... in locis firmissimis ... Ausgrabungen auf dem Monte San Martino di Lundo/Lomaso in den äußeren judikarischen Tälern (Trentino, Italien)

October 7, 2017 | Author: Marcus Zagermann | Category: Late Antique Archaeology, Late Antiquity, Late Roman Archaeology, Archeologia medievale, Late Roman and early Byzantine fortifications, Hillforts and Enclosures, Longobardi archeologia, Hillforts and Enclosures, Longobardi archeologia
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Sonderdruck aus „Bayerische Vorgeschichtsblätter“ 79 (2014)

Bayerische Vorgeschichtsblätter 79, 2014, S. 195–218

… in locis firmissimis … Ausgrabungen auf dem Monte San Martino di Lundo/Lomaso in den äußeren judikarischen Tälern (Trentino, Italien) Marcus Zagermann, München und Enrico Cavada, Trento

Die Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter hat Europa stark geprägt. Diesen spannenden Zeitraum untersucht die Kommission zur vergleichenden Archäologie römischer Alpen- und Donauländer der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in einem Forschungsschwerpunkt exemplarisch für den mittleren Alpenraum1. Teil des Projektes ist die Ausgrabung einer befestigten Höhensiedlung im Trentino2. Diese regelhaft in ur- und frühgeschichtlichen Epochen auftretende Siedlungsform spielt in der römischen Kaiserzeit, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle. Jedoch greift man auf diesen althergebrachten Typ ab dem späten 3. Jahrhundert wieder zurück, und zwar, weil die Zeiten unruhiger und unsicher werden. In vielen Gegenden des spätrömischen Reiches und darüber hinaus sind diese Höhensiedlungen die gesamte Spätantike und das frühe Mittelalter über von großer Wichtigkeit und das aus unterschiedlichen Gründen. Jede Region kennzeichnen dabei eigene Charakteristika. Gemeinsam haben die betreffenden Plätze aber ihre natürliche Fortifikation, also die gut zu befestigende Höhenlage, oft verbunden mit weiter Fernsicht. Im heutigen Südtirol und vor allem im Trentino treffen wir eine besondere Situation an: Es gelingt nicht nur die Lokalisierung vieler Höhensiedlungen im Gelände, sondern sie sind uns mitunter auch durch die frühmittelalterliche Überlieferung namentlich bekannt (Abb. 1) 3. Vor allem Quellen aus der Karolingerzeit, in erster Linie die Werke von Paulus Diaconus, vermitteln uns wichtige Details. Während der Langobardenzeit sind befestigte Höhensiedlungen demnach entscheidende Plätze im Spannungsfeld von langobardischer Herrschaft, fränkischen Beutezügen und oströmischer Italienpolitik. Im mittleren Alpenraum liefern sie folglich die Schlüsselbefunde für diese Zeit, in der sich der Übergang zwischen Antike und Mittelalter vollzog. Im Jahr 2004 begann die damalige Soprintendenza per i beni archeologici aus Trento mit der Ausgrabung einer dieser Anlagen. Vorausgegangen waren siedlungsarchäologische Studien im Umfeld der judikarischen Täler4. Ausgangspunkt waren Dokumentations- und Sicherungsarbeiten an der Kirche auf dem Monte San Martino di Lundo/Lomaso, die erhalten blieb, weil sie bis in die Neuzeit noch für Bittgänge aus dem Tal genutzt wurde. Seit 2008 wird die gesamte Anlage systematisch in einem gemeinsamen Projekt der Soprintendenza per

i beni architettonici e archeologici, der Comune di Comano Terme und der Kommission zur vergleichenden Archäologie römischer Alpen- und Donauländer erforscht5.

Lage und Topographie Der Fundplatz liegt im süwestlichen Teil der Provincia Autonoma di Trento, rund 20 Kilometer nördlich des Gardasees, im Bereich der Giudicarie esteriori, also der äußeren judikarischen Täler (Abb. 2) 6. Die Talschaft liegt eingebettet zwischen den Höhenzügen des Monte Casale im Osten, den Brenta-Dolomiten im Norden und des Monte Misone bzw. Ausläufern der Alpe di Ledro im Westen und zerfällt in die drei Bezirke Bleggio, Banale und Lomaso. Der Monte San Martino (985 m ü. NN) liegt in strategischer und weithin sichtbarer Position auf einem Ausläufer des Monte Casale und dominiert so die äußeren judikarischen Täler. Östlich des Monte San Martino führt der alte Passweg über San Giovanni (1105 m ü. NN) in Richtung Arco und dann nach Riva del Garda zum schiffbaren Gardasee. Die Westseite des Berges fällt dagegen 200 Meter tief steil ins Tal ab (Abb. 3). Auffällig ist die Möglichkeit, von hier aus sämtliche Taleingänge der judikarischen Täler zu beobachten. Es ist die Eigenschaft als hervorragende

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Das Vorhaben II.E.05 wird im Rahmen des Akademienprogramms vom Bund und vom Freistaat Bayern gefördert. Die Autoren möchten sich an dieser Stelle für Hinweise und Diskussionen zu diesem Vorbericht bei V. Bierbrauer und W. Zanier (München) bedanken. – Für die Unterstützung bei der Feldforschung sei der Comune di Comano Terme, der TU München (Dr.-Ing. W.-R. Barth; Dr.-Ing. P. Wasmeier) für die Tachymeterleihe, M. Stephani (München) für die Erstellung des Höhenlinienplans und natürlich den studentischen Grabungshelfern herzlich gedankt. Stellvertretend mit grundlegenden Beobachtungen: Possenti 2004; Brogiolo 2007; Bierbrauer 2008a; Possenti 2013. Zur Genese des Forschungsprojektes: Brogiolo u. a. 2004 (zu den vorausgegangenen Untersuchungen); Cavada 2009, 43 ff.; Cavada/Forte 2011, 133 f. Wissenschaftliche Leitung: E. Cavada (Trento), V. Bierbrauer (München). Zur Talschaft: Loose 1984; Colecchia 2001; Cavada 2007, 232 ff.; Rapanà 2010, 299 ff.; Colecchia u. a. 2011.

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Alternative zur via publica im Etschtal, welche die Talschaft nicht zuletzt in der Spätantike und im frühen Mittelalter so bedeutend macht. An den verkehrsgeographischen Schlüsselstellen entstehen damals drei Höhensiedlungen, die durch ihre Martinspatrozinien7 aufs Engste miteinander verbunden sind: San Martino

di Lundo/Lomaso, San Martino di Bleggio und der noch nicht näher zu charakterisierende Bau im Bereich der mittelalterlichen Burg von Stenico (Abb. 4) 8. Der Monte San Martino di Lundo/Lomaso liegt unmittelbar am südlichen Ausgang in Richtung Riva, sein Pendant im Bleggio (1450 m ü. NN) oberhalb des Passo Durone

Abb. 1. Höhensiedlungen der Venetia et Histria in Südtirol, im Trentino und um den Gardasee. M. 1:80.000.

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Abb. 2. Satellitenaufnahme der äußeren judikarischen Täler und Umgebung.

(1000 m ü. NN), der den Übergang in Richtung Val Rendena bildet. Schließlich Stenico, das den nördlichen Talein- und ausgang sperrt. Von dort konnte man über den Sattel von Molveno ins Val di Non gelangen, wo Möglichkeiten bestanden, die Etschtal- und Reschenroute der via publica zu erreichen oder über das Val d’Algone in Richtung Val Rendena zu gelangen. Wenn man die Route über den Passo Durone ins Val Rendena und von dort über den Campo Carlo Magno hinab ins Val di Sole wählte, stand von dort die Westverbindung des Passo Tonale offen. Es wird deutlich, dass sich hier im Tal diverse Verkehrswege kreuzen, welche die ge-

samte Region zu einer Durchgangslandschaft machen. Während der Spätantike und dem Frühmittelalter bedeutete dies aber auch eine Gefahr, nämlich durch mögliche Beutezüge oder Invasoren von außerhalb des römischen Reiches oder auch innere Feinde, wie Bürgerkriegsgegner und marodierende Soldaten.

