Evaluation einer multimodalen Schmerztherapie am UniversitätsSchmerzCentrum Dresden

June 16, 2017 | Author: Karin Pöhlmann | Category: Psychotherapy, Pain, Fear, Quality of life, Group Psychotherapy, Comorbidity, Germany, Humans, Chronic Disease, Female, Male, Young Adult, Follow-up studies, Depressive Disorder, Clinical Sciences, Aged, Day Care, Middle Aged, Adult, Patient Care Team, Pain Measurement, Comorbidity, Germany, Humans, Chronic Disease, Female, Male, Young Adult, Follow-up studies, Depressive Disorder, Clinical Sciences, Aged, Day Care, Middle Aged, Adult, Patient Care Team, Pain Measurement
Report this link


Description

Originalien Schmerz 2009 DOI 10.1007/s00482-009-0827-0 © Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. Published by Springer Medizin Verlag - all rights reserved 2009

A. Schütze1 · U. Kaiser1 · U. Ettrich1, 2 · K. Große1 · G. Goßrau1, 3 · M. Schiller1 · K. Pöhlmann4 · K.  Brannasch1, 5 · R. Scharnagel1, 6 · R. Sabatowski1, 6 1 Universitäts SchmerzCentrum, Universitätsklinikum „Carl Gustav Carus“, Technische Universität Dresden 2 Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Universitätsklinikum Dresden 3 Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Dresden 4 Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinikum Dresden 5 Universitäts PhysiotherapieZentrum, Universitätsklinikum Dresden 6 Klinik für Anaesthesiologie und Intensivtherapie, Universitätsklinikum Dresden

Evaluation einer multimodalen Schmerztherapie am UniversitätsSchmerzCentrum Dresden

Hintergrund und Ziele Neueren Erhebungen und Umfragen zufolge gibt es in Deutschland ca. 11 Mio. Menschen, die unter chronischen Schmerzen leiden, jeder dritte deutsche Erwachsene ist davon betroffen [3]. Diese Zahlen machen deutlich, dass in Deutschland ein hoher Bedarf an schmerztherapeutischen Einrichtungen besteht. Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte auf diesem Gebiet zeigten auf, dass sich multimodale Behandlungsprogramme nach dem Konzept der „functional restoration“ gegenüber früheren, unimodalen Programmen als deutlich überlegen erwiesen. Vor allem bei Patienten mit chronischen Rückenschmerzen haben diese Programme ihre Effektivität bewiesen [18]. Verschiedene Studien und Metaanalysen führten zu Ergebnissen, die sowohl für die kurzfristige als auch für die langfristige Wirksamkeit multimodaler Schmerztherapie sprechen, jedoch sind die untersuchten Therapieprogramme zumeist diagnoseabhängig [7, 9, 12, 17] oder beschränken sich auf bestimmte Altersgruppen [10, 14]. Etwa 50% aller chronischen Schmerzpatienten leiden an wirbelsäulenassoziierten Schmerzen – die andere Hälfte der Schmerzdiagnosen bezieht sich u. a. auf Kopfschmerzen, Gelenkschmerzen oder multilokuläre Schmerzen. Auch Patienten mit wirbelsäulenunabhängigen

chronischen Schmerzen bedürfen häufig einer spezialisierten Schmerztherapie, um Chronifizierung vorzubeugen. Gerade in diesem Bereich gibt es allerdings bisher nur wenige Publikationen. Eine aktuelle deutsche Studie beschreibt die Wirksamkeit eines diagnoseunabhängigen, multimodalen Verfahrens im Rahmen von Kleingruppen und zeigt, dass mithilfe einer multimodalen Schmerztherapie sehr gute und auch stabile Behandlungsergebnisse bei chronischen Schmerzpatienten erzielt werden können [19]. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirksamkeit einer multimodalen, diagnoseunabhängigen Schmerztherapie bei größeren Behandlungsgruppen (>8 Patienten) zu überprüfen. Darüber hinaus interessierte die Fragestellung, ob das interdisziplinäre Konzept für verschiedene Schmerzstörungen ähnliche oder unterschiedliche Behandlungserfolge zeigt.

