Eski Kermen, Almalyk und Lucistoe - Bioarchäologie auf der Krim

September 6, 2017 | Author: Frauke Jacobi | Category: Anthropology, Early Medieval Archaeology, Osteoarchaeology, Crimea, Artificially Deformed Skulls, Excavations
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Description

Römisch-Germanisches Zentralmuseum Forschungsinstitut für Archäologie

Sonderdruck aus Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Band 113

Stefan Albrecht · Falko Daim · Michael Herdick (Hrsg.)

DIE HÖHSIEENDLUNGEN IM BERGLAND DER KRIM UMWELT, KULTURAUSTAUSCH UND TRANSFORMATION AM NORDRAND DES BYZANTINISCHEN REICHES

Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums

Mainz 2013

IN GEDENKEN AN UNSERE VIEL ZU FRÜH VERSTORBENE KOLLEGIN DR. AGNIESZKA URBANIAK 1974-2013

Redaktion: Markus C. Blaich, Hildesheim; Stefan Albrecht, Reinhard Köster (RGZM) Satz: Hans Jung (RGZM) Bildbearbeitung: Hans Jung (RGZM); Franz Siegmeth, Illustration · Graphik-Design · Malerei, Bad Vöslau / A Umschlaggestaltung: Reinhard Köster (RGZM) unter Verwendung einer Ansicht des Aufgangs zur Höhensiedlung Ėski Kermen (Foto Stefan Albrecht, RGZM) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-88467-220-4 ISSN 0171-1474

© 2013 Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen, der Funk- und Fernsehsendung, der Wiedergabe auf photomechanischem (Photokopie, Mikrokopie) oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, Ton- und Bildträgern bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Vergütungsansprüche des § 54, Abs. 2, UrhG. werden durch die Verwertungsgesellschaft Wort wahrgenommen. Druck: Strauss GmbH, Mörelenbach Printed in Germany.

INHALTSVERZEICHNIS

Falko Daim Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Michael Herdick Überlegungen zu einem europäischen Projektdesign: die Forschungen des RGZM auf der Krim (2006-2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Stefan Albrecht · Michael Herdick Ein Spielball der Mächte: Die Krim im Schwarzmeerraum (VI.-XV. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 Alexandr G. Gercen Der Mangup in den Augen von Forschern und Reisenden vom 16. bis zum beginnenden 20. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 Stefan Albrecht Die Krim der Byzantiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 Alexandr G. Gercen · Magdalena Mączyńska · Sergej Černyš · Sergej Lukin · Agnieszka Urbaniak † Jan Bemmann · Katharina Schneider · Ireneusz Jakubczyk Das frühmittelalterliche Gräberfeld Almalyk-dere am Fuss des Mangup-Plateaus . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Jan Bemmann · Katharina Schneider · Alexandr G. Gercen · Sergej Černyš · Magdalena Mączyńska Agnieszka Urbaniak † · Uta von Freeden Die frühmittelalterlichen Gräberfelder von Adym-Čokrak, Južnyj I und Južnyj II am Fuss des Mangup – Ein Vorbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 Aleksandr I. Ajbabin Die mittelalterliche Siedlung auf dem Plateau Ėski Kermen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Maja Aufschnaiter · Bendeguz Tobias Untersuchungen zu den Höhlen der Siedlung Ėski Kermen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Annegret Plontike-Lüning Ein Herr vom Ėski Kermen? Überlegungen zum »Dreireiter-Bild« in der Felskapelle am Südwesthang des Ėski Kermen . . . . . . . . . 251 Ėl’zara A. Chajredinova Ausgrabungen in der Nekropole am Hang des Tafelberges Ėski Kermen in den Jahren 2006-2008 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271

3

Frauke Jacobi · Marcus Stecher · Stephanie Zesch · Vladimir Radochin · Kurt W. Alt Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 Guido Brandt · Wolfgang Haak · Christina Blechschmidt · Sarah Karimnia · Kurt W. Alt Die Völker der Krim im Frühmittelalter – Anwendung und Potential der Paläogenetik in Bezug auf archäologische Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 Anja Cramer · Guido Heinz Vermessungs- und Dokumentationsarbeiten im Bergland der Krim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 Rainer Schreg Forschungen zum Umland der Höhlenstädte Mangup und Ėski Kermen – eine umwelthistorische Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 Stefan Albrecht Die Krim und Cherson: byzantinischer Vorposten im Norden des Schwarzen Meeres . . . . . . . . . . . . . 447 Stefan Albrecht · Michael Herdick · Rainer Schreg Neue Forschungen auf der Krim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 Publiktationen des Krim-Projekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499

4

FRAUKE JACOBI · MARCUS STECHER · STEPHANIE ZESCH VLADIMIR RADOCHIN · KURT W. ALT

ĖSKI KERMEN, ALMALYK UND LUČISTOE – BIOARCHÄOLOGIE AUF DER KRIM

Im Rahmen des Projekts »Transformation und Kulturaustausch am Rand der mediterranen Welt. Das Bergland der Krim im Frühmittelalter« des Römisch-Germanischen Zentralmuseums Mainz wurden in den Jahren 2006-2008 verschiedene anthropologische Voruntersuchungen auf der Krim-Halbinsel durchgeführt (Abb. 1). Dabei ergaben sich insbesondere drei Hauptgebiete: Die Untersuchung von alter DNA, Isotopenanalysen sowie die Begleitung der Ausgrabungen von Gräberfeldern und die direkt anschließende Bearbeitung der aufgefundenen Skelette.

Abb. 1 Karte des Arbeitsgebietes. – (G. Heinz, A. Cramer, RGZM / i3mainz).

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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AUSGRABUNGEN UND ANTHROPOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN In den Jahren 2007 und 2008 waren Anthropologen des Institutes für Anthropologie der Johannes Gutenberg-Universität Mainz an verschiedenen archäologischen Ausgrabungen auf der Halbinsel Krim (Ukraine) beteiligt. Die Ausgrabungstätigkeiten betrafen drei Gräberfelder: dasjenige des Ėski Kermen an der Südostflanke dieses Plateaus, das Gräberfeld Almalyk am Fuße des Mangup und das von Lučistoe. Aufgrund der vorläufigen Ergebnisse der aDNAUntersuchungen 1 wurde bei den Grabungen 2007 und 2008 standardmäßig jedes Skelett für weitere Analysen beprobt. Hierzu wurden, soweit verfügbar, in situ und noch vor der weiteren Freilegung oder Bergung unter möglichst sterilen Bedingungen zwei Zähne gezogen. Anschließend wurde eine fotografische sowie zeichnerische Dokumentation des Befundes durchgeführt (Abb. 2), bevor die Skelettelemente, nach Möglichkeit bereits getrennt nach Individuen, geborAbb. 2 Befunddokumentation in Katakombengrab 378. – (Ėski Ker- gen wurden. men, Foto D. Bernast). Nach der Bergung wurden die aufgefundenen Skelettelemente gewaschen, rekonstruiert und bei Bedarf einzelnen Individuen zugeordnet. Anschließend fand die anthropologische Untersuchung statt, bei der versucht wurde, trotz der eingeschränkten Arbeitsbedingungen außerhalb eines regelhaften Labors, so viele Aspekte wie möglich zu erfassen. Hierzu gehörte neben den klassischen Individualdaten Alter, Geschlecht und Körperhöhe auch eine ausführliche Erfassung metrischer Maße am Schädel und Postcranium. Auch eine Reihe nicht-metrischer, sog. epigenetischer Merkmale des Schädels wurde aufgenommen. Hinzu kam eine gründliche makroskopische Aufnahme pathologischer Veränderungen, wenngleich weiterführende mikroskopische oder röntgenologische Untersuchungen leider nicht möglich waren. Im Folgenden werden neben der Vorstellung der einzelnen Gräberfelder und Gräber die ersten Auswertungsergebnisse vorgestellt. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass es sich bei den geborgenen Individuen jeweils lediglich um eine Stichprobe aus der Gesamtpopulation handelt. Eine tatsächliche Repräsentativität ist somit nicht gegeben, die vorliegende Arbeit soll lediglich Grundlagen für weitere Forschungen darstellen sowie die Möglichkeiten der Bearbeitung aufzeigen. Eine Zusammenschau der wichtigsten Ergebnisse findet sich in Tabelle 1.

1

Vgl. den Beitrag von G. Brandt u. a. in diesem Band.

336

F. Jacobi u. a. · Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim

Fundort

Grab

Individuum

Geschlecht

Alter

Khs. (in cm)

Schädeldeformation

Datierung

EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK EK AL AL AL AL AL AL AL AL AL AL AL AL AL AL AL LU LU LU LU LU LU

364 364 364 364 365 365 366 368 369 371 371 372 372 372 374 376 377 377 377 378 378 P1 PM 36 PM 37 PM 39 188 188 188 188 194 194 194 195 195 MЗ-3 MЗ-4 285 286 286 287 288 288

Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind. Ind.

w w n. b. n. b. m w w m w (w) m m (m) m n. b. m w w (m) (w) w w m m (m) m n. b. n. b. m w w m w n. b. m w n. b. n. b. m w (m) n. b.

30-50 21-24 15-18 7-11 25-35 30-40 15-18 20-25 27-35 20-30 30-35 40-50 40-45 30-35 5-7 17-20 24-34 30-40 30-35 50-60 11-13 20-40 33-58 20-40 17-25 30-50 5-7 1,5-2,5 25-45 30-50 30-50 20-60 17-25 13-40 30-50 25-45 21-25 1-3 40-50 19-25 17-25 20-60

156 156 138 n. b. 168 161 141 168 158 153 166 169 162 163 n. b. n. b. 161 159 n. b. 150 120 n. b. 168 n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. 157 n. b. 162 n. b. 167 n. b. 156 n. b. 166 n. b. n. b. n. b.

ja ja ja n. b. ja ja nein ja ja ja nein ja ja nein nein (ja) (ja) ja nein nein nein nein nein nein nein nein nein ja ja nein ja ja n. b. n. b. nein nein nein n. b. nein nein nein n. b.

n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. 6. Jh. n. Chr. 6. Jh. n. Chr. 6. Jh. n. Chr. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. n. b. 5.-6. Jh. n. Chr. 5.-6. Jh. n. Chr. 5.-6. Jh. n. Chr. 5.-6. Jh. n. Chr. n. b. 5.-6. Jh. n. Chr. 5.-6. Jh. n. Chr. 6. Jh. n. Chr. 6. Jh. n. Chr. 2. Hälfte 5. Jh. n. Chr. 5. Jh. n. Chr. 9.-10. Jh. n. Chr. 5.-10. Jh. n. Chr. 5.-10. Jh. n. Chr. 8.-9. Jh. n. Chr. 8.-9. Jh. n. Chr. 8.-9. Jh. n. Chr.

