Sources and Methods for African History and Culture Essays in Honour of Adam Jones
Edited by Geert Castryck, Silke Strickrodt and Katja Werthmann
SONDERDRUCK
LEIPZIGER UNIVERSITÄTSVERLAG 2016
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Umschlagabbildungen: vorn: „The market of Moshi“ (Photographer unknown, Moshi, Tanzania, ca. 1900–14), Ev.-luth. Missionswerk Leipzig, Druckvorlagenmusterbuch, IXe 314 hinten: Feldskizze Georg Schweinfurth, Sammlung Perthes Archiv Gotha: SPAARCH 547_111781361
Oral Tradition and its Methodology John Thornton Bridging the Gap between Oral and Written Sources: The Kingdom of Kongo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 Robin Law A Neglected Source for the Traditional History of Ọyọ, L’ âme nègre by Jean Hess (1898) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 Claude-Hélène Perrot Sept questions pour un récit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 David Henige Oral Tradition and the Scientific Method . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Written and Material Sources for the Pre-Colonial History of Coastal West Africa Peter Mark ‘First the Documents, then the Art.’ Objects as Historical Sources for the Pre-Colonial History of the Upper Guinea Coast . . . . . . . . . . . . . . 95 Gérard L. Chouin A 1647 French Travel Account of West Africa Published in La Gazette . . . . .
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Natalie Everts ‘Because I am an Uitlander’. West India Company Servant Willem Huydecoper’s Clash with his Colleagues . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
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Inhalt
Maps and Photographs as Historical Sources Karsten Jahn und Ute Wardenga Wie Afrika auf die Karte kommt: Das Beispiel Georg Schweinfurth . . . . . . . . 137 Michaela Unterholzner Detaillierte Betrachtungen eines Massenmediums: Zur Verwendung historischer Fotografien als Quellen zur Geschichte Afrikas . . . . . . . . . . . . 163 Umma Aliyu Musa Visual Images and Fashion Memories: Muslim Hausa Women in Photography . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175
African Encounters with Christian Missions Karolin Wetjen Abdrucken, Verändern, Auslassen: Das Stationstagebuch der Station Mamba im Missionsblatt der Leipziger Missionsgesellschaft um 1900 . . . . . . 201 Anne Beutter Was auf dem anderen Blatt steht: Die Chronik von Nkoransa (1911–1920) als Dokument lokaler Gemeinde-Praxis der Basler Mission und der Perspektive ihrer afrikanischen Mitarbeiter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 Paul Jenkins Bamum 1906–1915: A Royal Architect, His Missionary Builder and a Historical Relationship in Need of a Substantial Present-Day Re-Assessment . . . . . . . . 239 Philipp Seitz Das Herz aller Dinge: Die Missionierung Afrikas als Transkulturationsprozess – kulturphilosophisch betrachtet . . . . . . . . . . . . 255 Lize Kriel Open-Access Memory? African Interlocutors’ Reflective Nostalgia for a Precolonial Past as Digitised in the Hoffmann Collection of Cultural Knowledge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275
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Inhalt
New Perspectives on East Africa’s Early Colonial Past Felix Brahm Armed with an Umbrella: Alexander Mackay and the Emerging Criticism of the East African Arms Trade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 Hatice Ugur It Took Longer to Arrive than to Stay: An Ottoman Envoy’s Visit to Zanzibar in October 1888 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 Geert Castryck ‘My Slave Sold All of Kigoma’. Power Relations, Property Rights and the Historian’s Quest for Understanding . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 Manuela Bauche Doing Research with Colonial Sources: Deconstructing Categories in German East Africa’s Medical Reports . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337
Interpreting African ‘Voices’ in West African Press, Petitions and Performances Odile Goerg Marrying Well in Freetown Society: A View from the Press, 1870s to the Early 1900s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 Andreas Eckert Petitions, Politics, and Urban Transformations: Duala Petitions, 1860s to 1930s . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 Katja Werthmann Die tanzende Sonne: Frauenlieder in Westafrika . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393
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Inhalt
Reconstructing Careers in Twentieth-Century Africa Joël Glasman Rethinking Colonial Intermediaries: On the Use of Career Records as a Source for African History – a Sample from Togo . . . . . . . . . . . . . . . 413 Dmitri van den Bersselaar Looking Back on a Career: Unpacking African Middle-Class Life Histories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 Bernhard Streck Bruno Gutmann (1876–1966) als ethnographischer Expressionist . . . . . . . . 449
Entanglements of African History and Europe’s Twentieth Century Holger Stoecker Human Remains als historische Quellen zur namibisch-deutschen Geschichte: Ergebnisse und Erfahrungen aus einem interdisziplinären Forschungsprojekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Katja Geisenhainer Erika Sulzmann und die „Stammeskarte von Afrika“: Ein Beitrag zur Ethnologie im Nationalsozialismus . . . . . . . . . . . . . . . . . 493 Jochen Lingelbach Polish Refugees in Colonial Eastern Africa (1942–50): The Use of European Diaspora Sources for the Writing of African Colonial History . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 523 Sara Pugach African Students in Cold War Leipzig: Using University Archives to Recover a Forgotten History . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
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Inhalt
Cultures of Memory and Politics of History Tina Kramer Das Rätsel um den Geburtsort Guinea-Bissaus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 565 Peter Lambertz Gardening the Past: Ancestors, Soil and Territorial Attouchment among Spiritualists in Kinshasa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 577 Beatrix Heintze Kollektive Identitäten: Zum Spannungsverhältnis zwischen kulturellem Gedächtnis und Geschichtsforschung. Mit Beispielen aus Angola und Israel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 595 Joram Tarusarira Revisiting Zimbabwe’s Celebratory Political History in Pursuit of Healing and Reconciliation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 613
Measures for African Economies Robert Kappel Germany’s New Africa Policy: Time for a Change? . . . . . . . . . . . . . . . . . 629 Helmut Asche Down to Earth Again: The Third Stage of African Growth Perceptions . . . . . . 651 Ute Rietdorf Not Yet Development: The Use of GDP to Construct African Economies . . . . 671
Finale Ulf Engel und Robert Kappel Rückblick: „Afrika 2000“ – Die 17. VAD-Konferenz in Leipzig . . . . . . . . . . 691
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Human Remains als historische Quellen zur namibisch-deutschen Geschichte: Ergebnisse und Erfahrungen aus einem interdisziplinären Forschungsprojekt Holger Stoecker
Im Umfeld des Gedenkens anlässlich des einhundertsten Jahrestages des Kolonialkrieges und des Völkermords an Herero und Nama in der damaligen Kolonie DeutschSüdwestafrika 1904–1908 kam es 2007/08 zur „Wiederentdeckung“ von menschlichen Schädeln und Skeletten namibischer Herkunft in anthropologischen Universitätssammlungen in Berlin und Freiburg/Br. Offensichtlich stammten diese Gebeine zumindest teilweise von kriegsgefangenen Herero und Nama, die in den von der deutschen Schutztruppe betriebenen Konzentrationslagern interniert waren und dort zu Opfern des Genozids wurden. Nachdem dieses geschichtspolitische Skandalon durch eine kritische Öffentlichkeit publik gemacht wurde, forderte der damalige namibische Botschafter in Deutschland, Peter Katjavivi, nachdrücklich die Rückgabe aller in deutschen Sammlungen aufbewahrten namibischen Gebeine.1 Unterstützt wurde Katjavivi dabei von namibischen und deutschen Nichtregierungsorganisationen, die die Frage der namibischen Schädel in den Kontext der postkolonialen Debatte um die Anerkennung des Genozids an Herero und Nama 1904–1908 durch die damalige Kolonialmacht Deutschland und um Entschädigungen durch die deutsche Bundesregierung stellten. Die afrikanischen Schädel in deutschen wissenschaftlichen Sammlungen wurden damit zu politischen Objekten. Im Folgenden wird versucht, das in dieser spezifischen wissenschaftspolitischen Gemengelage gebildete Charité Human Remains Project und einige Erfahrungen aus der Sicht eines Historikers, als der der Autor dem Projekt angehörte, zu resümieren. Gezeigt wird, dass das zentrale Anliegen des Projekts zugleich eine immense Herausforderung für die interdisziplinäre Zusammenarbeit bedeutete: Den über ein Jahrhundert lang eingeübten anthropologischen Blick auf die Sammlungsobjekte um kolonial- und
1 Frenzel, Koloniales Erbe; Wegmann, Ecker-Sammlung, 404–405. Mein Dank für hilfreiche Kommentare gilt Geert Castryck, Larissa Förster, Sarah Fründt, Anette Hoffmann, Kathrin Roller und Andreas Winkelmann.