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Grundlegend zu diesem Patrozinium in Norditalien: Lusuardi Siena/Spalla 2012, 7–16. Cavada 2007.

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Abb. 3. Luftbild des Monte San Martino von Norden.

Historischer Kontext – Fragestellungen In besagte Zeit fällt eine gravierende Zäsur des spätrömischen Reiches: Die gotisch-byzantinischen Auseinandersetzungen brachten vor allem ab 541 für die italische Bevölkerung und allgemein die politischen und kulturellen Verhältnisse in Italien viel weiter reichende Auswirkungen als das Ende des Westkaisertums 4769. Ab 568 tritt mit den Langobarden eine neue politisch-militärische Größe auf, gegen die sich in der Folge mehrfach Aktionen von Byzanz und seinen Bündnispartnern richten. Bereits im 4. Jahrhundert zeichnet sich eine deutliche Militarisierung Italiens ab: Neben den nicht zu lokalisierenden Anlagen des tractus Italiae circa Alpes, verdeutlichen dies vor allem zahlreiche militärische Einheiten, welche in der Notitia Dignitatum überliefert sind10. Zum Ausbau von Festungen wird spätestens seit ostrogotischer Zeit nun auch die lokale Bevölkerung zur Mithilfe verpflichtet11. Auf dem Monte San Martino bietet sich die Gelegenheit, das Schicksal einer Siedlung in dieser unruhigen Epoche nachzuvollziehen12. Moderne, großflächige Ausgrabungen sind in diesem Zusammenhang besonders wichtig, denn spärliche Schrift- und archäologische Quellen führen dazu, dass sich in den castra zentrale Fragestellungen bündeln13: Was war die Intention die-

ser kleinen Festungen? Veränderten sie sich im Laufe der Zeit und wenn ja, wie? In welchen Zeitabschnitt fällt ihre Errichtung und handelt es sich um staatliche Maßnahmen? Kombinieren die castra unterschiedliche Funktionen militärischer, administrativer und ziviler Art? Wo liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der einzelnen Höhensiedlungen? Geht mit ihrer Einrichtung eine grundlegende Umstrukturierung der Siedlungslandschaft einher? – Mit dem Forschungsprojekt „San Martino a Lundo/Lomaso (SMaLL)“ möchten die Kooperationspartner einen Beitrag zur Klärung der vielen Fragen zur Übergangszeit zwischen Antike und Mittelalter leisten, ausgehend von der flächigen Ausgrabung eines Castrums dieser Zeit. Besonders spannend ist in diesem Zusammenhang die kulminierende Überlieferung in langobardischer Zeit. Konkret geht es um massive fränkische Raubzüge in den 580er Jahren und vor allem im Sommer 590. Diese Offensiven geschahen unter Billigung, vielleicht sogar Aufforderung Byzanz’ mit dem Ziel, die langobardische Herrschaft in Italien zu schwächen. Die Bevölkerung zieht sich in locis firmissimis zurück14. Wir erfahren so die Namen diverser castra, die von den Franken erobert werden (s. Abb. 1): „Nomina autem castrorum quae diruerunt in territorio Tridentino ista sunt: Tesana, Maletum, Sermiana, Appianum, Fagitana, Cimbra, Vitianum, Bremtonicum, Volaenes, Ennemase, et duo in Alsuca et unum in Verona. Haec omnia

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castra cum diruta essent a Francis, cives universi ab eis ducti sunt captivi.“15 Allerdings fällt auf, dass sich die vielfach unschwer zu lokalisierenden Anlagen in unmittelbarer Nähe zur alten via publica oder nur wenig davon entfernt befinden. Der Charakter dieser Anlagen muss daher nicht zwingend auf andere, nicht genannte oder in entfernteren Talschaften gelegene Festungen übertragen werden. Eventuell gehört in diese Namensliste auch der Monte San Martino, denn es ist möglich, dass er mit der Anlage Ennemase zu verbinden ist16. In den von Paulus Diaconus genannten Festungen befindet sich also römische Zivilbevölkerung (cives). Diese wird zum großen Teil gefangen genommen mit dem (erfolgreichen) Ziel der Lösegelderpressung. Ein Festungskampf ist nicht direkt überliefert, sondern meistens erfolgreiche Übergabeverhandlungen mit der Zusage körperlicher Unversehrtheit für die Gefangenen. Dieser Befund spricht nach V. Bierbrauer eher gegen militärische Kontingente (das wären in diesem Falle Langobarden) in diesen Anlagen, bei denen von massiver Gegenwehr auszugehen wäre17. Anders sieht dies E. Possenti, die sich für eine regelhafte langobardische Präsenz in den castra ausspricht18. Sie argumentiert auf der Grundlage archäologischer Funde, allerdings sind einige dieser Objekte hinsichtlich ihrer Aussagekraft umstritten. Zumindest fühlte sich aber der langobardische rex Agilulf (Ago) für die gekidnappten Insassen

der besagten Festungen verantwortlich, denn er ist es, der den Auftrag für die Lösegeldverhandlungen an den Bischof von Trient gibt19. Das ist verständlich, handelt es sich bei den Gefangenen doch um ihm steuerpflichtige Untertanen. Trotzdem führt dies zu der Frage, ob

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Stellvertretend: Pohl 2002, 17; 20; Christie 2006, 34 ff.; Börm 2008, 58 f. Zum tractus: Not. Dig. Oc. XXIV 5. Zu den Truppen: Not. Dig. occ. VII 2–39.158–165; XXIV; XLII 3–11.45–63. Cavada 2007, 238 f. mit Anm. 37. In diese Forschungen mit einbezogen wird dabei auch das Umland, dessen gleichzeitiger archäologischer Quellenbestand möglichst vollständig ediert und ausgewertet werden soll. Zusammenfassend, vor allem zum unmittelbaren Arbeitsgebiet: Bierbrauer 2008a, 655 ff.; Brogiolo 2007; Possenti 2004. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum III 31. Ebd. Landi 2003, 134 ff. mit Anm. 130 (mittelalterliche Formen des Ortsnamens Lomaso: [de] Nomass[o] von 1210 und aus dem 13. Jahrhundert Nomas[o], Nomas[i] und Nomasc[i]); ders. 2013. – Vgl. nun aber Brogiolo 2013, 96; 98 (Nomesino, Vallagarina). Bierbrauer 2008a, 654. Possenti 2013, 35 f. Confirmata igitur Agilulf, qui et Ago dictus est, regia dignitate, causa eorum qui ex castellis Tridentinis captivi a Francis ducti fuerant, Agnellum episcopum Tridentinum in Franciam misit. Paulus Diaconus, Historia Langobardorum IV 1.

Abb. 4. Blick vom Monte San Martino in die äußeren judikarischen Täler mit den beiden anderen Martinsorten im Bleggio und in Stenico.

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man genau deswegen nicht in jedem Fall auch von vorherigem militärischen Schutz dieser Personen ausgehen muss, der in diesem Fall eben nicht ausreichend war, weswegen die Anlagen sich in der Regel ergaben. Vergleichbar den spätrömischen Anlagen an der Grenzzone nördlich der Alpen (z. B. Kaiseraugst, castrum Rauracense) betont W. Landi daher die Kombination genuin militärischer Aufgaben (Kontrolle und Sicherung der Verkehrswege) mit Funktionen zum Schutz der Zivilbevölkerung (hier im Sinne von zeitweiligen Refugien) der castra20 . Sehr wichtig sind auch die Hinweise, dass diese Anlagen Sitz staatlicher territorialer Verwaltungsorgane sein konnten bzw. diese Funktion übernahmen, weswegen sie vor allem in langobardischer und karolingischer Zeit mitunter mit der Bezeichnung civitas belegt werden21.

