Fortifikationskunst und Repräsentation an der Stadtmauer von Messene, in: J. Lorentzen – F. Pirson – P. Schneider – U. Wulf-Rheidt (eds.), Aktuelle Forschungen zur Konstruktion, Funktion und Semantik antiker Stadtbefestigungen, Kolloquium Istanbul 2007, Byzas 10 (Istanbul 2010) 57-83

July 24, 2017 | Author: Silke Müth | Category: Greek Archaeology, Greek Architecture, Greek Fortifications, Ancient Architecture and Construction History
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AKTUELLE FORSCHUNGEN ZUR KONSTRUKTION, FUNKTION UND SEMANTIK ANTIKER STADTBEFESTIGUNGEN

(OFFPRINT/AYRIBASIM)

DEUTSCHES ARCHA¨OLOGISCHES INSTITUT ABTEILUNG ISTANBUL

BYZAS 10

Veröffentlichungen des Deutschen Archäologischen Instituts Istanbul

AKTUELLE FORSCHUNGEN ZUR KONSTRUKTION, FUNKTION UND SEMANTIK ANTIKER STADTBEFESTIGUNGEN Kolloquium 9./10. Februar 2007 in Istanbul Eine Veranstaltung des wissenschaftlichen Netzwerkes »Manifestationen von Macht und Hierarchien in Stadtraum und Landschaft« der Abteilung Istanbul des Deutschen Archäologischen Instituts in Zusammenarbeit mit dem Architekturreferat der Zentrale des DAI Herausgegeben von

Janet Lorentzen, Felix Pirson, Peter Schneider und Ulrike Wulf-Rheidt

Gedruckt mit Spendenmitteln der Abteilung Istanbul des DAI

Neue Forschungen zu antiken Stadtbefestigungen im östlichen Mittelmeerraum und im Vorderen Orient Konstruktion – Funktion – Semantik Herausgegeben von

Janet Lorentzen, Felix Pirson, Peter Schneider und Ulrike Wulf-Rheidt BYZAS 10 Veröffentlichungen des Deutschen Archäologischen Instituts Istanbul

© 2010 Ege Yay›nlar› ISBN 978-605-5607-05-0

Umschlaggestaltung

Jörg Denkinger Jennifer Keitz (Aufnahme: Christiane Brasse, Abschnitt der justinianischen Mauer von Antiochia am Orontes)

Redaktion

Celine Wawruschka Alexandra Wirsching Torsten Zimmer

Druck

Mas Matbaacılık A.Ş. Hamidiye Mahallesi Soğuksu Caddesi No: 3 Kağıthane - İstanbul Tel: +90 (212) 294 10 00 [email protected] Produktion und Vertrieb

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Inhalt Vorwort ............................................................................................................................................................................................................................................ VII Die Mauern von Tayma Peter I. Schneider ........................................................................................................................................................................................................ 1 Wie viele Türme braucht eine Stadt? Überlegungen zum Aufwand der hethitischen Befestigungsanlagen in der späten Bronzezeit Jürgen Seeher ............................................................................................................................................................................................................... 27 Stadtbefestigungen als historische Quellen. Ein bauhistorischer Beitrag zur urbanen Entwicklungsgeschichte Akarnaniens Judith Ley . ......................................................................................................................................................................................................................... 45 Fortifikationskunst und Repräsentation an der Stadtmauer von Messene Silke Müth ......................................................................................................................................................................................................................... 57 Bautechnische Beobachtungen am nördlichen und nordwestlichen Mauerabschnitt in Messene Jürgen Giese ................................................................................................................................................................................................................... 85 Monumentale Hoftore in Messene Ute Schwertheim ...................................................................................................................................................................................................... 97 Die Stadtmauern des hellenistischen Pergamon. Erste Ergebnisse der neuen Forschungen Janet Lorentzen ....................................................................................................................................................................................................... 107 Die Stadtmauer von Priene – Zweckbau, Identifikationsobjekt oder Symbol für Macht? Uli Ruppe . ...................................................................................................................................................................................................................... 141 Pednelissos, Sillyon, Adada: »Römische« Stadtmauern und kilikische Piraten Eric Laufer ..................................................................................................................................................................................................................... 165 Fliehburg, Festung, Residenz? Die Ruinen auf dem Karasis Timm Radt .................................................................................................................................................................................................................... 195 Grenzen und Mauern in der griechischen Stadt: Überlegungen zu Diateichisma, Temenos und Stadtmauern Alexander Sokolicek .......................................................................................................................................................................................... 219 Byzantinische Stadtmauern in Anatolien. Vom Statussymbol zum Bollwerk gegen die Araber Philipp Niewöhner .............................................................................................................................................................................................. 239

VI

Inhalt

Von der Stadtmauer zur Stadtgeschichte. Das Befestigungssystem von Antiochia am Orontes Christiane Brasse . .................................................................................................................................................................................................. 261 Zusammenfassung ............................................................................................................................................................................................................. 283 Konferenzprogramm ..................................................................................................................................................................................................... 293 Anschriften der Autoren ........................................................................................................................................................................................... 297

J. Lorentzen, F. Pirson, P. Schneider und U. Wulf-Rheidt (Hrsg.), Neue Forschungen zu antiken Stadtbefestigungen im östlichen Mittelmeerraum und im Vorderen Orient, BYZAS 10 (2010) 57-83

Fortifikationskunst und Repräsentation an der Stadtmauer von Messene1 Silke MÜTH

Zusammenfassung Die Befestigungsmauer der Stadt Messene, 369 v. Chr. auf thebanische Initiative als Hauptstadt des von Sparta befreiten Messenien gegründet, stellt aufgrund ihres exzellenten Erhaltungszustandes das imposanteste Bauwerk der Stadt dar. Durch ein Projekt der Freien Universität Berlin in Kooperation mit der TU Berlin, der RWTH Aachen und dem CNRS Frankreich wird nun eine umfassende Dokumentation und Auswertung des Monumentes selbst, unterstützender Befestigungswerke in der direkten Umgebung sowie der verwendeten Materialien und Steinbrüche vorgenommen. Die Stadtmauer Messenes erweist sich dabei zwar in Form und Technik nicht als in allen Partien einheitliches, aber dennoch als ein direkt nach der Stadtgründung in einem Zuge errichtetes Monument, bei dessen Bau sowohl ökonomische Prinzipien als auch starke repräsentative Absichten erkennbar sind. So ist die Stadtmauer nicht nur als höchst effizienter Wehrbau zu verstehen, der – als Antwort auf die Bedrohung vor allem durch Sparta – nach den neuesten Erkenntnissen der Fortifikatorik errichtet wurde, sondern auch als Symbol einer neu gewonnenen messenischen Identität.

1 Folgende Literatur wird abgekürzt zitiert: Adam 1982 Blouet 1831 Garlan 1974 Karlsson 1992 Lawrence 1979 Leriche – Tréziny 1986 Marsden 1969–1971 Müth 2007 Ober 1987 Winter 1971

J.-P. Adam, L’architecture militaire grecque (Paris 1982). G. A. Blouet, Expédition Scientifique de Morée. Architecture, Sculptures, Inscriptions et Vues du Peloponèse, des Cyclades et de l’Attique I (Paris 1831). Y. Garlan, Recherches de poliorcétique grecque (Paris 1974). L. K arlssson, Fortification Towers and Masonry Techniques in the Hegemony of Syracuse, 401–211 BC (Stockholm 1992). A. W. Lawrence, Greek Aims in Fortification (Oxford 1979). P. Leriche – H. Tréziny (Hrsg.), La fortification dans l’histoire du monde grec. Actes du Colloque international Valbonne 1982 (Paris 1986). E. W. Marsden, Greek and Roman Artillery I–II (Oxford 1969–1971). S. Müth, Eigene Wege. Topographie und Stadtplan Messenes in spätklassisch-hellenistischer Zeit (Rahden/Westf. 2007). J. Ober, Early Artillery Towers: Messenia, Boiotia, Attica, Megarid, AJA 91, 1987, 569–604. F. E. Winter, Greek Fortifications (Toronto 1971).

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Silke Müth

Einleitung Mit dem Sieg Thebens über Sparta in der Schlacht von Leuktra 371 v. Chr. war die spartanische Vormachtstellung in Griechenland beendet. Auf seinem ersten Zug in die Peloponnes befreite der thebanische Feldherr Epaminondas 369 v. Chr. das seit Jahrhunderten von Sparta unterjochte Messenien und gründete Messene als seine Hauptstadt. Deren Anlage am südlichen Fuß des aufgrund seiner Rolle in den messenisch-spartanischen Kriegen für die Messenier geschichts- und identifikationsträchtigen Berges Ithome war nicht nur symbolträchtig, sondern auch geographisch äußerst günstig: Von Westen, Norden und Osten von Gebirgszügen geschützt, öffnet sich das sanft abfallende Terrain nur nach Süden und bietet einen weiten Blick über die südliche, Makaria genannte messenische Ebene bis zum Messenischen Golf (vgl. Abb. 1–2)2. Die Stadt wurde von einer Befestigungsmauer umgeben, deren monumentale Reste sich noch heute über die umliegenden Hügel ziehen und die zu den besterhaltenen des griechischen Raumes zählt. Von den Kurtinen stehen vor allem im Nordwesten weite Teile noch bis zum Wehrgang aufrecht, von den Türmen sind mehrere bis zu den Zinnen oder dem Giebelansatz erhalten. Umso mehr muss es verwundern, dass sich bis vor kurzem noch niemand einer umfassenden Dokumentation und Bearbeitung dieses technisch sehr vielseitigen, aussagekräftigen und auch ästhetisch anspruchsvollen Bauwerks angenommen hatte3. Von manchen Forschern wurden zwar zeichnerische Aufnahmen einzelner Türme angefertigt4 und die unterschiedlichen technischen Merkmale verschiedener gut erhaltener Mauerabschnitte konstatiert, doch führten diese exklusive Vorgehensweise, die nur einen Bruchteil der erhaltenen Reste berücksichtigte, und eine mangelnde Reflexion über die möglichen Gründe dieser Unterschiede oft zu übereilten Spekulationen über verschiedene Entstehungszeiten vor allem des nordwestlichen Abschnittes und des Sektors um das Arkadische Tor5. Im Rahmen der regen Ausgrabungstätigkeiten, die seit 1986 2 Vgl. zu den Umständen der Gründung Messenes und zur geographischen Lage ausführlich Müth 2007, 9–11. 3 Auch F. G. Maier, Rez. F. E. Winter, Greek Fortifications; A. Wokalek, Griechische Stadtbefestigungen; Y. Garlan, Re-

cherches de poliorcétique greque, Gnomon 49, 1977, 612 bemängelt dies. Zur lange Zeit sehr schlechten und nur langsam sich bessernden Forschungslage von Stadtmauern im Allgemeinen s. auch Garlan 1974, 14; Y. Garlan, Les fortifications grecques: bilan et perspectives de recherches, in: Leriche – Tréziny 1986, 15–21, bes. 18 zu derjenigen von Messene, die er als Beispiel für die »monuments les mieux conservés, les plus sophistiqués ou ayant connu la plus grande célébrité, c‘est-àdire les plus réprésentatifs, les plus instructifs« anführt und es bedauert, dass man ihre Beschreibung noch immer bei der Expédition Scientifique de Morée suchen muss. Auch A. Snodgrass, The Historical Significance of Fortification in Archaic Greece, in: Leriche – Tréziny 1986, 125 zählt unter den Stadtmauern die Messenes zu den »most impressive surviving monuments«. J. McK. Camp II, Walls and the Polis, in: P. Flensted-Jensen – T. Heine-Nielsen – L. Rubinstein (Hrsg.), Polis & Politics. Studies in Ancient Greek History, presented to M. H. Hansen (Copenhagen 2000) 41 erörtert in treffender Weise die Gründe für die allgemeine Vernachlässigung der Stadtmauerforschung innerhalb der Archäologie, die er jedoch im Folgenden angesichts der elementaren Rolle einer Stadtmauer für die Polis stark kritisiert. Ebenso auch P. Leriche, L‘Étude archéologique des fortifications urbaines grecques, in: P. Debord – R. Descat (Hrsg.), Fortifications et défense du territoire en Asie Mineure occidentale et méridionale, Table Ronde CNRS, Istanbul 1993, REA 96 (Bordeaux 1994) 10–13. 24–27, der besonders hervorhebt, dass sich in einer Stadtmauer die Geschichte einer Polis spiegelt.

4 So etwa durch Marsden 1969, 129–131 mit 157 Diagramm 5, L. Haselberger, Dächer griechischer Wehrtürme, AM 94, 1979,

97 Abb. 3. 98 Abb. 4. 109 Abb. 7 und Adam 1982, 46f. Abb. 16. 50 Abb. 19. 63 Abb. 29. 109 Abb. 73, Ober 1987, 573 Abb. 3. 576 Abb. 5.