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wissenschaftshistorische Perspektiven zu weiten und die Gebeine somit als biohistorische Quellen in Wert zu setzen. Hierfür wird zunächst die Genese des Charité Human Remains Project vorgestellt sowie ein kurzer Überblick über die anthropologischen Sammlungen in Berlin gegeben. Anhand eines Fallbeispiels werden sodann verschiedene Stationen einer „Objektbiographie“ rekonstruiert und einige „lose Enden“2 mit der namibisch-deutschen Kolonialgeschichte sowie mit Aneignungs- und Verwertungspraktiken des kolonialen Wissenschaftsbetriebs verbunden. Abschließend werden einige Aspekte der interdisziplinären Zusammenarbeit umrissen und eine Prognose zum Fortgang des deutsch-namibischen Restitutionsprozesses gewagt.
Das Charité Human Remains Project Die Leitung der Berliner Charité erklärte sich bald grundsätzlich zur Restituierung der menschlichen Überreste bereit. Zuvor müssten jedoch die Provenienzen der Gebeine so weit wie möglich geklärt werden, ähnlich wie in einem etwa zeitgleich anlaufenden, allerdings weit weniger mediale Aufmerksamkeit erregenden Rückführungsverfahren von australischen Gebeinen aus der Charité. Als Schwierigkeit erwies sich allerdings, dass es bislang kein deutsches Modell für ein derartiges Rückgabeverfahren gab. Zwar gab es bereits zuvor Restitutionen menschlicher Überreste wie beispielsweise die des Schädels des Wahehe-Chiefs Mkwawa aus dem Übersee-Museen in Bremen nach Tanganjika (1954) oder von zwei Maori-Schädeln aus dem Weltkulturen Museum und dem Senckenberg Naturkundemuseum Frankfurt am Main nach Neuseeland (2011), doch fanden diese Rückführungen unter gänzlich anderen Umständen bzw. weitgehend ohne öffentliche Beteiligung statt. Die Situation stellte zudem insofern eine Herausforderung dar, als es bis 2013 in Deutschland – anders als in Großbritannien, Kanada und den USA – keinerlei Richtlinien für den Umgang mit Rückgabeforderungen und für Restitutionsverfahren von menschlichen Überresten gab, geschweige denn juristisch verbindliche Vorgaben. Es existierte lediglich eine von der Bundesärztekammer herausgegebene „Empfehlung zum Umgang mit Präparaten aus menschlichem Gewebe“ aus dem Jahre 2003, die in erster Linie aus Diskussionen um den Umgang mit menschlichen Präparaten aus der Zeit des „Dritten Reiches“ erwachsen war. Diese „Stuttgarter Empfehlungen“ sehen für menschliche Präparate, die aus einem nicht näher definierten „Unrechtskontext“ stammen, vor, dass sie „aus den einschlägigen Sammlungen herauszunehmen und würdig
2 Lange, Aus dem Depot, 215.
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zu bestatten“ seien.3 Der Begriff des „Unrechtskontextes“ wurde hier erstmals in einen Bezug zum Erwerb von anthropologisch-medizinischen Sammlungsobjekten gesetzt. An eine Rückgabe der Überreste an Angehörige bzw. Herkunftsgemeinschaften war in den Empfehlungen der Bundesärztekammer jedoch noch nicht gedacht. Erst im April 2013 – unter dem Eindruck der im Eklat geendeten Rückgabe von 20 Schädeln aus der Berliner Charité an eine namibische Delegation im September 20114 – veröffentlichte der Deutsche Museumsbund als Dach- und Fachverband der deutschen Museen seine „Empfehlungen zum Umgang mit menschlichen Überresten in Museen und Sammlungen“. Die von einer „Arbeitsgruppe Human Remains“ erarbeiteten Empfehlungen enthalten erstmals unverbindliche Richtlinien und Handlungsanleitungen. Sie raten den Sammlungsinstitutionen und -verantwortlichen u. a. dazu, proaktiv die eigenen Sammlungsbestände kritisch zu prüfen, die Provenienzen von fraglichen Objekten im Einzelfall zu klären sowie auf Rückgabeforderungen von Herkunftsgemeinschaften professionell und zeitnah zu reagieren. Sollte im Einzelfall der Erwerb in einem „Unrechtskontext“ festgestellt werden, empfiehlt der Deutsche Museumsbund eine Restitution dieser menschlichen Überreste.5 Ein weiteres Problem in Bezug auf die namibischen Gebeine in den Berliner Sammlungen war, dass sich der Kenntnisstand zur Provenienz als völlig unzureichend erwies, um auf die Restitutionsforderungen adäquat reagieren zu können. Daher wurde am Centrum für Anatomie der Berliner Charité 2010–2013 das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanzierte Charité Human Remains Project etabliert mit dem Ziel, die infrage stehenden Bestände der sich in der Obhut der Charité befindlichen anthropologischen Schädel- und Skelettsammlungen auf ihre Provenienz und Erwerbskontexte hin zu untersuchen. Das Projekt, dem ich als Historiker angehörte, entsprang also nicht einer akademischen Initiative zur Klärung einer innerwissenschaftlichen Fragestellung oder einem sammlungsinternen Anliegen zur Aufarbeitung der Bestände. Vielmehr sollte es in einer sich zuspitzenden politischen Situation – mit einem erheblichen Belastungspotential für die außenpolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und Namibia – mithilfe von historisch-ethnologischer, medizinisch-anatomischer und biologisch-anthropologischer Expertise eine verlässliche Wissensgrundlage schaffen, um dieses seit Jahrzehnten teils unbedachte, teils unbekannte Problem einer politischen Lösung zuzuführen. Demzufolge betrieb das Projekt zwar wissenschaftliche Prove nienzforschung, doch gaben zugleich die oft kurzfristig anberaumten Entscheidungen im politischen Restitutionsprozess den Takt der Projektarbeit vor. Auch erfreute sich
3 Arbeitskreis „Menschliche Präparate in Sammlungen“, Empfehlungen, A 1961. 4 Beis & Johnson, Bis auf die Knochen blamiert; chs/cib/dapd, Rückgabe von Kolonialzeit-Schädeln endet im Streit. 5 Deutscher Museumsbund, Empfehlungen, 66.
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der Fortgang der Forschung einer besonders aufmerksamen „Begleitung“ seitens mancher politischer Gremien, Akteure und Medien. Eine weitere Spezifik dieser Provenienzforschungen ergab sich daraus, dass beim Umgang mit den infrage stehenden anthropologischen Sammlungsbeständen eine besondere Sensibilität geboten war, und zwar aus mehreren Gründen. Zum einen handelte es sich bei den Sammlungsobjekten um sterbliche Überreste von Menschen. Hier gilt das Gebot der Sensibilität umso mehr, wenn – wie im Fall der Gebeine aus Namibia – die Personen, von denen die Überreste stammen, in einer von heute aus noch überschaubaren Vergangenheit gelebt haben. Bei diesen Gebeinen handelte es sich um die Überreste von konkreten Individuen, die Angehörige und Nachfahren hatten und haben, welche potentiell eine Erinnerung an diese Personen pflegen. Hierdurch unterscheiden sich menschliche Präparate in anthropologischen, medizinischen, ethnologischen oder auch zoologischen Sammlungen grundsätzlich von prähistorischen und nicht-humanen Objekten. Auch der Internationale Museumsrat (ICOM) erkannte in seinen 1986 erstmals aufgelegten und seither mehrfach revidierten „Ethischen Richtlinien für Museen“ eine besondere Sensibilität von Sammlungsobjekten an, die ganz oder teilweise aus menschlichen Überresten bestehen. Wie es in deren letzten Fassung von 2010 heißt, sind menschliche Überreste mit besonderem Respekt zu behandeln: „Sammlungen, die menschliche Überreste oder Gegenstände von religiöser Bedeutung enthalten, sollen nur angenommen werden, wenn sie sicher untergebracht und respektvoll behandelt werden können“. Sollten an den menschlichen Überresten wissenschaftliche Untersuchungen vorgenommen werden, müssen diese, so heißt es weiter, „unter Einhaltung professioneller Standards erfolgen und den Interessen und Glaubensgrundsätzen der gesellschaftlichen, ethnischen oder religiösen Gruppen, denen die Objekte entstammen, Rechnung tragen, soweit diese bekannt sind“.6 Dementsprechend war im Laufe der Provenienzforschung mit der namibischen Seite abzusprechen, inwieweit zum Beispiel invasive bzw. verbrauchende Untersuchungsmethoden von der Empfängerseite akzeptiert werden konnten. Zum zweiten handelt es sich bei den menschlichen Überresten vor allem aus außereuropäischen Regionen um sensible Objekte aufgrund ihrer damals wie heute als problematisch geltenden Erwerbsumstände. Oftmals wurden sie in kolonialen Kontexten, unter kolonialen Gewaltverhältnissen oder infolge von asymmetrischen Tauschbeziehungen erworben bzw. angeeignet. Sicherlich kann man davon ausgehen, dass sich die Aneignungspraktiken von Region zu Region unterschieden. Gleichwohl gelangten diese sensiblen Objekte „meist nicht unter Zustimmung der Betroffenen in die Museen“ und Sammlungen, „sondern wurden gestohlen, erpresst, unfair erhandelt, im Gehei-