364-I 364-II 364-III 364-IV 365-I 365-II 366 368 369 371-I 371-II 372-I 372-II 372-III 374 376 377-I 377-II 377-III 378-I 378-II P1 PM 36 PM 37 PM 39 188-I 188-II 188-III 188-IV 194-I 194-II 194-III 195-I 195-II MЗ-3 MЗ-4 285 286-I 286-II 287 288-I 288-II

Tab. 1 Übersicht mit Daten aller Individuen der Kampagnen 2007 und 2008 (Frauke Jacobi). – EK Gräberfeld Ėski Kermen; AL Gräberfeld Almalyk; LU Gräberfeld Lučistoe; m männlich; (m) eher männlich; w weiblich; (w) eher weiblich; n. b. nicht bestimmbar.

DAS GRÄBERFELD AM ĖSKI KERMEN Das Gräberfeld ist in leichter Hanglage am südöstlichen Fuß des Berges Ėski Kermen gelegen (Abb. 3) 2. In diesem Bereich fanden in der Zeit von 1978-1982 sowie seit 2003 zahlreiche Ausgrabungen unter der Leitung von Aleksandr I. Ajbabin statt. Hierbei konnten insgesamt rund 45 Gräber ausgegraben werden. Bereits in den 1930er-Jahren fanden Ausgrabungen im Bereich des Gräberfeldes statt, die Auswertung der dabei aufgefundenen Individuen erfolgte jedoch hauptsächlich nach craniometrischen Gesichtspunkten 3. Auch alle weiteren anthropologischen Arbeiten, die sich in den folgenden Jahren mit den menschlichen 2

Vgl. den Beitrag von Ė. Chajredinova in diesem Band.

3

Petrov 1935.

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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Abb. 3

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Gräberfeld Ėski Kermen. Übersichtsplan der 2007 und 2008 aufgedeckten Gräber – (G. Heinz, A. Cramer, RGZM / i3mainz).

F. Jacobi u. a. · Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim

Skelettresten der südlichen Krimhalbinsel beschäftigten, verfolgten vor allem einen craniologisch-populationsgeschichtlichen Ansatz 4. Erst im Rahmen der neuen Ausgrabungen unter der Leitung von A. I. Ajbabin wurde verstärkt auf demographische und paläopathologische Aspekte eingegangen. So konnten im Jahr 2003 17 Gräber freigelegt werden, davon acht Katakomben- und neun so genannte Grundgräber 5. Die meisten Gräber stellten sich jedoch als beraubt heraus, weshalb viele Knochen verlagert, zerstört oder verloren gegangen waren. Dennoch konnten insgesamt 63 Individuen identifiziert werden, darunter waren 20 Kinder und Jugendliche. Auffällig ist das im Schnitt höhere Alter der Individuen in den Katakomben- im Gegensatz zu jenen aus den »Grundgräbern«. Auch der Geschlechtsdimorphismus erwies sich in ersteren als stärker ausgeprägt. Die Individuen beider Bestattungsarten scheinen ähnlichen physische Belastungen ausgesetzt gewesen zu sein, mit Ausnahme einiger weniger in »Grundgräbern« beigesetzter Individuen. Allerdings findet sich hier eine insgesamt etwas höhere Krankheitsbelastung. Dies ist wahrscheinlich mit unterschiedlichen Aktivitäten sowie einem abweichenden sozialen Status zu erklären. Die häufigsten Krankheiten waren jene der Zähne und Kiefer, außerdem traten häufig Wirbel- und Gelenkerkrankungen auf. Ferner konnte bei einer großen Anzahl der Individuen Cribra orbitalia 6 festgestellt werden (27,5 %), nahezu regelhaft kombiniert mit Schmelzhypoplasien der Zähne. Hierbei handelt es sich um Fehlbildungen im Zahnschmelz, die durch verschiedene Belastungsgeschehen (Krankheit, Mangelernährung etc.) während der Zahnkronenbildung im Kindesalter ausgelöst werden können. Darüber hinaus wiesen die Schädel zweier jugendlicher Individuen tödliche Verletzungen auf. 2006 wurden zwei weitere Gräber untersucht, deren Datierung jedoch aufgrund der ebenfalls erfolgten Beraubung erschwert ist. Es erscheint jedoch wegen der baulichen Besonderheiten der beiden Gräber angemessen, die darin aufgefundenen Individuen getrennt von den oben genannten zu behandeln. Bei diesen handelt es sich um fünf Personen aus Grab 362, drei Männer und zwei Kinder, sowie zwei Personen aus Grab 363, je einen Mann und eine Frau (Tab. 1). Insbesondere war auffällig, dass alle Individuen künstlich deformierte Schädel aufwiesen, wobei die Art der Deformation stets dem turmartigen Typ entspricht. Auch bei diesen Individuen konnten Cribra orbitalia, Zahn- und Gelenkerkrankungen festgestellt werden, wenn auch in eher geringem Maße. In den Jahren 2007 und 2008 wurden weitere Ausgrabungen in den angrenzenden Bereichen des Gräberfeldes vorgenommen, nun in Zusammenarbeit deutscher und ukrainischer Anthropologen. Während dieser Zeit wurden elf Gräber mit insgesamt 21 Individuen aufgedeckt. Der vorherrschende Grabtyp ist das Katakombengrab, in dem zwei oder mehr Personen bestattet wurden 7. Es fanden sich jedoch auch einige Einzelbestattungen in »Grundgräbern« 8. Eine sichere Datierung liegt lediglich für Grab 372 vor und weist in das 6. Jahrhundert 9. In jenen Fällen, in denen sich zwei Personen in einem Katakombengrab fanden, handelt es sich zweimal um je einen Mann und eine Frau. Hierbei handelt es sich um Bef. 365 (Ind. 365-I: 25-35 Jahre alter Mann und Ind. 365-II: 30-40 jährige Frau) sowie Bef. 371 (Ind. 371-II: 30-35 Jahre alter Mann und Ind. 371-I: 2030-jähriges, eher weibliches Individuum). Im dritten Grab (Bef. 378) sind ein 50-60 Jahre altes, eher weibliches Individuum (Ind. 378-I) und ein etwa 11-13-jähriges Mädchen (Ind. 378-II) beigesetzt worden (Abb. 4). In zwei weiteren Katakombengräbern fanden sich je drei Individuen. Dabei handelt es sich bei Befund 372 um zwei 40-50 Jahre alte Männer (Ind. 372-I, Ind. 372-II) sowie einen 30-35-jährigen Mann (Ind. 372-III). 4 5

So z. B. Debetz 1949 oder Zinevitz 1973. Zu den Grabformen vgl. den Beitrag von A. Gercen bzw. J. Bemmann u. a. in diesem Band. Bei den »Grundgräbern« handelt es sich um Flachgräber, d. h. der Leichnam wurde ohne Sarg oder weitere Einbauten in die Grabgrube gebettet (Anm. d. Red.).

Zum Krankheitsbild s. S. 351. u. a. Bef. 365, 371, 372, 377 und 378. 8 u. a. Bef. 374 und 376. 9 Sämtliche Datierungen beziehen sich auf die Jahrhunderte n. Chr. 6 7

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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Abb. 4 Gräberfeld Ėski Kermen: Blick in das Katakombengrab 378 im Auffindungszustand, Aufnahme mit Fischaugenobjektiv. – (Fotro D. Bernast).

Abb. 5 Gräberfeld Ėski Kermen: Grundgrab 374 – (Foto F. Jacobi).

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In Befund 377 fanden sich eine 24-34 Jahre alte Frau (Ind. 377-I), eine 30-40-jährige Frau (Ind. 377II) sowie ein 30-35 Jahre altes, eher männliches Individuum (Ind. 377-III). Eine Ausnahme bildet Grab 364, das die Überreste von gleich vier Individuen enthielt. Bei diesen handelt es sich um eine 30-50-jährige Frau (Ind. 364-I), eine 21-24 Jahre alte Frau (Ind. 364-II), ein 15-18 Jahre altes, juveniles Individuum (Ind. 364-III) und ein 7-11-jähriges Kind (Ind. 364-IV). Bei den zuletzt genannten Individuen ließ sich das Geschlecht aufgrund ihres Alters nicht bestimmen. Ebenfalls hauptsächlich subadulte Individuen fanden sich als Einzelbestattungen in den »Grundgräbern«. Von diesen konnte das Geschlecht des etwa 5-7-jährigen Kindes aus Grab 374 (Ind. 374, Abb. 5) gleichfalls nicht bestimmt werden. In Grab 366 fand sich ein etwa 15-18-jähriges Mädchen (Ind. 366) und in Grab 376 ein etwa 17-20 Jahre alter junger Mann (Ind. 376). Lediglich die Bestattungen des 20-25 Jahre alten Mannes aus Grab 368 (Ind. 368) und der 27-35-jährigen Frau aus Grab 369 (Ind. 369) fallen aufgrund des höheren Alters heraus.

F. Jacobi u. a. · Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim

Abb. 6

Gräberfeld Almalyk: Übersichtsplan der 2007 und 2008 aufgedeckten Gräber. – (G. Heinz, A. Cramer, RGZM / i3mainz).

DAS GRÄBERFELD VON ALMALYK Das Gräberfeld Almalyk liegt an der Basis des nördlichen Abhangs des Mangups. Die Grabungsareale, in denen die hier betrachteten menschlichen Überreste gefunden wurden, liegen etwa 500 m westlich des westlichen Ausläufers dieses Plateaus (Abb. 6-8).