5 F. Krischen, Milet III 2: Die Befestigungen von Herakleia am Latmos (Berlin 1922) 26. 50 geht von einer Entstehung der

eigentlichen Maueranlage direkt mit der Stadtgründung aus, während er die Türme östlich des Arkadischen Tores als Teil eines späteren Ergänzungsbaus betrachtet; vgl. dazu auch Winter 1971, 31 f. Anm. 65. 135 Anm. 35. 165 mit Anm. 46; F. Krischen, A Summary of Recent Work on Greek Fortifications, in: Leriche – Tréziny 1986, 26. R. L. Scranton, Greek Walls (Cambridge/Mass. 1941) 112 f. 128 f. hält zwar offensichtlich die Türme alle für gleichzeitig, vertritt aber die Theorie, dass das Arkadische Tor im 3. Jh. noch einmal neu gebaut worden sei. Für die ursprüngliche Mauer Messenes schließt E. Meyer, RE Suppl. XV (1978) 141 f. (s. v. Messene (3.)) mit Krischen a. O. 50 und R. Martin, Les enceintes de Gortys d’Arcadie, BCH 71/72, 1947/48, 131 f. auf eine Datierung in die Jahre nach 369, hält aber einige Turmdächer für spätere Umbauten und das

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von griechischer Seite unter der Leitung von Petros Themelis vor allem im Stadtzentrum Messenes stattfinden6, rückten nun erneut einzelne Abschnitte der Stadtmauer in den Fokus: Der Verlauf der besser erhaltenen Teile der Mauer im Nordwesten und östlich des Arkadischen Tores, auf dem Ithome und nördlich des Lakonischen Tores wurde in seinen Eckpunkten vermessen 7, das Arkadische Tor fotogrammetrisch dokumentiert8, die Reste eines Bachübergangs im Westen aufgenommen9 und der mit am besten erhaltene Turm direkt östlich des Arkadischen Tores (Abb. 1, 41. 11), der einen durch Erdbeben verursachten großen Riss aufwies, in den Jahren von 1993– 1997 aufgenommen und mit großem Aufwand grundlegend saniert10. Entlang des gesamten gut erhaltenen Nordwestabschnittes, vom plötzlichen Abbruch der Kurtine südlich von Turm 11 bis östlich des Turmes 40 (vgl. Abb. 1), wurde die Mauer im Frühjahr 2003 großflächig von Bewuchs gereinigt und kann so erstmals auf diesen Abschnitten gründlich studiert werden. Von 2003 bis 2006 wurden Restaurierungsarbeiten am Arkadischen Tor und auf dem anschließenden Kurtinenabschnitt bis zu Turm 41 unter der Leitung der Architektin Eleni-Anna Chlepa durchgeführt 11, die dafür 2006 mit einem Diplom ›Europa Nostra‹ der europäischen Vereinigung zum Erhalt des Kulturerbes ausgezeichnet wurde. Die Ergebnisse dieser Restaurierungsarbeiten befinden sich momentan im Druck. Für die übrigen Teile der Stadtmauer konnte man sich bisher nur auf die Verlaufskartierungen von Forschern des 19. Jhs. berufen12, den exaktesten Plan hat hierbei 1828 die französische Expédition Scientifique de Morée erstellt (Abb. 2), jedoch wurden auch in diesem Rahmen keine konstruktiven Details erfasst13. Diese prekäre Dokumentationslage eines so einzigartigen Monumentes bot Anlass genug, seine systematische Bearbeitung in Angriff zu nehmen. Seit Sommer 2004 führt die Autorin zusammen

Arkadische Tor für einen vollständigen »Neubau anstelle eines abgerissenen älteren«. Vgl. auch E. Meyer., L’Urbanisme dans la Grèce antique ²(Paris 1974) 203, wo er davon ausgeht, dass die Türme Messenes früher alle offene Plattformtürme gewesen seien. Garlan 1974, 189 Anm. 6 hält es ebenfalls für sicher, dass das Arkadische Tor später als der Rest der Mauer gebaut wurde und »à pleine époque hellénistique« datiert. Adam 1982, 171 Anm. 144. 174 hält Turm 41 sicher für hellenistisch, während er für das Arkadische Tor in ders., Approche et défense des portes dans le monde hellénisé, in: S. van de Maele – J. M. Fossey (Hrsg.), Fortificationes Antiquae, incl. the papers of a conference held at Ottawa University, October 1988 (Amsterdam 1992) 37 aber eine Entstehung unter Epaminondas für wahrscheinlich hält. Eine Datierung der gesamten Befestigungsanlage in hellenistische Zeit vertritt E. Kirsten, RE XXI,1 (1951) 260 f. (s. v. Pleuron (2.)); vgl. auch E. Kirsten, Die griechische Polis als historisch-geographisches Problem des Mittelmeerraumes (1956) 57. 105; E. Kirsten, Die Entstehung der griechischen Stadt, A A 1964, 906–910. Der Einzige, der von einem kompletten Neubau des Abschnittes sogar erst in römischer Zeit ausgeht, basierend auf einer kaiserzeitlichen Reparaturinschrift der östlichen Nische des Arkadischen Tores (vgl. Blouet 1831, 41 f. und F. G. Maier, Torgötter, in: J. Kroymann (Hrsg.), Eranion. Festschrift für Hildebrecht Hommel (Tübingen1961) 98 mit Anm. 21.), die er auf das gesamte Bauwerk bezieht, ist A. Moortgat, Das antike Torgebäude in seiner baugeschichtlichen Entwicklung, BaM 28, 1997, 32, allerdings vermutet er eine Beibehaltung des alten Torgrundrisses. 6 Vgl. die jährlichen Vorberichte in Praktika (P. Themelis) und Ergon von 1986 an. 7 Hierbei kommen unter Anderem dem Geodäten Theodoros Chatzitheodorou große Verdienste zu. 8 P. Themelis, Prakt 1988, 78 f. Es wurde auch ein Schnitt an der Mauer zwischen Arkadischem Tor und Turm 41 angelegt,

der jedoch bisher nicht publiziert ist.

9 Diese Brücke war im 19. Jh. noch sehr viel besser erhalten: Blouet 1831, Taf. 38, Abb. II mit Legende S. 37. 10 P. Themelis, Prakt 1993, 63. Prakt 1996, 165 f. 11 Ders., Prakt 2003, 44. Prakt 2004, 51 f. 12 Vgl. z. B. W. M. Leake, Travels in the Morea I. Repr. d. Ausg. London 1830 (Amsterdam1968) 371–376 mit Taf. 3; E. Cur-

tius, Peloponnesos. Eine historisch-geographische Beschreibung der Halbinsel II (Gotha 1852) 139–143 mit Taf. VI; W. Vischer, Erinnerungen und Eindrücke aus Griechenland (Basel 1857) 444–447.

13 S. Blouet 1831, 37–42 mit Taf. 22. 38–47.

Abb. 1 Gesamtplan der Stadtmauer von Messene (dunkelblau: gesicherte Partien, hellblau: in Verlauf und Existenz, nicht jedoch in den Dimensionen gesicherte Partien, grün: rekonstruierte Partien)

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Abb. 2 Plan von Messene nach der Expédition Scientifique de Morée

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mit mehreren Kollegen unter der Leitung von Friederike Fless, Wolfram Hoepfner (beide FU Berlin) und Dorothée Sack (TU Berlin) ein an der FU Berlin angesiedeltes Forschungsprojekt durch, das in Form einer zweiwöchigen Initiativkampagne im Jahr 2004 von der FU Berlin gefördert wurde und seit 2005 in großem Rahmen von der Gerda Henkel Stiftung finanziert wird. Die Realisierung des Projektes wurde durch die großzügige Genehmigung und freundliche Kooperation des Leiters der griechischen Ausgrabungen in Messenes Petros Themelis möglich. Seit 2005 wurden drei große Sommerkampagnen von je fünf Wochen mit jeweils 14 bis 16 Personen durchgeführt14. Dabei sind die verschiedenen Arbeitsbereiche folgendermaßen aufgeteilt: Jürgen Giese (Universität Bamberg) zeichnet für die Bauforschung verantwortlich und führt zusammen mit vier bis fünf Studenten die Bauaufnahme der besser erhaltenen Teile durch. Unterstützt wird er dabei von Judith Ley (RWTH Aachen), die die Wehrgänge und Brüstungen bearbeitet. Ute Schwertheim (FU Berlin) leitet die Ausgrabungen, die mit drei Studenten und zeitweiliger Unterstützung durch Arbeiter durchgeführt werden und zur Erforschung größerer Anlagen wie vor allem der Tore dienen, aber auch durch Schnitte an Fundamentgräben oder in der Mauerfüllung Anhaltspunkte für die Datierung liefern sollen, und bearbeitet deren Ergebnisse. Von Jean-Claude Bessac (CNRS Frankreich/IFPO Damaskus) werden unter Mitarbeit von Caroline Huguenot (Université de Toulouse/Frankreich) Materialgewinnung, -verwendung und -transport, Steinbearbeitung und ökonomische Aspekte des Mauerbaus untersucht. Koordiniert wird das Projekt von der Autorin, die mit einem Studenten die Kartierung des gesamten Stadtmauerverlaufes und die Dokumentation der nicht durch steingerechte Bauaufnahme oder Grabung erfassten Teile sowie der zusätzlichen Befestigungsanlagen in der direkten Umgebung durchführt und neben der Topographie der gesamten Anlage die historischen Hintergründe und Auswirkungen des Monumentes sowie übergreifende Fragestellungen gemeinsam mit Jürgen Giese bearbeitet. Damit wird deutlich, dass nicht nur die Dokumentation und die Bearbeitung technischer, stilistischer und chronologischer Fragen Ziele des Projektes sind, sondern auch die Auswertung der Ergebnisse auf einer weiteren Ebene: So werden beispielsweise die Wechselwirkungen mit der örtlichen Geographie und Stadttopographie untersucht, weiterhin die Frage der technisch-stilistischen Prägung des Bauwerks durch die thebanische Beteiligung sowie seine Stellung innerhalb der gesamten griechischen Festungsbaukunst. Hierbei bietet die Stadtmauer Messenes einen wichtigen Einblick in das Wechselspiel von Poliorketik und Fortifikatorik, das durch die rapide Weiterentwicklung der Geschütztechnik seit Ende des 5. Jhs. v. Chr. ausgelöst wurde und im 4. Jh. v. Chr. besonders virulent ist15. Außerdem entstand das Monument in einer Zeit der Neuordnung der politischen Machtverhältnisse Griechenlands im Allgemeinen und der Peloponnes im Besonderen16, womit sich die Frage stellt, inwieweit sich die äußere Bedrohungslage einerseits und der 14 Die ersten kurzen Vorberichte zu den einzelnen Kampagnen werden in Prakt 2005–2007 im Rahmen der Berichte von

P. Themelis über seine Ausgrabungen in Messene erscheinen.

15 Vgl. dazu etwa A. W. McNicoll, Developments in techniques of siegecraft and fortification in the Greek world ca. 400–100

BC, in: Leriche – Tréziny 1986, 305–313; Lawrence 1989, 39–52; Garlan 1974, 155–278; Marsden1969, 48–67; Lawrence 1979, 47.

16 S. dazu z. B. C. A. Roebuck, A History of Messenia from 369 to 146 BC (Chicago 1941) 31–40; J. F. Lazenby in William

A. McDonald – George R. Rapp, The Minnesota Messenia Expedition (Minneapolis 1972) 89; J. Buckler, The Theban Hegemony. 371–362 BC (Cambridge/Mass. 1980) 87; Adam 1982, 15; P. Cartledge – A. Spawforth, Hellenistic and Roman Sparta: A Tale of two Cities (London 1989) 3–15; C. Grandjean, Les Messéniens de 370/369 au 1er siècle de notre ère: monnayages et histoire, BCH Suppl. 44 ( Athen 2003) 49–70; N. Luraghi, Becoming Messenian, JHS 122/123, 2002/03, 45–69.

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Repräsentationswille der Messiener oder auch der Thebaner andererseits in diesem Bauwerk niederschlagen und welche Auswirkungen wiederum seine Errichtung hatte.