6 Ethische Richtlinien für Museen von ICOM, Absätze 2.5 und 3.7; Lange, Sensible Sammlungen, 18–19.
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men ausgegraben und abtransportiert“.7 Dieser generelle Befund gilt im Grunde für sämtliche menschlichen Überreste, die während der deutschen Kolonialzeit aus dem heutigen Namibia nach Berlin transferiert wurden und deren Erwerbskontexte bislang rekonstruiert werden konnten. Und zum dritten geht es hier um sensible Objekte, weil sie in den kolonialen Metropolen für rassenanthropologische Forschungen und Lehrziele, d. h. für wertende und hierarchisierende Zwecke verwendet wurden.8 Wie etliche Beispiele zeigen, waren die Forschungen in der Regel gegen die Betroffenen gerichtet und wurden deren Ergebnisse gegen die Betroffenen verwendet.9 Zu den Aufgaben der Projektarbeit gehörte zunächst die Identifizierung der für die Restitutionsforderungen relevanten Schädel und Skelette in den Berliner Sammlungen. Zum zweiten wurde eine möglichst detaillierte Rekonstruktion der historischen Erwerbsumstände angestrebt, um eine Grundlage für eine Bewertung der ethischen Umstände und eines eventuellen Unrechtskontextes des jeweiligen Einzelfalls zu schaffen. Und drittens wurde der Versuch unternommen, so weit wie möglich die personelle Identität bzw. zumindest die ethnische Zugehörigkeit der Individuen zu klären, von denen die vorgefundenen menschlichen Überreste stammten. Angestrebt wurde also die Rekonstruktion der „Biographie“ eines Schädels bzw. Skeletts, die Angaben zur individuellen Person mit ihren sozialen Kontexten, zu den Umständen ihres Todes und zum Erwerb ihrer menschlichen Überreste bis hin zu deren Umwidmung bzw. Umwandlung zu einem Sammlungsobjekt und dessen Verwendung für zeitgenössische Forschungskontexte umfasste. Dieser Biographie vom Individuum zum Sammlungsobjekt schloss sich dann im Zuge des Restitutionsprozesses die De-Objektivierung des Sammlungsobjektes und – soweit möglich – seine Re-Humanisierung an.10 Aus einem wissenschaftlichen Sammlungsobjekt wurde also wieder der sterbliche Überrest eines individuellen Menschen. Ein solcher Anspruch war gleichwohl ein Maximalanspruch, der letztlich nur tentativ und fragmentarisch einzulösen war. Dieser Aspekt ist aber einerseits grundlegend für die Prüfung seitens der Sammlungsverantwortlichen, inwieweit die rückfordernden Herkunftsgemeinschaften anspruchsberechtigt sind. Andererseits ist eine möglichst umfassende „Objekt-Biographie“ die Vorrausetzung für die Re-Individualisierung der menschlichen Überreste. Diese stellt für Herkunftsgemeinschaften ein wichtiges Element von Restitutionsprozessen dar, und zwar sowohl im Hinblick auf die Erinnerung an individuelle Schicksale als auch für das Anliegen von Herkunftsgemeinschaften, gegenüber der von den Kolonisierenden praktizierten
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„wissenschaftliche[n] und herrschaftspraktische[n] Kollektivierung als geschichtslose Stämme“ wieder „eigene Erinnerungskulturen und interne Wissensordnungen zu behaupten“.11
Sammlungen in Berlin Wenn wir uns zunächst die für das Projekt relevanten Sammlungen anschauen, lässt sich feststellen, dass in Berlin im 19. und frühen 20. Jahrhundert mehrere anthropologische Sammlungen entstanden und wuchsen. Sie gehörten über weite Zeiträume ihrer Existenz zu verschiedenen Institutionen; gleichwohl sind sie historisch und sammlungsgeschichtlich eng miteinander verbunden. Im Zentrum dieses metropolitanen Netzwerkes von Sammlungen, Kuratoren, Sammlern vor Ort, Wissenschaftlern, Museen, Journalen, Universität und Charité stand prominent die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. Einige der in der Gesellschaft aktiven Persönlichkeiten wie die Pathologen und Sammler Rudolf Virchow (1821–1902) und David von Hansemann (1858–1920), die Anthropologen Felix von Luschan (1854– 1924) und Eugen Fischer (1874–1967) sowie die Anatomen Wilhelm Waldeyer (1836– 1921), Robert Hartmann (1832–1893), Gustav Fritsch (1838–1927) und Hans Virchow (1852–1940, Sohn von Rudolf Virchow) sind auf das engste mit der Geschichte einzelner Sammlungen und Sammlungsbestände verknüpft. Die bedeutendste Zeit erlebte die 1869 gegründete Gesellschaft in den Dekaden vor und nach 1900, also während der deutschen Kolonialperiode. Die im Folgenden näher beschriebenen Sammlungen waren ähnlich intendiert, sie unterhielten untereinander und mit anderen Sammlungen Austauschbeziehungen und verdankten erhebliche Bestände der weithin praktizierten Sammelwut vor allem, aber nicht nur in den deutschen Kolonien, oftmals tatkräftig unterstützt durch die kolonialen Infrastrukturen vor Ort. Obgleich sich die in Berlin entstandenen anthropologischen Sammlungen bis heute in ihrem rechtlichen Status unterscheiden, liegt es auf der Hand, dass sie zu einem gemeinsamen historischen Zusammenhang gehören und dass daher die Provenienzen ihrer Bestände auch gemeinsam zu untersuchen sind. Die älteste Berliner Sammlung menschlicher Präparate befindet sich am Centrum für Anatomie der Charité – Universitätsmedizin Berlin, die bis in das 18. Jahrhundert zurückreicht. Nach der Gründung der Berliner Universität 1810 erfuhr das damalige Anatomisch-Zootomische Museum unter den Anatomie-Professoren Karl Asmund Rudolphi (1771–1832), Johannes Müller (1801–1858) und Karl Bogislaus Reichert (1811–1883) eine Erweiterung auf mehrere zehntausend Präparate, vorwiegend aus
11 Sommer & Krüger, Biohistorische Anthropologie, 30–31.
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Deutschland und Europa sowie in geringerem Umfang aus außereuropäischen Regionen aller Kontinente. Unter Wilhelm Waldeyer gelangten die menschlichen Präparate dieser Sammlung an das 1884 neugeründete Anatomische Institut der Berliner Universität, heute Centrum für Anatomie der Charité. Aus etwa der Hälfte dieses Sammlungsbestandes wurde um den Ersten Weltkrieg als Teilsammlung die so genannte „Rasseschädelsammlung“ zusammengestellt, welche mehr als 800 überwiegend aus außereuropäischen Regionen stammende Gebeine vereint.12 Die hier befindlichen menschlichen Überreste aus dem subsaharischen Afrika gelangten zwischen 1804 und 1914 in die Sammlung. In der Anatomischen Sammlung der Charité wurden im Zuge der Provenienzrecherche 28 Schädel bzw. Schädelpräparate identifiziert, die zwischen 1904 und 1914 aus dem heutigen Namibia nach Berlin transferiert wurden. Nach den ethnischen Zuordnungen durch die damaligen Erwerber bzw. Sammlungsverantwortlichen handelte es sich dabei um die Überreste von 13 Nama, elf Herero, zwei Ovambo und zwei San. Unter diesen befanden sich überwiegend Überreste von Opfern des deutschen Kolonialkrieges 1904–1908, darunter von 20 Nama und Herero, die im Konzentrationslager auf der Haifischinsel zu Tode kamen und im September 2011 nach Namibia restituiert wurden13, sowie von vier weiteren Herero, deren Überreste ebenfalls während des Kolonialkrieges nach Deutschland transferiert wurden. Diese menschlichen Überreste gelangten teils als präpartierte Schädel, teils auch als konservierte Köpfe nach Berlin. Menschliche Überreste von im Kolonialkrieg 1904–1908 Gefangenen oder Getöteten, die nach Berlin kamen, gelangten überwiegend in die Sammlung der Berliner Anatomie. Als Grund für diese zielgerichtete „Belieferung“ ist anzunehmen, dass der Direktor des Berliner Instituts für Anatomie, Geheimrat Wilhelm Waldeyer, zu ehemaligen Schülern, die nun als Sanitätsärzte in der Kaiserlichen Schutztruppe und in den Internierungslagern dienten, weiterhin Beziehungen unterhielt. Waldeyer nutzte erfolgreich seine privilegierte Vernetzung mit den Institutionen und Vertretern der deutschen Kolonialverwaltung in Deutsch-Südwestafrika, um unter den Bedingungen des Kolonialkrieges Forschungsmaterialien zu erlangen. Beispielsweise hatte Waldeyer 1905/06 über das Schutztruppen-Kommando „Eingeborenen-Gehirne aus Deutsch-Südwestafrika“ bestellt und erhalten.14 Eine weitere Berliner anthropologische Sammlung, die so genannte „S-Sammlung“, wurde von Felix von Luschan am Königlichen Museum für Völkerkunde Berlin begründet und aufgebaut. Der Anthropologe, Mediziner und Ethnograph wirkte seit 1886
12 Winkelmann, Anatomische Sammlung. 13 National Archives of Namibia Windhoek (NAN), Accession A.0981: Repatriation of human r emains, No. 1: Documentation recording the results of examinations carried out on twenty skulls from N amibia to determine their provenance [compiled by the Human Remains Project at the Charité, Berlin]. 14 Waldeyer, Gehirne, 3.
