus hervor, dass sie nicht wie ihre Umgebung nach Wein, Met oder Bier dürstete, sondern erkrankt Honigwasser (aquam mulsam) zu sich nahm205. Andererseits mahnte Venantius Radegunde in Anbetracht ihres Gesundheitszustands doch Wein zu trinken206. Der aus Italien gebürtige Venantius sah übrigens herablassend auf das Biertrinken herab, wie aus seiner Schilderung der Trinksitten des Dagaulf hervorgeht207. Aus dem Bedeutungswandel der Lectisternien hin zum Totengedenken im Allgemeinen möchte ich auf eine weit verbreitete Praxis des memorierenden Essens und Trinkens wohl auch am Grab schließen208. Dass die von Anthimus behandelten Rezepturen keine Fiktion darstellten, belegt ihr Vorkommen im Grabkontext209. Bezüglich der Speisebeigaben in merowinger-

203 Jonas vit. Ved. Episc. Atreb. 7 (MGH SRM 3 [Hannover 1896] 410  f., ed. B. Krusch); Nelson 2005 (Anm. 97) 89 f. 204 Greg. Tur glor. conf. 1 (MGH SRM 1,2 [Hannover 1885] 748 f., ed. B. Krusch); Nelson 2005 (Anm. 97) 89 f. 205 Ven. Fort. vit. Sanct. Radeg. reg. 1,15: vini vero puritatem aut medi decoctionem, cervisaeque turbidinem non contigit (MGH SRM 2 [Hannover 1902] 369, ed. B. Krusch); Nelson 2005 (Anm. 97) 90. 206 Hinsichtlich der gesundheitsfördernden Wirkung des Weins berief sich Ven. Fort. carm. 11,4 auf 1 Tim. 5,23 und erklärte, dazu eine Mahnung des Apostels Paulus erhalten zu haben. 207 Ven. Fort. append. carm. 9.15–18: sed Dagaulfum haec rumpat cervesia tristis, faece lagunari turbida, tendat hydrops: faucibus in stupidis talem bibat ille liquorem, tam male sinceras qui vitiavit aquas (MGH AA 4,1 [Hannover 1881] 281–282, ed. F. Leo); Nelson 2005 (Anm. 97) 90. 208 Sidon. Apoll. ep. 4,15 (MGH AA 8 [Berlin 1887] 66 f. ed. C. Lüthjohann) 209 Päffgen 1992 (Anm. 13).

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zeitlichen Gräbern soll hier der Verweis auf die Studien von Eva Stauch und Markus Blaich genügen 210.

Ausblick in die jüngere Merowinger- und Karolingerzeit Während für die ältere Merowingerzeit zumindest in Gallien und im Rheinland von einer gewissen Kontinuität in der Ernährung und in Tischsitten auszugehen ist, vollzogen sich grundlegende Änderungen im Verlauf des 7. Jahrhunderts, wohl vor allem nach dem Ende der Regierung König Dagoberts. Das spätantike Vorbild ging zunehmend verloren211. Andererseits setzen Quellen zum Alltag stärker aus, als dies noch für das 6. Jahrhundert der Fall war. Insofern ist Hirschfelder zuzustimmen, wenn er schreibt: „Vieles von dem, was die Struktur der täglichen Mahlzeiten ausmachte, bleibt im Verborgenen – in dieser Hinsicht ist das frühe Mittelalter tatsächlich eine dunkle Epoche“212. Neben einer größeren Bedeutung des Familienverbands für den Alltag ist von einer stärkeren Symbolbedeutung des nichtalltäglichen Mahls auszugehen213. Ungewiss wird die Existenz von Gasthäusern im Merowingerreich, die dann in der Karolingerzeit wieder als selbstverständliche Größe im öffentlichen Leben erscheinen214. 210 E.  Stauch, Ein Blick über den frühmittelalterlichen Tellerrand. Die Ernährung des frühen Mittelalters nach dem althochdeutschen Wortschatz. In: C. Dobiat (Hrsg.), Reliquiae Gentium. Festschrift für Horst Wolfgang Böhme zum 65. Geburtstag, 1. Internat. Arch. Studia honoraria 23 (Rahden/Westf. 2005) 289–312; M. Blaich, Bemerkungen zur Speisebeigabe im Frühen Mittelalter. In: O. Heinrich-Tamàska/N. Krohn/ S. Ristow (Hrsg.), Dunkle Jahrhunderte in Mitteleuropa? Tagungen Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter 1, Xanten 2006 und 2, Schleswig 2007. Stud. Spätant. u. Frühmittelalter 1 (Hamburg 2009) 27–44. 211 Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 106 betont die „Züge eines kulturellen Vakuums“. 212 Ebd. 107. 213 „Stärker als in späteren Epochen war die Nahrungsaufnahme symbolbehaftet und damit auch instrumentalisierbar. Beim Adel hatte das gemeinsame Mahl eine gemeinschaftsbildende und -fordernde Kraft. Die Aufnahme in die Tischgemeinschaft bedeutete gleichzeitig auch die Aufnahme in die soziale Gruppe, und der Vollzug des gemeinsamen Mahles zog die Kräftigung des Zusammenhalts nach sich“: Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 107; vgl. K.-S. Kramer, Mahl und Trunk. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte 3 (Berlin 1984) Sp. 154–156. 214 Im Bistum Lüttich untersagte man z. B. um 800 den Geistlichen den Besuch von Ta­ vernen. Peyer 1987 (Anm. 60) 77–115; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 111.