Multimodale Schmerztherapie am UniversitätsSchmerzCentrum (USC) Dresden Die Tagesklinik am USC Dresden wurde 2004 als gemeinsames Projekt 4 verschiedener Fachkliniken (Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Klinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Klinik für Orthopädie und Klinik für Neurologie) gegründet und verfolgt ein indi-

viduelles befund- und ressourcenorientiertes Therapiekonzept mit dem Schwerpunkt auf körperlicher und psychischer Aktivierung [15]. Etwa 6 Wochen vor Beginn der tagesklinischen Behandlung erfolgt ein umfangreiches multiprofessionelles Assessment gemäß OPS 1-910. Dies beinhaltet ein ausführliches schmerztherapeutisches Eingangsgespräch sowie eine psychologische Anamnese mit anschließendem standardisiertem, diagnostischem Interview anhand des DIA-X [21] zur ersten Abklärung der Indikation zur Aufnahme. Ist diese gegeben, wird eine orthopädische, neurologische und sportmedizinische Untersuchung angeschlossen, die unter Berücksichtigung früherer Befundeinschätzungen sowohl den körperlichen Status erhebt als auch die körperliche Belastbarkeit für den Aufenthalt beurteilt. Zusätzliche Diagnostik wird auf dieser Grundlage je nach individuellem Bedarf veranlasst. Alle Eingangsbefunde fließen in den interdisziplinären Teambesprechungen zusammen und bilden die Grundlage zur Diagnosestellung und für den Therapieplan, der in der Therapiezeit an aktuelle Informationen angepasst und modifiziert wird.

A. Schütze und U. Kaiser trugen zu gleichen Teilen zu der Publikation bei. Der Schmerz 2009 

| 

Originalien Tab. 1  Wochenplan Schmerztagesklinik/Woche 2 Montag 8:15 Eintreffen der Patienten 8:20–9:00 Frühsport 9:00–9:30 Frühstück 9:30–9:55 Patienten-/Therapeutengespräch 10:00–11:15 Fertigkeitentraining 11:45 –12:45 Physiotherapie

Dienstag 8:15 Eintreffen der Patienten 8:20–9:00 Frühsport 9:00–9:30 Frühstück 9:30–11:00 Basisgruppe

Mittwoch 8:15 Eintreffen der Patienten 8:20–9:00 Frühsport 9:00–9:30 Frühstück 9:30–11:00 Basisgruppe

Donnerstag 8:15 Eintreffen der Patienten 8:20–9:00 Frühsport 9:00–9:30 Frühstück 9:30–11:00 Basisgruppe

11:15 –12:45 Physiotherapie (Ausdauer)

11:15–12:45 Physiotherapie

11:15–12:45 Physiotherapie (Einzeltherapie)

13:00–13:30 Mittagspause 13:30–15:00 Einzeltherapie 15:00–16:15 Ergotherapie

13:00–13:30 Mittagspause 13:30–15:00 Einzeltherapie 15:15–16:15 Atemtherapie/ Körperwahrnehmung

13:00–13:30 Mittagspause 13:30–14:30 Entspannung 14:45–16:15 Fertigkeitentraining

13:00–13:30 Mittagspause 13:30–15:00 Einzeltherapie 15:00–16:15 Ergotherapie

Die grundlegende Idee des tagesklinischen Behandlungskonzeptes ist eine befund- und ressourcenorientierte Therapie mit Verlagerung des Behandlungsschwerpunktes von einer rein fachspezifischen zu einer integrativen Therapie gestörter körperlicher, psychischer und sozialer Funktionen. Im Vordergrund der Therapie stehen die körperliche Aktivierung im Rahmen gezielter, v. a. ganzheitlich orientierter Physiotherapie und eine verhaltenstherapeutisch orientierte Psychotherapie zur psychischen Aktivierung. Ergänzt werden diese Bausteine durch atemtherapeutische Ansätze, Entspannung sowie Ergotherapie und Sozialberatung. Vorrangiges Ziel ist neben einer Reduktion der Schmerzintensität die Sensibilisierung der Patienten für ein biopsychosoziales Schmerzmodell. Mithilfe von Informationen, individuellen Gesprächen und neuen Erfahrungen sollen eine angemessene Einordnung des Befundes durch die Patienten und eine Veränderung des oft passiven, somatischen Krankheitsmodells erreicht werden. Weiteres Ziel ist die Motivierung der Patienten für eine langfristige, selbstverantwortliche Veränderung ihrer Schmerz- und Lebenssituation [15]. Der Therapiezeitraum erstreckt sich

