3. Die Praxis: Die Jugendkulturbewegung
Jugendliches Leben um 1900
'Entdeckung' der Jugend in der bürgerlichen Gesellschaft
"Jugendpflege" = Unterdrückung der Jugend
Krise der Autoritäten = der bürgerlich patriarchalen Welt
Jugendbewegung
Suche nach eigenen Lebens- und Ausdrucksformen
Natur- und Gemeinschaftserlebnis
Ergänzung in 'dürftiger' Zeit
Abiturenten, Kaiser-Friedrich-Schule Berlin, 1912
Altwandervogel, Berlin, 1911
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
Wynekens Weltanschauung
umfassendes Narrativ mit Heilsversprechen
Evolution und Gnosis, Idealismus und Lebensphilosophie
Verwirklichung des Geistes als Telos der Evolution
Kulturkritik
Aufruf zu neuer Mythologie auf Grundlage der modernen
Wissenschaft, zu einer neuen Religion
Schriften (Auswahl)
Der Gedankenkreis der Freien Schulgemeinde 1913, Schule und Jugendkultur 1913,
Was ist "Jugendkultur"? 1914, Der Krieg und die Jugend 1914, Der Kampf für die Jugend 1919, Eros 1921, Wickersdorf 1922, Weltanschauung 1947, Musikalische Weltanschauung 1948
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
Gustav Wyneken
(1875 1964)
1898: Promotion über Hegels Kant Kritik
Lehrer in den Landerziehungsheimen Ilsenburg, Haubinda
1906: Gründung der Freien Schulgemeinde Wickersdorf, wo
er immer wieder tätig war
Ab 1910 intensives publizistisches Engagment, Leben als
freier Schriftsteller
Einfluss auf Jugendbewegung und Freie Studentenschaft,
vor allem durch die Jugendkulturbewegung
1921: Verurteilung wegen sexuellen Missbrauchs
1. Der Kontext: Der Begriff Jugend um 1900
Funktionen des Begriffs Jugend
Antihistorischer Imperativ
Gegenkraft zu Macht und Tradition
Möglichkeit neuer Werte
Utopie
Stellung außerhalb des kommerziellen Alltags
Chiffre für ein nicht-entfremdetes Leben
Aura des Authentischen, Wahren, Guten und Schönen
Symbol des Apolitischen
Stellung jenseits der Gegensätze
Lösung der Konflikte unabhängig von Parteien
1. Der Kontext: Der Begriff Jugend um 1900
Historischer Kontext
"Gebildeten-Revolte" (Ulrich Linse):
geistiger Widerstand gegen die moderne Lebenswelt
Ambivalenz: "fortschrittliche Reaktion" (Richard Hamann/Jost Hermann)
Leitbegriffe
Geist: Tradition, Vergangenheit, Kanon überlieferter Werte
Jugend: Innovation, Zukunft, Erneuerung der Gesellschaft
Einleitung
Aufbau
Einleitung
1. Der Kontext: Der Begriff Jugend um 1900
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
3. Die Praxis: Die Jugendkulturbewegung
4. Bleibendes: Freundschaft der fremden Freunde
Einleitung
Moritz Schlick: "Vom Sinn des Lebens"
(in: Symposium 1, Heft 4, 1927, 331 354)
Selbstzweck versus Mittel-Zweck-Relation, Spiel versus Arbeit
"schöpferische Spiele" als Sinn des Lebens
Jugend = "vom dunklen Gewölk des Zwecks befreit" (MSGA, Bd. 1/6, 112)
Jugend hat Eigenwert und ist mehr als Lebensphase = Zustand
Jugend = "Träger des Sinns des Lebens" (MSGA, Bd. 1/6, 114)
Brauchen wir eine Lebensregel, so sei es diese: Bewahre den Geist der Jugend!'
Denn er ist der Sinn des Lebens." (MSGA, Bd. 1/6, 125)
Einleitung
Thema
Gustav Wynekens Weltanschauung
Konzept der Jugendkultur und Jugendkulturbewegung
Kontext meiner Forschungen
Walter Benjamins Jugendphilosophie (1911-1915)
Benjamin (geb. 1892) war Mitglied der Jugendkulturbewegung
(ebenso wie z.B. Hans und Bernhard Reichenbach)
Metaphysik der Jugend
Freundschaft: der Dichter C.F. Heinle
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
Das Konzept der Jugendkultur
Autonomie der Jugend + Kampf um Werte der Zukunft
Selbsterziehung der Jugend = Gestalt der Zukunft selbst bestimmen
revolutionäre Funktion der Jugendkultur
Der Gedanke der Jugend
Jugend als "Braut des Geistes"
Jugend als "geistige Haltung" = "Streben zum Unbedingten"
Jugend = Ideal
Wickersdorfer, Hoher Meißner, 1913
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
Die Jugend strebt zum Unbedingten. Sie will, da sie die vielen Einwendungen und Umwege
der sogenannten Wirklichkeit noch nicht kennt, ohne Umschweife auf den letzten Wert hinaus. Sie ist die Zeit der Leidenschaft und Liebe, der Glaubens- und Begeisterungsfähigkeit, und das sind Güter, deren unermeßlichen Wert die erwachsene Generation erst wieder begreifen wird, wenn einmal eine neue Religion über sie kommt."