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Für den archäologischen Bereich sei exemplarisch Grab 27 aus Lauchheim angeführt, in dem ein 30-jähriger Mann um 700 bestattet war; 300 l des Gesamtvolumens der Grabgrubenverfüllung wurden auf Pflanzenreste untersucht. Bei der Einfüllung des Aushubs gelangten auch Teile des Oberbodens der Umgebung mit in das Grab, so dass Erkenntnisse über die Pflanzen der Zeit gewonnen werden konnten, die zusammen mit den verkohlten Pflanzenresten aus den Laucheimer Grubenhäuser das Bild bereichern. Als Getreide sind Hafer, Dinkel, Roggen und Einkorn nachweisbar. Hinzu kommen Linse, Feldkohl, Schlafmohn (Heilpflanze) und Lein (Öllieferant). Überraschend gelang der Nachweis zahlreicher Gartenpflanzen: Gemüsekohl, Runkelrübe/Mangold, Dill, Koriander, Petersilie und Echtes Bohnenkraut. Als angebautes Obst sind Birne, Feige und Pflaume zu belegen. Himbeere, Brombeere, Haselnuss und Schlehe können gesammelt sein. Als Nutzpflanzen sind Gelber Hartriegel und auch Hopfen zu fassen gewesen. Es ergibt sich das Bild einer siedlungsnahen Abfallecke, in der sowohl Abfälle der Haus- und der Landwirtschaft deponiert wurden. Darüber hinaus wird eine Trennung von Küchengarten und Obstgarten vermutet215. Bei den Siedlungsgrabungen selbst besitzen Brunnenuntersuchungen besondere Relevanz, aber auch Grubenhäuser können wertvolle Erkenntnisse liefern 216. Seit dem 7. Jahrhundert wird in der schriftlichen Überlieferung Bierkonsum stärker greifbar, der in Irland und Britannien einen höheren Stellenwert 215 M. Rösch, Archäobotanische Belege für frühmittelalterlichen Gartenbau in Südwestdeutschland, Hamburger Werkstattreihe zur Archäologie 4 (Hamburg 1999) 61–69. 216 Als Überblick: U.  Willerding, Ackerbau. In: Benecke u.  a. 2003 (Anm.  107) 151–156; Ders., Garten, Obst und Weinbau. Ebd. 162–172; N.  Benecke, Haustierhaltung. Ebd. 173–191; P. Donat, Haus und Hof im frühen Mittelalter. Ebd. 215–227. – Beispiele für Brunnenfunde aus dem Rheinland: W. Sage, Die fränkische Siedlung von Gladbach, Kr. Neuwied (Düsseldorf 1969); K.  Sommerfeld/M.  Trier, Ausgrabung einer merowingerzeitlichen Siedlung. Arch. Rheinland 1994, 94–96. – Süddeutschland: I.  Stork, Friedhof und Dorf, Herrenhof und Adelsgrab. Der einmalige Befund in Lauchheim. In: Die Alamannen (Stuttgart 1997) 290–310; St. Winghart, Ein Brunnen in der frühmittelalterlichen Siedlung von Eching. Das Arch. Jahr in Bayern 1985, 126– 127; E. Neumair, Eine frühmittelalterliche Siedlung an der Hollenerstraße in Eching. Archäologie im Landkreis Freising 1994, 137–142; H. Geisler, Studien zur Archäologie frühmittelalterlicher Siedlungen in Altbayern (Straubing 1993); Ders., Haus und Hof im frühmittelalterlichen Bayern nach den archäologischen Befunden. In: H. Beck/H. Steuer (Hrsg.), Haus und Hof in ur- und frühgeschichtlicher Zeit (Göttingen 1997) 461–483; M. Eule, Die frühmittelalterlichen Siedlungen in Aschheim, Lkr. München. In: Ruralia II (Prag 1997) 25–33.

