Grenzziehungen und Grenzverschiebungen im Sowjetstaat von 1918/22 bis 1936 am Beispiel des Südkaukasus

June 8, 2017 | Author: S. Rindlisbacher | Category: South Caucasus
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Grenzziehungen und Grenzverschiebungen im Sowjetstaat von 1918/22 bis 1936
am Beispiel des Südkaukasus

In diesem Arbeitspapier geht es darum, den aktuellen Stand meiner
Arbeit zur Frage zu skizzieren, wie in der Sowjetunion die Grenzen zwischen
den einzelnen Unionsrepubliken gezogen worden sind. In einem ersten Teil
gebe ich einen Überblick auf die Formung des Unionsstaates ab 1922. Dann
werde ich kurz die Grenzziehungsprozesse im Südwesten (im Fall der Ukraine)
sowie Zentralasien vorstellen, um dann im Hauptteil auf das Problem
einzugehen, wie sich dieser Prozess im transkaukasischen Bereich gestaltet
hat.


Die Formung des Unionsstaates ab 1922

Als die Sowjetunion am 30. Dezember 1922 aus der Taufe gehoben wurde,
war noch nicht klar welche Unionsglieder ihr angehören und wie diese
voneinander abgegrenzt werden sollen. Anfang der 1920er Jahre war ausserdem
innerhalb der Führung der Bolschewiki höchst umstritten, wie sich der
Sowjetstaat weiterentwickeln sollte. Sollten sie am Ziel der Weltrevolution
festhalten oder versuchen, einen sozialistischen Staat in dem Raum
aufzubauen, den sie mittels der Roten Armee kontrollierten? Anfängliche
territoriale Unterteilungen wurden rasch auf dem Reissbrett entworfen und
hatten oft nur ephemeren Charakter, wie etwa die Gründung der Litauisch-
Weissrussischen Sowjetrepublik (LitBel) 1919 oder die Bergrepublik im
Nordkaukasus 1921 bis 1924.
Die Grenzziehungen und Grenzregulierungen stellten das Resultat eines
komplexen Aushandlungsprozesses zwischen Zentrum und Peripherie dar,
welcher zum Ziel hatte, die Herrschaft der Bolschewiki insbesondere in den
Grenzregionen zu stabilisieren. Denn die wenigen bisherigen Untersuchungen
zu dieser Frage, die sich auf Archivunterlagen der Partei- und
Staatsführung stützen, lassen den Schluss zu, dass es sich nicht um ein
Willkürakt der Parteiführung gehandelt hat, um die einzelnen
Bevölkerungsteile gegeneinander auszuspielen.[1] Bis Mitte der 1920er Jahre
setzte sich die Stalinsche Interpretation von Nation als kulturelle und
sprachliche Gemeinschaft, die über ein bestimmtes Territorium verfügt[2]
gegenüber austromarxistischen Ansätzen sowie rein wirtschaftlichen
Überlegungen zur territorialen Gliederung des Sowjetstaates in der Führung
durch. Sie bekam dadurch eine grundlegende Bedeutung für die künftige Form
des Staates.[3] Die sowjetische Nationalitätenpolitik war allerdings kein
Selbstzweck. Denn, indem die nationalisierten Eliten gewonnen werden
sollten, hoffte die Kommunistische Partei, auch die Grenzregionen für ihr
politisches Ziel mobilisieren zu können. Nur über die lokalen Eliten und
die lokale Sprache bestand damit für die Zentralmacht die Chance, ihre
Herrschaft entfalten und diese Gesellschaften durchdringen zu können. Vor
dem Hintergrund dieser Herausforderungen verkündeten die Bolschewiki ab
1923 explizit die Politik der korenizacija (Verwurzelung bzw.
Indigenisierung der Sowjetmacht).[4] Damit hoffte das Regime, mögliche
nationale Konfliktherde zu entschärfen und gleichzeitig national
konnotierte Interessen als innen- und aussenpolitische Ressourcen"
aktivieren zu können.[5]
In den 1920er und bis Mitte der 1930er Jahre entstand eine abgestufte
Hierarchie von national definierten Einheiten. Zwischen der Gründung der
Union und der Verfassungsrevision von 1936 bildete sich in den Grundzügen
jene territoriale Organisation heraus, die sich bis 1991 halten sollte.