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am Berliner Völkerkundemuseum, seit 1904 als Direktor der Afrikanisch-Ozeanischen Abteilung und seit 1909 als Direktor der Anthropologischen Abteilung. Daneben lehrte er seit 1889 an der Berliner Universität, die ihn 1900 zum außerordentlichen und 1909 zum ersten ordentlichen Professor für physische Anthropologie berief.15 Nach Luschans Tod 1924 wurde die S-Sammlung der Berliner Universität übergeben und gelangte unter Eugen Fischer, dem Nachfolger Luschans auf dem Berliner Lehrstuhl für Anthropologie und seinerzeit führenden deutschen Anthropologen und Rassenhygieniker, an das Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem. In den frühen 1940er Jahren wurde der Plan verfolgt, die Sammlung an ein neues Institut für Rassenbiologie der Berliner Universität abzugeben, zu dessen Gründung es allerdings nicht mehr kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg gelangte die „S-Sammlung“ unter Verlust nahezu sämtlicher Sammlungsdokumentationen an die Humboldt-Universität zu Berlin, wo sie seit 1955 vom Institut für Anthropologie unter Hans Grimm (1910–1995) betreut und bearbeitet wurde. 1964 wurde dort mit der Neuinventarisierung begonnen. Die Sammlung umfasst nunmehr Gebeine von mehr als 5.300 Individuen aus allen Erdteilen, welche im Wesentlichen zwischen 1890 und 1923 gesammelt worden waren.16 Ende 2011 wurde die „S-Sammlung“ gemeinsam mit dem größten Teil der „Rasseschädelsammlung“ des Centrums für Anatomie an das Museum für Vor- und Frühgeschichte der Staatlichen Museen zu Berlin – Stiftung Preußischer Kulturbesitz abgegeben, wo sie seither unter der Bezeichnung „Luschan-Sammlung“ kuratiert wird. In der „S-Sammlung“ wurden durch die Provenienzrecherchen ebenso 28 Schädel, Skelette und Skelettteile vorgefunden, die zwischen 1896 und 1912 aus Deutsch-Südwestafrika nach Berlin gelangten. Nach den historischen Zuordnungen handelte es sich hier um die Überreste von neun San, acht Herero, acht Nama, zwei Damara und einem Ovambo. Für vier Gebeine von Herero ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sie von Opfern des Kolonialkrieges 1904–1908 stammten. Ein weiteres Skelett, das 1909 in einem Bergwerk der Otavi-Minengesellschaft geborgen wurde, wurde als prähistorisch datiert und daher aus den Restitutionsvorbereitungen herausgenommen. Für die „S-Sammlung“ sind anhand von Eingangsdokumentationen im Archiv des Ethnologischen Museums Berlin Sammlungsverluste festzustellen, deren Hintergründe nicht mehr zu klären sind. Entsprechendes gilt für die „Rasseschädelsammlung“. Ebenso können durch zeitgenössische Publikationen einst vorhandene und heute verlorene Sammlungsobjekte belegt werden, etwa ein Konvolut von 53 Kehlköpfen von Nama und Herero aus dem Internierungslager auf der Haifischinsel.17 Mithin ist davon
Holger Stoecker | Human Remains als historische Quellen zur namibisch-deutschen Geschichte
auszugehen, dass die Bestände an menschlichen Überresten in den beiden Sammlungen ursprünglich erheblich umfangreicher waren. Die Rudolf Virchow-Sammlung („RV-Sammlung“) als dritte Berliner Sammlung enthält menschliche Schädel und Skelette, die der Berliner Pathologe und Archäologe Rudolf Virchow im Pathologischen Institut der Berliner Charité zusammentrug. Wie Luschan hatte auch Virchow Marineoffiziere, Forschungsreisende, Missionare, Kolonialbeamte und Sanitätsärzte zum Sammeln anthropologischer Objekte angehalten. Neuzugänge wurden oftmals in den Sitzungen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte sowie in den „Verhandlungen“ der vereinseigenen Zeitschrift für Ethnologie präsentiert und diskutiert. Virchow vermachte die Sammlung testamentarisch an die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, die sie erstmals verzeichnen ließ. Seit den Zwischenkriegsjahren wurde die „RV-Sammlung“ zusammen mit der „S-Sammlung“ aufbewahrt – zeitweise als Depositum in der Charité –, kuratorisch bearbeitet und für medizinisch-anthropologische Forschungen genutzt. Die weitgehend erhaltenen Sammlungsunterlagen befanden sich während der deutschen Teilung in West-Berlin und waren für die Kuratoren der „RVSammlung“ in Ost-Berlin nicht zugänglich, daher wurde in den 1960er Jahren mit ihrer Neu-Verzeichnung begonnen. Seit der deutschen Wiedervereinigung befindet sich die „RV-Sammlung“ wieder im Vereinsbesitz der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte und wird im Depot des Museums für Vor- und Frühgeschichte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt.18 Die „RV-Sammlung“ umfasst gegenwärtig etwa 3.500 Objekte. Bald nach dem Start des Charité Human Remains Project signalisierte die Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, dass sie entgegen vorheriger Absprachen über das Forschungsprogramm des Charité-Projektes doch nicht bereit sei, die in Frage kommenden Schädel und Skelette aus der „RV-Sammlung“ in die Provenienzuntersuchungen einzubeziehen. Provenienzforschungen durch das Charité-Projekt wurden als dem Zeitgeist geschuldeter Populismus zurückgewiesen. Schon zuvor war vom früheren Sammlungskurator eine „Respektlosigkeit gegenüber den seriösen Absichten der Altvorderen“ beklagt worden.19 Somit wurden an jenen Gebeinen, die nach den bis dahin vorliegenden Erkenntnissen in den 1880er und 1890er Jahren aus dem Gebiet des heutigen Namibia in die „RV-Sammlung“ eingingen, keine weiteren Provenienzuntersuchungen vorgenommen. Gleichwohl wurden auch die Überreste in der „RV-Sammlung“ inzwischen Gegenstand von Rückgabeforderungen aus Namibia. Seit 2013 führt die namibische Botschaft hierüber Gespräche mit der Berliner
18 Kunst & Creutz, Geschichte. 19 Creutz, 100 Jahre, 21.
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Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, bislang ohne erkennbare Fortschritte (Stand November 2015). Die Aneignungskontexte der in der „RV-Sammlung“ befindlichen Schädel und Skelette namibischer Herkunft wurden teils in zeitgenössischen Publikationen der ersterwerbenden Sammler vor Ort (in der Sammlungsterminologie „Aufsammler“ genannt) vergleichsweise gut dokumentiert20, teils stehen vertiefende Provenienzuntersuchungen noch aus. Nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand handelt es sich um die Überreste von fünf Nama, zwei Herero und einem Ovambo. Die Herkunftsregion eines lediglich als „Hottentott?“ bezeichneten Schädels ist unklar; hierfür kommt neben dem heutigen Namibia auch Südafrika infrage. Hinzu kommen ein Schädel mit der Herkunftsangabe „Deutsch-Südwestafrika“, aber ohne ethnische Zuordnung, sowie ein weiterer Schädel von einer Person aus der Region östlich von Windhoek, deren Vorfahren als San und „Betschuanen“ bezeichnet sind.21 Nach dem „Deutschen Koloniallexikon“ verstand man im damaligen Duktus unter den „Betschuanen“ eine Ethnie, die vor allem im Osten von Britisch Betschuanaland (heute Botswana) lebte, von der kleinere Untergruppen aber „seit längerer Zeit“ in Deutsch-Südwestafrika (östlich von Windhoek, Gobabis, Okawango-Sambesigebiet) ansässig waren.22 Dieses Beispiel macht ein Dilemma deutlich, vor dem die heutige Provenienzforschung steht: Sie ist einerseits angewiesen auf die oftmals sehr pauschalen und kaum differenzierenden Angaben der damaligen Akteure. Diese Notate erfolgten in Form von Kategorien, Terminologien und ethnische Zuordnungen, die von einer kolonialen Perspektive auf die afrikanischen Ethnien geprägt waren. Mit der Fortschreibung dieser Begrifflichkeiten ist andererseits die Gefahr verbunden, „nicht zuletzt dem grundsätzlichen Anliegen einer Restitution – der Überwindung einer kolonialen Sichtweise – zuwiderzulaufen“.23 Daher ist auch auf dieser Ebene ein sensibler und informierter Umgang mit historisch überkommenen Kategorien geboten. Zum Geflecht der anthropologischen Sammlungen in der Metropole des deutschen Kaiserreichs zählte schließlich die so genannte Lehrmittelsammlung. Diese Sammlung wurde von Felix von Luschan als Privatsammlung angelegt mit der Absicht, sie in ein künftiges Institut für Anthropologie an der Berliner Universität einzubringen, wozu es allerdings auch nach Luschans Berufung als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Anthropologie nicht kam. In die Lehrmittelsammlung stellte Luschan vor allem solche Neuzugänge ein, deren Einsender Geld verlangten und die der recht vermögende Anthropologe aus eigenen Mitteln bezahlte. In die finanzklamme anthropologi-
20 Belck; Reise, (316)-(319); Schinz, Deutsch-Südwestafrika, 259–260; Henrichsen, Schinz. 21 Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, Archiv, NSRV 39 & 40, Verzeichnis der Schädelsammlung, ohne Datum. 22 Dove, Betschuanen, 194. 23 Stoecker, Schnalke & Winkelmann, Einführung, 21.