Topographischer Survey und Stadtmauerverlauf Im Rahmen des topographischen Surveys wurde der Stadtmauerverlauf mit Hilfe eines Differential-GPS insgesamt neu eingemessen. Dabei wurde mit ProMark 2-Geräten des Herstellers Thales Navigation gearbeitet und bei Stop-and-Go-Messungen gewöhnlich ein Genauigkeitsgrad von unter 2 cm erzielt, bei statischen Messungen von bis zu 1 mm17. Bei der Darstellung des Stadtmauerverlaufes im Plan (Abb. 1) wurde zwischen drei aus den Erhaltungszuständen (und in Ausnahmefällen auch aus der Zugänglichkeit) resultierenden Präzisionsgraden unterschieden: Die in Verlauf und Grundrissdimensionen vollständig gesicherten Partien sind in dunkelblau dargestellt, die zwar im Verlauf bzw. im Vorhandensein, nicht jedoch in den Ausmaßen gesicherten Abschnitte in hellblau und die in Verlauf und Dimension weitestgehend rekonstruierten Partien in grün. Die rund 9 km lange Stadtmauer Messenes umfasst ein Gebiet von ungefähr 290 ha. Sie schließt den Gipfel des Berges Ithome mit ein, der zu einer eigenen Ringfestung ausgebaut ist. Über einen nordwestlichen Berggrat des Ithome verläuft sie zu einer kleinen Senke im Norden der Stadt hinab und zieht sich danach im Norden und Westen über die Gipfel und Grate der nächstgelegenen höheren Hügel (Abb. 3), bis sie am südwestlichsten Hügel zunächst nach Osten, Abb. 3 Blick auf den nördlichen Westabschnitt der dann nach Nordosten zum Stadion Stadtmauer mit Turm 10 im Vorder- und Turm 8 im Hintergrund Messenes hin umbiegt. Hier wie im gesamten südlichen Verlauf orientiert sich der Mauerverlauf am nördlichen Rand einer kleinen Schlucht und steigt im Südosten zum sog. Lakonischen Tor bergan, das im Sattel zwischen dem Ithome und dem Nachbarberg Eua (heute Agios Vasilios) liegt. Südlich dieses Lakonischen Tores ist ein kleiner Bergrücken noch einmal gesondert befestigt (Abb. 4). Vom Tor an steigt die Mauer dann entlang des südöstlichen Grates den Ithome empor (Abb. 5). Auf diese Weise hat man offensichtlich die bestmögliche Verteidigungslinie um die Stadt gewählt. Das eingeschlossene Gebiet umfasste vor allem im Norden und Westen viel unbebautes Gelände, nur im Süden reichte die Mauer zwischen Stadion und Südosttor an das bebaute Stadtgebiet heran. Auf diese Weise war man im Belagerungsfall nicht völlig von der landwirtschaftlichen Produktion abgeschlossen und konnte womöglich auch die Bevölkerung umliegender Dörfer mit aufnehmen.

17 Diese Genauigkeit wurde durch Vergleiche mit Tachymeter-Messungen überprüft.

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Silke Müth

Abb. 4 Blick vom Südhang des Ithome auf die Festung am Lakonischen Tor

Abb. 5 Stadtmauerreste auf dem südöstlichen Hang des Ithome

Gegenüber dem Plan der Expédition Scientifique de Morée (Abb. 2) konnte mit der neuen Aufnahme der Mauerverlauf an vielen Stellen präzisiert, teilweise korrigiert und auf einigen Strecken auch dort gesichert werden, wo er vorher unbekannt war. So konnte östlich des Arkadischen Tores die Mauer vom Ende des gut erhaltenen Teiles ab, der auch von der Expédition Scientifique de Morée dokumentiert wurde, noch um gut 250 m weiter den Ithome hinauf verfolgt werden, ein Turm ca. 120 m östlich von Turm 40 wahrscheinlich gemacht18 und in einem Abstand von rund 160 m von diesem, auf einer Höhe von ca. 120 m über dem Arkadischen Tor, ein weiterer Turm gesichert werden. Wenige Meter nordöstlich dieses Turmes verlieren sich die Reste des Mauerverlaufs, anzunehmen ist allerdings, dass die Mauerlinie von hier an ziemlich genau nach Osten führte, über ein Terrain, das heute von zwei riesigen Geröllfeldern bedeckt wird, bevor sie gegen eine hohe Steilwand unterhalb des nordwestlichen Ithome-Gipfels stieß. Zwischen dem Arkadischen Tor und Turm 5 wurden zwar ebenfalls vier Türme konstatiert, doch unterscheidet sich ihre Lage deutlich von jener auf dem Plan der französischen Expédition. Auch im westlichen Mauerverlauf wurden teils große Unterschiede zur dortigen Turmkartierung festge18 Dafür, dass dieser, wie von einigen älteren Forschern verzeichnet, nach innen gerichtet war (Curtius a. O. (Anm. 12) Taf.

VI; C. Bursian, Geographie von Griechenland II,1 (Leipzig 1868) Taf. IV; H.-P. Drögemüller, Bericht über neuere Ausgrabungen in Griechenland, Gymnasium 68, 1961, 227 Abb. 16; E. Kirsten – W. Kraiker, Griechenlandkunde. Ein Führer zu klassischen Stätten II 5(Heidelberg 1967) 425 Abb. 117; N. D. Papachatzis (Hrsg.), Pausan…ou ElladÒj Peri»ghsij III (Athen 1979) 113 Abb. 39), wurden dabei keinerlei Anhaltspunkte entdeckt; wenn hier ein Turm existierte, wie einzelne womöglich noch in situ liegende Quader des Fundamentes und Versturzreste andeuten, sprang er wie üblich nach außen vor. Auf dem Plan von S. Oikonomakis, T¦ swzÒmena Ἱqèmhj, Mess»nhj kaˆ tîn pšrix (Kalamata 1897) ist der Turm ebenfalls als nach außen gerichtet zu sehen, während Blouet 1831, Taf. 22 und Leake a. O. (Anm. 12) Taf. 3 dort überhaupt keinen rechteckigen Turm mehr abbilden. Da aber keiner der genannten Autoren schriftlich auf diesen Turm Bezug nimmt, ist unklar, ob die erstgenannten Pläne wirklich auf Autopsie beruhen. Zumindest der Plan von Bursian geht nach dessen eigenen Angaben auf Curtius’ Plan zurück.

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stellt. Einige Strecken der Mauer waren allerdings hier für uns völlig unzugänglich, da großflächig von über mannshoher, undurchdringlicher Macchia umgeben (auf Abb. 1 in grün wiedergegeben). Die Zugänglichkeitssituation zur Zeit der Erkundung durch die französischen Forscher lässt sich leider nicht rekonstruieren und findet in deren Publikation auch keinerlei Erwähnung, doch zeigen einige markante Beispiele von heute deutlich erkennbaren Türmen (z. B. Abb. 1, Turm 14), die auf ihrem Plan gar nicht verzeichnet sind, dass damals entweder ebenfalls nicht alle Mauerpartien erforscht werden konnten, oder dass man sich auf manchen Strecken mit dem Vermuten von Turmlagen aufgrund der topographischen Begebenheiten begnügte, diese jedoch auf dem Plan wie gesicherte Türme einzeichnete. Im südlichen Bereich zeigen sich die Unterschiede vor allem im Verlauf direkt östlich des Südtores: Von diesem an, das im Plan der Expédition nicht als Tor, sondern als verwinkelte Konstruktion mit zwei Türmen verzeichnet ist, knickt die Mauer nicht in nördliche Richtung ab, sondern verläuft in einem leichten Zickzackkurs weiter am nördlichen Rand der kleinen Schlucht entlang in östliche Richtung. Östlich des Südosttores konnten auch von uns keine definitiven Belege für den Mauerverlauf bis zum Lakonischen Tor gefunden werden. Es wurden die Eckpunkte eines allein aufgrund der topographischen Situation wahrscheinlich erscheinenden Mauerverlaufs eingemessen, der sich vom Ende des erhaltenen Abschnitts wenig östlich des Südosttores ab an einem leichten Geländerücken in nordnordöstliche Richtung orientiert haben könnte, bevor er relativ parallel zu den Höhenlinien zur Festung südlich des Lakonischen Tores aufschloss (vgl. Abb. 1). Doch wurden im Sommer 2007 auch um Einiges weiter südlich in der ungefähren Fortsetzung der Verlaufsrichtung des erhaltenen Teiles östlich des Südosttores bearbeitete Quader entdeckt, die an dieser Stelle schwerlich zu einem anderen Monument als der Stadtmauer gehört haben können. Wenn diese auch nicht mehr in situ lagen, ist es doch aufgrund der großen Distanz zu dem gerade beschriebenen denkbaren Verlauf äußerst unwahrscheinlich, dass sie dorther stammen. Daher wäre auch die These einer geradlinigeren Verbindung zwischen Südosttor und Lakonischem Tor noch weiter zu verfolgen. Wenig westlich des Lakonischen Tores erscheinen wieder deutliche Reste der Stadtmauer, die hier noch über eine kurze Strecke in ihrem südwestlich-nordöstlichen Verlauf zu verfolgen ist, bevor sie nach Süden umbiegt und den kleinen Felsrücken in Richtung des Eua auf dessen westlicher Seite umschließt. Am östlichen Rand dieses Rückens, der hier extrem steil abfällt, konnten weder Mauerreste noch Abarbeitungen für die Einbettung von Mauerquadern im Felsen entdeckt werden (Abb. 4). Auf ihrem Anstieg vom Lakonischen Tor aus den südöstlichen Grat des Ithome hinauf bildet die Mauer einige markante Sägezahn-Versprünge aus, die sonst in der gesamten Mauerführung nur noch innerhalb der Festung auf dem Ithome vorkommen 19. Hier folgt zunächst ca. 30 Höhenmeter über dem Lakonischen Tor ein kleiner Turm mit nur ca. 4 m Seitenlänge, einer Tür und einer Schießscharte sowie weitere 50 m höher ein sehr lang gestrecktes Gebäude, das im Innern an die Stadtmauer angelehnt scheint20 und aufgrund seiner hohen Lage über steilem Gelände, die 19 Auf dieser Mauersequenz konnte dem Plan der Expédition Scientifique de Morée große Zuverlässigkeit bestätigt werden. 20 Zwischen den Mauern dieses Gebäudes und der Kurtine befinden sich senkrechte Baufugen, jedoch sind Material, Mau-

erwerksform und Steinbearbeitung vollkommen identisch. Es wäre zu voreilig, hier auf chronologische Unterschiede zu schließen.

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Abb. 6 Bauwerk T28 mit äußeren Strebepfeilern

keine besonders verstärkte Geschützstellung erforderte, nicht nur Verteidigungs-, sondern auch Lager- oder sogar Unterkunftszwecken von Wachmannschaften oder Garnisonen gedient haben könnte. Auf einer Höhe von weiteren 80 m über diesem Gebäude endet die Mauer in einer noch nicht näher zu definierenden, recht monumentalen Konstruktion, welche gegen eine steile Felsbarriere läuft und sich durch die noch erhaltene Höhe ihrer mit zwei Strebepfeilern versehenen Außenmauer auszeichnet (Abb. 6). Nach innen jedoch ist nur eine von dieser im rechten Winkel abzweigende Mauer zu konstatieren, die nach ca. 6,50 m endet. Spuren weiterer Mauern, die die Konstruktion zu einem Gebäude rekonstruieren lassen könnten, fehlen. Jedoch weisen die Strebepfeiler und die offensichtliche Höhe der Anlage meiner Meinung nach darauf hin, dass es sich nicht nur um ein gewöhnliches Stück Kurtine gehandelt haben kann. Die natürliche Fortsetzung des Mauerverlaufs bildet von hier an eine Felsbarriere, die sich nach Norden weiter schräg den Berghang hinauf zieht. Bis zur Ringfestung lässt sich kein durchgehender Mauerverlauf mehr ermitteln, nur eine Sperrmauer mit drei Türmen, die sich von Nordost nach Südwest über den südöstlichsten der vier Gipfel des Ithome erstreckt – diese Mauer, allerdings mit nur einem Turm, wurde auch von der Expédition Scientifique de Morée kartiert (s. Abb. 2) –, und einige Meter westlich davon ein wegen seines groben, bossierten Mauerwerks wahrscheinlich ebenfalls im Wehrzusammenhang stehender Bau mit innerer Unterteilung bewachen hier den Zugang zum Gipfel.

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Die Gipfelfestung, die auf dem Plan der französischen Expédition relativ kursorisch aufgenommen ist, bildet hauptsächlich auf ihrer östlichen Seite, auf der das Gelände noch am ehesten zugänglich ist, Türme aus. Von Westen her wäre eine Annäherung größerer Truppen von Angreifern nur sehr schwer möglich gewesen. Nur im Südwesten ist ein vereinzelter Turm zu konstatieren, der an dieser besonders steilen Stelle jedoch vor allem Beobachtungs- und Signalzwecken gedient haben dürfte. Am östlichen Ende der Festung deutet alles darauf, dass T33 als größere Wehreinheit mit den anschließenden Kurtinenabschnitten eine spätere Zutat darstellt und der Kurtinenverlauf früher ein anderer war, d. h. möglicherweise die Türme 32 und 34 miteinander verband, doch sind diese Abschnitte momentan noch Gegenstand eingehender Untersuchungen. Auch im westlichen Anschluss an die Gipfelfestung, auf dem äußerst steilen und felsigen Gelände zum nordwestlichen Ithome-Gipfel hin, auf welchem sich zwei Rechteckgrundrisse finden21, die mit großer Wahrscheinlichkeit mit Wach- oder Signalbauten in Zusammenhang stehen, lässt sich kein Mauerverlauf ermitteln, was nur als sinnvolle Ökonomie der Erbauer der Befestigung bezeichnet werden kann. Der Aufstieg zu den Gipfeln ist auf dieser Seite – will man halsbrecherische Kletterpartien vermeiden – nur über einen sich weit nach Norden hinziehenden, nach beiden Seiten steil abfallenden Bergrücken möglich, der aber wiederum durch ergänzende Befestigungswerke wie Türme, einzelne Mauerabschnitte und zwei großflächige Gebäude geschützt ist, wie im Sommer 2007 festgestellt werden konnte. Auf diese Weise wurde der Zugang zum Ithome über diesen Bergrücken verhindert und gleichzeitig die an ihm entlang führende, aus der nördlichen messenischen Ebene kommende Straße zusätzlich bewacht.