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als auf dem Kontinent besaß217. Über die insulare Mission auf dem Kontinent dürften hier Einflüsse zu rekonstruieren sein. In der von Jonas von Bobbio (ca. 600–660) um 640 verfassten Vita des Hl. Columban (540–615) ist von 100 modii braci (Malz) die Rede, die zur Bierherstellung dienen sollten 218. Im Kloster von Luxeuil trank man zur Zeit des Abtes Columban bei Tisch Bier, das von einem Diener den Mönchen im Refektorium serviert wurde, der es im Keller aus dem Fass in eine Kanne abzapfte219. Den hohen Stellenwert des Bieres zeigt auch ein Columban zugeschriebenes Wunder beim Kloster Fontaine, demzufolge er in der Lage war, 60 auf dem Feld arbeitende Mönche mit etwas Bier und zwei Laib Brot zu verpflegen220. Auch in Viten zu fränkischen Heiligen wie den Bischöfen Arnulf von Metz (ca. 582–640)221 und Goericus von Metz (ca. 570–643)222 kommen dann Bierwunder vor. Auch im alamannischen Recht ist das Bier fassbar223. Aus der Karolingerzeit ist ein ausdrückliches Bierbrau-Verbot für Sonntage und Heiligenfeste überliefert224. Bier und Wein waren Getränke, von denen eines im Karolingerreich immer verfügbar gewesen sein dürfte225. Dennoch gab es auch im Frankenreich die traditionelle Haltung, die Wein dem Bier vorzog. So beklagte sich Alcuin brieflich darüber, dass er bei einem Weinversorgungsengpass Sau-

217 L. M. Bitel, Isle of the Saints: Monastic Settlement and Christian Community in Early Ireland (Ithaca, NY 1990) 209–210; Nelson 2005 (Anm. 97) 76 f. u. 82–89. – Vgl. J. DeCarreux, Moines et monasteres à l'epoque de Charlemagne (Paris 1980) 301–303. 218 Jonas vit. Columb. 1,22 (MGH SRM 4 [Hannover 1902] 97, ed. B. Krusch; MGH SRG 37 [Hannover 1905] 200–205). Vgl. W. Kettemann, Vita Columbani. In: RGA XXXII (2006) 453–454. 219 Jonas vit. Columb. 1,16 (MGH SRM 4, 82; MGH SRG 37, 179–181). 220 Jonas vit. Columb. 1,17 (MGH SRM 4, 84; 181–186). 221 Anon. vita Sant. Arn. episc. 2,30 (MGH SRM 2 [Hannover 1885, veränderter Nachdr. 1969] 444, ed. B. Krusch). 222 Anon. vita Sanct. Goer. sive Abb. epics. (AASS 46 [Antwerpen 1760] Sp. 54A). 223 Lex alamann. 22.1 (MGH LL 3 [Hannover 1863, Nachdr. 1993] 51, ed. J. Merkel); Lantfridana, Lex alamann. 20 (MGH LL 3, 96); Carol., Lex alamann. 22 (MGH LL 3, 137,14–15; 138,1). – Vgl. auch das Diplom König Chilperichs II. von 716 (PL 88 [Paris 1850] Sp. 1124B, ed. J.-P. Migne); Brunner 1994 (Anm. 167). 224 Remedius Curiensis, Capitula 1 (MGH LL 5 [Hannover 1875–1889, Nachdr. 1987] 441 f., ed. K. Zeumer). 225 Tractoria de coniectu missis dando (MGH Capit. 2,1 [Hannover 1890] 10 f. Nr. 189, ed. A. Boretius/V. Krause).

