Fadenkreuz (Wörterbuch kinematografischer Objekte)

June 30, 2017 | Author: Dietmar Kammerer | Category: Film Studies, Film and Media Studies, Filmwissenschaft, Filmstil
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Kinematografsche Objekte A–Z

Fadenkreuz – Das Fadenkreuz ist eine Markierung auf der Innenseite des Okulars optischer Instrumente und dient dem Erfassen und Vermessen von Objekten im Sichtfeld. Die Markierung kann (materiell) aus dünnen Fäden bestehen, auf fotografschem Weg aufgebracht werden oder (imma36

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Fadenkreuz – Das Fadenkreuz ist eine Markierung auf der Innenseite des Okulars optischer Instrumente und dient dem Erfassen und Vermessen von Objekten im Sichtfeld. Die Markierung kann (materiell) aus dünnen Fäden bestehen, auf fotografschem Weg aufgebracht werden oder (imma36

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teriell) in das Glas eingraviert/eingeätzt werden. Das einfache bzw. doppelte Fadenkreuz stellt nur eine Variante möglicher Markierungen dar, die immer aus einer Anordnung von horizontalen und vertikalen Linien bestehen. Im wissenschaftlichen Einsatz werden Fadenkreuze (fachsprachlich: „Strichplatten“) in Teleskopen (Astronomie) verwendet zur Beobachtung und Vermessung sehr großer, sehr weit entferner Objekte (Ausdehnung, Position, Distanz), in der Mikroskopie zur Untersuchung sehr naher, sehr kleiner Objekte. Im wafentechnischen Einsatz (Sportschützen, Jagd, Militär) dienen Fadenkreuze in Zielfernrohren (fachsprachlich: „Absehen“) dem Verfolgen und Anvisieren eines Ziels (Pappscheiben, Tiere, Menschen). Das Fadenkreuz ist ein paradoxes Objekt: Es muss sichtbar vorhanden sein, darf das Sichtfeld aber keinesfalls verdecken oder als wirklich vorhandener Gegenstand darin wahrgenommen werden. Es führt in Teleskopie und Mikroskopie zur Hervorbringung weiterer (epistemischer) Objekte, in Wafentechnik zu Zerstörung

und Auslöschung. Es hält eine mithin ambivalente Stellung zwischen Erkenntnis und Vernichtung, Wissenschaft und Krieg, Kopf und Kragen. In der Kinematografe dient das Fadenkreuz in Video-AssistSystemen der Ausrichtung der Filmkamera auf die Elemente der Szene. Während es bei Dreharbeiten die Mitte des Bildausschnittes defniert, bleibt es in der Rezeption für den Zuschauer notwendig unsichtbar. Es ist weder Teil des vorflmischen Raumes noch des Filmbildes und steht dennoch im Zentrum des flmischen Apparates. Es verweist auf die vermessenden, erkennenden Aspekte der Kinematografe ebenso wie auf den Umstand, dass bei Dreharbeiten Objekte vor eine Kamera gestellt werden, die erst ,geschossen‘ und anschließend weggeworfen, zerstört oder eingemottet werden. In der Kinematografe ist das Fadenkreuz ein Objekt, das sich selbst auslöscht. Als flmisches Motiv ist ein eingeblendetes Fadenkreuz die starke Markierung eines subjektiven Blicks. Ein flmisches Fadenkreuz ist ein Hinweis auf ein Zielfern37

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rohr, eine Wafe und einen Schützen am Abzug. Es setzt die Präsenz von jemandem, den wir nicht sehen können, dessen Sehen und Handeln wir aber auf eine Weise verfolgen (in der Beobachtung einer Beobachtung), als wäre es unser eigenes. Dramaturgisch stellt sich die Frage: Wird ein Schuss erfolgen? (Wen) wird er trefen? Das ist die Spannung, die uns im Sitz hält. Das steht im Konfikt mit einem ethischen Dilemma: Wieso verhindern wir den Schuss nicht? Eine noch zu beweisende Vermutung: Fadenkreuze tauchen auf der qLeinwand nur dann auf, wenn der, der den Finger am Abzug hat, der Böse ist. Helden brauchen kein Fadenkreuz, siehe Targets (1968) und Shooter (2007). Dietmar Kammerer Literatur: Bredekamp, Horst; Schneider, Birgit; Dünkel, Vera (Hg.): Das technische Bild. Kompendium zu einer Stilgeschichte wissenschaftlicher Bilder, Berlin: Akademie 2008. Anon.: Art. „Fadenkreuzokular“, in: Wikipedia, http://de.wikipedia. org/wiki/Fadenkreuzokular (29.4.2014).

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