Zuerst kamen die Unionsrepubliken, danach folgten die autonomen Republiken,
die autonomen Gebiete (oblastʼ), die autonomen Bezirke (okrug), die
nationalen Distrikte (rajon) sowie schliesslich die nationalen Dorfsowjets
und Kolchosen.[6] In den Unionsrepubliken, die an der Spitze der föderalen
Hierarchie standen, wurde mit der Unterstützung der Kommunistischen Partei
eine Elite geschaffen, die sich national definierte. Ferner verfügten die
Unionsrepubliken jeweils über eine eigene Regierung, eigene Ministerien
sowie über ein eigenes Nationaltheater und über eine eigene Akademie der
Wissenschaften, die sich schwerpunktmässig mit der Nationalgeschichte und
Nationalsprache beschäftigte. Sie hatten ausserdem im Gegensatz zu allen
anderen nationalen Einheiten formal das Recht die Union zu verlassen.[7]
Schriften, die sich mit der Genese und der Entwicklung der
sowjetischen Nationalitätenpolitik auf einer geistesgeschichtlichen Ebene
befassen, füllen bereits ganze Regale.[8] Was Historiker, die sich dagegen
praktischen Umsetzung der Nationalitätenpolitik auseinandergesetzt haben,
bisher noch zu wenig beachtet haben[9] – und was ich gerne in meinem
Projekt untersuchen möchte, ist, wie die (Stalinsche) Deutung davon, dass
jede Nation über ein bestimmtes Territorium verfügen müsse, konkret in die
Praxis umgesetzt wurde. Das heisst, wie wurde der nach dem Bürgerkrieg von
der Roten Armee eroberte Raum in regierbare national konnotierte
Territorien unterteilt? Oder anders gewendet: Wie wurden in Räume wie
Osteuropa", Zentralasien" und Transkaukasien" klar abgegrenzte,
nationale Territorien wie die Ukraine", Usbekistan" oder Armenien"
hineingezeichnet?[10] Hierfür will ich auf der Ebene der Unionsrepubliken,
das heisst der hierarchisch höchsten Ebene, klären, welche Akteursgruppen
(Funktionäre des Moskauer Zentrums, lokale Parteikader und -mitglieder,
lokale Intelligencija, ethnographische und statistische Experten") auf
diesen Grenzziehungs- und Territorialisierungsdiskurs einwirkten, welche
Vorstellung von Nation bzw. territorialer Ordnung sie dabei produzierten
(bzw. reproduzierten). Denn eine Untersuchung, welche die Grenzziehungen
und Grenzregulierungen in allen drei Regionen (Südwesten, der Südkaukasus
und Zentralasien) miteinbezieht, die für die föderale Struktur der Union
konstituierend gewesen sind, steht bis heute aus.[11] Dies sind die
ukrainisch-russischen Grenze im Südwesten, die Grenze zwischen Armenien und
Aserbaidschan in Transkaukasien sowie die kirgisisch-kasachisch-
usbekischen[12] Grenze in Zentralasien. In diesen Regionen finden sich
einerseits Gebiete, die besonders umstritten (gewesen) sind: das
Donezbecken im Südwesten, Berg-Karabach im Kaukasus sowie das Ferghana-Tal
in Zentralasien. Andererseits erwiesen sich einige dieser Grenzziehungen
bis heute als relativ stabil, wie unter anderem die Nordgrenze zwischen der
russländischen und der ukrainischen Unionsrepublik.
Bei der Erforschung von Territorialisierungsprozessen haben unter
anderem die humangeographischen Ansätze von Steffi Marung, Stuart Elden,
Ulrike Jureit, David Delaney oder Anssi Paasi gezeigt, wie durch Schaffung
von eingegrenzten Territorien politische, soziale und wirtschaftliche
Machtbeziehungen eine geographische Form erhielten. Mit anderen Worten, in
der territorialen Ordnung eines Raumes manifestiert sich die staatliche
Deutungsmacht über dessen innere und äussere Organisation.
Territorialisierungen sind somit als Instrument zur Verdinglichung von
Macht zu verstehen. Auch innerstaatliche administrative Grenzlinien
entfalten mit Hilfe der Staatsgewalt eine soziale Verbindlichkeit, etwa
wenn es um die Festlegung von Amtssprachen, Steuersätzen oder um den Zugang
zu Bildungsinstitutionen geht. Dies war auch im föderalen Rahmen der UdSSR
der Fall.[13]



Territorialisierungsprozesse im Südwesten und in Zentralasien

Bisher habe ich die Grenzziehungen im Südwesten und Zentralasien
untersucht. Grob zusammengefasst ging es bei der Schaffung des Territoriums
der Ukraine darum, einerseits möglichst alle als ukrainischsprachig
definierten Gebiete zu einer Sowjetrepublik zusammenzufassen, andererseits
sollte aber die ukrainische Sowjetrepublik nicht allzu mächtig werden, da
sie mit einem zu grossen wirtschaftlichen Potential den Unionsstaat zu
destabilisieren drohte.[14] In den Dörfern, die im Grenzgebiet zwischen der
Ukraine und der RSFSR lagen, waren die nationalen gegenüber lokalen und
religiösen Identitäten schwach ausgeprägt. Vielmehr schienen hier nationale
Zugehörigkeitsgefühle je nach Situation betont oder ignoriert worden zu
sein.[15]
Während im Südwesten der UdSSR nationale Identitäten wenigstens in
Ansätzen ausgeprägt waren, fehlten diese (mit Ausnahme von Teilen der
lokalen Eliten) in Zentralasien fast vollständig. In diesem Raum der von
Nomaden in den Steppen und von halbsesshaften Bauern in den Oasen und
Flusstälern geprägt war, dominierten religiöse und clanspezifische
Identitäten. Vor allem die Stadtbewohner in Zentralasien waren bilingual
und beherrschten sowohl das lokale turksprachige Idiom als auch das
Persische.[16] Hier wurden die nationalen Identitätsangebote (kasachisch,
usbekisch oder tadschikisch) grösstenteils von der Sowjetmacht etabliert
und durchgesetzt. Grundsätzlich plante die Führung hier wie im Südwesten,
durch die Schaffung von nationalen Republiken die Grundlagen für eine
beschleunigte Modernisierung von oben zu legen. Gesellschaften auf
sowjetischem Gebiet, die sich in den Augen der Bolschewiki noch in einer
urkommunistischen oder feudalen Phase befanden, sollten einen
beschleunigten Entwicklungsprozess durchmachen, wobei die Ausbildung einer
nationalen Identität als wesentlicher Faktor betrachtet wurde. Um diesen
Nationalisierungsprozess in Gang zu setzen, mussten bestehende Identitäten,
die nicht in dieses Schema passten, geschwächt werden und, wenn nötig,
nationale Identitäten überhaupt erst geschaffen werden.[17]
Vergleicht man nun die konkrete Ausführung dieser
Nationalitätenpolitik anhand der Grenzziehung zwischen den Republiken im
Südwesten und Zentralasien, so kann man einerseits feststellen, dass dieser
auf der Ebene der mittleren Staats- und Parteikader sowie unter Einbezug
der lokalen Bevölkerung erfolgte. Anderseits wurde in der
Grenzziehungsfrage die Nationalitätenpolitik mit einem grossen Mass an
Pragmatismus und Zugeständnissen an die lokalen Verhältnisse umgesetzt. Das
Moskauer Zentrum griff nur in diesen Prozess ein, sobald bestimmte
Interessen des Gesamtstaates betroffen waren (wenn z. B. etwa einer der
Gliedstaaten zu mächtig" zu werden drohte), andernfalls wurden die
Beschlüsse der jeweiligen Kommissionen bestätigt.[18]




Umkämpfte Grenzziehungen im südlichen Kaukasus


Untersuchungen zu den Territorialisierungsprozessen im
transkaukasischen Bereich (Georgien, Armenien und Aserbaidschan) während
der 1920er und 1930er Jahren fehlen bisher weitgehend (wobei Bergkarabach
die bekannte Ausnahme darstellt). Grundsätzlich sollten aber auch hier vor
allem Kommissionen auf mittlerer Kader-Ebene über die Grenzen zwischen den
einzelnen Republiken entscheiden. Allerdings waren in der Praxis die
Widerstände von unten (d. h. von den Bauern und der lokalen Verwaltung
[Uispolkomy]) viel stärker als im Südwesten oder in Zentralasien, so dass
es lange fraglich schien, ob sich die Staatsgewalt und ihre Vorstellungen
von Territorialisierung vor Ort überhaupt durchsetzen konnte. Jahrelang
mussten hier gefasste Beschlüsse revidiert und Schlichtungskommissionen vor
Ort geschickt werden. Ein Grund, weshalb der transkaukasische Bereich in
der bisherigen Forschung kaum Beachtung gefunden hat, ist, dass da sich die
relevanten Akten nicht in Moskau, sondern im Georgischen Zentralarchiv
(Abteilung für Neueste Geschichte) (folgend (GNA NG) in Tiflis befinden.