Kurtinen Die verschiedenen Kurtinenabschnitte unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Konstruktionsweise nicht unerheblich, fallen aber alle in die Kategorie des sog. emplekton-Mauerwerks, das durch zweischaliges Mauerwerk mit einer inneren Füllung, die auf systematische Weise mit den Außenschalen verbunden ist, dargestellt wird22. Auf dem Mauersektor zwischen der Pforte südlich des Turmes 11 und dem bastionsartigen Gebäude 7 im Nordwesten23 besteht die Füllung zwischen den Schalen aus großen, roh behauenen und geschichteten Kalksteinblöcken, die ein nahezu massives Mauerwerk bilden (Abb. 7), hier ragen in unregelmäßigen Abständen Binder der Außenschale weiter in das Mauerinnere hinein. Vom Bauwerk 7 an wechselt die Füllung zu einem Gemisch aus Bruchsteinen, Steinsplitt und Erde (Abb. 8) bei weiterhin unregelmäßiger Binderverteilung. Auch östlich von Turm 6 wird diese Füllungsart beibehalten, obwohl hier nun innere Kompartimentmauern auftauchen, die die Außenschalen miteinander verbinden. In besonderer Regelmäßigkeit lassen diese Kompartimentmauern sich an den Kurtinen um das Arkadische Tor beobachten (Abb. 9): Hier sind jeweils in regelmäßigen Abständen Binderketten zu beobachten, jeweils in jeder zweiten Schicht senkrecht übereinander und in der gegenüberliegenden Schale entsprechend angeordnete Binder, die im Innern zu Kompartimentmauern verbunden sind (Abb. 10-11)24. Auch die Mauerwerksformen sind nicht einheitlich: Im Nordwesten – allerdings 21 Diese sind ebenfalls schon auf dem Plan der Expédition Scientifique de Morée verzeichnet. 22 Ich orientiere mich hier an der unter Anderem von Karlsson 1992, 67–70 vertretenen Definition des Terminus emplekton. 23 Vgl. den Beitrag von J. Giese in diesem Band. 24 Karlsson 1992, 73f. nennt diese Binderketten »masonry chains«.

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Abb. 7 Mauerinneres der Kurtine zwischen Bastion 7 und Turm 8

Abb. 8 Mauerinneres der Kurtine zwischen Turm 6 und Bastion 7

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Abb. 9 Mauerabschnitt westlich des Arkadischen Tores: Feldseite mit Ansicht der inneren Kompartimentmauern

unabhängig davon, ob die Mauerfüllung aus großen Kalksteinblöcken oder aus einem BruchsteinErde-Gemisch besteht – herrschen trapezoidale Formen, die stellenweise sogar ins Polygonale übergehen, teils stark wechselnde Schichtenhöhen und häufige Ein- und Ausklinkungen vor (Abb. 13; Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 5), während um das Arkadische Tor herum ein sehr regelmäßiges, nahezu vollkommen rechtwinklig-isodomes Mauerwerk zu sehen ist (Abb. 10-11)25. Doch auch im Nordwesten besitzt Bastion 7, die auf einer weithin sichtbaren, herausragenden Position errichtet ist, ein äußerst regelmäßiges rechtwinkliges Mauerwerk (Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 4)26, und auf den rechtwinklig-isodomen Abschnitten fehlen trapezoidale Züge und Einklinkungen nicht vollständig, wie beispielsweise an den Kurtinenübergängen zu Turm 41 und zum Arkadischen Tor zu beobachten ist. Auf diese Weise lässt sich festhalten, dass der Wechsel der Mauerwerksformen keinesfalls immer in direktem Zusammenhang mit den unterschiedlichen Konstruktionsweisen zu sehen ist, auch wenn natürlich innere Kompartimentmauern nur mit relativ regelmäßig rechtwinkligen Mauerwerksformen zu vereinen sind. Die Wechsel zwischen verschiedenen Konstruktionsarten und Mauerwerksformen wiederholen sich auch auf den übrigen Abschnitten der Stadtmauer. 25 Diese Mischung von Quadermauerwerk mit Trapezoidalmauerwerk ist z. B. auch in Amphissa, Gyphtokastro, Aigosthena

und Phyle zu konstatieren, vgl. auch Adam 1982, 27 Anm. 20; Karlsson 1992, 75 (der jedoch die unterschiedlichen Mauerwerksformen in Amphissa meiner Meinung nach vorschnell unterschiedlichen Entstehungszeiten zuordnet).

26 Dass an diesem Bauwerk alle Quader exakt rechtwinklig gearbeitet sind, wurde im Zuge der Bauaufnahme unter Jürgen

Giese 2006 beobachtet.

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Abb. 10 Mauerabschnitt westlich des Arkadischen Tores: Stadtseite mit senkrecht übereinander angeordneten Bindern

Abb. 11 Mauerabschnitt östlich des Arkadischen Tores mit Turm 41: Feldseite

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Östlich von Turm 40 lässt sich beobachten, wie rechtwinklig-isodomes Mauerwerk mit inneren Kompartimentmauern fließend in weniger regelmäßiges Mauerwerk mit hier und da auftretenden Bindern übergeht: Hier ist nahe Turm 40 noch der Rest einer Kompartimentmauer zu sehen, während danach nur noch in unregelmäßigen Abständen einzelne Binder auftreten, verbunden mit uneinheitlichen Schichtenhöhen, vermehrten Einklinkungen und trapezoidalen Formen, jedoch ohne dass Baufugen zwischen diesen Abschnitten zu beobachten wären: das Mauerwerk bindet vollkommen ein. Nach einigen Metern verringert sich auch die Mauerstärke von ca. 2,50 m auf nur noch rund 1,50 m erheblich. An dieser Stelle beginnt das Gelände steiler zu werden, die Mauer steigt den Hang des Ithome hinauf. An anAbb. 12 Wehrgang südlich des Turmes 10 deren Stellen ist ebenfalls der unmittelbare Zusammenhang zwischen der Mauerstärke wie auch der Kurtinenhöhe, die im hügeligen Nordwestbereich z. B. rund 3–4 m bis zum Wehrgang beträgt, während sie in der Senke um das Arkadische Tor 5–7 m erreicht, und der Zugänglichkeit des Terrains zu beobachten. Auch hier beherrschte der ökonomische Gedanke das Konzept der Erbauer. Der die Kurtine nach oben abschließende Wehrgang (Abb. 12) war durchgehend gepflastert, manchmal mit die gesamte Breite überspannenden, monolithen Platten, oft aber auch mit mehreren nebeneinander angeordneten, teilweise durch Klammern verbundenen Platten. Zur Stadtseite hin kragen diese Platten häufig über und bilden dort an der Unterseite eine Tropfnase, die verhindert, dass Regenwasser ins Mauerwerk läuft. Die Brüstung, von welcher in situ nur noch wenig erhalten ist, war nach momentanem Kenntnisstand wahrscheinlich auf allen Abschnitten von Zinnen gekrönt, die zumindest im Nordwesten in gewissen Abständen auch als Traversen in den Wehrgang hineinragten, doch kann diese Frage erst im Zuge der abschließenden Bearbeitung durch Judith Ley geklärt werden. Die Zinnen, Zinnenlücken und Traversen waren mit entsprechenden Decksteinen versehen.

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Abb. 13 Turm 10 mit südlich anschließender Kurtine: Feldseite

Türme Die Türme der Stadtmauer Messenes sind in keinesfalls einheitlichen Abständen angeordnet: Ihre Entfernung voneinander variiert je nach Geländesituation zwischen 26 und 160 m, liegt aber häufig bei ca. 90–100 m. Die meisten Türme sind nahezu quadratisch mit Seitenlängen von ca. 6–7 m (Abb. 3. 11), doch tauchen vereinzelt auch kleinere Türme von nur rund 4 m Seitenlänge auf, jedoch nur in hoch gelegenen Positionen, und größere Strukturen wie z. B. die Bauwerke 7 im Nordwesten und 27 am südöstlichen Ithome-Abhang, die entweder Bastionen darstellten oder andere Zusatzfunktionen erfüllten. Es sind nur zwei Türme mit halb- bzw. dreiviertelrundem Grundriss erhalten, die beide noch bis zu den Zinnen anstehen: Turm 6 im Nordwesten (Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 3) und Turm 10 im Westen (Abb. 3. 13). Es kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass ursprünglich noch weitere solche Türme existierten27. Die Türme sind im Allgemeinen ›rittlings‹ auf den Kurtinen angeordnet und springen zur Feldseite hin stark, zur Stadtseite hin nur leicht gegenüber den Kurtinen vor. Einige Türme ganz ohne Vorsprung nach innen finden sich vor allem bei der Ringfestung auf dem Ithome. Eine noch größere Ausnahme in seiner Disposition stellt Turm 23 innerhalb der Festung südlich des Lakonischen Tores dar, der mit einer Ecke nach 27 Marsden 1969, 141–147 mit Abb. 6 und 8 verdeutlicht die Vermeidung toter Winkel bei Türmen mit runden Grundris-

sen anhand der Darstellung der verschiedenen Beschussfelder bei Türmen unterschiedlicher Grundrisse. Zur Verwendung von rechteckigen und runden Türmen in der historischen Entwicklung des Befestigungswesens und ihren Vor- und Nachteilen s. auch Adam 1982, 46–65; Garlan 1974, 151 f. 257–262 und Winter 1971, 191–203. Nach Garlan a. O. 193 tauchen Halbrundtürme vermehrt nach dem 5. Jh. v. Chr. an den meist gefährdeten Stellen der Mauer auf. Zur größeren Widerstandsfähigkeit von Halbrundtürmen gegen Beschuss s. Phil. 5, 84, 64 f.; vgl. F. G. Maier, Griechische Mauerbauinschriften II (Heidelberg 1961) 103 mit Anm. 173, der ihre häufigere Verwendung seit dem frühen 4. Jh. v. Chr., besonders als Eck- oder Tortürme, ansetzt; A. Wokalek, Griechische Stadtbefestigungen (Bonn 1973) 123 f. Vgl. zum Zweck der in Herakleia am Latmos besonders im späteren Diateichisma (Herakleia II) häufig verwendeten runden Turmgrundrisse auch A. W. McNicoll, Hellenistic Fortifications from the Aegean to the Euphrates (Oxford 1997) 80. 104.

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außen, mit einer nach innen vorspringt28. Eine ähnliche Anlage ist möglicherweise bei Turm 39 zu rekonstruieren, während die Türme 32 und 34 innerhalb der Ringfestung auf dem Ithome wohl erst durch die Änderung des dortigen Kurtinenverlaufs in einer späteren Bauphase eine solche Disposition erhielten. Das Mauerwerk der Türme bindet normalerweise vollkommen in das der anschließenden Kurtinen ein und ist auch in den Mauerwerksformen an diese angepasst. Bis auf eine Ausnahme29 sind die Sockelgeschosse der Türme verfüllt. Darüber besitzen sie einen Raum, der normalerweise durch zwei Türen vom Wehrgang her zu betreten ist. Diese Räume weisen vielfältige Formen von Öffnungen auf, die jedoch alle eine Mischung zwischen Schießscharten im engeren Sinne und regelrechten Wehrfenstern darstellen und auf eine frühe Form von Katapultgeschützen ohne Torsionstechnik ausgerichtet sind (Abb. 3. 11; Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 3)30: Sie variieren in ihrer Höhe zwischen einer und zwei Mauerwerksschichten und besitzen nach oben einen geraden Sturz oder einen Abschluss in Form eines Giebeldreiecks, wie er beispielsweise auch in Chalkis in Ätolien auftritt31, im Falle von Turm 8 sogar einen spitzbogenförmigen Abschluss32. Auch innerhalb eines Turmes können die Öffnungsformen variieren, wie am Beispiel von Turm 6 deutlich wird, wo eine mit spitzgiebeligem Abschluss neben dreien mit geradem Sturz auftritt. Die Öffnungen verjüngen sich stark nach außen, sind jedoch im Horizontalschnitt nicht immer symmetrisch angelegt, sondern auf die jeweils erforderliche Geschützausrichtung zur Abdeckung des erwünschten Schussfeldes abgestimmt. Je nach Bedarf sind die Seiten der Öffnungen zum Turminnern hin auch noch weiter nach oben, unten, links oder rechts abgearbeitet33. Drei der erhaltenen Türme besaßen ein Obergeschoss: die beiden Türme 40 und 41 (Abb. 11; Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 2) östlich des Arkadischen Tores und Turm 9 im Westen (Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 6) – dessen Erhaltungszustand das ehemals vorhandene Obergeschoss nicht mehr 28 Zu solchen ›semi-reverse towers‹ in Priene vgl. McNicoll a. O. (Anm. 27) 53, der grundsätzlich die Meinung vertritt, sie

dienten hauptsächlich der Verteidigung der Mauer, weniger dem aktiven Angriff auf den Feind, und nützten kaum mehr als Mauerversprünge. S. auch I. Pimouguet-Pédarros, Archéologie de la défense. Histoire des Fortifications antiques de Carie. Époques classique et hellénistique (Paris 2000) 55. Für einen nach innen gerichteten Turm östlich von Turm 40, wie er auf manchen alten Plänen zu finden ist, konnten wir keinerlei Anhaltspunkte finden, vgl. o. Anm. 18. Solche sog. ›reverse towers‹ gibt es beispielsweise in Priene und Doura-Europos, s. McNicoll a. O. (Anm. 27) 53. 93.

