B) DRESDEN zwischen LICHT und SCHATTEN Inhaltsverzeichnis
1. Motivierung ................................................................................................. 23 2. Verzauberung Dresdens im Märchen : “ Der Goldene Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit ” von E.T.A Hoffmann............................. 24 2.1. Grundmotiv der Untersuchung : Die Stadt zwischen Phantasie und Wirklichkeit , Mythos und Realität. ........................................................................................... 24 3. Kriegswirklichkeit aus Dresden im Tagebuch : “DresdnerTagebücher von Victor Klemperer. ................................................................................ 28 3.1. Grundmotiv der Untersuchung : Zerstörung der Stadt ; Überleben im Feuersturm. ................................ .28 4. Untergang und Erhebung der Stadt zum “Symbol Dresden” im Anti – Kriegs Roman : “ Schlachthof fünf oder Der Kinderkreuzzug ” von Kurt Vonnegut. .................................................................................... 31 4.1. Grundmotiv der Untersuchung : Absurdität des Krieges; Ausruf gegen die Vernichtung des Menschen. ..................................... 31 Addendum: “Kinderkreuzzug” von Bertolt Brecht .....................................................34 5. Schlussfolgerung ...................................................................................... 35
1. Motivierung Im Rahmen des gemeinsamen Projektes “Große Deutsche Städte auf der Landkarte der Weltliterartur” habe ich als Thema meines Projektsegmentes, die städtische Welt und ihr Lebensgefühl, unter dem Einfluss verschiedener Faktoren, wie Frieden und Krieg gewählt. Meine Auswahl der Stadt Dresden hängt direkt von ihrer weltberühmten geschichtlichen und kulturellen Rolle ab. Weil sich mit Dresdens Schicksal sowohl Licht als auch Schattenseiten verbinden, möchte ich in meiner Arbeit in Vordergrund stellen wie Schriftsteller diese erleben. Die romantische Erzählung “Der Goldene Topf “ von E.T.A Hoffmann öffnet mir die Möglichkeit zur Analyse der Stadt während des 19 Jahrhunderts und des damit verbundenen Lebensgefühls – die Verzauberung der Stadt. Schattenseiten wiederfinden sich in den Werken von Viktor Klemperer dessen Tagebücher eine detaillierte Kriegswirklichkeit darstellen. Auch Kurt Vonnegut beschreibt in seinem Roman “Schlachthof fünf oder der Kinderkreuzzug“ die selbsterlebte Brutalität des Krieges. Der Untergang Dresdens spielt eine so gewaltige Rolle, dass dieses Werk als wichtigster Antikriegsroman betrachtet wird - die Stadt erhebt sich zum Symbol.
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2. Verzauberung Dresdens im Märchen : “ Der Goldene Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit ” von E.T.A. Hoffmann. 2.1 Grundmotiv der Untersuchung : Die Stadt zwischen Phantasie und Wirklichkeit , Mythos und Realität. Die Reisen, die der romantische Dichter und Künstler Ernst Theodor Amadeus Hoffmann1 rund 1813 unternahm, führten ihn nach Dresden, wo er die Arbeit an dem romantischen Werk “Der Goldene Topf – Ein Märchen aus der neuen Zeit” beginnt. Anhand der Geschichte des Studenten Anselmus, die Hauptgestalt des Märchens, bearbeitet der Autor Themen wie: der Ausbruch aus der bürgerlichen Gesellschaft, das Zusammentreffen von Wirklichkeit und Phantasie, und die Verzauberung der Stadt. Die ersten Eindrücke, die in der Stadt auf das unvorbereitete menschliche Bewusstsein treffen, ritzen sich wie auf einer Gravurplatte ein. Hoffmann läßt Anselmus seine Bedeutungslosigkeit gegenüber der Gesamtheit der Stadt bereits bei der Ankunft spüren. Obwohl zu Beginn Anselmus nicht von den anderen Bürgern Dresdens zu unterscheiden ist, hat er den Mut die Stadt als überfordernd wahrzunehmen und indessen seine eigene Geringfügigkeit zu