Hier lagern die Bestände der Transkaukasischen Sozialistischen Föderativen
Sowjetrepublik (ZSFSR).
Dieser transkaukasische föderale Staatenverbund, der am 12. März
1922[19] gegründet wurde und aus den Teilrepubliken Georgien, Armenien und
Aserbaidschan bestand, war später Gründungsmitglied des Unionsstaates. Die
ZSFSR war neben der RSFSR[20] eine zweite Föderation innerhalb der UdSSR.
Die Moskauer Zentrale übernahm unmittelbar nach 1922 die Kompetenzen in der
Aussen- und Sicherheitspolitik. Die ZSFSR hatte vor allem Kompetenzen auf
dem Gebiet der Wirtschaft (Herausgabe einer eigenen Währung, Koordinierung
von Eisenbahn- sowie Telegrafverbindungen), während die Teilrepubliken über
Kompetenzen im Bereich der Bildung, der Kultur der Justiz sowie (was hier
von besonderer Relevanz ist) in der Landwirtschaft verfügten. Als
verbindende Klammer diente die Kommunistische Partei, der alle relevanten
politischen Akteure anzugehören hatten. Die Hauptstadt der
Transkaukasischen Föderation war Tiflis. Als Amtssprachen dienten
Armenisch, Aserbaidschanisch, Georgisch und Russisch. Russisch stellte
dabei die lingua franca dar und wurde von der föderalen Bürokratie als
innere Amtssprache genutzt. Auf Drängen der Parteieliten in den einzelnen
Republiken wurde die Föderation 1936 im Zuge der Verfassungsreform
aufgelöst. Diese erhofften sich davon zusätzliche Kompetenzen und einen
direkten Draht zur Moskauer Zentrale.[21]
Eine wichtige Aufgabe, die in die Kompetenz der Föderation fiel war
die Regelung von territorialen Fragen zwischen ihren einzelnen
Gliedstaaten. Die betreffenden Akten nehmen ungefähr 10% der
Dokumentenbestände des Zentralen Exekutivkomitees (ZakCIK) ein, das sich
als nominelles Staatspräsidium der ZSFSR mit diesen Gebietsfragen
auseinandersetzen musste. Zwischen 1922 und 1929 wurden zahlreiche
Kommissionen eingesetzt, um diese territorialen Fragen zu klären. Diese
staatlichen Institutionen stiessen häufig an ihre Grenzen, wenn es darum
ging, in abgelegenen Gebieten neue Grenzen festzulegen. Denn besonders
heftig wurden Auseinandersetzungen geführt, wenn die Republikgrenzen
zwischen Dörfern gezogen werden sollten, die bereits miteinander im Streit
lagen. Dies konnte beispielsweise die Rechte auf bestimmte fruchtbare
Felder, Wiesen oder Wälder betreffen. Dazu kamen noch die offenen
Rechnungen" aus dem vorangegangenen Bürgerkrieg, der die Beziehungen
zwischen einzelnen Dorfgemeinschaften schwer belastete.[22]
Die Zentralmacht in Tiflis sah sich in der Folge immer wieder
gezwungen getroffene Entscheidungen zurückzunehmen und Kommissionen vor Ort
zu schicken, die in den lokalen Auseinandersetzungen vermitteln und
schlichten sollten.[23] Dies betraf vor allem auch die Wiesenfrage"
(pastbiščnyj vopros), das heisst die Frage wer bestimmte Sommer- und
Winterweisen nutzen durfte, die wiederum staatlichen Fonds verwalteten, die
in den Kompetenzbereich der jeweiligen Republiken fielen. Erst 1929 konnten
die Grenzen zwischen den einzelnen Gliedern der Föderation fixiert und der
Prozess der Territorialisierung abgeschlossen und die damit verbundenen
Konflikte vorerst beigelegt werden. Am Beispiel der Grenzziehung zwischen
Armenien (SSRA) und Aserbaidschan (ASSR), die besonders umstritten gewesen
ist,[24] will ich den Prozess der Territorialisierung genauer darstellen.