Die Befunde auf dem Monte San Martino Durch Airborne-Laserscan-Daten, Begehungen vor Ort und die Ausgrabungskampagnen lässt sich das Bild der Siedlung mittlerweile gut in seinen Grundzügen skizzieren (Abb. 5)22: Eine Umfassungsmauer in Mörtelbauweise umschließt eine Siedlungsfläche von einem Hektar. Ihr vorgelagert ist eine weitere Mauer aus großen Blöcken ohne Mörtelbindung, deren Datierung unklar ist. Zugangsmöglichkeiten befinden sich an den einzigen beiden von Natur aus gegebenen Positionen im Norden und Süden des Berges, jeweils gekennzeichnet durch eine Toranlage. Im Innern gelang die Erfassung einer Schotterstraße, an der sich kleine Bauten befanden. Während diese regelhaft in Trockenbauweise erstellt waren, befinden sich im Verlauf der Umfassungsmauer in unregelmäßigen Abständen Anbauten an diese in Mörtelbauweise. Den höchsten Punkt der Anlage dominiert die Kirche mit einem charakteristischen Anbau. Zu den Befunden im Detail:

sauber vermörtelte Zweischalenmauer, die im Aufgehenden zwischen 80 Zentimeter und einem Meter breit ist. Verwendet wurde ein gelblicher, sandiger Kalkmörtel, die Bruchsteine wurden lokal gewonnen (s. u.). Am sehr steilen Westhang wurden zur besseren Fundamentierung an den Stellen, die nicht auf dem anstehenden Fels aufsaßen, große Blöcke lokalen Gesteins als eine Art Rollierung verwendet (Abb. 6). Der Fundamentbereich zeigt sich hier in seiner Breite sehr unregelmäßig. Diverse Details unterstreichen den fortifikatorischen Charakter dieser Umwehrung. Vollständig ergraben ist das Nordtor, das sich als Kammertor mit wuchtigen Vorsprüngen präsentiert und nach vorangegangener Prospektion vor Ort sicher am Reißbrett entworfen wurde (Abb. 7). Im Süden befindet sich östlich des dortigen Eingangsbereiches ein Turm, der zur Vorfeldbeobachtung gedient haben dürfte. Aus Sicht des Festungsbauwesens sicher nicht ideal sind zum einen die vergleichsweise geringe Mauerbreite von höchstens einem Meter im Aufgehenden und die Positionierung mehrerer pfeilerartiger Vorsprünge an der Mauer. Da sie tote Winkel schaffen, kann es sich entweder um statische Maßnahmen handeln oder diese Details sind bewusst dort platziert, wo Ankommenden ein besonders wehrhafter und massiver Charakter mithilfe der Architektur vermittelt werden sollte (Abb. 8,1–2). Vor Ort war es sicher notwendig, aus den knappen Ressourcen das maximal mögliche herauszuholen, weswegen ein solcher Kunstgriff durchaus vorstellbar ist. Parallelen finden diese baulichen Details beispielsweise auf der befestigten Höhensiedlung auf dem Duel bei Feistritz in Kärnten23, aber auch im nahen Loppio24 in der Vallagarina. Auch hier sind sie nur an bestimmten Stellen entlang der im Aufgehenden nur einen knappen Meter messenden Mauer platziert25.

An die Umfassungsmauer angelehnte Bauten

Die vermörtelte Umfassungsmauer umschließt die Bergkuppe an vom Gelände vorgegebenen Steilabfällen und ist somit von unregelmäßiger Form. Die am höchsten erhaltenen Bereiche im Süden stehen dabei noch über zwei Meter hoch an (nach Freilegung), während an anderen Stellen, beispielsweise am Steilhang im Westen, mitunter nur noch eine Lage des Mauerwerks auf uns gekommen ist. Technisch handelt es sich um eine

Bislang sind mindestens sechs solcher Anbauten erfasst worden (Abb. 5; Abb. 9). Die meisten sind in vergleichbarer Technik und in einem Zuge mit der Umfassungsmauer errichtet worden, gehörten also zur Grundkonzeption der Anlage. Dieses Prinzip findet im spätrömischen Festungsbauwesen bekanntlich spätestens seit valentinianischer Zeit26 verbreitete Anwendung und bietet drei wesentliche Vorteile. Erstens spart man Ressourcen, da eine Gebäudeseite von der Umfassungsmauer gebildet wird, zweitens bleibt der Festungsinnenraum hierdurch unberührt und kann anderweitig genutzt werden, und schließlich liegen die Bauten im toten Winkel der Wehrmauer und können dadurch schlecht beschossen werden.

Abb. 5. Monte San Martino. Schematisierter Gesamtplan, Stand Frühjahr 2014, genordet. In Schwarz die ergrabenen Strukturen, in Magenta die moderne Wegeführung und in Orange sichtbare, aber nicht ergrabene Strukturen. M. 1:1.000.

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Die Umfassungsmauer und die Zugänge

Landi 2003, 125. Brogiolo 2006, 15; Possenti 2013, 35. Vgl. Cavada/Zagermann 2013, 313. Zusammenfassend: Glaser 2008, 631 f. mit Abb. 15. Maurina/Postinger 2013, 107 mit 106 Abb. 2. Ciglenečki 1987, 31. Lander 1984, 2 f. 259 ff.

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Abb. 6. Monte San Martino. Die freigelegten Reste der Umfassungsmauer am Westhang, Kampagne 2013.

Abb. 7. Monte San Martino. Das Nordtor der Festung gegen Ende der Kampagne 2011.

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Trotz sparsamer Bauweise war die Errichtung mit einigem Aufwand verbunden, denn an vielen Stellen musste das harte Gestein des anstehenden Felsens abgespitzt werden, um einigermaßen ebene Laufflächen oder Untergründe herzustellen. Wo erhalten, sind die Schwellensteine dieser Bauten häufig aus rotem Kalkstein, der in Steinbrüchen der näheren Umgebung ansteht, aber dennoch extra auf den Berg gebracht werden musste27. Die Dachdeckung erfolgte hingegen offenbar mit organischem Material, da Ziegel weitestgehend im Fundmaterial fehlen. Auffällig selten sind Feuerstellen nachgewiesen, wenn überhaupt, handelt es sich um kleinere, eher sporadisch anmutende, wohingegen gemauerte Herdstellen größeren Ausmaßes bislang vollständig fehlen. Die einstige Nutzung dieser Gebäude ist daher nur schwer zweifelsfrei festzulegen, denkbar sind multifunktionale Verwendungen, einerseits als (nur zeitweise genutzte?) Behausung, andererseits als Depot (an zwei Stellen gelang der Nachweis von verkohlten Getreidevorräten28), Werkstatt oder ähnliches.