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sche Sammlung des Museums für Völkerkunde (die spätere „S-Sammlung“) hingegen gab Luschan „alles, was an Schädeln, Skeletten, Weichteilen usw. geschenkt wird […] Hauptsache ist nur, daß derartiges anthropologisches Material irgendwo concentrirt und gut und sicher auf die Nachwelt gebracht wird“.24 Nach dem Tode Luschans im Februar 1924 wurde die Lehrmittelsammlung selbst zu einem wertbeständigen Handelsobjekt. Noch im gleichen Jahr verkaufte Luschans Witwe sie für 41.500 US-Dollar an das American Museum of Natural History in New York.25 Die zwischen den 1870er Jahren und 1923 zusammengetragene Sammlung enthält gegenwärtig mehr als 5.600 weltweit gesammelte Schädel und Skelette; damit war sie unter den anthropologischen Sammlungen in Berlin die größte. In ihr befinden sich u. a. die Überreste von sechs Individuen aus dem damaligen Deutsch-Südwestafrika.26 Aufschriften Luschans auf den Objekten verweisen auf ethnische Zuordnungen – „Damara“, „Ovatjimba/Herero“ oder „Hottentottin“ – sowie auf ihre lokale Herkunft – „Walfisch Bay“, „Windhook“ und „Lüderitzbucht“.27 Diese Sammlung zählte nicht zum eigentlichen Gegenstand des Charité-Projektes, sie wurde jedoch für historische Kontextuntersuchungen mit in den Blick genommen. Somit ist insgesamt davon auszugehen, dass sich um den Ersten Weltkrieg in den Berliner anthropologischen Sammlungen mehr als 15.000 Schädel und Skelette verschiedenster Herkunft befanden. Unter ihnen sind heute in den genannten Sammlungen 72 Gebeine aus dem damaligen Deutsch-Südwestafrika nachweisbar. Von weiteren finden sich lediglich noch Spuren in den Verzeichnissen. Als Aufsammler, Einsender bzw. Überbringer von menschlichen Gebeinen aus Deutsch-Südwestafrika in den Berliner Sammlungen traten gleichermaßen Offiziere der Kaiserlichen Schutztruppe (Konradin von Perbandt, Philalethes Kuhn, Otto Eggers, Richard Volkmann), Kolonialbeamte (Berengar von Zastrow, Ralph Zürn), Stabs-, Regierungs- und Veterinärärzte (Albert Schöpwinkel, Anton Lübbert, Franz Goldammer, Karl Borchmann, Hugo Bofinger, Hugo Zöllner, Joseph Seibert) sowie Direktoren von Bergwerksunternehmen (Heinrich Lotz, Paul Heimann) in Erscheinung. Ebenso beteiligten sich deutsche, österreichische und Schweizer (Forschungs-)Reisende (Waldemar Belck, Hans Schinz, Ludwig Sander, Franz Seiner, Eduard Moritz, Leonhard Schultze(-Jena), Hermann von Wissmann) an dem Schädeltransfer nach Berlin. Mit Arthur von Gwinner findet sich
24 Staatliche Museen Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Ethnologisches Museum Berlin, Archiv (SMB-PK, EM), IB 39, Bd. 2, E 1708/1906, Luschan an Oberlehrer Quantz, 13.10.1906; vgl. Kunst & Creutz, Geschichte, 91–92. 25 American Museum of Natural History New York (AMNH), Anthropological Department, Archives, Luschan Collection, folder 1 of 2: American Museum of Natural History, Accession Record 25102, 5. & 14.5.1924. 26 AMNH, Division of Anthropology, Archives, Online Finding Aid, Luschan papers. 27 AMNH, Division of Anthropology, Von Luschan Collection.
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auch ein Direktor der Deutschen Bank und honoriger Mäzen naturkundlicher Sammlungen unter den Einlieferern von menschlichen Schädeln.
Methoden der historischen Recherche Die Geschichtswissenschaft in Deutschland versteht sich methodisch in erster Linie als eine quellenkritische Textwissenschaft.28 Die Herausforderung für die hier anstehende Provenienzrecherche bestand darin, die vorliegenden menschlichen Überreste als „biohistorische Quellen“,29 d. h. gewissermaßen wie historische Dokumente quellenkritisch zu „lesen“, zu interpretieren und historisch zu kontextualisieren. Daher ging es seitens der historischen Recherche zunächst darum, die in sammlungseigenen bzw. objektnahen Dokumentationen überlieferten schriftlichen Informationen aufzunehmen und sie mit den Objekten beiliegenden Angaben in Form von Aufschriften auf den Schädeln, auf anhängenden Etiketten und beigegebenen Notizen in einen Bezug zu setzen. Hieraus ergaben sich teils Angaben zum Geschlecht, zu Herkunftsethnien, Aufsammlern, Überbringern und Bearbeitern, Jahreszahlen und Orten bzw. Regionen sowie in seltenen Fällen zu dem Namen der Person, von der die Überreste stammen. All diese Daten sind in jeweils unterschiedlicher Kombination und Dichte überliefert. Als Problem erwies sich, dass die Sammlungsdokumentation der „S-Sammlung“ im Zweiten Weltkrieg fast vollständig verloren ging und die der Anatomischen Sammlung nur lückenhaft erhalten ist. Ein weiteres Problem war, dass oft ungeklärt blieb, von wem und aus welcher Zeit die verschiedenen Informationen stammen. Anschließend wurden zeitgenössische Berichte und Erinnerungen von Aufsammlern in der Kolonialpublizistik sowie Publikationen von wissenschaftlichen Bearbeitern ausgewertet. Diese enthalten verschiedentlich weitere Angaben zur ethnischen Herkunft mancher Gebeine, zu Aufsammlern und Einlieferern, Herkunftsregionen und Erwerbsumständen. Vor allem an den namentlich identifizierten Aufsammlern und Bearbeitern orientierten sich sodann die Recherchen in deutschen und namibischen Archiven. Die hier überlieferten Dokumente enthalten vornehmlich die Perspektive der Aufsammler und ihres Umfeldes. Die Sicht der Betroffenen tritt in diesen Quellentexten nur selten und indirekt zutage. Liest man die Quellen jedoch mit einem Blick für die verborgenen Stimmen, stößt man auf teils recht eindeutige Stellungnahmen. So reagierte beispielsweise das Reichskolonialamt in Berlin 1908 auf ein Gesuch, die Leichen von mehreren San zum Transfer aus Windhoek an das Berliner Völkerkundemuseum
28 Sommer & Krüger, Biohistorische Anthropologie, 8. 29 Sommer & Krüger, Biohistorische Anthropologie, 7.
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freizugeben, mit der Befürchtung, „daß unter den Eingeborenen ein Sturm der Entrüstung ausbrechen würde, wenn man derartige Leichen exhumieren und fortschaffen würde“.30 Die historischen Informationen wurden schließlich in einen Bezug gesetzt zu den anthropologisch erhobenen Individualdaten wie dem Geschlecht, dem Sterbealter und bei postkranialen Skelettteilen der Körpergröße. Weiterhin lassen sich an den menschlichen Überresten nicht selten Spuren von Ernährungsgewohnheiten und kulturellen Praxen (z. B. Zahnmanipulationen) sowie von Pathologien und Verletzungen feststellen, die manchmal wiederum näherungsweise Rückschlüsse auf Lebensgewohnheiten und Todesumstände des Individuums erlauben.31 Bohrungen für Beprobungen, Schliffe und Schnitte an den Knochen sind schließlich Belege für wissenschaftliche Untersuchungen an den Sammlungspräparaten, die ebenso zur Biographie der anthropologischen Objekte gehören.