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erbier trinken musste und forderte seinen besser lebenden Freund Josef auf, auf sein Wohl mitzutrinken226. Im Karolingerreich wurde Speise und Trank stärker reglementiert. Aus einem fragmentarisch erhaltenen Brief des Bischofs Richolf von Mainz an seinen Amtskollegen Egino von Konstanz von 810 geht hervor, dass Karl der Große an bestimmten Tagen des Jahres (wie in der Adventszeit vom 6. bis 8. Dezember) ein strenges Fasten mit Verzicht auf Fleischkonsum und den Konsum von Wein, Bier und Met auch für Alte, Kranke und Kinder verfügte227. Für die merowinger- und karolingerzeitlichen Pfalzen und Königshöfe ist von einer Infrastruktur auszugehen, die auf die Unterbringung und die Versorgung des reisenden Hofes zugeschnitten war228. Diese stellten je nach Lage auch größere Mengen an Wein, Obstwein, Bier und Met mit besonderen Qualitätsanforderungen her, die auch als Überschuss verkauft werden konnten229. Wenngleich Karl der Große seinen Zeitgenossen durch ungewöhnliche Enthaltsamkeit im Trunk auffiel230, hieß es von ihm, dass er ein leidenschaftlicher Esser war231. Erzbischof Hinkmar von Reims († 882) differenzierte die Gelage seiner Zeit, die in höfisch-adligen Kreisen, von Gilden und Bruder226 Alcuin epist. 5 (MGH Ep. 4,1 [Hannover 1899] 33, ed. P. von Winterfeld). Vgl. auch MGH Poet. 3 (Hannover 1886–1896) 690, ed. L. Traube: „hinc, cervisa, abeas“ (übersetzt: sei Du Bier, fern von hier); Nelson 2005 (Anm. 97) 100. 227 Rihcolfi Archiep. ad Eginonem Epist. (MGH Capit. 1 [Hannover 1883] 249 Nr. 127, ed. A. Boretius). 228 Für das 10. Jh. überliefert Annalista Saxo für den Hof Ottos d. Gr. den schier unglaublichen Bedarf und die Vielfalt an fleischlastiger Speise in Form von acht Rindern, 1000 Schweinen und Schafen, Mengen an Ferkeln und Hühnern. Dazu kamen noch Fisch, Gemüse und 1000 Malter Korn. Auch habe man zehn Fuder Wein und zehn Fuder Bier im Falle des Aufenthalts bereithalten müssen. Vgl. R. Marquardt, Das höfische Fest im Spiegel der mittelhochdeutschen Dichtung (Göppingen 1985) 183 f.; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 110 f. 229 Capit. de vill. imp. 45 mit Nennung von siceratores, d.  h. sicera-Produzenten (MGH Capit. I [Hannover 1883] 87 Nr. 32, ed. A. Boretius), damit ist in Übernahme eines biblischen Begriffs der Produzent aller alkoholischer Getränke neben dem Winzer gemeint. Vgl. Nelson 2005 (Anm. 97) 99. 230 Einh. vit. 24 (Einhardi Vita Karoli Magni, ed. O. Holder-Egger. MGH SRG 25 [Hannover 1911] 28 f.) in Übernahme von Suetons Charakterisierung von Kaiser Augustus (Suet. aug. 76–77). 231 M. Doll, „Im Essen jedoch konnte er nicht so enthaltsam sein …“ Fleischverzehr in der Karolingerzeit. Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn. Katalog der Ausstellung Paderborn 1999 (Mainz 1999) 445–449.

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schaften, von Klerikern und zum Gedenken von Toten begangen werden konnten; dabei nahm er nicht an der Praxis an sich Anstoß, sondern kritisierte die Unsitte des Trinkens auf Verstorbene oder Heilige, die allgegenwärtige Trunkenheit, das Händeklatschen und das wilde Gelächter, den Vortrag eitler oder schlüpfriger Geschichten, das Maskentragen, den Auftritt von Tanzbären und Darbietungen von Tänzerinnen232. Für das fränkische Rheinland lässt sich aus den Visitationsfragen des Abtes Regino von Prüm († 915) erschließen, dass es üblich war, nicht nur die Begräbnisfeier, sondern auch das Totengedenken und das Jahrgedächtnis mit einem Gelage zu begehen 233. Dabei sollte sich der Pfarrer aber nicht mit seiner Gemeinde betrinken, der Geistliche solle auch andere nicht zum Trinken anhalten und auch nicht auf sein eigenes Seelenheil trinken lassen. Trinken im Namen von Heiligen, Lärmen, wildes Gelächter, Anzüglichkeiten und unpassende Gesänge werden auch hier als unwürdige Begleiterscheinungen bei den Totengedenkfeiern herausgestellt234. Im Frankenreich des 8.–9. Jahrhunderts wurde die Wertschätzung und Verfügbarkeit von Wein und Bier stärker landschaftlich determiniert. Den extensiven Trinksitten der Oberschicht im Frankenreich dürften auch die Bestimmungen der Aachener Regel von 817 geschuldet sein, die für die Klerikergemeinschaften festlegte, dass in Gegenden mit gutem Weinanbau den Stiftsdamen drei Pfund Wein und den Stiftsherren fünf Pfund Wein täglich zustand. Wo es aber nur wenig Weinberge gebe, sei der Stiftsherr täglich mit drei Pfund Wein und gleicher Menge an Bier zu versorgen, den Damen stünden jeweils zwei Pfund an Wein und Bier zu. Wo es aber gar keine Weinberge gebe, habe der Stiftsherr Anrecht auf fünf Pfund Bier und ein Pfund Wein, während die Stiftsdame täglich Anrecht auf drei Pfund Bier habe235. Wichtig für die Neuordnung von Produktion, Vorratshaltung und Konsum in der Karolingerzeit vor den Wikingereinfällen ist der Plan von St. 232 PL 125 (Paris 1879) Sp. 776. Vgl. dazu Althoff 1987 (Anm. 183) 17 f.; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 109. 233 N. Kyll, Tod, Grab, Begräbnisplatz, Totenfeier: zur Geschichte ihres Brauchtums im Trierer Lande und in Luxemburg unter besonderer Berü cksichtigung des Visitations­ handbuches des Regino von Prüm. Rheinisches Archiv 81 (Bonn 1972). 234 Ebd. 129 f.; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 109 f. 235 Conc. Aquisgr., instit. can. 122 (MGH Conc. 2,1 [1906] 401 ed. A. Werminghoff) in Übernahme der Regel des Chrodegang von Metz, Reg. can. 8 u. 23 (PL 89 [1850] Sp. 1062C–1063A u. 1109D).