(Wyneken: Schule und Jugendkultur, 1913, S. 43)
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
[Sie] ist eigentlich die geistige Haltung, die den Geist bejahend, deren konkreter Inhalt sich
nach den (durch Zeitalter und Umstände) bedingten geistigen Werten bestimmt, die in den Gesichtskreis unserer Gemeinschaft treten. Das wesentliche Moment dieser geistigen Haltung ist also […] die praktische Anerkennung unbedingt geltender Werte, ja, eines Kosmos, der unabhängig von den Nützlichkeitswerten des biologisch-technisch-sozialen Lebens [...] sein anders geartetes Dasein hat, ein höheres Lebensgesetz bildet."
(Wyneken: Wickersdorf, 1922, S. 16)
3. Die Praxis: Die Jugendkulturbewegung
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges
Augusterlebnis erfasste nicht zuletzt die Jugend
Perpetuierung des Jugendkultes im Krieg
Wyneken: Krieg = "ethisches Erlebnis" für die Jugend
Das Ende der Jugendkulturbewegung
Ablehnung des Krieges
Enttäuschung über jugendliche Begeisterung
Radikalisierungen:
Zionismus (Bernfeld)
Sozialismus (Aufbruch-Kreis um Joel, mit Reichenbach)
Rückzug (Benjamin)
4. Bleibendes: Freundschaft der fremden Freunde
Serakreis Jena, Hoher Meißner 1913
Rudolf Carnap
But the spirit that lived in this movement […] remained a precious inheritence for everyone who had the good luck to take an active part in it. What remained was more than a reminiscence of a enjoyable time; it was rather an indestructible living strength which would forever influence our reactions to all practical problems of life."
(Carnap: Autobiography. Deleted pages of the first version, B35)
4. Bleibendes: Freundschaft der fremden Freunde
Walter Benjamin
"Freundschaft der fremden Freunde" als Prinzip jugendlicher Gemeinschaft
Alterität als Prinzip von Freundschaft
Schicksal von Heinle (1894 1914) = Wesen der Jugend
Prinzip der Freundschaft als Bleibendes der Jugenderfahrung
"Freiheit, Dinge und Gedanken, die als unvereinbar gelten, neben einander zu bewegen" (Benjamin, Juni 1934)
Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
Heilsgeschichtliche Überhöhung
Nihilismus
extremer Idealismus als radikaler Nihilismus
Negation der bestehende Welt
Auflehnung gegen die Schöpfung (Gnosis)
Erlösung
voluntaristischer Aktivismus
Erlösung der Welt durch die Jugend
Erziehung als heilsgeschichtlicher Akt
Rede Wyneken, Höxter, 1923
2. Die Theorie: Gustav Wynekens Weltanschauung
Die metaphysische Revolte die Bewegung, mit der ein Mensch sich gegen seine Lebensbedingungen und die ganze Schöpfung auflehnt. Sie ist metaphysisch, weil sie die Ziele des Menschen und der Schöpfung bestreitet. Der Sklave protestiert gegen das Leben, das ihm innerhalb seines Standes bereitet ist, der metaphysisch Revoltierende gegen das Leben, das ihm als Mensch bereitet ist. [...] Der metaphysisch Revoltierende erklärt sich von der Schöpfung betrogen."
(Camus: Der Mensch in der Revolte [1951], 200927, 35)
Jugendbewegung als metaphysische Revolte
Gustav Wynekens Weltanschauung
Dr. Johannes Steizinger
3. Die Praxis: Die Jugendkulturbewegung
Die Jugendkulturbewegung
geistiger Flügel der Jugendbewegung
Mitglieder u.a. Walter Benjamin, Hans und Bernhard Reichenbach
Siegfried Bernfeld, Norbert Elias, Geschwister Eisler
Etablierung einer jugendlichen Gegenöffentlichkeit:
Zeitschrift Der Anfang, Sprechsäle, Archiv für Jugendkultur,
Der grüne Anker
Richtungskampf
sozialistischer Flügel mit "konkretem Kampfprogramm"
vs.
literarische Gruppe mit Anspruch auf bedingungslosem Selbstausdruck
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