Eine exemplarische Objektbiographie Die in der „S-Sammlung“ vorgefundenen beiden Skelette mit den Sammlungsnummern S 1322 und S 1323 erfuhren typische Transformationen und Bedeutungsverschiebungen. Ihre Aneignungs- und Sammlungsgeschichte enthält eine Reihe von prägnanten Momenten für Objektbiographien aus den hier untersuchten Beständen. In diesem Fall standen als Ausgangsinformationen in dieser Form typische Beschriftungen auf den Schädeln zur Verfügung: „Naidaus Buschmann// Omatjenne/Outjo// D[eutsch] Süd-West-Afrika// Kaiserl[iches] Gouv[ernement]// 1908“. Die Angabe „Naidaus Buschmann“ verweist auf eine ethnische Zuordnung der Gebeine zu Angehörigen einer San-Gruppe aus der Umgebung von Naidaus, einem Ort unweit der als „Rote Linie“ bekannten Siedlungs- und Veterinärgrenze im Norden der Kolonie.32 „Omatjenne“ bezeichnet eine zwischen Outjo und Otjiwarongo gelegene Farm. Ungewöhnlich war, dass als Einlieferer nicht eine konkrete Person, sondern mit dem Kaiserlichen Gouvernement in Deutsch-Südwestafrika eine Institution vermerkt wurde. Im Zuge der Recherchen wurde deutlich, dass Omatjenne und die beiden Skelette mit einem Gerichtsprozess vor dem Obergericht in Windhoek zusammenhängen. Tatsächlich fand sich im Nationalarchiv in Windhoek eine Akte über einen entsprechenden Gerichtsprozess33, über den zudem in der zeitgenössischen südwestafrikanischen
30 NAN, Zentralbuerau (ZBU), J.XII.E.2, Bl. 48: Friedrich Lindequist (Reichskolonialamt) an Felix von Luschan, 1.6.1908. 31 Teßmann & Jungklaus, Wert, 291, 301–304. 32 Miescher, Rote Linie, 35. 33 NAN, Obergericht Windhuk (OGW), H28/07, Strafprozess-Sache gegen den Farmer Paul Wiehager.
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Siedlerpresse ausführlich berichtet wurde.34 Anhand dieser Quellen war es möglich, die vorangegangenen Ereignisse zu rekonstruieren. Demnach übernahm der deutsche Farmer Paul Wiehager im Juni 1905 im Alter von 23 Jahren die Farm Omatjenne im Bezirk Outjo. Die Region nördlich des Waterbergs galt auch nach dem Ende der Kämpfe mit den Herero als unsicher. Versuche der deutschen Administration und der Siedler, über die mobilen Bevölkerungsgruppen vor allem der San eine Kontrolle zu erlangen und sie in das koloniale System zu integrieren, führten zu Spannungen und Zwischenfällen, die seitens der Deutschen mit Begriffen wie „Buschmann-Plage“ oder „BuschmannProblem“ zusammengefasst wurden.35 Daher übertrug das Bezirksamt von Outjo an Wiehager „die Polizeigewalt über die Eingeborenen“, wodurch diesem „die Verhängung leichterer Züchtigungsmittel“ erlaubt wurde.36 Wiehager fühlte sich nach der Übernahme der Farm „mehrfach von Eingeborenen, namentlich von Buschleuten, in seinem Besitz gestört und beunruhigt», denen er Viehdiebstähle und Grasbrände anlastete. Am 8. November 1905 unternahm er mit seinem Diener („Bambusen“) Fritz „eine Streife durch das Omatjenner Gebiet und fing dabei 2 Buschmänner ein“. Von diesen erschoss Wiehager einen sofort und führte den zweiten zur Farm, um ihn dort „über den Sitz der Buschmannwerft“ zu befragen. Nach der Befragung gab Wiehager einem seiner Angestellten, dem Maurer Hannemann, den Auftrag, „auch diesen Buschmann zu beseitigen“. Hannemann erledigte diesen Auftrag, indem er am folgenden Morgen den Mann abseits der Farm „in das Feld“ führte und ihn dort erschoss. Am folgenden Tag, dem 9. November 1905, unternahm Wiehager mit seinem „Bambusen“ und den beiden Polizei-Reitern Göbel und Schubert, die „als Farmschutz“ nach Omatjenne abkommandiert waren, eine weitere „Streife“, „um die ausgekundschaftete Buschmannswerft aufzuheben und sie angeblich in Omatjenne anzusiedeln“. An der vier Reitstunden entfernten Werft37 trafen sie einige Frauen und vier Männer an. Nach einem angeblichen Fluchtversuch, den das Gericht für unwahrscheinlich hielt, erschoss Wiehager einen der Männer selbst und verwundete zwei weitere. Einem der Verwundeten gab Schubert in Wiehagers Auftrag „den Rest“. Der andere Verwundete konnte wie der vierte Mann entkommen.
Mord und Anderes. – Ein besonderer Dank an Werner Hillebrecht, dem Leiter des NAN, für die Übermittlung der Akte. 34 Südwestafrikanische Zeitung (Swakopmund) und Windhuker Nachrichten (Windhoek). 35 Dieckmann, Hai||om, 9. 36 Soweit nicht anders vermerkt, das folgende nach: NAN, OGW, H28/07: Kaiserliches Obergericht zu Windhuk: Urteil(e) gegen den Farmer Paul Wiehager, 11./12.5.1907. 37 Der Begriff „Werft“ bezeichnete im Norddeutschen und Niederländischen des 18. Jahrhunderts einen „Platz, wo man sich geschäftig hin und her bewegt“ (Pfeifer, Werft). In der Sprache der Kolonialsiedler in Deutsch-Südwestafrika um 1900 wurden damit größere wie kleinste, dauerhafte wie temporäre Ansiedlungen der indigenen Bevölkerung bezeichnet (vgl. Dove, Werften).
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Die Vorgänge des 8. und 9. November, denen vier San-Männer zum Opfer fielen, schilderte Wiehager unumwunden und detailliert in einem „Privat-Brief “ vom 10. November 1905 an den stellvertretenden Bezirksamtmann von Outjo, Hauptmann von Wangenheim, als „kleine[s] Buschmann-Treiben“. Wangenheim leitete daraufhin Untersuchungen ein, in deren Verlauf Wiehager versuchte, seinen Brief zurück zu erlangen. Die Ermittlungen gegen Wiehager kamen allerdings erst ein Jahr später, als es zu weiteren Morden gekommen war, in Gang. Die beiden Damara-Frauen Uikabis (auch: Nikabis) und Nabnas (auch: Nabuis, Namans), „eine ältere Frau und deren Kind“, lebten als Farmarbeiterinnen auf Omatjenne. Sie waren um den 23. bis 25. Oktober 1906 von der Farm „entlaufen“, aber zurückgebracht worden. Um „den Eingeborenen das Entlaufen ein für alle mal zu verleiden“, wies Wiehager an, „die Weiber hinter dem Kraal bis zum Abend fest anzubinden und aufzupassen, daß sie nichts zu essen und zu trinken bekämen“. Am nächsten Morgen „sei die Jüngere bereits tot gewesen, die ältere habe noch etwas Leben gehabt“. Wiehager habe „befohlen, das Weib an den Baum hochzuziehen und aufzuhängen“. Die Zeugin Kunkudama war mit ihrer Tochter Khon’gas hiernach nach Outjo geflüchtet und berichtete dort über die Vorgänge in Omatjenne, woraufhin der Bezirksamtssekretär Belzeck eine Untersuchung in Gang setzte. Deren Ergebnisse gingen in die Begründung des letztinstanzlichen Gerichtsurteils ein: Bei der Besichtigung der ersten Fundstelle in den Klippen durch den Oberarzt Dr. Schroeder und [den Bezirksamtssekretär] Belzeck am 30. Oktober 1906 sind zwei Schädel und zwei unvollkommene Skelette gefunden worden. Die Knochen waren noch fettig und zeigten eine rötliche Färbung. Die Bandmesser [gemeint sind wohl: Bänder, H.S.] der Wirbelsäule, des Beckens und der Gelenke waren aufgefasert und an den Knochen noch Reste von Muskelansätzen erhalten. Ein Stein neben der einen Leiche war mit Leichenfett getränkt. An der Stelle herrschte ein intensiver Leichengeruch, der auch noch bei der Besichtigung durch den Bezirksrichter Blumhagen am 5.11.06 vorhanden war. Aus all diesen Anzeigen hat der Oberarzt Dr. Schroeder geschlossen, dass der Tod bei den Verstorbenen vor etwa 5–6 Tagen eingetreten sein müsse. Dieser Auffassung haben sich die Sachverständigen Dr. Jakobs und Dr. Nägele auf Grund ihrer Untersuchung der Leichenteile im Dezember 1906 angeschlossen oder ihr wenigstens nicht widersprochen. Die Leichenteile stammen nach dem Gutachten der Sachverständigen von 2 weiblichen Angehörigen der Bergdamararasse, einer älteren Frau und einem Kinde. Spuren einer gewaltsamen Einwirkung haben die beiden Gutachten an den Leichteilen nicht mehr feststellen können. Nur haben bei dem Skelett der älteren Frau die rechtsseitigen Gelenkflächen zwischen 1. und 2. Halswirbel eine intensive Rötung gezeigt, die möglicherweise die Folge einer starken Zerrung oder Verrenkung des oberen Teils der Halswirbelsäule bei Lebzeiten der Frau sein kann. Ferner habe der größere Teil des ersten Halswirbels gefehlt, was durch einen Bruch, aber auch durch Abbeißen von Raubtieren verursacht sein kann. Aus diesen Befunden und Gutachten folgt mit Sicherheit, dass die Leichenteile nicht von Weibern stammen, die früher vor dem Bezug der Farm durch den Angeklagten von Eingeborenen verscharrt und später von Raubtieren wieder ausgegraben
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sind, sondern von einer Frau und einem kleinen Mädchen, die an der Fundstelle ziemlich genau zu derselben Zeit gestorben sind, wo die angebundenen Weiber nach Angabe des Angeklagten verschwunden sein sollen.