Wegeführung und Bebauung im Innenraum Weit weniger spektakulär als die monumentale Toranlage, aber absolut vergleichbar in der Bedeutung für die Erforschung der Anlage ist ein Straßenbefund, der auf 40 m Länge verfolgt werden kann (Abb. 10). Gekennzeichnet wird er durch Steinreihen, die ein- bis zweilagig an den Rändern des Straßenkörpers nachge-

wiesen wurden. Dieser ist in seinem Aufbau kennzeichnend für die bestmögliche Ausnutzung der Ressourcen und des knappen Baumaterials. Zuunterst finden wir eine Schicht aus sandigem bis festem Kalk: die ausplanierten Reste der Kalklösch- und/oder Mörtelmischplätze zur Errichtung der Umfassungsmauer. In der gesamten Nordwestecke des Berges begegnet diese Schicht in unterschiedlicher Stärke, sie ist gleichsam der Anzeiger für den Beginn der spätantik-/frühmittelalterlichen Aktivitäten auf dem Berg. Stets korrespondiert sie mit dem Verlauf des Straßenkörpers, franst jedoch an den Kanten stark aus. Auch mit den Abschlägen der Bausteine wurde konsequent umgegangen: Sie wurden zwischen den beiden Steinreihen als Straßenkörper aufgeschüttet. Dieser zeigt sich in unterschiedlich guter Erhaltung, eine Zeitlang wurde er wohl auch als Müllplatz verwendet, wie zahlreiches Fundmaterial in bestimmten Arealen zeigt, das zudem wichtige Hinweise zum Alltag in der Anlage gibt. Zu nennen sind mehrere stili, Münzen, Schmuck, aber auch Keramik und Lavez sowie Glasgefäße (Abb. 11,1–8). Speiseabfälle in Form von Tierknochen mit Schnittspuren vervollständigen das Ensemble.

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Zur Lokalisierung: Cavada/Forte 2011, 136. Zum Komplex von 2012 vorerst: Zagermann 2013. Das ebd. geborgene Material befindet sich derzeit im Institut für Botanik der Universität Innsbruck zur Bearbeitung. Zum Komplex in den Anbauten an die Umfassungsmauer südlich der Kirche: Cavada 2009, 52.

Abb. 8. Monte San Martino. 1 Umfassungsmauer im Süden mit Turm und Mauervorsprüngen in restauriertem Zustand; 2 Detailansicht eines Mauervorsprungs in diesem Bereich.

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Abb. 9. Monte San Martino. Anbauten an die Umfassungsmauer südlich der Kirche, Kampagne 2009.

Abb. 10. Monte San Martino. Der freigelegte Straßenkörper mit begleitenden Steinreihen von Süden. Im Bildhintergrund die bereits restaurierten Reste der Toranlage, Kampagne 2012.

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Abb. 11. Monte San Martino. Fundensemble aus dem Straßenkörper (ca. 5.–7. Jh.) der Kampagne 2012. 1 Bronzekette; 2 eiserne Pfeilspitze, deformiert; 3 Gebrauchskeramikscherbe; 4 zwei eiserne Schreibgriffel; 5 Schuhnagel; 6 spätrömische Münze; 7 zwei Glasfragmente; 8 eiserner Löffelbohrer. M. 1:2.

Zwei Arten von Gebäuden sind im Inneren zu beobachten: Solche, die in Mörtelbauweise im Innern der Anlage frei stehen (bislang erst in einem Fall nachgewiesen) und Trockenmauern als Sockel von Holz- oder Fachwerkbauten. Eventuell dienten die straßenbegleitenden Steinreihen als Auflage für die Ständer von Laubengängen oder kleineren Bauten. Etwas rückversetzt wurden 2012 zwei Rechteckbauten mit solchen Trockenmauern aufgedeckt (Abb. 12). Aufgrund einer dünnen Schmutzschicht im Inneren auf dem Felsen, auf den sie gesetzt sind, dürfte es sich nicht um reine Terrassierungen handeln, sondern um Bauten, in denen Personen ein- und ausgingen, zu welchen Zwecken auch immer.

Kirche mit Anbauten Der höchste Punkt der Festung wird geprägt durch die Kirchenanlage mit dem direkt an sie angesetzten Gebäude (Abb. 13). Zu diesem Komplex sind bereits zwei ausführliche Berichte erschienen 29. Der heute sichtbare Bauzustand der hoch erhaltenen Kirche gehört in das Mittelalter und die Neuzeit. Im Aufgehenden sind aber bereits durch verschiedene Mauertechniken diverse Bauphasen erkennbar. Die erste Erwähnung dieser Kirche in den Quellen datiert in das 16. Jahrhundert. Eine Bleistiftvorzeich-

nung von Johanna von Isser Großrubatscher entstand am 25.  Juli 1832. Darauf ist die Kirche noch aufrecht stehend und mit intakter Dachdeckung dargestellt (Abb.  14). Erst im 20. Jahrhundert wird das Ziegeldach abgetragen, die Kirche verfällt, und Vegetation überwuchert die Mauerreste. Seit 2004 wurden die Überreste wieder ans Licht gebracht und konservatorisch betreut. In diesem Zusammenhang gelangen Beobachtungen, die zeigten, dass die Kirche ursprünglich nicht alleine stand, sondern in den Kontext einer befestigten Höhensiedlung eingebunden war. Vier Perioden sind zu unterscheiden, wovon hier nur die frühmittelalterlichen interessieren (Abb. 15,1). Der älteste Bau (Periode 1) hat eine Grundfläche von über 200 m2 und ist in zwei Teile gegliedert, nämlich einen Anbau im Süden und einen Hauptteil (Kirchenbau). Der Hauptteil misst im Inneren 16,7 m × 7,5 m und ist in zwei mit einer Tür verbundene Räume aufgeteilt: einen kleineren, rechteckigen Vorraum (30 m2) sowie einen etwa doppelt so großen Rechteckraum (60 m2) mit Apsis im Osten. Die Apsis ist maximal 3,7 m tief und öffnet sich zum Innenraum hin auf einer Länge von 6 m. Aus dem kleineren Raum gelangte man durch eine Tür in den Anbau im Süden und durch eine weitere

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Cavada/Forte 2011; Bellosi/Cavada 2013.

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Abb. 12. Monte San Martino. Gebäude mit Trockenmauern östlich der Straße, Kampagne 2012.

Abb. 13. Monte San Martino. Luftbild der Kirchenanlage auf dem höchsten Punkt des Berges.

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nach Westen ins Freie. Der Anbau selbst erstreckt sich an der Südflanke der Kirche und läuft weiter in südlicher Richtung in einen Hof aus, der gekennzeichnet ist durch starke Abarbeitungsspuren im Felsen. Aus diesem Hof gelangte man durch eine große Türöffnung in den eigentlichen Baukörper hinein. Dessen vier Räume sind von West nach Ost aufgereiht und fallen aufgrund ihrer geringen Raumgröße auf. Von besonderem Interesse ist der westlichste Raum, denn er liefert einige wichtige Detailinformationen. In einer Ecke ist eine Art Brunnen in den Felsen gehauen. Der Unterbau für eine Treppe, deren erste zwei Stufen erhalten sind, zeigt an, dass das Gebäude einst mehrstöckig gewesen sein muss. Die miteinander verzahnten Mauern weisen identische Breiten um 60 cm auf und sind in gleicher Technik errichtet, was den Anbau als eine einzige zusammenhängende Baumaßnahme ausweist. Deutlich schwieriger gestaltet sich die Beantwortung der Frage, ob der erste Kirchenbau und der Anbau in einem Zuge und mit untereinander verzahnten Mauern errichtet wurden. Spätere Umbauten haben leider die jeweiligen Anschlüsse zerstört. Die Mauertechnik und das verwendete Material sind vergleichbar, ebenso wie die Ausführung im Detail. Daher spricht viel für eine einzige zusammenhängende Baumaßnahme von Anbau und Kirche. Das wäre anders als in Vrsenice (Serbien), wo ein – zumindest auf den ersten Blick – frappierend ähnlicher Befund ergraben wurde (Abb. 15,2).30 Allerdings stecken