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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Abb. 7 Gräberfeld Almalyk: Detaillierter Plan der nördlichen Hälfte des Grabungsareals 2007 / 2008. – (G. Heinz, A. Cramer, RGZM / i3mainz).

Die untersuchten Skelettreste stammen aus Katakombengräbern 10, Nischengräbern 11 und »Grundgräbern« 12. Bei Grab PM 13 37 (2007) handelt es sich um einen besonderen Befund, da in diesem Nischengrab nur ein Schädel ohne Unterkiefer niedergelegt wurde (Abb. 9). Bis auf Grab PM 37 (2007) und Grab MЗ3 (2008) waren alle Gräber beraubt bzw. gestört. 188 (2008), 194 (2008), 195 (2008). PM 36 (2007), PM 37 (2007), PM 39 (2007), PM 194 (2008). 12 P1 (2007), MЗ-3 (2008), MЗ-4 (2008). 10 11

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13

Die Benennung der Gräber erfolgte durch den Ausgräber in kyrillischen Buchstaben. Die Lesart für »PM« entspricht im Deutschen [rm], für »MЗ« [mz] und für »P« [r].

F. Jacobi u. a. · Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim

Abb. 8 Gräberfeld Almalyk: Detaillierter Plan der südlichen Hälfte des Grabungsareals 2007 / 2008, unten rechts vergrößerter Ausschnitt des Areals von 2008. – (G. Heinz, A. Cramer, RGZM / i3mainz, F. Jacobi).

Die Datierung der einzelnen Gräber erfolgte anhand der jeweiligen Grabbeigaben 14. Die Katakombengräber 188 (2008) und 194 (2008) stammen aus dem 5.-6. Jahrhundert. Die Datierung von Grab 195 (2008) kann auf das 6. Jahrhundert. eingegrenzt werden. Das Grundgrab MЗ-3 (2008) stammt aus der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts und MЗ-4 (2008) aus dem 5. Jahrhundert. Für PM 36-39 (2007) sowie für PM 194 (2008) liegen zurzeit keine Angaben hinsichtlich der zeitlichen Einordnung vor. 14

Mündliche Mitteilung von Sergej Černyš (Simferopol).

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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Abb. 9

Gräberfeld Almalyk: Nischengrab PM37 (2007). – (Foto M. Stecher).

Abb. 10

Gräberfeld Almalyk: Grundgrab MЗ-4 (2008). – (Foto M. Stecher).

Unter Mitwirkung der Mainzer Anthropologen wurden 2007 und 2008 die Überreste von insgesamt 15 Individuen geborgen, wobei mit elf Individuen der Großteil aus der letzten Grabungskampagne stammt (vgl. Tab. 1). Im Katakombengrab 188 (2008) fanden sich Überreste von insgesamt vier Individuen. Dabei handelte es sich um die Überreste eines 30-50-jährigen (Ind. 188-I) und eines 25-45 Jahre alten Mannes (Ind. 188-IV) sowie zweier Kinder im Alter von anderthalb bis zweieinhalb (Ind. 188-III) bzw. fünf bis sieben Jahren (Ind. 188-II). In der Grabkammer 194 (2008) wurden die sterblichen Überreste von drei Individuen aufgefunden. Es ist jedoch anzunehmen, dass eines von diesen (Ind. 194-I, s. u.) ursprünglich aus dem benachbarten Nischengrab PM 194 (2008) stammt und während der Beraubung in das Katakombengrab gelangte. Bei den beiden anderen Individuen handelt es sich um eine 30-50-jährigen Frau (Ind. 194-II) und einen Mannes (Ind. 194-III), dessen Alter nur grob auf adult bis matur geschätzt werden konnte. Im Katakombengrab 195 (2008) waren eine 17-25 Jahre alte Frau (Ind. 195-I) und ein juveniles bis adultes Individuum (Ind. 195-II) beigesetzt, dessen Geschlecht nicht mehr bestimmt werden konnte. Im Nischengrab PM 36 (2007) fanden sich die Skelettreste eines 33-58 Jahre alten Mannes (Ind. PM 36). Das benachbarte Nischengrab PM 37 (2007) stellte sich als Sonderbestattung dar, da hier lediglich der Schädel (ohne Unterkiefer) eines 20-40-jährigen Mannes (Ind. PM 37) niedergelegt wurde. In PM 39 (2007) stieß man auf die Überreste eines 17-25-jährigen, eher männlichen Individuums (Ind. PM 39). In einem weiteren Grab dieser Art, PM 194 (2008), war ursprünglich höchstwahrscheinlich eine 30-50 Jahre alte Frau (Ind. 194-I) bestattet, deren Knochen jedoch, wie oben bereits erwähnt, im Katakombengrab 194 (2008) vorgefunden wurden. Das Grundgrab P 1 (2007) beinhaltete das Skelett eines weiblichen Individuum (Ind. P1), das 20-40 Jahre alt gewesen war. In der Grabgrube MЗ-3 (2008) kamen die Knochen eines 30-50 Jahre alten Mannes zu Tage (Ind. MЗ-3), und Grundgrab MЗ-4 (2008) barg die Überreste einer 25-45-jährigen Frau (Ind. MЗ-4, Abb. 10).

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F. Jacobi u. a. · Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim

Abb. 11

Gräberfeld Lučistoe: Übersichtsplan des Gräberfeldes (Stand 2007). – (Zeichnung A. I. Ajbabin).

DAS GRÄBERFELD VON LUČISTOE Das frühmittelalterliche Gräberfeld von Lučistoe (Abb. 11) befindet sich im südlichen Teil der Krim, nördlich der Hafenstadt Alušta. Es ist in leichter Hanglage am Fuß des Berges Demerdži gelegen. Bereits in den vergangenen Jahren wurden an dieser Stelle Grabungskampagnen von ukrainischen Archäologen durchgeführt, wobei zahlreiche Bestattungen entdeckt worden waren. Im Rahmen der Grabungsaktivitäten des Jahres 2008 konnten in deutsch-ukrainischer Kooperation sieben Gräber freigelegt werden, die die menschlichen Überreste von mindestens 17 Individuen enthielten. Diese waren hauptsächlich in Katakombengräbern 15 bestattet worden, zum Teil aber auch in einfachen »Grundgräbern« 16. Aufgrund eines Erdbebens waren die Katakombengräber allerdings eingestürzt. Die eigentlichen Grabkammern waren daher zum Zeitpunkt der Grabungstätigkeiten nicht mehr eindeutig zu identifizieren. Auch ist dies der Grund, aus dem die Überreste der in den Kammern bestatteten Individuen meist weder in situ noch im anatomischen Verband angetroffen wurden. Eine chronologische Einordnung 15

Grab 286, Grab 288, Grab 290 und Grab 294.

16

Grab 285, Grab 287 und Grab 289.

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Abb. 12 Gräberfeld Lučistoe: Grab 286, am linken Bildrand zu erkennen ist das noch artikulierte rechte Bein von Ind. 286-II. – (Foto N. Hollfelder).

der einzelnen Bestattungen war durch eine Analyse der Grabbeigaben möglich, welche vor Ort durch die ukrainischen Wissenschaftler durchgeführt wurde 17. Das Katakombengrab 286 bestand aus der gestörten Doppelbestattung eines 1-3-jährigen Kindes unbekannten Geschlechts (Ind. 286-I) und eines 40-50 Jahre alten Mannes (Ind. 286-II). Die Überreste des infantilen Individuums 286-I umfassten nur wenige Fragmente des Schädels, eine Alterdiagnose konnte daher lediglich anhand sechs geborgener Zahnkronen des Dauergebisses durchgeführt werden. Die Skelettelemente des maturen Individuums 286-II waren dagegen gut erhalten, lagen jedoch größtenteils nicht mehr im anatomischen Verband vor (Abb. 12). Datiert wurde diese Doppelbestattung ins 5.-10. Jahrhundert. Das ehemalige Katakombengrab 288 beinhaltete eine Mehrfachbestattung, die die Überreste von mindestens acht Individuen umfasste, wobei nur eines in situ vorgefunden wurde (Ind. 288-VII). Darüber hinaus fanden sich die Überreste eines 17-25-jährigen, eher männlichen Individuums (Ind. 288.I), einer 25-35 Jahre alten Frau (Ind. 288-III), eines 25-35-jährigen, eher weiblichen Individuums (Ind. 288-IV), sowie eines 35-45 Jahre alten Mannes (Ind. 288-VII). Des Weiteren wurden wenige Skelettelemente von zwei adulten bis maturen Individuen (Ind. 288-II, Ind. 288-V) freigelegt, sowie eines 5-7-jährigen Kindes (Ind. 288-VI) und eines weniger als 15 Jahre alten Individuums (Ind. 288-VIII). Der schlechte Erhaltungszustand der Skelettelemente führte dazu, dass bei den vier zuletzt genannten Individuen keine geschlechtsdiagnostische Analyse möglich war. 17

Alle Angaben bezüglich der Datierungen beruhen auf mündlicher Mitteilung von A. I. Ajbabin.