Bei der Untersuchung auf Omatjenne stießen die Sachverständigen noch auf ein weiteres Opfer von Wiehager. Die Herero-Frau Sarotte (auch: Charlotte, Sarotti) war seit dem Bezug der Farm von Wiehager als Kälberhirtin beschäftigt worden. Als ihr im März 1906 einige Kälber verloren gingen, entlief sie „aus Furcht vor harter Strafe“. Nachdem sie durch andere Farmarbeiter zurückgebracht wurde, ließ Wiehager ihr mit Ochsenriemen „die Hände auf den Rücken binden und sie durch seinen Bambusen Fritz in die Klippen hinter der Farm führen. Dort streckte er sie mit einem Schuß in den Rücken nieder“. Schroeder und Belzeck fanden am 30. Oktober 1906 die Reste ihrer Leiche: einen Schädel, Knochenteile und einige Kleiderreste. Die Knochen waren gebleicht und teilweise von Raubtieren zerbissen. In der Schädelhöhle fand sich ein Rest eingetrockneter, jedoch noch stark fettiger Gehirnmasse. Am linken Felsenbein war noch ein fettiger Glanz wahrzunehmen. Die Austrittsstelle des 7ten Hirnnerven war mit einer eingetrockneten Masse verstopft. In den beiden Augenhöhlen fand sich eingetrocknete Muskelmasse in dünner Schicht.
Weiter wurde festgestellt, dass der vorgefundene Schädel von einem Menschen her[rührt], der etwa im März/April 1906 gestorben ist. Nach der Formation des Schädels kann derselbe von einer erwachsenen Hererofrau herrühren. Anfänglich haben die Sachverständigen allerdings angenommen, daß der Schädel wegen seiner ungewöhnlichen Größenmaße von einem Mann herrühren müsse, spätere Messungen von Schädeln verstorbener Hererofrauen durch den Stabsarzt Dr. Nägele haben aber gleich große Maße wie bei dem gefundenen Schädel ergeben und deshalb die Sachverständigen zu der Annahme gebracht, daß auch der vorgefundene Schädel sehr wohl von einer Hererofrau stammen könne.
Interessant ist, dass hier die Kraniometrie als gerichtsmedizinische Methode fungierte, um ein Tötungsdelikt zu rekonstruieren. Die Morde an den vier San-Männern, einer Herero Frau und den beiden DamaraFrauen waren neben einer versuchten Beamtenbestechung Gegenstand dreier Gerichtsprozesse gegen Wiehager. In der Historiographie zur südwestafrikanischen Kolonialgeschichte diente der Fall Wiehager mehrfach als Beispiel für die Gewaltexzesse deutscher Siedler gegen die indigene Bevölkerung.38 Der Fall Wiehager war in seiner Brutalität
38 Engel, Kolonialismus und Nationalismus, 133; Bley, Kolonialherrschaft, 298; 372–373, Anm. 338; Gordon & Douglas, Bushman Myth, 52–53; Gordon, Making of the „Bushmen“.
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kein Einzelfall, aber offenbar der einzige, dessen Spur bis in eine anthropologische Sammlung in Deutschland führte. Das Gerichtsverfahren zog sich über drei Instanzen mit zwischenzeitlichen Teil-Freisprüchen von Dezember 1906 bis Mai 1907 hin und endete mit der Verurteilung Wiehagers zu einer Gesamtstrafe von neun Jahren Gefängnis. Nach sechs Jahren Haft im Gefängnis Herford (Westfalen) inklusive ausgedehnter Hafturlaube wurde er von Kaiser Wilhelm II. 1913 begnadigt.39 Die auf Omatjenne gefundenen Leichen der ermordeten Damara-Frauen gelangten als corpus delicti an das Obergericht Windhoek. Hier wurden die Leichen offenbar für die gerichtliche Untersuchung mazeriert und vorläufig konservatorisch präpariert. Wahrscheinlich in diesem Zusammenhang wurden die Gebeine der Damara-Frauen zu „Buschmann-Skeletten“ umdeklariert. Nach dem Abschluss des Prozesses wurden die beiden Skelette zu umkämpften Objekten. Ansprüche erhoben sowohl die Regierungsschule in Windhoek als auch das sich im Aufbau befindliche Landesmuseum in Windhoek. Erhalten hatte sie aber schließlich Felix von Luschan in Berlin. Luschan war von Heinrich Lotz, ehemals Regierungsgeologe in Deutsch-Südwestafrika und selbst eifriger Sammler von Geologica, Ethnologica und menschlichen Schädeln, darauf aufmerksam gemacht worden, dass im Kaiserlichen Bezirksgericht in Windhoek „5 oder 7 Buschmannleichen in Spiritus liegen, die aus Omatjenne bei Outjo stammen und beim jetzt erledigten Prozeß Wiehager gebraucht wurden“.40 Bedenken gegen einen Transfer nach Berlin erhob allerdings das Reichskolonialamt in Berlin. Friedrich von Lindequist, Unterstaatssekretär im Reichskolonialamt in Berlin und kurz zuvor noch selbst Gouverneur in Deutsch-Südwestafrika, meinte: „Die Vorstellung der Eingeborenen über das Wesen der Leichen sei eine außerordentlich empfindliche und man müsse dieser Vorstellung Beachtung schenken, wenn man nicht unliebsame Weiterungen verursachen wollte“.41 Der Gouverneur in Windhuk wurde angewiesen, Luschans Anliegen nur zu entsprechen, wenn „eine Wegführung der Gebeine ohne alle politischen Nachwirkungen auf die Eingeborenen sein würde“.42 Hier wie in weiteren Fällen wird deutlich, dass die Bedenken gegen den Schädel-Transfer in der Kolonialverwaltung in der Metropole meist ausgeprägter waren als in der Administration vor Ort selbst. Bald darauf bedankte sich Luschan für die Übersendung von zwei Schädeln und einigen unvollständigen Skeletten jener in Omatjenne bei Outjo zu Tode gekommenen „Buschmänner“.43
39 Bundesarchiv (BArch) Berlin, R 1001–4852, 215: Wilhelm II., Begnadigung für die Reststrafe, 28.5.1913. 40 SMB-PK, EM, I. B. Afrika, Bd. 44, E 1054/08: Lotz an Luschan, 5.4.1908. 41 NAN, ZBU, J.XII.E.2, 48: Lindequist an Luschan, 1.6.1908. 42 NAN, ZBU, J.XII.E.2, 47: Reichskolonialamt an Gouvernement in Windhuk, 1.6.1908. 43 BArch Berlin, R 151, F J.XII.E.2, 52: Luschan an den Kaiserlichen Gouverneur in Windhuk, 5.1.1909.
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Die beiden Schädel S 1322 und S 1323 wurden Anfang der 1920er Jahre von dem Anthropologen Hans Weinert (1887–1967) als Schädel von „Buschmännern“ in vergleichende anatomische Untersuchungen von Stirnhöhlen und wahrscheinlich auch in eine weitere anthropologische Vergleichsstudie an Schädeln einbezogen.44 Weinerts Habilitation 1926 in Berlin lag u. a. seine Stirnhöhlen-Studie zugrunde. Ab 1927 war er am Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem als Kustos der „S-Sammlung“ tätig; im „Dritten Reich“ wirkte er als rassenhygienischer Gutachter. Unklar bleibt, ob die Durchtrennung des linken Oberarmknochens der Frau (S 1322) und seine offensichtliche Beprobung ebenfalls durch Weinert oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte. Im Zuge der historischen Provenienzuntersuchungen wurden im vorliegenden Fall die überlieferte ethnische Zugehörigkeit korrigiert sowie Todesumstände und individuelle Namen rekonstruiert. Durch die biologisch-anthropologischen Untersuchungen wurden das Geschlecht und das Sterbealter (30–50 und ca. 12 Jahre) ermittelt. Damit konnte diesen durch die koloniale Wissenschaftspraxis anonymisierten menschlichen Überresten zumindest ein Minimum an Individualität zurückgegeben werden. Im März 2014 wurden beide Skelette zusammen mit 19 weiteren Gebeinen in Berlin an eine namibische Delegation übergeben. Ein während der Übergabezeremonie aufgenommenes Foto, das die beiden Gebeine in einer offenen Box liegend zeigt, illustrierte im Mai 2015 einen Bericht der namibischen Boulevardzeitung Namibian Sun über das Vorhaben, den Genozid an Herero und Nama im Militärhistorischen Museum Dresden darzustellen.45 Die Frage, inwieweit die Gebeine der Damara-Frauen als Zeugen für den Völkermord an Herero und Nama taugen, war für diesen Pressebericht offenbar nachrangig. Es zeigt sich aber exemplarisch, dass die einstigen anthropologischen Sammlungspräparate nunmehr vollends zu Ikonen in einer politischen Debatte um die namibisch-deutsche Kolonialgeschichte transformiert wurden.