im bisherigen Plan31 zwei grundlegend verschiedene Phasen. Der ältere Bau dort ist spätrömisch und datiert aus dem 4. Jahrhundert, auf diesen wird in frühbyzantinischer Zeit zu Beginn des 6. Jahrhunderts eine Kirche mit Apsis gesetzt. Eine solche Bauabfolge ist aufgrund der fehlenden Anschlüsse aber auch auf dem Monte San Martino nicht gänzlich auszuschließen, allerdings fehlen für eine Datierung in das 4. Jahrhundert entsprechende Funde. Merkwürdig mutet in Vrsenice wie auch in San Martino an, dass die Umfassungsmauer für die Kirche umgebaut wird. Für San Martino sprechen deutliche Parallelen (Mauern, Mauervorsprünge) in der Bautechnik von Kirche und dem ebenfalls hoch erhaltenen Turm im Süden aber dafür, eine relative zeitliche Nähe zu postulieren. Als Periode 2 wurde die Zeit der Nutzung der Kirche als Begräbnisstätte definiert, wenngleich möglich ist, dass sie mit Periode 1 zeitlich zusammenfällt. Da der Beginn des Kirchenbaus jedoch schwer zu fassen ist, wurden die beiden Perioden getrennt. Sieben Bestattungen sind nachgewiesen, davon liegen vier im Hauptteil, zwei im Vorraum und eine außerhalb neben der Apsis32.

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Popović/Bikić 2009, 53 (Plan). Abgebildet bei Milinković 2008, 544 Abb. 8. Zu den Bestattungen im Detail: Cavada/Forte 2011, 145 f.; Cavada u. a. (im Druck).

Abb. 14. Bleistiftvorzeichnung (Vigo Lomaso und Castell Spine) von Johanna von Isser Großrubatscher vom 25. Juli 1832.

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Es handelt sich um vier Erwachsene und drei Jugendliche/Kinder, wenn bestimmbar allesamt männlichen Geschlechts. Die Toten lagen in jeweils drei Fällen in einfachen Grabgruben oder solchen mit Steinbegrenzung sowie einmal mit einer gemauerten Einfassung. Typisch sind die sehr geraden Wände der langrechteckigen

Abb. 16. Monte San Martino. Gräber 1 und 2 in hervorgehobener Position unmittelbar vor der Apsis, Kampagne 2007.

Abb. 15. Kirchenbauten von San Martino und Vrsenice im Vergleich. 1 Phasenplan der Kirche von San Martino mit Anbau (weiß, ohne Phaseneinteilung); 2 Kirchenanlage der Höhensiedlung in Vrsenice (Serbien).

Grabgruben. Die Köpfe der Toten lagen im Westen, die Arme waren bei allen an den Körper angelegt. Es wurden also feste Behältnisse verwendet, sehr wahrscheinlich Holzsärge, wie Holzreste in vier Fällen nachweisen. Auffällig sind zwei unmittelbar nebeneinander positionierte Bestattungen in hervorgehobener Position, zentral vor der Apsis (Abb. 16). Aus einer dieser Bestattungen stammt die einzige Beigabe sämtlicher Gräber vor Ort in Form eines zweizeiligen Beinkammes (Abb. 17). Leider ist durch diesen keine genaue Datierung möglich. Doch C14-Daten weisen die ältesten Bestattungen in die Spanne vom Beginn der ostrogotischen Herrschaft bis zu den Gotenkriegen, die jüngsten Gräber wurden in langobardischer Zeit angelegt (610/620). Im Zusammenhang mit dem Sakralbau steht eventuell ein eisernes Steckkreuz, das ohne direkten Befundzusammenhang außerhalb der Kirche entdeckt wurde (Abb. 18)33. Eiserne Steckkreuze des frühen Mittelalters haben eine auffällige Konzentration im heutigen Bayern, während andere Gegenden, vor allem südlich der Alpen, nahezu fundleer bleiben34. Die Deutung der Objekte bleibt problematisch. Ungewöhnlich ist in unserem Fall, dass das Stück nicht mit einem Bau der römischen Kaiserzeit mit frühmittelalterlicher Nachnutzung in Verbindung gebracht werden kann, wie dies sonst regelhaft zu beobachten ist. Auch das Vorkommen in einer befestigten Höhensiedlung

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scheint bislang singulär. Das Stück vom Monte San Martino steht typologisch und technisch zwischen den aus Bayern bekannten Objekten und Sargaufsätzen, wie sie (singulär?) aus Civezzano35 bekannt sind. Ebenso auffällig sind zahlreiche Fragmente frühmittelalterlicher Stängelgläser, die im Kirchenbereich (wie auch in der übrigen Höhensiedlung) geborgen wurden. Denkbar ist, dass sie hier nicht ihrer ursprünglichen Zweckbestimmung gemäß als Trinkgeschirr, sondern eher als Lampen verwendet wurden. Die dritte Periode kennzeichnet das Ende der Nutzung als Begräbnisstätte und die feste bauliche Ausgestaltung zur Feier von Messen mit Teilnahme von Klerikern. Erhielt die Kirche damals auch das Martinspatrozinium36? Kennzeichnend für die Periode ist der Einbau einer fest installierten Chorschranke, welche die beiden Gräber in der Apsisöffnung überlagert. Abdrücke im Mörtel deuten darauf, dass sich einst ein hölzerner Aufbau auf dieser befand. Zu einem Tischaltar gehörten sehr wahrscheinlich bearbeitete Oolith-Fragmente, die allerdings ohne direkten Befundzusammenhang geborgen wurden. Diese und einige Fragmente von anderen bearbeiteten Bestandteilen der Bauausstattung datieren in das 8. und 9. Jahrhundert.

Ihre stilistische Ausführung und das verwendete Gesteinsmaterial zeigen, dass sie wohl alle aus derselben Werkstatt stammen. Ein alter Steinbruch mit solchem Rohmaterial kann im nahen Lundo lokalisiert werden. Vielleicht entwickelte in besagter Zeit von hier aus das anzunehmende Atelier seine rege Produktionstätigkeit, von der diverse Nachweise in der Umgebung zeugen37. Eine Neugestaltung erfährt der Bau in seiner vierten Periode. Der Vorraum wird aufgegeben und der größere Rechteckraum mit der Apsis von Grund auf neu errichtet. Im Zuge dieser Arbeiten wird auch die Apsis deutlich verkleinert. Neu sind ein Fenster im Süden und eine Türöffnung im Norden, die aus zwei großen Monolithen errichtet wurde. Der Fußboden besteht nun aus

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Cavada 2009, 48; Cavada/Forte 2011, 145 mit 144 Abb. 19. Zu den Steckkreuzen zuletzt zusammenfassend mit weiterer Literatur und Forschungsgeschichte: Later 2005 v. a. 297 Abb. 11 (Verbreitungskarte für Bayern) u. 303. Terzer 2001, 211 Abb. 50a,B20. – Zur Singularität dieses Befundes siehe ebd. 213 ff. Vgl. Lusuardi Siena/Spalla 2012, 43. Vgl. Cavada/Forte 2011, 146 Anm. 30; 149; ferner: Cavada 2002.

Abb. 17. Monte San Martino. Beinkamm aus Grab 2 in situ. Breite: 15,4 cm.