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Ferner wurden weitere Skelettelemente geborgen, die allerdings keinem der eben genannten Individuen zugeordnet werden konnten, sodass wohl von weiteren Bestattungen in diesem Grab ausgegangen werden kann. Datiert wurde das Kammergrab 288 ins 8. -9. Jahrhundert. Das eingestürzte Katakombengrab 290 umfasste die zum Teil noch in situ vorgefundenen, aber unvollständigen Überreste eines 45-55-jährigen Mannes (Ind. 290-I), eines 10-14 Jahre alten Kindes (Ind. 290II), sowie einer 21-25-jährigen Frau (Ind. 290-III). Der Befund wurde in die zweite Hälfte des 6. Jahrhunderts bis in das 7. Jahrhundertdatiert. Das ehemalige Katakombengrab 294 beinhaltete die Bestattungen von mindestens neun Individuen und wurde ins 7. Jahrhundert datiert. Aufgrund der stark gestörten Fundsituation konnten die freigelegten Skelettelemente allerdings keinem Individuum zweifelsfrei zugeordnet werden. Unter den menschlichen Überresten dieses Kammergrabes befanden sich aber mit eindeutiger Sicherheit die Bestattungen eines infantilen und eines juvenilen Individuums. Bei Grundgrab 285 handelte es sich um die Einzelbestattung eines 21-25-jährigen Individuums (Ind. 285), dessen Geschlecht aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes der vorhandenen Skelettelemente nicht ermittelt werden konnte. Datiert wurde die Bestattung ins 9.-10. Jahrhundert. In Grab 287 konnten die Überreste einer 19-25-jährigen Frau (Ind. 287) freigelegt werden. Die zeitliche Einordnung die- Abb. 13 Gräberfeld Lučistoe: Grab 285 mit großen, den Schädel umgebenden Steinen. – (Foto N. Hollfelder). ser Bestattung fiel in das 8.-9. Jahrhundert. Das Grundgrab 289 barg die Überreste eines 30-35-jährigen Mannes (Ind. 289), und wurde ins 5. Jahrhundert datiert. Interessant bei den Einzelbestattungen aus Grab 285 und Grab 289 war die Tatsache, dass die Schädel der Individuen jeweils von großen Steinen umgeben waren (Abb. 13).

AUSWERTUNGEN UND ERGEBNISSE Aus dem Gesamtspektrum der möglichen Auswertungen sollen im Folgenden einige Ergebnisse exemplarisch angeführt werden. Die Ausführungen konzentrieren sich auf demographische, metrische und paläopathologische Befunde. Darüber hinaus werden die häufig auftretenden künstlichen Schädeldeformationen besprochen. Wie bereits erwähnt, ist hierbei stets der Stichprobencharakter der vorliegenden Daten zu berücksichtigen.

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Abb. 14 Vergleich der Geschlechterverteilung auf allen bearbeiteten Gräberfeldern. – (Graphik S. Zesch).

Abb. 15 Vergleich der Altersverteilung auf allen bearbeiteten Gräberfeldern. – (Graphik S. Zesch).

Demographische Auswertung Insgesamt konnten demographische Daten von mindestens 53 Individuen erhoben werden, die in den Jahren 2007 und 2008 auf den drei vorgestellten Gräberfeldern freigelegt und bearbeitet worden sind. Diejenigen Individuen, die im Jahr 2006 bzw. in früheren Grabungskampagnen freigelegt wurden, sind von der hier vorgestellten Auswertung ausgeschlossen. Hinsichtlich des Geschlechts bietet sich auf den drei Gräberfeldern ein nahezu ausgewogenes Bild (Abb. 14). Die Bestimmungsmöglichkeit hierfür relevanter Merkmale war mit Ausnahme der Bestattungen aus Lučistoe insgesamt zufrieden stellend. Ebenso zeigt die Altersstruktur aller Gräberfelder eine Normalverteilung (Abb. 15), etwa die Hälfte der Bestatteten fällt in die adulte Altersklasse. Auffällig ist lediglich der verhältnismäßig hohe Anteil 35-45-jähriger Individuen auf dem Gräberfeld von Almalyk. Subadulte Individuen finden sich auf allen drei Gräberfeldern, jedoch nur am Ėski Kermen konnten Kinder und Jugendliche aller Altersstufen erfasst werden. Die Gruppe der über 60-Jährigen ist dagegen auf keinem der Fundorte vertreten. Bei der gemeinsamen Bestattung mehrerer Individuen in einem Grab liegt der Gedanke nahe, dass es sich bei diesen um die Angehörigen einzelner Familien gehandelt haben könnte. Die Kombination »Mann – Frau – Kind«, die eine klassische Kernfamilie vermuten ließe, konnte jedoch in keinem der untersuchten Gräber festgestellt werden. Zum einen ist dies sicherlich in der bereits oben genannten Tatsache begründet, dass Kinder zumeist einzeln in so genannten »Grundgräbern« und nur selten innerhalb der Kata-

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Kariesfrequenz gesamt Kariesfrequenz Frauen Kariesfrequenz Männer Kariesintensität gesamt Kariesintensität Frauen Kariesintensität Männer Kariesfrequenz mit Verlusten gesamt Kariesfrequenz Frauen mit Verlust Kariesfrequenz Männer mit Verlust Kariesintensität mit Verlusten gesamt Kariesintensität Frauen mit Verlust Kariesintensität Männer mit Verlust Zahnsteinfrequenz gesamt Zahnsteinfrequenz Frauen Zahnsteinfrequenz Männer Zahnsteinintensität gesamt Zahnsteinintensität Frauen Zahnsteinintensität Männer Hypoplasienfrequenz gesamt Hypoplasienfrequenz Frauen Hypoplasienfrequenz Männer Hypoplasienintensität gesamt Hypoplasienintensität Frauen Hypoplasienintensität Männer

EK n gesamt = 19, davon W = 9, M = 7

AL n gesamt = 14, davon W = 5, M = 7

LU n gesamt = 11, davon W = 4, M = 5

57,9 66,7 57,1 9,2 6,9 12,3 57,9 66,7 57,1 16,7 22,9 14,6 68,4 66,7 71,4 26,8 22,9 29,8 79 77,8 100 19,3 12,2 21,1

35,7 80 14,3 6,7 9,1 6 35,7 80 14,3 9 10,4 9 64,3 60 85,7 40,4 27,3 51,9 50 60 57,1 26 42,9 18,8

54,5 50 60 6,6 14,3 4,3 63,6 75 60 8,6 17,1 5,2 81,8 75 100 40,4 42,9 52,6 100 100 100 32,3 34,3 26,6

Tab. 2 Berechnungen zur Krankheitsbelastung der bleibenden Zähne, alle Angaben in Prozent (W = weiblich, M = männlich; Differenzen zur Gesamtanzahl ergeben sich durch Individuen, deren Geschlecht nicht bestimmbar war). – EK Gräberfeld Ėski Kermen; AL Gräberfeld Almalyk; LU Gräberfeld Lučistoe. – (F. Jacobi).

kombengräber beigesetzt wurden. Eine Ausnahme bilden hierbei lediglich Grab 378 (Ėski Kermen) und Grab 188 (Almalyk). Tatsächlich wurden meist Individuen ähnlichen Alters zusammen bestattet, und zwar sowohl gleichen als auch unterschiedlichen Geschlechts (vgl. Tab. 1). Zum anderen ist es schwierig, nur aufgrund einer Alters- und Geschlechtsverteilung auf verwandtschaftliche Zusammenhänge schließen zu wollen. Derartige Fragestellungen können daher nur auf genetischer, maximal epigenetischer Basis erörtert werden.

Metrische Analysen Um eine Erfassung möglichst vieler Individualdaten zu gewährleisten, wurde auch eine Reihe metrischer Maße erhoben. Dies betrifft aufgrund der Erhaltung vor allem die Langknochen des postcranialen Skeletts, nach Möglichkeit wurden jedoch auch die Schädel vermessen. Aufgrund der auftretenden artifiziellen Deformationen (s. u.) und der zum Teil schlechten Erhaltung ist ein statistischer Vergleich dieser spärlichen Daten jedoch zum gegebenen Zeitpunkt nicht sinnvoll möglich. Die Auswertung der postcranialen Maße erfolgte vor allem zur Bestimmung der Körperhöhe. Diese liegt im Mittel bei 164 cm für Männer und 153 cm für Frauen. Daneben wurde jedoch auch die Robustizität der Individuen mit statistischen Methoden verglichen, wobei insbesondere zwei weibliche Individuen auffielen (Abb. 16). Diese finden sich in den Diagrammen deutlich im eigentlich »männlichen« Verteilungsbereich. Bei ihnen handelt es sich um zwei Frauen vom Gräberfeld

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Ėski Kermen, welche gemeinsam in einem Kammergrab bestattet worden waren (Ind. 377 I, 24-34 Jahre und 377 II, 30-40 Jahre). Auch die Körperhöhe der beiden Frauen ist mit rund 162 cm bzw. 159 cm als auffällig zu bezeichnen. Zusammen mit ihrer offenbar größeren Robustizität hebt sie dies deutlich von den anderen Frauen der drei Gräberfelder ab und verbindet sie zugleich miteinander. Hierfür könnte es sowohl eine verwandtschaftliche als auch eine habituelle Ursache geben. In Verbindung mit der höheren Körpergröße erscheint jedoch ein familiärer oder populationsgenetischer Zusammenhang als wahrscheinAbb. 16 Vergleich der Robustizität der Individuen aller Gräberfelder anhand licher. Die geplanten Analysen der aDNA von Maßen des Oberschenkels. – (Graphik F. Jacobi). können hier sicherlich weitere Erkenntnisse erbringen. Des Weiteren finden sich zwei männliche Individuen, die im »weiblichen« Verteilungsbereich gelegen sind. Hierbei handelt es sich zum einen um das noch juvenile Individuum 376 (Ėski Kermen), bei dem ein möglicherweise noch nicht völlig abgeschlossenes Wachstum das Ergebnis verfälscht haben könnte. Auch der zweite Mann, Ind. 368 (Ėski Kermen), ist zwar mit 20-25 Jahren noch als eher jung zu bezeichnen, hatte hingegen das Wachstum bereits abgeschlossen. Hierbei handelt es sich also um einen »Ausreißer«.

