Noch bevor das erste Wort zu hören ist, erklingt ein anschwellender Ton,
der unmittelbar die Stimmung eines Stummfilms erzeugt. Düster,
geheimnisvoll und so emotional, wie eine Geschichte daherkommen muss, wenn ihr, wie im filmischen Frühstadium, die Worte fehlen. Hier allerdings liegt ein umfangreiches Opus zugrunde. Planetenfeuer" ist der einzige Roman des Nationalökonomen Max Haushofer, der 1899 bei Cotta erschienen ist. Haushofer, 1840 in München geboren, war an der dortigen Technischen Hochschuler Professor für Nationalökonomie und Statistik; zu seinen begeisterten Studenten zählte auch Thomas Mann. Ein Mann von vielen Talenten, nicht nur Ökonom, sondern auch Denker und Autor utopistischer Entwürfe, von denen jedoch nur Planetenfeuer" zur Ausführung gekommen ist.
Literarisch beeinflusst war er zweifellos von Zeitgenossen wie etwa Musil, der ja von Haus aus ebenfalls Naturwissenschaftler war. Eine der vier Hauptfiguren wird folgendermaßen beschrieben: ein schmächtiges Figürchen mit einem ausdrucksvollen Gesicht. Ethel Tank besaß zudem etwas, das ihr einen eigenartigen Nimbus verlieh: sie war Eigentümerin eines aus Nordamerika nach Europa gewanderten Kolonialvermögens, das ihr den Platz der höchstbesteuerten Frau in Deutschland sicherte. Sie benahm sich auf diesem Platz zwar mit der Sicherheit der Weltdame, aber auch mit einem gewissen Anflug von Traurigkeit und Müdigkeit." Auch die anderen drei Hauptfiguren bewegen sich in dieser Geschichte schleppend, ein wenig wie Zombies. Was Wunder: Haushofers Roman ist eine frühe Science-Fiction-Geschichte und hätte das Zeug zum Klassiker", klebte nicht ein gewisser Regionalismus an ihr. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts geschrieben, ist der Roman, der in München spielt, hundert Jahre später, 1999 situiert , ein utopischer Roman also. Bewusst im letzten Jahr vor der Jahrtausendwende angesiedelt, beschwört er Fantasmagorien herauf, die uns heute keineswegs fremd sind: Das Pantoskop" ermöglicht akustische und visuelle Kommunikation auch dort, wo sie nicht gewünscht ist. Pandemien werden geschildert als Heimsuchungen, die tückisch versteckt beginnen, dann aber global Menschen zu Millionen hinweg- raffen. Die Bedrohung der Erde durch klimatische Veränderungen, vor allem aber durch eine Planetenkatastrophe wird heraufbeschworen. Der Tod begann zu mähen". Die vier jungen Hauptpersonen ziehen indes scheinbar unbeirrt durch München, bis eine der beiden jungen Frauen auf schreckliche Weise endet. Damit endet der Roman. Haushofer entlässt seine Figuren ebenso wie den Leser ins schöngefärbte Ungewisse: die uralten Türme der Frauenkirche … flammten im Purpurlicht der Abendsonne, und durch die laue Herbstluft kam's hergeweht wie ein Geistergruß."
Die Begegnung mit einem vergessenen Stoff und seinem Autor wird von dem Bearbeiter Martin Otter zwar akkurat in Szene gesetzt, doch fehlt der auratische Kick", den solche Stoffe eigentlich brauchen, um sich Fans zu verschaffen. Ästhetisch wird er vor allem durch die imaginativen musikalischen Versatzstücke von Christoph Nikolaus belebt. Kurz vor einer Radiodokumentation und der wenig später ausgestrahlten Hörspiel-Lesung erschien der Roman, vom Bearbeiter herausgegeben, in einem Münchener Verlag. Dass Martin Otter von der Werbung kommt, lässt sich unschwer erkennen.
12.12.10 - Angela di Ciriaco-Sussdorff/fk