29 Es handelt sich um Turm 5, der jedoch noch einer eingehenden Untersuchung harrt. 30 Ober 1987, 569–604, bes. 596–604. Diese Katapultgeschütze, die von Ingenieuren im Dienst von Dionysios von Syrakus

399 v. Chr. erfunden wurden, konnten nur Pfeile oder kleinere Steine schießen und wurden gegen Personen eingesetzt. Zur außergewöhnlichen Form dieser Schießscharten in Messene, die ein experimentelles und unausgereiftes Moment darzustellen scheinen, s. Marsden 1969, 127–133; Winter 1971, 173–175; Lawrence 1979, 382 (dessen dortige Bemerkung bezüglich der Türme Messenes: »Slits are rare and only occur interspersed in the courses that contain windows« jedoch unverständlich bleibt. 403 f.: »It may confidently be affirmed that the design of the windows originated by modifying that of slits in no other respect than doubling the width of the mouth«.

31 Marsden 1969, 129 Anm. 4; vgl. vor allem Winter 1971, 173–175 mit Abb. 165 zu den Vorteilen dieses oberen Abschlusses,

der einen steileren Schusswinkel nach unten ermöglicht, bei abfallendem Gelände; s. aber auch Lawrence 1979, 402–410 (mit Taf. 82) zu seiner Funktion als Schutz gegen feindliche Geschosse.

32 Lawrence 1979, 403 mit 416 Abb. 88 (b) geht auch in Chalkis/Ätolien von Fenstern mit (allerdings unregelmäßigen) Spitz-

bögen aus, die aber nicht eindeutig belegbar sind. Evtl. geht der von ihm in den Fensterseiten erkannte Bogenanfang nur auf deren wenig sorgfältige Bearbeitung zurück. F. Noack, Befestigte griechische Städte in Ätolien und Akarnanien, AA 1916, 237–239 mit Abb. 17 rekonstruiert dort dagegen alle Fensterseiten geradlinig.

33 Vgl. auch Winter 1971, 173–175. Lawrence 1979, 402 bezeichnet solche unteren Abschrägungen in Messene als »early ano-

maly (...) probably due to careless work« mit Bezug in Anm. 4 auf Winter 1971, 174 Abb. 165, wo aber erstens sehr deutlich die sorgfältige und mit dem Rest der Schießscharte übereinstimmende Bearbeitung zu erkennen ist, zweitens sieht man durch die Schießscharte hindurch auf die gegenüberliegende Anhöhe, wodurch der Grund für die Abschrägung schon eindeutig gegeben ist: sie ermöglicht einen höheren Schusswinkel und damit einen weiter reichenden Beschuss dieser Anhöhe. Es kann sich also keinesfalls um nachlässige Arbeit handeln, höchstens um ein experimentelles Element in der Frühphase der Reaktion der Fortifikationsarchitektur auf die neuen Errungenschaften der Geschütztechnik.

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auf den ersten Blick erkennen lässt, welches aber an den Einarbeitungen für die Deckenbalken und dem leichten Rücksprung in der Wand zur Auflage der Bodenbretter des Obergeschosses abzulesen ist. In den oberen Räumen der Türme 40 und 41 (Abb. 11; Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 2) gab es echte Fenster, je zwei an den Fronten und Flanken, die in ihrer Größe auch auf frühe nicht-Torsions-Katapultgeschütze hinweisen34. Für diese Fenster hat Lothar Haselberger aufgrund der jeweils oben und unten neben ihnen erkennbaren durch die Turmwand durchgehenden Rinnen seitlich angebrachte Fensterlädenpaare rekonstruiert35. Wahrscheinlich muss man sich im Obergeschoss vier Geschütze aufgestellt denken, während im Erdgeschoss nur zwei Platz fanden. 36 Die beiden Türme östlich des Arkadischen Tores besaßen ein Satteldach, wie an den zum Teil noch vorhandenen Giebelansätzen erkennbar ist (Abb. 11)37, während die westlichen Türme (und damit vermutlich auch Turm 9) ein Pultdach trugen (Abb. 3. 13)38. Direkt neben den Türmen finden sich im Allgemeinen Treppen, die auf der Stadtseite meist von links nach rechts ansteigend auf den Wehrgang führen39.

34 Vgl. auch Lawrence 1979, 383; Adam 1982, 109 Abb. 73; Ober 1987, 575. Die Unterseite der Fenster hat hier eine außerge­

wöhnliche Form: sie schließt nicht wie sonst mit einer Schichtenfuge ab, sonder schneidet zu ca. einem Drittel in die darunter liegende Schicht ein. Vergleichsbeispiele für diese Form der Fensterunterseiten sind bisher nicht bekannt: vgl. Lawrence 1979, 404, der Gründe der Stabilität für die Wahl dieser Form für möglich hält. – Marsdens Bemerkung 1969, 129f. bzgl. Turm 41, »that fortification designers had now learned two most important lessons: first, the most convenient embrasure for tower-mounted catapults is the window (qur…j), not a modified arrow-slit; secondly, the higher the defensive catapults can be placed, the better« ist in doppelter Hinsicht nicht richtig: erstens hat man die bessere Eignung von Fenstern offensichtlich nur für ein Obergeschoss für richtig gehalten, zweitens sind auch die Schießscharten im Erdgeschoss für Nicht-Torsions-Katapultgeschütze gedacht, da sie mit 16–18 cm oder sogar 23 cm äußerer Breite (vgl. Adam 1982, 109 Abb. 73 bzw. Ober 1987, 575), also 6,3–7,1 bzw. 9,1 inches, entgegen der von Marsden auf S. 130 geäußerten Ansicht eben nicht der Größe normaler Schießscharten von 4–6 inches entsprechen, wie er sie selbst 128 Anm. 1 feststellt. Auch Haselberger a. O. (Anm. 4) 100 stimmt Marsden zu, dagegen Lawrence 1979, 383 und ähnlich Ober 1987, 575: »The embrasures appear too wide and high, and the splay is too extreme for arrow slits«.

35 Haselberger a. O. (Anm. 4) 96–102, der Krischens Rekonstruktion der Rinnen als Führungsrinnen für Stangen zum Auf-

stoßen bzw. Zurückziehen von Falläden (Krischen a. O. (Anm. 5) 24 f. mit Abb. 18) revidiert, da die Rinnen keine Schleifspuren solcher Stangen aufweisen, und dieses Verschlusssystem bisher nur für Messene wahrscheinlich macht. S. dazu auch Marsden 1969, 152f. (der 131 allerdings annimmt, die Läden seien nach innen geöffnet worden); Ober 1987, 576 f. mit Abb. 8. Adam 1982, 106 scheint dagegen unten angebrachte, einflügelige Fensterläden anzunehmen. Lawrence 1979, 413 hat bei den Rinnen zweier von Turm 41 heruntergefallener Blöcke beobachtet, dass sie zwar an den Enden rechteckig ausgearbeitet, im mittleren Bereich aber unten abgerundet belassen wurden. Die von ihm genommenen Maße dieser Rinnen betragen 9 × 4 bzw. 10 × 5 cm.

36 Ober 1987, 575 f. mit Abb. 6. Lawrence 1979, 383. 422 rekonstruiert allerdings vier Geschütze in jedem Stockwerk. 37 Haselberger a. O. (Anm. 4) 95–98 zur genauen Rekonstruktion des Daches; vgl. auch Ober 1987, 574–577. Blouet 1831, Taf.

40 mit Legende S. 38 rekonstruierte fälschlicherweise auch hier ein Pultdach mit Zinnen.

38 Haselberger a. O. (Anm. 4) 101–110 mit Taf. 34,2. 35,1. 36,3; Ober 1987, 572–574. Blouet 1831, Taf. 39 hat bei Turm 11

irrtümlich die Balkenlöcher an der West- und Ostseite eingezeichnet, was ihn zu einer falschen Dachrekonstruktion verleitet. Haselberger a. O. 110 äußert ebenfalls die Vermutung, dass auch Turm 9 ehemals mit Pultdach und Zinnenkranz versehen war. Dass es sich bei den Zinnen um Zier- und nicht um Kampfzinnen handelt, hat Haselberger überzeugend dargelegt, denn der Zinnenkranz war insgesamt zu niedrig über dem Dach angelegt, um einem Verteidiger ausreichend Deckung zu bieten. Die Überlegung, dass die Pultdächer gleichzeitig als Kampfplattformen dienten, scheint daher im Allgemeinen unzutreffend: Haselberger a. O. 106–115 (109: »was nicht heißt, dass man von ihnen nicht im Notfall wie auch von jedem Hausdach kämpfen konnte«.) Auch W. Wrede, Phyle, AM 49, 1924, 176 hält die Zinnen der Türme nur für ›Zierzinnen‹. Anders: Blouet 1831, 37, Legende zu Taf. 39, F. II. 38, Legende zu Taf. 41, F. I. II; Winter 1971, 164f.; Lawrence 1979, 230 f. (vgl. aber im Widerspruch dazu 359); Ober 1987, 573 f. Adam 1982, 174 rekonstruiert aufgrund der Balkenund Pfettenlöcher bei den Türmen der Westseite eine obere Kampfplattform, die die halbe Fläche des Turmes einnahm. Allerdings wundert er sich über die Neigung dieser Plattform, die er dann mit dem Schutz der von der Brüstung weiter entfernten Soldaten begründet. Bei Turm 11 und Turm 6 z. B. sind aber noch die stadtseitigen, durch die Breite der Mauer gehenden Pfettenlöcher zu sehen, womit Adams Theorie eindeutig widerlegt ist.

39 Eine Ausnahme, die sicher durch den steilen Anstieg des Geländes zu erklären ist, der eine von links nach rechts führen-

de Treppe erheblich verkürzte, findet sich bei Turm 8. Zu verschiedenen Möglichkeiten der Aufgänge zum Wehrgang s. Winter 1971, 149; zu auf den Wehrgang führenden Treppen und ihrer Richtung Adam 1982, 173.