 | 

Der Schmerz 2009

Freitag 8:15 Eintreffen der Patienten 8:20–9:00 Frühsport 9:00–9:30 Frühstück 9:30–10:15 Atemtherapie/ Körperwahrnehmung 10:30–11:15 Physiotherapie 11:30–13:00 Fertigkeitentraining/Wochenrückblick 13:00–13:30 Mittagspause 13:30–14:30 Entspannung 15:00–16:15 Einzeltherapie

den und Umgebung, die dadurch in ihrem häuslichen Umfeld verbleiben können und somit eine realistische Alltagsbelastung erfahren. Voraussetzungen für die Aufnahme in das multimodale tagesklinische Programm sind ausreichende Motivation, sich auf dieses zeitintensive Konzept einzulassen, und ausreichende körperliche Belastbarkeit. Zu den Ausschlusskriterien zählen akute organische Befunde, schwere psychiatrische Erkrankungen sowie ungenügende Motivation und geringe körperliche Belastbarkeit. In der Regel werden Patienten mit laufenden Rentenverfahren nicht in das Programm eingeschlossen. Die Zuweisung der Patienten erfolgt durch die interne Schmerzambulanz, über spezielle Schmerztherapeuten sowie über Hausärzte.

Methodik Stichprobe und Ablauf

über 5 Wochen bzw. 128 h. Er setzt sich zusammen aus einer 4-wöchigen Hauptbehandlungsphase, an die sich nach weiteren 10 Wochen eine Wiederholungswoche anschließt. Somit ist die Behandlung als therapieintensiv einzuschätzen und zählt dadurch zu den wirkungsvolleren Ansätzen mit höherem Behandlungserfolg [9]. Die Behandlungen erfolgen primär in Gruppen mit 12 Patienten, teilweise auch als Einzeltherapie. Die angebotenen Behandlungsbausteine wechseln sich innerhalb eines strukturierten Tagesprogramms ab (. Tab. 1). Die Wiederholungswoche dient der Auffrischung der gelernten Therapieinhalte. Hier haben die Patienten die Möglichkeit, Erfahrungen, die im Alltag mit der Umsetzung der vereinbarten Therapieansätze entstanden sind, zu berichten, zu diskutieren, diese erneut anzupassen und ggf. neue Ansätze zu vereinbaren.

Patienten der Tagesklinik des USC Dresden füllen regulär Fragebögen aus, wenn sie an der Therapie teilnehmen. Diese Fragebögen werden zu Beginn der Therapie, zum Abschluss, zur Wiederholungswoche, nach einem halben Jahr und zur Einjahreskatamnese (T1–T5) durch das USC ausgeteilt bzw. versendet. Sie werden nach dem Rücklauf elektronisch erfasst und ausgewertet. Die Datenerhebung erfolgte prospektiv zu folgenden Zeitpunkten: Therapieanfang (T1), Therapieende (T2; 4 Wochen nach Therapiebeginn), Wiederholungswoche (T3; 10 Wochen nach Therapieende), zur Halbjahres- (T4; 6 Monate nach der Wiederholungswoche) und Jahreskatamnese (T5; 12 Monate nach der Wiederholungswoche). Das Vorgehen zu dieser Studie wurde von der lokalen Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Technischen Universität Dresden beraten und positiv bewertet.