Paläopathologische Untersuchungen An den Individuen der untersuchten Gräberfelder konnten verschiedene krankhafte Veränderungen festgestellt werden. Bereits bei deren Aufnahme wurde streng auf eine spätere Vergleichbarkeit der erhobenen Daten geachtet, sodass nicht nur die Existenz bestimmter Pathologien festgestellt, sondern auch die Häufigkeit ihres Auftretens in der analysierten Gemeinschaft errechnet werden kann. Diese Werte können als Basis für künftige Untersuchungen dienen, auch wenn im Folgenden nur einige Beispiele exemplarisch herausgegriffen werden sollen. An den Zähnen traten neben Zahnstein und leichten parodontalen Veränderungen zahlreiche kariöse Defekte auf (Abb. 17). Die Kariesfrequenz (Anteil der betroffenen Individuen) liegt, bei einer ähnlichen Beurteilbarkeit aller drei Gräberfelder (75-90 %), auf dem Gräberfeld Almalyk mit 35,7 % deutlich unter der auf den anderen Gräberfeldern (ca. 55 %). Auffällig ist hier auch die unterschiedliche Kariesbelastung von Männern und Frauen: Während sowohl am Ėski Kermen als auch in Lučistoe beide Geschlechter etwa gleich häufig Karies aufweisen, ergab sich für das Gräberfeld von Almalyk ein gravierender Unterschied: 80 % der Frauen wiesen entsprechende Läsionen auf, wohingegen nur 14 % der Männer betroffen waren. Für die Kariesintensität (Anteil der betroffenen Zähne) ergab sich kein derartig klares Bild, hier waren auf Almalyk Männer und Frauen ähnlich stark betroffen, letztere nur unwesentlich stärker (vgl. Tab. 2). Etwas deutlicher ist dieser Unterschied in Lučistoe, am Ėski Kermen findet sich hingegen ein entgegen gesetztes Bild. Insgesamt scheinen hier, im Gegensatz zu den beiden anderen Fundorten, die Männer die schlechtere Zahn-

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Abb. 17 Karies eines unteren und intravitaler Verlust eines oberen Backenzahnes (Ind. 372-I, Ėski Kermen). Schwarzfärbung der Frontzähne durch taphonomische Prozesse. – (Foto F. Jacobi).

Abb. 18 Cribra orbitalia in beiden Augenhöhlen eines etwa 5-7-jährigen Kindes (Ind. 374, Ėski Kermen). – (Foto F. Jacobi).

gesundheit gehabt zu haben. Dies gilt auch für die auf allen Gräberfeldern ähnlich starke Belastung mit Zahnstein, wenn auch in geringerem Ausmaß. Auffällig ist weiterhin die große Anzahl von Schmelzhypoplasien, die auf allen drei Gräberfeldern festgestellt werden konnte, in Lučistoe sogar bei jedem Individuum. Weiterhin fanden sich poröse Veränderungen im Augendach einiger Individuen, die als Cribra orbitalia bezeichnet werden (Abb. 18). Die Ätiologie dieses Erscheinungsbildes ist noch nicht restlos erforscht, zur Diskussion stehen verschiedene anämische Erkrankungen (Walker u. a. 2009). Auffällig ist bei den bearbeiteten Gräberfeldern das deutlich häufigere Auftreten am Ėski Kermen mit rund 60 % gegenüber dem Almalyk (rund 11 %) bei ähnlicher Beurteilbarkeit von 55 % bzw. 59 %. Da diese mit 37,5 % in Lučistoe deutlich schlechter war, können die dort betroffenen Individuen (33 %) nicht in die Auswertung einfließen. Am Postcranium konnten vor allem altersbedingte Prozesse festgestellt werden, wie etwa leichte und mittelschwere Arthrosen an den Gelenken der großen Langknochen. Als Beispiel hierfür kann das Ellenbogen-

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Abb. 20 Becken (links) und Oberschenkel (rechts) einer 30-50-jährigen Frau (Ind. 364-I, Ėski Kermen) mit deutlichen Veränderungen, wohl infolge einer Hüftgelenksluxation. – (Fotos M. Stecher, F. Jacobi).

gelenk angeführt werden: Bei einem von sieben bzw. zehn beurteilbaren Individuen (14,3 % rechts / 10 % links) des Ėski Kermen konnte am distalen Gelenk des Oberarmknochens eine leichte Arthrose festgestellt werden. Auch die Kniegelenke der Individuen an diesem Fundplatz waren von Arthrosen betroffen. An einem von 15 beurteilbaren linken Oberschenkelknochen (6,7 %) fand sich eine leichte und an einem von 16 rechten (6,3 %) eine mittelschwere Veränderung. Eine leichte Ausprägung konnte außerdem bei zwei von 14 proximalen Schienbeingelenken beobAbb. 19 Links: In leichter Fehlstellung verheilachtet werden (14,3 %). Entsprechende Veränderungen konnten ter Bruch der rechten Elle einer 27-35-jährigen Frau (Ind. 369, Ėski Kermen). Zum Vergleich auf den Gräberfeldern von Almalyk und Lučistoe nicht erkannt rechts die gesunde Elle einer etwa gleichgroßen werden. Allerdings lag hier erhaltungsbedingt die Beurteilbarkeit Person. – (Foto F. Jacobi). mit 0-12 % (Lučistoe) bzw. 13-27 % (Almalyk) deutlich unter der des Ėski Kermen (33-75 %). Ein ähnliches Bild ergab sich für degenerative Veränderungen der Wirbelsäule in Form von Spondylosis deformans, Spondylarthrosen sowie Schmorlschen Knorpelknötchen. Für eine statistische Auswertung sind die auftretenden Frequenzen jedoch zu gering. Das gleiche gilt für eine nach Geschlechtern getrennte Auswertung. Hinweise auf traumatische Geschehen konnten nur vereinzelt erkannt werden. Zwei Frauen zeigten verheilte Frakturen an den Unterarmen: Die rechte Speiche einer 24-34-jährigen Frau (Ind. 377-I) war völlig ohne Fehlstellung verwachsen. Die rechte Elle einer 27-35 Jahre alten Frau (Ind. 369) zeigte hingegen eine leichte Fehlstellung (Abb. 19). Beide fanden sich auf dem Gräberfeld am Ėski Kermen, ebenso wie die 3050-jährige Frau (Ind. 364-I), deren rechte Rippen zwei verheilte Frakturen aufwiesen. Das einzig männliche Individuum (Ind. 290-I; 45-55 Jahre), das nachweisbar von einem Knochenbruch betroffen war, stammt vom Gräberfeld Lučistoe und ließ eine Fraktur der Mittelfußknochen erkennen. Als ein interessantes Fallbeispiel kann Individuum 364-I vom Gräberfeld Ėski Kermen genannt werden. Diese 30-50-jährige Frau weist eine gravierende Veränderung ihres linken Hüftgelenkes auf. Der Gelenkkopf des Oberschenkels ist stark deformiert, ebenso wie das entsprechende Gelenk des Beckens. Neben diesem hat sich eine neue rudimentäre Gelenkpfanne gebildet (Abb. 20). Alle beteiligten Gelenke zeigen Anzeichen einer Pseudoarthrose, zusammengenommen kann somit auf eine Hüftgelenksluxation geschlossen werden.

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Ob diese jedoch erblicher oder traumatischer Ursache war, konnte aufgrund der Erhaltung sowie der Arbeit im Feldlabor nicht entschieden werden. Hierfür wären weiterführende diagnostische Methoden (z. B. Radiographie) notwendig. Fest steht, dass das betroffene Bein nur noch eingeschränkt genutzt werden konnte, da eine Verkümmerung des Knochens (Atrophie) beobachtet werden konnte. Zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar hingegen ist die Ursache eines Lochdefektes im Schädeldach eines 40-50-jährigen Mannes vom Gräberfeld am Ėski Kermen (Ind. 372-I). Dieser ist etwa kreisrund und weist sowohl endo- als auch ectocranial einen Durchmesser von ca. 1 cm auf. Er ist im vorderen Bereich des linken Scheitelbeines nahe dem anatomischen Punkt Bregma lokalisiert, in unmittelbarer Nachbarschaft konnten auf der Schädelaußenseite zwei weitere kreisrunde Vertiefungen vergleichbarer Größe diagnostiziert werden (Abb. 21). Ein taphonomischer Hintergrund ist wenig wahrscheinlich, kann aber nicht vollständig ausgeschlossen werden. Differentialdiagnostisch könnte es sich um das Resultat tumoröser Veränderungen, traumatischer Geschehen oder therapeutischer Eingriffe (Trepanation) handeln.

Abb. 21 Schädel eines etwa 40-50-jährigen Mannes (Ind. 372-I, Ėski Kermen) mit Lochdefekt unklarer Herkunft (Pfeil) sowie kreisrunden Vertiefungen in unmittelbarer Nähe (Kreise). – (Foto F. Jacobi).

Artifizielle Schädeldeformationen Wie aufgrund der geografischen Lage zu vermuten, wiesen zahlreiche Individuen künstliche Schädeldeformationen auf. Solche Deformationen wurden in der Vergangenheit auf beinahe jedem Kontinent von den verschiedensten Kulturen durchgeführt 18. Dabei werden die noch weichen und formbaren Schädel der Kinder in den ersten Lebensmonaten mit Bandagen, Brettern oder anderen Hilfsmitteln in die gewünschte Form gebracht. Die Gründe hierfür reichen von der reinen Erfüllung eines Schönheitsideals über magischreligiöse Motive bis hin zu Statussymbolen 19. Je nach Methodik unterschied sich die Form der veränderten Schädel, dementsprechend existiert in der anthropologischen Fachliteratur eine Vielzahl von Klassifikationen der einzelnen Formen. In Russland richtet man sich mehrheitlich nach den Einteilungen E. V. Žirovs 20, denen aufgrund der geografischen Nähe in dieser Arbeit gefolgt wird. Dieser differenziert auf Basis der Erscheinungsformen intentionell veränderter Schädel und verwendeter Apparaturen zwischen occipitaler, fronto-occipitaler, zirkulärer und parietaler Verformung 21. Auf den hier besprochenen Gräberfeldern weisen alle sicher beurteilbaren Schädel eine fronto-occipitale Art der Verformung auf. Allerdings verläuft die 18 19

Özbek 2001. Littlefield u. a. 2005.

20 21

Žirov 1940. Shvedchikova 2006, Fig. 2.

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Abb. 22 Künstliche Schädeldeformation eines 40-50-jährigen Mannes (Ind. 372 I, Ėski Kermen; links) und einer 30-50-jährigen Frau (Ind. 364-I, Ėski Kermen; rechts). – (Fotos M. Stecher, F. Jacobi).