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Tore und Pforten Von den Toren ist vor allem das Arkadische Tor schon seit langem bekannt und wegen seiner Monumentalität und seines schmuckvollen Mauerwerks berühmt (Beitrag Giese i. d. Bd., Abb. 1; Beitrag Schwertheim i. d. Bd., Abb. 1-2)40. Im Osten kennt man im Sattel zwischen den Bergen Ithome und Eua das sog. Lakonische Tor, von welchem nur eine Wand der südlichen Torhälfte noch erhalten ist, während die nördliche Seite den Hang hinab gestürzt ist41. Der Ausbau der auch heute noch dort entlang führenden Straße im 18. Jh. hat hier sicher sein Übriges getan42. Im Laufe unserer Arbeiten konnten wir noch fünf weitere Tore sichern (vgl. Abb. 1): Das Westtor, für welches aufgrund von Münzfunden durch Ute Schwertheim im Sommer 2006 eine Datierung um die Mitte des 4. Jhs. v. Chr. oder davor wahrscheinlich ist, wird die Verbindung zu einer antiken Route geliefert haben, die möglicherweise von Pylos her durch das westlich davon gelegene Tal nach Norden führte43. Das Südwesttor war schon von manchen älteren Forschern aufgrund von einer Reihe von offensichtlich für Grabmonumente errichteten Sockeln, die eine hindurchführende Straße zu säumen scheinen, an dieser Stelle vermutet worden (Abb. 2, U)44. Dass diese Straße hier wirklich durch die Mauer führte, konnte zuerst durch geophysikalische Untersuchungen im Rahmen eines Projektes der Autorin zum Stadtplan von Messene belegt 40 Vgl. zur großen Bedeutung des Arkadischen Tores als Ausgangspunkt der Straße in Richtung Arkadien und Megalopolis

– und damit auch in die fruchtbare obermessenische Ebene – und einer weiteren Straße über Andania zur Westküste E. Meyer, RE Suppl. XV (1978) 139 (s. v. Messene (3.)). Sein Name ist aus der Antike nicht überliefert, er hat sich aufgrund seiner Lage in der Forschung eingebürgert. Die Identifikation der von Paus. 4, 33, 3 genannten ›Tore‹ (»™n ta‹j pÚlaij«) mit den monumentalen Resten des auch heute noch am Weg nach Arkadien und Megalopolis liegenden Stadttores ist unzweifelhaft. Malerische Ansichten bei Blouet 1831, Taf. 42f. 46f. Die Rekonstruktionen ebenda Taf. 44 f. sind allerdings reine Fantasie. Beschreibungen des Arkadischen Tores in der Literatur: Blouet 1831, 39; Curtius a. O. (Anm. 12) 141; Vischer a. O. (Anm. 12) 446; H. F. Mussche, Monumenta Graeca et Romana II, 2: Civil and Military Architecture (Leiden 1963) 40; J. G. Frazer, Pausanias’s Description of Greece, translated with a commentary III (New York 1965) 430; Kirsten – Kraiker a. O. (Anm. 18) 423; Lawrence 1979, 318. 395 f.; Papachatzis a. O. (Anm. 18) 131; Adam 1982, 90.

41 Hier führt noch heute eine Straße über den Sattel. Pausanias benutzte diesen Weg, der von Lakonien über den Südosten

Messeniens nach Messene führte, von den Pamisosquellen aus (Paus. 4,31), er muss die Stadt daher durch das Lakonische Tor betreten haben. Auch der Name ›Lakonisches Tor‹ ist aus der Antike nicht überliefert, sondern ist in der Forschung wegen seiner Lage am Weg Richtung Pharai und Lakonien üblich geworden: Papachatzis a. O. (Anm. 18) 138, Legende zu Abb. 87. Es ist wahrscheinlich, dass dieses Tor mit dem bei Polybios erwähnten ›Tegeatischen Tor‹ identisch ist, durch das sich Nabis von Sparta nach seinem missglückten Einfall in Messene zurückzog, obwohl der Weg nach Tegea gewöhnlich über Megalopolis und damit durch das Arkadische Tor führte. Polybios selbst (16, 17,1–4) ist jedoch dahingehend zu verstehen, dass das Tegeatische Tor nicht in der Richtung Tegeas lag. Von der Himmelsrichtung her ist es aber am nächstliegenden, das Lakonische Tor mit dem Tegeatischen zu identifizieren, was schon Curtius a. O. (Anm. 12) 142; Roebuck a. O. (Anm. 16) 89 mit Anm. 102 und E. Meyer, RE Suppl. XV (1978) 139 f. (s. v. Messene (3.)) für wahrscheinlich hielten und neuerdings auch P. Themelis, Ancient Messene. Site and Monuments (1998) 6 vermutet, da die anderen größeren Tore auf jeden Fall im südlichen und westlichen Abschnitt der Stadtmauer lagen.

42 Vgl. P. Themelis, Ancient Messene. Site and Monuments (Marousi 1998) 6. 43 M. N. Valmin, Études topographiques sur la Messénie ancienne (Lund 1930) 69 vermutet zwischen antiken Befestigungen

auf dem südwestlich von Messene gelegenen Berg Psoriari und beim Dorf Manganiako eine solche Straßenverbindung. Schon Kirsten – Kraiker a. O. (Anm. 18) 423 erwähnten ein mögliches Westtor, das »im Schutz eines Turms am Weg nach Petralona kaum kenntlich« sei. Auch Curtius a. O. (Anm. 12) hat auf seinem Plan Taf. VI an dieser Stelle ein »vermuthl. Thor« verzeichnet, ebenso H.-P. Drögemüller, Bericht über neuere Ausgrabungen in Griechenland, Gymnasium 68, 1961, Abb. 16 und Papachatzis a. O. (Anm. 18) Abb. 39. S. auch E. Meyer, RE Suppl. XV (1978) 139 (s. v. Messene (3.)).

44 So z. B. Oikonomakis a. O. (Anm. 18), der auf seinem Plan dort eine ›PÚlh‹ verzeichnet; Kirsten – Kraiker a. O. (Anm. 18)

423 mit Abb. 117 (Nr. 11: ›Südwesttor‹). Auch E. Meyer, RE Suppl. XV (1978) 139 (s. v. Messene (3.)) gibt ein ›Südwesttor‹ an, das aber »nur aus den Gräbern davor zu erschließen« sei; vgl. auch a. O. 150. Auch ein Fragment einer Sarkophagwand mit Boukranienfries wurde dort gefunden: Blouet 1831, Taf. 37, VII. Taf. 22, p; s. auch Vischer a. O. (Anm. 12) 448. Die Straße durch das Südwesttor könnte sich mit der durch das Südtor (s. u.) führenden vereinigt und durch die untere messenische Ebene in Richtung Korone und Asine oder auch nach Südwesten in Richtung Pylos und Methone geführt haben. Vgl. allgemein zur Einbindung Messenes in das antike Straßennetz Valmin a. O. (Anm. 43) 69 und die beigegebene Karte; N. G. L. Hammond (Hrsg.), Atlas of the Greek and Roman World in Antiquity (Park Ridge 1981) 14a; Roebuck a. O. (Anm. 16) 120; E. Meyer, RE Suppl. XV (1978) 150 (s. v. Messene (3.)); Grandjean a. O. (Anm. 16) 16; Müth 2007, 11.

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werden45. Im Sommer 2003 war dieses Tor Gegenstand von Reinigungs- und kleineren Ausgrabungsarbeiten der Autorin in Zusammenarbeit mit der griechischen Ausgrabung und wurde im Sommer 2007 schließlich unter Jürgen Giese durch eine Bauaufnahme dokumentiert. Weiterhin konnten wir schon 2004 ein monumentales Südtor entdecken (Beitrag Schwertheim i. d. Bd., Abb. 3-6), dessen Ausmaße sogar das Arkadische Tor übertreffen und das die Hauptverbindung in die südliche Ebene geliefert haben muss. Es ist mit einem großen Kanaldurchlass verknüpft, der zum Vorschein kam, als das Tor im Sommer 2005 durch Ausgrabungen und Bauaufnahmen dokumentiert wurde. 2005 haben wir überdies ein recht kleines Südosttor gefunden, das in der Sommerkampagne 2007 gereinigt und dokumentiert wurde46. Insgesamt fällt bei der Betrachtung der verschiedenen Tore der Stadtmauer Messenes auf, dass sie in Grundrissdisposition und Anlagekonzept eine große Variationsbreite aufweisen47. Die von der topographischen Lage her am meisten überraschende Torentdeckung stellte jedoch 2006 das von uns so genannte Eua-Tor dar, das sich auf dem südlichen Teil eines Grates befindet, der den befestigten Bergrücken südlich des Lakonischen Tores mit dem steil ansteigenden Teil des Berges Eua verbindet. Dieser Grat ist weiter nördlich durch zwei rechteckige Gebäude markiert, die im Wehrzusammenhang gestanden haben könnten (vgl. Abb. 1), doch lässt sich hier keine Mauerlinie verfolgen. Umso mehr verwundert die Lage eines Tores, das durch zwei kleine flankierende Türme und einen ca. 2,5 m breiten Durchgang zwischen ihnen markiert ist, an solch einer Stelle außerhalb des Mauerringes und ohne Kurtinenverbindung zu ihm. Nur nach Süden hin lässt sich im Anschluss ein Mauerzug über eine kurze Strecke verfolgen, der sich jedoch am Berghang verliert und von welchem weder weiter den Eua hinauf, noch entlang seines Abhangs Richtung Südwesten eine Fortsetzung zu finden ist. Das Tor an dieser Stelle muss einen Weg geschützt haben, der von Osten über steiles Gelände heraufkam und auf den nordwestlichen EuaAbhang führte, dessen Zugang kontrolliert werden musste, da er einen Angriff auf die auf der anderen Seite der Schlucht gelegene Stadtmauer ermöglichte. Wie im Sommer 2007 festgestellt werden konnte, waren sowohl ein nördlicher Gipfelvorsprung des Eua als auch dessen Gipfel selbst mit Ringfestungen versehen, wodurch die Abhänge des Berges weiter überwacht werden konnten. Auf diese Weise ergibt sich ein sinnvolles ergänzendes Schutzsystem des gesamten südöstlich vor der Stadtmauer liegenden Geländes. Auffällig ist, dass keines der genannten Tore der Stadtmauer Messenes mit dem rechtwinkligen Straßensystem der Stadt korrespondiert (vgl. Abb. 1). Dies verwundert weniger bei den weit vom bebauten Gebiet entfernten Toren wie dem Arkadischen, dem Lakonischen und dem Westtor, die schon allein aufgrund des dazwischen liegenden unebenen Terrains schwerlich in dieses Raster eingebunden werden konnten, denn beim Südwest-, Süd- und Südosttor, an die die Besiedlung relativ nahe oder sogar direkt heranreichte. Hier bedingten wahrscheinlich wehrtechnische Gründe die gewählte Lage und Ausrichtung der Tore. Dennoch muss betont werden, dass Messene in dieser konsequenten Nichteinbindung der Tore in das städtische Straßenraster eine Ausnahme unter den Städten klassischer Zeit mit regelmäßigen Straßensystemen darstellt48. 45 Vgl. Müth 2007, 277 mit Taf. 1. 46 Hier hatte auch schon die Expédition Scientifique de Morée eine »petite porte« in der Mauer vermerkt (Abb. 2, V), die auf

eine äußere »plate-forme« führe: Blouet 1831, 25, Legende zu Taf. 22,V.

47 Vgl. den Beitrag von U. Schwertheim in diesem Band. 48 Vgl. dazu Müth 2007, 286 f. Auch die von Aristoteles (pol. 1330b) geäußerte Meinung, dass eine regelmäßig angelegte

Fortifikationskunst und Repräsentation an der Stadtmauer von Messene

Abb. 14 Pforte östlich von Turm 6

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Außer den ausgewiesenen Toren gab es noch kleinere Pforten, von denen wir noch fünf feststellen konnten: Die besterhaltene befindet sich in direkter Nachbarschaft des Halbrundturmes 6 (Abb. 14), sie ist mit einem Kragstein-Dreiecksbogen überdeckt und lässt keinerlei Anzeichen für eine Verschlussmöglichkeit erkennen 49, eine ebensolche Pforte befand sich östlich von Turm 41 und ist heute verstürzt. Weiterhin konnte Jürgen Giese 2004 bei der Bauaufnahme am südlichen Ende des gut erhaltenen Nordwestteils der Stadtmauer zwischen den Türmen 11 und 12 eine Pforte ermitteln, die jedoch nach oben offensichtlich nicht durch einen Dreiecksbogen abgeschlossen wurde. In Größe und Aufbau nicht mehr rekonstruiert werden kann eine ehemalige Pforte direkt nördlich von Turm 9, da hier die moderne Straße nach Petralona durch die Mauer gebrochen wurde. Eine fünfte Pforte konnten wir in der Kurtine direkt westlich der Festung am Lakonischen Tor entdecken.

Diese Situation lässt nicht auf eine systematische, engmaschige Verteilung von Pforten schließen und spricht eher für ein passives Verteidigungskonzept50.