Man könnte nun einwenden, dass es sich um die Festlegung von
administrativen Grenzen innerhalb einer Föderation handelte, die wiederum
selbst Teil einer Union war.[25] Dennoch zeigt bereits die schiere Anzahl
von Eingaben an die staatlichen Institutionen, dass für die Menschen vor
Ort die Festlegung der Grenzen eine besondere Bedeutung gehabt hat. Denn
diese mussten (teilweise zu Recht) befürchten, keine Wiesen mehr für ihr
Vieh pachten zu können, wenn diese nicht in ihrer" Republik lagen. Dies
war besonders bei den zahlreichen aserbaidschanischen Hirten der Fall, die
ihr Vieh regelmässig auf Wiesen Armeniens weiden liessen. Ausserdem
beklagten sich aserbaidschanische (aber auch armenische) Viehtreiber, dass
sie Mühe hatten, in der jeweils anderen Republik veterinärische
Unterstützung zu erhalten.[26]
Hinzu kam, dass im transkaukasischen Bereich anders als im Falle des
Südwestens oder in Zentralasien, die nationalen Identitäten (bedingt durch
die religiöse Zugehörigkeit, die Sprache und die Form der Landwirtschaft)
bereits stark ausgeprägt waren. Zwischen den Armeniern" und den Aseri"
bestand in dieser Hinsicht eine besonders tiefe Kluft (christlich vs.
islamisch; indoeuropäische Sprache vs. Turksprache; sesshafte Bauern vs.
Halbnomaden). Dazu kam noch, dass es bereits vor dem Krieg kaum ethnisch
durchmischte Siedlungen gab[27] und im Laufe des Krieges und Bürgerkrieges
armenische" bzw. aserbaidschanische" Dörfer niedergebrannt wurden und die
Bewohner fliehen mussten. Besitzurkunden fielen oft absichtlich Flammen zum
Opfer. So war Anfang der 1920er Jahre nicht klar welche Wiesen und Wälder
zu welchen Dörfern gehörten. Betrachtet man die Selbst- und
Fremdzuschreibungen in den Akten der ZakCIK, so sticht heraus, dass die
Identitätszuschreibung armenisch fixiert war, auf der anderen Seite wurde
die Kategorie aserbaidschanisch von den Akteuren oft nur im Zusammenhang
mit staatlichen Institutionen verwendet. Die Bezeichnung für die
turksprachge muslimische Bevölkerung schwankte zwischen Muslimen
(musul'mane) (staatliche Akteure und Selbstzuschreibung), Tataren (tatare)
und Türken (turki) (Fremdzuschreibung durch armenische Bauern).[28]
Neben den Grenzziehungen kam ab Mitte der 1920er Jahre ein weiterer
Faktor bei der Verfestigung nationaler Identitätsnarrative hinzu. Denn
trotz der Neuen Ökonomischen Politik setzte sich die Partei ganz bewusst
für die Kollektivierung der Landwirtschaft sowie die Sesshaftmachung der
Viehhirten ein, zunächst mit Propaganda, danach mit immer drastischeren
Mitteln.[29] Als Anreiz wurden etwa die staatlichen Fonds, welche die
Wiesen verwalteten, für die Hirten bewusst immer mehr verknappt und die
freien Flächen bevorzugt an Sow- und Kolchosen verpachtet.[30] Dieser
Prozess wurde jedoch im Namen der nationalen Volkskommissariate für
Landwirtschaft geleitet (bis 1929 bestand kein föderales
Landwirtschaftskommissariat). Sobald jedoch eine andersnationale Republik
Viehhirten die Pacht auf eine Weidefläche entzog, welche diese schon lange
bewirtschafteten, konnte dies von Seiten der Viehtreiber als nationale
Diskriminierung ausgelegt werden.
Nach der Besetzung der Kaukasusrepubliken durch die Rote Armee
1920/21 wurde eine wichtige Frage, die das Verhältnis zwischen Armenien und
Aserbaidschan bis heute vergiften sollte, rasch geklärt: Bergkarabach wurde
schon 1921 auf Entschluss des Politbüros der RKP (b) Aserbaidschan
zugeschlagen. Ausschlaggebend waren dabei wirtschaftliche Gründe, da die
Verkehrsverbindungen zwischen Bergkarabach und Baku wesentlich besser sind
und Bergkarabach von der Republik Armenien durch einen Gebirgszug getrennt
ist.[31] Die Grenzen zwischen Armenien und Aserbaidschan wurden im Vertrag
vom 21. April 1921 nach einzelnen Dörfern definiert. Dabei wurden
mehrheitlich armenisch" besiedelte Gebiete zu Armenien geschlagen und
umgekehrt aserbaidschanisch" besiedelte Gebiete zu Aserbaidschan.[32]
Allerdings existierten zu dieser Zeit keine exakten Karten zu diesen meist
abgelegenen Grenzgebieten. Die Dorfgrenzen waren darüber hinaus nicht exakt
festgelegt und im vorangegangenen Krieg wurden zahlreiche Besitzurkunden
aus der Zarenzeit vernichtet, Dörfer niedergebrannt und verlassen. Zu
Beginn des Jahres 1923 intervenierte die Moskauer Zentrale in Tiflis, da
die getroffenen Grenzziehungen zwischen den Gliedrepubliken der ZSFSR
widersprüchlich seien. Denn gemäss den 1921 geschlossenen Verträgen würden
manche Gebiete zu zwei Republiken gehören, manche aber zu keiner.[33]
Daraus entstanden in den Dörfern, die sich in den Grenzgebieten befanden
grosse Unsicherheiten. Diese offenen Grenzfragen und die damit verbundenen
Konfliktpotentiale werden in der Eingabe des stellvertretenden Leiters der
Landwirtschaftsabteilung des Bezirksexekutivkomitees von Borčalinsk
(Georgien), S. Voščinskij, von Ende 1924 an das transkaukasische Komitee
der Kommunistischen Partei (RKP (b)) besonders deutlich:

Diese Streitigkeiten nehmen mit jedem Tag […] an Schärfe zu,
angesichts dessen, dass zwischen den [einzelnen] Bezirken die Grenzen
[meži] durch so genannte Luftlinien" gezogen worden, das heisst Linien,
die von einem Ort zum anderen nur auf dem Papier verlaufen, ohne dass sie
vor Ort genau festgelegt worden wären. [Dies betrifft] sowohl die Grenzen
als auch die Linien […].
