Genesis M. (2016) Gehenkt, geköpft und verscharrt, Richtstättenarchäologie auf dem Galgenhügel bei Bad Belzig, Lkr. Potsdam-Mittelmark. In: AiBB 2014, 146-149.
Gehenkt, geköpft und verscharrt Richtstättenarchäologie auf dem Galgenhügel bei Bad Belzig, Lkr. Potsdam-Mittelmark
Abb. 155 Hinrichtungsarten nach der Luzerner Chronik des D. Schilling, 1513
Richtstätten des Mittelalters und der Neuzeit liegen üblicherweise an weithin sichtbaren Orten. So baute man an Wegkreuzungen, vor Stadtmauern, an Gemarkungsgrenzen und auf natürlichen oder künstlich angelegten Anhöhen hölzerne und steinerne Gerüste, die die Blutgerichtsbarkeit der Stadtherren und Territorialfürsten demonstrierten. Die lange Zurschaustellung der gepeinigten Körper auf dem Hochgericht sollte gleichzeitig der Prävention und Abschreckung dienen (Abb. 155). Unter den Hochgerichten verscharrt, legen die Opfer noch heute beredtes Zeugnis ab vom Martyrium ihres Todes. Mit dem im Herbst 2014 bei einer Forschungsgrabung erfassten Galgenhügel in Bad Belzig gelang nun auch erstmals für Brandenburg der Nachweis einer län-
ger genutzten Richtstätte. Die Grabung war angegliedert an die Fachbereiche der Humboldt-Universität zu Berlin sowie der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Jeweils im Winter- und Sommersemester hielt die Verfasserin vorbereitende Seminare zur Strafrechtsgeschichte sowie zur Richtstättenarchäologie. Die Grabung selbst fand vom 1. bis 26. September 2014 auf dem Galgenhügel statt und bildete den praktischen Teil der Lehrveranstaltungen. Der Galgenberg in Bad Belzig wurde für den geplanten „Richtstättenkatalog Brandenburg“, der alle kartografischen, historischen und ausgewählten archäologischen Quellen zu Richtplätzen dokumentieren wird, als Pilotprojekt archäologisch erfasst. Er liegt nordwestlich des Ortes, ca. 1,5 km von der ehemaligen Stadtmauer entfernt, an der L 95, der Lübnitzer Straße. Diese ist zugleich die 1348 erwähnte Strata publica, eine große Handelsstraße, die von Brandenburg nach Magdeburg führte. Alte Karten sowie die historischen forstwirtschaftlichen Angaben verdeutlichen, dass der Hügel (128,3 m über NHN) unbewaldet und für alle Reisenden mit den am Galgen hängenden oder durch das Rad geflochtenen Delinquenten weithin sichtbar war. Die im Vorfeld eruierten schriftlichen Quellen ergaben nur spärliche Hinweise zu Hinrichtungen auf dem Galgenberg. Ab dem 14. Jahrhundert lassen sich Rädern, Enthaupten und das Verscharren von Selbstmördern für die Stadt Belzig belegen. Für 1846 wird die letzte Hinrichtung durch Dekapitation des Mörders August Bräckow auf dem Galgenberg aufgeführt. Die auf eine Kreuzsondage (jeweils 2 × 5 m) und entsprechende Erweiterungen begrenzte Dokumentation ergab schon in diesem relativ eng gehaltenen Rahmen weitreichendere Ergebnisse als die schriftlichen Quellen vermuten ließen. Das gesamte Grabungsareal war bis auf den Brandstreifen von Waldboden bedeckt. Die Aufforstung war gleich nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgt. Im südlichen Teil der
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Hügelkuppe erbrachte das obere Planum Hinweise auf eine vorgeschichtliche Nutzung. Fragmente bronzezeitlicher Urnen sowie Scherben zeitgleicher Gefäße und Leichenbrand bezeugen einen Bestattungsplatz. Im anschließenden nördlichen und west-östlichen Sondagenabschnitt waren die Befunde durch zahlreiche mittelalterliche und neuzeitliche Eingriffe gestört. Als eine erste mit der Richtstätte in Zusammenhang zu bringende Befundgruppe sind sechs große Gruben zu nennen (Durchmesser ca. 1,6 m; Tiefe bis zu 1,7 m), die Spuren ehemaliger Pfosten mit und ohne Keilsteine aufwiesen. Da nur ein Ausschnitt des Galgenberges dokumentiert wurde, ist anzunehmen, dass weitere Gruben im ungestörten Waldareal liegen. Die Abstände der Pfostengruben zueinander ergeben im Vergleich mit historischen Quellen die Deutungsmöglichkeit eines zwei- oder dreischläfrigen Galgens, der mehrfach erneuert wurde. Für einen noch in situ befindlichen Holzpfosten (Abb. 156) ermittelte das DAI dendrochronologisch ein Fälldatum im 17. Jahrhundert. Die schriftlichen Quellen verzeichnen in eben dieser Zeit eine Neuerrichtung des Belziger Galgens in Form einer dreischläfrigen Anlage. Eine zweite Befundgruppe stellen vier kleine Pfostengruben dar, die