Stadt es dem Feind leichter mache, sie zu erstürmen, da er sich in ihr einfach zurechtfinden konnte, könnte bei der absichtsvollen Nichteinbindung der Tore eine Rolle gespielt haben. 49 Vgl. zu dieser Pforte auch Blouet 1831, 38 mit Taf. 41 F. I–II und A. Rathke, Griechische Kragsteintore. Typologie, Kon-

struktion und Verbreitung vom 6. – 2. Jahrhundert v. Chr. (Rahden/Westf. 2001) 50 f. mit Taf. 17,1. Frühere Pforten dieser Art, allerdings mit leicht spitzbogenartigem Abschluss, findet man in der Stadtmauer von Samos: H. J. Kienast, Samos XV: Die Stadtmauer von Samos (Bonn 1978) 55–64 mit Taf. 19; Rathke a. O. 42 f., eine chronologisch mit Messene wohl ungefähr vergleichbare in Oiniadai: Adam 1982, 103 Abb. 137; Rathke a. O. 43 f. mit Taf. 14,2. Ähnlichkeit mit der Bauweise der Pforten in Messene haben auch zwei Turmeingänge in der hellenistischen Stadtmauer von Doura-Europos (F. Cumont, Fouilles de Doura-Europos, 1922–1923 (1926) 9 mit Abb. 3 u. Taf. XIII; McNicoll a. O. (Anm. 27) 94) und ein allerdings mit 2,40 m viel breiteres und evtl. auch verschließbares Tor in der Stadtmauer von Kaunos (A. Maiuri, Escursioni nella Caria. Rovine di Caunos, ASAtene 3 ,1916–20, 269 Abb. 123; McNicoll a. O. (Anm. 27) 194). Weitere Vergleichsbeispiele s. Rathke a. O. 42–76, der 149 f. kurz auf die Formentwicklung der Dreieckstirn eingeht. Zu Pforten allgemein: Winter 1971, 234–252; Lawrence 1979, 335–342; Adam 1982, 93–98. Winter 1971, 239 erkennt seit Ende des 5. Jhs. mit dem Aufkommen der Geländemauer eine wachsende Tendenz zur Anlage solcher Ausfallpforten, die im 4. Jh. immer üblicher werden, allerdings ist seine Angabe, dass sich in der Mauer Messenes in der Umgebung der Nordwestecke im Abstand von 0,2 km von der oben beschriebenen eine weitere Pforte befunden haben sollte, nicht nachvollziehbar. Rathke a. O. 51 argumentiert mit dieser nicht zutreffenden Annahme, wenn er die Funktion als Ausfallpforte, nicht als Durchlass für einen Weg, deutlich machen will.

50 Auch Pimouguet-Pédarros a. O. (Anm. 28) 59 beobachtet für Kleinasien, dass in vorhellenistischen Mauern Pforten

eher zur Verbindung der ummauerten Stadt mit der Chora gedient haben und höchstens noch dazu gedacht waren, die Nachteile einer Geländemauer auszugleichen, indem sie den Verteidigern ermöglichten, eine auf einem abgelegenen Sektor lancierte Attacke zu parieren.

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Wasserdurchlässe

Abb. 15 Wasserdurchlass östlich des Südtores mit Konsolen

Vor allem im Südwesten und Süden wurde außerdem eine Anzahl von Wasserdurchlässen benötigt: Ein Bachdurchlass in der südlichen Hälfte der Westmauer wurde von der Expédition Scientifique de Morée noch in einem eindrucksvollen Erhaltungszustand gezeichnet, ist jedoch heute nur noch in zwei Schichten über der Fundamentkante erhalten51. Ein weiterer muss im Südwesten gelegen haben, wo ein Bach die Mauerlinie schneidet, doch ist hiervon, wie auch von der Kurtine beiderseits fast nichts mehr erhalten. Südlich des Stadions befindet sich in den untersten Schichten der Mauer ein mit einer Konsole verzierter Wasserdurchlass, ein groß angelegter, ebenfalls mit Konsolen unter dem Sturz geschmückter Kanalaustritt liegt, wie schon angeführt, direkt östlich des Südtores, und nur ca. 30 m weiter im Osten bildet die Mauer einen weiteren Bachübergang aus, an dem sich wiederum Konsolen unter dem Sturz beobachten lassen, wobei die westliche noch in situ ist, während die östliche in die schmale Öffnung gestürzt ist (Abb. 15).

Material

Abb. 16 Mauerabschnitt aus Psammit östlich von Turm 4 in schlechtem Erhaltungszustand

Bisher wurden vor allem die gut erhaltenen Abschnitte der Stadtmauer beschrieben und miteinander verglichen, also die Sektoren im Nordwesten und um das Arkadische Tor sowie auf den Graten und der Ringmauer des Ithome. Auf diesen Strecken besteht das Mauerwerk aus einem sehr harten Kalkstein. Dass der Erhaltungszustand des Zwischenstücks von einer Stelle wenige Meter östlich des Turmes 6 an bis zur Anhöhe direkt westlich des Arkadischen Tores, des südlichen Teiles der Westmauer sowie großer Teile des südlichen Abschnitts dagegen mehr als prekär ist

51 Blouet 1831, Taf. 38, Abb. II mit Legende S. 37. Der heutige Zustand wurde dokumentiert unter P. Themelis, Prakt 1987,

98 mit Abb. 19.

Fortifikationskunst und Repräsentation an der Stadtmauer von Messene

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(s. Abb. 16), hat seinen Grund vor allem im verwendeten Material, und damit sollen einige Ergebnisse aus der Arbeit Jean-Claude Bessacs kurz referiert werden: Die genannten Partien sind größtenteils aus Psammit errichtet, einem weichen und extrem witterungsanfälligen Mikrokonglomeratgestein, das aus kleinsten Kalksteinpartikeln besteht. Nur Wehrgang und Brüstung, Wasserdurchlässe und manche Torpartien sind auf diesen Sektoren aus Gründen des Witterungsschutzes aus hartem Kalkstein errichtet; diese Elemente findet man hier noch im Versturz im Gelände liegen, manchmal als einzige übrig gebliebene Zeichen des Mauerverlaufs. Aber auch die auf den verschiedenen besser erhaltenen Abschnitten verwendeten Varietäten harten Kalksteins unterscheiden sich in ihren technischen Charakteren und damit ihren Bruch- und Bearbeitungseigenschaften oft enorm, womit wiederum die jeweiligen Mauerwerksformen elementar zusammenhängen, wie Jean-Claude Bessac feststellen konnte. So wurde z. B. auf der Festung südlich des Lakonischen Tores und teilweise auch auf dem Ithome und seinen Hängen ein gegen jegliche Bearbeitung extrem widerspenstiges Material verwandt, was relativ unregelmäßiges Mauerwerk und schlechte Fugenschlüsse zur Folge hatte. Auch die trapezoidalen Mauerwerksformen gehen oft nur auf die optimale Ausnutzung des aus dem Bruch kommenden Gesteins zurück, das entlang natürlicher Risse und Spalten im Gesteinsvorkommen gebrochen wurde, und stellen kein bewusst gewähltes Stilmittel dar. Damit wird deutlich, dass man hier keinesfalls verschiedene Mauerwerksformen als Indiz für chronologische Unterschiede werten kann, sondern in Zusammenhang mit dem jeweils verwendeten Material sehen muss. Dass an repräsentativen Stellen wie vor allem um das Arkadische Tor bewusst ein schon im Vorkommen in regelmäßigen Schichtungen anstehendes Gestein gewählt wurde, um ein besonders einheitliches Mauerwerk zu erzielen, ist dabei jedoch deutlich hervorzuheben. Bei der Materialwahl spielten offenbar möglichst kurze Transportwege eine große Rolle: Meist wurde das Gestein verwendet, das jeweils in nächster Nähe der Baustelle einfach zu brechen war. So wurden an vielen einzelnen Stellen der Ithome-Abhänge an der Oberfläche kleinere Mengen von Blöcken gewonnen und hier auch eine große Zahl von Findlingen benutzt, wodurch keine große Regelmäßigkeit des Mauerwerks erzielt wurde. Das Steinmaterial für den Sektor um das Arkadische Tor muss jedoch aufgrund der zu beobachtenden Schichtenkontinuitäten in einem größeren Steinbruch systematisch abgebaut worden sein. Hierfür kommt am ehesten das Gebiet direkt innerhalb der Mauer östlich des Arkadischen Tores in Frage, wo aber heute landwirtschaftliche Terrassierungen alle Spuren verdecken. Am Berg Eua gibt es zwar auch einige größere Kalksteinbrüche, die jedoch auch neuzeitlich genutzt wurden, so dass kaum mehr feststellbar ist, in welchem Rahmen hier in der Antike abgebaut wurde. Psammit steht erst in einer Entfernung von ca. 5 km Luftlinie südlich von Messene in mehreren Varietäten an, was mit seiner Verwendung hauptsächlich in der südlichen Hälfte der Anlage korrespondiert, wo kein Kalkstein im direkt darunter liegenden Substrat ansteht. Sein Transport über diese Entfernung lohnte sich nach Jean-Claude Bessac, da er im Vergleich zum Kalkstein um ca. 25% leichter ist, vor allem aber, da seine Bearbeitungszeit nur ca. ein Viertel derjenigen des harten Kalksteins beansprucht. Diesen viel besseren Abbau- und Bearbeitungseigenschaften ist auf den Psammitpartien auch eine hohe Qualität der Steinbearbeitung zu verdanken, sowie die Tatsache, dass ein großes Maß an Regelmäßigkeit im Mauerwerk zu beobachten ist, die sogar bis hin zum Phänomen der Normierung bei Quaderabmessungen geht.

Abb. 17 Antiker Psammitsteinbruch in der Nähe des Dorfes Kalojerorachi südlich von Messene

Allerdings ist nur noch ein antiker Psammitsteinbruch heute zu identifizieren (Abb. 17), der bei weitem nicht das gesamte in der Stadtmauer verbaute Psammitmaterial liefern konnte, welches zudem auch noch andere, dort nicht abgebaute Varietäten aufweist. Für einen zweistöckigen Turm wie Turm 40 oder 41 östlich des Arkadischen Tores (Abb. 11) hat Jean-Claude Bessac mit Hilfe von eigenen Steinbearbeitungsexperimenten an einem Findling aus hartem Kalkstein die Gesamtdauer der Steinbearbeitungszeit ermittelt 52: Ein einzelner Handwerker hätte hierfür – allerdings ohne freie Tage – ein ganzes Jahr gebraucht, da aber drei bis vier Handwerkerhände an einem der Türme zu beobachten sind, beläuft sich für diese die Bearbeitungszeit auf drei bis vier Monate.

Datierung, Funktion und Semantik Betrachtet man das so gezeichnete Gesamtbild der Stadtmauer Messenes, gewinnt man nicht unbedingt den Eindruck, dass es sich um eine einheitlich geplante Anlage handelt, sondern vielmehr um ein Konstrukt aus vielen in sich verschiedenen Einzelabschnitten, wenn auch in Teilen durchaus monumental und repräsentativ ausgestaltet. Wie schon bemerkt, dürfen jedoch die unterschiedlichen Formen nicht dazu verleiten, vorschnell aus ihnen chronologische Unterschiede 52 Die hierfür notwendigen Fertigkeiten bringt er dabei in seiner zusätzlichen Qualifikation als Steinmetz mit.

Fortifikationskunst und Repräsentation an der Stadtmauer von Messene

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abzuleiten. Die Mauerwerksformen hängen ganz unmittelbar mit dem gewählten Steinmaterial zusammen, die konstruktionstechnischen Varianten sind jeweils an vielen verschiedenen Partien des Mauerrings zu beobachten, gehen gleitend ineinander über und bilden Mischformen53. Einzig auf der Südseite des Stadions, wo in augusteischer Zeit der Mauerverlauf für die Errichtung des Podiums eines Grabmonumentes durchbrochen und ein beträchtliches Stück bis auf die untersten Schichten abgerissen und neu wieder hochgezogen wurde54, und auf der östlichen Seite der Ithome-Ringfestung gibt es klare Indizien für spätere Bauphasen; innerhalb der Festung südlich des Lakonischen Tores ist die Situation noch nicht vollends geklärt. Versucht man, die einzelnen konstruktiven Elemente der Stadtmauer Messenes in die Gesamtentwicklung griechischer Fortifikationskunst einzuordnen, kommt man zu folgenden Ergebnissen: Wie Lars Karlsson überzeugend gezeigt hat, wurden die verschiedenen Formen des emplektonMauerwerks – sowohl die Bauweise mit unregelmäßig angeordneten Bindern als auch diejenige mit inneren Kompartimentmauern – offensichtlich in der Zeit des Epaminondas aus Sizilien übernommen und wohl von thebanischen Baumeistern im griechischen Mutterland eingeführt, so dass sich aus den konstruktiven Unterschieden in der Kurtinenbauweise a priori keine chronologischen Implikationen gewinnen lassen55. Die Türme der Stadtmauer Messenes reihen sich trotz ihrer Unterschiede alle aufgrund ihrer Dimensionen und der Größe und Anlage ihrer Öffnungen in die frühe Phase einer ersten Generation von Katapultgeschütztürmen ein, die im zweiten Viertel des 4. Jhs. v. Chr. anzusiedeln ist, wie Josiah Ober bei seiner überregionalen Vergleichsstudie plausibel machen konnte56. Ebenfalls entsprechen die Anlagekonzepte der Tore sehr gut dem allgemeinen Entwicklungsstand griechischer Hoftore im mittleren 4. Jh. v. Chr57. Frederick Cooper hat zudem meiner Meinung nach ganz richtig auf die enge Verwandtschaft der Mauer Messenes mit anderen thebanischen Befestigungswerken dieser Zeit verwiesen58. 53 Vgl. auch Karlsson 1992, 75. 54 S. dazu ausführlich Müth 2007, 119–124. 55 Karlsson 1992, 72–76. 56 Diese Türme eigneten sich generell nur für relativ kleine Katapultgeschütze ohne Torsionstechnik, die Pfeile oder kleine

Steine schießen konnten und gegen Personen eingesetzt wurden. Dies entspricht auch der historischen Überlieferung von der Verletzung des Demetrios Poliorketes durch einen Katapultgeschützpfeil vor den Mauern Messenes kurz nach der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. (Plut. Demetrios 33). Auch mit ihrer geringeren Mauerstärke sind die Türme noch nicht auf die viel stärkeren Torsiongeschütze, deren Technik mit Alexander dem Großen voll entwickelt und verbreitet wurde, eingerichtet: Ober 1987, 569–604, bes. 596–604. Vgl. zur Entwicklung der Wehrtechnik auch Garlan 1974, 212–278; Lawrence 1979, 47, der ebenso wie Ober von der Entwicklung der großen Schießscharten in den Türmen Messenes für frühe Steinschleudern ausgeht. Marsden 1969, 138 f. ordnet die Türme 11 und 41 zwei aufeinander folgenden Entwicklungsphasen von Artillerietürmen zu. Lawrence 1979, 384 f. nennt noch zwei Türme aus Lilaia und Tithoreia (beide Phokis), die mit Turm 41 vergleichbar sind und ins 3. Viertel des 4. Jhs. v. Chr., möglicherweise sogar noch früher datieren.