Die Grenzen tragen provisorischen Charakter. Sie hatten damals nur
militärisch-strategische Bedeutung. Vom Standpunkt der Landwirtschaft, des
Landbaus, der Forstwirtschaft sowie der Wirtschaft stellen sie an sich
keinen Wert dar. Im Gegenteil, sie haben die Grenzdörfer bei der
Landnutzung verwirrt, die Administration sowie die Organe des
Landwirtschaftskommissariats in die Irre geführt und haben Ungenauigkeiten
und Missverständnisse bei der Ausbeutung der Wälder und anderen
landwirtschaftlichen Nutzflächen hervorgerufen, die an der Grenze zwischen
den Republiken liegen. Im Allgemeinen waren sie Anlass zu
verschiedenartigen Missverständnissen sowohl zwischen den Vertretern der
Staatsmacht als auch zwischen den Grenzdörfern. […]
Dieser Streit […] kann nur durch die Ernennung einer kompetenten
Kommission ohne Schaden gelöst werden, wo sowohl Vertreter der betroffenen
Republiken und Bezirke [uezdy] als auch Vertreter einer neutralen Regierung
teilnehmen sollen. Diese Kommission soll sich vor Ort mit der Sachlage
vertraut machen und, indem sie die Bedürfnisse beider Republiken achtet, in
der Natur [v nature] solche Grenzen realisiert, die keinen Vorwand mehr für
neue Missverständnisse liefern sollen. […]
[…] die Frage soll so behandelt werden, […] dass sowohl weitere
Auseinandersetzungen zwischen Grenzdörfern vermieden werden als auch
diejenigen Ursachen ökonomischen Charakters beseitigt werden, die ein
feindliches Verhältnis zwischen den Bevölkerungen der beiden Republiken
hervorrufen und die schliesslich den Charakter einer nationalen Feindschaft
annehmen könnten."[34]

Voščinskij traf in seinem Bericht genau den Ton, der innerhalb der
transkaukasischen Führung im Umgang mit der Grenzregelungsproblematik
gepflegt wurde. Die föderalen Instanzen in Tiflis wollten um jeden Preis
vermeiden, dass die Grenzregulierung zu nationalen Konflikten führte. In
Verlautbarungen sowie in der internen Korrespondenz wurde die nationale
Dimension, sofern möglich, ausgeblendet und der Fokus auf die Frage gelegt,
welche Gemeinde welche Felder vor dem Krieg bebaut hat und wie sich die
zwischen den Dörfern bestehenden Konflikte möglichst zur Zufriedenheit
aller lösen liessen. Aus der Perspektive der verantwortlichen
Landvermesser, Experten und föderalen Parteikateure sollten die
wirtschaftlichen Konflikte zwischen den einzelnen Dörfern möglichst nicht
die Dimension eines nationalen Konflikts annehmen.[35] Als Grundsatz für
die Regelung der Konflikte diente die Art der Landnutzung zwischen 1914 und
1916. Das bedeutete, dass die Kommissionen auch Besitzurkunden aus dem
Zarenreich als gültige Dokumente für die Lösung der Grenzstreitigkeiten
betrachteten.[36]
Zur Regelung der Grenzfragen und zur Schlichtung von Konflikten setzte
das ZakCIK jeweils Landkommissionen (zemkomissii) ein. Diese sollten
zunächst klären, welche Gebiete zu welcher Republik geschlagen werden,
anschliessend sollten dann Landvermesser vor Ort die Grenzpunkte in der
Natur" festlegen. Im Idealfall hätte das bedeutet, dass die Landkommission
beschliesst welcher Wald, welche Weide und welcher Flusslauf zu welcher
Gemeinde bzw. zu welcher Republik geschlagen werden soll. Anschliessend
sollten mithilfe von Markpunkten (durch Triangulation) die Grenzen fixiert
und auf Karten übertragen werden.[37]
Sobald bereits beschlossene Grenzziehungen sich als nicht realisierbar
erwiesen, setzte das Zentrale Exekutivkomitee (ZakCIK) weitere Kommissionen
ein, die sich vor Ort begeben sollten, wenn möglich den Streit wieder
schlichten und eine praktikable Lösung finden sollten.[38] Die Dorfbewohner
bzw. die Vertreter der jeweiligen Republiken (zentrale Exekutivkomitees
bzw. regionale Exekutivkomitees [Uispolkomy]) hatten verschiedene
Möglichkeiten sich gegen eine bestimmte Grenzziehung zu wehren. Einerseits
konnten sie Gesuche und Bittschriften an die höheren Instanzen einsenden,
sie konnten aber andererseits auch ihre Unterschrift bei der Fixierung der
Grenzen verweigern oder erst gar nicht zur jeweiligen Sitzung erscheinen.
Diese Formen des Widerstandes lassen sich sowohl auf der Ebene der Dörfer
als bei den Verwaltungsinstitutionen der Republiken beobachten.[39]
Beispielsweise beklagte der Leiter der Landvermesser Ja. Kočetkov im Herbst
1926, dass er von einer aufgebrachten (armenischen) Dorfbevölkerung
angegriffen worden sei, weil diese fürchteten, dass eine Grenzziehung zu
ihren Ungunsten erfolgen würde. Die armenische Sowjetrepublik hätte sich
aber geweigert, Polizeikräfte zum Schutz der Kommission bereit zu
stellen.[40]
Ein weiterer Grund, weshalb sich der Prozess der Grenzziehung so lange
hinzog, war, dass das ZakCIK nur wenige Landvermesser fest einstellte.