Tücken der Interdisziplinarität „Tatsache ist, dass biologisch arbeitende Anthropologen und Historiker kaum kooperieren“.46 Dieses Diktum hängt wohl nicht zuletzt mit den sehr verschiedenen Perspektiven, Prämissen und Herangehensweisen der beiden Disziplinen zusammen, die sich auch in der Projektarbeit aufgetan haben. So interessiert sich die biologische Anthropologie in erster Linie für biologische und medizinische Spezifikationen an den vorgefundenen menschlichen Überresten. Bevorzugte Kooperationspartner von biolo44 Weinert, Stirnhöhlen, 336; Weinert, Interorbitalbreite, 481. 45 Muraranganda, German museum. 46 Sommer & Krüger, Biohistorische Anthropologie, 11.
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gischen Anthropologen waren in der jüngeren Vergangenheit vor allem Archäologen und Mediziner. Umgekehrt präferieren Historiker ihrerseits Kooperationen mit Vertretern benachbarter geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen. Zumindest in der biologisch-anthropologischen Praxis wird mancherorts einem Wissenschaftsideal angehangen, nach dem das Wissen innerhalb der Disziplin gewissermaßen linear zunimmt. Einmal naturwissenschaftlich erhobene Daten seien „objektiv“, würden idealerweise in ein quasi fortwährend gültiges Wissen münden und in entsprechenden Kategorien und Terminologien ihren Ausdruck finden. Der Dissens mit der Auffassung des Historikers, dass die Produktion von jeglichem Wissen grundsätzlich an historische Voraussetzungen und Bedingungen geknüpft und damit relativ ist, war offensichtlich und zugleich kaum auflösbar. In der Projektpraxis kam dieser (hier stark vereinfacht wiedergegebene) Dissens z. B. dann zum Tragen, wenn es darum ging, die Ergebnisse der historischen Recherche zur ethnischen Herkunft einzelner Schädel mit den diesbezüglichen anthropologischen Untersuchungen abzugleichen. Für derartige Erhebungen werden in der Anthropologie standardmäßig anthropologische Datenbanken wie Fordisc oder CranID herangezogen. Der Zweck dieser weltweit erhobenen und von Forensikern wie von Anthropologen genutzten und beständig weiter gefütterten Datenbanken ist, anhand von kraniometrisch-morphologischen Messdaten individuelle Schädel mit statistischen Wahrscheinlichkeiten näherungsweise einer regionalen bzw. ethnischen Herkunft zuzuordnen. Fordisc basiert u. a. auf der Grundlage einer von dem Harvard-Anthropologen William W. Howells (1908–2005) erstellten kraniologischen Datenbank mit weltweit an archäologischen und rezenten menschlichen Überresten erhobenen Messdaten. Diese enthält für das subsaharische Afrika allerdings nur vier Referenzethnien („Teita, Kenya“, „Dogon, Mali“, „South Africa: Zulu“ und „South Africa: Bushman [San]“)47 – eine doch etwas unterkomplexe Widerspiegelung der afrikanischen Realität, die die bereits stark vereinfachenden Diskurse der Kolonisatoren um 1900 leichtfüßig in den Schatten stellt. Zum anderen wurden und werden die damaligen ethnischen Zuordnungen aus den Sammlungen unhinterfragt als Referenzdaten übernommen und damit die ethnisierenden und rassifizierenden kolonialen Wissensordnungen unbekümmert prolongiert. Zum dritten aber, und darin bestand der größte Dissens, beruht das Verfahren von Fordisc grundsätzlich auf der Biologisierung von sozialen Identitäten, d. h. auf der Annahme, dass sich die Zugehörigkeit von Individuen zu sozialen Gruppen, wie sie beispielsweise ethnische Gemeinschaften darstellen, anhand kraniologischmorphologischer Messdaten erfassen ließe. Einer derartigen Verbindung von Biologie und individueller Identität hingen bereits die meisten Ausprägungen der physischen Anthropologie in Europa und den USA um 1900 und ihre Adepten in den kolonialen
47 Howells, Skull shapes, 92–94, 113–114.
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Schädelsammlungen an.48 Die Fortführung dieser Grundannahme in der gegenwärtigen biologisch-anthropologischen Praxis verweist darauf, dass aus einer innerhalb der Disziplin in Ansätzen geführten kritischen Auseinandersetzung mit den Methoden und Paradigmen der biologischen Anthropologie im 20. Jahrhundert bislang so gut wie keine praktischen Konsequenzen gezogen wurden.49 Gleichwohl, die multidisziplinäre Zusammenführung von geistes- und naturwissenschaftlichen Expertisen ist für Provenienzuntersuchungen an anthropologischen Sammlungsobjekten unabdingbar und wird dies weiterhin sein. Das Charité Human Remains Project war insofern ein Projekt mit Modellcharakter. Die mit anthropologischer Expertise erhobenen Individualdaten wurden mit konkret-historischen Aneignungskontexten verbunden und so eine größtmögliche Gewissheit über die Herkunft der Gebeine erlangt. Am Ende lagen Provenienzanalysen zu 56 namibischen und 47 australischen Gebeinen sowie zu einem tasmanischen und einem paraguayischen Schädel vor.
Ausblick Mittlerweile sind weitere menschliche Überreste aus Namibia in deutschen Universitäts- und Museumssammlungen sowie in Privatbesitz „wiederentdeckt“ worden. Provenienzuntersuchungen zu Objekten in Sammlungen in Greifswald, Witzenhausen und Jena sind bereits abgeschlossen. Aus Bremen und Tübingen wurde die grundsätzliche Bereitschaft zur Rückgabe von Gebeinen nach Namibia signalisiert. Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die 2011 die Luschan’sche „S-Sammlung“ sowie die „Rasseschädelsammlung“ der Anatomie übernahm und in deren Depot die „RV-Sammlung“ aufbewahrt wird, teilte im Juli 2015 mit, „Schädel und Gebeine aus früheren deutschen Kolonien zurückzugeben, sollte sich herausstellen, dass sie unrechtmäßig nach Deutschland verbracht wurden“.50 Mit dieser Ankündigung vollzog die Stiftung Preußischer Kulturbesitz in der Frage der Restitution von menschlichen Überresten aus ihren Sammlungen einen grundlegenden sammlungs- und museumspolitischen Schwenk, und es bleibt abzuwarten, inwieweit die Neupositionierung der Stiftung auch der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte den Impuls zu geben vermag, die kolonialen Aneignungskontexte der „RV-Sammlung“ im Detail transparent zu machen. Entsprechende Erwartungen steigen, seit der deutsche Bundestagspräsident Norbert Lammert und das Auswärtige Amt für die Bundesregierung im Juli 2015 erstmals den Genozid in Deutsch-Südwestafrika 1904–1908 als solchen an48 Hoßfeld, Geschichte, 183–205; Mogilner, Homo Imperii. 49 Hoßfeld, Geschichte, 365–373. 50 Habermalz, Streit.
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Holger Stoecker | Human Remains als historische Quellen zur namibisch-deutschen Geschichte
erkannten51 – eine politisch radikale Wende sowie ein erinnerungsgeschichtlich längst überfälliger Schritt mit abschätzbar erheblichen Auswirkungen, nicht zuletzt auf den Umgang mit musealen Sammlungen aus der Kolonialzeit. So fällt insgesamt die Prognose nicht schwer, dass der politische Prozess der Restitution von Sammlungsobjekten an die Herkunftsgemeinschaften fortgeführt werden wird. Für die hierzu erforderlichen Provenienzforschungen insbesondere zu menschlichen Überresten ist nach dem Abschluss des Berliner Charité Human Remains Project ein geeigneter institutioneller Rahmen, etwa in Gestalt eines zentralen Kompetenzzentrums mit gebündelten Expertisen aus verschiedenen Forschungsfeldern, jedoch erst noch zu etablieren.
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