Zielgruppe und Ausschlusskriterien

Diagnostischer Prozess und Zielkriterienmessung

Die interdisziplinäre Tagesklinik bietet die Möglichkeit einer intensiven Therapie für chronische Schmerzpatienten aus Dres-

In die Diagnosestellung auf körperlicher Ebene flossen die Befunde aus den einzelnen medizinischen Bereichen ein, die

Zusammenfassung · Abstract Schmerz 2009   DOI 10.1007/s00482-009-0827-0 © Deutsche Gesellschaft zum Studium des Schmerzes. Published by Springer Medizin Verlag - all rights reserved 2009 A. Schütze · U. Kaiser · U. Ettrich · K. Große · G. Goßrau · M. Schiller · K. Pöhlmann · K.  Brannasch · R. Scharnagel · R. Sabatowski

Evaluation einer multimodalen Schmerztherapie am UniversitätsSchmerzCentrum Dresden Zusammenfassung Hintergrund.  Die multimodale Schmerztherapie am UniversitätsSchmerzCentrum Dresden ist ein 4-wöchiges, teilstationäres, multimodales Behandlungsprogramm für chronische Schmerzpatienten mit einer sich nach 10 Wochen anschließenden Wiederholungswoche. Die Therapie findet in größeren Gruppen (12 Personen) statt. Primäres Therapieziel ist eine Sensibilisierung des Patienten für eine biopsychosoziale Sichtweise seiner Krankheit sowie im Weiteren die Wiederherstellung der objektiven und subjektiven Funktionsfähigkeit („functional restoration“) anhand eines befund- und ressourcenorientierten Vorgehens. Methodik.  Für die Evaluation der Dresdner Schmerztherapie wurden folgende Kriterien untersucht: Katastrophisieren (CSQ), Angst und Depressivität (HADS-D), die durchschnittliche Schmerzstärke (NRS), die

schmerzbedingte Beeinträchtigung (PDI) sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität und Vitalität (SF-36). Die Messung erfolgte am Anfang und am Ende der 4-wöchigen Therapie, nach der Wiederholungswoche sowie ein halbes und 1 Jahr nach Behandlungsende. Ergebnisse.  Von Januar 2006 bis August 2007 wurden 189 Patienten behandelt. Bei allen untersuchten Parametern zeigten sich über den Zeitverlauf hinweg statistisch signifikante Veränderungen mit niedrigen bis hohen Effektstärken (ES 0,20–0,95). Bis zu 1 Jahr nach Beendigung der Wiederholungswoche blieben diese Ergebnisse stabil. Hinsichtlich der Variablen Katastrophisieren und Schmerzstärke konnten 1 Jahr nach der Therapie hohe Effekte erzielt werden (ES 0,86 bzw. 0,95). Die Schmerzlokalisation beeinflusste den Therapieerfolg nicht, sowohl Rü-

cken- als auch Kopfschmerzpatienten und Patienten mit anderen Schmerzen konnten von der Therapie profitieren. Schlussfolgerung.  Die multimodale Schmerztherapie führt in einer Gruppenstärke von 12 Patienten kurzfristig sowie langfristig zu einer signifikanten und klinisch relevanten Verbesserung von Schmerzintensität, Lebensqualitätsparametern und psychologischen Faktoren. Auch bei chronifizierten Schmerzpatienten konnten stabile Behandlungsergebnisse erreicht werden, unabhängig davon, unter welcher Schmerzlokalisation die Patienten litten. Schlüsselwörter Chronischer Schmerz · Multimodale Schmerztherapie · Rückenschmerz · Kopfschmerz · Jahreskatamnese