Daneben wurden die jeweiligen Bezirke (uezdy) dazu aufgefordert von ihrer
Seite Landvermesser zu stellen. Im Idealfall sollten dann ein Landvermesser
des Zentrums sowie je ein Landvermesser aus dem betreffenden Bezirk an der
Fixierung der Vermessungspunkte mitwirken, was jedoch nicht immer gelang.
So kam er zwischen den Landvermessern aus Armenien und Aserbaidschan immer
wieder zu heftigen Konflikten.[41]
1929 kam dieser Prozess der Aushandlung von Territorialität mit einer
abschliessenden Regelung des ZakCIK grösstenteils zum Erliegen. Ab diesem
Zeitpunkt wurden von den zuständigen Stellen kaum noch Gesuche
entgegengenommen und territoriale Revisionen vorgenommen.[42] Die Grenzen
die über Ödland verliefen oder über Berggrade blieben durch Punkte fixiert,
die dann über imaginäre Luftlinien miteinander verbunden wurden.[43]
Zwischen Armenien und Aserbaidschan blieben diese Grenzen bis zum Krieg
1991 in Kraft. Seither bilden im Norden Minenfelder die Grenze, die sich
ungefähr an der ehemaligen sowjetischen Republikgrenze orientieren.




Vorläufiges Fazit


Besonders das transkaukasische Beispiel zeigt, dass die sowjetischen
Behörden die Frage der Territorialisierung ernst nahmen und umfangreiche
Ressourcen in die Fixierung der Grenzverläufe investierten. In diesem
Prozess nahmen die staatlichen Experten und Parteivertreter die Anliegen
der Menschen vor Ort auf, diskutierten sie und setzten diese entsprechend
um, falls sie diese als berechtigt" erachteten. Die staatlichen Akteure
wollten auch bewusst vermittelnd in den Grenzstreitigkeiten zwischen
einzelnen Dörfern wirken. National konnotierte Konflikte sollten auf keinen
Fall geschürt, sondern wenn möglich entschärft werden. Nationale Argumente
bildeten in dem Diskurs, der diese Territorialisierung begleitete, ein
wesentliches Tabuthema. Dennoch hatte der Grenzziehungsprozess die national
gedeuteten Wir-Gefühle in den Dörfern zwischen Armenien und Aserbaidschan
weiter gestärkt. Begleitet wurde dieser Prozess von verschiedenen Zensus
(1923 und 1926) und den Aufbau nationaler Institutionen und Akademien. Die
lokale Bevölkerung beteiligte sich hier mehr als in Zentralasien und im
Südwesten der UdSSR an dem Grenzziehungsprozess und konnte das staatliche
Deutungsmonopol in dem Territorialisierungsprozess zeitweise effektiv in
Frage stellen. Mit anderen Worten in diesem Territorialisierungsprozess
wurde die Schwäche der staatlichen Institutionen in den Dörfern für alle
sichtbar. Um zu einer tragfähigen Lösung zu kommen, setzten die Akteure des
föderalen Staates aber nicht auf willkürliche Gewaltanwendung,[44] sondern
auf tragfähige Kompromisse mit den lokalen Dorfgemeinschaften.
Nationalismen dienten deshalb im transkaukasischen Bereich nicht so sehr
als Instrument zur Mobilisierung für die Sowjetmacht, sondern stellten für
die Staats- und Parteiakteure vor Ort vielmehr ein notweniges Übel bei der
Etablierung der nachrevolutionären territorialen Ordnung dar.
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[1] Zur veralteten westlichen Teile-und-herrsche-These in Bezug auf die
sowjetische Nationalitätenpolitik: Robert Conquest, The Last Empire, London
1962, S. 28-31; Olaf Caroe, Soviet Empire, The Turks of Central Asia and
Stalinism, London 1967,2 S. 145-149; George Joffé, Nationalities and
Borders in Transcaucasia and the Northern Caucasus, in: John F. R. Wright
et al. (Hg.), Transcaucasian Boundaries, London 1996, S. 15-33; Oliver Roy,
The New Central Asia. Geopolitics and the Birth of Nations, London 2000, S.
68.
[2] Stalin, Marxismus und nationale Frage, Berlin 1946, S. 10. Falls eines
dieser Elemente fehlte, so argumentierte Stalin in seinem gegen die
Austromarxisten und Vertreter des Bundes gerichteten Positionspapier von
1913, höre eine Nation auf, eine Nation zu sein. Damit schloss er unter
anderem die Juden in seiner Definition von Nation aus.
[3] Jeremy Smith hat darauf hingewiesen, dass in die schliesslich von
Stalin vertretene Position auch austromarxistische und
internationalistische Elemente eingeflossen seien: The Bolsheviks and the
National Question, S. 28; Francine Hirsch, Empire of Nations. Ethnographic
Knowledge and the Making of the Soviet Union, Ithaca/London 2005, S. 75-77.
[4] Jörg Baberowski, Der Feind ist überall. Stalinismus im Kaukasus,
München 2003, S. 203-204; Terry Martin, The Affirmative Action Empire.
Nations and Nationalism in the Soviet Union, 1923-1939, Ithaca/London 2001,
S. 75.
[5] Terry Martin hat auf das Piemont-Prinzip" bei der Schaffung der
Sowjetrepubliken hingewiesen. Dabei ging es darum, durch eine möglichst
grosszügige Behandlung einer Nationalität, andere Personen dieser
Nationalität jenseits der Grenze für den Sowjetstaat gewinnen zu können:
Affirmative Action Empire, S. 274-276. Zur Idee der Verwendung nationaler
Interessen als aussenpolitische Ressourcen: Marina Cattaruzza, Das
nationale Problem der Sozialdemokratie und der internationalen
kommunistischen Bewegung (1889-1953), in: Sacha Zala (Hg.), Die Moderne und
ihre Krisen. Studien von Marina Cattaruzza zur europäischen Geschichte des
19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 2012, S. 243-260, hier S. 260.