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Gallen, den man als Idealplan eines Großklosters bewerten kann236. Dort findet man ein horreum237 sowie Trockenöfen238, die wohl auch zum Trocknen von Hopfen dienten239. Mortaria240 und Mühlen241 tradieren letztlich römisches Erbe. Dem Idealplan zufolge waren Brauerei und Bäckerei arbeitstechnisch zusammen organisiert242; Backöfen und Brauerei lagen benachbart243. Ort der Vorratshaltung war der Klosterkeller244. Besonders beim frühmittelalterlichen Bier zeigt sich wiederum eine erstaunliche Differenzierung der Qualitäten, die der eingangs zitierten „Masse statt Klasse“-Regel Hirschfelders für die Karolingerzeit zumindest klar widerspricht. Aus dem St. Galler Klosterplan ergibt sich, dass dort – in Vernachlässigung aller Synergieeffekte, möchte man meinen, aber offensichtlich erfolgreich und den Bedürfnissen der Zeit entsprechend – drei unterschiedliche Brauereien Produkte für verschiedene Konsumentengruppen herstellten. Außer der – wie ich annehmen möchte – sicher guten Bierbrauerei für die Mönche existierte für die vornehmen Gäste des Klosters eine eigene Brauerei, die besondere edle Produkte herstellte – nur waren diese nicht für die Tafel des Refektoriums bestimmt, sondern für den Abt und seine Gäste einschließlich des Königs und dessen Hof245. Eine einfachere Qualität an Bier dagegen stellte die separate Brauerei für die Pilger und Arme her246. Der in Aachen entstandene Idealplan orientierte sich möglicherweise am hohen Stand der nahen maasländischen Brauereien247. Des Bedarfs wegen 236 K. Hecht, Der St. Galler Klosterplan (Sigmaringen 1983) 250 f.. 237 W. Horn/E. Born, The Plan of St. Gall, 3 Bde. (Berkeley 1979) Bd. 2, 222–224 und Bd. 3, 69 (Nr. 30.5). 238 Ebd. Bd. 2, 248–249 und Bd. 3, 68 (Nr. 29). 239 Ebd. Bd. 2, 261 und 263. 240 Ebd. 235–248 (Nr. 28). 241 Ebd. 225–235 (Nr. 27). Vgl. auch L. Price, The Plan of St. Gall in Brief (Berkley 1982) 60–65. Zum Kontinuitätsaspekt Clemens 2006 (Anm. 136). 242 Ebd. Bd. 2, 249–255, 258, 260–264 und Bd. 3, 42–43 Nr. 9.3; Price 1982 (Anm. 241) 57–59. 243 Horn/Born 1979 (Anm. 237) Bd. 2, 134–139. 244 Ebd. Bd. 1, 102, 286 u. 292–307 (mit Schätzungen zu den Wein- und Biervorräten); Price 1982 (Anm. 241) 24–27. 245 Horn/Born 1979 (Anm. 237) Bd. 2, 146, 151–154, 165, 256 und Bd. 3, 44 (Nr. 10); Price 1982 (Anm. 241) 42–47; Nelson 2005 (Anm. 97) 103 f. Abb. 7,4–6. 246 Horn/Born 1979(Anm. 237), Bd. 2, 141–142, 151, 153, 257 und B. 3, 71 (Nr. 32); Price 1982 (Anm. 241) 48–51. 247 J. Deckers, Recherches sur l’histoire des brasseries dans la région mosane au moyen âge. Le Moyen Âge 76, 1970, 445–491.