Evaluation of a multimodal pain therapy at the University Pain Centre Dresden Abstract Background.  Data of a multimodal pain management program of the multidisciplinary pain management centre at the University Hospital of Dresden is presented. Over a period of 4 weeks, supplemented by an additional week 3 months later (booster week), patients with chronic pain of different origins are being treated in groups of 12. Based on the principles of the biopsychosocial pain model and the idea of functional restoration, the program is dedicated for pain patients where outpatient treatment was insufficient. Methods.  The program was evaluated on the basis of pain intensity (NRS), pain disability (PDI), fear and depression (HADS-D), cata-

strophizing (CSQ) and health-related quality of life and vitality (SF-36). The data were collected at the beginning and end of the initial 4 week treatment period, at the end of the booster period as well as 6 and 12 months after the end of active treatment. Results.  A total of 189 patients were included in the program in the period from January 2006 until August 2008. All outcome parameter showed statistically significant improvements with small to high effect sizes (ES 0.20–0.95). The results stayed stable even 1 year after the treatment. The highest effect sizes were found in catastrophizing (ES 0.86) and average pain intensity (ES 0.95). The pri-

mary pain diagnosis (e. g. low back pain versus headache) had no impact on treatment outcome. Conclusion.  Significant and clinically relevant improvements could be achieved with the multimodal pain management program in groups of 12 patients. The results were stable over a time period of 1 year. Pain diagnosis had no impact on the outcome. Keywords Key words: Chronic pain · Multimodal pain management · Back pain · Headache · Catamnesis after 1 year

Der Schmerz 2009 

| 

Originalien Tab. 2  Zielkriterien und Messinstrumente Zielkriterien Katastrophisieren Angst und Depressivität Schmerzbedingte Beeinträchtigung Körperliche und psychische Lebensqualität Durchschnittliche Schmerzintensität

9

Die Zielkriterien leiten sich von den Standardkriterien der DGSS ab. Außerdem wurden soziodemografische Merkmale wie Alter, Geschlecht, Schulabschluss, Erwerbstätigkeit sowie das Mainzer Chronifizierungsstadium (MPSSM; [8]) mithilfe des Standardfragebogens der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) erfasst. Die Auswertung wurde anhand folgender Fragestellungen vorgenommen: 1. Inwieweit werden die Ausprägungen der Zielkriterien während der Therapiephase verändert (kurzfristige Wirksamkeit)? 2. Inwieweit werden die Ausprägungen der Zielkriterien zu den Zeitpunkten T3–T5 verändert (mittel- und langfristige Wirksamkeit)? 3. Hat die Zugehörigkeit der Patienten zu einer bestimmten Diagnosegruppe einen Einfluss auf die Veränderung der Zielkriterien?

19

Datenauswertung

20 13 10

Die statistische Auswertung erfolgte mit dem Programmpaket Superior Performance Software System (SPSS® – Version 14.0). Entsprechend den Fragestellungen wurde das Vorgehen wie folgt gewählt: 1. Zur Einschätzung der Wirksamkeit wurde zuerst die Veränderung der Zielkriterien bezüglich T1 und T2 (kurzfristige Wirksamkeit) auf ihre Signifikanz hin überprüft. Dazu wurden paarweise Einzelvergleiche über die betreffenden Parameter mithilfe von t-Tests durchgeführt. 2. Die Veränderungen von T1 nach T3– T5 (mittel- bis langfristige Wirksamkeit) wurden anhand von Varianzanalysen (ANOVA) mit Messwiederholungen auf Signifikanz untersucht. 3. Für die Auswertung hinsichtlich der Bedeutung von Diagnosegruppenzugehörigkeit auf den Therapieer-

Tab. 3  Soziodemografische Daten zu Therapiebeginn (n=189) Alter Minimum 22 Jahre Maximum 69 Jahre Mittelwert 49,3 (SD=10,4)   Häufigkeit Geschlecht Männlich 43 Weiblich 146 Schulabschluss Kein Abschluss 2 Hauptschulab- 35 schluss Realschulab95 schluss Abitur 7 Hochschulab47 schluss Erwerbs-/Arbeitstätigkeit Voll erwerbs54 tätig Teilzeitbeschäf- 17 tigt Nicht erwerbs- 35 tätig Arbeitslos 38 Arbeitsunfähig 25 Sonstiges 19