Abflachung des Hinterhauptes etwas steiler und ähnelt somit eher einer Zwischenform zur zirkulären Form (Abb. 22). Von insgesamt 33 beurteilbaren Erwachsenen wiesen mindestens 16, wahrscheinlich eher 18 eine solche Deformation auf. Die Unsicherheit in der Zuweisung der beiden letzten Individuen liegt zum einen in ihrer schlechteren Erhaltung und zum anderen in einer vermutlich schwächeren Ausprägung der Deformation begründet. Derartige Abstufungen können beispielsweise durch die Zeitspanne oder Intensität der verformenden Anwendung bedingt sein 22. Im Gegensatz zu den aus Mitteleuropa bekannten Deformationen bei den so genannten Westgermanen, bei denen fast ausschließlich Frauen diese Deformationen aufweisen 23, ist hier die Geschlechterverteilung nahezu ausgeglichen. Auf dem Gräberfeld Ėski Kermen sind die Schädel von vier Männern, sechs Frauen und einem unbestimmbaren Individuum deformiert, hinzu kommen je ein weiterer Mann und eine Frau, bei denen die Diagnose nur unter Vorbehalt getroffen werden kann. Auf dem Gräberfeld Almalyk fanden sich bei zwei Männern, einer Frau und einem nicht näher bestimmbaren Individuum Deformationen, auf der Nekropole von Lučistoe lediglich bei einer Frau. Bei der Aufnahme der epigenetischen Merkmale fiel vor allem das häufige Auftreten von Metopismus auf (Abb. 23). So bezeichnet wird das Vorhandensein einer bestimmten Schädelnaht im Erwachsenenalter, die normalerweise innerhalb der ersten zwei Lebensjahre vollständig verwächst, unter bestimmten, vermutlich erblich bedingten Umständen jedoch offen bleiben kann 24. Dieses Merkmal ist jedoch in der untersuchten Stichprobe relativ häufig, es findet sich bei insgesamt 11 von 36 beurteilbaren Individuen (30,6 %). Von diesen elf Individuen zeigen jedoch nur sechs auch eine Schädeldeformation, somit ergibt sich ein Vorkommen von Metopismus bei Individuen mit deformiertem Schädel von 33,3 %. Nur unwesentlich stärker mit der Deformation verbunden scheint hingegen das Auftreten von Schaltknochen zu sein 25. Für dieses Merkmal waren 34 Individuen beurteilbar, von denen 18 Schaltknochen an verschiedenen Schädelnähten aufwiesen (52,9 %). Diese verteilen sich gleichmäßig auf Individuen mit und O’Loughlin 2004. Alt 2006. 24 Reinhard / Rösing 1985. 22 23

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25

Als Schaltknochen werden kleine zusätzliche Knochen im Bereich der Schädelnähte bezeichnet, deren Auftreten zur Analyse verwandtschaftlicher Beziehungen genutzt werden kann (sog. »epigenetisches Merkmal«).

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ohne Deformation, für letztere ergibt sich eine Häufigkeit von 44,4 %. Der nur minimale Einfluss künstlicher Schädeldeformationen auf epigenetische Merkmale, wie in der Literatur beschrieben 26, bestätigt sich also auch für die vorliegenden Individuen.

Isotopenanalysen Die Analyse stabiler Isotope in Knochen- und Zahngewebe hat sich in den letzten Jahren zu einem Schwerpunkt in der Bioarchäometrie entwickelt 27. Isotopensignaturen können indirekt Auskunft über die Ernährungsgewohnheiten und die Mobilität einzelner Individuen sowie ganzer Populationen geben. Über die Ernährung gibt Abb. 23 Persistierende Stirnnaht (Metopismus) bei einem das Verhältnis von Kohlenstoff- (12C / 13C) und Stickstoff- etwa 30-35-jährigen Mann (Ind. 371 II, Ėski Kermen). – (Foto isotopen (14N / 15N) aus dem Knochenkollagen Auskunft. F. Jacobi). Für Mobilitätsuntersuchungen werden hauptsächlich die Isotope von Strontium (Sr) und Sauerstoff (O) herangezogen, die aus dem Zahnschmelz gewonnen werden. Deren Aufnahme in den menschlichen Körper erfolgt über die Nahrung, das Trinkwasser und die Atemluft. Individual-, Populations- oder Geschlechterunterschiede ergeben sich hinsichtlich terrestrischer und mariner Nahrung, im Hinblick auf das Ressourcenangebot an Pflanzen (C3-, C4-Pflanzen), diverser Proteinquellen (Wildtiere, Haustiere, Fisch), in der Höhe des Konsums von tierischem Eiweiß und kohlenhydratreicher Nahrung, der Subsistenzstrategien (z. B. Viehzüchter, Ackerbauern), der Lebensform (nomadisch, sesshaft), der Art der Wirtschaftsweise (z. B. Transhumanz), dem Zugang zu Nahrung (Statusgruppen), der Nahrungsumstellung in der Kindheit (Stillsignale) und möglichen Nahrungstabus 28.

Ernährungsrekonstruktion Die Rekonstruktion der Isotopenverhältnisse im Knochenkollagen eines Individuums erlaubt Rückschlüsse auf die Nahrung und die Stellung des Konsumenten innerhalb der Nahrungskette (Trophiestufeneffekt). Ernährung stellt somit einen wichtigen Faktor dar, einen Wandel in der Lebensweise festzustellen 29. Für die Analyse der stabilen Kohlenstoff- und Stickstoffisotope aus dem Kollagen wurde je Individuum vor Ort eine Knochenprobe genommen. Aufgrund mehrjähriger Erfahrungen werden Rippen als Probenmaterial bevorzugt, da deren Erneuerung deutlich schneller erfolgt als der Umbau von Langknochen. Der erhaltene Wert repräsentiert dabei die letzten 20 Lebensjahre des Individuums. Zum Vergleich und zur Absicherung der menschlichen Proben werden Tierknochen, die an den jeweiligen Fundorten gesammelt wurden, als lokale Referenz herangezogen. An den geborgenen Skelettresten der Gräberfelder am Ėski Kermen, Almalyk und in Lučistoe wäre es unter Einsatz relativ beschränkter finanzieller Mittel möglich, Untersuchungen zur Subsistenzbasis und zur Ernährung im Frühmittelalter durchzuführen. Insbesondere wäre auf gruppenspezifische Ernährungsunter26 27

Konigsberg / Kohn / Cheverud 1993. Tütken / Knipper / Alt 2008.

28 29

Müldner/ Richards 2005. – Dürrwächter u. a. 2006. – Oelze 2008. Ambrose / Katzenberg 2001. – Katzenberg 2008.

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Abb. 24 Übersichtskarte der Beprobungsorte von Schnecken als Vergleichsbasis für Isotopenuntersuchungen im Arbeitsgebiet. – (G. Heinz, A. Cramer, RGZM / i3mainz, F. Jacobi).

schiede zwischen den einzelnen Fundstellen, auf Differenzen in der Ernährung zwischen Männern und Frauen sowie zwischen den sozialen Gruppen zu fokussieren. Hierbei könnten auch archäobotanische Erkenntnisse bei der Interpretation der Daten hilfreich sein, falls diese vorliegen. An zeitgleichem Vergleichsmaterial stehen Ergebnisse aus der eigenen Arbeitsgruppe sowie aus einer Reihe von anderen Arbeitsgruppen aus verschiedenen geographischen Regionen zur Verfügung.

Hinweise auf Mobilität und Migration Grundlegend für Mobilitätsstudien sind regional signifikant voneinander abweichende Isotopenverhältnisse, die im Zahnschmelz gespeichert sind 30. Diese ergeben sich aus einem komplexen Zusammenspiel 30

Tütken / Knipper / Alt 2008.

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geologischer und klimatischer Prozesse. Um zwischen autochthonen und fremden Individuen unterscheiden und menschliche Bewegungsmuster rekonstruieren zu können, ist die Kenntnis der lokalen, am jeweiligen Fundort herrschenden Isotopenverhältnisse unabdingbar. Aus diesem Grund wurden bereits während der Grabungskampagne 2008 rezente Schneckenschalen im Gebiet des Ėski Kermen, Mangup sowie von Lučistoe gesammelt und deren geographische Positionen per GPS registriert (Abb. 24). Die Isotopenzusammensetzungen dieser Kalkgehäuse ermöglicht dann bei der Analyse der menschlichen Skelette die lokalen Isotopenprovinzen zu charakterisieren. Die bereits während der Grabung unter strenger Kontaminationsvermeidung entnommenen Zähne werden vollständig verwendet: das Dentin für aDNA-Untersuchungen, der Zahnschmelz für Mobilitätsanalysen. Um repräsentative Ergebnisse zu generieren, wurden nach Möglichkeit mindestens zwei Molaren eines Individuums entnommen. Da nach dem Abschluss der Zahnschmelzbildung keine weiteren Isotope aufgenommen werden, spiegeln diese Werte die Isotopenverhältnisse im Kindes- und Jugendalter wider 31. Mittels der Untersuchung kompletter Gräber bzw. kleinerer Gräberfelder wäre es möglich, Einheimische und Fremde zu identifizieren. Auf der Basis der biologischen Geschlechtsbestimmung kann hiermit weiterhin überprüft werden, ob Männer und / oder Frauen lokal aufgewachsen oder zugewandert (z. B. eingeheiratet) sind und ob ihre Kinder vor Ort geboren wurden. Daraus ergeben sich als Alternativen unterschiedlichste Formen der Patri- und Matrilokalität und damit Aussagen über Endogamie- und Exogamieverhältnisse bis hin zu Hinweisen auf saisonale Migration 32. Durch die Analyse mehrerer, zeitlich nacheinander gebildeter Zähne eines Individuums ist es sogar möglich, intraindividuelle Mobilitätsmuster nachzuzeichnen 33. Im Hinblick auf die ethnische Vielfalt auf der Krim und auf das Mobilitätsverhalten der dort angetroffenen Gruppen besitzen diesbezügliche Untersuchungen ein hohes Potential für Aussagen über die Bevölkerungsdynamik. Zusammen mit Aussagen aus der Molekulargenetik ließen sich viel versprechende Informationen über die Struktur und Dynamik der Populationen auf der Krim gewinnen.