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dürfte in der Karolingerzeit der Hopfenanbau gefördert worden sein248. Archäologische Hopfenfunde sind belegt249. Tendenziell jünger ist das seit dem 10. Jahrhundert bekannte Gruit-Bier250. Zum Weinbau in der Karolingerzeit gibt es dank einer Studie von Franz Irsigler für das Moseldorf Mehring in der ausgehenden Karolingerzeit um 900 nach den Wikingereinfällen interessante Einblicke: 50 Winzerfamilien produzierten hier jährlich bis zu 24 000  l für das königliche Hauskloster Prüm. Ein Winzerhaushalt lieferte im Schnitt 400–500 l. Die Jahresproduktion eines Winzers dürfte mindestens das Doppelte betragen haben; auch Eigenbedarf kommt hinzu. Im Vergleich zur Römerzeit dürften die Winzerbetriebe anders und deutlich kleinteiliger strukturiert gewesen sein. Als weitere Produkte mussten die Moselwinzer Eicheln aus den Wäldern liefern, die man in Prüm für die klösterliche Schweinemast benötigte. Jeder Haushalt hatte 7,5  l Brombeersaft im Herbst und einen Becher Senf zu liefern. Auch Schnittlauch- und Poreeaufzucht gehörte zu den Leistungen für das Kloster bzw. den König, d. h. man betrieb auch Gartenbau. Die Mehringer Winzer waren aber spezialisiert und wurden vom Kloster im Gegenzug mit Brot und Getreide zumindest teilweise verpflegt. Brot und Getreidebrei sind als Grundnahrungsmittel bei ihnen anzunehmen. Fleisch gab es wohl eher selten, wenngleich auch die Winzer Schweine gehalten haben dürften. Der Eiweißbedarf wurde zur Hauptsache wohl von Moselfisch gedeckt251. Das alamannische Volksrecht nennt Bier, Brot, Schweine, Hühner und Eier (tit. 22) als gängige Nahrungsmittel und betont Rinder- und Schweinezucht (tit. 75,82). Fleisch dürfte im ganzen Frühmittelalter im Zentrum der Ernährung gestanden haben. Wegen des Futtermangels zu Beginn des Winters musste ein großer Teil des Viehbestandes der Königshöfe, Klöster und 248 A. Steiger, Vom Hopfen. In: F. M. Meier (Hrsg.), Westöstliche Abhandlungen (Wiesbaden 1954) 87–106 hier 91; Wilson 1975 (Anm. 99) 634–637. 249 K.  Behre, Zur Geschichte der Bierwürzen nach Fruchtfunden und schriftlichen Quellen. In: W.  van Zeist/W.  A. Casparie (Hrsg.), Plants and Ancient Man: Studies in Palaeoethnobotany (Rotterdam, Boston 1984) 115–122 bes. 115–119 mit Karte S. 118, Abb. 2; W. van Zeist/K. Wasylikowa /K. Behre (Hrsg.), Progress in Old World Palaeoethnobotany (Rotterdam 1991) 119 u. 121. 250 Wilson 1975 (Anm. 99) 643–644; R. W. Unger, Beer in the Middle Ages and the Renaissance (Philadelphia 2004) bes. 30–34 u. 43–46. 251 F. Irsigler, Mehring. Ein Prümer Winzerdorf um 900. In: Peasants and Townsmen in medieval Europe. Studia in honorem Adriaan Verhulst (Gent 1995) 297–324 bes. 299 ff., 317 ff.