akzeptieren. Künstlerisch begabt, er ist ein Virtuoso der Peosie, erlebt der Student die Schwierigkeiten eines wahren Künstlers, der zwischen Traum und Wirklichkeit, also zwischen zwei sich entgegensetzenden Sphären, unterscheiden muss. Hiermit gelingt es Hoffmann seine eigenen Anpassungsprobleme als auch seine Eindrücke gegenüber des städtischen Lebens genau zu schildern. Wegen der Komplexität der Stadt, ist diese nicht mehr mit rationalen Mitteln begreifbar, der Verlust der Realität findet hier am spürbarsten statt und somit ermöglicht sie den Aufbau anderer Wirklichkeiten. Durch den Einfluss des Mythischen in die reale Welt lassen sich diese nicht mehr klar von einander abgrenzen so, dass zwischen Traum und Wirklichkeit ein unbemerkbarer Übergang stattfindet. Die Traumwelt hat dadurch die gleiche Zusammensetzung wie die Wirklichkeit und eine Unterscheidung ist nicht mehr möglich, was zu der Überschneidung der beiden Welten, real und phantastisch führt. Im vorliegenden Märchen geschieht dieser Übergang an 24
spezifische Orte, die genau bennant sind und als Schnittpunkte dieser zwei Welten dienen. So ist das “Schwarze Tor “2 der Einweihungsplatz, der Initiator des Ausbruchs aus der bürgerlichen Gesellschaft. Hier beginnt die Handlung und findet die Prophezeiung der Hexe, Liese Rauerin, statt. Demzufolge hat dieser Ort einen symbolischen Wert, genau so wie der Palast des Archivarius Lindhorst der zum Schauplatz des Wunderbaren innerhalb der realen Welt wird. Hier, durch die Abgeschiedenheit und die zauberhafte Atmosphäre, findet Anselmus den geeigneten Platz für sein Streben nach der Phantasie und auch für das Studium der Poesie. Ein weiterer Ort, der als Schnittpunkt der zwei entgegengesetzten Ebenen dient ist Lindhorsts Garten, der den Laboratorien der frühen Naturwissenschaftlern ähnelt, jedoch von phantastischen Gestalten bewohnt wird. Hier beschreibt Hoffmann die Lichtstrahlen im Garten als ein Bild des Kristalls. Die Verwendung des glasklaren Kristalls vereinigt die Eigenschaften des Hellen, Klaren und Leuchtenden – charakteristisch für die Welt der Transzendenz, aber auch die Kälte, das Schneidende und Scharfe welche man auf dem Weg aus der Wirklichkeit überschreiten muss. Auch Anselmus erlebt die Zwiespaltigkeit des Kristalls3. Im Garten bewundert er dessen Klarheit und ist inspiriert, als er aber aufgrund seiner verlorenen Phantasie eine Schrift des Archivarius beschmutzt, wird er in einer Kristallflasche eingesperrt. Diese symbolisiert den Stumpfsinn des bürgerlichen Alltags und hilft dem Studenten seinen Sinn für die Welt des Wunderbaren wieder zu gewinnen. Als Handlungsort in der realen Welt wählte der Dichter Dresden, das kulturelle Zentrum und die aufblühendste Stadt der damaligen Zeit. Die Stadt Dresden in ihrer “paradiesischen” Schönheit steht als Beweis, dass hier die alltägliche Realität mehr zu bieten hat als nur die öde Langeweile des Bürgerlebens: sie befähigt die “Präsenz des Wunderbaren im Gewöhnlichen, des Unendlichen im Endlichen”. Die reale Welt kennzeichnet sich durch die Endlichkeit von Raum und Zeit so dass präzise Angaben der Orte nur innerhalb der bürgerlichen Wirklichkeit auftreten. Bezüge zur Wirklichkeit, die gemäß der Auffassung der Künstlerfigur 25
begrenzt ist werden durch geträue Ortsangaben wie zum Beispiel: Kreuzkirche4, Elbbrücke5, Koselscher Garten und Pirnaer Tor6 hergestellt. Jedoch, in Hoffmanns Märchen verschmilzt die Dresdner Realität mit dem Mythos, die Orte der realen Welt lassen sich nicht ganz von dem Reich des Wunderbaren trennen und somit wird das Mythische die Realität. Obwohl Anselmus dies bezüglich, mittels Serpentina und Lindhorst, als auch wegen seines Strebens nach Erfahrung bewusst ist, können die wirklichkeitsgebundenen Bürger sehr mühevoll und nur mit äußeren Mitteln die Welt der Phantasie