Freud Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens

September 16, 2017 | Author: Shinya Ogasawara | Category: Psychoanalysis
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Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens I

über einen besonderen Typus der Objektwahl beim Manne (1910)

EDITORISCHE VORBEMERKUNG

Deutsche Ausgaben: 1910 Jb . psychoanalyt. psychopath. Forsch., Bd. 2 (2), 389-97. (,Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens< 1.)

1918 S. K . S. N ., Bd. 4, 200-12. (2. Aufl. 1922.) 1924 G. S., Bd. 5, 186-97. 1924 In Beiträge zur Psychologie des Liebeslebens, Leipzig, Wien und Zürich, Internationaler Psychoanalytischer Verlag. (5. 3-14.) 1931 Sexualtheorie und Traumlehre, 69-80. 1943 G. W., Bd. 8, 66-77. Diese und die beiden folgenden Arbeiten, die ursprünglich einzeln im Abstande von einigen Jahren geschrieben und veröffentlicht wurden, sind von Freud in der vierten Folge seiner Sammlung kleiner Schriften zur Neurosen lehre (S.K.S. N.) unter dem oben angegebenen gemeinsamen Titel vereinigt worden. Aus der Freud-Biographie von Ernest Jones (1962 a, Bd. 2, 353) ist zu entnehmen, daß Freud seine Absicht, etwas Derartiges zu schreiben, schon bei einem Treffen der Wien er Psychoanalytischen Vereinigung am 28. November 1906 angekündigt hatte. Die Leitgedanken der vorliegenden Arbeit wurden vor der Vereinigung am 19. Mai 1909 vorgetragen und eine Woche später diskutiert. Niedergeschrieben wurde die Arbeit jedoch erst im Frühsommer des folgenden Jahres.

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Wir haben es bisher den Dichtern überlassen, uns zu schildern, nach welchen »Liebesbedingungen« die Menschen ihre Objektwahl treffen und wie sie die Anforderungen ihrer PhantasieQ:nit der Wirklichkeit) in Einklang bringen. Die Dichter verfügen auch über manche Eigenschaften, welche sie (zur Lösung einer solchen Aufgabe) befähigen, vor allem über die Feinfühligkeit für die Wahrnehmung [verborgener Seelenregungen bei andereriJ und den M_;lt, ihr eigenes Unbewußtes laut werden ~ lassen. Aber der Erkenntniswert ihrer Mitteilungen wird durch einen Umstand herabgesetzt. Die Dichter sind (an die Bedingung) gebunden, ..", intellektuelle und ästhetische Lust sowie bestimmte Gefühlswirkungen ~ erzielen, /und darum können sie den Stoff der Realität nicht unverändert darstellen, sondern müssen Teilstücke desselben isolieren, störende Zusammenhänge auflösen, das Ganze mildern und Fehlendes ersetzen. Es sind dies Vorrechte der sogenannten »poetischen Freiheit«. Auch können sie nur wenig Interesse (für die Herkunft und Entwicklung solcher seelischer Zustände) äußern, die ..,.. sie als fertige beschreiben. Somit wird es doch unvermeidlich, daß die Wissenschaft {nit p'!,u!l}}'eren Händen) und (zu geringerem Lustgewinne) sich (mit denselben ~~te~n) beschäftige, (an cbren dichterischer Bearbeitung) sich die Menschen (seit Tausenden von Jahren)erfreuen. Diese Bemerkungen mögen (zur Rechtfertigung einer streng wissenschaftlichen Bearbeitung auch des menschlichen Liebesleben~dienen. Die Wissenschaft ist eben die vollkommenste Lossagung vom Lustprinzip, die (unserer psychischen Arbeit) möglich . ~'1?;. 1st. ~

Während der psychoanalytischen Behandlungen/hat man reichlich Gelegenheit, sich Eindrücke (aus dem Liebesleben der Neurotikei} zu holen, und kann sich dabei erinnern, daß man ähnliches Verhalten auch (bei durchschnittlich Gesunden) oder selbst (bei hervorragenden Menschen) beobachtet oder erfahren hat. Durch Häufung der Eindrücke infolge zufälliger Gunst des Materials/treten dann einzelne Typen deutlicher hervor. Einen solchen Typus der männlichen Objektwahl will ich hier zuerst beschreiben, weil er sich (durch eine Reihe von »Liebesbedingun187

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gen «) auszeichnet, deren Zusammentreffen nicht verständlich, ja eigentlich befremdend ist, und weil er eine einfache psychoanalytische Aufklärung zuläßt. (1) Die erste [dieser Liebesbedingungen) ist als geradezu spezifisch zu bezeichnen ; sobald man sie vorfindet, darf man (nach dem Vorhandensein der anderen Charaktere dieses Typus) suchen. Man kann sie die Bedingung des »geschädigten Dritten « nennen; ihr Inhalt geht dahin, daß der Betreffende niemals ein W~b zum Liebesobjekt wählt, ~lches noch frei ist, also ein Mädchen oder eine alleinstehende Frau, sondern nur ein solches Weib, auf das ein anderer Mann ~ls Ehegatte, Verlobter, Freund)Eigentumsrechte geltend machen kann. Diese Bedingung zeigt sich(in manchen Fälleti} so unerbittlich, daß dasselbe Weib zuerst übersehen oder selbst v.~~.chmäht werden kann, solange es niemandem angehört, während etIrc5?~rt Gegenstand der Verliebtheit wird, sobald es ( in eine der genannten Beziehungen zu einem anderen Manne)tritt. (2) Die zweite Bedingung ist vielleicht minder konstant, aber nicht weniger auffällig. Der Typus wird erst (durch ihr Zusammentreffen mit der ersten) erfüllt, während die erste auch (für sich allei~ in großer Häufigkeit vorzukommen scheint. Diese zweite Bedingung besagt, daß das keusche und unverdächtige Weib niemals den Reiz ausübt, der es zum ,~~,tt Liebesobjekt erhebt, sondern nur das irgendwie sexuell a,I;tI.j!~Ü~e, an dessen Treue und Verläßlichkeit ein Zweifel gestattet ist. Dieser letztere Charakter mag (in einer bedeutungsvollen Reihe) variieren, von dem leisen Schatten auf d~~ ~vHeiner dem Flirt nicht abgeneigten Ehefrau] bis zur offenkundig potYlamen Lebensführung [einer Kokotte oder Liebeskünstleri~ /aber auf irgend etwas dieser Art wird (von den zu unserem Typus GehörigerV nicht verzichtet. Man mag diese Bedingung (mit etwas Vergröberung)die der »Dirnenliebe« heißen. Wie die erste Bedingung Anlaß ~ur Befriedigung von ~nalen, feindseligen Regungen gegen den Manq) gibt, dem man di s ~~liebte Weib ~ "


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