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Bauernhöfe geschlachtet werden. Geräuchert oder gepökelt, war besonders Schweinefleisch gut haltbar und konnte auch im Zuge der Vorratshaltung im Winter und im Frühjahr gegessen werden. Die Qualität des Fleischs der Schweine muss aus heutiger Sicht vergleichsweise gut gewesen sein, da man vor allem Waldmast betrieb252. Für die Pfalz in Paderborn ist im 9. Jahrhundert eine gezielte Rinderzucht nachweisbar; man schlachtete dreijährige Jungrinder, ohne sie zuvor als Arbeitstiere eingesetzt zu haben253. Schwierig ist die Frage nach den pro Kopf konsumierten Fleischmengen zu beantworten, wobei man sich am ehesten an Schätzungen für die Zeit des Spätmittelalters zu halten hat, die von einem Durchschnittsverbrach von 20–40 kg pro Kopf ausgehen254. Wild dürfte eine untergeordnete Rolle gespielt haben und eher der adligen Oberschicht im Zusammenhang mit der Jagd vorbehalten gewesen sein. Hinzu kommt Fisch als Beikost und vor allem als Fastenspeise255. Der heiligmäßig lebende Gallus aß gewohnheitsmäßig (secundum consuetudinem) ungesäuertes Brot mit Butter, kleine gegrillte Fische mit Öl, dazu trank er nur eine kleine Portion Wein, als Dessert nahm er etwas Honig256. Aus einem Gedicht des Mönchs Walthram von St. Gallen aus dem frühen 10.  Jahrhundert erfahren wir ähnliche alternative Möglichkeiten zum Fleisch- und Alkoholkonsum, nämlich Brot, Fisch, Milch, Butter, Honig 252 H.-P. Baum, Fleisch, Fleischer. In: LexMa IV (1989) Sp. 541–545; Benecke 1994 (Anm. 107) 258 f.; Hirschfelder 2001 (Anm. 7) 99. 253 Doll 1999 (Anm. 231) 445–449 . 254 Für das Spätmittelalter geht man von relativ hohem Fleischverbrauch aus: Bartolomé Bennassar geht von einem Fleischverbrauch zwischen 20 und 40 kg pro Person und Jahr aus: B. Bennassar/J. Goy, Histoire de la Consommation. Annales ESC 2–3 (Paris 1975) 402–430 bes. 408–410; ähnliche Zahlen für die Schweiz: A. Hauser, Was für ein Leben. Schweizer Alltag vom 15. bis 18. Jh. (Zürich 1987) 82 f.; Wiegelmann kommt für die ersten Jahrzehnte des 16.  Jhs. in Deutschland sogar auf einen Durchschnitt um und über 100 kg Fleisch im Jahr: G. Wiegelmann, Alltags- und Festspeisen in Mitteleuropa. Innovationen, Strukturen und Regionen vom späten Mittelalter bis zum 20. Jahr­ hundert. Münsteraner Schr. Volkskunde/europäischen Ethnologie 112 (Münster 2006) 30. 255 M. Dembinska, Fasting and Working Monks: Regulations of the Fifth to Eleventh Centuries. In: A. Fenton/E. Kisban (Hrsg.), Food in Change: Eating Habits from the Middle Ages to the Present Day (Edinburgh 1986) 152–160; J. M. van Winter, Obligatory Fasts and Voluntary Ascetism in the Middle Ages. Ebd. 161–166; W. Düring u. a., Fasten, -zeiten, -dispensen. In: LexMA IV (1989) Sp. 304–307; G. Schwaiger, Mönchtum, Orden, Klöster (München 1994) 186–188. 256 Walahfrid Strabo, Vita St. Galli 1, 17 (MGH SRM 4, ed. B. Krusch [Hannover 1902] 297). Vgl. auch die Vita St. Galli auctore Wettino (Ebd. 256–280).

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und Gemüse257. Generell ist ein Rückgang des Weizenanbaus zu beobachten, während die Bedeutung des Roggens stieg258.

Zusammenfassung Der mit der Tagung beabsichtigte diachrone Ansatz der Betrachtung von „Küche und Keller“ als lebensnahes und lebenswichtiges Element mit hohem sozialen Indikationswert ist in der archäologischen Forschung relativ neu und Erfolg versprechend. Er übernimmt Erkenntnisse aus Soziologie und Anthropologie259 sowie der Alltags- und Kulturgeschichtsforschung260. Das Forschungsinteresse konzentriert sich bislang gerne auf die Verhältnisse des 1. Jahrhunderts v. Chr. bis zum 2. Jahrhundert n. Chr. Um Kontinuitäten und Brüche zwischen römischer Antike und Frühmittelalter besser fassen zu können, bedarf es der Klärung der Auswirkungen der Reichskrise des 3.  Jahrhunderts und der Präzisierung der spätantiken Veränderungen 261. Die Merowingerzeit ist stärker differenziert zu

257 Waldr., Carm. 3,32 (MGH Poet. 4,1, ed. P. von Winterfeld [Berlin 1899] 313). 258 Körber-Grohne 1995 (Anm. 108) 31, 49. 259 N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation l4 (Frankurt a. M. 1978) 110–174; C. LeviStrauss, Der Ursprung der Tischsitten. Mythologica III (Frankfurt a. M. 1973). 260 E. Barlösius, Soziologie des Essens. Eine sozial- und kulturwissenschaftliche Einführung in die Ernährungsforschung (Weinheim, München 1999); G. v. Paczensky/A. Dünnebier 1997, Kulturgeschichte des Essens und Trinkens (München 1997); Wiegelmann 2006 (Anm. 254). 261 S. J. B. Barnish, Pigs, plebeians and potentes: Rome’s economic hinterland, c. 350–600 A.D. Papers Brit. School Rome 55, 1987, 157–185.