wahrnehmen. Die Wohnung Paulmanns wird beispielsweise zur Einflußsphäre des Mythischen während der Punschgesellschaft, bei der nur durch die betäubende Wirkung des Alkohols die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verwischt werden. Entlang des Werkes schafft Hoffmann ein Doppelbild der Stadt : das eine sichtbar in der mythischen Welt welches das Streben nach Vollkommenheit erhofft, das andere kalt, distant, die Stadt ist von strengen Regeln, die das Individuum beschränken, begrenzt. Die Künstler können sich in der materiel – bedingten Welt der Stadt nicht zu ihrem höchsten schöpferischen Status entwickeln, so dass sie sich ihre eigene Welt bilden, wo sie frei wirken können. Im Goldenen Topf ist diese Welt das zauberhafte Reich Atlantis, wohin Anselmus letztendlich ankommt. Demnach sind die abrupte Wechsel zwischen Phantasie und Wirklichkeit, die der Protagonist entlang der Handlung erlebt seine Versuche sich einen Platz in der Welt zu finden. Er befindet sich auf einer Wanderschaft von Dresden nach Atlantis. Obwohl er in Dresden nicht die Prämise für sein Schaffen entdeckt, bietet die Stadt ihm die Möglichkeit auf seine Einweihungsreise abzufahern. Hiermit dient die Künstlerfigur für die Entstehung der poetischen Sichtbarwerdung der Stadt, als auch ihrer mythischen Qualität, was letztendlich auch das unreife Bürgertum unwillkürlich betrifft. Die Stadt ist ein Zentrum des Wissens und der Entfaltung, sie hilft den Uneingeweihten, wie Anselmus’ Freunde sich zurechtzufinden, sie bietet dem Menschen die Möglichkeiten nach einer höheren Daseinsform zu streben. Das optimistische Ende der Nebengeschichte Heerbrands, Mitglied der elitistischen 26
bürgerlichen Gesellschaft und Freund des Anselmus, deutet darauf hin, dass die Welt des Kleinbürgertums sich nach Fortschritt sehnt und, dass die Umwelt, in diesem Falle Dresden, die menschlichen Erwartungen und Ideale prägt. Der Konflikt zwischen dem Reich der Phantasie und der bürgerlichen Welt kulminiert mit der Überzeugung, dass die Wirklichkeit mit dem Phantastischen übereinstimmen kann und in den selbem Moment des Daseins verschiedene Wirklichkeiten aufzudeuten sind. Somit leuchtet die Stadt auf und überschreitet in die Transzendenz; sie wirkt verzaubert.
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3. Kriegswirklichkeit aus Dresden im Tagebuch : “DresdnerTagebücher“ von Victor Klemperer7. 3.1 Grundmotiv der Untersuchung : Zerstörung der Stadt ; Überleben im Feuersturm. “Ich will Zeugniss ablegen bis zum letzten” – diese war Victor Klemperers Absicht als er sich entschlossen hat die Periode des Dritten Reiches in Dresden zu beschreiben. Die Dresdner Tagebücher sind unvergleichliche Zeitdokumente die “ beobachten, notieren, studieren” – was eigentlich Klemperers Ziel und Forderung während der ganzen Kriegszeit gewesen ist. Somit wird er zum Chronist des Schicksals einer Nation aber auch einer Stadt; Dresden. Klemperers Tagebuchaufzeichnungen gehören zu den detailliertesten, plastischsten und eindrücklichsten Beschreibungen des alltäglichen Lebens im Dritten Reich. Das wirklichkeitsgetreue Bild der Stadt ist aller anderen zeitgenössischen Quellen überlegen. Die Subjektivität der Aufzeichnungen, die jeder Überprüfung stand halten, und Klemperers persönliche und beurteilende Haltung gegenüber den Aspekten eines Erlebnisses unterscheiden dieses Werk von sterilen Betrachtungen des Hauptstroms der Geschichtsschreibung. Auf diese Weise wird das Tagebuch zum Brückenkopf, von dem aus die Zeitgeschichte an den Handlungsorten mühelos erforscht werden kann. Sogar ein Kleinkind, das Klemperer unmittelbar vor der Bombardierung Dresdens stolz seinen Teddybären zeigt, kann mit allen Lebensdaten bis heute lokalisiert werden. „...als eine Frau mit einem niedlichen, gutgehaltenen Mädelchen von vielleicht vier Jahren kam.