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großen roten Kalksteinplatten. Aus den Spalten zwischen diesen Platten stammen Münzen ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, die zeigen, dass ab diesem Zeitpunkt mit der Begehung dieses Bodens zu rechnen ist. In dieser Phase war die umgebende Höhensiedlung nicht mehr in Benutzung, lediglich die Kirche existierte weiter. Zu ihr gehörte wahrscheinlich eine Unterkunftsmöglichkeit für Reisende. Hierfür sprechen diverse Scherben von Küchengeschirr vergleichbarer Zeitstellung, bis hin zu verfüllten Pfostenlöchern einer leichten Holzarchitektur, die im Umfeld der Kirche beobachtet werden konnten.

sem Zusammenhang40. Ihr Vorhandensein wird meist entweder mit einer Vorgängerbesiedlung oder mit einer Sekundärverwendung der Stücke erklärt. Auf dem Monte San Martino ist vor allem das Fehlen von frühen Münzen (wenige Ausnahmen können auch dem spätantik-/frühmittelalterlichen Umlauf entstammen) und zeitgenössischer Keramik besonders auffällig. Eine Dauersiedlung dürfte daher auszuschließen sein, warum jedoch die Fibeln regelhaft begegnen, muss noch erklärt werden.

Externe Bauten

Mittlerweile liegt vom Monte San Martino ein interessantes Fundspektrum aus Spätantike und Frühmittelalter vor, das chronologische und kulturgeschichtliche Einblicke gestattet. Die Fragen an das Material sind die nach dem Beginn und Ende der Siedlung sowie nach deren Charakter. Was zeichnet die Siedlung aus, wie

Außerhalb des Mauerrings (s. Abb. 5) waren im östlichen und südöstlichen Vorfeld der Festung Schutthügel mit erkennbaren Mauerresten von insgesamt drei Bauten auszumachen. Direkt am Zufahrtsbereich der Anlage lag eines dieser Gebäude, das wegen dieser vielversprechenden Positionierung ausgegraben wurde (Abb. 19). Es zeigt sich als langrechteckiger Bau mit zwei Räumen, dessen Längsseite mit je einer Türschwelle zur Wegeführung hin ausgerichtet war. Er war direkt auf den anstehenden Fels gesetzt worden. Äußerst problematisch ist es, eine funktionale und chronologische Einordnung für den Befund zu treffen: Trotz Metalldetektoreinsatzes und Siebens des gesamten Aushubmaterials gelang es nicht, aus den Schichten datierbares Fundmaterial zu gewinnen. Lediglich aus dem Waldhumus stammen zwei eiserne frühmittelalterliche Pfeilspitzen und etwas (karolingerzeitliche?) Keramik. Speiseabfälle, Hinweise auf leichte Feuerstellen und Scherben von Gefäßkeramik bzw. Lavez sind aus dem Inneren der Festung regelhaft in den erhaltenen Resten von Gebäuden entdeckt worden. Deren Fehlen ist in diesem externen Gebäude sehr auffällig. Wurde es planmäßig aufgelassen und ausgeräumt oder etwa nie in Benutzung genommen? Mittlerweile machen C14-Daten aus den Planierschichten (wohl Auffüllungen zum Niveauausgleich für Fußbodenunterbau) im Gebäude eine hochmittelalterliche Datierung wahrscheinlich38.

Charakter der Siedlung und Chronologie

Fundmaterial Metallrecycling oder Vorgängerbesiedlung? Im Fundmaterial begegnen regelhaft römerzeitliche Stücke, die chronologisch deutlich vor den Siedlungsbeginn (s. u.) auf San Martino zu setzen sind. Dominant sind dabei bronzene Armbrustspiralfibeln (Abb. 20,1), die in der Umgebung39 einen weit verbreiteten Typ, vornehmlich flavischer Zeit, darstellen. Altmaterial auf späten Höhensiedlungen ist zwar ein gängiges Phänomen, auffällig ist aber die Häufigkeit von Fibeln in die-

Abb. 18. Monte San Martino. Eisernes Steckkreuz aus der Umgebung der Kirchenanlage. Höhe: 22 cm.

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Abb. 19. Monte San Martino. Vermessungsarbeiten im externen Bau 2013.

lebten ihre Bewohner? Es fällt im Vergleich zu anderen Plätzen zunächst ein eher geringer Fundanfall auf, der jedoch einige Besonderheiten aufweist, die interessante Schlüsse ermöglichen. Die älteste Münze ist bislang ein halbierter republikanischer Denar, Einzelstücke stammen aus der mittleren Kaiserzeit. In größeren Stückzahlen begegnen Antoniniane des späten 3. Jahrhunderts. Häufig sind Aes 4 des 4. Jahrhunderts. Für ältere Münzen in frühmittelalterlichen Komplexen wird die Möglichkeit der Weiterverwendung bereits länger diskutiert41. Auch für San Martino ist denkbar, dass der Kleingeldumlauf des 5. und 6. Jahrhunderts weitgehend mit älteren Prägungen bestritten wurde. Münzen des 5. Jahrhunderts fehlen bislang ganz. Bereits aus dem 6. Jahrhundert stammt ein Solidus42, der durch einen Sondengänger auf dem Berg gefunden worden sein soll. Die Grabung 2009 erbrachte die erste Münze des 6. Jahrhunderts (Abb. 20,2), die vor Ort einem Befund zugewiesen werden kann: Der kleine, recht massive Schrötling (Dm. 0,93 cm, H. 0,25 cm) unterscheidet das Stück deutlich von den älteren spätrömischen Münzen. Auf der Vorderseite ist schemenhaft nur noch eine Büste, wohl nach rechts, zu erkennen. Die Rückseite zeigt ein V im Kranzrand. Die charakteristische Randgestaltung spricht für italische Provenienz ebenso wie das lateinische Zahlzeichen, das auch das Nominal des Stücks als Pentanummium vom MIB-246-Typ identifizieren lässt43. Bereits in die langobardische Zeit gehört eine Achtelsiliqua (Abb. 20,3) des Perctarit (661/688)44. Das Keramikspektrum des Berges ist im Vergleich zu gleichzeitigen urbanen Zentren wie Brescia und Trento, aber auch anderen Höhensiedlungen wie Invillino, Monte Barro und Loppio noch eher gering. Dennoch ist bereits eine Vielfalt zu konstatieren, bei der neben wohl lokal produzierter Grobkeramik auch Importware

unterschiedlicher Art begegnet. Überraschend ist der erste Nachweis von Fragmenten so genannter langobardischer Keramik mit figürlicher Stempelverzierung (Abb. 20,4) auf einer Höhensiedlung im Trentino45. Charakteristisch für diese Warenart sind die dunklen, glatten Oberflächen, bestimmte Gefäßformen und typische Dekorationen in Form von Einglättverzierungen und/ oder Stempelungen. Neu und ohne erkennbare Vorläufer wird diese Keramik wohl von den Angehörigen des Heeres (und des zugehörigen Trosses – exercitu vulgique promiscui moltitudine)46, das im Jahr 568 Teile (Ober-)Italiens unter seine Kontrolle bringt, mitgebracht. In der erschlossenen Herkunftsregion47 dieser Leute finden sich zahlreiche Vergleiche für diese Keramik. Diese in den

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Erlangen: Erl-18942, 849±40, Delta C13 -25,2; Heidelberg: MAMS 19674, 882±27, Delta C13 -26,4. Zur Verbreitung siehe E. Cavada in: Endrizzi/Marzatico 1997, 429–436 v. a. 433 Abb. 31; Giovanazzi 2002, 654. Vgl. das Material von Loppio, S. Andrea: Maurina 2008, 20 Abb. 19–21. – Allgemein zu diesem Phänomen: Ladstätter 2000, 169. Allgemein: Rizzi 1985; Gorini 1992. – Mit Zusammenstellung weiterer Plätze: Maurina/Mosca 2007, 183 ff. Rizzolli 2006, 600 mit 601 Abb. 141 (Datierung: nach 507). Grundlegend zu den Prägestätten, mit Favorisierung von Sizilien: Hahn 1973, 74 f. Zusammenfassend zur Diskussion mit Favorisierung der Münzstätten auf dem Festland: M. Munzi in: Pavolini 1997, 32 f.; A. Rovelli in: Arena u. a. 2001, 253–265 weist die Stücke Rom zu. – Allgemein zur Datierung: Hahn 1973, 46 ff. 72 ff.; A. Rovelli in: Arena u. a. 2001, 253–265 v. a. 254. Das geringe Gewicht deutet eher auf ein bereits reduziertes Stück, vgl. Hahn 1973, 75 mit Prägetabelle 9. Cavada 2007, 244 f. Ausführlich zu diesen Stücken: Cavada/Zagermann (in Vorbereitung). Paulus Diaconus, Historia Langobardorum II 8. Vgl. Bierbrauer 2008b, 109–115.