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betrachten262. Nicht zu halten ist ein vereinfachter Nenner von „Masse statt Klasse“, wie ihn Hirschfelder vorgeschlagen hat. Vor allem die ältere Merowingerzeit lässt sich zumindest im Bereich der Speise- und Trinksitten der Oberschicht immer noch sehr nah an das antike Erbe setzen. Das am merowingischen Hof durch Anthimus für das frühe 6.  Jahrhundert überlieferte Essen von Pfau ist in deutlich spätantiker Tradition zu bewerten und diente letztlich in Anknüpfung prestigeträchtiger Sitten des Kaiserhofs der Legitimation von Herrschaft. Zu betonen ist der spezielle Charakter von Festmahl und rituellem Trinken im Frühmittelalter263. Vor allem für die Zeit des 4.–8. Jahrhunderts bleibt festzuhalten, dass weiterer Forschungsbedarf besteht. Neue Erkenntnisse dürften weitere archäologische Funde erbringen. Im Sinn einer kulturgeschichtlichen Deutung ist jedoch auch der Abgleich mit den Schriftquellen nicht außer Acht zu lassen. Den Endpunkt für eine vergleichende Analyse sollte der Zeithorizont um 1000 bilden, für den ein ausgezeichneter Forschungsüberblick vorliegt264.

262 Sehr verkürzt ist der Ausblick in die Merowingerzeit bei Meurers-Balke/KaszabOlschewski 2010 (Anm.  45) 160: „Durch die vollständige Christianisierung der niederrheinischen Bevölkerung im Laufe der Merowingerzeit änderte sich ihre Einstellung zu Speise und Trank: In Konkurrenz zur antiken, von Sinnesfreuden geprägten Haltung trat nun das mönchische Ideal von Disziplin und Enthaltsamkeit. Der Genuss von Alkohol, der in römischer Zeit u. a. auch durch den Bacchus-Kult seine gesellschaftliche Legitimation gefunden hatte, war zwar auch in der Merowingerzeit ein gerade in der Oberschicht verbreitetes Phänomen, doch wurde er nun von der Kirche als moralisch verwerflich gegeißelt. Ebenso wurde das in der Antike z. B. bei Gastmählern gesellschaftlich akzeptierte Schlemmen jetzt als gula, also als Völlerei und damit als eine der sieben Todsünden interpretiert. Ein ebenfalls neues Phänomen war das der kirchlichen Fastengebote. Für die Dauer der Fastenzeit oder einer auferlegten Fastenbuße durfte kein Fleisch verzehrt und oft auch kein Öl oder Alkohol konsumiert werden. Vermutlich hatten diese Ge- und Verbote aber nur bei einem Teil der Bevölkerung konkreten Einfluss auf die tägliche Ernährung“. 263 Althoff 1987 (Anm. 183); Effros 2002 (Anm. 182). 264 D.  Rippmann/B.  Neumeister-Taroni (Hrsg.), Gesellschaft und Ernährung um 1000 (Vevey 2000). Vgl. auch K.-E. Behre, Die Ernährung im Mittelalter. In: B. Herrmann (Hrsg.), Mensch und Umwelt im Mittelalter (Stuttgart 1986) 74–87.

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Küche und Keller

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Summary The diachronic approach of an examination of „kitchen and storage room” as a true-to-life and vital element with high social relevance in archaeology is comparable new and promising. It adopts insights both from social and human anthropology and cultural history. Until recent times research was focused on the 1st and 2nd century AD. In order to explain continuities and disruptions between Antiquity and early Middle Ages a closer examination of the impact of the 3rd century crises and the changes in Late Antiquity is required. Also the Merovingian period has to be considered closer. No longer valid is Hirschfelders approach of „the more, the better”. Especially in early Merovingian times feast and drinking habits of the social elite is still very close to Antiquity: the consumption of peacock at the Merovingian court as described by Anthimus in the early 6th century stands in late antique tradition and marks clearly a tie to the prestigious habits of legitimation of power at the imperial court. The distinctive character of feasting and ritual drinking in the early Middle Ages has to emphasized. Especially for the 4th to 8th century there is still a great need for continuing research. Here new archaeological discoveries will bring further insights. In the context of a cultural history a comparison with the written records is vital. The chronological ending of such an analysis should be marked around the beginning of the 2nd millennium, for which the state of research is much comprehensive.

Prof. Dr. Bernd Päffgen Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie und Provinzialrömische Archäologie Historicum – Zentrum für Geschichte und Archäologie Ludwig-Maximilians-Universität Schellingstraße 12 80799 München [email protected]

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