ZUSAMMENFASSUNG In deutsch-ukrainischer Zusammenarbeit konnten auf den Gräberfeldern am Ėski Kermen, auf Almalyk sowie bei Lučistoe in den Jahren 2007 und 2008 die sterblichen Überreste von insgesamt 53 Individuen geborgen und anthropologisch untersucht werden. Die ausgewogene demographische Verteilung erlaubte trotz häufig ungünstiger Auffindungs- und Erhaltungsbedingungen einen interessanten Einblick in die vorliegende frühmittelalterliche Bevölkerung. So konnten neben Aussagen zur durchschnittlichen Körperhöhe und Robustizität der Menschen auch Erkenntnisse zu ihrer Krankheitsbelastung gewonnen werden. Auffällig war hier vor allem der Unterschied in der Zahngesundheit zwischen Männern und Frauen auf der einen, und den verschiedenen Gräberfeldern auf der anderen Seite. Ein weiterer Schwerpunkt ergab sich durch das gehäufte Auftreten künstlicher Schädeldeformationen bei beiden Geschlechtern. Zudem konnten einige möglicherweise mit den Deformationen in Verbindung stehende epigenetische Merkmale am Schädel bewertet werden. Besondere Sorgfalt wurde auf die spätere Vergleichbarkeit der gewonnenen Daten verwendet, sodass hiermit eine Basis für zukünftige Bearbeitungen gegeben ist. Gleiches gilt für die geplante Bearbeitung der gewonnenen Isotopenproben, welche wertvolle Erkenntnisse zur Ernährung sowie Mobilität der frühmittelalterlichen Bevölkerung der Krimhalbinsel liefern können. 31 32

Tütken / Knipper / Alt 2008. Fricke / Clyde / O’Neil 1998.

33

Grupe u. a. 1997. – Knipper 2004.

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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DANKSAGUNG Wir danken Nina Hollfelder und David Bernast für die Unterstützung bei der Freilegung, Bergung und anthropologischen Bearbeitung sowie bei der fotographischen Dokumentation der menschlichen Überreste vor Ort. Außerdem danken wir den Archäologen vor Ort, insbesondere Sergej Černyš, für die freundliche Kooperation. Den Leitern der Ausgrabungen am Ėski Kermen bzw. in Lučistoe, Herrn Aleksandr Aibabin, sowie am Gräberfeld Almalyk,

Herrn Aleksandr Gercen, sei ebenfalls herzlichst für ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit gedankt. Sämtliche Karteninhalte wurden in Zusammenarbeit mit den ukrainischen Projektpartnern Prof. Dr. Aleksandr Gercen und Prof. Dr. Aleksandr I. Ajbabin erstellt, denen wir an dieser Stelle für die Bereitstellung der Grabungspläne danken.

LITERATUR Alt 2006: K. W. Alt, Die artifizielle Schädeldeformation bei den Westgermanen. Meždisciplinarnye v archeologii issledovanija v archeologii RAN 5, 2006, 115-126. Ambrose / Katzenberg 2001: S. H. Ambrose / M. A. Katzenberg, Biogeochemical Approaches to Paleodietary Analysis. Advances in Archaeological and Museum Science 5 (New York 2001). Debec 1949: G. F. Debec, Antropologičėski sostav naselenia srednevekovich gorodov Kryma (Anthropological composition of the population of medieval towns of the Crimea). Sbornik museja antropologii i ėtnografii 12 (Leningrad 1949) 333386. Dürrwächter u. a. 2006: C. Dürrwächter / O. E. Craig / J. M. Collins / J. Burger / K. W. Alt, Beyond the Grave: Variability in Neolithic Diets in Southern Germany. Journal of Archaeological Science 33, 2006, 39-48. Fricke / Clyde / O’Neil 1998: H. C. Fricke / C. C. Clyde / J. R. O’Neil, Intra-tooth Variations in d δ18O (PO4) of mammalian Tooth Enamel as a record of seasonal Variations in continental Climate Variables. Geochimestry Cosmochimestry Acta 62, 1998, 18391850. Grupe u. a. 1997: G. Grupe / T. D. Price / P. Schroter / F. Sollner / C. M. Johnson / B. L. Beard, Mobility of Bell Beaker People revealed by Strontium Isotope Ratios of Tooth and Bone: A Study of southern Bavarian Skeletal Remains. Applied Geochemistry 12, 1997, 517-525. Knipper 2004: C. Knipper, Die Strontiumisotopenanalyse: eine naturwissenschaftliche Methode zur Erfassung von Mobilität in der Ur- und Frühgeschichte. Jahrbuch RGZM 51, 2004, 589685. Konigsberg / Kohn / Cheverud 1993: L. W. Konigsberg / L. A. P. Kohn / J. M. Cheverud, Cranial Deformation and Nonmetric Trait Variation. American Journal of Physical Anthropology. 90, 1993, 35-48. Littlefield u. a. 2005: T. R. Littlefield / R. H. Hess / K. M. Kelly / J. K. Pomatto, Cranial Remodeling: From Cultural Practice to Contemporary Treatment of Cranial Deformities. Revue Biometrie Humaine et Anthropologie 23, 2005, 43-52.

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Oelze 2008: V. M. Oelze, Biochemische Ernährungsrekonstruktion an zwei linearbandkeramischen Gräberfeldern aus dem Mittelelbe-Saale-Gebiet mittels Analyse der stabilen Isotope von Kohlenstoff und Stickstoff [Magisterarbeit] (Mainz 2008). Özbek 2001: M. Özbek, Cranial Deformation in a subadult Sample from Değirmentepe (Chalcolithic, Turkey). American Journal of Physical Anthropology 115, 2001, 238-244. O’Loughlin 2004: V. D. O’Loughlin, Effects of different Kinds of Cranial Deformation on the Incidence of Wormian Bones. American Journal of Physical Anthropology 123, 2004, 146-155. Petrov 1935: G. I. Petrov, Ob antropologičeskich materialiach ĖskiKermenskoj ekspedicii (Predvaritel’naja informacija). Material’y Ėski-Kermenskoj ekspedicii (1931-1933). Izvestija Gosudarstvennoi Akademii istorii material’noi kul’rury 117, 1935, 12-17. Reinhard / Rösing 1985: R. Reinhard / F. W. Rösing, Ein Literaturüberblick über anatomische Definitionen diskreter Merkmale/ anatomischer Varianten am Schädel des Menschen (Ulm 1985). Shvedchikova 2006: T. Yu. Shvedchikova, Early Classifications of deliberate Deformation of human Skulls. In: M. Mednikova (Hrsg.), Artificial Deformation of human Head in Eurasian. Opus. Meždisciplinarnye v archeologii issledovanija v archeologii RAN 5, 2006, 198-205. Tütken / Knipper / Alt 2008: Th. Tütken / C. Knipper / K. W. Alt, Mobilität und Migration im archäologischen Kontext: Informationspotential von Multi-Element-Isotopenanalysen (Sr, Pb, O). In: J. Bemmann / M. Schmauder (Hrsg.), Kulturwandel in Mitteleuropa. Langobarden – Awaren – Slawen (Bonn 2008) 13-42. Walker u. a. 2009: P. L. Walker / R. R. Bathurst / R. Richman / T. Gjerdrum / V. A. Andrushko, The Causes of Porotic Hyperostosis and Cribra Orbitalia: A Reappraisal of the Iron-Deficiency-Anemia Hypothesis. American Journal of Physical Anthropology 139, 2009, 109-125. Zinevič 1973: G. P. Zinevič, Antropologičeskie materiali srednevekovich mogilnikov jugo-zapadnogo Kryma (Kiev 1973). Žirov 1940: E. V. Žirov, Ob iskusstvennoj deformacii golovy. Kratkie soobščenija Instituta Istorii Material’noj Kul’tury 8. (Moskva1940).

F. Jacobi u. a. · Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim

Zusammenfassung / Abstract / Резюме Ėski Kermen, Almalyk und Lučistoe – Bioarchäologie auf der Krim In deutsch-ukrainischer Zusammenarbeit konnten auf den Gräberfeldern am Eski Kermen, auf Almalyk sowie bei Lučistoe in den Jahren 2007 und 2008 die sterblichen Überreste von insgesamt 53 Individuen geborgen und anthropologisch untersucht werden. Die ausgewogene demographische Verteilung erlaubte trotz häufig ungünstiger Auffindungs- und Erhaltungsbedingungen interessante Erkenntnisse über die lokale frühmittelalterliche Bevölkerung. So konnten neben Aussagen zur durchschnittlichen Körperhöhe und Robustizität der Menschen auch Ergebnisse zu ihrer Krankheitsbelastung gewonnen werden. Auffällig war hier vor allem der Unterschied in der Zahngesundheit zwischen Männern und Frauen auf der einen und den verschiedenen Gräberfeldern auf der anderen Seite. Ein weiterer Schwerpunkt ergab sich durch das gehäufte Auftreten künstlicher Schädeldeformationen bei beiden Geschlechtern. Zudem konnten einige möglicherweise mit den Deformationen in Verbindung stehende epigenetische Merkmale am Schädel bewertet werden. Besondere Sorgfalt wurde auf die spätere Vergleichbarkeit der gewonnenen Daten verwendet, sodass hiermit eine Basis für zukünftige Bearbeitungen gegeben ist. Gleiches gilt für die geplante Bearbeitung der gewonnenen Isotopenproben, welche wertvolle Erkenntnisse zur Ernährung sowie Mobilität der frühmittelalterlichen Bevölkerung der Krimhalbinsel liefern können. Eski Kermen, Almalyk and Luchistoe – Bioarchaeology on Crimea In a German-Ukrainian collaboration at the cemeteries of Eski Kermen, Almalyk, and Lučistoe in 2007 and 2008 human remains from a total of 53 individuals were recovered and analysed. The well-balanced demographic profile provided an interesting insight into this Early Medieval population, despite the adverse conditions of retrieval and preservation in many cases. Beside conclusions concerning the mean body height and postcranial robusticity it was also able to gain knowledge of the state of health of these humans. A further core issue respresented the artificial deformation of human skulls due to its frequent occurence in both sexes and even some children. Moreover it was possible to further evaluate epigenetic traits of the skull, which might be linked to the former mentioned practice. As this work is considered a base for future research, particular attention was paid to ensure comparability of the obtained data. The same applies to the intended analysis of stable isotopes, which will provide insight into the food pattern and the mobility of the Early Medieval Crimean population. Эски-Кермен, Алмалык и Лучистое – биоархеология в Крыму В 2007-2008 годах в рамках немецко-украинского проекта на территории могильников Эски-Кермен, Алмалык и Лучистое были обнаружены и антропологически обследованы человеческие останки, принадлежащие 53 индивидуумам. Равномерное демографическое распределение дало, несмотря на часто неблагоприятные условия изысканий и сохранности, интересную картину раннесредневекового населения Крыма. Так, наряду с данными о среднем росте и телосложении людей, были также получены сведения о их болезнях. В этой связи следует, прежде всего, отметить различия в здоровье зубов между мужчинами и женщинами, с одной стороны, и между различными некрополями, с другой стороны. Другой отмеченной нами особенностью было часто встречаемое наличие искусственных деформаций черепа у обоих полов. Кроме того удалось установить некоторые эпигенетические характерные черты, связанные, как предполагается, с упомянутыми деформациями черепа. Особое внимание уделялось перспективному сравнению полученных данных, которые образовывают базу для будущих обработок. Сказанное относится также и к планирующимся разработкам полученных изотопных проб, которые могут дать ценные сведения относительно питания и мобильности раннесредневекового населения полуострова Крым.