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Abb. 20. Monte San Martino. 1 Vollständige deformierte Armbrustspiralfibel; 2 Pentanummium des 6. Jahrhunderts; 3 Achtelsiliqua des Perctarit (661–662; 672–688); 4 Scherben so genannter langobardischer Keramik mit figürlichem gestempeltem Dekor; 5 Beispiel für typische glasierte Keramik mit Mehrfachbögen als Dekor. M. 1:1.

frühmittelalterlichen Schriftquellen lateinisch als „Langobardi“ bezeichneten Personen etablieren ab den 570er Jahren ein stark regional geprägtes Herrschaftssystem von verschiedenen duces (und comites), die ihre Machtbasis in alten römischen Städten wie Brescia und Trento haben48. Die neue Keramik wird von bestimmten einheimischen Töpfern bald in ihr Repertoire aufgenommen, allerdings mehren sich die Hinweise, dass die Verbreitung dieses Geschirrs, das als Trinkgeschirr mit speziellen Tisch- und Trinksitten verbunden ist, stark auf das Milieu der Einwanderer beschränkt blieb und von der lokalen Bevölkerung nur wenig rezipiert wurde49. Problematisch gestaltet sich die Beurteilung der zahlreichen Funde glasierter Keramik. Nachdem Glasur als Oberflächengestaltung über Jahrhunderte keine Rolle mehr spielte, erlebt die Warenart in der Spätantike eine Wiederbelebung. Obwohl als Leitfossil des 5./6. Jahrhunderts allgemein akzeptiert, ist es kaum möglich, für die oberitalischen Exemplare eine feinere Chronologie und Typologie zu erstellen50. Das liegt wohl an einer starken Regionalisierung der Produktionsstätten und einem großen Variantenreichtum im Typenspektrum. Dies geht sogar so weit, dass sich viele Scherben nur unter Vorbehalt überhaupt einem Gefäßtyp zuweisen lassen. Eine größere Anzahl von Wandscherben (Krüge/Kannen?) zeigt auf der sehr dichten, dunklen Glasur einen charakteristischen Dekor aus Wellenbändern (Abb. 20,5). Ähnliche Bänder begegnen auf Produkten aus der bekannten Töpferei von Carlino (UD)51. Allerdings fehlen dort die für die Funde aus

San Martino typischen Mehrfachbögen, weswegen eine Zuweisung zu dieser rege exportierenden Produktionsstätte wohl eher ausscheidet. Zu einer Late Roman Amphora 4, einer so genannten Gaza-Amphore, gehören mehrere Wandscherben (Abb. 21,1). Die Rillen, die sich auch oberhalb des

Abb. 21. Monte San Martino. 1 Wein(?)amphore vom Typ Late Roman Amphora 4; 2 Randprofil eines Topfes der so genannten Hauskeramik. M. 1:3.

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Abb. 22. Monte San Martino. Ensemble von Standfüßen diverser Stängelgläser.

Griffansatzes befinden, erlauben eine Zuweisung zur Gruppe Pieri A252, die in das 5. Jahrhundert datiert wird. Damit scheint es sich um einen der frühesten Funde der spätantiken Siedlung zu handeln, wenn man der Datierung ins 5. Jahrhundert folgt. Zusammen mit mehreren Scherben innen überzogener Teller aus nordafrikanischer Terra sigillata beleuchtet dieser Fund schlaglichtartig die Anbindung der Siedlung an wichtige Fernhandelsnetze. Es bestand also eine Nachfrage nach hochwertigen Lebensmittelimporten und zugehörigem Tafelgeschirr. In größerer Stückzahl begegnen Töpfe aus grautoniger, scheibengedrehter bzw. freigeformter und überdrehter Grobkeramik, der so genannten Hauskeramik (Abb. 21,2). Die erste grundlegende Analyse erfolgte anhand des Materials von Invillino, weitere Vorlagen, vor allem aus dem Ostalpenraum, schlossen sich an.53 Es zeichnet sich ab, dass diese Warenart ihre Wurzeln in der kaiserzeitlichen Grobkeramik hat, der spätantik-/frühmittelalterliche Formenschatz jedoch stark reduziert wird und von einem regionalen und lokalen Variantenreichtum geprägt ist. Dennoch sind die wesentlichen Gefäßtypen und Dekore weit überregional verbreitet. Bei den Glasfunden dominieren Scherben von Bechern Isings 111, so genannten Stängelgläsern (Abb. 22). Meistens sind die typischen Böden gut erhalten, aber auch einige Randscherben sind klar zuweisbar. Obwohl die Stücke bereits im späten 5. Jahrhundert – allerdings mit einzelnen deutlich früheren Nachweisen54 – vorkommen, scheinen sie ihren Verbreitungsschwerpunkt erst im 6. Jahrhundert zu erreichen55. Die Stücke sind mehrfach ausgehend von der Fußgestaltung gruppiert worden56. Nachweise für stark dezentralisierte Produktion57 warnen aber vor einer möglichen Vermischung von chronologischen mit regionalen Charakteristika bei solchen Typologien. In einiger Zahl sind auch Fragmente von gläsernen Lampen nachgewiesen. Als Gebrauchsform sind sie schwer zu datieren. Aufgrund der bildlichen und schriftlichen Überlieferung wurde

eine vorwiegende Nutzung im liturgischen Bereich postuliert. Funde in profanen Kontexten sprechen jedoch mehr und mehr auch für einen universalen Gebrauch58. Das weitere Spektrum der Kleinfunde gestattet Aussagen zu Charakter und Chronologie der Siedlung. Mehrere Fundstücke zeigen, dass auf dem Berg, wie auf anderen Höhensiedlungen59 bereits belegt, Beinartefakte hergestellt wurden (Abb. 23). Sägespuren60 an Knochen und Geweih sowie Rohlingfunde lassen dies eindeutig

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Vor allem aus migrationsgeschichtlicher Sicht jetzt Borgolte 2012, 89 ff. Skeptisch gegen diese Möglichkeit: Brather 2009, 50 ff. B. Portulano in: Brogiolo 1999, 125–142 v. a. 125 f.; Marconi/ Anesi 2007, 62. Zum Spektrum von Carlino: S. Lusuardi Siena/M. Sannazaro in: Paroli 1992, 185–194 v. a. 192 Abb. 2,18; Magrini 2000; Magrini/Sbarra 2005. Vgl. Pieri 2005, 103 ff. Invillino: Bierbrauer 1987, 188 ff. Eine Zusammenstellung weiterer Arbeiten aus dem Ostalpenraum bietet Ladstätter 2000, 130 ff. – Im Arbeitsgebiet ist vor allem das Ensemble von Säben interessant: Bierbrauer/Nothdurfter 1988, 268; Gleirscher 1996, 142 ff.; Bierbrauer/Nothdurfter (in Vorbereitung). Bierbrauer 1987, 271 ff. 278 f. Vgl. die Verteilung auf die einzelnen Perioden in Brescia, S. Giulia: M. Uboldi in: Brogiolo 1999, 271–307 v. a. 294 f. mit Abb. 8. Stellvertretend Bierbrauer 1987, 272–276; M. Uboldi in: Brogiolo/Castelletti 1991. – Kritisch: Ladstätter 2000, 181 Anm. 1224. So beispielsweise in der Crypta Balbi in Rom: L. Saguì in: Arena u. a. 2001, 307–322 v. a. 309 und auf dem Castrum von Invillino: Bierbrauer 1987, 285 f. Zusammenfassend: Uboldi 1995, 96 ff.; S. Ladstätter betont die Häufigkeit in sakralem Kontext: Ladstätter 2000, 183. Gut vergleichbar ist das Ensemble von Perti, S. Antonino: G. Murialdo in: Mannoni/Murialdo 2001, 593–596 v. a. 595 Taf. 91,1.6. Ähnlich, aber teilweise mit exotischerem Ausgangsmaterial, die Crypta Balbi in Rom: M. Ricci in: Arena u. a. 2001, 335–339 v. a. 336 f. Zur Unterscheidung der Bearbeitungs- von Schlacht- und Fleischverarbeitungsspuren: Deschler-Erb 1998, 194.