[6] Terry Martin, The Russification of the RSFSR, in: Cahiers du monde
russe, 39 (1998) 1/2, S. 99-117, hier S. 112. Nationale Distrikte (rajony)
und nationale Dorfsowjets wurden 1937-38 aufgehoben; dazu auch: Allan
Kagedan, Territorial Units as Nationality Policy, in: Henry R. Huttenbach
(Hg.), Soviet Nationality Policies. Ruling Ethnic Groups in the USSR,
London 1990, S. 163-176, hier S. 164-165.
[7] Yuri Slezkine, The USSR as a Communal Apartment, or How a Socialist
State Promoted Ethnic Particularism, in: Slavic Review, 53 (1994) 2, S. 414-
452, hier S. 447
[8] Beispielsweise: Jeremy Smith, Red Nations. The Nationalities Experience
in and after the USSR, Cambrigde 2013; Aleksej Il'i
Mi, Cambrigde 2013; Aleksej Il'ič Miller, Imperija Romanovych i
nacionalizm. Ėsse po metodologii istoričeskogo issledovanija, Moskau 2006;
Ronald Grigor Suny/TerryMartin (Hg.), A State of Nations. Empire and Nation-
Making in the Age of Lenin and Stalin, Oxford 2001; Stephen J. Blank, The
Sorcerer as Apprentice. Stalin as Commissar of Nationalities 1917-1924,
Westport 1994; Gerhard Simon, Nationalismus und Nationalitätenpolitik in
der Sowjetunion. Von der totalitären Diktatur zur nachstalinistischen
Gesellschaft, Baden-Baden 1986; Richard Pipes, The Formation of the Soviet
Union. Communism and Nationalism 1917-1923, Cambridge Ma 1964.2
[9] Als Beispiele seien hier genannt: Robert Kindler, Stalins Nomaden.
Herrschaft und Hunger in Kasachstan, Hamburg: Hamburger Edition 2014;
Daniel Müller, Sowjetische Nationalitätenpolitik in Transkaukasien 1920-
1953, Berlin 2008; Marco Buttino: Revoljucija naoborot. Srenjaja Azija
meždu padeniem carskoj imperii i obrazovaniem SSSR, Moskau 2007; Elena
Jurʼevna Borisenok, Fenomen sovetskoj ukrainizacii. 1920 - 1930-e gody,
Moskau2006; Edgar, Adrienne Lynn: Tribal nation. The Making of Soviet
Turkmenistan, Princeton 2004; Nick Baron, Soviet Karelia. Politics,
Planning and Terror in Stalin's Russia, 1920-1939, New York 2004; Douglas
Northrop, Veiled Empire. Gender & Power in Stalinist Central Asia, Ithaca
2004; Yuri Slezkine, Arctic Mirrors. Russia and the Small Peoples of the
North, Ithaca 1994.
[10] Gemäss Karl Schlögel handelt es sich beim Begriff Raum" um etwas
Vages und Diffuses, während Territorium" etwas klar Abgegrenztes
bezeichnet: Im Raume lesen wir die Zeit. Über Zivilisationsgeschichte und
Geopolitik, München/Wien 2003, S. 393.
[11] Vgl. dazu: Jeronim Perović, Der Nordkaukasus unter russischer
Herrschaft. Geschichte einer Vielvölkerregion zwischen Rebellion und
Anpassung, Köln 2015, S. 344-345 oder Arne Haugen, The Establishment of
National Republics in Soviet Central Asia, New York 2003, S. 209.
[12] Die ethnographisch-nationalen Bezeichnungen werden hier in der heute
geläufigen Form verwendet.
[13] Steffi Marung/Katja Naumann (Hg.), Vergessene Vielfalt.
Territorialität und Internationalisierung in Ostmitteleuropa seit der Mitte
des 19. Jahrhunderts, Göttingen 2014, S. 28-32; Stuart Elden, The Birth of
Territory, Chicago 2013, S. 322-330; Ulrike Jureit, Das Ordnen von Räumen.
Territorium und Lebensraum im 19. und 20. Jahrhundert, Hamburg 2012, S. 12-
19; Matthias Middell/Katja Naumann, Global History and the Spatial Turn.
From the Impact of Area Studies to the Studies of Critical Junctures of
Globalization, in: Journal of Global History, S. 149-179, hier S. 163-166;
David Delaney, Territory. A Short Introduction, Malden 2005, S. 14-16;
Anssi Paasi, Territory, in: John Agnew/Katharyne Mithchell/Gerard Toal
(Hg.), A Companion to Political Geography, Malden 2008, S. 109-122; David
Newman, Boundaries, in: John Agnew/Katharyne Mithchell/Gerard Toal (Hg.), A
Companion to Political Geography, Malden 2008, S. 123-137; Schlögel, Im
Raume lesen wir die Zeit, S. 393; Charles S. Maier, Consigning the
Twentieth Century to History. Alternative Narratives for the Modern Era,
in: The American Historical Review, 105 (2000) 3, S. 807-831, hier S. 808;
Steven R. Ratner, Drawing a Better Line. Uti Possidetis and the Borders of
New States, in: American Journal of International Law, 90 (1996), S. 590-
624, hier S. 602-604; Robert David Sack, Human Territoriality. Its Theory
and History, Cambridge 1986, S. 28-49.
[14] Dazu die Rede des obersten Koordinators der Grenzziehung zwischen der
russischen und ukrainischen Unionsrepublik, Avelʼ Enukidze, am 14. November
1924: Stenogrammy zasedanij Komissii, in: GA RF, f. 6892, op. 1, d. 19, l.
17.
[15] Ob obrazovanii Prezidiuma CIK SSSR, in: GA RF, f. 6892, op. 1, d. 5,
l. 66. Zur situativen Bedingtheit von nationalen Zugehörigkeitsgefühlen:
Rogers Brubaker, Ethnizität ohne Gruppen, Hamburg 2007, S. 19-35.
[16] Dazu: Gero Fedtke, Wie aus Bucharern Usbeken und Tadschiken werden.