57 S. auch den Beitrag von U. Schwertheim in diesem Band. Auf die Vergleichbarkeit des Arkadischen Tores mit anderen

griechischen Hoftoren der ersten Hälfte oder Mitte des 4. Jhs. v. Chr. bin ich auch ausführlich eingegangen in: S. MüthHerda, Topographie und Stadtplan von Messene in spätklassischer und hellenistischer Zeit (Diss. FU Berlin 2005) 106 f.

58 F. A. Cooper, The fortifications of Epaminondas and the rise of the monmental Greek city, in: J.D. Tracy (Hrsg.), City

Walls: The Urban Enceinte in Global Perspective (Cambridge 2000) 155–191, bes. 179–191; vgl. auch ähnlich Camp II a. O. (Anm. 3) 44–46. Auch wenn man die Zugehörigkeit mancher der von Cooper als thebanisch klassifizierten Befestigungen zu Recht mit Vorsicht betrachten mag – seine und Camps Argumente (a. O. 46) für Eleutherai als von den Thebanern errichtetes Fort halte ich indes für überzeugend –, sind die sicher unter Theben oder thebanischem Einfluss entstandenen Befestigungen ausreichend, um diese Ähnlichkeiten zu konstatieren. Auch Ober 1985, 131 f. stellte schon fest, dass in den ersten zwei Dritteln des 4. Jhs. v. Chr. der ›Rustikamauern style‹ aufkommt, den er in Anlehnung an W. Wrede benennt, und der den Stil beschreibt, der in eben jenen besprochenen Befestigungen großflächig verwendet wird, wenn auch manchmal mit anderen Stilen kombiniert: trapezoidal-isodomes Mauerwerk mit bossierten Sichtflächen, die teilweise mit einer senkrechten Riffelung dekoriert sind, und normalerweise, aber nicht immer, mit Ecklehren versehene Ecken. Ober bezieht diesen Stil zwar auf attische Forts, doch die frühsten der von ihm genannten sicher datierten Beispie-

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Insgesamt scheint die Mauer Messenes daher – wenn auch nicht einem einheitlichen Gesamtentwurf folgend – doch in ein und derselben Phase entstanden zu sein, und zwar, wie ja auch aus historischen Gründen einzig sinnvoll zu schließen, direkt nach der Stadtgründung 369 v. Chr59: Es wäre geradezu unvorstellbar, dass man eine Stadt wie Messene, die das Feindbild schlechthin für die gerade gedemütigten und um einen sehr großen Teil ihres Herrschaftsgebietes beraubten Spartaner darstellen musste, von daher also eine große und ständige Bedrohung vor Augen hatte, zunächst ohne schützende Stadtmauer aufgebaut hätte60. Dies entspricht auch der Aussage von schriftlichen Quellen wie vor allem Pausanias (IV,27,5–7). Wegen der unmittelbaren Gefahr, die von Sparta weiterhin ausging, musste die Mauer in möglichst kurzer Zeit entstehen, und hierin finden wir wohl die Erklärung für ihre uneinheitliche Gestalt: Man hat offensichtlich gleichzeitig an verschiedenen Abschnitten gebaut, und das mit verschiedenen Gruppen von Spezialisten, die offenbar auch Entscheidungsfreiheiten hinsichtlich der konstruktiven Ausführung und dem Experimentieren mit neuen Erkenntnissen der Fortifikatorik hatten. Einheitliche Prinzipien können wir daher nur auf einer übergeordneten Ebene finden: Einerseits sind dies die schon mehrfach erwähnten Bemühungen um ökonomische Effizienz, die jedoch auf der anderen Seite auch durch deutliches Streben nach schmuckvoller und repräsentativer Ausgestaltung kontrastiert werden: Mit einer senkrechten, auf Lücke gesetzten Riffelung dekorierte Blöcke finden sich nicht nur am Arkadischen Tor, wo diese Dekorationsform sowohl die Blöcke des durch seine feine Steinbearbeitung herausstechenden Innenhofes61 als auch die der Außenseite ziert, sondern auch auf den Türstürzen des Turmes 11 auf der Westseite 62 und auf nahe Turm 22 auf der Südseite des Mauerverlaufs im Versturz gefundenen Kalksteinblöcken, möglicherweise ebenfalls Türstürzen. Ebenso lassen sich Konsolen nicht nur als Zierkonsolen an der Stadtseite des Arkadischen Tores beobachten, sondern auch als schmuckvolle tragende Elemente unter den Stürzen der Wasserdurchlässe auf der Südseite des Mauerrings. Zierbossen schmücken sowohl das Mauerwerk am Arkadischen Tor als auch jenes am Südtor, und generell kann man an sehr vielen Stellen eine besondere Sorgfalt der Steinbearbeitung erkennen. Die betont hohe Regelmäßigkeit des Mauerwerks an besonders gut sichtbaren Bauten oder stark frequentierten Zonen der Mauer wurde schon hervorgehoben. Wir können also nicht umhin, die repräsentative Funktion des Monumentes wahrzunehmen und zu deuten. So ist die Messenische Mauer sicherlich einerseits als thebanisches Werk zu lesen, das Gründerstolz, Macht und Fortifikationskunst der aufstrebenden Böoter inszeniert. Andererseits le, die alle in die erste Hälfte des 4. Jhs. v. Chr. fallen, sind thebanischen Ursprungs: Tanagra, Mantineia, Messene und Chorsiai. Es scheint, dass Cooper Recht hat und eben dieser Stil ein ureigenes Element des thebanischen Befestigungswesens darstellt und später erst von anderen Erbauern übernommen wurde. 59 Eine Datierung der gesamten Mauer in die Jahre direkt nach 369 vertreten auch F. A. Cooper, Epaminondas and Greek

Fortifications, AJA 90, 1986, 195; C. Habicht, Pausanias und seine »Beschreibung Griechenlands« (München 1985) 50; D. Musti – M. Torelli, Pausania. Guida della Grecia IV (Milano 1991) 252; Ober 1987, 572f.; Lawrence 1979, 384; Karlsson 1992, 74–76.

60 So auch C. A. Roebuck, A History of Messenia from 369 to 146 BC (1941) 27; M. Cary, CAH 6 (Cambridge 1927) 90; J.

Buckler, The Theban Hegemony. 371–362 BC (1980) 87. Lawrence 1979, 384 weist außerdem zu Recht darauf hin, dass Messene im 3. Jh. wohl kaum die Mittel für einen größeren Umbau seiner Mauern hatte und zu dieser Zeit kein Hinweis auf auswärtige Unterstützung vorliegt.

61 Beschreibungen dieses Mauerwerks bei Leake a. O. (Anm. 12) 373 (»the most exact and beautiful I ever saw«),Curtius a.

O. (Anm. 12) 141 und Frazer a. O. (Anm. 40) 430, die wie auch Vischer a. O. (Anm. 12) 446 sogar noch neun Lagen des oberen isodomen Mauerwerks beobachten konnten, während heute nur noch sieben erhalten sind.

62 Vgl. auch Adam 1982, 32. 175.

Fortifikationskunst und Repräsentation an der Stadtmauer von Messene

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kann es kein Zufall sein, dass gerade in Messene ein solch monumentales und repräsentatives Bauwerk ganz aus Stein errichtet wurde, das noch Pausanias durch seine imposante Stärke beeindruckte, während die etwa gleichzeitigen und ebenfalls unter thebanischer Ägide errichteten Mauern in Mantineia und Megalopolis beispielsweise Lehmziegelmauern auf Steinsockeln waren. Und hier kommt die spezielle messenische Geschichte ins Spiel, in deren Licht wir die Mauer wohl verstehen müssen: Viele der eigens zusammengerufenen Bewohner der neuen Hauptstadt waren in Wirklichkeit alles andere als Messenier, sie kamen aus weit verstreuten Landen aus Jahrhunderte langem Exil zurück und hatten den Bezug zu ihrer ursprünglichen Abstammung wahrscheinlich schon längst zum großen Teil verloren oder stammten sogar aus ganz anderen Bevölkerungsgruppen. Daher musste eine ethnische Identität sozusagen neu kreiert werden, und es bedurfte starker Symbole der Identifikation mit dem neuen Gemeinwesen63. Was wäre geeigneter, die Bevölkerung einer neuen Stadt zu vereinen und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit zu erzeugen, was wäre ein stärkeres Symbol neu gewonnener Unabhängigkeit und damit auch gemeinschaftlicher Identität als eine repräsentative Stadtmauer? Daher haben wir es hier nicht nur mit einer höchst effizienten Verteidigungsanlage zu tun, in die die Erkenntnisse neuester Fortifikationskunst eingeflossen sind, sondern auch mit einem machtvollen und repräsentativen Zeichen neu erstandener messenischer Identität.

Messene kent surlarında savunma sanatı ve temsil konusu Mükemmel korunagelmiş durumuyla, kentin en görkemli yapısı olan Messene surları, MÖ 369 yılında Thebai’lilerin öncülüğünde Sparta’dan kurtarılan Messeneliler tarafından yapılmıştır. Freie Universität Berlin’in, Berlin Teknik Üniversitesi, RWTH (Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen ve Fransa’dan CNRS (Centre National de la Recherche Scientifique) kurumlarıyla ortaklaşa yürüttüğü bir proje ile, anıtın ayrıntılı bir şekilde belgelenmesine ve değerlendirilmesine başlanmış olup aynı zamanda yakın çevredeki tahkimat destek yapıları ve kullanılan malzemeler ile taşocakları da bu bağlamda ele alınmaktadır. Messene kent surunda, biçim ve teknik açıdan her bölüm bir bütünlük göstermiyorsa da, kentin kurulmasının ardından bir defada inşa edildiği ve yapımında hem ekonomik ilkelerin hem de güçlü temsili amaçların hakim olduğu görülmektedir. Bu nedenle kent suru, öncelikle Sparta tehditine karşı, en son savunma teknikleriyle inşa edilen, yalnızca çok etkili bir savunma yapısı değil, aynı zamanda yeni kazanılmış bir Messene kimliğinin simgesi olarak da anlaşılmalıdır.

Abbildungsnachweis 2 Blouet 1831, Taf. 22. Alle anderen Abbildungen von der Autorin.

63 Paus. 4, 26, 5. 27, 8; Diod. 14, 78, 5–6, 15, 66, 1. 6. Vgl. Roebuck a. O. (Anm. 16) 33 f.; E. Meyer, RE Suppl. XV (1978) 265

(s. v. Messenien); G. Dipersia, La nuova popolazione di Messene al tempo di Epaminonda, Contributi dell’Istituto per la storia antica II (1974); Buckler a. O. (Anm. 16) 87; D. Asheri, La diaspora e el ritorno dei Messeni, in: Tria corda. Scritti in onore di A. Momigliano, Como 1983, 27–42; A. Panagopoulos, Apell£gesan ek thj Ell£doj. H tÚch twn arca…wn Messhn…wn thj diaspor£j, Platon 27, 1975, 263–268; Grandjean a. O. (Anm. 16) 51. 56f.; N. Luraghi, Becoming Messenian, JHS 122/123, 2002/03; N. Luraghi, Messenische Kulte und messenische Identität in hellenistischer Zeit, in: K. Freitag – P. Funke – M. Haake (Hrsg.), Kult – Politik – Ethnos. Überregionale Heiligtümer im Spannungsfeld von Kult und Politik. Colloquium Münster 2001 (Stuttgart 2006); N. Luraghi, The Ancient Messenians. Constructions of Ethnicity and Memory (Cambridge 2008). Vgl. dazu auch ausführlich Müth 2007, 14–18. 293–297.



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