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Abb. 23. Gesägte Geweihfunde als Nachweis der Herstellung von Geweihartefakten. M. 1:1.

erkennen. Noch kann kein Halbfabrikat sicher belegen, welcher Art die Endprodukte dieser Herstellung auf San Martino waren. Fertig ausgearbeitete Objekte aus Bein begegnen jedoch vor allem in Fragmenten zweizeiliger Dreilagenkämme und Messergriffen. Besondere Relevanz kommt Funden der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts zu, denn sie belegen die Nutzung der Anlage während dieser kriegerischen und damit unsicheren Zeit. Das oben erwähnte Pentanummium, Keramikfunde und einige Kleidungsbestandteile scheinen für diese Zeit eine hohe Siedlungsintensität anzudeuten. Sicher bereits in das 7. Jahrhundert zu datieren, genauer in dessen zweites Viertel, ist eine

ehemals spiraltauschierte Riemenzunge (Abb. 24,1), die einen der seltenen Belege für diese Dekorform im inneralpinen Raum darstellt61. Eine Besiedlung in langobardischer Zeit, deutlich über die Ereignisse von 59062 hinausgehend, hatte sich bereits durch die Funde einer Achtelsiliqua des Perctarit (661–662; 672–688) (Abb. 20,3) und durch eine weitere tauschierte Riemenzunge (Abb. 24,2) zumindest für das Umfeld der Kirchenanlage angedeutet63. Noch spärlich sind Nachweise für Material, das sicher geschlechtsspezifisch verwendet wurde und mit der Anwesenheit von Frauen zu verbinden ist. Das ist sicher kein Zufall und zeigt mit mehreren anderen Indi-

Abb. 24. Monte San Martino. 1 Spiraltauschierte Riemenzunge, Eisen; 2 Tauschierte Riemenzunge mit Tierstildekor, Eisen; 3 Bügelknopffibel vom Typ Gurina, Bronze mit eiserner Spirale. M. 1:1.

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zien, dass für die Besiedlung auf dem Berg einige Besonderheiten gelten. Das Fehlen größerer, fest installierter Herdstellen, wenig Fundmaterial, das Frauen und Kindern zugewiesen werden kann und die mit Sicherheit extrem schlechte Erreichbarkeit im Winter sind dabei entscheidende Details.

Hin zu einer Auswertung – Neue Fragestellungen

die Neuerrichtung der Anlage zur existierenden Kulturlandschaft? Wie ist es um die Ressourcen bestellt, wie wird die Anlage versorgt? Vom Bauaufwand bis hin zum Unterhalt werden also auch Aspekte berücksichtigt, die auf das Castrum als neuen Faktor in einem bestehenden Umfeld abzielen. Ziel ist es, die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung von San Martino und seine Stellung innerhalb oder in Zusammenhang mit der Castra-Frage darzulegen.

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Vor dem Hintergrund der Diskussion um die castra und verwandte Anlagen sind die Ergebnisse des SanMartino-Projektes in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Welche Rolle war der Anlage auf dem Berg zum Zeitpunkt ihrer Errichtung zugedacht, welche Rolle spielte sie während der Kriegszeiten in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts und wie vollzog sich der Übergang hin zur karolingischen Herrschaft? Wenn man ab 568 von der langobardischen Zeit sprechen darf, dann ist sehr deutlich, dass die meisten Castra bereits zuvor existierten. Im Falle von San Martino sei hier der Nachweis von zwei Bügelknopffibeln vom Typ Gurina (Abb. 24,3) genannt64. Regelhaft fehlen aber Belege für Material des 4. und vor allem der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts. Die Castra entstanden also in den letzten Jahren Westroms oder erst in der ostrogotischen Zeit. Der Bauaufwand in gebirgiger Lage und bauliche Details wie das Nordtor von San Martino könnten im Sinne einer zentral geleiteten Initiative bei der Konzeption und Erbauung gedeutet werden. Spezialisiertes Wissen war vonnöten für die Planung und Bauausführung, vor allem im Hinblick auf die Mauertechnik, beispielsweise mit den charakteristischen Vorsprüngen an manchen Stellen. Zu welchem Zweck und mit welcher Zielsetzung wurden sie aber errichtet? In San Martino könnten das weitgehende Fehlen weiblichen Kleidungszubehörs (und auch Nachweise für Kinder), fester Feuerstellen, flächiger Wohnbebauung und einer Zisterne (Stand 2013) als Argumente gegen eine Dauersiedlung angeführt werden. Wofür wird dann aber eine Kirche in die Festung integriert? Außer den wenigen Bestattungen dort sind aber an den Ein- und Ausgängen des Castrums keine Gräber lokalisiert worden, trotz Suchschnitten und intensiver Prospektion. Das macht auch die funktionale Interpretation sehr schwierig, denn so müsste man in Richtung eines befestigten Depots denken, mit Aufgaben, die in Zusammenhang mit dem Passweg stehen. Zu diskutieren wäre eine erweiterte Funktion zur Aufnahme von Bevölkerung in Gefahrenzeiten, denn die Grundfläche von nur einem Hektar schränkt die Möglichkeiten hierfür klar ein. Welche Rolle spielte der Platz als Kultort im Zusammenhang mit der Christianisierung des Gebietes? Hinzu kommt durch die begleitende Regionalstudie die Untersuchung des Umfeldes: Wie verhält sich

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Fd. Nr. 52. – Zur Datierung: Keim 2007, 48 f. Zur Verbreitung in Italien und in den Alpen ebd. 48. Zusammenfassend: Landi 2003, 128. Cavada 2007, 244 f. mit Taf. 9,11. Schulze-Dörrlamm 1986, 663 ff.; Milavec 2009, 230 f.

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Ausgrabungen auf dem Monte San Martino di Lundo/Lomaso

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Marcus Zagermann und Enrico Cavada

Abbildungsnachweis Abb. 1; 4; 6–7; 11; 12; 19; 20; 23; 24: Fotos: M. Zagermann. Abb. 2: Servizio Urbanistica e Tutela del Paesaggio, Provincia autonoma di Trento. Abb. 3: Foto: G. Holzer 2007. Abb. 5: Zagermann/Cavada. Abb. 8–10; 16–18; 22: Fotos: E. Cavada. Abb. 13: Foto: Studio Rensi, Trento. Abb. 14: Österreichische Nationalbibliothek Wien, Kartensammlung und Globenmuseum, Vues III 17109; +Z85002503. Abb. 15,1: Nach: Bellosi/Cavada 2013, 196 Abb. 2 mit Ergänzungen. Abb. 15,2: Nach: Popović/Bikić 2009, 53. Abb. 21: R. Winkelbauer/M. Zagermann.

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