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim

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NEUERSCHEINUNGEN Ljudmila Pekarska

Jewellery of Princely Kiev The Kiev Hoards in the British Museum and The Metropolitan Museum of Art and Related Material

Monographien des RGZM, Band 92 268 S. mit 270 meist farb. Abb., 21 × 29,7 cm, Hardcover, fadengeheftet ISBN 978-3-88467-172-6 (RGZM) € 76,–

In the capital of Kievan Rus’, princely Kiev, almost 70 medieval hoards have been discovered to date. The hoards contained gold and silver jewellery of the ruling dynasty, nobility and the Christian Church. They were unique to Kiev and their quantity and magnificence of style cannot be matched by anything found either in any other former city of Rus’, or in Byzantium. Most of the objects never had been published outside the former Soviet Union. During the 17th-20th centuries, many medieval hoards were gradually unearthed; some disappeared soon after they were found. This book provides a complete picture of the three largest medieval hoards discovered in Kiev: in 1906, 1842 and 1824, and traces the history and whereabouts of other lost treasures. Other treasures took pride of place in some of the world’s top museums. This publication highlights the splendid heritage of medieval Kievan jewellery. It illustrates not only the high level of art and jewellery craftsmanship in the capital, but also the extraordinary religious, political, cultural and social development of Kievan Rus’, the largest and most powerful East Slavic state in medieval Europe.

Benjamin Fourlas · Vasiliki Tsamakda

Wege nach Byzanz Publikation anlässlich der Ausstellung »Wege nach Byzanz« im Landesmuseum Mainz, vom 6. November 2011 bis zum 5. Februar 2012

1. Auflage 2011, 356 S. mit 246 meist farb. Abb., 21 × 28 cm, Hardcover, fadengeheftet ISBN 978-3-88467-186-3 € 34,–

Für das mittelalterliche Europa nahm Byzanz – das christianisierte und gräzisierte oströmische Reich – in vielerlei Hinsicht den Status einer nachahmenswerten »Leitkultur« ein. Dennoch wird das byzantinische Erbe, das in der orthodoxen Kirche und der griechischen Sprache bis heute lebendig ist, in Westeuropa meist nicht als wesentlicher Teil der kulturellen Identität Europas wahrgenommen. Der Titel »Wege nach Byzanz« ist mehrdeutig zu verstehen: Einerseits sind mit den »Wegen« tatsächliche Annäherungen an das Byzantinische Reich und seine Kultur gemeint (z. B. über Pilger- und Handelswege, diplomatische Kontakte, Kreuzzüge), andererseits geistesund rezeptionsgeschichtliche Zugänge. Breiten Raum nehmen die »Wege der Forschung« ein. Hier werden die Quellen, methodische Grundlagen und Erkenntnismöglichkeiten über die byzantinische Kultur thematisiert. Das Buch ist als Begleitband und Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Landesmuseum Mainz konzipiert. Die Einträge zu den über 100 Exponaten vermitteln Einblicke in zentrale Aspekte der byzantinischen Kultur jenseits der geläufigen Klischees.

Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz Ernst-Ludwig-Platz 2 · 55116 Mainz · Tel.: 0 61 31 / 91 24-0 · Fax: 0 61 31 / 91 24-199 E-Mail: [email protected] · Internet: www.rgzm.de

NEUERSCHEINUNGEN Stefan Albrecht

Quellen zur Geschichte der byzantinischen Krim Die Erforschung der byzantinischen Krim wurde bisher dadurch erschwert, dass die vielen schriftlichen Quellen weit verstreut und auch aus sprachlichen Gründen nicht immer gut zugänglich waren. Diese Sammlung soll dem abhelfen. Sie umfasst die bekannten wie auch die selten benutzten griechischen, lateinischen und slawischen Quellen aus dem 4.-12. Jahrhundert. Die 90 Texte bzw. Textauszüge liegen teils erstmals in deutscher Übersetzung vor. Sie werden durch eine kurze Beschreibung und eine Einordnung in den Kontext der bisherigen Forschung ergänzt.

Monographien des RGZM, Band 101 363 S. ISBN 978-3-88467-197-9 € 48,–

Neslihan Asutay-Effenberger · Falko Daim (Hrsg.)

ΦΙΛΟΠΑΤΙΟΝ

Spaziergang im kaiserlichen Garten Beiträge zu Byzanz und seinen Nachbarn Festschrift für Arne Effenberger zum 70. Geburtstag

Monographien des RGZM, Band 106 318 S., 168 meist farb. Abb. ISBN 978-3-88467-202-0 € 75,–

Das Philopation war eine zum Vergnügen der Kaiser bestimmte Gartenund Jagdanlage außerhalb Konstantinopels. Ihm entsprach vor den Mauern von Konya ein ähnlicher Ort mit Namen »Filubad«, an dem die Sultane Zerstreuung suchten. Unter dem Namen Philopation wurde Arne Effenberger, dem ehemaligen Direktor des Museums für Byzantinische Kunst (BodeMuseum), zu seinem 70. Geburtstag eine Festschrift gewidmet. Die hierin enthaltenen Beiträge erzählen von der großen Strahlkraft des oströmischen Imperiums und spiegeln zugleich wenigstens einen Teil der lange gehegten und weitläufigen Forschungsfelder des Jubilars wider, die sich von Byzanz bis Ägypten, von der Spätantike bis zur Neuzeit, von Venedig bis Konya erstrecken, wobei ihm Konstantinopel/İstanbul stets besonders am Herzen liegt.

Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz Ernst-Ludwig-Platz 2 · 55116 Mainz · Tel.: 0 61 31 / 91 24-0 · Fax: 0 61 31 / 91 24-199 E-Mail: [email protected] · Internet: www.rgzm.de · http://shop.rgzm.de

NEUERSCHEINUNGEN Stefan Albrecht · Falko Daim · Michael Herdick (Hrsg.)

Die Höhensiedlungen im Bergland der Krim Umwelt, Kulturaustausch und Transformation am Nordrand des Byzantinischen Reiches

Monographien des RGZM, Band 113 511 S., 234 meist farb. Abb. ISBN 978-3-88467-220-4 € 85,–

Die Aufsatzsammlung markiert den Abschluss eines internationalen Pionierprojektes. Im Fokus stand die Frage, welche Faktoren in der Bergkrim eine regionale Identität entstehen ließen, die über Jahrhunderte hinweg in politischen und kirchlichen Strukturen, in einem besonderen kulturellen Gedächtnis, in der noch lange verwendeten gotischen Sprache und nicht zuletzt in der materiellen Kultur erkennbar ist. Die Beiträge dokumentieren die ganze Bandbreite des Projektes, das archäologische, historische, kunsthistorische, geodätische und anthropologische Untersuchungen umfasste. Sie gewähren Einblick in die Entwicklung einer Region, die den Byzantinern als zwar entlegener, aber doch integraler Bestandteil des Imperiums galt. In den kolonialen Küstenstädten dieses Gebiets war dagegen die byzantinische Kultur Richtschnur und Orientierungspunkt der lokalen sozialen Gruppen.

Jan Bemmann · Katharina Schneider · Aleksandr Gercen Sergej Černyš · Magdalena Mączyńska · Agnieszka Urbaniak † Uta von Freeden

Die frühmittelalterlichen Gräberfelder von Adym-Čokrak, Južnyj I und Južnyj II am Fuße des Mangup Die Gräberfelder gehören zu den sechs bisher bekannt gewordenen spätantiken bis frühmittelalterlichen Nekropolen rund um den Tafelberg Mangup in der südwestlichen Bergkrim. Sie wurden z. T. zur gleichen Zeit genutzt und lassen sich zu den Siedlungs- und Befestigungsphasen auf dem Plateau in Bezug setzen. Seit Beginn der 1990er Jahre konnten im Rahmen von Rettungsgrabungen bisher nur Teilflächen der Bestattungsplätze untersucht werden, trotzdem sind anhand des geborgenen Fundmaterials erste Aussagen zum Nutzungszeitraum möglich. Monographien des RGZM, Band 108 110 S. mit 12 Abb., 61 meist farb. Taf. ISBN 978-3-88467-206-8 € 42,–

Verlag des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Mainz Ernst-Ludwig-Platz 2 · 55116 Mainz · Tel.: 0 61 31 / 91 24-0 · Fax: 0 61 31 / 91 24-199 E-Mail: [email protected] · Internet: www.rgzm.de · http://shop.rgzm.de



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