Sowjetische Nationalitätenpolitik im Lichte einer persönlichen Rivalität,
in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 54 (2006) 3, S. 214-231;
Ingeborg Baldauf, Some Thoughts on the Making of the Uzbek Nation, in:
Cahiers du monde russe et sovietique, 32 (1991) 1, S. 79-95.
[17] Valerij Aleksandrovič Tiškov, Ethnicity, Nationalism and Conflict in
and after the Soviet Union. The mind aflame, London 1997, S. 30-31; Hirsch,
Empire of Nations, S. 8; Martin, Affirmative Action Empire, S. 15-20.
[18] Dies sind die wichtigsten Ergebnisse aus Arne Haugens Untersuchung zu
Zentralasien, The Establishment of National Republics, S. 235-237.
[19] Am 14. März 1922 wurde der Staatenbund unter dem Namen Föderale Union
der Sozialistischen Sowjetrepubliken Transkaukasiens (FSSSRZ) gegründet und
dann am 13. Dezember 1922 in Transkaukasische Sozialistisch Föderative
Sowjetrepublik (ZSFSR) umbenannt.
[20] Russisch Föderative Sozialistische Sowjetrepublik.
[21] Dazu: Ohannes Geukjian, Ethnicity, Nationalism and Conflict in the
South Caucaus. Nagorno-Karabakh and the Legacy of Soviet Nationalities
Policy, Burlington 2012, S. 87; Perović, Der Nordkaukasus unter russischer
Herrschaft, S. 344-346.
[22] Archiv des georgischen Innenministeriums (Ehemaliges Parteiarchiv,
Filiale des Instituts für Marxismus-Leninismus in Georgien), f. 13, op. 1,
d. 37, ll. 1-2.
[23] ZANG (uaxlesi istoġiis c'entġaluġi aġk'ivi/Zentralarchiv für Neueste
Geschichte, Tiflis), f. 607, op.1, d. 1150, ll.
[24] ZANG, f. 607, op.1, d. 1150, l. 53-56.
[25] Auf die Bedeutung einer innerstaatlichen administrative Grenze für die
Bevölkerung vor Ort (etwa in Bezug auf Infrastruktur und
Karrieremöglichkeiten) hat bereits Steven Ratner hingewiesen: Drawing a
Better Line, S. 604.
[26] ZANG, f. 607, op.1, d. 1150, l. 53.
[27] Dazu die Untersuchung von Daniel Müller, Die Armenier in den Kreisen
Džebaril', Šuša und Dževanšir des Gouvernements Elizavetpol' nach den
amtlichen "Familienlisten" von 1886, in: Fikret Adanir/Bernd Bonwetsch
(Hg.), Osmanismus, Nationalismus und der Kaukasus. Muslime und Christen,
Türken und Armenier im 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2005, S. 65-83,
hier S. 71.
[28] Beispiele: Archiv des georgischen Innenministeriums (Ehemaliges
Parteiarchiv, Filiale des Instituts für Marxismus-Leninismus in Georgien),
f. 13, op. 1, d. 37, ll. 1-2. Zur Herausbildung einer aserbaidschanischen
Zusammengehörigkeitsgefühls im Konflikt mit dem armenischen: Eva-Maria
Auch, Zur Rolle armenisch-tatarischer Konflikte bei der Herausbildung einer
aserbaidschanischen Wir-Gruppen-Identität und gesellschaftlicher
Organisation zu Beginn des 20. Jahrhunderts, in: Fikret Adanir/Bernd
Bonwetsch, Osmanismus, Nationalismus und der Kaukasus. Muslime und
Christen, Türken und Armenier im 19. und 20. Jahrhundert, Wiesbaden 2005,
S. 99-132, hier S. 106-109.
[29] ZANG, f. 607, op.1, d. 71, l. 31.
[30] ZANG, f. 607, op. 1, d. 2801, ll. 6-15.
[31] Geukjian, Ethnicity, Nationalism and Conflict, S. 70-71.
[32] ZANG, f. 607, op.1, d. 71, l. 3.
[33] ZANG, f. 607, op.1, d. 69, l. 91; ZANG, f. 607, op.1, d. 71, ll. 14-15
und 32. Vor 1914 wurden zwar Kraten zu den Gemeindegrenzen untre anderem
von Elisej Kondratenko angefertigt. Diese wurden jedoch nach den Wirren des
Krieges und Bürgerkrieges, als viele Dörfer zerstört, deren Bewohner
vertrieben und die Siedlungen an anderen Plätzen wiederaufgebaut wurden,
hinfällig: Müller, Die Armenier in den Kreisen Džebaril', Šuša und
Dževanšir, S. 65-83, hier S. 69.
[34] Archiv des georgischen Innenministeriums (Ehemaliges Parteiarchiv,
Filiale des Instituts für Marxismus-Leninismus in Georgien), f. 13, op. 3,
d. 42, ll. 27-29.
[35] ZANG, f. 607, op.1, d. 1150, l. 59.
[36] ZANG, f. 607, op.1, d. 81, ll. 1-2.
[37] ZANG, f. 607, op.1, d. 1150, l. 5-7.
[38] ZANG, f. 607, op.1, d. 71, l. 15.
[39] ZANG, f. 607, op.1, d. 1150, l. 54.
[40] ZANG, f. 607, op.1, d. 1150, ll. 20-21.
[41] ZANG, f. 607, op. 2, d. 3735, l. 54-60.
[42] ZANG, f. 607, op.1, d. 2805, ll. 1-8; ZANG, f. 607, op.1, d. 3335.
[43] Beispiele: ZANG, f. 607, op. 1, d. 234, l. 1; ZANG, f. 607, op.1, d.
92, l. 39
[44] Anders als dies z. B. Jörg Baberowski im Fall von Aserbaidschan
festgestellt hat: Der Feind ist überall, S. 418, 436 und 441.


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