[...] Inzwischen drängte sich das Kind an mich, reichte mir seinen Teddybär und erklärte strahlend vergnügt: Mein Teddy, mein Teddy, sieh mal!” Diesbezüglich ist Klemperers Bericht von der erduldeten Zerstörung Dresdens sowohl empatisch und betroffen als auch analytisch und strukturiert, was beim Leser ein Gefühl der Authentizität und des Miterlebens wäckt. Nachdem Dresden in den ersten Jahren des Zweiten Weltkrieges kaum etwas von den Schrecken der Frontlinien oder der Luftangriffen verspürt hatte, änderte sich dieser Zustand mit den Rückschlägen die die Wehrmacht nach der Invasion der Allierten unaufhaltsam erlitt. In der Stadt vermehrten sich die Lager zwangsverschleppter 28
Arbeitskräfte verschiedener Nationalitäten, mehr und mehr Schulen wurden in Hilflazarette umgewandelt. Anfang 1945 füllte sich Dresden mit Evakuirten und Flüchtlingen, die alle Säle, selbst größere freie Plätze in der Innenstadt belegeten. Im Hauptbahnhof8 lagerten versprengte Soldaten. In dieser Situation trafen in der Nacht vom 13 zum 14 Februar 1945 drei brutale anglo – amerikanische Luftangriffe die dichtbesiedelte Innenstadt und entfachten einen bisher nie dagewesenen Feuersturm. „Zeitgefühl war mir verlorengegangen. Draußen war es taghell. Am Pirnaischen Platz, in der Marschallstraße und irgendwo an oder über der Elbe brannte es lichterloh. Ein furchtbarer Sturmwind blies. Natürlich oder Flammensturm? Wohl beides.” Gefangen inmitten dieser Vernichtung und dem umgebenden Chaos ist sich Klemperer nur eines einziegen bewusst, er muss überleben: „Ein schwerer Einschlag. Ich drückte mich kniend an die Wand in der Nähe der Hoftür. [….] Schwere Einschläge. Wieder sprang das Fenster an der Wand gegenüber auf, wieder Taghelle, wieder wurde gespritzt. Dann ein Schlag am Fenster neben mir, etwas schlug heftig und glutheiß an meine rechte Gesichtsseite.” Von seinen Instinkten geführt „ Ich dachte nichts, ich hatte nicht einmal Angst, es war bloß eine ungeheure Spannung in mir, ich glaube, ich erwartete das Ende”, befindete sich der ausgebildete Professor in der Unmöglichkeit intelligent zu reagieren “Sie handelte und beobachtete, ich folgte meinem Instinkt, anderen Leuten und sah gar nichts.” 75.000 Wohnungen, Krankenhäuser, Schulen und nahezu alle bedeutenden Kulturdenkmäler wurden durch die Bomben zerstört, einige davon wie die Frauenkirche9, Opernhaus10, barocke Bürgerbauten so schwer, dass ihr Wiederaufbau unmöglich schien. „Ich stand dann oben, im Sturmwind und Funkenregen. Rechts und links flammten Gebäude, das Belvedere11 und – wahrscheinlich - die Kunstakademie12.[ …] Im weiteren Umkreis nichts als Brände. Diesseits der Elbe besonders hervorragend als Fackel der hohe Aufbau am Pirnaischen Platz, jenseits der Elbe weißglühend, taghell das Dach des Finanzministeriums.” Diese Nacht ergab sich für Klemperer als eine Gelegenheit den bisherigen Einschränkungen zu entkommen, fürs erste Mal seit viereinhalb Jahren steht er 29
auf offener Straße, frei sich durch die Stadt zu bewegen als ein Bürger. Seine Gedanken richten sich noch immer nur an das Überleben: “Das Brennen ging immer weiter. Rechts und links war mir der Weg wie zuvor gesperrt – ich dachte immer: Jetzt noch zu verunglücken wäre jämmerlich.“ Der Angriff war gegen die ganze Bevölkerung der Stadt gerichtet und machte keine Unterschiede zwischen Rasse, Religion oder politische Auffassung. Alle in Dresden standen machtlos dem Bombenangriff gegenüber:“ Vor der Mauer stand wie gewöhnlich ein Stahlhelmposten. Ich fragte im Vorbeigehen, ob Alarm sei. >Ja.Du lieber Himmel es ist der reinste Kinderkreuzzug
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Report "GROßE DEUTSCHE STÄDTE AUF DER LANDKARTE DER WELTLITERATUR - BERLIN, DRESDEN, MÜNCHEN - Teil III Dresden zwischen Licht und Schatten "