      Prozent 23 77 1 19 51 4 25

29

sich im Rahmen der internen Diagnostik oder aus früheren Diagnostiken ergaben. Zusätzliche psychische Erkrankungen wurden durch den Einsatz eines standardisierten Interviews, dem Composite International Diagnostic Interview (CIDI; [21]) exploriert und mithilfe des klinischen Eindrucks aus der psychologischen Anamnese als Diagnose formuliert. Die endgültigen Diagnosen sowohl im somatischen als auch im psychischen Bereich wurden im Rahmen der interdisziplinären Teambesprechungen diskutiert und festgelegt. In . Tab. 2 werden die von uns definierten Zielkriterien für den Behandlungserfolg sowie die zu ihrer Erhebung eingesetzten Messinstrumente dargestellt.

 | 

Der Schmerz 2009

Messinstrument Coping Strategy Questionnaire, CSQ [20] Hospital Anxiety and Depression Scale, HADS [11] Pain Disability Index, PDI [6] Short Form-36 Health Survey, SF-36 [4] Numerische Rating-Skala, NRS [16]

folg wurden die Diagnosegruppen „Rückenschmerz“, „Kopfschmerz“ und „sonstige Schmerzen“ gebildet. Es wurde stets die Hauptdiagnose als Zuweisungsdiagnose verwendet. In die Gruppe „sonstige Schmerzen“ wurden alle Patienten eingeschlossen, deren Schmerzlokalisation auf andere Körperbereiche als Rücken bzw. Kopf entfielen (z. B. Gesichtsschmerz, Gelenkschmerz, multilokulärer Schmerz). Die Veränderungen hinsichtlich der Therapie in Abhängigkeit von der Diagnosegruppe wurden mithilfe einer 2-faktoriellen Varianzanalyse untersucht. Durch Post-hoc-Tests wurde überprüft, welche der Diagnosegruppen sich signifikant voneinander unterscheiden. 4. Die soziodemografischen Daten wurden anhand von Häufigkeiten ausgewertet. Die Einschätzung der klinischen Bedeutsamkeit der Effekte erfolgte durch die Berechnung von Effektstärken.

Ergebnisse Stichprobencharakteristika Für den Zeitraum T1–T2 (Januar 2006August 2007) lagen von 189 behandelten Patenten insgesamt 188 vollständige Datensätze vor. Für die Überprüfung des Therapieerfolges über 3 Messzeitpunkte (T1–T3) konnten die Daten von 156 Personen ausgewertet werden. Zum Zeitpunkt der Datenauswertung umfasste die Stichprobe der Patienten, die die Halbjahreskatamnese ausgefüllt hatten, 99 Personen. Vollständige Datensätze über 5 Messzeitpunkte (T1–T5) lagen von 37 Patienten vor. Die geringeren Teilnehmerzahlen zu den späteren Messzeitpunkten erklären sich durch die noch andauernde Datenerhebung. Es ergaben sich innerhalb der Teilstichproben bezüglich T3–T5 keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich Alter, Geschlecht, Chronifizierung (MPSS) oder den Ausgangswerten der Zielkriterien, sodass von einer einheitlichen Gesamtstichprobe ausgegangen werden kann. Die . Tab. 3 enthält eine Beschreibung der Stichprobe hinsichtlich soziode-

Tab. 4  Chronifizierungsstadium, somatische Diagnose und psychische Komorbidität

Tab. 5  Behandlungsverlauf der Gesamtstichprobe  



  Häufigkeit Chronifizierungsstadium Stadium I 22 Stadium II 64 Stadium III 95 Somatische Hauptdiagnose Rückenschmerzen 94 Kopfschmerzen 32 Andere Schmerzen 63 Psychische Komorbidität Affektive Stö61 rungen Angststörungen 40 Somatoforme Stö- 146 rungen Andere Störungen 19 Anzahl psychischer Diagnosen Keine Diagnose 16 1 Diagnose 58 2 Diagnosen 35 3 Diagnosen 28 4 und mehr Dia33 gnosen

Prozent

Katastrophisieren (CSQ)

12 35 53

Angst (HADS-D)