sich um die großen gruppieren. Hier lassen sich Stützpfeiler annehmen, wie man sie für Radpfosten oder Pfosten zur Ausstellung einzelner Glieder verwendete. Kennzeichnend für eine in Mittelalter und Neuzeit genutzte Richtstätte sind Skelette im Umfeld. Sie können sowohl von Hingerichteten als auch von Selbstmördern, eines „schlechten Todes“ Gestorbenen, Fremden oder Andersgläubigen stammen. War ein Verurteilter vom Leben zum Tode verbracht worden, gab es verschiedene Möglichkeiten des Umgangs mit seinem Körper. In Ausnahmefällen war den Anverwandten eine christliche Bestattung erlaubt oder wurde er der Anatomie übergeben. Häufiger verscharrte man den Leichnam am
Hinrichtungsort selbst oder er verblieb auf den Martergerüsten, bis er verweste oder dem Tierfraß anheimfiel. Entgingen die Delinquenten einer Zurschaustellung, wurden sie an Ort und Stelle unter dem Galgen verlocht. Ihre Grablege weicht stark von der christlichen Tradition ab. Die ausgehobenen Gruben sind eher kurz, unterschiedlich breit und tief und ohne ausgeebnete Grabsohle. Ihre Ausrichtung variiert und ist eher den Bodenbeschaffenheiten angepasst, mangelnde Sorgfalt und minimaler Aufwand sind offensichtlich. Darüber hinaus charakterisieren Mehrfachbestattungen, uneinheitliche Körperlagen sowie Anzeichen von Fesselungen die Grablegen auf Richtstätten. Die anthropologische Untersuchung der Belziger Skelettserie nahm Jeanette Wnuk vor. Der nachfolgende Text basiert auf ihren Ergebnissen. Die Knochenerhaltung der sieben Individuen war sehr schlecht, z. T. zerfiel das Material bereits beim Bergen der Knochen. Auffallend war die Konzentration von Verlochungen nördlich der Pfostengruben, was für eine Erweiterung der Anlage Richtung Süden spricht.
Mittelalter Neuzeit
Abb. 156 Pfostengrube mit erhaltenem Holzpfosten in Bad Belzig
Zu den vier hier beispielhaft zu betrachtenden Grabgruben gehört die Doppelbestattung zweier adulter Männer, die übereinander (Kopf über Fuß) in die Grube kamen. Der untere Mann zeigte Anzeichen einer Fesselung. Mangels scharfer Schnittspuren ist, möglicherweise für beide Individuen, eine Hinrichtung durch den Strang denk-
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Mittelalter Neuzeit
Abb. 157 Knochengrube in Bad Belzig
Abb. 158 Gürtelschnallen aus Bad Belzig, Durchmesser oben 46 mm, unten 44 mm
bar. Außerdem weist die Auffindungssituation auf eine zeitgleiche oder -nahe Hinrichtung hin. Die unmittelbar daneben liegende Grabgrube enthielt ebenfalls einen adulten Mann. Der Tote war auf der linken Körperseite mit leicht angewinkelten Beinen begraben worden, der Kopf im Westen. Der linke Arm lag hinter dem Rücken angewinkelt, beide Hände befanden sich in Höhe der Lendenwirbelsäule. Der rechte Oberarm kreuzte den Brustkorb nach hinten. Das Gesicht war nach unten gewandt, „schaute“ zum Boden. Knochenfragmente beider Hände hinter dem Rücken geben auch hier den Hinweis auf Fesselung. Neben dem Ertränken kommt als Strafe das Erhängen in Betracht. Knochen und Schädel eines weiteren Individuums, eines 40–60-jährigen Mannes, ruhten in einer viereckig bis ovalen Grube mit den Maßen 0,7 × 0,4 m bei einer Tiefe von etwa 0,35 m. Westlich in der Grube befanden sich Knochenfragmente, östlich lag der stark verwitterte Schädel mit Blick nach Westen (Abb. 157). Zwei stark korrodierte Eisenfragmente aus dem Grab ermöglichen leider keine nähere Datierung. Das Skelettmaterial lässt an die typischen Knochengruben einer Richtstätte denken. Einzelne, dem Verfall am Martergerüst preisgegebene Skelettteile wurden in
Gruben zusammen mit dem Schädel verscharrt. Möglicherweise hat man diesen Mann gerädert. Dies ist allerdings nur dann eindeutig zu bejahen, wenn sich zum einen die anthropologischen Nachweise erbringen lassen und zum anderen der historische Ort für eine Räderung feststellbar ist. Die Richtstätte als infamer Raum zum Vollzug der Strafe sowie zur anschließenden Aufstellung des Rades liegt vor, jedoch erlaubt der schlechte Zustand der Knochen keine entsprechende anthropologische Aussage. Zeitgenössische Darstellungen zeigen bisweilen den Kopf des Geräderten auf der Radnabe aufgespießt. Die einzelnen verwesten, herabgefallenen Knochen könnten bereits in die Grube gefegt worden sein, während der Kopf noch einige Zeit ausgestellt war. Dem entgegen steht der noch