50 17 33

Durchschnittliche Schmerzstärke (NRS) Schmerzbedingte Beeinträchtigung (PDI) Körperliche Lebensqualität (SF-36) Psychische Lebensqualität (SF-36)

36 24 86 11 9 34 21 17 19

mografischer Daten wie Alter, Geschlecht, Schulabschluss und Erwerbs- bzw. Arbeitstätigkeit zum Therapieanfang. Die Patienten der Schmerztagesklinik waren im Durchschnitt 49 Jahre alt, 77% der Patienten waren weiblich, und 51% verfügten über einen Realschulabschluss. Zum Therapiebeginn waren 29% der Patienten voll erwerbstätig und 13% arbeitsunfähig. Mehr als 50% der in der Tagesklinik behandelten Patienten befanden sich im Chronifizierungsstadium III des Mainzer Chronifizierungsmodells; 50% aller Patienten litten unter chronischen Rückenschmerzen, 17% waren Kopfschmerzpatienten, 33% litten unter andernorts lokalisierten chronischen Schmerzen. Nur 9% aller interviewten Personen bekamen keine psychische Diagnose zugewiesen, mehr als die Hälfte litt unter 1 oder 2 psychischen Störungen (34 und 21%), bei 17% der Patienten wurden 3 Diagnosen gestellt, knapp ein Fünftel erhielt 4 oder mehr Diagnosen. Am häufigsten vertreten waren die somatoformen Störungen (86%), 36% der Patienten litten unter einer affektiven Störung, 24% aller Patienten litten unter einer Angststörung (. Tab. 4).

Depressivität (HADS-D)

Vitalität (SF-36)

T2 (N=188) 2,38 1,09 6,61 3,74 5,97 3,87 5,58 1,85

T3 (N=156) 2,14 1,20 5,96 4,00 5,63 4,06 5,33 2,01

T4 (N=99)

T5 (N=37)

MW SD MW SD MW SD MW SD

T1 (N=189) 2,70 1,10 7,34 3,79 7,23 3,95 6,05 1,69

2,04 1,27 5,70 3,92 5,46 3,54 4,96 2,19

1,68 1,18 5,81 4,50 5,89 4,24 4,67 2,18

MW SD

31,60 12,40

28,86 13,48

25,44 14,00

25,21 14,30

23,36 12,82

MW SD

32,47 8,22

35,03 8,79

35,40 9,89

36,05 10,27

37,59 10,42

MW SD MW SD

44,00 11,70 35,98 16,53

48,04 10,75 44,12 18,45

48,80 10,72 44,90 18,28

48,61 10,45 45,61 17,07

48,60 13,16 47,16 16,14

T1 Therapieanfang, T2 Therapieende, T3 Wiederholungswoche, T4 Halbjahreskatamnese, T5 Jahreskatamnese. MW Mittelwert, SD Standardabweichung, CSQ Coping Strategy Questionnaire, HADS-D Hospital Anxiety and Depression Scale, NRS Numerische Rating-Skala, PDI Pain Disability Index, SF-36 Short Form-36 Health Survey

Bei allen untersuchten Parametern konnten sowohl kurzfristig (T1–T2) als auch mittel- (T1–T3) und langfristig (T1– T4, T1–T5) statistisch signifikante Verbesserungen mit unterschiedlichen Effektstärken (ES 0,20–0,95) erzielt werden (. Tab. 5, . Abb. 1).

Kurzfristige Wirksamkeit (T1–T2)

Nach der4-wöchigen Hauptbehandlungsphase zeigten die Patienten signifikant weniger dysfunktionale Kognitionen, Angstund Depressivität verminderten sich. Die durchschnittliche Schmerzintensität sowie die schmerzbedingte Beeinträchtigung reduzierten sich. Am Ende der Therapie war ein Zuwachs an gesundheitsbezogener Lebensqualität sowohl hinsichtlich der körperlichen als auch der psychischen Dimension zu verzeichnen. Außerdem stieg die Vitalität der Patienten an. Alle Veränderungen waren statistisch hochsignifikant (p


Comments

Copyright © 2024 UPDOCS Inc.