intakte Unterkiefer am vorliegenden Schädel, der für eine eher kurze Dauer der Ausstellung spricht. Somit kann die Räderung hier nur als eine der möglichen Todesstrafen gelten. Der Tote könnte ebenso ein Galgenopfer oder gevierteilt worden sein. Aber auch dies bleibt letztlich nur eine Vermutung. Zu verifizieren ist einzig der gewaltsame Tod mit Ausstellzeit am Martergerüst. Das Skelett ließ sich nicht näher datieren. Ein sehr junger Mann war das einzige Individuum, das wohl in Kleidung oder mit wertvollerer Ausstattung in die Grabgrube gelangte. Der schlecht erhaltene Körper lag auf der rechten Seite mit dem Gesicht nach Westen und war Nord-Süd ausgerichtet. Der linke Arm war in ausgestreckter Position an die Wand der aufgehenden Grabgrube gelegt. Zwei gut erhaltene runde Bronzeschnallen im Beckenbereich (Abb. 158), könnten zu einem Schwertgurt gehört haben, wie man ihn im 14./15. Jahrhundert trug. Paarweise auftretende Gürtelschnallen sind ebenfalls mit der Befestigung einer Tasche am Gürtel in Verbindung zu bringen. Für sie liegt der Datierungsschwerpunkt im 15. Jahrhundert. Das Gürtelensemble sowie die Lage des Skelettes sprechen dagegen,
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dass der Mann ein Hinrichtungsopfer war. Den einige Zeit am Galgen ausgestellten Delinquenten wurden häufig die Kleidungsstücke entwendet, wenn nicht schon vorher der Scharfrichter sein Recht auf deren Eigentum umgesetzt hatte. Möglicherweise handelt es sich um einen Selbstmörder, der – wie allgemein üblich – ebenfalls auf dem Richtplatz verlocht wurde. Dem mittelalterlich-neuzeitlichen Fundhorizont ließ sich nur relativ wenig Keramik zuordnen: harte Grauware des Spätmittelalters oder der frühen Neuzeit und bunt glasierte Keramik der Neuzeit. Dies entspricht der bekannten Fundsituation auf Richtstätten, wo keramisches Material eher unterrepräsentiert ist. Jedoch ermöglichen es die wenigen Scherben gemeinsam mit den Gürtelschnallen, die früheste Nutzungsphase der Richtstätte in das 15. Jahrhundert zu datieren. Marita Genesis Abbildungen: D. Schilling, Luzerner Chronik 1513. In: Hinckeldey, C., Justiz in alter Zeit (Rothenburg o. d. T. 1989) (155); Autorin Literatur: van Dülmen, R.: Theater des Schreckens. Gerichts praxis und Strafrituale in der frühen Neuzeit (München 1995). Lungershausen, A.: Buntmetallfunde und Handwerksrelikte des Mittelalters und der frühen Neuzeit aus archäologischen Untersuchungen in Braunschweig (Rahden/Westf. 2004).
Frühe Hugenotten am Rand Berlins? Wohnkomfort außerhalb der Stadtmauer in Berlin-Mitte
Von September bis November 2014 fanden zwischen der Kommandanten- und der Beuthstraße in Berlin-Mitte archäologische Untersuchungen statt. Die Fläche liegt außerhalb der barocken Befestigungsanlagen im Südwesten der damaligen Stadt unweit des Gertraudentores am Spittelmarkt. Ab dem Ende des 17. Jahrhunderts standen an der Kommandantenstraße die älteste hugenottische Kirche Berlins sowie das zugehörige Predigerhaus. Rund fünfzig Jahre später errichtete man hier eine Kaserne für das 1. Bataillon des KaiserFranz-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2. Drei große Schnitte, zwischen 15 und 20 m lang sowie 20 m breit, sollten die Evaluierung der knapp 6000 m 2 großen Fläche ermöglichen. Der erste und der dritte Schnitt waren durch moderne Unterkellerungen stark gestört und nur tief im Untergrund wenige Befunde erhalten. Innerhalb des zweiten Schnittes hatte aber die Zufahrt zum Blockinneren gelegen, sodass hier ältere Siedlungsspuren im Untergrund überdauert haben. Die älteste Nutzungsphase, Periode 1, lässt sich anhand dreieckiger Einstichspuren von spätmittelalterlichen Holzspaten identifizieren. Im Osten des Schnittes schien es, als wären dort Hügelbeete angelegt worden. Die Befunde lassen sich als Zeugnisse für den gartenbaulichen Grüngürtel deuten, der die Abfälle der spätmittelalterlichen Stadt aufnahm und im Gegenzug Obst und Gemüse lieferte. Neben den bekannten, kleinteilig zerscherbten Gefäßresten aus dem späten Mittelalter, die wohl zusammen mit Abfall und Stallmist aus der Stadt auf die Felder gelangten, konnten auch großformatigere Scherben mit scharfen Brüchen geborgen werden. Sie dürften aus der näheren Umgebung stammen, weil eine Umlagerung
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